Language of document : ECLI:EU:C:2024:1

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

9. Januar 2024(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Art. 267 AEUV – Möglichkeit für das vorlegende Gericht, das Vorabentscheidungsurteil des Gerichtshofs zu berücksichtigen – Erforderlichkeit der erbetenen Auslegung, damit das vorlegende Gericht sein Urteil erlassen kann – Richterliche Unabhängigkeit – Bedingungen der Ernennung von Richtern der ordentlichen Gerichtsbarkeit – Möglichkeit der Anfechtung eines Beschlusses, mit dem rechtskräftig über einen Antrag auf Erlass von Sicherungsmaßnahmen entschieden wurde – Möglichkeit des Ausschlusses eines Richters von einem Spruchkörper – Unzulässigkeit der Vorabentscheidungsersuchen“

In den verbundenen Rechtssachen C‑181/21 und C‑269/21

betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Sąd Okręgowy w Katowicach (Regionalgericht Katowice [Kattowitz], Polen) und vom Sąd Okręgowy w Krakowie (Regionalgericht Kraków [Krakau], Polen) mit Entscheidungen vom 18. März 2021 und vom 31. März 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 23. März 2021 und am 27. April 2021, in den Verfahren

G.

gegen

M. S. (C‑181/21),

Beteiligte:

Rzecznik Praw Obywatelskich,

Prokuratura Okręgowa w Katowicach,

und

BC,

DC

gegen

X (C‑269/21),

Beteiligte:

Rzecznik Praw Obywatelskich,

Prokuratura Okręgowa w Krakowie,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten L. Bay Larsen, des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Kammerpräsidenten E. Regan, N. Piçarra und Z. Csehi, der Kammerpräsidentin O. Spineanu-Matei, des Richters M. Ilešič, der Richterin L. S. Rossi, der Richter I. Jarukaitis (Berichterstatter), A. Kumin und N. Jääskinen, der Richterin I. Ziemele und des Richters J. Passer,

Generalanwalt: A. M. Collins,

Kanzler: M. Siekierzyńska, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 29. Juni 2022,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Prokuratura Okręgowa w Katowicach und der Prokuratura Okręgowa w Krakowie, vertreten durch R. Babiński, S. Bańko, A. Reczka, B. Szyprowski und E. Tkaczewska-Kuk,

–        des Rzecznik Praw Obywatelskich, vertreten durch M. Taborowski, V. Vachev und M. Wróblewski,

–        der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna, K. Straś und S. Żyrek als Bevollmächtigte,

–        der dänischen Regierung, vertreten durch J. F. Kronborg und V. Pasternak Jørgensen als Bevollmächtigte,

–        der niederländischen Regierung, vertreten durch M. A. M. de Ree und C. S. Schillemans als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch K. Herrmann und P. J. O. Van Nuffel als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 15. Dezember 2022

folgendes

Urteil

1        Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 2, Art. 6 Abs. 1 bis 3 sowie Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV in Verbindung mit Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).

2        Sie ergehen in einem Rechtsstreit zwischen einer privaten Gesellschaft und einem Verbraucher wegen einer Forderung aus einem Kreditvertrag (Rechtssache C‑181/21) bzw. in einem Rechtsstreit zwischen Verbrauchern und einer Bank wegen einer Forderung und einem Antrag auf Aufhebung eines auf eine ausländische Währung lautenden Kreditvertrags (C‑269/21).

 Rechtlicher Rahmen

 Verfassung

3        In Art. 179 der Konstytucja Rzeczypospolitej Polskiej (Verfassung der Republik Polen, im Folgenden: Verfassung) heißt es:

„Die Richter werden vom Präsidenten der Republik auf Vorschlag der Krajowa Rada Sądownictwa [(Landesjustizrat, Polen, im Folgenden: KRS)] auf unbestimmte Zeit ernannt.“

4        Art. 186 Abs. 1 der Verfassung sieht vor:

„Die [KRS] schützt die Unabhängigkeit der Gerichte und der Richter.“

5        Art. 187 der Verfassung bestimmt:

„1.      Die [KRS] besteht aus:

1)      dem Ersten Präsidenten des Sąd Najwyższy [(Oberstes Gericht, Polen)], dem Justizminister, dem Präsidenten des Naczelny Sąd Administracyjny [(Oberstes Verwaltungsgericht, Polen)] und einer vom Präsidenten der Republik ernannten Person,

2)      15 Mitgliedern, die aus der Mitte der Richter des Sąd Najwyższy [(Oberstes Gericht)], der ordentlichen Gerichte, der Verwaltungs- und der Militärgerichte gewählt worden sind,

3)      vier Mitgliedern, die vom Sejm [(Erste Kammer des Parlaments, Polen)] aus der Mitte der Abgeordneten gewählt worden sind, und zwei Mitgliedern, die vom Senat aus der Mitte der Senatoren gewählt worden sind.

3.      Die Amtszeit der gewählten Mitglieder der [KRS] beträgt vier Jahre.

4.      Die Ordnung, den Umfang der Tätigkeit und die Arbeitsweise der [KRS] sowie die Wahl ihrer Mitglieder regelt ein Gesetz.“

 Gesetz über die ordentliche Gerichtsbarkeit

6        Art. 3 der Ustawa Prawo o ustroju sądów powszechnych (Gesetz über den Aufbau der ordentlichen Gerichtsbarkeit) vom 27. Juli 2001 (Dz. U. Nr. 98, Position 1070) in der durch die am 14. Februar 2020 in Kraft getretene Ustawa o zmianie ustawy – Prawo o ustroju sądów powszechnych, ustawy o Sądzie Najwyższym oraz niektórych innych ustaw (Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Aufbau der ordentlichen Gerichtsbarkeit, des Gesetzes über das Oberste Gericht und einiger anderer Gesetze) vom 20. Dezember 2019 (Dz. U. 2020, Position 190) geänderten Fassung (im Folgenden: Gesetz über die ordentliche Gerichtsbarkeit) bestimmt:

„§ 1.      Die Richter bilden die richterliche Selbstverwaltung.

§ 2.      Organe der richterlichen Selbstverwaltung sind:

1)      die Generalversammlung der Richter eines Sąd Apelacyjny [(Berufungsgericht, Polen)];

2)      die Generalversammlung der Richter eines Sąd Okręgowy [(Regionalgericht, Polen)];

3)      die Generalversammlung der Richter eines Sąd Rejonowy [(Rayongericht, Polen)].“

7        Nach Art. 24 § 1 des Gesetzes über die ordentliche Gerichtsbarkeit ernennt der Justizminister die Präsidenten der Sądy Okręgowe (Regionalgerichte) aus den Reihen der Richter der Sądy Apelacyjne (Berufungsgerichte), der Sądy Okręgowe (Regionalgerichte) oder der Sądy Rejonowe (Rayongerichte), und zwar, nach Art. 26 dieses Gesetzes, für eine Amtszeit von sechs Jahren. Nachdem er einen Präsidenten eines Sąd Okręgowy (Regionalgericht) ernannt hat, stellt der Justizminister ihn der zuständigen Generalversammlung der Richter des betreffenden Sąd Okręgowy (Regionalgericht) vor.

