Language of document : ECLI:EU:T:2023:51

URTEIL DES GERICHTS (Achte erweiterte Kammer)

8. Februar 2023(*)

[Text berichtigt mit Beschluss vom 13. Juli 2023]

„Staatliche Beihilfen – Luftverkehrssektor – Maßnahmen Rumäniens zugunsten des Flughafens Timișoara – Maßnahmen des Flughafens Timișoara zugunsten von Wizz Air und der Luftverkehrsgesellschaften, die diesen Flughafen nutzen – Beschluss, mit dem festgestellt wird, dass zum Teil keine staatliche Beihilfe zugunsten des Flughafens Timișoara und der Luftverkehrsgesellschaften, die diesen Flughafen nutzen, vorliege – Flughafengebühren – Nichtigkeitsklage – Rechtsakt mit Verordnungscharakter – Individuelle Betroffenheit – Spürbare Beeinträchtigung der Wettbewerbsstellung – Unmittelbare Betroffenheit – Rechtsschutzinteresse – Zulässigkeit – Art. 107 Abs. 1 AEUV – Selektivität – Vorteil – Kriterium des privaten Wirtschaftsteilnehmers“

In der Rechtssache T‑522/20,

Carpatair SA mit Sitz in Timişoara (Rumänien), vertreten durch Rechtsanwalt J. Rivas Andrés und Rechtsanwältin A. Manzaneque Valverde,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch F. Tomat und C. Georgieva als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Wizz Air Hungary Légiközlekedési Zrt. (Wizz Air Hungary Zrt.) mit Sitz in Budapest (Ungarn), vertreten durch Rechtsanwälte E. Vahida, S. Rating und I.‑G. Metaxas-Maranghidis,

und durch

[berichtigt mit Beschluss vom 13. Juli 2023] Societatea Naţionalã „Aeroportul Internaţional Timişoara Traian Vuia“ SA (AITTV) mit Sitz in Ghiroda (Rumänien), vertreten durch V. Power und R. Hourihan, Solicitors,

Streithelferinnen,

erlässt

DAS GERICHT (Achte erweiterte Kammer),

zum Zeitpunkt der Beratung unter Mitwirkung des Präsidenten S. Papasavvas, der Richter J. Svenningsen, M. Jaeger und C. Mac Eochaidh sowie der Richterin T. Pynnä (Berichterstatterin),

Kanzler: P. Cullen, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

auf die mündliche Verhandlung vom 12. September 2022

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer auf Art. 263 AEUV gestützten Klage begehrt die Klägerin, die Carpatair SA, die Nichtigerklärung des Beschlusses (EU) 2021/1428 der Kommission vom 24. Februar 2020 über die staatliche Beihilfe SA. 31662 – C/2011 (ex NN/2011) Rumäniens für den Internationalen Flughafen Timișoara – Wizz Air (ABl. 2021, L 308, S. 1, im Folgenden: angefochtener Beschluss), soweit darin festgestellt wird, dass bestimmte Maßnahmen keine staatlichen Beihilfen im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellten.

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        [Berichtigt mit Beschluss vom 13. Juli 2023] Der Internationale Flughafen Timișoara (im Folgenden: Flughafen Timișoara) liegt im Westen Rumäniens, 50 Kilometer (km) vom Flughafen Arad (Rumänien) entfernt, der ein sehr begrenztes Verkehrsaufkommen aufweist. Der Flughafen Timișoara wird von der zweiten Streithelferin, der Societatea Naţionalã „Aeroportul Internaţional Timişoara – Traian Vuia“ SA (AITTV) betrieben, einer Aktiengesellschaft, an der der rumänische Staat 80 % der Anteile hält.

3        Die Klägerin, die Carpatair SA, ist eine regionale rumänische Luftverkehrsgesellschaft. Im Jahr 2000 richtete sie ihr Drehkreuz am Flughafen Timișoara ein und bot dort Hub-and-Spoke-Dienste an. Von 2007 bis 2009 konzentrierte sich die Tätigkeit des Flughafens Timișoara auf die Aktivitäten der Klägerin, die Full-Service-Dienstleistungen anbot und etwa 32 inländische und europäische Reiseziele anflog.

4        Um das erhöhte Verkehrsaufkommen zu bewältigen, das als Folge des Beitritts Rumäniens zur Europäischen Union im Jahr 2007 erwartet wurde, und um die sicherheitsrelevanten Voraussetzungen für den Beitritt zum Schengen-Raum zu erfüllen, erhielt AITTV vom rumänischen Staat eine Finanzierung für den Bau eines Terminals für Flüge außerhalb des Schengen-Raums und für Sicherheitseinrichtungen.

5        Darüber hinaus unterzeichnete AITTV im Rahmen einer Strategie, die darauf abzielte, Billigfluggesellschaften zu gewinnen und die Gesamtrentabilität des Flughafens Timișoara zu erhöhen, im Jahr 2008 mit der ersten Streithelferin, der Wizz Air Hungary Légiközlekedési Zrt. (Wizz Air Hungary Zrt.) (im Folgenden: Wizz Air), einer ungarischen Billigfluggesellschaft, Vereinbarungen, in denen die Grundsätze ihrer Zusammenarbeit sowie die allgemeinen Bedingungen für die Nutzung der Flughafeninfrastruktur und ‑dienstleistungen durch Wizz Air festgelegt wurden (im Folgenden: Vereinbarungen von 2008). Zwei dieser Vereinbarungen wurden am 25. Juni 2010 durch eine neue, zwischen Wizz Air und AITTV vereinbarte Ermäßigungsregelung geändert, die den Zeitraum bis 6. Februar 2011 abdeckte (im Folgenden: Änderungsvereinbarungen von 2010). Wizz Air begann im Oktober 2008 mit der Durchführung von Flügen, die am Flughafen Timișoara starteten.

6        Am 30. September 2010 legte die Klägerin bei der Europäischen Kommission eine Beschwerde ein, mit der sie geltend machte, die rumänischen Behörden hätten Wizz Air am Flughafen Timișoara eine rechtswidrige staatliche Beihilfe gewährt.

7        Am 24. Mai 2011 teilte die Kommission Rumänien ihren Beschluss mit, ein förmliches Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV einzuleiten (im Folgenden: Einleitungsbeschluss), und zwar in Bezug auf die AITTV in den Jahren 2007, 2008 und 2009 gewährte jährliche Betriebsfinanzierung, die Ermäßigungen der Flughafengebühren gemäß den Luftfahrthandbüchern für 2007, 2008 und 2010 (im Folgenden: Luftfahrthandbücher 2007, 2008 und 2010), die Vereinbarungen von 2008 sowie die Stundung der Wizz Air für den Zeitraum Oktober 2009 bis Februar 2010 in Rechnung gestellten Flughafengebühren. Mit der Veröffentlichung dieses Beschlusses im Amtsblatt der Europäischen Union vom 13. September 2011 (ABl. 2011, C 270, S. 11) forderte die Kommission die Beteiligten auf, zu dieser Maßnahme Stellung zu nehmen.

8        Im Einleitungsbeschluss teilte die Kommission ihre vorläufige Auffassung mit, dass sie nicht ausschließen könne, dass die in den Luftfahrthandbüchern 2007, 2008 und 2010 vorgesehenen Ermäßigungen sowie die Vereinbarungen von 2008 staatliche Beihilfen enthielten, die mit dem Binnenmarkt unvereinbar seien.

9        Die rumänischen Behörden gaben ebenso wie die Beteiligten, darunter AITTV, die Klägerin und Wizz Air, schriftliche Stellungnahmen ab. Die Kommission übermittelte die Stellungnahmen der Beteiligten an die rumänischen Behörden, die sich hierzu äußern konnten.

10      In Schreiben, die zwischen 2011 und 2018 versandt wurden, ersuchte die Kommission die rumänischen Behörden um weitere Informationen. Diese kamen den Ersuchen nach.

11      Mit Schreiben, die zwischen 2011 und 2018 versandt wurden, übermittelte die Klägerin ergänzende Informationen.

12      Mit Schreiben aus den Jahren 2011 und 2016 legte AITTV zusätzliche Informationen vor.

13      Am 14. März 2014 unterrichtete die Kommission die rumänischen Behörden und die Beteiligten davon, dass sie die Leitlinien für staatliche Beihilfe für Flughäfen und Luftverkehrsgesellschaften (ABl. 2014, C 99, S. 3, im Folgenden: Luftverkehrsleitlinien von 2014) angenommen habe, und gab ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme. Bei der Kommission gingen Stellungnahmen der Klägerin, von Wizz Air und von AITTV ein.

14      Am 11. Februar und am 3. Juli 2015 übermittelte Wizz Air ergänzende Informationen.

15      Ab 2014 stellte die Klägerin ihre Tätigkeit am Flughafen Timișoara ein und war Gegenstand einer gerichtlichen Umstrukturierung. Der Hauptstandort ihrer Tätigkeit befindet sich nunmehr am Flughafen Arad, von dem aus sie u. a. Charterflüge anbietet. Sie bietet keine Linienflüge mehr an.

16      Am 24. Februar 2020 erließ die Kommission den angefochtenen Beschluss.

 Angefochtener Beschluss

17      Im angefochtenen Beschluss prüfte die Kommission zum einen das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV in Bezug auf erstens die jährliche Finanzierung, die AITTV von 2007 bis 2009 gewährt wurde (vgl. Erwägungsgründe 38, 39 und 171 bis 235 des angefochtenen Beschlusses), zweitens die in den Luftfahrthandbüchern 2007, 2008 und 2010 veröffentlichten Flughafengebühren (vgl. Erwägungsgründe 40 bis 49 und 267 bis 299 des angefochtenen Beschlusses), drittens die Vereinbarungen von 2008 und die Änderungsvereinbarungen von 2010 (im Folgenden: dritte Maßnahme) (vgl. Erwägungsgründe 50 bis 76 und 300 bis 440 des angefochtenen Beschlusses) und viertens die Stundung der Wizz Air für den Zeitraum Oktober 2009 bis Februar 2010 in Rechnung gestellten Flughafengebühren (vgl. Erwägungsgründe 77, 78 und 441 bis 443 des angefochtenen Beschlusses). Zum anderen prüfte die Kommission, nachdem sie festgestellt hatte, dass bestimmte der AITTV gewährten Finanzierungen eine staatliche Beihilfe darstellten, deren Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt (vgl. Erwägungsgründe 236 bis 266 des angefochtenen Beschlusses).

18      In Bezug auf die Flughafengebühren gemäß den Luftfahrthandbüchern 2007, 2008 und 2010 kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass der in diesen Luftfahrthandbüchern festgelegte Basissatz und die dort vorgesehenen Ermäßigungen auf diese Flughafengebühren nicht selektiv seien, da sie diskriminierungsfrei angewandt würden. Daher gelangte die Kommission zu dem Schluss, dass es sich bei dieser Maßnahme nicht um eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV handele.

19      In Bezug auf die dritte Maßnahme stellte die Kommission fest, dass diese für AITTV zu einem inkrementellen Zuwachs der Rentabilität führen sollte. Folglich war sie der Ansicht, dass ein umsichtiger marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber solche Vereinbarungen abgeschlossen hätte. Darüber hinaus sei diese Maßnahme Teil einer Gesamtstrategie und langfristiger Bemühungen in Bezug auf die Gesamtrentabilität des Flughafens Timișoara gewesen. Die Kommission kam daher zu dem Schluss, dass diese Vereinbarungen Wizz Air keinen wirtschaftlichen Vorteil verschafft hätten, den sie unter normalen Marktbedingungen nicht erhalten hätte, und daher keine staatlichen Beihilfen darstellten.

20      Der verfügende Teil des angefochtenen Beschlusses lautet wie folgt:

Artikel 1

(1)      Die öffentliche Finanzierung in Höhe von insgesamt 29 194 600 [rumänischen Lei (RON)], die Rumänien [AITTV] im Zeitraum 2007 bis 2009 für die Entwicklung des Terminals für Flüge außerhalb des Schengen-Raums, die Verbesserung der Rollbahn und die Erweiterung des Vorfelds sowie für Beleuchtungsausstattung gewährt hat, stellt eine staatliche Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 [AEUV] dar. Die Beihilfe wurde unter Verstoß gegen Artikel 108 Absatz 3 [AEUV] durchgeführt.

(2)      Die in Absatz 1 genannte staatliche Beihilfe ist im Sinne des Artikels 107 Absatz 3 Buchstabe c [AEUV] mit dem Binnenmarkt vereinbar.

Artikel 2

Die öffentliche Finanzierung der Entwicklung einer Zufahrtsstraße und von Parkplätzen im Jahr 2007 sowie von Sicherheitseinrichtungen im Jahr 2008 sowie die Flughafengebühren gemäß den Luftfahrthandbüchern 2007, 2008 und 2010 und die Vereinbarungen von 2008 mit Wizz Air (einschließlich der Änderungsvereinbarungen von 2010) stellen keine staatlichen Beihilfen im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 [AEUV] dar.

Artikel 3

Dieser Beschluss ist an Rumänien gerichtet.“

 Anträge der Parteien

21      Die Klägerin beantragt,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären, soweit darin nicht festgestellt wird, dass das Luftfahrthandbuch 2010 (im Folgenden: zweite Maßnahme) und die dritte Maßnahme (im Folgenden zusammen: streitige Maßnahmen) eine rechtswidrige und mit dem Binnenmarkt unvereinbare staatliche Beihilfe zugunsten von Wizz Air darstellen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

22      Die Kommission, unterstützt durch die Streithelferinnen, beantragt,

–        die Klage als unzulässig abzuweisen;

–        hilfsweise, die Klage als unbegründet abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

 Zur Zulässigkeit

23      Ohne förmlich eine Einrede der Unzulässigkeit gemäß Art. 130 der Verfahrensordnung des Gerichts zu erheben, macht die Kommission, unterstützt durch AITTV, geltend, die Klage sei unzulässig, weil die Klägerin zum einen nicht zur Erhebung einer Klage auf Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses befugt sei und zum anderen kein bestehendes und gegenwärtiges Interesse an der Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses habe.

24      Die Klägerin tritt dem Vorbringen der Kommission entgegen.

 Zum Rechtsschutzinteresse

25      Die Kommission ist der Ansicht, dass die Klägerin kein gegenwärtiges und unmittelbares Interesse an der Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses habe. Die streitigen Maßnahmen hätten keine nachteiligen Auswirkungen auf die gegenwärtigen Luftverkehrsdienste der Klägerin, die von anderer Art seien als die von Wizz Air in den von der Untersuchung der Kommission betroffenen Jahren (und selbst derzeit) erbrachten Dienstleistungen. Die behauptete Absicht der Klägerin, ihre Tätigkeiten am Flughafen Timișoara wieder aufzunehmen, sei abgesehen davon, dass sie durch keinen Beweis untermauert werde, nicht geeignet, das Vorliegen eines Rechtsschutzinteresses zu belegen.

