Language of document : ECLI:EU:C:2021:114

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

HENRIK SAUGMANDSGAARD ØE

vom 11. Februar 2021(1)

Rechtssache C535/19

A,

Beteiligter:

Latvijas Republikas Veselības ministrija

(Vorabentscheidungsersuchen des Augstākā tiesa [Senāts] [Oberster Gerichtshof, Lettland])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Unionsbürgerschaft – Recht auf Freizügigkeit und freien Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten – Wirtschaftlich inaktiver Unionsbürger, der seinen Herkunftsmitgliedstaat verlassen hat, um sich zum Zwecke der Familienzusammenführung in einem Aufnahmemitgliedstaat niederzulassen – Ablehnung des Anschlusses an das System der sozialen Sicherheit des Aufnahmemitgliedstaats und der Übernahme von Leistungen der öffentlichen Gesundheitsversorgung – Richtlinie 2004/38/EG – Art. 7 Abs. 1 Buchst. b – Voraussetzung eines ‚umfassenden Krankenversicherungsschutzes‘ – Begriff ‚unangemessene Belastung‘ – Art. 24 – Recht auf Gleichbehandlung – Verordnung (EG) Nr. 883/2004 – Art. 3 Abs. 1 Buchst. a – Begriff ‚Leistung bei Krankheit‘ – Art. 4 und Art. 11 Abs. 3 Buchst. e – Tragweite – Tatsächliche Integrationsverbindung zum Aufnahmemitgliedstaat – Folgen“






I.      Einleitung

1.        Die vorliegende Rechtssache bezieht sich auf das Recht eines wirtschaftlich inaktiven Unionsbürgers, der sein Recht auf Freizügigkeit ausgeübt hat, indem er zum Zwecke der Familienzusammenführung in einen Mitgliedstaat gezogen ist, auf Aufnahme in dessen Sozialversicherung und Inanspruchnahme staatlich finanzierter Leistungen der Gesundheitsversorgung.

2.        Mit dieser Rechtssache wird ein weiteres Mal die Frage nach der Wechselwirkung zwischen der Richtlinie 2004/38/EG(2) und der Verordnung (EG) Nr. 883/2004(3) aufgeworfen, aber in einem anderen Kontext. In drei früheren Rechtssachen(4) erfüllten die betreffenden Unionsbürger nicht die in der Richtlinie 2004/38 festgelegten Voraussetzungen für einen Anspruch auf rechtmäßigen Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat, nämlich ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz. Sie verfügten nicht über solche Existenzmittel, und einer von ihnen war in das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats zu Zwecken eingereist, die als „Sozialtourismus“ eingestuft wurden, mit dem alleinigen Ziel, dort Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen. Der Gerichtshof hat daraus geschlossen, dass diesen Unionsbürgern Sozialleistungen im Aufnahmemitgliedstaat zu den gleichen Bedingungen wie Inländern verweigert werden konnten, solange sie sich dort nicht fünf Jahre lang rechtmäßig aufgehalten und ein Recht auf Daueraufenthalt erworben hatten.

3.        In der vorliegenden Rechtssache erfüllt der Unionsbürger hingegen die beiden geforderten Voraussetzungen, und es erhebt sich die Frage, ob sich daraus ergibt, dass er Anspruch auf Gleichbehandlung mit den Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats in Bezug auf den Zugang zur staatlich finanzierten Gesundheitsversorgung hat.

4.        Kann der Aufnahmemitgliedstaat ihm im Namen der Erhaltung des finanziellen Gleichgewichts seines Systems der sozialen Sicherheit gleichwohl den Zugang zu einer solchen Gesundheitsversorgung zu den gleichen Bedingungen wie seinen eigenen Staatsangehörigen verweigern und dies mit der Voraussetzung eines umfassenden Krankenversicherungsschutzes begründen?

5.        Das ist die zentrale Frage des Augstākā tiesa (Senāts) (Oberster Gerichtshof, Lettland) im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen einem italienischen Staatsangehörigen und dem Latvijas Republikas Veselības ministrija (Gesundheitsministerium der Republik Lettland, im Folgenden: lettisches Gesundheitsministerium). Es handelt sich um eine Frage, die sowohl für die Mitgliedstaaten als auch für die Unionsbürger von großer Bedeutung ist.

6.        Nach einer Analyse der Verordnung Nr. 883/2004 und der Richtlinie 2004/38 im Licht der Rechtsprechung des Gerichtshofs werde ich diesem vorschlagen, zu entscheiden, dass einem wirtschaftlich inaktiven, aber die Voraussetzungen von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 erfüllenden Unionsbürger, der den Mittelpunkt seiner gesamten Interessen in einen Aufnahmemitgliedstaat verlagert hat und eine tatsächliche Integrationsverbindung zu diesem aufweist, der Zugang zur Sozialversicherung des Aufnahmemitgliedstaats und die Inanspruchnahme staatlich finanzierter Leistungen der Gesundheitsversorgung zu den gleichen Bedingungen wie Inländern nicht deshalb systematisch verweigert werden darf, weil er dort keine unselbständige oder selbständige Erwerbstätigkeit ausübt.

II.    Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

1.      Verordnung Nr. 883/2004

7.        Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 sieht vor:

„Diese Verordnung gilt für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen.“

8.        Art. 3 („Sachlicher Geltungsbereich“) dieser Verordnung bestimmt in seinen Abs. 1 und 5:

„(1)      Diese Verordnung gilt für alle Rechtsvorschriften, die folgende Zweige der sozialen Sicherheit betreffen:

a)      Leistungen bei Krankheit;

(5)      Diese Verordnung gilt nicht für

a)      soziale und medizinische Fürsorge oder

…“

9.        Art. 4 („Gleichbehandlung“) dieser Verordnung lautet:

„Sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, haben Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates.“

10.      In Art. 11 der Verordnung Nr. 883/2004 heißt es:

„(1)      Personen, für die diese Verordnung gilt, unterliegen den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach diesem Titel.

(3)      Vorbehaltlich der Artikel 12 bis 16 gilt Folgendes:

a)      eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;

e)      jede andere Person, die nicht unter die Buchstaben a) bis d) fällt, unterliegt unbeschadet anders lautender Bestimmungen dieser Verordnung, nach denen ihr Leistungen aufgrund der Rechtsvorschriften eines oder mehrerer anderer Mitgliedstaaten zustehen, den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats.

…“

2.      Richtlinie 2004/38

11.      Mit der Richtlinie 2004/38 wurden u. a. die Richtlinien 90/365/EWG(5), 90/366/EWG(6) und 90/364/EWG(7) aufgehoben, die die jeweiligen Aufenthaltsrechte der Ruheständler, Studenten und sonstigen Nichterwerbstätigen betrafen.

12.      In den Erwägungsgründen 9 und 10 dieser Richtlinie heißt es:

„(9)      Die Unionsbürger sollten das Aufenthaltsrecht im Aufnahmemitgliedstaat für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten haben, ohne jegliche Bedingungen oder Formalitäten außer der Pflicht, im Besitz eines gültigen Personalausweises oder Reisepasses zu sein, unbeschadet einer günstigeren Behandlung für Arbeitssuchende gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofs.

(10)      Allerdings sollten Personen, die ihr Aufenthaltsrecht ausüben, während ihres ersten Aufenthalts die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats nicht unangemessen in Anspruch nehmen. Daher sollte das Aufenthaltsrecht von Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen für eine Dauer von über drei Monaten bestimmten Bedingungen unterliegen.“

13.      Art. 7 Abs. 1 der genannten Richtlinie bestimmt:

„Jeder Unionsbürger hat das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von über drei Monaten, wenn er

a)      Arbeitnehmer oder Selbstständiger im Aufnahmemitgliedstaat ist oder

b)      für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, und er und seine Familienangehörigen über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügen oder

c)      –      bei einer privaten oder öffentlichen Einrichtung, die von dem Aufnahmemitgliedstaat aufgrund seiner Rechtsvorschriften oder seiner Verwaltungspraxis anerkannt oder finanziert wird, zur Absolvierung einer Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung als Hauptzweck eingeschrieben ist und

–        über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügt und der zuständigen nationalen Behörde durch eine Erklärung oder durch jedes andere gleichwertige Mittel seiner Wahl glaubhaft macht, dass er für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, oder

d)      ein Familienangehöriger ist, der den Unionsbürger, der die Voraussetzungen des Buchstabens a), b) oder c) erfüllt, begleitet oder ihm nachzieht.“

14.      In Art. 14 Abs. 1, 2 und 4 dieser Richtlinie heißt es:

„(1)      Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen steht das Aufenthaltsrecht nach Artikel 6 zu, solange sie die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats nicht unangemessen in Anspruch nehmen.

(2)      Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen steht das Aufenthaltsrecht nach den Artikeln 7, 12 und 13 zu, solange sie die dort genannten Voraussetzungen erfüllen.

(4)      Abweichend von den Absätzen 1 und 2 und unbeschadet der Bestimmungen des Kapitels VI darf gegen Unionsbürger oder ihre Familienangehörigen auf keinen Fall eine Ausweisung verfügt werden, wenn

b)      die Unionsbürger in das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats eingereist sind, um Arbeit zu suchen. In diesem Fall dürfen die Unionsbürger und ihre Familienangehörigen nicht ausgewiesen werden, solange die Unionsbürger nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und dass sie eine begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden.“

15.      Art. 24 („Gleichbehandlung“) der Richtlinie 2004/38 bestimmt:

„(1)      Vorbehaltlich spezifischer und ausdrücklich im Vertrag und im abgeleiteten Recht vorgesehener Bestimmungen genießt jeder Unionsbürger, der sich aufgrund dieser Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufhält, im Anwendungsbereich des Vertrags die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats. Das Recht auf Gleichbehandlung erstreckt sich auch auf Familienangehörige, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen und das Recht auf Aufenthalt oder das Recht auf Daueraufenthalt genießen.

(2)      Abweichend von Absatz 1 ist der Aufnahmemitgliedstaat jedoch nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbstständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder gegebenenfalls während des längeren Zeitraums nach Artikel 14 Absatz 4 Buchstabe b) einen Anspruch auf Sozialhilfe oder vor Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt Studienbeihilfen, einschließlich Beihilfen zur Berufsausbildung, in Form eines Stipendiums oder Studiendarlehens, zu gewähren.“

B.      Lettisches Recht

16.      Art. 17 des Ārstniecības likums (Gesetz über medizinische Behandlungen) in seiner für den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens maßgeblichen Fassung bestimmte:

„(1)      Medizinische Behandlungen, die nach den im Ministerrat festgelegten Modalitäten aus dem allgemeinen Staatshaushalt und den Ressourcen des Behandlungsempfängers finanziert werden, erhalten folgende Personen:

1)      lettische Staatsangehörige;

2)      lettische Nichtbürger;

3)      Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, der Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums und der Schweizerischen Eidgenossenschaft, die sich aufgrund einer Beschäftigung oder der Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit in Lettland aufhalten, sowie ihre Familienangehörigen;

4)      Ausländer, die berechtigt sind, sich dauerhaft in Lettland aufzuhalten;

(3)      Personen, die Ehegatten lettischer Staatsangehöriger oder lettischer Nichtbürger und im Besitz eines befristeten Aufenthaltstitels für Lettland sind, haben nach den im Ministerrat festgelegten Modalitäten Anspruch auf kostenlose Behandlungen im Bereich Geburtshilfe, die aus dem allgemeinen Staatshaushalt und den Ressourcen der Hilfeempfänger finanziert werden.

(5)      Personen, die in den Abs. 1, 3 und 4 dieses Artikels nicht erwähnt werden, erhalten medizinische Behandlungen gegen Bezahlung.“

17.      Art. 7 des Veselības aprūpes finansēšanas likums (Gesetz zur Finanzierung der Gesundheitsversorgung) in seiner für den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens maßgeblichen Fassung lautete:

„Jede Person hat das Recht auf medizinische Soforthilfe. Der Ministerrat legt die Modalitäten dafür fest.“

III. Ausgangsrechtsstreit, Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

18.      Ende 2015 verließ A, ein italienischer Staatsangehöriger, Italien und zog nach Lettland, um bei seiner Ehefrau lettischer Staatsangehörigkeit und ihren beiden minderjährigen Kindern lettischer und italienischer Staatsangehörigkeit zu wohnen.