8        Gemäß Art. 29 § 1 des Gesetzes über die ordentliche Gerichtsbarkeit nimmt das Kollegium eines Sąd Apelacyjny (Berufungsgericht) die in diesem Gesetz festgelegten Aufgaben wahr und

„…

1a)      gibt eine Stellungnahme zu den Kandidaten für eine Richterstelle am betreffenden Sąd Apelacyjny [(Berufungsgericht)] ab …“

9        Nach Art. 31 des Gesetzes über die ordentliche Gerichtsbarkeit gibt das Kollegium eines Sąd Okręgowy (Regionalgericht) u. a. eine Stellungnahme zu den Kandidaten für eine Richterstelle am betreffenden Sąd Okręgowy (Regionalgericht) und an den Sądy Rejonowe (Rayongerichte) ab. Gemäß Art. 30 § 1 dieses Gesetzes besteht dieses Kollegium aus, nach Nr. 1 dieser Bestimmung, dem Präsidenten des betreffenden Sąd Okręgowy (Regionalgericht) sowie, nach der am 14. Februar 2020 in Kraft getretenen Nr. 2 dieser Bestimmung, den Präsidenten der Sądy Rejonowe (Rayongerichte) des Zuständigkeitsbereichs dieses Sąd Okręgowy (Regionalgericht). Nach Art. 30 § 3 dieses Gesetzes, der ebenfalls am 14. Februar 2020 in Kraft getreten ist, können die Delegierten der Generalversammlung der Richter eines Sąd Okręgowy (Regionalgericht) an den Sitzungen teilnehmen, bei denen das genannte Kollegium zu den Kandidaten für eine Richterstelle an diesem Sąd Okręgowy (Regionalgericht) Stellung nehmen muss, und sie haben nur zu diesem Zweck ein Stimmrecht.

10      In seiner bis zum 13. Februar 2020 geltenden Fassung bestimmte Art. 33 des Gesetzes über die ordentliche Gerichtsbarkeit:

„§ 1.      Die Generalversammlung der Berufungsrichter besteht aus den Richtern des betreffenden Sąd Apelacyjny [(Berufungsgericht)], Vertretern der Richter der Sądy Okręgowe [(Regionalgerichte)] im Zuständigkeitsbereich dieses Sąd Apelacyjny [(Berufungsgericht)] … und Vertretern der Richter der Sądy Rejonowe [(Rayongerichte)] im Zuständigkeitsbereich dieses Sąd Apelacyjny [(Berufungsgericht)] …

…“

11      Nach Art. 35 § 1 des Gesetzes über die ordentliche Gerichtsbarkeit besteht die Generalversammlung der Richter eines Sąd Okręgowy (Regionalgericht) aus allen Richtern dieses Gerichts. Richter, die zur Ausübung des Amts eines Richters an diesem Gericht abgeordnet wurden, können an der Versammlung teilnehmen, haben darin aber kein Stimmrecht.

12      Seit dem 14. Februar 2020 kann diese Versammlung gemäß Art. 36 § 1 Nr. 2 dieses Gesetzes Delegierte wählen, die an den Sitzungen teilnehmen, in denen das Kollegium des betreffenden Sąd Okręgowy (Regionalgericht) Stellungnahmen zu den Kandidaten für eine Richterstelle an diesem Sąd Okręgowy (Regionalgericht) oder an einem Sąd Rejonowy (Rayongericht) abzugeben hat. Gemäß Art. 36 § 2 dieses Gesetzes werden diese Delegierten in geheimer Abstimmung gewählt, wobei ihre Anzahl der der Mitglieder des Kollegiums dieses Sąd Okręgowy (Regionalgericht) entspricht.

13      Art. 42a des Gesetzes über die ordentliche Gerichtsbarkeit bestimmt:

„§ 1.      Im Rahmen der Tätigkeiten der Gerichte oder der Organe der Gerichte darf die Legitimität der [Gerichte], der Verfassungsorgane des Staates und der Organe zur Kontrolle und zum Schutz des Rechts nicht in Frage gestellt werden.

§ 2.      Ein ordentliches Gericht oder ein anderes Organ der Staatsgewalt darf die Rechtmäßigkeit der Ernennung eines Richters oder der sich daraus ergebenden Befugnis zur Wahrnehmung von Aufgaben im Bereich der Rechtsprechung weder feststellen noch beurteilen.“

14      In seiner bis zum 13. Februar 2020 geltenden Fassung sah Art. 55 § 1 des Gesetzes über die ordentliche Gerichtsbarkeit vor:

„Die Richter der ordentlichen Gerichte werden vom Präsidenten der Republik Polen auf Vorschlag der [KRS] innerhalb eines Monats nach dem Tag der Übermittlung dieses Vorschlags zu Richtern ernannt.“

15      Nunmehr bestimmt Art. 55 § 1 dieses Gesetzes:

„Ein Richter eines ordentlichen Gerichts ist eine Person, die vom Präsidenten der Republik Polen in dieses Amt ernannt wurde und ihm gegenüber einen Eid geleistet hat.“

16      In seiner bis zum 13. Februar 2020 geltenden Fassung bestimmte Art. 58 des Gesetzes über die ordentliche Gerichtsbarkeit:

„§ 1.      Wird auf eine freie Richterstelle mehr als eine Bewerbung abgegeben, werden alle Bewerbungen in derselben Sitzung der Versammlung geprüft.

§ 2.      Die Generalversammlung der Berufungsrichter oder die Generalversammlung der Regionalrichter nimmt zu den Kandidaten durch Abstimmung Stellung und übermittelt dem Präsidenten des betreffenden Sąd Apelacyjny [(Berufungsgericht)] bzw. Sąd Okręgowy [(Regionalgericht)] alle abgegebenen Bewerbungen unter Angabe der erreichten Stimmenzahl.“

17      Am 14. Februar 2020 wurde § 2 dieses Art. 58 aufgehoben. Art. 58 § 1 hat seither folgende Fassung:

„Wird auf eine freie Richterstelle mehr als eine Bewerbung abgegeben, werden alle Bewerbungen in derselben Sitzung des Kollegiums geprüft.

…“

 Gesetz über das Oberste Gericht

18      Mit der Ustawa o Sądzie Najwyższym (Gesetz über das Oberste Gericht) vom 8. Dezember 2017 (Dz. U. 2018, Position 5) wurde u. a. innerhalb des Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) die Izba Kontroli Nadzwyczajnej i Spraw Publicznych (Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten, Polen) eingerichtet.