26      Im Übrigen könne die vorliegende Klage der Klägerin nicht unmittelbar zugutekommen. Ein etwaiges Obsiegen mit dieser Klage würde sich nämlich weder auf die Haftungsklage, die die Klägerin vor den rumänischen Gerichten erhoben habe, noch auf die ebenfalls dort erhobene Klage auf Anordnung der Rückforderung auswirken. Sollten die Unionsgerichte den angefochtenen Beschluss in Bezug auf die streitigen Maßnahmen für nichtig erklären, müsste die Kommission diese Maßnahmen und insbesondere ihre Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt erneut prüfen. Da die Kommission über die ausschließliche Zuständigkeit für die Beurteilung der Vereinbarkeit von Beihilfemaßnahmen mit dem Binnenmarkt verfüge, könne kein nationales Gericht eigenständig die Unvereinbarkeit einer Maßnahme mit dem Binnenmarkt feststellen und die Rückforderung der Beihilfe anordnen.

27      Hierzu ist festzustellen, dass nach ständiger Rechtsprechung eine Nichtigkeitsklage einer natürlichen oder juristischen Person nur zulässig ist, wenn diese ein Interesse an der Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung hat. Ein solches Interesse setzt voraus, dass die Nichtigerklärung dieser Handlung als solche Rechtswirkungen haben kann und der Rechtsbehelf der Partei, die ihn eingelegt hat, damit im Ergebnis einen Vorteil verschaffen kann (vgl. Urteil vom 17. September 2015, Mory u. a./Kommission, C‑33/14 P, EU:C:2015:609, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28      Außerdem muss das Interesse an einer Nichtigkeitsklage bestehend und gegenwärtig sein, wofür auf den Tag der Klageerhebung abzustellen ist (vgl. Urteil vom 7. November 2018, BPC Lux 2 u. a./Kommission, C‑544/17 P, EU:C:2018:880, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29      Das Interesse einer Partei an einer Nichtigkeitsklage kann grundsätzlich fortbestehen, wenn diese Klage als Grundlage einer möglichen Haftungsklage dienen kann (vgl. Urteil vom 7. November 2018, BPC Lux 2 u. a./Kommission, C‑544/17 P, EU:C:2018:880, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

30      Die Möglichkeit einer Schadensersatzklage reicht aus, um ein solches Rechtsschutzinteresse zu begründen, sofern dieses nicht hypothetisch ist (vgl. Urteil vom 7. November 2018, BPC Lux 2 u. a./Kommission, C‑544/17 P, EU:C:2018:880, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

31      Im Übrigen kann sich das Rechtsschutzinteresse aus jeder Klage vor einem nationalen Gericht ergeben, in deren Rahmen eine eventuelle Nichtigerklärung der vor den Unionsgerichten angefochtenen Handlung dem Kläger einen Vorteil verschaffen kann (vgl. Urteil vom 7. November 2018, BPC Lux 2 u. a./Kommission, C‑544/17 P, EU:C:2018:880, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

32      Es ist nicht Sache der Unionsgerichte, für die Prüfung des vor ihnen bestehenden Rechtsschutzinteresses die Wahrscheinlichkeit der Begründetheit einer bei den nationalen Gerichten erhobenen Klage nach nationalem Recht zu beurteilen und sich somit hinsichtlich dieser Beurteilung an deren Stelle zu setzen. Dagegen ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass die vor den Unionsgerichten erhobene Nichtigkeitsklage der klagenden Partei durch ihr Ergebnis einen Vorteil verschaffen kann (vgl. Urteil vom 7. November 2018, BPC Lux 2 u. a./Kommission, C‑544/17 P, EU:C:2018:880, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33      Im vorliegenden Fall hat die Klägerin am 28. Januar 2016 vor dem Tribunalul Bucureşti (Regionalgericht Bukarest, Rumänien) eine Haftungsklage gegen AITTV, die rumänischen Behörden und Wizz Air erhoben, die die Gewährung einer staatlichen Beihilfe an Wizz Air u. a. durch die streitigen Maßnahmen betraf. Diese Klage führte zu Entscheidungen des Tribunalul București (Regionalgericht Bukarest) und der Curtea de Apel Bucureşti (Berufungsgericht Bukarest, Rumänien). Das von der Klägerin gegen die Entscheidung des letztgenannten Gerichts eingelegte Rechtsmittel soll bei der Înalta Curte de Casație şi Justiție (Oberster Kassations- und Gerichtshof, Rumänien) anhängig sein.

34      Außerdem hat die Klägerin im Anschluss an das Urteil des Tribunalul Timiș (Regionalgericht Timiș, Rumänien) vom 30. August 2011, mit dem festgestellt wurde, dass es sich bei der in Punkt 7.3 der zweiten Maßnahme vorgesehenen Ermäßigung um eine rechtswidrige staatliche Beihilfe handele, und das am 14. November 2012 von der Curtea de Apel Pitești (Berufungsgericht Pitești, Rumänien) bestätigt wurde, im Jahr 2015 eine Klage auf Anordnung der Rückforderung der fraglichen Beihilfe erhoben. Diese Klage soll derzeit bei der Curtea de Apel Alba Iulia (Berufungsgericht Alba Iulia, Rumänien) anhängig sein, die am 21. Dezember 2020 beschlossen habe, das Verfahren bis zum Erlass eines endgültigen Urteils in der vorliegenden Rechtssache auszusetzen.

35      Daher lässt sich nicht ausschließen, dass eine mögliche Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses Einfluss auf das Ergebnis des vor den rumänischen Gerichten anhängigen Streitverfahrens haben kann.

36      Was ferner eine zweite, von der Klägerin eingereichte Beschwerde betrifft, soll die Kommission die Klägerin am 1. Juli 2020 von ihrer Absicht in Kenntnis gesetzt haben, in diesem zweiten Fall kein förmliches Prüfverfahren einzuleiten, da die in Rede stehenden Maßnahmen den im angefochtenen Beschluss geprüften Maßnahmen ähnelten. Die Klägerin macht außerdem geltend, dass die Vorprüfung dieser zweiten Beschwerde durch die Kommission noch im Gang sei.

37      Daher könnte die mögliche Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses dazu führen, dass in diesem zweiten Fall das förmliche Prüfverfahren eingeleitet wird, in dessen Rahmen die Klägerin grundsätzlich die Möglichkeit hätte, ihre Verfahrensrechte durch die Abgabe von Stellungnahmen auszuüben.

38      Die Klägerin hat somit in rechtlich hinreichender Weise dargetan, dass eine mögliche Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses ihr einen Vorteil verschaffen kann. Mithin hat sie ein Rechtsschutzinteresse an der Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses.

 Zur Klagebefugnis

39      Die Kommission macht geltend, die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass sie von dem angefochtenen Beschluss individuell betroffen sei.

40      Erstens habe die Klägerin ihre Tätigkeit am Flughafen Timișoara seit 2013 eingestellt; der Hauptstandort ihrer Tätigkeit befinde sich nunmehr am Flughafen Arad. Auch habe sie ihr Geschäftsmodell geändert und biete nunmehr Charterflüge an. Die Klägerin habe keine spezifischen Angaben zu dem Wettbewerbsverhältnis gemacht, das zum Zeitpunkt der Klageerhebung zwischen ihr und Wizz Air bestanden habe.

41      Zweitens sei die Klägerin im maßgeblichen Zeitraum nur eine von vielen Konkurrenten von Wizz Air am Flughafen Timișoara gewesen und habe mit Wizz Air nur bei einer sehr begrenzten Anzahl von Reisezielen in direktem Wettbewerb gestanden. Zwei weitere Fluggesellschaften, Blue Air und Malev, hätten auf dem Markt für regelmäßige Passagierflüge von und zum Flughafen Timișoara ebenfalls in direktem Wettbewerb mit Wizz Air gestanden.

42      Drittens habe die Klägerin weder Angaben zur Größe der relevanten Märkte noch Angaben zu ihren eigenen Marktanteilen, den Marktanteilen von Wizz Air und denen anderer potenzieller Wettbewerber auf diesen Märkten oder zur Entwicklung dieser Marktanteile nach der Gewährung der streitigen Maßnahmen gemacht. Sie habe keine Beweise dafür vorgelegt, dass der Rückgang ihrer Geschäftstätigkeit auf bestimmten Strecken, die Verschlechterung ihrer Finanzlage und die Verlagerung ihrer Geschäftstätigkeit im Jahr 2013 oder der von Wizz Air auf den relevanten Märkten angeblich erlangte Marktanteil die Folge der streitigen Maßnahmen seien. Insbesondere habe die Klägerin weder den Bericht des Insolvenzverwalters noch die von ihr angeführten Entscheidungen der nationalen Gerichte vorgelegt. Darüber hinaus könnten andere Faktoren, darunter der Einsatz von Flugzeugen mit geringer Kapazität, die Verwendung eines Hub-and-Spoke-Betriebssystems sowie die Finanzkrise, ihre finanziellen Schwierigkeiten erklären.

43      Außerdem macht Wizz Air geltend, dass die Schwierigkeiten der Klägerin nicht durch die angeblich gewährte Beihilfe verursacht worden seien, sondern durch das Veralten ihres Geschäftsmodells im Lauf der von der Untersuchung erfassten Jahre, worauf auch der Insolvenzverwalter im Umstrukturierungsplan hingewiesen habe. Darüber hinaus habe die Klägerin selbst im Rahmen der zweiten Maßnahme Vorteile am Flughafen Timișoara erhalten, so dass kein Kausalzusammenhang zwischen der angeblichen Beihilfe für Wizz Air und der Verschlechterung der Marktposition der Klägerin, die nach eigener Darstellung keine Vorteile erhalten habe, hergestellt werden könne.

44      In ihren Antworten auf die Fragen des Gerichts vom 11. März 2022 macht die Kommission zur Art der streitigen Maßnahmen geltend, dass diese, auch in Bezug auf die Zulässigkeit, einzeln zu prüfen seien. In ähnlicher Weise macht Wizz Air in ihren Antworten auf dieselben Fragen geltend, dass der Teil des angefochtenen Beschlusses, der die dritte Maßnahme behandele, eine Einzelmaßnahme sei, während der Teil des angefochtenen Beschlusses, der die zweite Maßnahme behandele, ein Rechtsakt mit Verordnungscharakter sei. Folglich sei die Befugnis zur Klage gegen diesen Teil des angefochtenen Beschlusses anhand von Art. 263 Abs. 4 dritte Variante AEUV zu beurteilen, der Rechtsakte mit Verordnungscharakter betreffe.

45      Die Kommission macht hierzu jedoch geltend, dass selbst dann, wenn in Bezug auf die zweite Maßnahme davon auszugehen wäre, dass der angefochtene Beschluss ein Rechtsakt mit Verordnungscharakter sei, der keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehe, die Klägerin von dieser Maßnahme auch unmittelbar betroffen sein müsse, was nicht der Fall sei. In ähnlicher Weise macht Wizz Air geltend, dass die Klagebefugnis der Klägerin in Bezug auf den Teil des angefochtenen Beschlusses, der die zweite Maßnahme behandele, voraussetze, dass sie unmittelbar betroffen sei, was nicht der Fall sei, da die zweite Maßnahme nicht auf Wizz Air anwendbar gewesen sei. Die für Wizz Air geltenden Flughafengebühren seien nämlich durch die dritte Maßnahme geregelt worden.

46      In ihren Antworten auf dieselben Fragen trägt die Kommission in Bezug auf das Urteil vom 15. Juli 2021, Deutsche Lufthansa/Kommission (C‑453/19 P, EU:C:2021:608), vor, dass dieses Urteil nur im Hinblick auf die dritte Maßnahme relevant sei. Sowohl die Kommission als auch Wizz Air machen geltend, der Beitrag dieses Urteils im Hinblick auf den Begriff der Marktdefinition sei im vorliegenden Fall irrelevant und lasse nicht den Schluss zu, dass die Klage zulässig sei, da in jedem Fall ein Kausalzusammenhang zwischen der behaupteten Beihilfe und der Auswirkung auf die Marktstellung der Klägerin erforderlich sei. Im vorliegenden Fall fehle es jedoch an einem solchen Kausalzusammenhang. Nach Auffassung der Kommission ist beispielsweise die Einstellung der Strecke Timișoara–Frankfurt (Deutschland) durch die Klägerin auf das Fehlen verfügbarer Zeitnischen am Flughafen Frankfurt und nicht auf die dritte Maßnahme zurückzuführen.

47      Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Zulässigkeit einer Klage, die von einer natürlichen oder juristischen Person gegen eine nicht an sie gerichtete Handlung erhoben wird, nach Art. 263 Abs. 4 AEUV unter der Bedingung steht, dass dieser Person eine Klagebefugnis zuerkannt wird, die in zwei Fällen vorliegt. Zum einen kann eine derartige Klage erhoben werden, wenn die betreffende Handlung die Person unmittelbar und individuell betrifft. Zum anderen kann eine solche Person gegen einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter, der keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht, klagen, sofern dieser Rechtsakt sie unmittelbar betrifft (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. September 2015, Mory u. a./Kommission, C‑33/14 P, EU:C:2015:609, Rn. 59 und 91, sowie vom 15. Juli 2021, Deutsche Lufthansa/Kommission, C‑453/19 P, EU:C:2021:608, Rn. 31).

–       Einleitende Erwägungen zur Art der streitigen Maßnahmen

48      Art. 1 Buchst. d der Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 [AEUV] (ABl. 2015, L 248, S. 9) definiert den Begriff „Beihilferegelung“ als „eine Regelung, wonach Unternehmen, die in der Regelung in einer allgemeinen und abstrakten Weise definiert werden, ohne nähere Durchführungsmaßnahmen Einzelbeihilfen gewährt werden können, beziehungsweise eine Regelung, wonach einem oder mehreren Unternehmen nicht an ein bestimmtes Vorhaben gebundene Beihilfen für unbestimmte Zeit und/oder in unbestimmter Höhe gewährt werden können“.

49      Nach ständiger Rechtsprechung haben Beschlüsse der Kommission, die zum Gegenstand haben, eine „Beihilferegelung“ zu genehmigen oder zu verbieten, allgemeine Geltung und können daher als „Rechtsakt mit Verordnungscharakter“ im Sinne von Art. 263 Abs. 4 dritte Variante AEUV qualifiziert werden (vgl. Urteil vom 20. Januar 2022, Deutsche Lufthansa/Kommission, C‑594/19 P, EU:C:2022:40, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).

50      Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der vorstehenden Rn. 21, dass die Klage die streitigen Maßnahmen betrifft.

51      Was die zweite Maßnahme anbelangt, so galt nach dem 290. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses die in dieser Maßnahme vorgesehene Flughafengebührenordnung für alle Luftverkehrsgesellschaften, die den Flughafen Timișoara nutzten. Diese Luftverkehrsgesellschaften werden in der zweiten Maßnahme nicht namentlich aufgeführt.