19.      Vor seiner Abreise hatte sich A in ein Verzeichnis der italienischen Staatsangehörigen eingetragen, die sich für einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten außerhalb von Italien niederlassen. Den in diesem Verzeichnis eingetragenen Personen wird die Möglichkeit genommen, in Italien medizinische Behandlungen durch den italienischen Staat in Anspruch zu nehmen.

20.      Am 22. Januar 2016 beantragte A beim lettischen nationalen Gesundheitsdienst die Eintragung in das Verzeichnis der Begünstigten einer öffentlichen Krankenversicherung, die Anspruch auf eine von der Republik Lettland finanzierte Gesundheitsversorgung begründet, mit anderen Worten den Anschluss an das System der sozialen Sicherheit dieses Mitgliedstaats, und die Ausstellung einer europäischen Krankenversicherungskarte(8).

21.      Mit Bescheid vom 17. Februar 2016 lehnte der nationale Gesundheitsdienst diese Anträge ab.

22.      Der vorstehend erwähnte Bescheid wurde durch Bescheid des lettischen Gesundheitsministeriums vom 8. Juli 2016 mit der Begründung validiert, dass A in Lettland weder unselbständig noch selbständig erwerbstätig sei, sondern sich auf der Grundlage einer Bescheinigung über die Anmeldung als Unionsbürger in diesem Land aufhalte. Wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof bestätigt worden ist, fand der Kläger erst ab dem 4. Januar 2018 eine erste Beschäftigung in Lettland. Deshalb sei er nicht der Gruppe der in Art. 17 Abs. 1, 3 oder 4 des Gesetzes über medizinische Behandlungen erwähnten Personen zuzuordnen, die in den Genuss einer Anspruch auf staatlich finanzierte Gesundheitsleistungen begründenden gesetzlichen Krankenversicherung kommen könnten. Das vorlegende Gericht stellt klar, dass Unionsbürger wie A lediglich staatlich finanzierte Behandlungen im Bereich Geburtshilfe und medizinische Soforthilfe in Anspruch nehmen könnten. Im Übrigen könnten sie eine unter das öffentliche Gesundheitssystem fallende Gesundheitsversorgung erhalten, müssten sie aber mit ihren eigenen Mitteln finanzieren.

23.      Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Klage beim Administratīvā rajona tiesa (Bezirksverwaltungsgericht, Lettland). Dieses wies die Klage ab, da es im Wesentlichen der Auffassung war, dass, obwohl sich A im Einklang mit den Anforderungen von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 rechtmäßig in Lettland aufgehalten habe und sich daher auf das in Art. 24 Abs. 1 dieser Richtlinie niedergelegte Diskriminierungsverbot berufen könne, eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt sein könne, da sie auf objektiven Erwägungen beruhe und das legitime Ziel verfolge, die öffentlichen Finanzen zu schützen. Eine solche Ungleichbehandlung sei auch verhältnismäßig, da A Anspruch auf medizinische Soforthilfe habe, die Prämien für eine private Krankenversicherung nicht hoch seien und er bereits nach fünf Jahren ein Recht auf Daueraufenthalt erlangen könne, das es ihm ermögliche, staatlich finanzierte Gesundheitsleistungen in Anspruch zu nehmen.

24.      Mit Urteil vom 5. Januar 2018 wies die Administratīvā apgabaltiesa (Regionales Verwaltungsgericht, Lettland) das gegen dieses Urteil eingelegte Rechtsmittel zurück.

25.      Der mit einer Kassationsbeschwerde gegen das Urteil vom 5. Januar 2018 befasste Augstākā tiesa (Senāts) (Oberster Gerichtshof) vertritt die Auffassung, dass für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs erforderlich sei.

26.      Das vorlegende Gericht bemerkt, dass mit dem Gesetz über medizinische Behandlungen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 umgesetzt werde. Es hegt zwar keinen Zweifel an der Anwendbarkeit der Richtlinie, fragt sich jedoch, ob die Verordnung Nr. 883/2004 anwendbar ist. Es müsse nämlich festgestellt werden, ob staatliche Gesundheitsleistungen wie die in Lettland erbrachten in den Geltungsbereich der Verordnung Nr. 883/2004 fielen. Das vorlegende Gericht stellt sich diese Frage unter Berücksichtigung erstens der Finanzierung des lettischen Systems der sozialen Sicherheit, das 2016 hauptsächlich auf Steuern beruhte, und zweitens des Ausschlusses der „sozialen und medizinischen Fürsorge“ vom Geltungsbereich der Verordnung Nr. 883/2004 gemäß Art. 3 Abs. 5 dieser Verordnung. Es stellt klar, dass der Zugang zur staatlich finanzierten Gesundheitsversorgung nach objektiven Kriterien gewährt werde und das lettische System als System einer öffentlichen Pflichtkrankenversicherung beschrieben werden könne.

27.      Für den Fall, dass die Verordnung Nr. 883/2004 anwendbar ist, fragt sich das vorlegende Gericht, ob deren Art. 11 Abs. 3 Buchst. e, wonach das anwendbare Recht das Recht des Wohnmitgliedstaats des Betroffenen ist, verhindert, dass dem Kläger sowohl in Italien als auch in Lettland der Anschluss an das staatlich finanzierte Gesundheitssystem verweigert und ihm daher insgesamt der Zugang zu einem solchen Schutz vorenthalten wird.

28.      Darüber hinaus gibt das vorlegende Gericht seiner Befürchtung Ausdruck, dass das in Art. 18 AEUV verankerte und in Art. 24 der Richtlinie 2004/38 sowie in Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 präzisierte Diskriminierungsverbot nicht beachtet worden sei. Seiner Ansicht nach erlegt die lettische Regelung wirtschaftlich inaktiven Unionsbürgern eine unverhältnismäßige Beschränkung des Zugangs zum System einer öffentlichen Pflichtkrankenversicherung auf.

29.      Es sei die konkrete Situation des Klägers zu prüfen. So sei A nach Lettland gezogen, um bei seiner Familie zu wohnen, sei in Italien beschäftigt gewesen, habe in Lettland Arbeit gesucht und habe im letztgenannten Mitgliedstaat zwei minderjährige Kinder mit doppelter lettischer und italienischer Staatsangehörigkeit. Diese Gesichtspunkte sprächen für das Vorliegen enger persönlicher Bindungen des Klägers zur Republik Lettland, die es nicht erlaubten, ihn automatisch vom Anschluss an deren öffentliches Gesundheitssystem auszuschließen.

30.      Abgesehen davon erkennt das vorlegende Gericht an, dass Unionsbürger eine Gleichbehandlung mit den Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats gemäß Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 nur verlangen können, wenn ihr Aufenthalt im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats die Bedingungen der Richtlinie erfüllt. A erfülle insoweit die in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie genannten Aufenthaltsbedingungen, da er über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz in Lettland verfüge, sei aber gleichwohl vom Genuss einer Anspruch auf staatlich finanzierte Gesundheitsleistungen begründenden gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen worden. Daher sei zu fragen, ob die Tatsache, dass ein Unionsbürger über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügt, der nach der Richtlinie 2004/38 eine der Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts darstellt, die Weigerung rechtfertigt, ihn an das öffentliche Gesundheitssystem anzuschließen.

31.      Unter diesen Umständen hat das Augstākā tiesa (Senāts) (Oberster Gerichtshof) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist die öffentliche Gesundheitsversorgung als Teil der „Leistungen bei Krankheit“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 883/2004 anzusehen?

2.      Falls die erste Frage bejaht wird: Sind die Mitgliedstaaten nach Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 und Art. 24 der Richtlinie 2004/38 berechtigt, Forderungen nach Sozialleistungen von Unionsbürgern, die zu diesem Zeitpunkt keine Arbeitnehmer sind, abzulehnen, um unverhältnismäßige Forderungen nach Leistungen zur Sicherung der Gesundheitsversorgung zu verhindern, wenn diese Leistungen eigenen Staatsangehörigen und Familienangehörigen von Unionsbürgern mit dem Status eines Arbeitnehmers, die sich in der gleichen Situation befinden, gewährt werden?

3.      Falls die erste Frage verneint wird: Sind die Mitgliedstaaten nach den Art. 18 und 21 AEUV und Art. 24 der Richtlinie 2004/38 berechtigt, Forderungen nach Sozialleistungen von Unionsbürgern, die zu diesem Zeitpunkt keine Arbeitnehmer sind, abzulehnen, um unverhältnismäßige Forderungen nach Leistungen zur Sicherung der Gesundheitsversorgung zu verhindern, wenn diese Leistungen eigenen Staatsangehörigen und Familienangehörigen von Unionsbürgern mit dem Status eines Arbeitnehmers, die sich in der gleichen Situation befinden, gewährt werden?

4.      Ist eine Situation, in der einem Unionsbürger, der sein Recht auf Freizügigkeit ausübt, der Anspruch auf eine öffentliche, staatlich finanzierte Gesundheitsversorgung von allen im Ausgangsverfahren betroffenen Mitgliedstaaten verwehrt wird, mit Art. 11 Abs. 3 Buchst. e der Verordnung Nr. 883/2004 vereinbar?

5.      Ist eine Situation, in der einem Unionsbürger, der sein Recht auf Freizügigkeit ausübt, der Anspruch auf eine öffentliche, staatlich finanzierte Gesundheitsversorgung von allen im Ausgangsverfahren betroffenen Mitgliedstaaten verwehrt wird, mit Art. 18, Art. 20 Abs. 1 und Art. 21 AEUV vereinbar?

6.      Ist die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 dahin auszulegen, dass ein rechtmäßiger Aufenthalt einer Person das Recht auf Zugang zum System der sozialen Sicherheit geben und gleichzeitig einen Grund für den Ausschluss aus der Sozialversicherung darstellen kann? Ist insbesondere im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die Tatsache, dass der Antragsteller über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügt, der nach der Richtlinie 2004/38 eine der Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts darstellt, die Ablehnung der Aufnahme in das staatlich finanzierte Gesundheitssystem rechtfertigen kann?

32.      Das Vorabentscheidungsersuchen vom 9. Juli 2019 ist am 12. Juli 2019 beim Gerichtshof eingegangen.

33.      Die lettische und die spanische Regierung, das lettische Gesundheitsministerium sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Diese Parteien und Verfahrensbeteiligten sowie A waren in der mündlichen Verhandlung vom 28. September 2020 vertreten.

IV.    Würdigung

A.      Erste Vorlagefrage

34.      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob eine öffentliche Gesundheitsversorgung wie die gemäß Art. 17 des Gesetzes über medizinische Behandlungen gewährte unter den Begriff „Leistungen bei Krankheit“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 883/2004 fällt.

35.      Das vorlegende Gericht gibt an, dass es aufgrund des Wortlauts von Art. 3 Abs. 5 der Verordnung Nr. 883/2004, der die „soziale und medizinische Fürsorge“ von deren Geltungsbereich ausschließt, Zweifel daran hege.

36.      Wie alle Verfahrensbeteiligten, die sich zur ersten Frage geäußert haben, bin ich der Ansicht, dass diese Frage zu bejahen ist.

37.      Das Problem der Unterscheidung zwischen Leistungen der sozialen Sicherheit, die von der Verordnung Nr. 883/2004 erfasst werden, und der „sozialen und medizinischen Fürsorge“, die von ihr ausgeschlossen sind, hat sich schon sehr früh – mit dem Erlass der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71(9), die der Verordnung Nr. 883/2004 vorausgegangen ist und diese Unterscheidung enthielt – gestellt(10).

38.      Ich weise zunächst darauf hin, dass diese Unterscheidung im Wesentlichen von den grundlegenden Merkmalen der jeweiligen Leistung, insbesondere von ihrem Zweck und den Voraussetzungen ihrer Gewährung, nicht dagegen davon abhängt, ob eine Leistung von den nationalen Rechtsvorschriften als eine Leistung der sozialen Sicherheit eingestuft wird(11).