19      Art. 26 des Gesetzes über das Oberste Gericht in der durch das Gesetz vom 20. Dezember 2019 zur Änderung des Gesetzes über den Aufbau der ordentlichen Gerichtsbarkeit, des Gesetzes über das Oberste Gericht und einiger anderer Gesetze geänderten Fassung bestimmt:

„§ 1.      Die Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten ist zuständig für außerordentliche Rechtsbehelfe, Wahlstreitigkeiten und Anfechtungen der Gültigkeit eines nationalen Referendums oder eines Verfassungsreferendums, für die Feststellung der Gültigkeit von Wahlen und Referenden und andere öffentlich-rechtliche Fälle, einschließlich Streitigkeiten über den Schutz des Wettbewerbs, die Regulierung der Energie- und Telekommunikationswirtschaft und des Eisenbahnverkehrs sowie Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen des Przewodniczący Krajowej Rady Radiofonii i Telewizji [(Vorsitzender des Nationalen Rundfunkrats, Polen)], sowie für Beschwerden wegen überlanger Verfahrensdauer vor den ordentlichen Gerichten, den Militärgerichten und dem Sąd Najwyższy [(Oberstes Gericht)].

§ 2.      Die Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten ist zuständig für Anträge oder Erklärungen betreffend den Ausschluss eines Richters oder die Bestimmung des Gerichts, bei dem ein Verfahren geführt werden soll, mit denen die fehlende Unabhängigkeit des Gerichts oder des Richters gerügt wird. Das mit der Sache befasste Gericht übermittelt dem Präsidenten der Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten unverzüglich den Antrag, damit dieser nach den in gesonderten Vorschriften festgelegten Regeln weiter behandelt wird. Durch die Übermittlung des Antrags an den Präsidenten der Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten wird das laufende Verfahren nicht ausgesetzt.

§ 3.      Der Antrag nach § 2 wird nicht geprüft, wenn er die Feststellung und die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ernennung eines Richters oder seiner Ermächtigung zur Wahrnehmung von Aufgaben im Bereich der Rechtsprechung betrifft.

…“

20      Nach Art. 29 des Gesetzes über das Oberste Gericht werden die Richter des Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) vom Präsidenten der Republik auf Vorschlag der KRS ernannt.

 Gesetz über den Landesjustizrat

21      Art. 9a der Ustawa o Krajowej Radzie Sądownictwa (Gesetz über den Landesjustizrat) vom 12. Mai 2011 (Dz. U. 2011, Nr. 126, Position 714) in der durch die Ustawa o zmianie ustawy o Krajowej Radzie Sądownictwa oraz niektórych innych ustaw (Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Landesjustizrat und einiger anderer Gesetze) vom 8. Dezember 2017 (Dz. U. 2018, Position 3) geänderten Fassung bestimmt:

„1.      Der Sejm [(Erste Kammer des Parlaments)] wählt aus den Reihen der Richter am Sąd Najwyższy [(Oberstes Gericht)], an den ordentlichen Gerichten, an den Verwaltungsgerichten und an den Militärgerichten 15 Mitglieder der [KRS] für eine gemeinsame Amtszeit von vier Jahren.

2.      Bei der Wahl nach Abs. 1 trägt der Sejm so weit wie möglich dem Erfordernis Rechnung, dass Richter der verschiedenen Arten und Ebenen von Gerichten in der [KRS] vertreten sein sollten.

3.      Die gemeinsame Amtszeit der aus den Reihen der Richter gewählten neuen Mitglieder der [KRS] beginnt an dem auf ihre Wahl folgenden Tag. Die scheidenden Mitglieder der [KRS] üben ihre Tätigkeit bis zu dem Tag aus, an dem die gemeinsame Amtszeit der neuen Mitglieder [der KRS] beginnt.“

22      Die Übergangsvorschrift in Art. 6 des am 17. Januar 2018 in Kraft getretenen Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Landesjustizrat und einiger anderer Gesetze sieht vor:

„Die Amtszeit der in Art. 187 Abs. 1 Nr. 2 der [Verfassung] genannten Mitglieder der [KRS], die nach den bisherigen Bestimmungen gewählt wurden, dauert bis zum Tag vor dem Beginn der Amtszeit der neuen Mitglieder der [KRS], höchstens jedoch 90 Tage ab dem Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes, sofern sie nicht vorher durch den Ablauf der Amtszeit endet.“

 Zivilprozessordnung

23      Art. 48 der Ustawa – Kodeks postępowania cywilnego (Gesetz über die Zivilprozessordnung) vom 17. November 1964 in der für die Ausgangsrechtsstreitigkeiten maßgebenden Fassung (im Folgenden: Zivilprozessordnung) sieht vor:

„§ 1.      Ein Richter ist kraft Gesetzes ausgeschlossen:

1)      in Rechtssachen, in denen er Partei ist oder in denen er mit einer der Parteien in einem solchen Rechtsverhältnis steht, dass der Ausgang der Rechtssache seine Rechte oder Pflichten berührt;

5)      in Rechtssachen, in denen er in einer Vorinstanz am Erlass der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, in Rechtssachen, die die Gültigkeit eines Rechtsakts betreffen, der unter seiner Mitwirkung zustande gekommen ist oder von ihm überprüft wurde, sowie in Rechtssachen, in denen er als Prokurator [(Staatsanwalt, Polen)] tätig war;

…“

24      Art. 49 § 1 der Zivilprozessordnung bestimmt:

„Unabhängig von den in Art. 48 genannten Gründen schließt das Gericht auf Antrag des Richters oder einer Partei einen Richter aus, wenn ein Umstand vorliegt, der berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit dieses Richters in der betreffenden Rechtssache aufkommen lassen könnte.“

25      Art. 50 der Zivilprozessordnung sieht vor:

„§ 1.      Eine Partei beantragt den Ausschluss eines Richters schriftlich oder durch mündliche Erklärung zur Niederschrift bei dem Gericht, bei dem die betreffende Rechtssache anhängig ist, und macht die Gründe für den Ausschluss glaubhaft.

§ 2.      Eine Partei, die an der Verhandlung teilgenommen hat, muss zudem nachweisen, dass der den Ausschluss rechtfertigende Umstand erst später eingetreten ist oder ihr zur Kenntnis gebracht wurde.

§ 3.      Bis zur Entscheidung über den Antrag auf Ausschluss eines Richters

1)      kann der von dem Antrag betroffene Richter weitere Maßnahmen ergreifen;

2)      darf keine Entscheidung oder Maßnahme erlassen werden, die das Verfahren beendet.“

26      Art. 365 § 1 der Zivilprozessordnung sieht vor:

„Eine rechtskräftige Entscheidung bindet nicht nur die Parteien und das Gericht, das sie erlassen hat, sondern auch andere Gerichte, andere staatliche Stellen und Verwaltungsorgane sowie in den gesetzlich vorgesehenen Fällen auch andere Personen.“

27      Art. 367 § 3 der Zivilprozessordnung bestimmt:

„Das [zweitinstanzliche] Gericht prüft eine Rechtssache in einem Spruchkörper mit drei Richtern. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit entscheidet das Gericht in einem mit einem Richter besetzten Spruchkörper, es sei denn, es erlässt ein Urteil.“

28      Nach Art. 379 Nr. 4 der Zivilprozessordnung ist das Verfahren nichtig, „wenn das erkennende Gericht nicht gemäß den gesetzlichen Bestimmungen zusammengesetzt war oder das Verfahren im Beisein eines Richters geführt wurde, der kraft Gesetzes ausgeschlossen war“.