52      Daraus folgt, dass die in der zweiten Maßnahme vorgesehene Flughafengebührenordnung für objektiv bestimmte Situationen galt und Rechtswirkungen gegenüber allgemein und abstrakt umschriebenen Personengruppen erzeugte, so dass diese Gebührenordnung, sofern sie staatliche Beihilfen beinhaltet, eine Beihilferegelung darstellt. Folglich hat der Teil des angefochtenen Beschlusses, der die zweite Maßnahme behandelt, allgemeine Geltung und kann daher als Rechtsakt mit Verordnungscharakter im Sinne von Art. 263 Abs. 4 dritte Variante AEUV qualifiziert werden.

53      Dagegen wurden die Vereinbarungen, aus denen sich die dritte, ebenfalls von der Klage erfasste Maßnahme zusammensetzte, wie die Kommission im 340. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausgeführt hat, individuell ausgehandelt und galten nur für die beiden Vertragsparteien. Daher sind sie als Einzelmaßnahmen zu betrachten. Da der die genannten Vereinbarungen behandelnde Teil des angefochtenen Beschlusses somit keinen Rechtsakt mit Verordnungscharakter im Sinne von Art. 263 Abs. 4 dritte Variante AEUV darstellt, weil er kein Rechtsakt mit allgemeiner Geltung ist, hat das Gericht zu prüfen, ob die Klägerin von diesem Teil des angefochtenen Beschlusses im Sinne der genannten Bestimmung unmittelbar und individuell betroffen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Juli 2021, Deutsche Lufthansa/Kommission, C‑453/19 P, EU:C:2021:608, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

–       Zur individuellen Betroffenheit der Klägerin in Bezug auf die dritte Maßnahme

54      Nach ständiger Rechtsprechung können andere Personen als die Adressaten eines Beschlusses nur dann individuell betroffen sein, wenn der betreffende Beschluss sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und sie dadurch in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten eines solchen Beschlusses (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. Juli 1963, Plaumann/Kommission, 25/62, EU:C:1963:17, S. 218, 238, und vom 15. Juli 2021, Deutsche Lufthansa/Kommission, C‑453/19 P, EU:C:2021:608, Rn. 33).

55      Stellt ein Kläger die Begründetheit eines auf der Grundlage von Art. 108 Abs. 3 AEUV oder – wie im vorliegenden Fall – nach Abschluss des förmlichen Prüfverfahrens getroffenen Beschlusses, mit dem die Beihilfe beurteilt wird, in Frage, so kann der Umstand, dass er als „Beteiligter“ im Sinne von Abs. 2 dieses Artikels betrachtet werden kann, nicht für die Annahme der Zulässigkeit der Klage ausreichen. Er muss in diesem Fall dartun, dass ihm eine besondere Stellung im Sinne der in der vorstehenden Rn. 54 angeführten Rechtsprechung zukommt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Stellung des Klägers auf dem betroffenen Markt durch die Beihilfe, die Gegenstand des betreffenden Beschlusses ist, spürbar beeinträchtigt wird (Urteile vom 17. September 2015, Mory u. a./Kommission, C‑33/14 P, EU:C:2015:609, Rn. 97, sowie vom 15. Juli 2021, Deutsche Lufthansa/Kommission, C‑453/19 P, EU:C:2021:608, Rn. 37).

56      Die vom Kläger verlangte Darlegung einer spürbaren Beeinträchtigung seiner Marktstellung bedeutet nicht, dass über das Wettbewerbsverhältnis zwischen dem Kläger und den begünstigten Unternehmen eine abschließende Entscheidung erginge, sondern erfordert von Seiten des Klägers nur, dass er in stichhaltiger Weise darlegt, aus welchen Gründen die Entscheidung der Kommission durch eine erhebliche Beeinträchtigung seiner Stellung auf dem betreffenden Markt seine legitimen Interessen verletzen kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 28. Januar 1986, Cofaz u. a./Kommission, 169/84, EU:C:1986:42, Rn. 28, und vom 15. Juli 2021, Deutsche Lufthansa/Kommission, C‑453/19 P, EU:C:2021:608, Rn. 57).

57      Die spürbare Beeinträchtigung der Wettbewerbsstellung des Klägers auf dem fraglichen Markt ergibt sich nicht aus einer eingehenden Prüfung der verschiedenen Wettbewerbsbeziehungen auf diesem Markt und der daraus folgenden Bestimmung des genauen Ausmaßes der Beeinträchtigung seiner Wettbewerbsstellung, sondern grundsätzlich aus einer Feststellung prima facie, dass die Durchführung der vom Beschluss der Kommission erfassten Maßnahme zu einer spürbaren Beeinträchtigung dieser Wettbewerbsstellung führt (Urteil vom 15. Juli 2021, Deutsche Lufthansa/Kommission, C‑453/19 P, EU:C:2021:608, Rn. 58).

58      Daraus folgt, dass diese Voraussetzung erfüllt sein kann, wenn der Kläger mit seinem Vorbringen dartut, dass die fragliche Maßnahme seine Stellung auf dem betroffenen Markt spürbar beeinträchtigen kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 22. Dezember 2008, British Aggregates/Kommission, C‑487/06 P, EU:C:2008:757, Rn. 38, und vom 15. Juli 2021, Deutsche Lufthansa/Kommission, C‑453/19 P, EU:C:2021:608, Rn. 59).

59      Der Nachweis einer spürbaren Beeinträchtigung der Stellung eines Wettbewerbers auf dem Markt kann nicht auf das Vorliegen bestimmter Anhaltspunkte für eine Verschlechterung der kommerziellen oder finanziellen Leistungen des Klägers wie einer bedeutenden Umsatzeinbuße, nicht unerheblichen finanziellen Verlusten oder einer signifikanten Verringerung der Marktanteile infolge der Gewährung der fraglichen Beihilfe beschränkt werden. Die Gewährung einer staatlichen Beihilfe kann die Wettbewerbssituation eines Wirtschaftsteilnehmers auch in anderer Weise beeinträchtigen, u. a. durch Herbeiführung von Einnahmeausfällen oder einer weniger günstigen Entwicklung als der, die ohne eine solche Beihilfe zu verzeichnen gewesen wäre (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 22. November 2007, Spanien/Lenzing, C‑525/04 P, EU:C:2007:698, Rn. 34 und 35, sowie vom 15. Juli 2021, Deutsche Lufthansa/Kommission, C‑453/19 P, EU:C:2021:608, Rn. 61).

60      Anhand dieser Grundsätze ist das Vorbringen der Klägerin zu prüfen, mit dem sie dartun will, dass sie von dem angefochtenen Beschluss individuell betroffen sei, und insbesondere, dass die dritte Maßnahme ihre Stellung auf dem betroffenen Markt spürbar beeinträchtigen könne.

61      Im vorliegenden Fall ist erstens festzustellen, dass die Klägerin im Ablauf des Verwaltungsverfahrens eine aktive Rolle gespielt hat. Sie hat eine Beschwerde bei der Kommission eingereicht und im förmlichen Prüfverfahren Stellung genommen. Ferner geht aus dem angefochtenen Beschluss hervor, dass sie der Kommission mehrfach Informationen zur Verfügung gestellt hat.

62      Allerdings kann allein aus der Beteiligung eines Klägers am Verwaltungsverfahren nicht geschlossen werden, dass er von dem angefochtenen Beschluss individuell betroffen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. November 2007, Sniace/Kommission, C‑260/05 P, EU:C:2007:700, Rn. 60, und Beschluss vom 26. September 2016, Greenpeace Energy u. a./Kommission, T‑382/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:589, Rn. 39), auch wenn er in diesem Verwaltungsverfahren, wie im vorliegenden Fall, eine wichtige Rolle gespielt haben mag, etwa durch Einreichung der Beschwerde, die dem angefochtenen Beschluss zugrunde liegt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. Juli 2009, 3F/Kommission, C‑319/07 P, EU:C:2009:435, Rn. 94 und 95).

63      Zweitens hat die Klägerin Angaben zu den Märkten gemacht, auf denen sie im Wettbewerb mit Wizz Air gestanden habe und spürbar beeinträchtigt worden sei. So haben sowohl die Klägerin als auch Wizz Air zwischen Oktober 2008, als Wizz Air sich am Flughafen Timișoara niederließ, und Januar 2014, als die Klägerin ihre Tätigkeit an diesem Flughafen einstellte, Flüge von dort aus durchgeführt.

64      Genauer gesagt standen die Klägerin und Wizz Air beim Erlass des Einleitungsbeschlusses im Jahr 2011 auf fünf Strecken vom oder zum Flughafen Timișoara miteinander im Wettbewerb, nämlich, was Deutschland betrifft, auf der Strecke, mit der Düsseldorf bedient wurde (die Klägerin bediente Düsseldorf und Wizz Air Dortmund, wobei diese Städte 70 Straßenkilometer voneinander entfernt sind), und, was Italien betrifft, auf den Strecken, mit denen Venedig (die Klägerin bediente Venedig und Wizz Air Treviso, wobei diese Städte 41 Straßenkilometer voneinander entfernt sind), Bergamo-Mailand, Bologna (die Klägerin bediente Bologna und Wizz Air Forlì, wobei diese Städte 73 Straßenkilometer voneinander entfernt sind) und Rom bedient wurden.

65      So hatte die Kommission im Einleitungsbeschluss den relevanten Produktmarkt als das Städtepaar im Luftverkehr definiert und implizit nahe gelegene Flughäfen wie Düsseldorf und Dortmund oder Bologna und Forlì im Einklang mit ihrer wettbewerbsrechtlichen Entscheidungspraxis als austauschbar angesehen. Nach dieser Marktdefinition standen die Klägerin und Wizz Air somit auf den folgenden fünf Märkten miteinander im Wettbewerb: Düsseldorf–Timișoara, Venedig–Timișoara, Bergamo-Mailand–Timișoara, Bologna–Timișoara und Rom–Timișoara.

66      Die Klägerin ist außerdem der Ansicht, dass sie auf fünf zusätzlichen, durch einen Einzugsbereich von 200 km definierten Strecken mit Wizz Air in indirektem Wettbewerb gestanden habe. Wizz Air habe, indem sie Dortmund, Venedig, Bergamo-Mailand und Forlì angeflogen habe, auch mit den von ihr bedienten Strecken nach Frankfurt (Deutschland) (222 Straßenkilometer von Dortmund entfernt), Verona (Italien) (121 Straßenkilometer von Venedig entfernt), Turin (Italien) (185 Straßenkilometer von Bergamo entfernt), Florenz (Italien) (109 Straßenkilometer von Forlì entfernt) und Ancona (Italien) (166 Straßenkilometer von Forlì entfernt) konkurriert.

67      In diesem Zusammenhang ist in Bezug auf die Städte Dortmund und Frankfurt anzumerken, dass sie mehr als 200 Straßenkilometer voneinander entfernt sind, so dass sie, selbst wenn die Marktdefinition der Klägerin anwendbar wäre, jedenfalls nicht zum selben Markt gehören würden.

68      In Bezug auf die anderen vier Strecken erklärt die Klägerin nicht, warum das im vorliegenden Fall maßgebende Einzugsgebiet (200 km) erheblich größer sein soll als das von der Kommission in ihrer wettbewerbsrechtlichen Entscheidungspraxis herkömmlicherweise herangezogene Einzugsgebiet (100 km). Darüber hinaus flog die Klägerin selbst sowohl Turin und Bergamo, Bergamo und Verona, Verona und Venedig als auch Bologna und Florenz an, d. h. Städtepaare im gleichen Einzugsgebiet von 200 km, obwohl sie behauptet, dass diese Reiseziele austauschbar seien. Dieser Umstand ist geeignet, die Relevanz des angeblichen „indirekten Wettbewerbs“ zwischen der Klägerin und Wizz Air für diese Städtepaare in Frage zu stellen.

69      Es ist daher festzustellen, dass die Klägerin und Wizz Air auf fünf (in der vorstehenden Rn. 65 genannten) Strecken vom oder zum Flughafen Timișoara im Wettbewerb standen, wobei die Klägerin nicht nachgewiesen hat, dass Wizz Air auf fünf weiteren (in der vorstehenden Rn. 66 genannten) Strecken ebenfalls (indirekt) mit ihr konkurrierte.

70      Drittens gibt es Belege für eine spürbare Beeinträchtigung der Marktstellung der Klägerin. In ihren schriftlichen Stellungnahmen, die am 7. Juni und 8. August 2011 bei der Kommission eingereicht wurden, gab die Klägerin an, sie habe im Jahr 2010 einen Verlust von mehr als neun Mio. Euro erlitten und ihr Geschäftsmodell neu ausgerichtet, um ihre operativen Verluste zu minimieren. Im Einleitungsbeschluss hat die Kommission festgestellt, dass die Anzahl der Fluggäste, die Erträge und die Einnahmen der Klägerin auf den fünf mit Wizz Air konkurrierenden Strecken zwischen 2008 und 2010 erheblich zurückgegangen seien. Ab 2014 hat die Klägerin ihre Tätigkeit am Flughafen Timișoara eingestellt und war Gegenstand einer gerichtlichen Umstrukturierung.

71      Viertens ergibt sich aus den von der Klägerin gemachten Angaben, dass sie einen Sonderstatus hatte, der sie aus dem Kreis der anderen am Flughafen Timișoara tätigen Luftverkehrsgesellschaften heraushob, da die Tätigkeit dieses Flughafens auf die Aktivitäten der Klägerin ausgerichtet war, die im Jahr 2008 gemessen am Verkehrsaufkommen der Hauptnutzer des Flughafens war. Die Klägerin gibt an, sie habe in diesem Jahr 38 % der Einnahmen von AITTV erwirtschaftet. Umgekehrt seien zwischen 2000 und 2013 mehr als 90 % des Umsatzes der Klägerin aus ihren Hub-and-Spoke-Aktivitäten am Flughafen Timișoara erzielt worden.

72      Die Klägerin hatte auch insofern einen Sonderstatus, als sie die einzige Fluggesellschaft war, die auf fünf Strecken in direktem Wettbewerb mit Wizz Air stand. Sie trägt vor, nur zwei weitere am Flughafen Timișoara tätige Luftverkehrsgesellschaften, und zwar Blue Air und Malev, hätten im unmittelbaren Wettbewerb mit Wizz Air gestanden. Dieser Wettbewerb habe sich für diese Luftverkehrsgesellschaften auf jeweils ein Reiseziel beschränkt, nämlich Rom bzw. Budapest (Ungarn).

73      Fünftens hat die Klägerin nachgewiesen, dass die dritte Maßnahme eine der Ursachen für die Beeinträchtigung ihrer Wettbewerbsstellung war.

74      Aus Anlage A.7 zur Klageschrift geht nämlich hervor, dass der Nettoertrag der Klägerin zwischen 2008 und 2010 auf den fünf direkt mit Wizz Air konkurrierenden Strecken um die Hälfte zurückgegangen ist.

75      In Bezug auf Deutschland geht aus Anlage A.7 zur Klageschrift hervor, dass der Nettoertrag der Klägerin auf ihrer Strecke nach Düsseldorf zwischen 2008 und 2010 um 57 % zurückgegangen ist.