39.      Sodann möchte ich betonen, dass nach ständiger Rechtsprechung zwei kumulative Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit eine Leistung nicht unter die „soziale und medizinische Fürsorge“ im Sinne von Art. 3 Abs. 5 Buchst. a der Verordnung Nr. 883/2004 fällt, sondern eine Leistung der sozialen Sicherheit darstellt, die von dieser Verordnung erfasst wird. Zum einen muss die Leistung den Begünstigten ohne jede im Ermessen liegende individuelle Prüfung der persönlichen Bedürfnisse aufgrund eines gesetzlich umschriebenen Tatbestands gewährt werden, und zum anderen muss sie sich auf eines der in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 ausdrücklich aufgezählten Risiken beziehen(12).

40.      Was die erste Voraussetzung angeht, so weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass jeder in Lettland ansässigen Person, die unter eine der im Gesetz über medizinische Behandlungen objektiv definierten Gruppen falle und daher in das Verzeichnis der Versorgungsempfänger eingetragen werden könne, ohne Berücksichtigung anderer persönlicher Umstände medizinische Behandlungen garantiert würden.

41.      Meiner Meinung nach kann aufgrund dieser Merkmale davon ausgegangen werden, dass die erste Voraussetzung erfüllt ist.

42.      Ich möchte hinzufügen, dass die Art der Finanzierung der Leistungen der Gesundheitsversorgung(13) für die Einstufung einer Leistung als Leistung der sozialen Sicherheit im Sinne dieser Verordnung irrelevant ist(14).

43.      Die zweite Voraussetzung erfordert eine Prüfung, ob sich eine Gesundheitsversorgung wie die im Gesetz über medizinische Behandlungen vorgesehene auf eines der in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 erwähnten Risiken, im vorliegenden Fall die „Leistungen bei Krankheit“ in Buchst. a dieser Vorschrift, bezieht.

44.      Auch wenn „Leistungen bei Krankheit“ in der Verordnung Nr. 883/2004 nicht definiert werden, hat sich der Gerichtshof gleichwohl dazu geäußert und u. a. entschieden, dass Leistungen, deren Hauptziel die Heilung des Erkrankten ist, unter diesen Begriff fallen(15).

45.      Aus der Vorlageentscheidung und der Überschrift des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden lettischen Gesetzes geht klar hervor, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Gesundheitsversorgung eine medizinische Versorgung und folglich eine Versorgung zur Heilung von Krankheiten ist.

46.      Ich bin daher der Ansicht, dass sich eine öffentliche Gesundheitsversorgung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende auf das in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 883/2004 erwähnte Krankheitsrisiko bezieht und auch die zweite Voraussetzung erfüllt ist.

47.      Unter diesen Umständen schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die erste Frage zu antworten, dass Leistungen der öffentlichen Gesundheitsversorgung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die den Begünstigten ohne jede im Ermessen liegende individuelle Prüfung der persönlichen Bedürfnisse aufgrund eines gesetzlich umschriebenen Tatbestands gewährt werden, nicht unter den Begriff „soziale und medizinische Fürsorge“ im Sinne von Art. 3 Abs. 5 Buchst. a der Verordnung Nr. 883/2004, sondern unter den Begriff „Leistungen bei Krankheit“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a dieser Verordnung fallen.

48.      Unter Berücksichtigung der vorgeschlagenen Antwort auf die erste Frage erübrigt sich meiner Meinung nach eine Antwort auf die dritte Frage, die nur für den Fall gestellt wird, dass Leistungen wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht unter die Verordnung Nr. 883/2004 fallen.

49.      Ich schlage vor, die zweite Frage zusammen mit der fünften und der sechsten Frage zu prüfen, nachdem die vierte Frage untersucht worden ist.

B.      Vierte Vorlagefrage

50.      Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 11 Abs. 3 Buchst. e der Verordnung Nr. 883/2004 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach ein Unionsbürger wie A, der sein Recht auf Freizügigkeit ausübt, indem er seinen Herkunftsmitgliedstaat verlässt, um sich in einem anderen Mitgliedstaat niederzulassen, vom Anspruch auf staatlich finanzierte Leistungen der Gesundheitsversorgung ausgeschlossen wird, weil er im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats keine unselbständige oder selbständige Erwerbstätigkeit ausübt.

51.      In diesem Zusammenhang möchte ich sogleich hervorheben, dass Art. 11 Abs. 3 Buchst. e der Verordnung Nr. 883/2004 lediglich eine „Kollisionsnorm“ vorsieht, die bestimmen soll, welches Recht für die in Art. 3 Abs. 1 dieser Verordnung aufgezählten Leistungen der sozialen Sicherheit, im vorliegenden Fall Leistungen bei Krankheit, gilt(16). Wirtschaftlich inaktive Personen wie A, die von keinem der Buchst. a bis d des erwähnten Art. 11 Abs. 3 erfasst werden, fallen in den Anwendungsbereich von dessen Buchst. e, bei dem es sich um eine Auffangkategorie handelt, und unterliegen den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats. In einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens wird nicht bestritten, dass für den in Lettland ansässigen A lettisches Recht gilt.

52.      Mit besagtem Art. 11 Abs. 3 Buchst. e soll daher – ebenso wie mit der Verordnung Nr. 883/2004 insgesamt – die gleichzeitige Anwendung von Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten vermieden und verhindert werden, dass Personen, die in den Geltungsbereich dieser Verordnung fallen, der Schutz im Bereich der sozialen Sicherheit vorenthalten wird, weil keine Rechtsvorschriften auf sie anwendbar sind(17).

53.      Dagegen werden mit der genannten Vorschrift nicht die Voraussetzungen harmonisiert, unter denen Leistungen der sozialen Sicherheit wie beispielsweise Leistungen der Gesundheitsversorgung gewährt werden. Diese liegen in der Verantwortung der Mitgliedstaaten, die gemäß Art. 168 Abs. 7 AEUV für die Festlegung ihrer Gesundheitspolitik, die Ausgestaltung ihrer Systeme der sozialen Sicherheit und die Bestimmung der Voraussetzungen für die Gewährung und damit Verweigerung von Leistungen der sozialen Sicherheit in ihren nationalen Rechtsvorschriften zuständig bleiben(18).

54.      Bei der Bestimmung dieser Voraussetzungen müssen die Mitgliedstaaten gleichwohl das Unionsrecht, insbesondere das Primärrecht und den u. a. in Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 und in Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 niedergelegten Grundsatz der Gleichbehandlung, beachten, ihr Inhalt ist in Art. 11 Abs. 3 Buchst. e der genannten Verordnung aber nicht festgelegt. Die Frage, ob Voraussetzungen wie die in der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung vorgesehenen mit dem AEU-Vertrag und den Rechtsakten des abgeleiteten Rechts im Einklang stehen, ist Gegenstand der zweiten, der fünften und der sechsten Frage, die ich in den folgenden Abschnitten untersuchen werde.

55.      Ich schlage vor, auf die vierte Frage zu antworten, dass Art. 11 Abs. 3 Buchst. e der Verordnung Nr. 883/2004 dahin auszulegen ist, dass er lediglich die Bestimmung der Rechtsvorschriften gestattet, die für Leistungen bei Krankheit wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden gelten, und sich nicht auf die materiellen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme solcher Leistungen bezieht. Anhand dieser Vorschrift allein lässt sich nicht beurteilen, ob eine nationale Regelung, wonach ein Unionsbürger, der sein Recht auf Freizügigkeit ausübt, indem er seinen Herkunftsmitgliedstaat verlässt, um sich in einem anderen Mitgliedstaat niederzulassen, vom Anspruch auf staatlich finanzierte Leistungen der Gesundheitsversorgung ausgeschlossen wird, weil er im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats keine unselbständige oder selbständige Erwerbstätigkeit ausübt, mit dem Unionsrecht im Einklang steht.

C.      Zweite, fünfte und sechste Vorlagefrage

56.      Ich möchte vorab darauf hinweisen, dass A zu dem Zeitpunkt, zu dem er seinen Herkunftsmitgliedstaat auf unbegrenzte Zeit verlassen hat, der Vorlageentscheidung zufolge dort nicht mehr arbeitete und dem System der sozialen Sicherheit dieses Mitgliedstaats nicht mehr angeschlossen war. Auch wenn er im Aufnahmemitgliedstaat eine Beschäftigung gesucht hat, ist er nicht hauptsächlich zu diesem Zweck in ihn eingereist, sondern mit dem Ziel, bei seiner Ehefrau und seinen Kindern zu wohnen. Er hat sein Aufenthaltsrecht im Aufnahmemitgliedstaat somit nicht als Arbeitnehmer begründet. Aus der Vorlageentscheidung geht zudem hervor, dass sich A, obwohl er möglicherweise auch unter Art. 14 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 fiel, der sich auf Unionsbürger bezieht, die länger als drei Monate nach ihrer Einreise in den Aufnahmemitgliedstaat in diesem Staat bleiben, um dort Arbeit zu suchen, zum Zeitpunkt der Stellung seines Antrags auf Aufnahme in die Sozialversicherung als wirtschaftlich inaktive Person im Aufnahmemitgliedstaat aufhielt und sein Aufenthaltsrecht auf Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und Art. 14 Abs. 2 dieser Richtlinie beruhte(19).

57.      Ich bin daher der Ansicht, dass das vorlegende Gericht mit seinen Fragen 2, 5 und 6, die zusammen zu prüfen sind, wissen möchte, ob Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 und Art. 24 der Richtlinie 2004/38 in Verbindung mit deren Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und Art. 14 Abs. 2 dahin auszulegen sind, dass sie es den Mitgliedstaaten in ihrer Eigenschaft als Aufnahmemitgliedstaat, um eine unangemessene Belastung für das Gleichgewicht ihres Systems der sozialen Sicherheit zu vermeiden, gestatten, Unionsbürgern, die zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Anschluss an ihr System der sozialen Sicherheit wirtschaftlich inaktiv sind, aber die in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der genannten Richtlinie aufgeführten Voraussetzungen erfüllen, diesen Anschluss und die Inanspruchnahme staatlich finanzierter Leistungen der Gesundheitsversorgung zu verweigern, während ihre eigenen Staatsangehörigen, die sich in der gleichen Situation befinden, Anspruch darauf haben.

58.      Um auf diese Frage antworten zu können, werde ich die Erkenntnisse aus der jüngeren Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Wechselwirkung zwischen der Verordnung Nr. 883/2004 und der Richtlinie 2004/38 im Zusammenhang mit der Voraussetzung ausreichender Existenzmittel prüfen, bevor ich diese Erkenntnisse auf die Voraussetzung eines umfassenden Krankenversicherungsschutzes anwende. Im Rahmen der Prüfung dieser zweiten Voraussetzung werde ich aufzeigen, dass sich ein wesentlicher Bestandteil der Analyse auf die Frage bezieht, ob der Eintritt in die Sozialversicherung des Aufnahmemitgliedstaats eine unangemessene Belastung für dessen finanzielles Gleichgewicht schafft.

1.      Erkenntnisse aus der jüngeren Rechtsprechung

59.      Wie aus seinem Wortlaut hervorgeht, bestimmt Art. 4 („Gleichbehandlung“) der Verordnung Nr. 883/2004, dass Personen, für die die Verordnung gilt, grundsätzlich die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates haben. Diese Rechte umfassen insbesondere Leistungen bei Krankheit im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der genannten Verordnung.

60.      Art. 24 der Richtlinie 2004/38, der ebenfalls mit „Gleichbehandlung“ überschrieben ist, sieht in seinem Abs. 1 vor, dass Unionsbürger, die ihr Recht auf Freizügigkeit ausgeübt haben und sich in einem Aufnahmemitgliedstaat aufhalten, im Anwendungsbereich des Vertrags die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats genießen. Dieses Recht steht unter dem Vorbehalt spezifischer und ausdrücklich im Vertrag und im abgeleiteten Recht vorgesehener Bestimmungen.