29      Art. 401 der Zivilprozessordnung bestimmt:

„Die Wiederaufnahme eines Verfahrens wegen Nichtigkeit kann beantragt werden,

1)      wenn eine nicht berechtigte Person dem Spruchkörper angehört hat oder ein kraft Gesetzes ausgeschlossener Richter entschieden hat und die Partei den Ausschluss nicht geltend machen konnte, bevor das Urteil rechtskräftig geworden ist;

…“

 Ausgangsrechtsstreitigkeiten und Vorlagefragen

 Sachverhalt in der Rechtssache C181/21

30      In dem Ausgangsrechtsstreit stehen sich eine private Gesellschaft und ein Verbraucher wegen einer Forderung aus einem Kreditvertrag gegenüber.

31      Die private Gesellschaft verklagte den Verbraucher auf Zahlung von 16 000 polnischen Złoty (PLN) (etwa 3 450 Euro) zuzüglich Zinsen und Verfahrenskosten. Der Sąd Rejonowy w Dąbrowie Górniczej (Rayongericht Dąbrowa Górnicza, Polen) erließ eine Entscheidung in der Sache in Form einer Zahlungsanordnung. Der Verbraucher legte gegen diese Entscheidung einen Rechtsbehelf ein. Dieser wurde durch Beschluss des Rayongerichts zurückgewiesen.

32      Gegen diesen Beschluss legte der Verbraucher eine Beschwerde beim Sąd Okręgowy w Katowicach (Regionalgericht Katowice, Polen) ein. Die Entscheidung über diese Beschwerde wurde einem Spruchkörper zugewiesen, der mit drei Richtern besetzt war, darunter die Richterin A. Z.

33      Zu den Umständen der Ernennung der Richterin A. Z. am Sąd Okręgowy w Katowicach (Regionalgericht Katowice) ist der Vorlageentscheidung zu entnehmen, dass sich diese Richterin, die seit 1996 Richterin am Sąd Rejonowy w Jaworznie (Rayongericht Jaworzno, Polen) war, um eine freie Richterstelle am Sąd Okręgowy w Katowicach (Regionalgericht Katowice) bewarb.

34      Nachdem zunächst das Kollegium des Sąd Apelacyjny w Katowicach (Berufungsgericht Katowice, Polen) zur Bewerbung der Richterin A. Z. Stellung genommen hatte, enthielt sich die Versammlung der Vertreter der Berufungsrichter dieses Gerichts einer Stellungnahme zu dieser Bewerbung. Diese Versammlung hatte nämlich am 14. Januar 2019 einen Beschluss verabschiedet, in dem sie erklärte, dass sie aufgrund ihrer Bedenken hinsichtlich des Status und der Arbeitsweise der KRS, die an einem solchen Ernennungsverfahren mitwirken solle, nicht an Verfahren zur Ernennung von Richtern auf freie Stellen an dem genannten Gericht und an den Sądy Okręgowe (Regionalgerichten) in seinem Zuständigkeitsbereich mitwirken wolle.

35      Außerdem wies die Versammlung der Vertreter der Berufungsrichter des Sąd Apelacyjny w Katowicach (Berufungsgericht Katowice) mit einem am selben Tag verabschiedeten Beschluss ihren Vorsitzenden an, zum einen von der Weiterleitung der Bewerbungen um freie Richterstellen an diesem Gericht und dem Sąd Okręgowy w Katowicach (Regionalgericht Katowice) abzusehen, bis sie hierzu Stellung genommen habe, und zum anderen keinen weiteren Termin zur Beratung über die Ernennungsverfahren festzulegen, bis die Zweifel in Bezug auf die KRS ausgeräumt seien.

36      Trotz der oben genannten Beschlüsse leitete der Präsident des Sąd Apelacyjny w Katowicach (Berufungsgericht Katowice), der gleichzeitig Vorsitzender der Generalversammlung der Richter dieses Gerichts ist und vom Justizminister zum Präsidenten dieses Gerichts ernannt worden war, die Bewerbung der Richterin A. Z. weiter. Diese wurde vom Präsidenten der Republik Polen zur Richterin am Sąd Okręgowy w Katowicach (Regionalgericht Katowice) ernannt.

37      In einer nicht öffentlichen Sitzung, die am 18. März 2021 stattfand, äußerte der Berichterstatter des in Rn. 32 des vorliegenden Urteils genannten Spruchkörpers Zweifel daran, dass es sich angesichts der Umstände der Ernennung der Richterin A. Z. am Sąd Okręgowy w Katowicach (Regionalgericht Katowice) bei diesem Spruchkörper um ein „Gericht“ handele. Vor diesem Hintergrund hat er als Einzelrichter auf der Grundlage von Art. 367 § 3 der Zivilprozessordnung den Gerichtshof angerufen.

 Sachverhalt in der Rechtssache C269/21

38      In dem Ausgangsrechtsstreit stehen sich Verbraucher und eine Bank wegen einer Forderung und eines Antrags auf Aufhebung eines auf eine ausländische Währung lautenden Kreditvertrags gegenüber.

39      Die Verbraucher beantragten beim Sąd Okręgowy w Krakowie (Regionalgericht Kraków) die Verurteilung der Bank zur Zahlung u. a. von 104 537 PLN (etwa 22 540 Euro) und die rückwirkende Aufhebung des betreffenden Kreditvertrags, gestützt auf das Urteil vom 3. Oktober 2019, Dziubak (C‑260/18, EU:C:2019:819). Sie beantragten ferner den Erlass von Sicherungsmaßnahmen u. a. in Form der Aussetzung der gemäß diesem Kreditvertrag zu zahlenden monatlichen Raten bis zum Eintritt der Rechtskraft des Urteils im Ausgangsrechtsstreit.

40      Die Bearbeitung dieses Rechtsstreits und dieses Antrags auf Erlass von Sicherungsmaßnahmen wurde einem Einzelrichter des Sąd Okręgowy w Krakowie (Regionalgericht Kraków), bei dem es sich um das vorlegende Gericht in dieser Rechtssache handelt, übertragen.

41      Mit Beschluss vom 9. Oktober 2020 gab dieses Gericht dem genannten Antrag statt.

42      Gegen diesen Beschluss legte die Bank Beschwerde ein. Die Prüfung dieser Beschwerde wurde einem mit drei Richtern besetzten Spruchkörper des Sąd Okręgowy w Krakowie (Regionalgericht Kraków) zugewiesen. Diesem Spruchkörper gehörte die Richterin A. T. an, die auch zur Berichterstatterin bestimmt wurde und die Vorsitzende Richterin dieses Spruchkörpers war. Dieser Spruchkörper änderte den genannten Beschluss ab und wies den Antrag auf Erlass von Sicherungsmaßnahmen in vollem Umfang zurück. Da eine solche Entscheidung unanfechtbar ist, wurde die Sache an das vorlegende Gericht zur Entscheidung in der Hauptsache zurückverwiesen.

