Language of document : ECLI:EU:T:2011:642

BESCHLUSS DES GERICHTS (Dritte Kammer)

8. November 2011(*)

„Wettbewerb – Kartelle – Märkte für Zinnstabilisatoren und ESBO‑/Ester-Wärmestabilisatoren – Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG und Art. 53 EWR-Abkommen festgestellt wird – Aufhebung der Entscheidung – Wegfall des Streitgegenstands – Erledigung“

In der Rechtssache T‑25/10

BASF Schweiz AG, ehemals BASF Specialty Chemicals Holding GmbH, mit Sitz in Basel (Schweiz),

BASF Lampertheim GmbH mit Sitz in Lampertheim (Deutschland),

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte F. Montag und T. Wilson,

Klägerinnen,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch F. Ronkes Agerbeek und R. Sauer als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt W. Berg,

Beklagte,

betreffend einen Antrag auf Nichtigerklärung der Art. 1 und 2 der Entscheidung K (2009) 8682 endg. der Kommission vom 11. November 2009 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag und Artikel 53 EWR-Abkommen (COMP/38589 – Wärmestabilisatoren), soweit diese Artikel an die Klägerinnen gerichtet sind, sowie, hilfsweise, auf Herabsetzung der Geldbußen, die diesen mit Art. 2 der Entscheidung auferlegt wurden,

erlässt

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten O. Czúcz, der Richterin I. Labucka (Berichterstatterin) und des Richters D. Gratsias,

Kanzler: E. Coulon,

folgenden

Beschluss

 Sachverhalt und Verfahren

1        Mit Klageschrift, die am 27. Januar 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Klägerinnen, die BASF Schweiz AG und die BASF Lampertheim GmbH, die vorliegende Klage erhoben, mit der sie die Nichtigerklärung der Art. 1 und 2 der Entscheidung K (2009) 8682 endg. der Kommission vom 11. November 2009 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag und Artikel 53 EWR-Abkommen (COMP/38589 – Wärmestabilisatoren) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung), soweit diese Bestimmungen an die Klägerinnen gerichtet sind, sowie, hilfsweise, die Herabsetzung der Geldbußen, die ihnen mit Art. 2 dieser Entscheidung auferlegt wurden, begehren.

2        In der angefochtenen Entscheidung stellte die Kommission der Europäischen Gemeinschaften fest, dass die Klägerinnen gegen Art. 81 EG und Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) verstoßen hätten, indem sie sich zusammen mit anderen Unternehmen an wettbewerbswidrigen abgestimmten Verhaltensweisen im Bereich Zinnstabilisatoren sowie im Bereich Epoxid-Sojaöle (ESBO) und Ester beteiligt hätten, und erlegte ihnen gesamtschuldnerisch zwei Geldbußen in Höhe von 61 320 000 Euro bzw. 7 104 000 Euro auf.

3        Der angefochtenen Entscheidung zufolge endete die Beteiligung der Klägerinnen an den erwähnten Zuwiderhandlungen am 29. Mai 1998, d. h. mehr als zehn Jahre vor dem Erlass dieser Entscheidung. Nach Ansicht der Kommission war jedoch die Verjährungsfrist von zehn Jahren nach Art. 25 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) gemäß Art. 25 Abs. 6 dieser Verordnung infolge des Gerichtsverfahrens unterbrochen worden, das zum Urteil des Gerichts vom 17. September 2007, Akzo Nobel Chemicals und Akcros Chemicals/Kommission (T‑125/03 und T‑253/03, Slg. 2007, II‑3523), führte und in dem es um die Rechtmäßigkeit bestimmter Untersuchungsmaßnahmen ging, die die Kommission im Rahmen ihrer Ermittlungen vorgenommen hatte.

4        Insbesondere verwarf die Kommission das u. a. auf das Urteil des Gerichts vom 31. März 2009, ArcelorMittal Luxembourg u. a./Kommission (T‑405/06, Slg. 2009, II‑771), gestützte Argument der Klägerinnen, dass die Verjährung aufgrund des vorgenannten Verfahrens nur für die an diesem Verfahren Beteiligten, also Akzo Nobel Chemicals und Akcros Chemicals, unterbrochen worden sei. Die Kommission vertrat dagegen die Ansicht, dass die betreffende Unterbrechung Wirkungen erga omnes gehabt habe, so dass die Verjährung für alle Unternehmen, einschließlich der Klägerinnen, geruht habe.

5        In ihrer Klageschrift haben die Klägerinnen u. a. geltend gemacht, dass die von der Kommission vertretene Auffassung mit den Verjährungsvorschriften des Art. 25 der Verordnung Nr. 1/2003 unvereinbar sei.

6        Mit Beschluss des Präsidenten der Vierten Kammer des Gerichts vom 5. Mai 2010 ist das vorliegende Verfahren nach Anhörung der Parteien gemäß Art. 77 Buchst. d der Verfahrensordnung bis zur Entscheidung des Gerichtshofs, die das Verfahren in den verbundenen Rechtssachen ArcelorMittal Luxembourg/Kommission und Kommission/ArcelorMittal Luxembourg u. a. (C‑201/09 P und C‑216/09 P) beendet, ausgesetzt worden.