61.      Die beiden vorstehenden Bestimmungen sind Ausdruck des in Art. 18 AEUV in allgemeiner Weise niedergelegten Diskriminierungsverbots in spezifischen Bereichen, dem der Leistungen der sozialen Sicherheit und dem der Unionsbürgerschaft(20).

62.      In Bezug auf Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 hat der Gerichtshof entschieden, dass ein Unionsbürger eine Gleichbehandlung mit den Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats hinsichtlich des Zugangs zu Sozialleistungen wie einem Antrag auf ein Mindesteinkommen, der eine beitragsunabhängige Sozialleistung im Sinne von Art. 70 der Verordnung Nr. 883/2004 darstellt, nur verlangen kann, wenn sein Aufenthalt im Hoheitsgebiet dieses Staates die Voraussetzungen der Richtlinie 2004/38 erfüllt(21). Im Fall des Aufenthalts eines wirtschaftlich inaktiven Unionsbürgers von mehr als drei Monaten, aber weniger als fünf Jahren werden die Voraussetzungen in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie präzisiert und sehen vor, dass der Unionsbürger über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen muss(22). Gemäß Art. 14 Abs. 2 dieser Richtlinie steht das Aufenthaltsrecht Unionsbürgern nur zu, solange sie die besagten Voraussetzungen einhalten(23). Damit soll verhindert werden, dass Unionsbürger die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats unangemessen in Anspruch nehmen(24).

63.      Der Gerichtshof hat daher festgestellt, dass zwischen dem Recht auf Gleichbehandlung nach Art. 24 der Richtlinie 2004/38, das von der Einhaltung der Art. 7 und 14 dieser Richtlinie abhängig gemacht werden kann, und dem Recht auf Sozialleistungen nach der Verordnung Nr. 883/2004 ein Zusammenhang besteht. So kann der Anspruch auf diese Leistungen, wie sie Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats zustehen, davon abhängen, ob ein Anspruch auf rechtmäßigen Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat im Einklang mit den in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie im Einzelnen aufgeführten Voraussetzungen besteht und diese Voraussetzungen gemäß Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie während des gesamten Aufenthalts erfüllt sind.

64.      Der Gerichtshof hat daraus geschlossen, dass Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 in Verbindung mit deren Art. 7 Abs. 1 Buchst. b einer Regelung nicht entgegenstehe, wonach die Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten, deren Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat nach dieser Richtlinie nicht rechtmäßig ist, von der Inanspruchnahme bestimmter in der Verordnung Nr. 883/2004 vorgesehener Rechte ausgeschlossen sind(25). Der Gerichtshof hat klargestellt, dass das Gleiche in Bezug auf die Auslegung von Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 gelte(26).

65.      Diese Erwägungen, die auf das Urteil Brey(27) zurückgehen, sind in den späteren Urteilen Alimanovic(28), García-Nieto(29) und Kommission/Vereinigtes Königreich(30) bestätigt worden.

66.      Im Urteil García-Nieto hat der Gerichtshof ausgeführt, dass für die Feststellung, ob einem Unionsbürger Sozialhilfeleistungen verweigert werden dürfen, zunächst zu prüfen sei, ob der Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 Anwendung findet, und damit, ob der Aufenthalt im Gebiet des Aufnahmemitgliedstaats rechtmäßig im Sinne dieser Richtlinie ist(31), und dann, ob die Situation des Betroffenen nicht gleichwohl in den Anwendungsbereich der Ausnahmebestimmung von Art. 24 Abs. 2 dieser Richtlinie fällt(32). Nach dieser Ausnahmebestimmung kann das Recht auf Gleichbehandlung mit Inländern nämlich in drei Fällen versagt werden, und zwar während der ersten drei Monate des Aufenthalts im Aufnahmemitgliedstaat, während eines der Arbeitssuche gemäß Art. 14 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 entsprechenden Zeitraums, der möglicherweise über diese drei Monate hinausgeht, sowie bei Anträgen bestimmter Studierender auf Studienbeihilfen, solange sie im Aufnahmemitgliedstaat kein Recht auf Daueraufenthalt erworben haben.

67.      Nach Erlass dieser Urteile konnten Zweifel hinsichtlich der Frage fortbestehen, ob sich die Erwägungen des Gerichtshofs zum Zusammenhang zwischen Art. 24 der Richtlinie 2004/38 und Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 nur auf beitragsunabhängige Sozialleistungen wie das Mindesteinkommen bezogen oder auf die in der Verordnung genannten Leistungen der sozialen Sicherheit Anwendung fanden. Im Urteil Kommission/Vereinigtes Königreich wird klargestellt, dass die Erwägungen gleichermaßen für Leistungen der sozialen Sicherheit gelten(33).

68.      Aus dieser Rechtsprechung leite ich ab, dass die in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 im Einzelnen aufgeführten Voraussetzungen auch für sämtliche Leistungen der sozialen Sicherheit und insbesondere für Leistungen gelten, die unter den in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 883/2004 erwähnten ersten Zweig der sozialen Sicherheit fallen, nämlich Leistungen bei Krankheit.

69.      In der vorliegenden Rechtssache erhebt sich die Frage, ob Unionsbürger, sofern diese Voraussetzungen erfüllt sind, beim Zugang zu staatlich finanzierten Leistungen der Gesundheitsversorgung die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats genießen.

70.      Ich möchte betonen, dass A die beiden Voraussetzungen von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 erfüllt. Aus der Vorlageentscheidung geht hervor(34), was zwischen den Parteien unstreitig ist, dass A zum Zeitpunkt der Einreichung seines Antrags auf Aufnahme in die lettische Sozialversicherung zum Bezug solcher Leistungen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügte. Was die letztgenannte Voraussetzung angeht, so ist in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof klargestellt worden, dass er die Krankenversicherung bei einer privaten Versicherungsgesellschaft abgeschlossen hat. Es wird im Übrigen nicht bestritten, dass er die genannten beiden Voraussetzungen zu jedem Zeitpunkt nach Stellung seines Antrags auf Aufnahme in die Sozialversicherung des Aufnahmemitgliedstaats weiterhin erfüllt hat. Ein solcher Unionsbürger müsste gemäß Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 somit grundsätzlich die gleiche Behandlung wie Inländer genießen, sofern er nicht unter Abs. 2 dieser Vorschrift fällt, und damit zu den gleichen Bedingungen wie Inländer in die Sozialversicherung des Aufnahmemitgliedstaats aufgenommen werden können(35). Dies würde bedeuten, dass er nicht nur Zugang zu unter das öffentliche Gesundheitssystem fallenden Leistungen der Gesundheitsversorgung haben kann, sondern auch, dass diese Leistungen zu den gleichen Bedingungen wie Leistungen für Inländer vom Staat übernommen werden(36).

71.      Gleichwohl ist die in der vorstehenden Nummer dargelegte Logik nicht selbstverständlich, wie die Erklärungen der lettischen und der spanischen Regierung sowie der Kommission belegen.

72.      Die lettische Regierung hebt hervor, dass die Voraussetzung eines umfassenden Krankenversicherungsschutzes nicht zufällig aufgenommen worden sei, sondern einen bestimmten Zweck verfolge. So wie es Ziel des Erfordernisses ausreichender Existenzmittel sei, dass eine Person während ihres mehr als dreimonatigen Aufenthalts in einem anderen Mitgliedstaat selbst ihren Lebensunterhalt bestreiten könne und dieser Mitgliedstaat ihr keine Sozialhilfeleistungen in Form eines Existenzminimums gewähren müsse, bezwecke auch das Erfordernis eines umfassenden Krankenversicherungsschutzes, dass eine Person, die keine unselbständige oder selbständige Erwerbstätigkeit ausübe, selbst für ihre Gesundheitskosten aufkomme und der betreffende Mitgliedstaat solche Kosten nicht übernehmen müsse. Es könne nicht hingenommen werden, dass sich eine Person auf die in Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 vorgesehene Gleichbehandlung berufe, um staatlich finanzierte Leistungen der Gesundheitsversorgung in Anspruch zu nehmen, obwohl sie gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie einen umfassenden Krankenversicherungsschutz haben müsse, um das Recht zu erhalten, sich mehr als drei Monate rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufzuhalten.

73.      Ebenso vertritt die Kommission unter Verweis auf das Urteil Dano(37) die Auffassung, die Weigerung des Aufnahmemitgliedstaats, einem Unionsbürger wie A zu den gleichen Bedingungen wie den eigenen in seinem Hoheitsgebiet ansässigen Staatsangehörigen Zugang zu seinem System der sozialen Sicherheit zu gewähren, sei nur eine unvermeidliche Folge der Richtlinie 2004/38, im vorliegenden Fall der Voraussetzung eines umfassenden Krankenversicherungsschutzes gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie.

74.      Die spanische Regierung unterstützt den Standpunkt der lettischen Regierung und der Kommission.

75.      Zusammengefasst gehen die vorerwähnten Verfahrensbeteiligten davon aus, dass, da die Voraussetzungen ausreichender Existenzmittel und eines umfassenden Krankenversicherungsschutzes erfüllt sein müssten, um gemäß Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 in Verbindung mit deren Art. 7 und 14 Anspruch auf Gleichbehandlung zu haben, dieses Recht nur für die Gewährung anderer Leistungen als denen geltend gemacht werden könne, mit denen sich die besagten Voraussetzungen erfüllen ließen, wenn die Voraussetzungen nicht ausgehöhlt werden sollten.

76.      Anders ausgedrückt kann sich das Recht auf Gleichbehandlung nach Ansicht dieser Regierungen und der Kommission nicht auf die Gewährung eines Mindesteinkommens oder den Anschluss an das öffentliche Gesundheitssystem des Aufnahmemitgliedstaats beziehen, mit denen sich die in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 festgelegten Voraussetzungen gerade erfüllen lassen.

77.      Ich habe Verständnis für diese Argumentation. Wie ich aufzeigen werde, soll mit der in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 genannten Voraussetzung eines umfassenden Krankenversicherungsschutzes meines Erachtens nämlich vermieden werden, dass ein wirtschaftlich inaktiver Unionsbürger zu einer unangemessenen Belastung für den Aufnahmemitgliedstaat wird, bevor er ein Recht auf Daueraufenthalt gemäß Art. 16 dieser Richtlinie erworben hat, d. h. nach den ersten fünf Jahren des Aufenthalts. Während dieses Zeitraums darf der Aufnahmemitgliedstaat nämlich grundsätzlich verlangen, dass der Unionsbürger auf eigene Kosten eine Krankenversicherung abschließt, die seine Gesundheitsausgaben im Aufnahmemitgliedstaat deckt(38). In den meisten Fällen darf dieser Mitgliedstaat den Anschluss des Unionsbürgers an sein System der sozialen Sicherheit nach meinem Dafürhalten daher verweigern.

78.      Im vorliegenden Fall hat der Gerichtshof jedoch über die Frage zu entscheiden, ob ein Mitgliedstaat einem wirtschaftlich inaktiven Unionsbürger den Anschluss an sein System der sozialen Sicherheit zu den gleichen Bedingungen wie seinen eigenen Staatsangehörigen „unter allen Umständen automatisch“(39) verweigern kann. Ich möchte hervorheben, dass die staatlich finanzierte öffentliche Gesundheitsversorgung auch für Inländer in der Regel nicht „kostenlos“ ist. Diese tragen nach Maßgabe der von den einzelnen Mitgliedstaaten festgelegten Art der Finanzierung der sozialen Sicherheit entweder durch Beiträge oder durch Steuern zu ihr bei.

79.      Die vorstehend beschriebene Problematik stellt sich ganz besonders bei einem Unionsbürger, der, obwohl er die in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 genannten Voraussetzungen erfüllt, seinen Herkunftsmitgliedstaat auf Dauer verlassen hat, weshalb er dort nicht mehr sozialversichert ist, und sich zum Zwecke der Familienzusammenführung in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen hat, in den er den Mittelpunkt seiner gesamten – sowohl familiären als auch persönlichen und beruflichen – Interessen verlagert hat.