43      Zu den Umständen der Ernennung der Richterin A. T. am Sąd Okręgowy w Krakowie (Regionalgericht Kraków) ist der Vorlageentscheidung zu entnehmen, dass sich diese Richterin, die bis dahin seit 2009 Richterin am Sąd Rejonowy dla Krakowa-Krowodrzy w Krakowie (Rayongericht Kraków – Krowodrza, Kraków, Polen) war, um eine freie Richterstelle beim Sąd Okręgowy w Krakowie (Regionalgericht Kraków) bewarb. Sie war die einzige Bewerberin für diese Stelle. Das vorlegende Gericht führt aus, dass viele Richter der Sądy Rejonowe (Rayongerichte) trotz ihrer großen Erfahrung nicht mehr an diesen Bewerbungsverfahren teilnähmen, weil das Verfahren zur Ernennung von Richtern der ordentlichen Gerichte nicht mehr verfassungsgemäß sei, insbesondere aufgrund der Tatsache, dass die Entscheidungen der KRS, die hochpolitisch geworden sei, nicht mehr auf objektive Kriterien gestützt seien und Bewerber bevorteilten, die von den Gerichtspräsidenten unterstützt würden, die vom Justizminister ernannt worden seien.

44      Das Kolegium Sądu Okręgowego w Krakowie (Kollegium des Regionalgerichts Kraków, Polen) gab seine Stellungnahme zur Bewerbung der Richterin A. T. in einer Sitzung am 1. Juni 2020 ab.

45      Das vorlegende Gericht weist insoweit darauf hin, dass der Präsident des Sąd Okręgowy w Krakowie (Regionalgericht Kraków) sowie die Präsidenten der Sądy Rejonowe (Rayongerichte), auf deren Ernennung der Justizminister unmittelbar Einfluss habe, die Mehrheit der Mitglieder dieses Kollegiums ausmachten. Zudem sei die Bewerbung der Richterin A. T. nicht von der Stellungnahme der Generalversammlung der Richter des Sąd Okręgowy w Krakowie (Regionalgericht Kraków) abhängig gewesen, weil der polnische Gesetzgeber jeden wirklichen Einfluss der richterlichen Selbstverwaltung auf das Verfahren zur Richterernennung in Polen beseitigt habe. Seit dem 14. Februar 2020 und insbesondere infolge des Inkrafttretens des geänderten Art. 58 des Gesetzes über die ordentliche Gerichtsbarkeit sei die Stellungnahme dieser Versammlung nämlich nicht mehr erforderlich.

46      Am 7. Juli 2020 erließ die KRS einen Beschluss, in dem die Ernennung der Richterin A. T. auf die Stelle einer Richterin am Sąd Okręgowy w Krakowie (Regionalgericht Kraków) empfohlen wurde. Am 4. Februar 2021 nahm der Präsident der Republik Polen diese Ernennung vor.

47      Aufgrund der Umstände dieser Ernennung hat das vorlegende Gericht Zweifel an der Vereinbarkeit des in Rn. 42 des vorliegenden Urteils erwähnten, mit drei Richtern besetzten Spruchkörpers, der über die von der Bank eingelegte Beschwerde gegen seinen Beschluss vom 9. Oktober 2020 entschieden hat, mit dem Unionsrecht – und folglich an der Gültigkeit der von diesem Spruchkörper erlassenen Entscheidung. Das vorlegende Gericht fragt sich in diesem Zusammenhang, ob es an den Beschluss dieses Spruchkörpers gebunden sei, der die von ihm erlassenen Sicherungsmaßnahmen aufgehoben habe, oder ob ein neuer Spruchkörper, dem die Richterin A. T. nicht angehöre, gemäß demselben System der zufälligen Zuweisung der Rechtssachen benannt werden müsse, um diese Beschwerde zu prüfen.

 Gründe für die Vorabentscheidungsersuchen und in den Rechtssachen C181/21 und C269/21 vorgelegte Fragen

48      Die vorlegenden Gerichte stellen im Wesentlichen fest, dass die Rechtssachen C‑181/21 und C‑269/21 im Gegensatz zu anderen Rechtssachen, mit denen der Gerichtshof bisher befasst war, Ernennungen auf Richterstellen an ordentlichen Gerichten und nicht am Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) beträfen.

49      Sie berichten in diesem Zusammenhang über eine Reihe von Entwicklungen im Zusammenhang mit den jüngsten Justizreformen in Polen, die die Zusammensetzung der KRS und der Organe der richterlichen Selbstverwaltung und ihre jeweilige Rolle im Verfahren zur Ernennung auf solche Stellen sowie die gerichtliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit dieser Ernennungen betreffen. Aufgrund dieser verschiedenen Gesichtspunkte bezweifeln sie, dass es sich bei Spruchkörpern, in denen sich nach einem solchen Verfahren ernannte Richter befinden, um „Gerichte“ im Sinne u. a. des Unionsrechts handelt.

50      Der Sąd Okręgowy w Katowicach (Regionalgericht Katowice) und der Sąd Okręgowy w Krakowie (Regionalgericht Kraków) haben die Verfahren daher ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende, in den Rechtssachen C‑181/21 und C‑269/21 nahezu gleichlautend formulierte Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Sind Art. 2, Art. 19 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 bis 3 EUV in Verbindung mit Art. 47 der Charta dahin auszulegen, dass

a)      ein Gericht, dem eine Person angehört, die zum Richter an diesem Gericht in einem Verfahren ernannt wurde, an dem keine Einrichtungen der richterlichen Selbstverwaltung, die überwiegend unabhängig von der Exekutive und der Legislative besetzt sind, beteiligt waren, obwohl in Anbetracht der Verfassungstradition des Mitgliedstaats die Beteiligung einer Einrichtung der richterlichen Selbstverwaltung, die diese Anforderungen erfüllt, an der Ernennung des Richters unabdingbar ist, kein durch Gesetz errichtetes Gericht im Sinne des Unionsrechts ist, wenn man den institutionellen und strukturellen Zusammenhang berücksichtigt, insbesondere, dass

–        die Richterversammlungen eine Stellungnahme zur Bewerbung um den Richterposten abgeben müssen und dieses Erfordernis entgegen den innerstaatlichen Vorschriften und der Einschätzung dieser Einrichtung der richterlichen Selbstverwaltung absichtlich außer Acht gelassen wurde [(Rechtssache C‑181/21), oder dass]

die Anforderung, sich zu einer Bewerbung um eine Richterstelle zu äußern, einem Kollegium des Gerichts oblag, das so ausgestaltet war, dass die meisten der Kollegiumsmitglieder von einem Vertreter der Exekutive, dem Minister Sprawiedliwości – Prokurator Generalny (Justizminister – Generalstaatsanwalt, Polen), ernannt worden sind [(Rechtssache C‑269/21)],