76      In Bezug auf Italien geht aus Anlage A.7 zur Klageschrift hervor, dass der Nettoertrag der Klägerin auf ihren Strecken nach Venedig, Bergamo-Mailand, Bologna und Rom zwischen 2008 und 2010 um 52 % zurückgegangen ist.

77      Aus der Stellungnahme, die die Klägerin am 7. Juni 2011 bei der Kommission eingereicht hat, geht zudem hervor, dass sie sich nicht nur darüber beschwert, Passagiere an Wizz Air verloren zu haben, sondern auch darüber, dass sie die von Alitalia und Alpi Eagles angebotenen Verbindungen nach Norditalien, nachdem sich diese Gesellschaften im Jahr 2008 vom Flughafen Timișoara zurückgezogen hätten, nicht habe übernehmen können, weil diese Verbindungen von Wizz Air übernommen worden seien.

78      Die in den vorstehenden Rn. 75 bis 77 genannten Gesichtspunkte belegen nicht nur einen Rückgang des Umsatzes der Klägerin, sondern auch Einnahmeausfälle oder eine weniger günstige Entwicklung als die, die ohne die dritte Maßnahme in Bezug auf die von der Klägerin bediente Strecke nach Deutschland und die Strecken nach Italien verzeichnet worden wäre. In Übereinstimmung mit der in der vorstehenden Rn. 58 angeführten Rechtsprechung können diese Gesichtspunkte ausreichen, um eine spürbare Beeinträchtigung der Marktstellung eines Wettbewerbers zu belegen.

79      Die Klägerin hat somit Angaben zu den Märkten gemacht, auf denen sie im Wettbewerb mit Wizz Air gestanden habe und ihre Stellung spürbar beeinträchtigt worden sei. Sie hat auch Belege für eine spürbare Beeinträchtigung ihrer Marktstellung, sei es eine Verschlechterung ihrer Leistung oder Einnahmeausfälle, und für ihren besonderen Status unter den am Flughafen Timișoara tätigen Luftverkehrsgesellschaften beigebracht. Schließlich hat sie nachgewiesen, dass die dritte Maßnahme eine der Ursachen für die Beeinträchtigung ihrer Wettbewerbsstellung war.

80      Die von der Klägerin beigebrachten Beweise dafür, dass die dritte Maßnahme geeignet war, ihre Wettbewerbsstellung auf den betroffenen Märkten spürbar zu beeinträchtigen, werden nicht durch das Vorbringen der Kommission in Frage gestellt, dass zum einen die Klägerin weder Informationen über die Größe der in Rede stehenden Märkte, ihre eigenen Marktanteile oder die von Wizz Air vorgelegt habe, noch Beweise dafür beigebracht habe, dass der Rückgang ihrer Geschäftstätigkeit auf bestimmten Strecken sowie die Verschlechterung ihrer Finanzlage auf die streitigen Maßnahmen zurückzuführen seien, und zum anderen sonstige Faktoren, darunter der Einsatz eines Hub-and-Spoke-Modells sowie die Finanzkrise, ihre finanziellen Schwierigkeiten hätten erklären können (siehe oben, Rn. 42).

81      Insoweit ergibt sich aus der oben in Rn. 56 angeführten Rechtsprechung, dass die vom Kläger verlangte Darlegung einer spürbaren Beeinträchtigung seiner Marktstellung nicht bedeutet, dass über das Wettbewerbsverhältnis zwischen dem Kläger und den begünstigten Unternehmen eine abschließende Entscheidung erginge, sondern von Seiten des Klägers nur erfordert, dass er in stichhaltiger Weise darlegt, aus welchen Gründen die Entscheidung der Kommission durch eine erhebliche Beeinträchtigung seiner Stellung auf dem betreffenden Markt seine legitimen Interessen verletzen kann.

82      Insbesondere kann vom Kläger nicht verlangt werden kann, dass er nachweist, dass seine finanziellen Schwierigkeiten ausschließlich auf die streitigen Maßnahmen zurückzuführen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juli 2019, Air France/Kommission, T‑894/16, EU:T:2019:508, Rn. 65).

83      Im vorliegenden Fall ist es zwar plausibel, dass eine Reihe von Faktoren zu den finanziellen Schwierigkeiten der Klägerin beigetragen haben könnte, doch hat die Klägerin angesichts der von ihr im Rahmen der vorliegenden Klage vorgebrachten Gesichtspunkte hinreichend nachgewiesen, dass die dritte Maßnahme geeignet war, ihre Wettbewerbsstellung auf den betroffenen Märkten spürbar zu beeinträchtigen.

84      Soweit die Kommission schließlich geltend macht, die Klägerin habe ihre Tätigkeit am Flughafen Timișoara seit 2013 eingestellt, ihr Geschäftsmodell geändert und keine spezifischen Angaben zu dem Wettbewerbsverhältnis gemacht, das zum Zeitpunkt der Klageerhebung zwischen ihr und Wizz Air bestanden habe (siehe oben, Rn. 40), genügt die Feststellung, dass – wie die Kommission im Übrigen in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat – für die Beurteilung der spürbaren Beeinträchtigung auf die Lage zu dem Zeitpunkt abzustellen ist, zu dem die streitigen Maßnahmen erlassen wurden und Wirkungen entfalten konnten.

85      Daher ist festzustellen, dass die dritte Maßnahme geeignet war, die Wettbewerbsstellung der Klägerin auf den betroffenen Märkten spürbar zu beeinträchtigen.

86      Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass die Klägerin dargetan hat, dass sie von dem angefochtenen Beschluss in Bezug auf die dritte Maßnahme individuell betroffen ist.

–       Zur unmittelbaren Betroffenheit der Klägerin in Bezug auf die streitigen Maßnahmen

87      Nach ständiger Rechtsprechung erfordert die in Art. 263 Abs. 4 AEUV genannte Voraussetzung, wonach eine natürliche oder juristische Person von der klagegegenständlichen Entscheidung unmittelbar betroffen sein muss, dass zwei Kriterien kumulativ erfüllt sind, nämlich zum einen, dass sich die beanstandete Maßnahme unmittelbar auf die Rechtsstellung des Einzelnen auswirkt, und zum anderen, dass sie den Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum lässt, ihre Umsetzung vielmehr rein automatisch erfolgt und sich allein aus der Unionsregelung ohne Anwendung weiterer Durchführungsvorschriften ergibt (vgl. Urteil vom 6. November 2018, Scuola Elementare Maria Montessori/Kommission, Kommission/Scuola Elementare Maria Montessori und Kommission/Ferracci, C‑622/16 P bis C‑624/16 P, EU:C:2018:873, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

88      Speziell zu den beihilferechtlichen Regeln ist hervorzuheben, dass diese dem Ziel dienen, den Wettbewerb zu schützen. Daher lässt in diesem Bereich die Tatsache, dass ein Kommissionsbeschluss die Wirkungen nationaler Maßnahmen unberührt lässt, bezüglich deren der Kläger in einer an die Kommission gerichteten Beschwerde geltend gemacht hat, sie seien mit diesem Ziel unvereinbar und versetzten ihn in eine nachteilige Wettbewerbssituation, darauf schließen, dass dieser Beschluss die Rechtsstellung des Klägers unmittelbar berührt, insbesondere sein aus den beihilferechtlichen Bestimmungen des AEU‑Vertrags folgendes Recht, keinem durch die fraglichen nationalen Maßnahmen verfälschten Wettbewerb ausgesetzt zu sein (vgl. Urteil vom 6. November 2018, Scuola Elementare Maria Montessori/Kommission, Kommission/Scuola Elementare Maria Montessori und Kommission/Ferracci, C‑622/16 P bis C‑624/16 P, EU:C:2018:873, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

89      Soweit die Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit erfordert, dass sich der angefochtene Rechtsakt unmittelbar auf die Rechtsstellung des Klägers auswirkt, muss das Unionsgericht prüfen, ob der Kläger stichhaltig dargelegt hat, weshalb der Beschluss der Kommission geeignet ist, ihn in eine nachteilige Wettbewerbssituation zu versetzen und sich damit auf seine Rechtsstellung auszuwirken (Urteil vom 6. November 2018, Scuola Elementare Maria Montessori/Kommission, Kommission/Scuola Elementare Maria Montessori und Kommission/Ferracci, C‑622/16 P bis C‑624/16 P, EU:C:2018:873, Rn. 47).

90      Im vorliegenden Fall geht in Bezug auf das erste der beiden in der vorstehenden Rn. 87 genannten Kriterien aus den Akten hervor, dass die Klägerin ähnliche Tätigkeiten wie Wizz Air ausübte und auf demselben Dienstleistungsmarkt und demselben geografischen Markt wie Wizz Air tätig war. Da Wizz Air die mutmaßliche Begünstigte der im angefochtenen Beschluss beurteilten streitigen Maßnahmen war, ist davon auszugehen, dass die Klägerin stichhaltig begründet hat, dass der angefochtene Beschluss geeignet war, sie in eine nachteilige Wettbewerbssituation zu versetzen, und dass dieser Beschluss daher ihre Rechtsstellung unmittelbar berührt hat, insbesondere ihr Recht, auf diesem Markt keinem durch die streitigen Maßnahmen verfälschten Wettbewerb ausgesetzt zu sein.

91      In Bezug auf das zweite der beiden in der vorstehenden Rn. 87 genannten Kriterien ist davon auszugehen, dass der angefochtene Beschluss die Wirkungen sowohl der zweiten als auch der dritten Maßnahme unberührt lässt und seine Rechtswirkungen rein automatisch allein aufgrund der Unionsregelung und ohne Anwendung weiterer Durchführungsvorschriften entfaltet.

92      Daraus folgt, dass die Klägerin sowohl in Bezug auf die zweite als auch hinsichtlich der dritten Maßnahme unmittelbar vom angefochtenen Beschluss betroffen ist.

93      Somit ist die Klägerin zur Klage gegen den angefochtenen Beschluss befugt.

94      Folglich ist die Klage als zulässig anzusehen.

 Zur Zulässigkeit der Anlagen

 Zur Zulässigkeit der Auszüge aus dem Bericht des Insolvenzverwalters

95      Die Klägerin hat Auszüge aus dem Bericht des Insolvenzverwalters als Anlage zu ihrer Stellungnahme zum Streithilfeschriftsatz von AITTV vorgelegt.

96      AITTV macht geltend, da die Klägerin nur Auszüge aus diesem Bericht vorgelegt habe, seien diese nicht verwertbar. Sowohl die Kommission als auch Wizz Air tragen vor, dass dieses Dokument unzulässig sei und aus der Akte entfernt werden müsse, da es erstens – ohne dass eine Übersetzung beigefügt worden sei – in Rumänisch und nicht in der Verfahrenssprache verfasst und zweitens verspätet vorgelegt worden sei.

97      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 85 Abs. 1 der Verfahrensordnung Beweise und Beweisangebote im Rahmen des ersten Schriftsatzwechsels vorzulegen sind. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin, obwohl der Bericht des Insolvenzverwalters bereits in der Klageschrift erwähnt worden ist, keine stichhaltige Erklärung dafür geliefert, warum die Auszüge aus diesem Bericht in Beantwortung des Streithilfeschriftsatzes von AITTV verspätet vorgelegt wurden.

98      Die Auszüge aus dem Bericht des Insolvenzverwalters sind daher als unzulässig anzusehen.

 Zur Zulässigkeit der Anlage Q.2

99      In Anlage Q.2 zu ihrer Antwort auf die Fragen des Gerichts vom 19. Juli 2022 hat die Klägerin Rechnungen von AITTV an Wizz Air mit Daten zwischen dem 30. November 2010 und dem 31. Mai 2011 vorgelegt, aus denen sich ergebe, dass die Ermäßigungen (von 72 % bis 85 %), die sich aus Punkt 7.3 der zweiten Maßnahme ergeben hätten, für alle Flughafengebühren und nicht nur für Landegebühren gegolten hätten.

100    In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission die Zulässigkeit dieser Rechnungen bestritten und beantragt, sie aus den Akten zu entfernen, da sie zum einen in Rumänisch abgefasst und zum anderen verspätet vorgelegt worden seien. Hilfsweise hat die Kommission beantragt, eine englische Übersetzung dieser Rechnungen zu den Akten zu nehmen.

101    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 46 Abs. 2 der Verfahrensordnung vorgelegten oder beigefügten Unterlagen, die in einer anderen Sprache als der Verfahrenssprache abgefasst sind, eine Übersetzung in der Verfahrenssprache beizugeben ist. Nach Art. 46 Abs. 3 der Verfahrensordnung können jedoch bei umfangreichen Unterlagen auszugsweise Übersetzungen vorgelegt werden. Darüber hinaus geht aus Nr. 99 der Praktischen Durchführungsbestimmungen zur Verfahrensordnung hervor, dass der Kanzler, wenn den Anlagen zu einem Verfahrensschriftstück keine Übersetzung in die Verfahrenssprache beiliegt, die betreffende Partei auffordert, diesen Mangel zu beheben, wenn die Übersetzung für den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens erforderlich erscheint.

102    Die Übersetzung der Anlagen in die Verfahrenssprache stellt somit kein Erfordernis dar, das stets erfüllt sein müsste. Somit kann eine fehlende Übersetzung der Anlagen nicht von Amts wegen zu deren Unzulässigkeit führen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 23. Mai 2019, Steinhoff u. a./EZB, T‑107/17, EU:T:2019:353, Rn. 35 bis 38, vom 9. Juni 2021, HIM/Kommission, T‑235/19, EU:T:2021:343, Rn. 84 bis 89 [nicht veröffentlicht], und vom 6. Oktober 2021, Allergan Holdings France/EUIPO – Dermavita Company [JUVEDERM], T‑397/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:653, Rn. 24 bis 26).

103    Im vorliegenden Fall hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung zum einen darauf hingewiesen, dass die fraglichen Rechnungen bereits während des Verwaltungsverfahrens Bestandteil ihrer Akten gewesen seien. Zum anderen entspricht die Sprache, in der diese Rechnungen verfasst sind, der Sprache, in der die Kommission mit den rumänischen Behörden kommuniziert hat, und der für den Einleitungsbeschluss und den angefochtenen Beschluss verbindlichen Sprache, in der diese verfasst worden sind, nämlich Rumänisch. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass die Kommission den Inhalt der fraglichen Rechnungen verstehen konnte.

104    Jedenfalls hat die Klägerin eine freiwillige Anpassung der Anlage Q.2 vorgenommen, indem sie eine Übersetzung in die Verfahrenssprache vorlegte, wobei sie anmerkte, dass eine solche Übersetzung nicht erforderlich sei, da die Beweiskraft der fraglichen Rechnungen in den darin enthaltenen Zahlen und Prozentsätzen sowie in leicht verständlichen Begriffen bestehe.

105    Im Übrigen ist anzumerken, dass die fraglichen Rechnungen, in denen eine Ermäßigung auf alle von AITTV für Wizz Air erbrachten Dienstleistungen angewandt wird, von der Klägerin vorgelegt wurden, um den Anwendungsbereich der in Punkt 7.3 der zweiten Maßnahme vorgesehenen Ermäßigung zu veranschaulichen. Dieser Anwendungsbereich war Gegenstand einer der Fragen, die das Gericht den Parteien am 19. Juli 2022 auf der Grundlage von Art. 89 der Verfahrensordnung gestellt hat, der es dem Gericht gestattet, den Parteien Fragen zu stellen, um bestimmte Aspekte des Rechtsstreits zu klären.