80.      In diesem Zusammenhang sollte meiner Meinung nach eine differenziertere Auslegung als die von der lettischen und der spanischen Regierung sowie von der Kommission vorgeschlagene gewählt werden, wozu im Urteil Jobcenter Krefeld, das sich auf die Voraussetzung ausreichender Existenzmittel bezieht, aufgefordert wird. Ein solcher Ansatz ist bei der Voraussetzung eines umfassenden Krankenversicherungsschutzes nach meinem Dafürhalten erst recht geboten. Ich werde aufzeigen, dass die systematische Weigerung, wirtschaftlich inaktiven Staatsangehörigen der übrigen Mitgliedstaaten Leistungen der öffentlichen Gesundheitsversorgung zu den gleichen Bedingungen wie Inländern zuteilwerden zu lassen, bevor sie nicht – nach fünf Jahren des Aufenthalts im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats – ein Recht auf Daueraufenthalt erworben haben, durch den Wortlaut der Art. 7, 14 und 24 der Richtlinie 2004/38 nicht untermauert wird sowie im Widerspruch zum Ziel der Freizügigkeit der Unionsbürger und zum eigentlichen Begriff der „Unionsbürgerschaft“ steht.

2.      Begriff „umfassender Krankenversicherungsschutz“ in Anbetracht des Wortlauts und des Kontexts von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38

81.      Die Voraussetzung eines umfassenden Krankenversicherungsschutzes ist in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c der Richtlinie 2004/38 enthalten.

82.      Zunächst weise ich darauf hin, dass die Richtlinie 2004/38, namentlich in ihren Art. 7, 14 und 24, nicht ausdrücklich vorsieht, dass sich ein Mitgliedstaat weigern kann, einen Unionsbürger an sein System der sozialen Sicherheit anzuschließen und ihm damit öffentlichen Krankenversicherungsschutz zu gewähren, weil er in dem Aufenthaltszeitraum zwischen drei Monaten und fünf Jahren seit seiner Einreise in diesen Mitgliedstaat wirtschaftlich inaktiv ist.

83.      Insbesondere die Ausnahmebestimmung in Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 sieht eine solche Beschränkung des Rechts auf Gleichbehandlung nicht vor. Ich weise darauf hin, dass diese Vorschrift als Ausnahme von einer Grundfreiheit nach Ansicht des Gerichtshofs eng auszulegen ist. Zudem hat der Gerichtshof ihre Tragweite in seinem unlängst ergangenen Urteil Jobcenter Krefeld(40) präzisiert und erstens hervorgehoben, dass sie nur auf die in Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 genannten Sachverhalte und damit lediglich auf Unionsbürger Anwendung findet, deren Aufenthaltsrecht auf der Richtlinie selbst beruht(41). Zweitens betrifft die Ausnahme, was ihre Anwendung auf Arbeitsuchende angeht, Personen, die über ein Aufenthaltsrecht allein aufgrund von Art. 14 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 verfügen(42).

84.      Folglich fällt ein Unionsbürger wie A, der über ein Aufenthaltsrecht aufgrund von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b sowie von Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 und nicht nur aufgrund von Art. 14 Abs. 4 Buchst. b dieser Richtlinie verfügt, nicht unter die in deren Art. 24 Abs. 2 genannte Ausnahme(43).

85.      Sodann hat der Unionsgesetzgeber entgegen dem Wortlaut von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38, der von Unionsbürgern die Erfüllung der Voraussetzung verlangt, über ausreichende Existenzmittel zu verfügen, „so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen“(44), keinen Zusammenhang zwischen der Voraussetzung eines umfassenden Krankenversicherungsschutzes und einer solchen Belastung hergestellt. Daher ist der Unionsgesetzgeber davon ausgegangen, dass ein Mangel an ausreichenden Existenzmitteln eine Belastung darstellen kann, die geeignet ist, die Weigerung zu rechtfertigen, Sozialleistungen gleichberechtigt mit Inländern zu gewähren(45). Beim umfassenden Krankenversicherungsschutz war der Gesetzgeber hingegen darauf bedacht, zu verhindern, dass ein Unionsbürger, der sich in einem Aufnahmemitgliedstaat aufhält, für diesen nicht nur einfach zu einer Belastung, sondern zu einer unangemessenen Belastung wird(46).

86.      Ich werde den Begriff „unangemessene Belastung“ in den Nrn. 92 ff. der vorliegenden Schlussanträge im Einzelnen prüfen. An dieser Stelle möchte ich lediglich hervorheben, dass die Einstufung als „unangemessen“ einen großen Unterschied ausmacht.

87.      Was schließlich die Tragweite des Begriffs „umfassender Krankenversicherungsschutz“ betrifft, so stelle ich fest, dass dieser in der Richtlinie 2004/38 nicht definiert wird.

88.      Im allgemeinen Sprachgebrauch verweist der Begriff „Versicherungsschutz“ auf einen „Vertrag, mit dem ein Versicherer dem Versicherten gegen eine Prämie oder einen Beitrag bei Verwirklichung eines bestimmten Risikos die Zahlung einer vereinbarten Summe zusagt“(47). Im vorliegenden Fall sollen mit dem Krankenversicherungsschutz die Risiken im Bereich der Gesundheitsversorgung abgedeckt werden. Der Begriff „umfassend“ bezieht sich auf den Umfang der Risiken, die im Aufnahmemitgliedstaat abgedeckt werden müssen.

89.      Die Richtlinie 2004/38 enthält jedoch keine näheren Angaben zur Tragweite dieser Begriffe. Insbesondere wird nicht angegeben, ob der Krankenversicherungsschutz bei einer privaten oder einer öffentlichen Einrichtung bestehen muss. Die Regierungen, die sich in der vorliegenden Rechtssache beteiligt haben, und die Kommission sind von der Annahme ausgegangen, dass die Versicherung, um die es geht, eine private Versicherung sei. Dies geht aus dem Wortlaut der Vorschrift aber nicht hervor. Es wird auch nicht angegeben, ob die Versicherung von einer Einrichtung oder einem Unternehmen des Aufnahmemitgliedstaats bereitgestellt werden muss oder ob sie aus einem anderen Mitgliedstaat, insbesondere dem Herkunftsmitgliedstaat des Unionsbürgers, stammen kann.

90.      Das Urteil Baumbast und R(48) sowie die Leitlinien der Kommission zur Anwendung der Richtlinie 2004/38(49) bringen insoweit einige Klarstellungen. Aus diesem Urteil geht hervor, dass der betreffende Unionsbürger, der ein Aufenthaltsrecht in dem Aufnahmemitgliedstaat forderte, in dem er von seiner Freizügigkeit Gebrauch gemacht hatte, in jenem Fall dem Vereinigten Königreich, über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz in seinem Herkunftsmitgliedstaat, Deutschland, verfügte, der ihm von dessen System der sozialen Sicherheit gewährt wurde(50).

91.      Die Art der Versicherung scheint somit nicht ausschlaggebend zu sein. Es kommt darauf an, dass überhaupt ein Krankenversicherungsschutz besteht(51).

92.      Der Kontext der Richtlinie 2004/38 liefert darüber hinaus zusätzliche Klarheit. Nach dem zehnten Erwägungsgrund dieser Richtlinie sollen die Voraussetzungen in deren Art. 7 u. a. verhindern, dass die betreffenden Unionsbürger die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats „unangemessen“ in Anspruch nehmen(52).

93.      Auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift und die Leitlinien zur Anwendung der Richtlinie 2004/38 verdeutlichen, welche Bedeutung es für die Mitgliedstaaten hat, zu verhindern, dass wirtschaftlich inaktive Unionsbürger zu einer solchen Belastung werden.

94.      Diese wirtschaftliche Besorgnis kam nämlich bereits in den drei Richtlinien von 1990, die der Richtlinie 2004/38 vorausgegangen sind(53), insbesondere der Richtlinie 90/364, zum Ausdruck und schloss an den Bericht des Ad-hoc-Ausschusses „Europa der Bürger“, den sogenannten „Adonnino-Bericht“ aus dem Jahr 1985(54), an. In diesem Bericht war vorgeschlagen worden, neben der Voraussetzung ausreichender Existenzmittel die Voraussetzung einer „angemessenen Deckung von Krankheitsrisiken“ vorzusehen, um die Annahme des Entwurfs einer Richtlinie 90/364 über ein Aufenthaltsrecht für wirtschaftlich inaktive Unionsbürger zu erleichtern(55).

95.      In den Leitlinien zur Anwendung der Richtlinie 2004/38 heißt es: „Jede bei einer öffentlichen oder privaten Einrichtung im Aufnahmemitgliedstaat oder anderswo abgeschlossene Versicherung ist grundsätzlich anzuerkennen, sofern sie einen umfassenden Schutz bietet und die öffentlichen Finanzen des Aufnahmemitgliedstaats nicht belastet.“(56)

96.      Im Übrigen stelle ich fest, dass die Kommission in ihrem Entwurf einer Überarbeitung der Verordnung Nr. 883/2004, mit dem der Rechtsprechung des Gerichtshofs Rechnung getragen werden soll, vorgesehen hat, dass Unionsbürger Zugang zum System der sozialen Sicherheit des Aufnahmemitgliedstaats haben, wenn sie sich gewöhnlich dort aufhalten und anteilig Beiträge zu einem Krankenversicherungssystem abführen(57).

97.      Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass der umfassende Krankenversicherungsschutz privater oder öffentlicher Art sein und sich aus einem Anschluss an das System der sozialen Sicherheit eines Mitgliedstaats, insbesondere des Herkunftsmitgliedstaats des Unionsbürgers – wie in der Rechtssache, in der das Urteil Baumbast ergangen ist –, aber auch des Aufnahmemitgliedstaats, ergeben kann(58). Da in der Richtlinie 2004/38 keine näheren Angaben zum Begriff „umfassender Krankenversicherungsschutz“ gemacht werden, ist die Voraussetzung eines umfassenden Krankenversicherungsschutzes meiner Ansicht nach wie die Verpflichtung zu verstehen, über eine vollständige Deckung im Bereich der Gesundheitsversorgung zu verfügen, unabhängig vom Ursprung dieser Deckung und dem etwaigen Mitgliedschaftsmodell. Der Verweis auf einen „umfassenden Krankenversicherungsschutz“ als Voraussetzung für einen rechtmäßigen Aufenthalt von Unionsbürgern im Einklang mit der Richtlinie 2004/38 kann nach meinem Dafürhalten allein kein Hindernis für das Bestehen eines Rechts wirtschaftlich inaktiver Unionsbürger auf Anschluss an das System der sozialen Sicherheit des Aufnahmemitgliedstaats darstellen. Dafür muss ein solcher Anschluss außerdem noch eine „unangemessene Belastung“ für das finanzielle Gleichgewicht des Aufnahmemitgliedstaats schaffen.

98.      Wie ich im Folgenden aufzeigen werde, tritt diese Folge nicht automatisch ein.

3.      Begriff „unangemessene Belastung“

99.      Im Urteil Baumbast hat der Gerichtshof festgestellt, dass das Recht, sich frei zu bewegen und aufzuhalten, durch den AEU-Vertrag auf jeden Unionsbürger ausgeweitet worden sei, unabhängig davon, ob er eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt oder nicht, gleichzeitig aber darauf hingewiesen, dass dieses Recht den in den Verträgen und ihren Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen unterliege(59). Diese Beschränkungen beruhten auf dem Gedanken, dass die Wahrnehmung des Aufenthaltsrechts der Unionsbürger von der Wahrung der „berechtigten Interessen“ der Mitgliedstaaten abhängig gemacht werden könne, zu denen das Interesse gehöre, dass Personen, die dieses Recht genießen, „die öffentlichen Finanzen des Aufnahmemitgliedstaats nicht über Gebühr belasten“(60).

100. Zudem seien diese Beschränkungen und Bedingungen unter Einhaltung der einschlägigen unionsrechtlichen Grenzen und im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit anzuwenden(61).