7        Infolge der Änderung der Zusammensetzung der Kammern des Gerichts ist die Berichterstatterin der Dritten Kammer zugeteilt worden, der deshalb die vorliegende Rechtssache zugewiesen worden ist.

8        Am 29. März 2011 erließ der Gerichtshof das Urteil ArcelorMittal Luxembourg/Kommission und Kommission/ArcelorMittal Luxembourg u. a. (C‑201/09 P und C‑216/09 P, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht). Das Verfahren in der vorliegenden Rechtssache ist daher wiederaufgenommen worden.

9        Mit Schreiben vom 6. April 2011 hat das Gericht die Kommission im Rahmen prozessleitender Maßnahmen ersucht, zu den Folgen des vorstehend in Randnr. 8 genannten Urteils ArcelorMittal Luxembourg/Kommission und Kommission/ArcelorMittal Luxembourg u. a. für die vorliegende Rechtssache Stellung zu nehmen.

10      Mit dem Beschluss K(2011) 4612 endg. der Kommission vom 30. Juni 2011 wurde die angefochtene Entscheidung insoweit aufgehoben, als sie an die Klägerinnen gerichtet war.

11      Mit am 1. Juli 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem Schriftsatz hat die Kommission beantragt, den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären, und insoweit ausgeführt, dass sich die vorliegende Klage in Anbetracht der Rücknahme der angefochtenen Entscheidung erledigt habe. Sie habe die angefochtene Entscheidung zurückgenommen, um der Auslegung von Art. 25 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1/2003 Rechnung zu tragen, wonach weder Rechtsbehelfe gegen Endentscheidungen, mit denen Geldbußen verhängt würden, noch solche gegen Maßnahmen der in Art. 25 Abs. 3 dieser Verordnung aufgeführten Art eine Unterbrechungswirkung erga omnes hätten (Urteil ArcelorMittal Luxembourg/Kommission und Kommission/ArcelorMittal Luxembourg u. a., in der vorstehenden Randnr. 8 angeführt, Randnrn. 141 bis 148).

12      Mit am 19. August 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem Schriftsatz haben die Klägerinnen zu dem Antrag der Kommission, die Hauptsache für erledigt zu erklären, Stellung genommen und sich diesem Antrag angeschlossen. Außerdem haben sie beantragt, der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

13      Mit ihrem Antrag, den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären, hat die Kommission einen Zwischenstreit herbeigeführt, über den nach Art. 114 § 3 der Verfahrensordnung ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden ist, da das Gericht die sich aus den Akten ergebenden Angaben für ausreichend hält.

14      Bei der vorliegenden Klage geht es in der Hauptsache um die Nichtigerklärung der Art. 1 und 2 der angefochtenen Entscheidung, soweit sie an die Klägerinnen gerichtet sind.

15      Nach Erhebung der Klage ist die angefochtene Entscheidung mit dem Beschluss K(2011) 4612 endg. der Kommission vom 30. Juni 2011 insoweit aufgehoben worden, als sie an die Klägerinnen gerichtet war, um der Auslegung von Art. 25 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1/2003 Rechnung zu tragen, die der Gerichtshof in dem vorstehend in Randnr. 8 erwähnten Urteil ArcelorMittal Luxembourg/Kommission und Kommission/ArcelorMittal Luxembourg u. a. vorgenommen hat.

16      In ihrer Stellungnahme zu dem Antrag, die Hauptsache für erledigt zu erklären (siehe vorstehend Randnr. 12), haben die Klägerinnen im Übrigen ausgeführt, dass die Klage aufgrund des Aufhebungsbeschlusses der Kommission gegenstandslos geworden sei und es keiner Entscheidung mehr bedürfe, da ihrem Begehren in vollem Umfang entsprochen worden sei.

17      Demzufolge ist die vorliegende Klage gegenstandslos geworden.

18      Unter diesen Umständen ist der Rechtsstreit für in der Hauptsache erledigt zu erklären.

 Kosten

19      Gemäß Art. 87 § 6 der Verfahrensordnung entscheidet das Gericht, wenn es die Hauptsache für erledigt erklärt, über die Kosten nach freiem Ermessen.

20      Vorliegend hat die Kommission die angefochtene Maßnahme nach Erhebung der Klage aus einem Grund aufgehoben, auf den sich die Klägerinnen sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im Rahmen der Klage berufen hatten. Unter diesen Umständen ist die Kommission zur Tragung der gesamten Kosten zu verurteilen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

beschlossen:

1.      Der Rechtsstreit ist in der Hauptsache erledigt.

2.      Die Europäische Kommission trägt die Kosten.

Luxemburg, den 8. November 2011

Der Kanzler

 

       Der Präsident

E. Coulon

 

       O. Czúcz


* Verfahrenssprache: Deutsch.