106    Anlage Q.2 ist daher als zulässig anzusehen, und der Antrag der Kommission auf Entfernung dieser Anlage ist zurückzuweisen.

 Zur Begründetheit

107    Die Klägerin stützt ihre Klage auf vier Gründe. Mit ihrem ersten Klagegrund macht sie geltend, dass der angefochtene Beschluss in Bezug auf die fehlende Selektivität der zweiten Maßnahme rechtsfehlerhaft sei. Mit dem zweiten Klagegrund wird gerügt, der angefochtene Beschluss sei mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler, einem Rechtsfehler und einem Begründungsmangel behaftet, soweit darin aufgrund einer fehlerhaften Anwendung des Kriteriums des marktwirtschaftlich handelnden privaten Wirtschaftsteilnehmers festgestellt werde, dass die dritte Maßnahme Wizz Air keinen rechtswidrigen Vorteil verschafft habe. Mit ihrem dritten Klagegrund macht die Klägerin geltend, dass die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen und ihre Sorgfaltspflicht in Bezug auf die Preisdiskriminierung verletzt habe, die durch die streitigen Maßnahmen zwischen den Luftverkehrsgesellschaften am Flughafen Timișoara stattgefunden habe. Mit ihrem vierten Klagegrund macht sie geltend, dass der angefochtene Beschluss rechtsfehlerhaft sei, da er nicht die staatliche Beihilfe berücksichtige, die Wizz Air durch die dritte Maßnahme in Form einer ermäßigten Sicherheitsgebühr gewährt worden sei.

 Zum ersten Klagegrund: Rechtsfehler in Bezug auf die Selektivität der zweiten Maßnahme

108    Da die Luftfahrthandbücher 2007 und 2008 vor der Ankunft von Wizz Air anwendbar waren, wendet sich die Klägerin mit ihrem ersten Klagegrund nur gegen die zweite Maßnahme.

109    Sie macht geltend, dass die in Punkt 7.3 der zweiten Maßnahme vorgesehene neue Ermäßigung der Flughafengebühren von bis zu 85 % so gestaltet sei, dass sie Wizz Air, der einzigen Luftverkehrsgesellschaft des Flughafens Timișoara, die Flugzeuge mit einem Starthöchstgewicht von mehr als 70 Tonnen (t) einsetze und mehr als 10 000 Fluggäste pro Monat befördere, einen selektiven Vorteil verschaffe.

110    Als Erstes trägt die Klägerin vor, dass die Tatsache, dass andere Luftverkehrsgesellschaften in den Genuss der betreffenden Ermäßigungen gekommen seien oder hätten kommen können und dass die zweite Maßnahme für alle am Flughafen Timișoara tätigen Luftverkehrsgesellschaften gegolten habe, nicht ausschließe, dass die dort vorgesehenen Ermäßigungen mit dem Ziel konzipiert worden seien, Wizz Air selektiv zu begünstigen, was die Kommission nicht geprüft habe.

111    In diesem Zusammenhang macht die Klägerin geltend, der angefochtene Beschluss enthalte Fehler bei der Prüfung zum einen der Frage, ob die zweite Maßnahme zwischen Unternehmen in vergleichbaren Situationen unterscheide, und zum anderen der Frage, ob diese Unterscheidung im Hinblick auf die Ziele des Referenzsystems gerechtfertigt werden könne. Die in Punkt 7.3 der zweiten Maßnahme eingeführte Ermäßigung stelle nämlich eine Abweichung vom Referenzsystem dar, durch die zwischen Luftverkehrsgesellschaften, die den Flughafen Timișoara genutzt und sich in einer vergleichbaren Situation befunden hätten, diskriminierend unterschieden worden sei.

112    Außerdem sei der Betrag der Ermäßigungen (zwischen 72 % und 85 %) wirtschaftlich nicht gerechtfertigt, da nichts darauf hindeute, dass die Nutzung eines größeren Flugzeugs zu einer Senkung der Flughafenkosten um mehr als 70 % führen würde, wie die Kommission im 164. Erwägungsgrund des Einleitungsbeschlusses festgestellt habe. Darüber hinaus sei die Infrastruktur des Flughafens Timișoara zum Zeitpunkt des Erlasses der zweiten Maßnahme nicht für große Flugzeuge ausgelegt gewesen. Die auf die Tätigkeit von Wizz zurückzuführende Überlastung der Landebahn hätte sogar zu höheren Kosten für den Flughafen geführt.

113    Als Zweites trägt die Klägerin vor, die Kommission habe die Selektivität der zweiten Maßnahme, die de facto selektiv sei, falsch beurteilt. Erstens sei Wizz Air die einzige Luftverkehrsgesellschaft gewesen, die Anspruch auf eine solche Ermäßigung der Flughafenentgelte gehabt habe, und habe diese Ermäßigung als einzige dieser Gesellschaften tatsächlich erhalten, wie die Kommission in den Erwägungsgründen 154 und 226 des Einleitungsbeschlusses anerkannt habe. Tarom habe nämlich über ein einziges Flugzeug mit einem Starthöchstgewicht von mehr als 70 t verfügt und habe kein Verkehrsaufkommen von mehr als 10 000 Fluggästen pro Monat generieren können (2009 habe sich die durchschnittliche monatliche Zahl der abfliegenden Fluggäste von Tarom auf 5 480 belaufen).

114    Zweitens sei die Änderung der Flughafengebühren durch die zweite Maßnahme ein Versuch von AITTV gewesen, den auch Wizz Air durch die Änderungsvereinbarungen von 2010 gewährten Ermäßigungen eine stärkere Legitimität zu verschaffen.

115    Die Kommission, unterstützt durch AITTV, macht als Erstes geltend, dass die Zahl der Unternehmen, die tatsächlich in den Genuss der Ermäßigungen hätten kommen können, nicht als ausschlaggebend für die Feststellung angesehen worden sei, dass die Maßnahme nicht selektiv sei. Darüber hinaus weist sie darauf hin, dass die zweite Maßnahme nicht nur Ermäßigungen für Flugzeuge mit einem Starthöchstgewicht von mehr als 70 t vorgesehen habe, sondern auch andere Ermäßigungen, u. a. für kleinere Flugzeuge wie die von der Klägerin betriebenen.

116    Auch stelle das in der Erwiderung vorgebrachte Argument der Klägerin, dass der angefochtene Beschluss Fehler bei der Prüfung der Frage aufweise, ob die zweite Maßnahme zwischen Unternehmen in vergleichbaren Situationen unterscheide, und ob diese Unterscheidung im Hinblick auf die Ziele des Bezugssystems gerechtfertigt werden könne, ein neues Angriffsmittel dar und sei als solches unzulässig.

117    Jedenfalls stelle die in Punkt 7.3 der zweiten Maßnahme vorgesehene Ermäßigung keine Abweichung vom Referenzsystem, d. h. dem Luftfahrthandbuch als Ganzes, dar. Was die wirtschaftliche Rechtfertigung dieser Ermäßigungen betreffe, so seien diese in den Erwägungsgründen 101 und 102 des angefochtenen Beschlusses dargelegt. Die Entscheidung, das Verkehrsaufkommen am Flughafen Timișoara durch eine Senkung der Gebühren für große Flugzeuge zu erhöhen, beruhe auf der wirtschaftlichen Überlegung, dass die insgesamt erzielten Einnahmen höher seien.

118    Als Zweites macht die Kommission geltend, dass die zweite Maßnahme, auf die sich der Einleitungsbeschluss beziehe, sämtliche in den Luftfahrthandbüchern 2007, 2008 und 2010 eingeführten Ermäßigungsregelungen umfasst habe. Der erste Klagegrund betreffe jedoch die allein in Punkt 7.3 der zweiten Maßnahme vorgesehene Ermäßigung, mithin eine andere Maßnahme als die, die im angefochtenen Beschluss geprüft worden sei, und gehe aus diesem Grund ins Leere.

119    Jedenfalls sei Wizz Air nicht die einzige Luftverkehrsgesellschaft gewesen, die Flugzeuge mit einem Starthöchstgewicht von mehr als 70 t betrieben habe. Auch bei Tarom sei dies der Fall gewesen, und Tarom hätte diese Nutzung erhöhen können, um in den Genuss der in Punkt 7.3 der zweiten Maßnahme vorgesehenen Ermäßigung kommen zu können. Wizz Air und AITTV machen insoweit geltend, diese Ermäßigung habe darauf abgezielt, andere Billigfluggesellschaften dazu zu bewegen, Flugzeuge mit einem Starthöchstgewicht von mehr als 70 t am Flughafen Timișoara zu stationieren, indem ein erreichbares Verkehrsaufkommen festgelegt werde (die Schwelle von 10 000 Fluggästen konnte nach Angaben von Wizz Air mit weniger als zwei Starts pro Tag erreicht werden).

120    Die Kommission stellt schließlich fest, dass eine Maßnahme nur dann als faktische Diskriminierung angesehen werden könne, wenn sie Unternehmen diskriminiere, die sich in Bezug auf das mit der Referenzregelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren Situation befänden. Die zweite Maßnahme diskriminiere jedoch mit keinem ihrer Bestandteile Fluggesellschaften, die sich in einer vergleichbaren Situation befänden.

–       Zur Beurteilung der zweiten Maßnahme im angefochtenen Beschluss

121    Die Kommission hat in den Erwägungsgründen 267 bis 299 des angefochtenen Beschlusses das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe im Hinblick auf die in den Luftfahrthandbüchern 2007, 2008 und 2010 veröffentlichten Flughafengebühren geprüft. Die Voraussetzung der Selektivität hat sie in den Erwägungsgründen 284 bis 299 des angefochtenen Beschlusses beurteilt.

122    So hat die Kommission im 289. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, dass der maßgebliche Bezugsrahmen für die Prüfung der Frage, ob die Luftfahrthandbücher 2007, 2008 und 2010 dazu geführt hätten, dass bestimmte Luftverkehrsgesellschaften gegenüber anderen, die sich in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befunden hätten, begünstigt worden seien, die für den Flughafen Timișoara geltende Regelung sei. Hierzu hat sie im 290. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass die Flughafengebührenordnung und die Ermäßigungsregelung für alle Luftverkehrsgesellschaften gegolten hätten, die den Flughafen Timișoara nutzten oder hätten nutzen können und die die in den Luftfahrthandbüchern 2007, 2008 bzw. 2010 beschriebenen Bedingungen erfüllt hätten.

123    Im 292. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission festgestellt, dass „[d]ie geltenden Ermäßigungen … gestaffelt [waren], wobei die niedrigste bei 10 % für 250 bis 500 Landungen pro Jahr, d. h. etwa [fünf] Landungen pro Woche, lag“, und dass „es im Untersuchungszeitraum neben Wizz Air eine Reihe anderer Luftverkehrsgesellschaften gab, die am … Flughafen Timișoara tätig waren und in ihrer Flotte Flugzeuge von relevanter Größe und/oder mit ausreichenden Frequenzen hatten und daher in den Genuss der entsprechenden Ermäßigungen kamen oder hätten kommen können“.

124    In den Erwägungsgründen 293 und 294 des angefochtenen Beschlusses kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass der Basissatz sowie die Ermäßigungen gemäß den Luftfahrthandbüchern 2007, 2008 und 2010 nicht selektiv gewesen seien, da sie diskriminierungsfrei angewandt worden seien. Sie gelangte daher zu dem Schluss, dass es sich bei dieser Maßnahme nicht um eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV handele.

–       Zur Richtigkeit der Beurteilung der zweiten Maßnahme

125    Nach Maßgabe von Art. 107 Abs. 1 AEUV „sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen“.

126    Folglich können nur Maßnahmen, die bestimmten Unternehmen oder Unternehmenskategorien oder bestimmten Wirtschaftssektoren einen Vorteil in selektiver Weise verschaffen, unter den Begriff „Beihilfe“ fallen.

127    Die Rechtsprechung hat jedoch klargestellt, dass auch Maßnahmen, die auf den ersten Blick für alle Unternehmen gelten, eine bestimmte Selektivität aufweisen und deshalb als Maßnahmen zur Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige angesehen werden können (vgl. Urteil vom 6. März 2002, Diputación Foral de Álava u. a./Kommission, T‑127/99, T‑129/99 und T‑148/99, EU:T:2002:59, Rn. 149 und die dort angeführte Rechtsprechung).

128    Eine De-facto-Selektivität kann festgestellt werden, wenn die förmlichen Kriterien für die Anwendung der Maßnahme zwar allgemein und objektiv formuliert sind, die Maßnahme aber so ausgestaltet ist, dass ihre Auswirkungen eine bestimmte Gruppe von Unternehmen erheblich begünstigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich, C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732, Rn. 101 bis 107; vgl. auch Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union [ABl. 2016, C 262, S. 1], Rn. 121).

129    Nach ständiger Rechtsprechung verlangt die Beurteilung der Voraussetzung der Selektivität des Vorteils die Feststellung, ob die fragliche nationale Maßnahme im Rahmen einer bestimmten rechtlichen Regelung geeignet ist, „bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige“ gegenüber anderen Unternehmen oder Produktionszweigen zu begünstigen, die sich im Hinblick auf das mit der betreffenden Regelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden. Staatliche Maßnahmen, die eine Differenzierung zwischen Unternehmen vornehmen und damit a priori selektiv sind, werden dann nicht vom Begriff der staatlichen Beihilfe erfasst, wenn diese Differenzierung aus der Natur oder der Struktur der Regelung folgt, zu der sie gehören (vgl. Urteil vom 21. Dezember 2016, Kommission/Hansestadt Lübeck, C‑524/14 P, EU:C:2016:971, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

130    Im Übrigen ist es ständige Rechtsprechung, dass Art. 107 Abs. 1 AEUV nicht nach den Gründen oder Zielen der staatlichen Maßnahmen unterscheidet, sondern diese nach ihren Wirkungen beschreibt (vgl. Urteil vom 21. Dezember 2016, Kommission/Hansestadt Lübeck, C‑524/14 P, EU:C:2016:971, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 6. März 2002, Diputación Foral de Álava u. a./Kommission, T‑92/00 und T‑103/00, EU:T:2002:61, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).

131    Wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine Maßnahme, mit der ein öffentliches Unternehmen die Bedingungen für die Nutzung seiner Güter oder Dienstleistungen festlegt, trotz ihrer allgemeinen Geltung für alle Unternehmen, die diese Güter oder Dienstleistungen nutzen, selektiven Charakter hat, ist daher für die Feststellung, ob dem so ist, nicht an die Natur dieser Maßnahme, sondern an ihre Wirkungen anzuknüpfen. Dies geschieht, indem ermittelt wird, ob der Vorteil, von dem angenommen wird, dass er mit der Maßnahme verschafft wird, in Wirklichkeit nur einigen dieser Unternehmen und nicht auch den anderen zugutekommt, obwohl sich alle diese Unternehmen im Hinblick auf das mit der betreffenden Regelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden (Urteil vom 21. Dezember 2016, Kommission/Hansestadt Lübeck, C‑524/14 P, EU:C:2016:971, Rn. 49).