101. Hierzu weise ich darauf hin, dass die Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen durch einen Unionsbürger gemäß Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38 nicht automatisch zu einer Ausweisung führen darf. Diese Vorschrift spiegelt die Auffassung des Gerichtshofs im Urteil Grzelczyk(62) wider, wonach die bloße Tatsache, dass ein Student im Aufnahmemitgliedstaat den Bezug eines Mindesteinkommens beantragt, nicht automatisch zum Verlust seines Aufenthaltsrechts und zur Weigerung führen dürfe, ihm die beantragte Sozialleistung zu gewähren(63). Ich leite daraus ab, dass die Gewährung einer solchen Sozialleistung nicht immer eine unangemessene Belastung darstellt.

102. Wann wird eine Belastung unangemessen?

103. Der Begriff „unangemessene Belastung“ ist u. a. in den Urteilen García-Nieto, Alimanovic und Dano angewandt und im Urteil Jobcenter Krefeld präzisiert worden (Abschnitt a). Er ist auch Gegenstand einer Prüfung im Rahmen von Rechtssachen gewesen, in denen die Situation des Unionsbürgers eine Integrationsverbindung zum Aufnahmemitgliedstaat aufwies (Abschnitt b). Die Rechtssachen, zu denen die in Abschnitt a erwähnten Urteile ergangen sind, eigneten sich nicht für eine individuelle Prüfung der Situation der betreffenden Bürger; in einer Rechtssache wie der des Ausgangsverfahrens ist eine solche Prüfung jedoch erforderlich (Abschnitt c).

a)      Begriff „unangemessene Belastung“ im Sinne der Urteile García-Nieto, Alimanovic und Dano, so wie er im Urteil Jobcenter Krefeld präzisiert worden ist

104. Im Urteil Jobcenter Krefeld hat der Gerichtshof erläutert, dass eine Person wie der Kläger in der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen ist, keine unangemessene Belastung für das System der sozialen Sicherheit des Aufnahmemitgliedstaats darstellte, und die Situation des Klägers von der Situation von Frau García-Nieto, Herrn Alimanovic und Frau Dano – den in den gleichnamigen Urteilen jeweils betroffenen Unionsbürgern – unterschieden.

105. Im Gegensatz zu Frau García-Nieto forderte der betreffende Unionsbürger in der Rechtssache, in der das Urteil Jobcenter Krefeld ergangen ist, ein Familienvater und ehemaliger Arbeitnehmer im Aufnahmemitgliedstaat, für die ersten drei Monate seines Aufenthalts im Hoheitsgebiet dieses Staates keine Sozialleistung.

106. Anders als Herr Alimanovic beanspruchte er eine solche Leistung auch nicht im Rahmen eines ausschließlich auf seiner Arbeitssuche im Aufnahmemitgliedstaat beruhenden Aufenthaltsrechts für einen über diese ersten drei Monate hinausgehenden Zeitraum, da er über ein eigenständiges Aufenthaltsrecht aufgrund von Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 verfügte.

107. Im Gegensatz zu Frau Dano schließlich war besagter Unionsbürger nicht ohne Beschäftigung und ausreichende Existenzmittel allein zu dem Zweck in das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats eingereist, dort Sozialhilfeleistungen in Anspruch zu nehmen, die dieser Staat seinen eigenen Staatsangehörigen gewährt.

108. Demnach war der in Rede stehende Unionsbürger, obwohl er eine Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts beantragte, nicht so anzusehen, als nehme er die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats unangemessen in Anspruch(64).

109. Diese Erwägungen sind für einen Unionsbürger wie A relevant, da sich auch seine Situation deutlich von den Situationen von Frau García-Nieto, Herrn Alimanovic und Frau Dano unterscheidet.

110. Sein Antrag bezieht sich nämlich nicht auf die ersten drei Monate nach seiner Einreise in den Aufnahmemitgliedstaat, sondern auf einen späteren Zeitraum. Sein Aufenthaltsrecht wird nicht ausschließlich auf eine Arbeitssuche im Aufnahmemitgliedstaat gemäß Art. 14 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 gestützt, da er sich aufgrund von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie unstreitig rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufhält. Schließlich ist A im Gegensatz zu Frau Dano nicht in das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats eingereist, um die Sozialhilfeleistungen dieses Mitgliedstaats zu beziehen oder eine kostenlose Gesundheitsversorgung zu erhalten. Während Frau Dano nie gearbeitet hatte und sich im Aufnahmemitgliedstaat nicht um Arbeit bemühte, hat A bereits in Italien gearbeitet und in Lettland eine Beschäftigung gesucht(65).

111. Mit derartigen Feststellungen lässt sich meines Erachtens das Risiko ausschließen, dass ein Unionsbürger wie A eine unangemessene Belastung im Sinne der drei vom Gerichtshof zuvor analysierten Fälle darstellt.

112. Im Übrigen hat A sich nicht etwa wie ein „Sozialtourist“ verhalten – dieser Ausdruck ist verwendet worden, um das Verhalten von Frau Dano zu kennzeichnen –, sondern besondere Bindungen zum Aufnahmemitgliedstaat geknüpft, die sich nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs auf den Begriff „unangemessene Belastung“ auswirken. Ich werde diese Auswirkungen im folgenden Abschnitt untersuchen.

b)      Begriff „unangemessene Belastung“ im Licht der Integrationsverbindung zum Aufnahmemitgliedstaat

113. Der Gerichtshof hatte zu prüfen, welche Auswirkungen die Integrationsverbindung eines wirtschaftlich inaktiven Unionsbürgers zu einem Aufnahmemitgliedstaat auf den Anspruch dieses Bürgers haben kann, zu den gleichen Bedingungen wie Inländer Sozialhilfeleistungen zu beziehen. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs hat sich insbesondere im Rahmen von Rechtssachen betreffend wirtschaftlich inaktive Studenten entwickelt, die im Aufnahmemitgliedstaat ihr Studium absolvieren(66).

114. So hat der Gerichtshof im Urteil Bidar(67) untersucht, ob die Gewährung von Finanzhilfen an Studenten in Form von Unterhaltsstipendien zur Bestreitung ihrer Lebenshaltungskosten eine übermäßige Belastung darstellt, die Auswirkungen auf das gesamte Niveau der Beihilfe haben könnte, die dieser Staat gewähren kann.

115. Der Gerichtshof hat in diesem Urteil entschieden, dass es zur Vermeidung einer solchen Wirkung legitim sei, wenn ein Mitgliedstaat eine derartige Beihilfe nur solchen Studenten gewährt, die nachgewiesen haben, dass sie sich bis zu einem gewissen Grad in die Gesellschaft dieses Staates integriert haben(68). Er hat es als relevant angesehen, dass der Unionsbürger eine tatsächliche Verbindung zu der Gesellschaft dieses Staates hergestellt hat, indem er sich dort rechtmäßig aufgehalten und einen großen Teil seiner Ausbildung an weiterführenden Schulen erhalten hat. Nationale Rechtsvorschriften, die einen solchen Bürger daran hinderten, sein Hochschulstudium im Aufnahmemitgliedstaat zu den gleichen Bedingungen im Bereich der Finanzhilfen wie Inländer zu absolvieren, ohne den Grad der tatsächlichen Integration des Unionsbürgers in die Gesellschaft dieses Staates zu berücksichtigen, seien nicht durch das legitime Ziel gerechtfertigt, das mit ihnen erreicht werden solle(69).

116. Im Urteil Förster(70), das nach dem Urteil Bidar ergangen ist, hat der Gerichtshof auf der Grundlage des Wortlauts der Richtlinie 2004/38 jedoch entschieden, dass ein Mitgliedstaat es als legitim ansehen könne, Studenten aus anderen Mitgliedstaaten, die sich zu Studienzwecken in seinem Hoheitsgebiet aufhalten, eine solche Unterhaltsbeihilfe nicht zu gewähren, solange sie sich nicht fünf Jahre lang in seinem Hoheitsgebiet aufgehalten haben. Ich möchte aber hervorheben, dass die Richtlinie 2004/38 in ihrem Art. 24 Abs. 2 eine ausdrückliche Bestimmung in diesem Sinne enthält.

117. In Ermangelung einer ausdrücklichen Bestimmung, die eine Abweichung vom Recht auf Gleichbehandlung im Fall eines Antrags auf Aufnahme in die Sozialversicherung des Aufnahmemitgliedstaats gestattet, bin ich daher der Ansicht, dass die Rechtsprechung des Gerichtshofs im Bereich der tatsächlichen Integrationsverbindung zur Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats und des Begriffs „unangemessene Belastung“ im Rahmen der vorliegenden Rechtssache einschlägig ist(71).

118. Die tatsächliche Integrationsverbindung im Aufnahmemitgliedstaat, die nachgewiesen werden muss, kann auf einem Bündel von Indizien wie dem familiären Kontext und der Verwurzelung der Familie in diesem Mitgliedstaat(72), dem Vorliegen sozialer oder wirtschaftlicher Bindungen(73) bzw. persönlichen Bindungen wie der Eheschließung mit einem Angehörigen dieses Mitgliedstaats und dem gewöhnlichen Aufenthalt in dessen Hoheitsgebiet(74) oder aber auf der Beschäftigung von Familienangehörigen, von denen der Unionsbürger abhängt, in diesem Hoheitsgebiet(75) beruhen.

119. Ich weise darauf hin, dass der tatsächliche Integrationszusammenhang nicht in einheitlicher Weise zu bestimmen, sondern anhand der Merkmale der in Frage stehenden Leistung, insbesondere ihrer Art und des mit ihr verfolgten Zwecks, zu ermitteln ist(76). In Bezug auf die Mitgliedschaft in der Sozialversicherung können die Mitgliedstaaten nach meinem Dafürhalten die Auffassung vertreten, dass die Integrationsverbindung, die u. a. durch den gewöhnlichen Aufenthalt des Betroffenen im Aufnahmemitgliedstaat gekennzeichnet ist, erst nach einer angemessenen Aufenthaltsdauer in diesem Mitgliedstaat belegt ist, sofern die Dauer nicht über das hinausgeht, was erforderlich ist, um sich zu vergewissern, dass der Betroffene den Mittelpunkt seiner Interessen in diesen Mitgliedstaat verlagert hat(77).

120. Im Fall eines Unionsbürgers wie A wird – daran sei erinnert – nicht bestritten, dass er seinen Herkunftsmitgliedstaat Italien verlassen hat, um sich auf unbefristete Zeit bei seiner Ehefrau und ihren minderjährigen Kindern in Lettland niederzulassen, und – wie es das vorlegende Gericht ausdrückt – den „Mittelpunkt seiner Interessen“ in diesen Mitgliedstaat, zu dem er „enge persönliche Bindungen“ geknüpft hat, verlagert hat. Vorbehaltlich der Prüfung durch das vorlegende Gericht weist er daher offenbar eine tatsächliche Integrationsverbindung zur Gesellschaft des letztgenannten Mitgliedstaats auf.

121. Allerdings müssen die Folgen, die aus dem Vorliegen einer solchen Integrationsverbindung zu ziehen sind, noch unter Berücksichtigung der Tatsache beurteilt werden, dass der öffentliche Gesundheitssektor Besonderheiten aufweist, die im AEU-Vertrag anerkannt und in der Rechtsprechung des Gerichtshofs widergespiegelt werden. Dieser hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass der Schutz der öffentlichen Gesundheit zu den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gehört, die gemäß Art. 52 AEUV Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit(78) und des freien Dienstleistungsverkehrs(79) rechtfertigen können. Das Gleiche gilt gemäß Art. 27 der Richtlinie 2004/38 für die Freizügigkeit und das Aufenthaltsrecht eines Unionsbürgers. Diese Ausnahme erfasst genauer gesagt zwei Ziele, das der Aufrechterhaltung einer qualitativ hochwertigen, ausgewogenen und allgemein zugänglichen ärztlichen oder klinischen Versorgung und das der Vermeidung einer erheblichen Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit(80).