–        die derzeitige KRS, die unter Verletzung der Verfassung und der gesetzlichen Regelungen gewählt wurde, keine unabhängige Einrichtung ist und ihr keine Vertreter der Richterschaft angehören, die dorthin unabhängig von der Exekutive und der Legislative entsandt wurden, so dass kein wirksamer Antrag auf Ernennung eines Richters nach den nationalen Rechtsvorschriften gestellt worden ist,

–        den Teilnehmern des Auswahlverfahrens kein Rechtsbehelf bei einem Gericht im Sinne von Art. 2, Art. 19 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 bis 3 EUV in Verbindung mit Art. 47 der Charta offenstand?

b)      ein Gericht, dem eine Person angehört, die zum Richter an diesem Gericht in einem Verfahren ernannt wurde, das von einer willkürlichen Entscheidung der Exekutive abhängig war und an dem weder Einrichtungen der richterlichen Selbstverwaltung, die überwiegend von der Exekutive und der Legislative unabhängig besetzt sind, noch andere Einrichtungen beteiligt waren, die eine objektive Bewertung des Bewerbers gewährleistet hätten, die Anforderungen an ein durch Gesetz errichtetes unabhängiges Gericht nicht erfüllt, wenn man bedenkt, dass die Beteiligung von Einrichtungen der richterlichen Selbstverwaltung oder einer anderen von der Exekutive und der Legislative unabhängigen Einrichtung, die eine objektive Bewertung des Bewerbers im Verfahren der Richterernennung gewährleistet, im Kontext der in den genannten Bestimmungen des EUV und der Charta verankerten europäischen Rechtstradition, die die Grundlage der Rechtsunion bildet, die die Europäische Union darstellt, für die Annahme unentbehrlich ist, dass das nationale Gericht einen hinreichenden gerichtlichen Rechtsschutz in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen gewährleistet, so dass der Grundsatz der Dreiteilung und des Gleichgewichts der Gewalten und der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit gewahrt bleiben?

2.      Sind Art. 2 und Art. 19 Abs. 1 EUV in Verbindung mit Art. 47 der Charta dahin auszulegen, dass sie in einer Situation, in der dem Spruchkörper eine Person angehört, die unter den in [der ersten Frage] beschriebenen Umständen ernannt wurde,

a)      unter Berücksichtigung des institutionellen und systemischen Zusammenhangs der Anwendung von innerstaatlichen Vorschriften entgegenstehen, die die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Ernennung dieser Person zum Richter der ausschließlichen Zuständigkeit [der Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten] zuweisen, die sich ausschließlich aus Personen zusammensetzt, die unter den in [der ersten Frage] beschriebenen Umständen zu Richtern ernannt wurden, und zudem anordnen, dass Rügen, die die Ernennung eines Richters betreffen, nicht geprüft werden,

b)      erfordern, dass zu Zwecken der Sicherstellung der Wirksamkeit des Unionsrechts die innerstaatlichen Rechtsvorschriften in einer Weise ausgelegt werden, die es dem Gericht ermöglicht, eine solche Person in analoger Anwendung der Bestimmungen über die Ausschließung eines Richters, der zum Rechtsprechen ungeeignet ist (iudex inhabilis), von Amts wegen vom Verfahren auszuschließen?

 Verfahren vor dem Gerichtshof

 Zur Verbindung der Rechtssachen C181/21 und C269/21

51      Mit Entscheidungen des Präsidenten des Gerichtshofs vom 5. Mai 2021 sind die Rechtssachen C‑181/21 und C‑269/21 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

 Zu den Anträgen auf Anwendung des beschleunigten Verfahrens

52      Die vorlegenden Gerichte haben beantragt, die vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen einem beschleunigten Verfahren nach Art. 105 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs zu unterwerfen. Zur Begründung ihrer Anträge haben sie geltend gemacht, dass die Anwendung dieses Verfahrens angesichts der Tatsache gerechtfertigt sei, dass an den ordentlichen Gerichten zumindest mehrere Hundert Personen, die „unter grober Verletzung der polnischen Rechtsvorschriften über die Ernennung von Richtern“ zu Richtern an diesen Gerichten ernannt worden seien, tätig seien und dort eine wachsende Zahl von Entscheidungen erließen. Unter diesen Umständen müssten die gestellten Fragen so schnell wie möglich beantwortet werden, um im Interesse der Rechtsunterworfenen, einer ordnungsgemäßen Rechtspflege und der Rechtssicherheit die Zweifel an der Arbeitsweise der ordentlichen Gerichte, denen die beiden Richterinnen angehörten, deren Ernennung in den vorliegenden Rechtssachen im Hinblick auf die Anforderungen an ein unabhängiges, unparteiisches und zuvor durch Gesetz errichtetes Gericht in Frage stehe, auszuräumen.

53      Nach Art. 105 Abs. 1 der Verfahrensordnung kann der Präsident des Gerichtshofs auf Antrag des vorlegenden Gerichts oder ausnahmsweise von Amts wegen, nach Anhörung des Berichterstatters und des Generalanwalts, entscheiden, eine Vorlage zur Vorabentscheidung einem beschleunigten Verfahren zu unterwerfen, wenn die Art der Rechtssache ihre rasche Erledigung erfordert.

54      Ein solches beschleunigtes Verfahren ist ein Verfahrensinstrument, mit dem auf eine außerordentliche Dringlichkeitssituation reagiert werden soll (Urteil vom 21. Dezember 2021, Randstad Italia, C‑497/20, EU:C:2021:1037, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

55      Im vorliegenden Fall hat der Präsident des Gerichtshofs am 5. Mai 2021 nach Anhörung des Berichterstatters und des Generalanwalts entschieden, den in Rn. 52 des vorliegenden Urteils genannten Anträgen nicht stattzugeben. Der Umstand, dass die vorgelegten Fragen die Arbeitsweise der ordentlichen Gerichte betreffen, an denen eine große Zahl von Richtern wie die, deren Ernennung in den vorliegenden Rechtssachen in Frage steht, tätig ist, stellt nämlich keinen Grund dar, aus dem sich eine außerordentliche Dringlichkeit ergibt, die jedoch erforderlich ist, um eine beschleunigte Behandlung zu rechtfertigen. Gleiches gilt für den Umstand, dass eine große Zahl von Rechtsunterworfenen potenziell von den Entscheidungen betroffen ist, die täglich von den Richterinnen getroffen werden, deren Ernennungen in diesen Rechtssachen in Zweifel gezogen werden. Schließlich impliziert die Sensibilität dieser Fragen als solche nicht die Erforderlichkeit ihrer raschen Erledigung im Sinne von Art. 105 Abs. 1 der Verfahrensordnung.

 Zur Zuständigkeit des Gerichtshofs

56      Die polnische Regierung, die in der mündlichen Verhandlung von der Prokuratura Okręgowa w Katowicach (Regionalstaatsanwaltschaft Katowice, Polen) und der Prokuratura Okręgowa w Krakowie (Regionalstaatsanwaltschaft Kraków, Polen) unterstützt wurde, macht im Wesentlichen geltend, dass Fragen der Gerichtsorganisation der Mitgliedstaaten, wie sie in den Vorlagefragen aufgeworfen würden, in deren ausschließliche Zuständigkeit und nicht in den sachlichen Anwendungsbereich des Unionsrechts fielen.