132    Die Bestimmung der Gruppe der Unternehmen, die sich in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden, hängt von der vorherigen Bestimmung der rechtlichen Regelung ab, im Hinblick auf deren Ziel gegebenenfalls die Vergleichbarkeit der jeweiligen tatsächlichen und rechtlichen Situation der durch die fragliche Maßnahme begünstigten Unternehmen und der durch sie nicht begünstigten Unternehmen zu prüfen ist (Urteil vom 21. Dezember 2016, Kommission/Hansestadt Lübeck, C‑524/14 P, EU:C:2016:971, Rn. 60).

133    Einleitend ist erstens festzustellen, dass in den Punkten 1 bis 4 der zweiten Maßnahme die Sätze der verschiedenen Flughafengebühren (nämlich Landung, Beleuchtung, Parken und Personenverkehrsdienste, einschließlich Sicherheit) angegeben waren. Auf die tatsächlich in Rechnung gestellten Gebühren konnten verschiedene Arten von Ermäßigungen angewandt werden. Die Punkte 7.1, 7.2 und 7.3 der zweiten Maßnahme sahen jeweils drei Arten von Ermäßigungen vor, die nicht kumulativ anwendbar waren:

–        erstens Ermäßigungen von 10 bis 70 % auf der Grundlage der Anzahl der Landungen des Vorjahres für internationale Flüge;

–        zweitens eine Ermäßigung von 50 % für einen Zeitraum von zwölf Monaten für neue Luftverkehrsgesellschaften, die mindestens drei Flüge pro Woche mit einem Flugzeug mit mindestens 70 Sitzplätzen durchführten. Für jedes neue Reiseziel wurde sechs Monate lang eine Ermäßigung von 50 % gewährt; zusätzlich zu diesen Ermäßigungen gewährte AITTV auf der Grundlage der beförderten Fluggäste pro Jahr eine Erstattung von 10 bis 30 % der erhaltenen Beförderungsgebühren;

–        drittens Ermäßigungen von 72 bis 85 % für Flugzeuge mit einem Starthöchstgewicht von mehr als 70 t und mehr als 10 000 beförderten Fluggästen pro Monat.

134    Aus den Erwägungsgründen 46 bis 49 des angefochtenen Beschlusses geht hervor, dass die vorstehend im ersten und zweiten Gedankenstrich beschriebenen Ermäßigungen bereits im Luftfahrthandbuch 2008 vorgesehen waren. Unter den in der zweiten Maßnahme vorgesehenen Ermäßigungen stellten die unter Punkt 7.3 vorgesehenen und vorstehend im dritten Gedankenstrich beschriebenen Ermäßigungen die einzige Neuerung im Vergleich zum Luftfahrthandbuch 2008 dar.

135    Zweitens macht die Kommission geltend, dass der erste Klagegrund ins Leere gehe, da er sich nur auf die in Punkt 7.3 der zweiten Maßnahme vorgesehene Ermäßigung (d. h. eine Ermäßigung von 72 bis 85 % für Flugzeuge mit einem Starthöchstgewicht von mehr als 70 t und mehr als 10 000 beförderten Fluggästen pro Monat) beziehe, während die vom Einleitungsbeschluss betroffene zweite Maßnahme alle Arten von Ermäßigungen umfasse, die von den Luftfahrthandbüchern 2007, 2008 und 2010 eingeführt worden seien.

136    Dieses Vorbringen ist zurückzuweisen. Zwar hat die Kommission im angefochtenen Beschluss die in der zweiten Maßnahme vorgesehenen Ermäßigungen insgesamt geprüft, ohne die in Punkt 7.3 vorgesehene Ermäßigung gesondert zu prüfen. Gleichwohl wird die letztgenannte Ermäßigung auch vom angefochtenen Beschluss erfasst, und die Klägerin macht gerade geltend, dass die Kommission zu Unrecht nicht geprüft habe, ob diese Ermäßigung für sich genommen gegenüber Wizz Air nicht selektiv sei.

137    Drittens hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung außerdem vorgetragen, dass Punkt 7.3 der zweiten Maßnahme nicht auf Wizz Air anwendbar gewesen sei, da diese Vereinbarungen mit dem Flughafen Timișoara abgeschlossen habe. Insoweit ist jedoch darauf hinzuweisen, dass nach dem angefochtenen Beschluss die Flughafengebührenordnung und die Ermäßigungsregelung für alle Luftverkehrsgesellschaften galten, die den Flughafen Timișoara nutzten oder hätten nutzen können, einschließlich Wizz Air.

138    Die Klägerin wirft der Kommission im vorliegenden Fall im Wesentlichen vor, die Selektivität der in Punkt 7.3 der zweiten Maßnahme vorgesehenen Ermäßigungen mit der Begründung verneint zu haben, dass andere Luftverkehrsgesellschaften die betreffenden Ermäßigungen erhalten hätten oder hätten erhalten können und dass die zweite Maßnahme für alle am Flughafen Timișoara tätigen Luftverkehrsgesellschaften gegolten habe.

139    Hierzu hat die Kommission im 290. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses als Erstes festgestellt, dass die Flughafengebührenordnung und die Ermäßigungsregelung für alle Luftverkehrsgesellschaften gegolten hätten, die den Flughafen Timișoara nutzten oder hätten nutzen können und die die in den Luftfahrthandbüchern 2007, 2008 bzw. 2010 beschriebenen Bedingungen erfüllt hätten.

140    Die Art der zweiten Maßnahme, die in Form der Anwendung einer „allgemeinen“ Regelung erfolgte und auf Kriterien beruhte, die ihrerseits ebenfalls allgemeiner Art waren, steht der Feststellung des selektiven Charakters dieser Maßnahme nicht entgegen. Die Voraussetzung der Selektivität hat nämlich eine weiter reichende Bedeutung und schließt Maßnahmen mit ein, die durch ihre Wirkungen bestimmte Unternehmen aufgrund der für sie typischen und spezifischen Merkmale begünstigen. Ebenso geht aus der Rechtsprechung hervor, dass der Umstand, dass eine Beihilfe nicht für einen von vornherein festgelegten Begünstigten oder mehrere von vornherein festgelegte Begünstigte gilt, sondern einer Reihe objektiver Voraussetzungen unterliegt, aufgrund deren sie einer unbestimmten Zahl zunächst nicht individualisierter Begünstigter gewährt werden kann, nicht genügt, um den selektiven Charakter der Maßnahme und damit ihre Einstufung als staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV zu verneinen. Ein solcher Umstand steht nämlich nicht der Beurteilung der fraglichen staatlichen Intervention als eine selektive Maßnahme entgegen, sofern sie nach ihren Anwendungsvoraussetzungen bestimmten Unternehmen unter Ausschluss anderer eine Vergünstigung gewährt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. September 2000, CETM/Kommission, T‑55/99, EU:T:2000:223, Rn. 40). Somit schloss die allgemeine Art des Luftfahrthandbuchs als solche eine mögliche faktische Diskriminierung im Verhältnis zwischen Luftverkehrsgesellschaften, die den Flughafen Timișoara nutzen, nicht aus.

141    Als Zweites hat die Kommission im 292. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, dass „[d]ie geltenden Ermäßigungen … gestaffelt [waren], wobei die niedrigste bei 10 % für 250 bis 500 Landungen pro Jahr, d. h. etwa [fünf] Landungen pro Woche, lag“ und dass „es im Untersuchungszeitraum neben Wizz Air eine Reihe anderer Luftverkehrsgesellschaften gab, die am … Flughafen Timișoara tätig waren und in ihrer Flotte Flugzeuge von relevanter Größe und/oder mit ausreichenden Frequenzen hatten und daher in den Genuss der entsprechenden Ermäßigungen kamen oder hätten kommen können“.

142    Damit hat die Kommission erstens die drei Arten von Ermäßigungen, die in der zweiten Maßnahme vorgesehen waren, gemeinsam geprüft, ohne zu erläutern, inwiefern eine solche gemeinsame Beurteilung angesichts dessen, dass jede Art der Ermäßigung von anderen Voraussetzungen abhing und diese Ermäßigungen nicht kumulativ anwendbar waren, für die Prüfung der Selektivität dieser Maßnahme relevant war. Mithin hat sie nicht geprüft, ob die in Punkt 7.3 der zweiten Maßnahme spezifisch vorgesehene Art der Ermäßigung für sich genommen aufgrund ihrer Anwendungsbedingungen Wizz Air unter Ausschluss der anderen am Flughafen Timișoara tätigen Luftverkehrsgesellschaften begünstigt hat.

143    Zweitens hat sich die Kommission nicht zu der Frage geäußert, ob speziell im Hinblick auf die in Punkt 7.3 der zweiten Maßnahme vorgesehene Art der Ermäßigung andere Luftverkehrsgesellschaften als Wizz Air in ihrer Flotte Flugzeuge von relevanter Größe und mit ausreichenden Frequenzen hatten, um tatsächlich von dieser Ermäßigung zu profitieren.

144    Zwar ergibt sich aus dem angefochtenen Beschluss, dass Wizz Air im Verwaltungsverfahren geltend gemacht hatte, dass andere Fluggesellschaften als sie selbst Flugzeuge mit einem Starthöchstgewicht von mehr als 70 t betrieben hätten und daher in den Genuss der in Punkt 7.3 der zweiten Maßnahme vorgesehenen Art der Ermäßigung hätten kommen können (vgl. 122. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Die Kommission hat in ihren Schriftsätzen ausgeführt, dass Tarom solche Flugzeuge betrieben habe und hätte versuchen können, ihre Beförderungsleistungen am Flughafen Timișoara zu steigern, um in den Genuss dieser Ermäßigungen zu kommen.

145    Gleichwohl ist die in Punkt 7.3 der zweiten Maßnahme vorgesehene Art der Ermäßigung in der Praxis ausschließlich Wizz Air zugutegekommen, und keine andere Fluggesellschaft, auch nicht Tarom, hat die in diesem Punkt 7.3 geforderte Mindestzahl der pro Monat beförderten Fluggäste erreicht.

146    Was ferner das Vorbringen von Wizz Air und AITTV betrifft, dass diese Ermäßigungen zu einer Erhöhung des Verkehrsaufkommens am Flughafen Timișoara und damit zu einer Steigerung der tatsächlich erzielten Einnahmen führen sollten, so ist hervorzuheben, dass Art. 107 Abs. 1 AEUV gemäß der oben in Rn. 130 angeführten Rechtsprechung nicht nach den Gründen oder Zielen der staatlichen Maßnahmen unterscheidet, sondern diese nach ihren Wirkungen beschreibt, so dass die oben genannten Ziele bezüglich Verkehrsaufkommen und Einnahmen für die Beurteilung des selektiven Charakters der in Punkt 7.3 der zweiten Maßnahme vorgesehenen Ermäßigungen irrelevant sind. Jedenfalls ist festzustellen, dass der angefochtene Beschluss keinen Nachweis für diese Ziele enthält.

147    Drittens ist darauf hinzuweisen, dass gerade dann, wenn man der Kommission folgt und die beiden anderen in der zweiten Maßnahme vorgesehenen Ermäßigungsmaßnahmen berücksichtigt, erst recht Zweifel daran aufkommen, dass die in Punkt 7.3 der zweiten Maßnahme vorgesehenen Ermäßigungen nicht selektiv waren. Diese beiden anderen Maßnahmen sahen nämlich Ermäßigungen zwischen 10 % und 70 % und zwischen 10 % und 30 % vor, während Punkt 7.3 höhere und deutlich weniger progressive Ermäßigungen von 72 % bis zu 85 % erlaubte.

148    Demzufolge ist festzustellen, dass die Kommission einen Rechtsfehler begangen hat, indem sie es unterlassen hat, zu prüfen, ob die in Punkt 7.3 der zweiten Maßnahme vorgesehene Ermäßigung für sich genommen auf eine selektive Anwendung gerichtet war. Weder die geltend gemachte Verspätung noch die Stichhaltigkeit des Vorbringens der Klägerin, dass die in Punkt 7.3 der zweiten Maßnahme vorgesehenen Ermäßigungen eine Abweichung von dem durch diese Maßnahme geschaffenen Referenzsystem darstellten, brauchen insoweit geprüft zu werden.

149    In Anbetracht dieser Erwägungen ist dem ersten Klagegrund stattzugeben.

 Zum zweiten Klagegrund: offensichtlicher Beurteilungsfehler, Rechtsfehler und Begründungsmangel, soweit im angefochtenen Beschluss festgestellt wird, dass die dritte Maßnahme Wizz Air keinen ungerechtfertigten Vorteil verschafft habe

150    Der zweite Klagegrund besteht aus zwei Teilen. Mit dem ersten Teil, der die Tatsachenwürdigung betrifft, macht die Klägerin geltend, der angefochtene Beschluss habe Beweise außer Acht gelassen, die belegten, dass das Verhalten von AITTV nicht mit dem eines marktwirtschaftlich handelnden privaten Wirtschaftsteilnehmers vergleichbar sei.

151    Insbesondere habe AITTV keine Ex-ante-Analyse vorgenommen, um festzustellen, ob die Vereinbarungen von 2008 geeignet gewesen seien, ihr eine positive Rendite zu verschaffen oder zumindest die Betriebskosten von Wizz Air zu decken, obwohl die Marketingvereinbarung dazu geführt habe, dass Wizz Air eine Ermäßigung von bis zu 85 % aller Flughafengebühren gewährt worden sei. Ein umsichtiger Marktteilnehmer hätte jedoch eine Ex-ante-Rentabilitätsanalyse durchgeführt, bevor er seine Geschäftsstrategie auf diese Weise geändert hätte.

152    Mit dem zweiten Teil, mit dem ein Rechtsfehler gerügt wird, macht die Klägerin geltend, dass der angefochtene Beschluss das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden privaten Wirtschaftsteilnehmers fehlerhaft auf die dritte Maßnahme anwende. Die Kommission habe nämlich den allgemeinen Kontext der dritten Maßnahme und die vorhersehbaren Entwicklungen, wie z. B. die Kosten für die Verbesserung der Lastklassifikationszahl des Belages, die sich aus dieser Maßnahme ergeben hätten, sowie ihre mittel- und langfristigen Folgen außer Acht gelassen. Insbesondere habe sie fälschlicherweise einen Zeitraum von nur drei Jahren für die Beurteilung der Rentabilität der Vereinbarungen von 2008 zugrunde gelegt.

153    Die Kommission macht zunächst geltend, dass die Klägerin nicht ihre Rentabilitätsanalyse für die Änderungsvereinbarungen von 2010, sondern nur ihre Rentabilitätsanalyse für die Vereinbarungen von 2008 in Frage stelle. Um die Anwendung des Kriteriums des marktwirtschaftlich handelnden privaten Wirtschaftsteilnehmers im angefochtenen Beschluss erfolgreich in Frage zu stellen, müsse die Klägerin dartun, dass die Beurteilung der Kommission nicht nur falsch, sondern auch nicht plausibel sei.