122. Im Licht der vorstehenden Erwägungen bin ich der Ansicht, dass es, sofern sich ein wirtschaftlich inaktiver Unionsbürger, der eine tatsächliche Integrationsverbindung im Aufnahmemitgliedstaat aufweist und über ausreichende Existenzmittel verfügt, gleichberechtigt mit Inländern an den Kosten der Sozialversicherung dieses Mitgliedstaats beteiligt, sei es durch Beiträge, wenn das System auf einem Versicherungsmechanismus beruht, sei es durch Steuern, wenn es um ein nationales Gesundheitssystem wie das 2016 in Lettland geltende(81) geht, grundsätzlich keine erhebliche Gefährdung für dessen finanzielles Gleichgewicht oder gar eine unangemessene Belastung schaffen dürfte, wenn er zu den gleichen Bedingungen wie Inländer an dieses System angeschlossen wird. Das haben jedoch die einzelnen Mitgliedstaaten zu prüfen.

123. Es lässt sich nämlich nicht ausschließen, dass ein wirtschaftlich inaktiver Unionsbürger, der sich in der gleichen Lage wie ein Staatsangehöriger des Aufnahmemitgliedstaats befindet, weder zur Zahlung von Steuern noch zur Entrichtung von Beiträgen zur Sozialversicherung oder nur symbolisch dazu herangezogen wird. In diesem Fall ist der Aufnahmemitgliedstaat nach meinem Dafürhalten nicht verpflichtet, einem Unionsbürger Gleichbehandlung zuzugestehen, wenn dessen Anschluss zu den gleichen Bedingungen wie für Inländer ersichtlich das finanzielle Gleichgewicht des Aufnahmemitgliedstaats erheblich gefährdet. Das Vorliegen einer solchen Gefährdung sollte jedoch anhand objektiver, eingehender und auf Zahlenangaben gestützter Daten überprüft werden(82).

124. Unter derartigen Umständen hindert meiner Ansicht nach nichts den Aufnahmemitgliedstaat daran, ein System von Zusatzbeiträgen einzuführen oder, bei einem beitragsfreien, steuerbasierten nationalen Gesundheitssystem von dem Unionsbürger zu verlangen, seinen umfassenden privaten Krankenversicherungsschutz im Gegenzug für seinen Anschluss beizubehalten(83).

125. Im Licht der vorstehenden Würdigung bin ich daher der Auffassung, dass ein wirtschaftlich inaktiver Unionsbürger, der über ausreichende Existenzmittel verfügt und eine tatsächliche Integrationsverbindung im Aufnahmemitgliedstaat aufweist, gegebenenfalls in den Genuss einer Mitgliedschaft in der Sozialversicherung dieses Mitgliedstaats kommen kann, selbst bevor er dort eine unselbständige oder selbständige Erwerbstätigkeit gefunden oder ein Recht auf Daueraufenthalt gemäß Art. 16 der Richtlinie 2004/38 erworben hat(84).

126. Nach meinem Dafürhalten steht es deshalb nicht mit Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 in Verbindung mit deren Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und Art. 14 Abs. 2 in Einklang, wenn einem Unionsbürger wie A der Anschluss an das System der sozialen Sicherheit des Aufnahmemitgliedstaats und die Möglichkeit zur Inanspruchnahme von Leistungen der öffentlichen Gesundheitsversorgung zu den gleichen Bedingungen wie Inländern unter allen Umständen automatisch versagt werden.

127. Diese Erwägung wird nicht durch den Umstand in Frage gestellt, dass die Situation eines solchen Unionsbürgers eine individuelle Prüfung erfordert, um der Frage nachzugehen, ob er gut in den Aufnahmemitgliedstaat integriert ist.

c)      Notwendigkeit einer individuellen Prüfung der Situation eines Unionsbürgers, um feststellen zu können, ob er eine unangemessene Belastung darstellt

128. Für die Feststellung, ob Unionsbürger zu den gleichen Bedingungen wie Inländer Anspruch auf eine Sozialleistung haben, muss in zahlreichen Fällen eine Einzelfallprüfung ihrer Situation durchgeführt werden, damit ihr Recht auf Freizügigkeit und Aufenthaltsfreiheit nicht beeinträchtigt wird. Dies gilt u. a. für einen Studenten wie Herrn Grzelczyk, der ein Existenzminimum beantragt und dessen Bedarf auf seinen vorübergehenden Charakter hin zu prüfen ist(85). Das ist auch der Fall bei einem Unionsbürger wie Herrn Baumbast, dessen Situation anhand verschiedener Parameter zu prüfen ist, darunter der Frage, ob er dem Aufnahmemitgliedstaat zuvor zur Last gefallen war.

129. In den Urteilen Alimanovic und García-Nieto hat der Gerichtshof zwar entschieden, dass sich die Art Rechtssachen, zu denen diese Urteile und das Urteil Dano ergangen sind nicht für eine individuelle Prüfung der Situation der Betroffenen eigne, um beurteilen zu können, ob sie eine unangemessene Belastung darstellten(86). Doch hat er betont, dass die einem einzigen Antragsteller gewährte Hilfe schwerlich als „unangemessene Inanspruchnahme“ eines Mitgliedstaats im Sinne von Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 eingestuft werden könne und notwendigerweise sämtliche bei ihm gestellten Einzelanträge zu berücksichtigen seien(87).

130. Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich implizit, dass die Situationen, die dieser Art von Rechtssachen zugrunde liegen, insgesamt als eine unangemessene Belastung angesehen werden müssen und die betreffenden Mitgliedstaaten nicht verpflichtet sind, die beantragten Sozialleistungen zu gewähren.

131. Die Tatsache, dass die Situation der einzelnen Personen auf individueller Basis keine unangemessene Belastung darstellt, ist daher nicht entscheidend. Falls ihre Situation – wie in den Rechtssachen, zu denen die Urteile García-Nieto und Alimanovic ergangen sind – einem der Fälle entspricht, die der Gesetzgeber u. a. in Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 ausdrücklich genannt hat, oder eine Person betrifft, die – wie Frau Dano – ihre Freizügigkeit mit dem alleinigen Ziel ausgeübt hat, die Sozialleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch zu nehmen, sind die entsprechenden Anträge als mögliche unangemessene Belastung für das finanzielle Gleichgewicht des Aufnahmemitgliedstaats anzusehen, und dieser ist nicht verpflichtet, ihnen stattzugeben.

132. Was hingegen die Situation einer Person wie A angeht, die nicht von den besagten Fällen erfasst wird, ist nach meinem Dafürhalten eine umgekehrte Vorgehensweise geboten. Es ist eine Prüfung der persönlichen Umstände des Betroffenen durchzuführen, um sich zu vergewissern, dass er gut in den Aufnahmemitgliedstaat integriert ist, er sich dort insbesondere im Sinne der Verordnung Nr. 883/2004 „gewöhnlich aufhält“, so dass er zu den gleichen Bedingungen wie Inländer an dessen System der sozialen Sicherheit angeschlossen werden kann, sofern nicht der in den Nrn. 123 und 124 der vorliegenden Schlussanträge erwähnte Sachverhalt gegeben ist. Zu den relevanten Gesichtspunkten gehören u. a. die in Art. 11 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009(88) aufgeführten wie die familiären Verhältnisse der Person, der dauerhafte Charakter ihrer Wohnung, der Mitgliedstaat, der als der steuerliche Wohnsitz dieser Person gilt, oder auch die Gründe, die sie zu einem Wohnortwechsel bewogen haben.

133. Die vorstehende Analyse, die sich auf den Begriff „unangemessene Belastung“ bezieht, ist im Rahmen der Auslegung der Verordnung Nr. 883/2004 gleichermaßen anwendbar.

4.      Zu den Konsequenzen, die aus dem Begriff „unangemessene Belastung“ hinsichtlich der Auslegung der Verordnung Nr. 883/2004 zu ziehen sind

134. Wie aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, ist nach Auffassung der lettischen Gerichte gemäß Art. 11 Abs. 3 Buchst. e der Verordnung Nr. 883/2004 das Recht des Wohnmitgliedstaats, im vorliegenden Fall das lettische Recht, anwendbar.

135. Dieses Recht kann den Umfang der vom Mitgliedstaat abgedeckten Leistungen bei Krankheit und die Voraussetzungen festlegen, die erfüllt sein müssen, um Anspruch auf diese Leistungen zu haben. Wie ich in Nr. 53 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt habe, sind die Mitgliedstaaten für die Ausgestaltung ihres Systems der sozialen Sicherheit und damit für die Festlegung des Umfangs der angebotenen Leistungen sowie der Bedingungen für die Eröffnung von Ansprüchen auf diese Leistungen zuständig. Folglich kann der Umzug eines Unionsbürgers je nach Kombination der nationalen Regelungen, die nach der Verordnung Nr. 883/2004 anwendbar sind, für ihn Vorteile oder Nachteile haben(89).

136. In der vorliegenden Rechtssache besteht das Problem jedoch nicht darin, ob einem Unionsbürger, der von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat, weniger umfassende Leistungen gewährt werden dürfen, als er sie in seinem Herkunftsmitgliedstaat hätte in Anspruch nehmen können, sondern darin, ob ihm die Inanspruchnahme sämtlicher staatlich finanzierter Leistungen der Gesundheitsversorgung abgesehen von der Notfallversorgung und Behandlungen im Bereich Geburtshilfe versagt werden darf.

137. Wie ich in Nr. 52 der vorliegenden Schlussanträge festgestellt habe, besteht das mit der Verordnung Nr. 883/2004 und ihrem Art. 11 Abs. 3 Buchst. e verfolgte Ziel u. a. darin, zu vermeiden, dass Personen, die in den Geltungsbereich der Verordnung fallen, den Schutz der sozialen Sicherheit deshalb verlieren, weil keine Rechtsvorschriften auf sie anwendbar sind(90).

138. In einem Fall wie dem von A ist der Unionsbürger in seinem Herkunftsmitgliedstaat nicht mehr angeschlossen, da er seine Erwerbstätigkeit in diesem Mitgliedstaat beendet und seinen Wohnsitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegt hat(91). Die Anwendbarkeit des Rechts des Wohnmitgliedstaats soll grundsätzlich vermeiden, dass er überhaupt nicht angeschlossen ist(92).

139. Der Gerichtshof hat daher entschieden, dass in einem Fall, für den Art. 11 Abs. 3 Buchst. e der Verordnung Nr. 883/2004 und damit das Recht des Wohnmitgliedstaats des Betroffenen gilt, die Anwendung dieses Rechts nicht durch den Umstand in Frage gestellt werden kann, dass bestimmte Mitgliedstaaten die Zugehörigkeit des Betroffenen zum nationalen System der sozialen Sicherheit an die Voraussetzung knüpfen, dass der Betroffene in ihrem Gebiet eine Beschäftigung ausübt, wodurch es, falls er diese Voraussetzung nicht erfüllt, passieren kann, dass er keinem System der sozialen Sicherheit beitreten kann und ihm der Schutz der sozialen Sicherheit vorenthalten würde(93).

140. Der Gerichtshof hat klargestellt, dass die Voraussetzungen, unter denen eine Person einem System der sozialen Sicherheit beitreten kann, in den Rechtsvorschriften jedes Mitgliedstaats festzulegen sind, wobei die Mitgliedstaaten bei der Festlegung dieser Voraussetzungen allerdings verpflichtet sind, das Unionsrecht zu beachten. Nach ständiger Rechtsprechung dürfen die Voraussetzungen dafür, dass ein Recht auf Beitritt zu einem System der sozialen Sicherheit besteht, nicht zur Folge haben, dass vom Anwendungsbereich der fraglichen Rechtsvorschriften Personen ausgeschlossen werden, auf die diese Rechtsvorschriften nach der Verordnung Nr. 883/2004 anwendbar sind(94).

141. Um beurteilen zu können, ob die in nationalen Rechtsvorschriften wie dem Gesetz über medizinische Behandlungen vorgesehenen Voraussetzungen im Einklang mit der Verordnung Nr. 883/2004 stehen, ist angesichts des Zusammenhangs zwischen Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 und Art. 24 der Richtlinie 2004/38 insoweit die Auslegung von Art. 24 dieser Richtlinie und insbesondere das Ergebnis zu berücksichtigen, zu dem ich in den Nrn. 125 und 126 der vorliegenden Schlussanträge gelangt bin.