57      Hierzu ist festzustellen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Organisation der Justiz in den Mitgliedstaaten zwar in deren Zuständigkeit fällt, die Mitgliedstaaten bei der Ausübung dieser Zuständigkeit jedoch die Verpflichtungen einzuhalten haben, die sich für sie aus dem Unionsrecht ergeben. Dies gilt insbesondere für nationale Vorschriften betreffend den Erlass von Entscheidungen über die Ernennung von Richtern und gegebenenfalls für Vorschriften betreffend die im Zusammenhang mit solchen Ernennungsverfahren anwendbare gerichtliche Kontrolle (Urteil vom 22. März 2022, Prokurator Generalny [Disziplinarkammer des Obersten Gerichts – Ernennung], C‑508/19, EU:C:2022:201, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).

58      Außerdem geht aus dem Wortlaut der Vorlagefragen klar hervor, dass diese nicht die Auslegung des polnischen Rechts, sondern die Auslegung der Bestimmungen des Unionsrechts betreffen, auf die sie sich beziehen.

59      Folglich ist der Gerichtshof für die Entscheidung über die vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen zuständig.

 Zur Zulässigkeit der Vorabentscheidungsersuchen

60      In der Rechtssache C‑181/21 stellt die polnische Regierung die Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens in Abrede und macht im Wesentlichen geltend, dass nur der für das Ausgangsverfahren zuständige Spruchkörper mit drei Richtern und nicht ein Richter dieses Spruchkörpers allein dafür zuständig sei, dem Gerichtshof die in dieser Rechtssache gestellten Fragen vorzulegen.

61      In der Rechtssache C‑269/21 macht diese Regierung geltend, dass das vorlegende Gericht in dieser Rechtssache nach den polnischen Verfahrensvorschriften nicht dafür zuständig sei, die Rechtmäßigkeit des Spruchkörpers mit drei Richtern, der den Beschluss erlassen habe, mit dem rechtskräftig über den Antrag der Kläger des Ausgangsverfahrens auf Erlass von Sicherungsmaßnahmen entschieden worden sei, und insbesondere die Rechtmäßigkeit der Ernennung der Richterin A. T., die diesem Spruchkörper angehört habe, zu prüfen. Sie ist – in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof unterstützt durch die Kommission – der Ansicht, dass unter diesen Umständen eine Antwort des Gerichtshofs auf die Fragen des vorlegenden Gerichts für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits nicht erforderlich sei.

62      Insoweit hat der Gerichtshof wiederholt hervorgehoben, dass das durch Art. 267 AEUV geschaffene Verfahren ein Instrument der Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten ist, mit dem der Gerichtshof diesen Gerichten Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts gibt, die sie zur Entscheidung der bei ihnen anhängigen Rechtsstreitigkeiten benötigen, und dass die Rechtfertigung des Vorabentscheidungsersuchens nicht in der Abgabe von Gutachten zu allgemeinen oder hypothetischen Fragen liegt, sondern darin, dass es für die tatsächliche Entscheidung eines Rechtsstreits erforderlich ist (Urteil vom 22. März 2022, Prokurator Generalny [Disziplinarkammer des Obersten Gerichts – Ernennung], C‑508/19, EU:C:2022:201, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung).

63      Wie sich bereits aus dem Wortlaut von Art. 267 AEUV ergibt, muss die beantragte Vorabentscheidung „erforderlich“ sein, um dem vorlegenden Gericht den „Erlass seines Urteils“ in der bei ihm anhängigen Rechtssache zu ermöglichen (Urteil vom 22. März 2022, Prokurator Generalny [Disziplinarkammer des Obersten Gerichts – Ernennung], C‑508/19, EU:C:2022:201, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

64      Der Gerichtshof hat daher darauf hingewiesen, dass sowohl aus dem Wortlaut als auch aus dem Aufbau von Art. 267 AEUV folgt, dass das Vorabentscheidungsverfahren insbesondere voraussetzt, dass bei den nationalen Gerichten tatsächlich ein Rechtsstreit anhängig ist, in dem sie eine Entscheidung erlassen müssen, bei der das im Vorabentscheidungsverfahren ergangene Urteil berücksichtigt werden kann (Urteil vom 22. März 2022, Prokurator Generalny [Disziplinarkammer des Obersten Gerichts – Ernennung], C‑508/19, EU:C:2022:201, Rn. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung).

65      In einem solchen Verfahren muss also ein Bezug zwischen dem fraglichen Rechtsstreit und den Bestimmungen des Unionsrechts, um deren Auslegung ersucht wird, bestehen, so dass diese Auslegung einem objektiven Erfordernis für die Entscheidung entspricht, die das nationale Gericht zu treffen hat (Urteil vom 26. März 2020, Miasto Łowicz und Prokurator Generalny, C‑558/18 und C‑563/18, EU:C:2020:234, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).

66      Im vorliegenden Fall ist, was die Rechtssache C‑181/21 betrifft, zunächst darauf hinzuweisen, dass das in dieser Rechtssache vorgelegte Vorabentscheidungsersuchen, wie sich aus diesem Ersuchen ergibt, vom Berichterstatter des Ausgangsverfahrens in einem Spruchkörper mit drei Richtern an den Gerichtshof gerichtet worden ist. Dieser Richter hegt wegen der Zugehörigkeit der gemäß dem nach den Reformen des polnischen Justizsystems geltenden Verfahren ernannten Richterin A. Z. zu diesem Spruchkörper Zweifel an der Vereinbarkeit der Besetzung dieses Spruchkörpers insbesondere mit Art. 19 Abs. 1 EUV und Art. 47 der Charta.

67      Mit seinen Vorlagefragen möchte der vorlegende Richter somit wissen, ob ein Richter, der demselben Spruchkörper wie er selbst im Ausgangsverfahren angehört und der unter bestimmten besonderen Umständen ernannt wurde, den Anforderungen an ein unabhängiges, unparteiisches und zuvor durch Gesetz errichtetes Gericht im Sinne des Unionsrechts genügt.

68      Insoweit trifft es zwar zu, dass jedes Gericht überprüfen muss, ob es in Anbetracht seiner Zusammensetzung ein unabhängiges, unparteiisches und zuvor durch Gesetz errichtetes Gericht im Sinne u. a. von Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV ist, wenn insoweit ein ernsthafter Zweifel besteht, wobei diese Überprüfung im Hinblick auf das Vertrauen erforderlich ist, das die Gerichte einer demokratischen Gesellschaft bei den Rechtsuchenden wecken müssen (Urteile vom 26. März 2020, Überprüfung Simpson/Rat und HG/Kommission, C‑542/18 RX‑II und C‑543/18 RX‑II, EU:C:2020:232, Rn. 57, sowie vom 5. Juni 2023, Kommission/Polen [Unabhängigkeit und Privatleben von Richtern], C‑204/21, EU:C:2023:442, Rn. 129 und die dort angeführte Rechtsprechung).