154    Zum ersten Teil des Klagegrundes macht die Kommission in Bezug auf das Fehlen einer Ex-ante-Analyse geltend, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass eine Studie, in der der erwartete inkrementelle Zuwachs der Rentabilität einer von einem Flughafen und einer Luftverkehrsgesellschaft unterzeichneten Vereinbarung ex post bewertet werde, aber auf Daten beruhe, die zum Zeitpunkt der Unterzeichnung dieser Vereinbarung verfügbar gewesen wären, akzeptiert werden könne.

155    Zum zweiten Teil, der sich u. a. auf den Zeitraum bezieht, der für die Beurteilung der Rentabilität der Vereinbarungen von 2008 zugrunde gelegt wurde, macht die Kommission geltend, dass sie einen Zeitraum von drei Jahren gewählt habe, der dem ersten Anwendungszeitraum der Marketingvereinbarung entspreche, da insbesondere ein umsichtiger marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber, wie in den Erwägungsgründen 334 bis 336 des angefochtenen Beschlusses erläutert, nicht mit einer Verlängerung der Vereinbarungen nach deren Durchführung gerechnet hätte.

156    In der Erwiderung trägt die Klägerin vor, Wizz Air habe durch die Änderungsvereinbarungen von 2010 eine staatliche Beihilfe erhalten, da die zweite Maßnahme und die Änderungsvereinbarungen von 2010 Wizz Air im Wesentlichen denselben Vorteil verschafft hätten.

157    Die Kommission macht hierzu in der Gegenerwiderung geltend, dass die Änderungsvereinbarungen von 2010 und die zweite Maßnahme keine einheitliche Maßnahme darstellten und dass sie diese getrennt beurteilt habe.

–       Zur Beurteilung der dritten Maßnahme im angefochtenen Beschluss

158    Die Vereinbarungen von 2008 umfassten eine Absichtserklärung, eine Marketingvereinbarung, eine Betriebsvereinbarung und eine Bodenabfertigungsvereinbarung.

159    Gemäß der Absichtserklärung und der Marketingvereinbarung, die zunächst für einen Zeitraum von drei Jahren abgeschlossen worden waren, hatte sich AITTV u. a. verpflichtet, das Fluggastterminal zu erweitern, um zu ermöglichen, dass bis spätestens 1. Januar 2011 bis zu drei Millionen Fluggäste pro Jahr abgefertigt werden konnten, die Start- und Landebahn bis Ende 2009 aufzuwerten und entsprechend dem Antrag von Wizz Air Zeitnischen zur Verfügung zu stellen. Wizz Air hatte sich verpflichtet, Marketingmaßnahmen für AITTV durchzuführen.

160    In der Betriebsvereinbarung und der Bodenabfertigungsvereinbarung, die zunächst für ein Jahr abgeschlossen worden waren, waren die von Wizz Air zu zahlenden Flughafengebühren sowie Ermäßigungen und Befreiungen von den Gebühren festgelegt. Die Gebühren entsprachen im Wesentlichen denjenigen, die im Luftfahrthandbuch 2008 aufgeführt waren. Am 25. Juni 2010 wurden die Betriebsvereinbarung und die Bodenabfertigungsvereinbarung durch die Änderungsvereinbarungen von 2010, eine neue Ermäßigungsregelung, die der in der zweiten Maßnahme festgelegten Regelung entsprach, abgeändert (siehe oben, Rn. 5).

161    Die Kommission hat das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe in Bezug auf die dritte Maßnahme in den Erwägungsgründen 300 bis 440 des angefochtenen Beschlusses geprüft. Die Voraussetzung des Vorliegens eines wirtschaftlichen Vorteils hat sie im Hinblick auf die Vereinbarungen von 2008 – die sie zusammen bewertet hat – in den Erwägungsgründen 322 bis 415 des angefochtenen Beschlusses und im Hinblick auf die Änderungsvereinbarungen von 2010 in den Erwägungsgründen 416 bis 439 geprüft.

162    In Bezug auf die Vereinbarungen von 2008 hat die Kommission geprüft, ob die inkrementellen Einnahmen, die sich aus der Tätigkeit von Wizz Air aufgrund dieser Vereinbarungen ergaben (d. h. die luftverkehrsbezogenen Einnahmen aus den von Wizz Air gezahlten Flughafengebühren sowie die zusätzlichen nicht luftverkehrsbezogenen Einnahmen), die inkrementellen Kosten (d. h. die Betriebskosten, Marketingkosten und Investitionskosten), die der Präsenz von Wizz Air am Flughafen Timișoara zugeschrieben werden konnten, überstiegen (vgl. Erwägungsgründe 341 bis 343 des angefochtenen Beschlusses).

163    Hierzu hat die Kommission nacheinander Ex-ante-Rentabilitätsanalysen geprüft, die ex post auf der Grundlage der vor dem Abschluss der Vereinbarungen von 2008 verfügbaren Daten rekonstruiert und am 9. Dezember 2014 von Rumänien (vgl. Erwägungsgründe 344 bis 356 des angefochtenen Beschlusses) und am 10. Februar 2015 von Wizz Air (im Folgenden: Oxera-Bericht 2015) (vgl. Erwägungsgründe 357 bis 381 des angefochtenen Beschlusses) vorgelegt worden waren. Außerdem prüfte sie eine von der Klägerin am 10. November 2014 vorgelegte Studie (vgl. Erwägungsgründe 382 bis 392 des angefochtenen Beschlusses).

164    In Bezug auf die von Rumänien vorgelegte Analyse hat die Kommission festgestellt, dass diese ein Reihe von Mängeln aufweise. Insbesondere enthalte sie keine Berechnung der inkrementellen Kosten, sondern nur der inkrementellen Einnahmen. Die Kommission war daher der Ansicht, dass diese Analyse nicht beweise, dass das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden privaten Wirtschaftsteilnehmers bei den Vereinbarungen von 2008 erfüllt gewesen sei (vgl. Erwägungsgründe 355 und 356 des angefochtenen Beschlusses).

165    Im Oxera-Bericht 2015 wurde ein Nettogegenwartswert (im Folgenden: NGW) der Vereinbarungen von 2008 in Höhe von 7,6 Mio. rumänischen Lei (RON) (ungefähr 1,5 Mio. Euro) angegeben. Die Kommission hat die meisten der grundlegenden Annahmen des Oxera-Berichts 2015 akzeptiert. Einige davon hat sie revidiert, um geringere inkrementelle Kosten zu berücksichtigen, was zu höheren inkrementellen Gewinnen führte, wobei sie u. a. feststellte, dass keine der getätigten Investitionen, insbesondere in Bezug auf das Fluggastterminal und die Start- und Landebahn, auf die Präsenz von Wizz Air am Flughafen Timișoara zurückzuführen seien (vgl. Erwägungsgründe 362 und 372 bis 379 des angefochtenen Beschlusses). Nach dieser Neuberechnung der inkrementellen Kosten, Einnahmen und Gewinne auf der Grundlage des Oxera-Berichts 2015 hat die Kommission festgestellt, dass dieser Bericht die Schlussfolgerung stütze, dass die Vereinbarungen von 2008 nach den damaligen Erwartungen zu einem inkrementellen Zuwachs der Rentabilität für AITTV führen würden (vgl. 381. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

166    In Bezug auf die von der Klägerin vorgelegte Studie, die zu dem Schluss kam, dass die Vereinbarungen von 2008 nicht rentabel seien, hat die Kommission die meisten grundlegenden Annahmen zurückgewiesen, insbesondere die Annahme, dass die Investitionen für die Arbeiten zur Verbesserung der Lastklassifikationszahl des Belages und für die Arbeiten am Fluggastterminal inkrementelle Kosten im Zusammenhang mit der Präsenz von Wizz Air am Flughafen Timișoara gewesen seien. Die Kommission kam zu dem Schluss, dass diese Studie nicht als Beweis dafür herangezogen werden könne, dass die Vereinbarungen von 2008 nicht dem Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden privaten Wirtschaftsteilnehmers entsprochen hätten (vgl. Erwägungsgründe 388 bis 392 des angefochtenen Beschlusses).

167    Ferner hat die Kommission Ex-post-Studien von Oxera und RBB vom 27. Oktober 2011 zur Untermauerung der Ergebnisse des Oxera-Berichts 2015 berücksichtigt. Nach der von Oxera durchgeführten Ex-post-Studie hatten die Vereinbarungen von 2008 über ihre Laufzeit von drei Jahren einen positiven NGW von 145 249 Euro (vgl. 398. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

168    Hinsichtlich der Änderungsvereinbarungen von 2010 ging der Oxera-Bericht 2015 von einem voraussichtlichen NGW von 2,3 Mio. RON, d. h. ungefähr 469 852 Euro, aus (vgl. 417. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Außerdem hat die Kommission die von Oxera durchgeführte Ex-post-Studie berücksichtigt, nach der die Änderungsvereinbarungen von 2010 über ihre Laufzeit von neun Monaten einen positiven NGW von 483 147 Euro aufwiesen (vgl. 429. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

169    So kam die Kommission auf der Grundlage des Oxera-Berichts 2015, wie von der Kommission neu berechnet und durch die Ex-post-Studien von Oxera und RBB untermauert, zu dem Ergebnis, dass die dritte Maßnahme nach den damaligen Erwartungen zu einer inkrementellen Rentabilität für AITTV führen würde. Darüber hinaus sei diese Maßnahme Teil einer Gesamtstrategie und langfristiger Bemühungen in Bezug auf die Gesamtrentabilität des Flughafens Timișoara gewesen. Folglich war die Kommission der Ansicht, dass ein umsichtiger marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber solche Vereinbarungen abgeschlossen hätte. Die Kommission kam daher zu dem Schluss, dass diese Vereinbarungen Wizz Air keinen wirtschaftlichen Vorteil verschafft hätten, den sie unter normalen Marktbedingungen nicht erhalten hätte, und dass sie daher keine staatlichen Beihilfen darstellten (vgl. Erwägungsgründe 413 bis 415 und 437 bis 440 des angefochtenen Beschlusses).

–       Zur Richtigkeit der Beurteilung der dritten Maßnahme

170    Nach der Rechtsprechung sind die Voraussetzungen, die eine Maßnahme erfüllen muss, um unter den Begriff „Beihilfe“ im Sinne von Art. 107 AEUV zu fallen, nicht erfüllt, wenn das begünstigte Unternehmen denselben Vorteil, der ihm aus Staatsmitteln gewährt wurde, unter Umständen, die normalen Marktbedingungen entsprechen, hätte erhalten können, wobei diese Beurteilung grundsätzlich unter Anwendung des Kriteriums des marktwirtschaftlich handelnden privaten Wirtschaftsteilnehmers erfolgt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Juni 2015, SACE und Sace BT/Kommission, T‑305/13, EU:T:2015:435, Rn. 91 und die dort angeführte Rechtsprechung).

171    Für die Prüfung der Frage, ob sich der Mitgliedstaat oder die betroffene öffentliche Einrichtung wie ein umsichtiger, marktwirtschaftlich handelnder privater Wirtschaftsteilnehmer verhalten hat, muss man sich in den Kontext der Zeit zurückversetzen, in der die fraglichen Maßnahmen getroffen wurden, um beurteilen zu können, ob das Verhalten des Mitgliedstaats bzw. der öffentlichen Einrichtung wirtschaftlich vernünftig war, und sich jeder Beurteilung aufgrund einer späteren Situation enthalten (Urteile vom 16. Mai 2002, Frankreich/Kommission, C‑482/99, EU:C:2002:294, Rn. 71, und vom 25. Juni 2015, SACE und Sace BT/Kommission, T‑305/13, EU:T:2015:435, Rn. 93).

172    In diesem Zusammenhang obliegt es dem Mitgliedstaat oder der betreffenden öffentlichen Einrichtung, der Kommission diejenigen objektiven und nachprüfbaren Anhaltspunkte mitzuteilen, die zeigen, dass die getroffene Entscheidung auf wirtschaftlichen Vorabbewertungen beruht, die mit jenen vergleichbar sind, die unter den gegebenen Umständen ein vernünftig handelnder privater Wirtschaftsteilnehmer in einer möglichst ähnlichen Lage wie dieser Mitgliedstaat oder diese Einrichtung vor dem Erlass dieser Maßnahme hätte erstellen lassen, um die künftige Rentabilität einer solchen Maßnahme zu bestimmen (vgl. Urteil vom 25. Juni 2015, SACE und Sace BT/Kommission, T‑305/13, EU:T:2015:435, Rn. 97 und die dort angeführte Rechtsprechung).

173    Daher sind insbesondere für die Anwendung des Kriteriums des privaten Wirtschaftsteilnehmers nur die im Zeitpunkt der Entscheidung über die Vornahme der fraglichen Maßnahme verfügbaren Informationen und vorhersehbaren Entwicklungen relevant (Urteil vom 5. Juni 2012, Kommission/EDF, C‑124/10 P, EU:C:2012:318, Rn. 105). Dies gilt insbesondere, wenn die Kommission wie im vorliegenden Fall das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe im Hinblick auf eine Maßnahme prüft, die ihr nicht mitgeteilt wurde und die zum Zeitpunkt ihrer Prüfung von der betreffenden öffentlichen Einrichtung bereits umgesetzt wurde (Urteil vom 25. Juni 2015, SACE und Sace BT/Kommission, T‑305/13, EU:T:2015:435, Rn. 94).

174    Wenn sich erkennen lässt, dass das Kriterium des privaten Wirtschaftsteilnehmers anwendbar sein könnte, hat die Kommission daher den betroffenen Mitgliedstaat um alle einschlägigen Informationen zu ersuchen, um überprüfen zu können, ob die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit und Anwendung dieses Kriteriums erfüllt sind. Sie kann sich nur dann weigern, solche Informationen zu prüfen, wenn die vorgelegten Beweise aus der Zeit nach Erlass der Entscheidung über die Vornahme der betreffenden Investition stammen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Juni 2012, Kommission/EDF, C‑124/10 P, EU:C:2012:318, Rn. 104, und vom 25. Juni 2015, SACE und Sace BT/Kommission, T‑305/13, EU:T:2015:435, Rn. 96).

175    Es obliegt dem betreffenden Mitgliedstaat bzw. im vorliegenden Fall dem betreffenden öffentlichen Unternehmen, die Angaben zu machen, aus denen ersichtlich ist, dass er bzw. es eine vorherige wirtschaftliche Bewertung der Rentabilität der fraglichen Maßnahme vorgenommen hat, die mit derjenigen vergleichbar ist, die ein privater Wirtschaftsteilnehmer in einer ähnlichen Situation hätte erstellen lassen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Juni 2015, SACE und Sace BT/Kommission, T‑305/13, EU:T:2015:435, Rn. 184).

176    Wenn das öffentliche Unternehmen der Kommission die erforderlichen Nachweise vorgelegt hat, ist es jedoch deren Aufgabe, eine Gesamtwürdigung vorzunehmen und dabei neben den von diesem Unternehmen vorgelegten Nachweisen auch jeden anderen Anhaltspunkt zu berücksichtigen, der es ermöglicht, festzustellen, ob die in Rede stehende Maßnahme das Kriterium des privaten Wirtschaftsteilnehmers erfüllt. Das betroffene öffentliche Unternehmen hat somit die Möglichkeit, im Verwaltungsverfahren ergänzende Beweise vorzulegen, die nach Erlass der Maßnahme zustande gekommen sind, sich aber auf zum Zeitpunkt dieses Erlasses verfügbare Informationen und absehbare Entwicklungen stützen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Juni 2015, SACE und Sace BT/Kommission, T‑305/13, EU:T:2015:435, Rn. 186).

177    Die Unmöglichkeit, detaillierte und vollständige Voraussagen zu treffen, kann einen öffentlichen Kapitalgeber nicht davon entbinden, eine angemessene vorherige Bewertung der Rentabilität seiner Investition vorzunehmen, die mit derjenigen vergleichbar ist, die ein privater Wirtschaftsteilnehmer in einer ähnlichen Situation anhand der verfügbaren und vorhersehbaren Daten hätte erstellen lassen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Juni 2015, SACE und Sace BT/Kommission, T‑305/13, EU:T:2015:435, Rn. 182).

178    Anhand dieser Rechtsprechung ist der zweite Klagegrund zu prüfen, mit dem die Klägerin u. a. geltend macht, AITTV habe keine Ex-ante-Rentabilitätsanalyse in Bezug auf die Vereinbarungen von 2008 durchgeführt.

179    Insoweit ergibt sich erstens aus dem 147. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, der sich in Abschnitt 6.3, der der Zusammenfassung der Stellungnahme von AITTV zur dritten Maßnahme gewidmet ist, und nicht in dem die Beurteilung dieser Maßnahme durch die Kommission betreffenden Teil befindet:

„[AITTV] erklärte, vor Abschluss der Vereinbarungen von 2008 Berechnungen durchgeführt zu haben. Nach Angaben [von AITTV] bestand keine rechtliche Verpflichtung zur Erstellung eines Wirtschaftsplans. [AITTV] sei kein Grund bekannt gewesen, warum [sie] Unterlagen hätte aufbewahren sollen.“

180    Es ist jedoch festzustellen, dass die angeblichen Berechnungen, die AITTV vor Abschluss der Vereinbarungen von 2008 vorgenommen haben soll, der Kommission nicht mitgeteilt wurden und dass sich die Kommission im angefochtenen Beschluss nicht auf diese Berechnungen gestützt hat, um die Rentabilität dieser Vereinbarungen nach dem Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden privaten Wirtschaftsteilnehmers zu beurteilen.

181    Entgegen den Anforderungen der vorstehend in den Rn. 175 und 177 angeführten Rechtsprechung geht also aus dem angefochtenen Beschluss in keiner Weise hervor, dass die Entscheidung von AITTV, die Vereinbarungen von 2008 mit Wizz Air abzuschließen, auf vorherigen wirtschaftlichen Bewertungen beruhte, die ein privater Wirtschaftsteilnehmer in einer ähnlichen Situation anhand der verfügbaren und vorhersehbaren Daten vorgenommen hätte.

182    Selbst wenn AITTV die künftige Rentabilität der Vereinbarungen von 2008 ex ante bewertet haben sollte, hat sie jedenfalls gegen ihre Verpflichtung verstoßen, der Kommission hinreichende Angaben zu dieser vorherigen Bewertung zu übermitteln, die es dieser ermöglicht hätten, zu prüfen, ob das Verhalten dieses öffentlichen Unternehmens mit dem eines vernünftig handelnden privaten Wirtschaftsteilnehmers vergleichbar war (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Juni 2015, SACE und Sace BT/Kommission, T‑305/13, EU:T:2015:435, Rn. 182 und 185).

183    Zwar bezieht sich der Oxera-Bericht 2015 auf einen von AITTV im Rahmen der Vereinbarungen von 2008 erstellten und Oxera von AITTV zur Vorbereitung dieses Berichts übermittelten „Unternehmensplan“. Die Antworten von Wizz Air und AITTV auf die Fragen des Gerichts vom 19. Juli 2022 haben jedoch bestätigt, dass dieser „Unternehmensplan“ nicht im Jahr 2008 erstellt, sondern im Verwaltungsverfahren ex post auf der Grundlage von Informationen, die AITTV im Jahr 2008 zur Verfügung gestanden hätten, rekonstruiert worden war.

184    Daraus folgt, dass die Kommission, als sie die Frage prüfte, ob sich AITTV in Anbetracht der verfügbaren und vorhersehbaren Daten wie ein privater Wirtschaftsteilnehmer in einer ähnlichen Situation verhalten hat, über kein vor dem Abschluss der Vereinbarungen von 2008 erstelltes Schriftstück verfügte.

185    Im Übrigen geht aus dem angefochtenen Beschluss hervor, dass die von Rumänien am 9. Dezember 2014 auf Ersuchen der Kommission vorgelegte Ex-ante-Rentabilitätsanalyse, die ex post auf der Grundlage der vor dem Abschluss der Vereinbarungen von 2008 verfügbaren Daten rekonstruiert wurde, Mängel aufwies und kein Beweis dafür sein konnte, dass bei den Vereinbarungen von 2008 das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden privaten Wirtschaftsteilnehmers erfüllt wurde (vgl. Erwägungsgründe 344 und 356 des angefochtenen Beschlusses und oben, Rn. 163 und 164). Somit ist es unwahrscheinlich, dass die im 147. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses erwähnten hypothetischen Vorabberechnungen, die AITTV vor dem Abschluss der Vereinbarungen von 2008 vorgenommen haben soll, den Nachweis solider Ex-ante-Rentabilitätsaussichten für diese Vereinbarungen ermöglicht hätten.

186    Zweitens kam die Kommission auf der Grundlage des Oxera-Berichts 2015, d. h. anhand einer ex post auf der Grundlage der vor dem Abschluss der Vereinbarungen von 2008 verfügbaren Daten rekonstruierten Ex-ante-Rentabilitätsanalyse, die von Wizz Air am 10. Februar 2015 vorgelegt und von der Kommission neu berechnet worden war (siehe oben, Rn. 163 und 165), zu dem Ergebnis, dass die Vereinbarungen von 2008 rentabel seien.

187    Wie die Kommission geltend macht, stützt sich der Oxera-Bericht 2015, obwohl er fast sieben Jahre nach dem Abschluss der Vereinbarungen von 2008 erstellt wurde, auf Daten, die vor dem Abschluss dieser Vereinbarungen verfügbar waren.

188    Entgegen dem Vorbringen der Kommission kann jedoch nicht allein deshalb, weil dieser Bericht auf den zum Zeitpunkt des Erlasses der dritten Maßnahme im Jahr 2008 verfügbaren Informationen und vorhersehbaren Entwicklungen beruht, davon ausgegangen werden, dass er einer Ex-ante-Analyse gleichkommt, die geeignet ist, die Einhaltung des Kriteriums des marktwirtschaftlich handelnden privaten Wirtschaftsteilnehmers nachzuweisen.

189    Zwar hat die Kommission nach der Rechtsprechung eine Gesamtwürdigung vorzunehmen und dabei jeden im betreffenden Fall erheblichen Anhaltspunkt zu berücksichtigen, der es ihr ermöglicht, festzustellen, ob das begünstigte Unternehmen derartige Erleichterungen offenkundig nicht von einem solchen privaten Wirtschaftsteilnehmer erhalten hätte. Insoweit ist jede Information als erheblich zu betrachten, die den Entscheidungsprozess eines durchschnittlich vorsichtigen und sorgfältigen privaten Wirtschaftsteilnehmers, der sich in einer möglichst ähnlichen Lage befindet wie der Staat, nicht unwesentlich beeinflussen kann (vgl. Urteil vom 26. März 2020, Larko/Kommission, C‑244/18 P, EU:C:2020:238, Rn. 29 und 30 sowie die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 20. September 2017, Kommission/Frucona Košice, C‑300/16 P, EU:C:2017:706, Rn. 60).

190    Jedoch können Umstände, die nach dem Erlass der betreffenden Maßnahme eintreten, bei der Würdigung anhand des Kriteriums des privaten Wirtschaftsteilnehmers nicht berücksichtigt werden (vgl. Urteil vom 26. März 2020, Larko/Kommission, C‑244/18 P, EU:C:2020:238, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. in diesem Sinne auch Urteile vom 5. Juni 2012, Kommission/EDF, C‑124/10 P, EU:C:2012:318, Rn. 104, und vom 25. Juni 2015, SACE und Sace BT/Kommission, T‑305/13, EU:T:2015:435, Rn. 93 und 94).

191    Insoweit trifft es zwar zu, dass das betroffene öffentliche Unternehmen, wie sich aus der oben in Rn. 176 angeführten Rechtsprechung ergibt, im Verwaltungsverfahren die Möglichkeit hat, ergänzende Beweise vorzulegen, die nach Erlass der Maßnahme zustande gekommen sind; eine solche Möglichkeit befreit dieses Unternehmen jedoch nicht von der Verpflichtung, anhand einer Analyse der verfügbaren Informationen und absehbaren Entwicklungen eine sachgemäße vorherige wirtschaftliche Bewertung vorzunehmen, die angesichts der Art, der Komplexität, der Bedeutung und des Kontexts der Transaktion angemessen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Juni 2015, SACE und Sace BT/Kommission, T‑305/13, EU:T:2015:435, Rn. 186 und 188).

192    Im vorliegenden Fall handelt es sich beim Oxera-Bericht 2015, auch wenn er auf Daten beruht, die vor Abschluss der Vereinbarungen von 2008 verfügbar waren, dennoch um eine rückblickende Feststellung der tatsächlichen Rentabilität dieser Vereinbarungen. Aus diesem Grund ist er gemäß der vorstehend in Rn. 190 angeführten Rechtsprechung für die Beurteilung der Frage, ob das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden privaten Wirtschaftsteilnehmers eingehalten wurde, irrelevant.

193    Drittens hat die Kommission im angefochtenen Beschluss auch Ex-post-Studien von Oxera und RBB vom 27. Oktober 2011 zur Untermauerung der Ergebnisse des Oxera-Berichts 2015 berücksichtigt (siehe oben, Rn. 167 und 169).

194    Nach der Rechtsprechung können zur Beurteilung der Frage, ob der Empfänger der betreffenden Maßnahme tatsächlich einen Vorteil im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV erhalten hat, vom Mitgliedstaat im Verwaltungsverfahren vorgelegte ergänzende Wirtschaftsanalysen Umstände klären, die zum Zeitpunkt der Investitionsentscheidung gegeben waren, und müssen von der Kommission berücksichtigt werden (Urteil vom 3. Juli 2014, Spanien u. a./Kommission, T‑319/12 und T‑321/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:604, Rn. 134).

195    Im vorliegenden Fall ergänzten die von der Kommission berücksichtigten ex post rekonstruierten Beweise, seien es die von Rumänien oder die von Wizz Air zur Verfügung gestellten, jedoch keine vor Abschluss der Vereinbarungen von 2008 zustande gekommenen Beweise, die AITTV der Kommission übermittelt hätte. Sie waren vielmehr die einzigen Beweise, die der Kommission zur Verfügung gestellt wurden, und die einzigen, auf die die Kommission ihre Beurteilung der Vereinbarungen von 2008 gestützt hat.

196    Viertens und letztens hat die Kommission in ihrer Schlussfolgerung zum wirtschaftlichen Vorteil in Bezug auf die Vereinbarungen von 2008 auch die Tatsache berücksichtigt, dass „es Hinweise [gab], insbesondere auf der Grundlage des Entwicklungsplans für den Zeitraum 2006 bis 2015, dass die Vereinbarungen von 2008 mit Wizz Air Teil einer Gesamtstrategie und langfristiger Bemühungen in Bezug [auf] die Gesamtrentabilität des Flughafens waren“ (vgl. 414. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses und oben, Rn. 169).

197    Solche vagen, in keiner Weise untermauerten Gesichtspunkte können jedoch keinen ausreichenden Beweis dafür darstellen, dass vor dem Abschluss der Vereinbarungen von 2008 eine vorherige wirtschaftliche Bewertung der Rentabilität durchgeführt worden wäre.

198    Daher ist festzustellen, dass die Schlussfolgerung der Kommission, dass ein umsichtiger marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsteilnehmer die Vereinbarungen von 2008 abgeschlossen hätte, entgegen der oben in den Rn. 170 bis 177 angeführten Rechtsprechung vollständig auf ex post erstellte Beweise gestützt ist.

199    Somit hat die Kommission ihre Schlussfolgerung, dass die dritte Maßnahme Wizz Air keinen wirtschaftlichen Vorteil verschafft habe, den sie unter normalen Marktbedingungen nicht erhalten hätte, und daher keine staatliche Beihilfe darstelle, nicht rechtmäßig begründet.

200    Ohne dass das übrige Vorbringen der Klägerin im Rahmen des zweiten Klagegrundes geprüft zu werden braucht, ist diesem Klagegrund daher insoweit stattzugeben, als mit ihm gerügt wird, dass im angefochtenen Beschluss rechtsfehlerhaft festgestellt worden sei, dass die dritte Maßnahme Wizz Air keinen ungerechtfertigten Vorteil verschafft habe.

201    Nach alledem ist der Klage auf der Grundlage des ersten und des zweiten Klagegrundes stattzugeben, ohne dass der dritte und der vierte Klagegrund geprüft zu werden brauchen.

 Kosten

202    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag der Klägerin ihre eigenen Kosten und die Kosten der Klägerin aufzuerlegen. Wizz Air und AITTV tragen gemäß Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Achte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      [Berichtigt mit Beschluss vom 13. Juli 2023] Art. 2 des Beschlusses (EU) 2021/1428 der Kommission vom 24. Februar 2020 über die staatliche Beihilfe SA. 31662 – C/2011 (ex NN/2011) Rumäniens für den Internationalen Flughafen Timișoara – Wizz Air wird für nichtig erklärt, soweit darin festgestellt wird, dass die Flughafengebühren gemäß dem Luftfahrthandbuch von 2010 sowie die im Jahr 2008 zwischen der Societatea Naţionalã „Aeroportul Internaţional Timişoara – Traian Vuia“ SA (AITTV) und der Wizz Air Hungary Légiközlekedési Zrt. (Wizz Air Hungary Zrt.) geschlossenen Vereinbarungen (einschließlich der Änderungsvereinbarungen von 2010) keine staatlichen Beihilfen darstellten.

2.      Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Carpatair SA.

3.      Wizz Air Hungary und AITTV tragen ihre eigenen Kosten.

Papasavvas

Svenningsen

Jaeger

Mac Eochaidh

 

Pynnä

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 8. Februar 2023.

Unterschriften


Inhaltsverzeichnis



*      Verfahrenssprache: Englisch.