69      Gleichwohl setzt die Erforderlichkeit – im Sinne von Art. 267 AEUV – der vom Gerichtshof erbetenen Auslegung im Vorabentscheidungsverfahren voraus, dass das nationale Gericht, das – wie der vorlegende Richter in der Rechtssache C‑181/21 – beschließt, den Gerichtshof um Vorabentscheidung zu ersuchen, allein die Konsequenzen aus dieser Auslegung ziehen kann, indem es im Licht dieser Auslegung die Rechtmäßigkeit der Ernennung eines anderen Richters desselben Spruchkörpers beurteilt und diesen gegebenenfalls ausschließt.

70      Weder aus der Vorlageentscheidung noch aus den dem Gerichtshof in der Rechtssache C‑181/21 vorliegenden Akten geht jedoch hervor, dass der Richter, der das Vorabentscheidungsersuchen in dieser Rechtssache vorgelegt hat, nach den Vorschriften des nationalen Rechts allein so handeln könnte.

71      Somit ist nicht ersichtlich, dass dieser Richter allein die etwaigen Antworten des Gerichtshofs auf seine Vorlagefragen berücksichtigen könnte.

72      Die Auslegung der Bestimmungen des Unionsrechts, um die in der Rechtssache C‑181/21 ersucht wird, entspricht daher keinem objektiven Erfordernis für eine Entscheidung, die der vorlegende Richter im Ausgangsverfahren allein erlassen könnte.

73      Folglich ist davon auszugehen, dass das Vorabentscheidungsersuchen in der Rechtssache C‑181/21 auf die Abgabe von Gutachten zu allgemeinen oder hypothetischen Fragen im Sinne der in Rn. 62 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung gerichtet und daher unzulässig ist.

74      Zur Rechtssache C‑269/21 ist festzustellen, dass das vorlegende Gericht in dem in dieser Rechtssache vorgelegten Vorabentscheidungsersuchen selbst darauf hinweist, dass der Beschluss des Spruchkörpers mit drei Richtern des Sąd Okręgowy w Krakowie (Regionalgericht Kraków), mit dem seine eigene Entscheidung abgeändert und der Antrag der betreffenden Verbraucher auf Erlass von Sicherungsmaßnahmen zurückgewiesen worden sei, nicht mehr anfechtbar sei. Es beruft sich allerdings auf die Rechtsunsicherheit im Zusammenhang mit diesem Beschluss wegen der Zweifel an der ordnungsmäßigen Zusammensetzung des Spruchkörpers, der ihn erlassen habe, und zwar deshalb, weil diesem Spruchkörper die Richterin A. T. angehört habe. Das vorlegende Gericht führt aber keine Bestimmung des polnischen Verfahrensrechts an, die ihm – noch dazu in Einzelrichter-Besetzung – die Befugnis verleihen würde, zu prüfen, ob ein rechtskräftiger Beschluss, den ein mit drei Richtern besetzter Spruchkörper zu einem solchen Antrag erlassen hat, u. a. mit dem Unionsrecht im Einklang steht.

75      Im Übrigen geht aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hervor, dass über den Antrag auf Erlass von Sicherungsmaßnahmen im Ausgangsverfahren durch einen Beschluss, der das vorlegende Gericht nach Art. 365 der Zivilprozessordnung bindet, rechtskräftig entschieden wurde und dass dieses Gericht weder befugt ist, einen Richter des Spruchkörpers, der diesen Beschluss erlassen hat, „auszuschließen“, noch, diesen Beschluss in Frage zu stellen.

76      In Anbetracht der in den Rn. 74 und 75 des vorliegenden Urteils getroffenen Feststellungen ist nicht ersichtlich, dass das vorlegende Gericht in der Rechtssache C‑269/21 nach den nationalen Rechtsvorschriften dafür zuständig wäre, die Rechtmäßigkeit des aus drei Richtern bestehenden Spruchkörpers, der den Beschluss erlassen hat, mit dem rechtskräftig über den Antrag auf Erlass von Sicherungsmaßnahmen entschieden wurde, und insbesondere die Bedingungen der Ernennung der Richterin A. T., u. a. im Hinblick auf das Unionsrecht, zu beurteilen und diesen Beschluss gegebenenfalls in Frage zu stellen.

77      Aus diesen Feststellungen ergibt sich nämlich, dass der Spruchkörper mit drei Richtern, zu denen die Richterin A. T. gehörte, der den erstinstanzlichen Beschluss des vorlegenden Gerichts abgeändert hat, den Antrag der Kläger des Ausgangsverfahrens auf Erlass von Sicherungsmaßnahmen in vollem Umfang zurückgewiesen hat. Die Bearbeitung dieses Antrags, den die Kläger des Ausgangsverfahrens parallel zu ihrem Antrag in der Hauptsache gestellt haben, wurde somit rechtskräftig abgeschlossen.

78      Die in der Rechtssache C‑269/21 vorgelegten Fragen betreffen somit ihrem Wesen nach einen rechtskräftig abgeschlossenen Abschnitt des Ausgangsverfahrens, der sich von dem Rechtsstreit in der Hauptsache unterscheidet, der allein bei dem vorlegenden Gericht anhängig bleibt (vgl. entsprechend Urteil vom 22. März 2022, Prokurator Generalny [Disziplinarkammer des Obersten Gerichts – Ernennung], C‑508/19, EU:C:2022:201, Rn. 71 und die dort angeführte Rechtsprechung). Sie entsprechen daher keinem für die Entscheidung dieses Rechtsstreits objektiv notwendigen Erfordernis, sondern zielen auf eine von den Erfordernissen dieses Rechtsstreits unabhängige allgemeine Beurteilung des Verfahrens zur Ernennung von Richtern der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Polen durch den Gerichtshof ab.

79      Daraus folgt, dass diese Fragen über den Rahmen des dem Gerichtshof nach Art. 267 AEUV zugewiesenen Rechtsprechungsauftrags hinausgehen (vgl. entsprechend Urteil vom 22. März 2022, Prokurator Generalny [Disziplinarkammer des Obersten Gerichts – Ernennung], C‑508/19, EU:C:2022:201, Rn. 82 und die dort angeführte Rechtsprechung).

80      Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass auch das Vorabentscheidungsersuchen in der Rechtssache C‑269/21 unzulässig ist.

81      Nach alledem sind die vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen unzulässig.

 Kosten

82      Für die Beteiligten der Ausgangsverfahren ist das Verfahren Teil der bei den vorlegenden Gerichten anhängigen Verfahren; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieser Gerichte. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

Die vom Sąd Okręgowy w Katowicach (Regionalgericht Katowice, Polen) mit Entscheidung vom 18. März 2021 und vom Sąd Okręgowy w Krakowie (Regionalgericht Kraków, Polen) mit Entscheidung vom 31. März 2021 eingereichten Vorabentscheidungsersuchen sind unzulässig.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Polnisch.