142. Folglich ist auch die Voraussetzung der Ausübung einer unselbständigen oder selbständigen Erwerbstätigkeit im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats wie die im Gesetz über medizinische Behandlungen vorgesehene, die ausschließlich Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten – und zwar unter allen Umständen – auferlegt wird, solange sie kein Recht auf Daueraufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat erworben haben, nicht mit dem in Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 vorgesehenen Recht auf Gleichbehandlung vereinbar.

143. Überdies entspricht die vorstehend beschriebene Ungleichbehandlung nicht dem Ziel der Verordnung Nr. 883/2004, die Freizügigkeit sämtlicher Unionsbürger zu erleichtern. Im Gegensatz zur Vorläuferverordnung Nr. 1408/71, die nur Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige betraf, gilt die Verordnung Nr. 883/2004 nämlich nunmehr für alle Unionsbürger, einschließlich wirtschaftlich inaktiver und damit erwerbsloser Personen(95).

144. Aus der vorstehenden Analyse ergibt sich, dass einem Unionsbürger, der den Mittelpunkt seiner Interessen in das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats verlagert hat und eine tatsächliche Integrationsverbindung zu diesem aufweist, nach dem Recht des Aufnahmemitgliedstaats nicht unter allen Umständen automatisch jedes Recht auf Anschluss allein deshalb abgesprochen werden darf, weil er keine unselbständige oder selbständige Erwerbstätigkeit im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats ausübt.

145. Insbesondere bei einem Unionsbürger wie A, der zum Zwecke der Familienzusammenführung in einen anderen Mitgliedstaat umzieht, davon auszugehen, dass er seine gesamten Rechte der sozialen Sicherheit im Bereich der Gesundheit verlöre, solange er dort nicht fünf Jahre gelebt bzw. eine unselbständige oder selbständige Erwerbstätigkeit gefunden hat, ist nach meinem Dafürhalten weder mit dem durch Art. 21 AEUV garantierten sowie durch die Richtlinie 2004/38 und die Verordnung Nr. 883/2004 konkretisierten Freizügigkeitsrecht der Unionsbürger noch mit dem Begriff „Unionsbürgerschaft“ selbst vereinbar.

5.      Zum Ziel der Freizügigkeit der Unionsbürger

146. Das Recht auf Freizügigkeit kommt in der Möglichkeit der Unionsbürger zum Ausdruck, sich zu Arbeits‑, Studien- oder Freizeitzwecken vorübergehend in einen anderen Mitgliedstaat als ihren Herkunftsmitgliedstaat zu begeben. Dieses Recht umfasst aber auch das Recht, sich in einem anderen Mitgliedstaat dauerhaft niederzulassen und sich dort eine Existenz aufzubauen. Die letztgenannte Entscheidung, die der Freizügigkeit inhärent ist, bedeutet die Möglichkeit, sich vollständig in die Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats zu integrieren und dort die gleiche Behandlung zu erfahren wie dessen eigene Staatsangehörige.

147. Weist ein Unionsbürger wie A zur Zufriedenheit der Behörden des Aufnahmemitgliedstaats nach, dass er den Mittelpunkt seiner Interessen in diesen verlagert hat, so dass er zu dessen Hoheitsgebiet eine tatsächliche Integrationsverbindung aufweist, würde seine Freizügigkeit, wie das vorlegende Gericht hervorhebt, beeinträchtigt, wenn er nicht zu den gleichen Bedingungen wie die Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats in dessen Sozialversicherung aufgenommen werden könnte(96).

148. Ich weise darauf hin, dass das in Art. 34 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerte Recht auf soziale Sicherheit ebenso wie das in Art. 35 dieser Charta festgeschriebene Recht auf Gesundheitsschutz ein grundlegendes Prinzip ist.

149. Wäre es einem Unionsbürger, obwohl er nicht mehr dem System der sozialen Sicherheit seines Herkunftsmitgliedstaats angehört, gerade aufgrund seiner Lebensentscheidung, diesen zu verlassen und sich langfristig in einem anderen Mitgliedstaat niederzulassen, nicht möglich, der Sozialversicherung des Aufnahmemitgliedstaats beizutreten, könnte dem Betroffenen dadurch ein grundlegender Schutz vorenthalten werden.

150. In seiner Vorlageentscheidung hebt der Augstākā tiesa (Senāts) (Oberster Gerichtshof) hervor, dass „es unzulässig [wäre], wenn eine Person auf diese Weise vom System der sozialen Sicherheit aller betreffenden Mitgliedstaaten der Union ausgeschlossen wird“, nur weil sie ihr Recht auf Freizügigkeit ausgeübt hat. Ich stimme dem zu und vertrete die Auffassung, dass dieser Ausschluss den Wesenskern des Unionsbürgerstatus, der zum grundlegenden Status der Angehörigen der Mitgliedstaaten geworden ist, verletzen würde(97).

151. Wie das vorlegende Gericht bin ich der Ansicht, dass ein solcher Ausschluss vom System der sozialen Sicherheit nicht dem Ziel der Union gerecht wird, den freien Personenverkehr im Unionsgebiet zu gewährleisten und die europäische Integration(98) durch eine größere Solidarität unter den Mitgliedstaaten(99) zu festigen.

152. Der Umstand, dass ein wirtschaftlich inaktiver Unionsbürger, selbst wenn er einen finanziellen Beitrag zum System der sozialen Sicherheit des Aufnahmemitgliedstaats in den Genuss eines von diesem Mitgliedstaat hauptsächlich für seine eigenen Staatsangehörigen geschaffenen und auf einem für diese vorgesehenen Solidaritätsmechanismus beruhenden Systems käme, kann die vorstehende Feststellung nicht entkräften.

153. Ich möchte hervorheben, dass das Unionsrecht auf Solidaritätswerten beruht, die seit der Schaffung einer Unionsbürgerschaft noch gestärkt worden sind und ganz besonders in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens Anwendung finden sollen.

154. Ich vertrete daher die Auffassung, dass es weder durch den Wortlaut der Richtlinie 2004/38 noch durch den der Verordnung Nr. 883/2004 untermauert wird und weder dem durch diese beiden Rechtsakte des abgeleiteten Rechts garantierten Ziel der Freizügigkeit noch dem u. a. in Art. 21 AEUV verankerten Ziel der Verfasser der Verträge entspricht, wenn einer Person wie A systematisch die Möglichkeit versagt wird, dem System der sozialen Sicherheit des Aufnahmemitgliedstaats angeschlossen zu werden, weil sie, zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Anschluss an dieses System arbeitslos ist.

155. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, zu entscheiden, dass Art. 21 AEUV sowie Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 und Art. 24 der Richtlinie 2004/38 in Verbindung mit deren Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und Art. 14 Abs. 2 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die es einem Aufnahmemitgliedstaat gestattet, einem wirtschaftlich inaktiven Unionsbürger, der die in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie aufgeführten Voraussetzungen erfüllt und der, da er den Mittelpunkt seiner gesamten Interessen in diesen Staat verlagert hat, eine tatsächliche Integrationsverbindung zu diesem Staat nachweist, den Anschluss an dessen System der sozialen Sicherheit und die Inanspruchnahme staatlich finanzierter Leistungen der Gesundheitsversorgung zu den gleichen Bedingungen wie Inländern unter allen Umständen automatisch zu versagen, weil der Unionsbürger keine unselbständige oder selbständige Erwerbstätigkeit in seinem Hoheitsgebiet ausübt.

V.      Ergebnis

156. In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die Vorlagefragen des Augstākā tiesa (Senāts), (Oberster Gerichtshof, Lettland) wie folgt zu antworten:

1.      Leistungen der öffentlichen Gesundheitsversorgung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die den Begünstigten ohne jede im Ermessen liegende individuelle Prüfung der persönlichen Bedürfnisse aufgrund eines gesetzlich umschriebenen Tatbestands gewährt werden, fallen nicht unter den Begriff „soziale und medizinische Fürsorge“ im Sinne von Art. 3 Abs. 5 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in der durch die Verordnung (EU) Nr. 1372/2013 der Kommission vom 19. Dezember 2013 geänderten Fassung, sondern unter den Begriff „Leistungen bei Krankheit“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a dieser Verordnung.

2.      Art. 11 Abs. 3 Buchst. e der Verordnung Nr. 883/2004 in der durch die Verordnung Nr. 1372/2013 geänderten Fassung gestattet lediglich die Bestimmung der Rechtsvorschriften, die für Leistungen bei Krankheit wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden gelten, und bezieht sich nicht auf die materiellen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme solcher Leistungen. Anhand dieser Vorschrift allein lässt sich nicht beurteilen, ob eine nationale Regelung, wonach ein Unionsbürger, der sein Recht auf Freizügigkeit ausübt, indem er seinen Herkunftsmitgliedstaat verlässt, um sich in einem anderen Mitgliedstaat niederzulassen, vom Anspruch auf staatlich finanzierte Leistungen der Gesundheitsversorgung ausgeschlossen wird, weil er in diesem Mitgliedstaat keine unselbständige oder selbständige Erwerbstätigkeit ausübt, mit dem Unionsrecht im Einklang steht.

3.      Art. 21 AEUV sowie Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 in der durch die Verordnung Nr. 1372/2013 geänderten Fassung und Art. 24 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und Art. 14 Abs. 2 dieser Richtlinie sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die es einem Aufnahmemitgliedstaat gestattet, einem wirtschaftlich inaktiven Unionsbürger, der die in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie aufgeführten Voraussetzungen erfüllt und der, da er den Mittelpunkt seiner gesamten Interessen in diesen Staat verlagert hat, eine tatsächliche Integrationsverbindung zu diesem Staat nachweist, den Anschluss an dessen System der sozialen Sicherheit und die Inanspruchnahme staatlich finanzierter Leistungen der Gesundheitsversorgung zu den gleichen Bedingungen wie Inländern unter allen Umständen automatisch zu versagen, weil der Unionsbürger keine unselbständige oder selbständige Erwerbstätigkeit in seinem Hoheitsgebiet ausübt.


1      Originalsprache: Französisch.


2      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. 2004, L 158, S. 77, sowie Berichtigung ABl. 2004, L 229, S. 35).


3      Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. 2004, L 166, S. 1, und Berichtigung ABl. 2004, L 200, S. 1) in der durch die Verordnung (EU) Nr. 1372/2013 der Kommission vom 19. Dezember 2013 (ABl. 2013, L 346, S. 27) (im Folgenden: Verordnung Nr. 883/2004) geänderten Fassung.


4      Vgl. Urteile vom 11. November 2014, Dano (C‑333/13, im Folgenden: Urteil Dano, EU:C:2014:2358), vom 15. September 2015, Alimanovic (C‑67/14, im Folgenden: Urteil Alimanovic, EU:C:2015:597), und vom 25. Februar 2016, García-Nieto u. a. (C‑299/14, im Folgenden: Urteil García-Nieto, EU:C:2016:114).


5      Richtlinie des Rates vom 28. Juni 1990 über das Aufenthaltsrecht der aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen Arbeitnehmer und selbstständig Erwerbstätigen (ABl. 1990, L 180, S. 28).


6      Richtlinie des Rates vom 28. Juni 1990 über das Aufenthaltsrecht der Studenten (ABl. 1990, L 180, S. 30).


7      Richtlinie des Rates vom 28. Juni 1990 über das Aufenthaltsrecht (ABl. 1990, L 180, S. 26).


8      Diese Karte ermöglicht es ihrem Inhaber, während eines vorübergehenden Aufenthalts in einem der 27 Mitgliedstaaten der Union, in Island, Liechtenstein, Norwegen oder der Schweiz zu den gleichen Bedingungen und zu demselben Preis wie die in diesen Ländern versicherten Personen öffentliche Gesundheitsleistungen in Anspruch zu nehmen.


9      Verordnung des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (ABl. 1971, L 149, S. 2).


10      Vgl. Urteil vom 27. März 1985, Hoeckx (249/83, EU:C:1985:139, Rn. 10).


11      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 1992, Hughes (C‑78/91, EU:C:1992:331, Rn. 14).


12      Vgl. u. a. Urteile vom 27. November 1997, Meints (C‑57/96, EU:C:1997:564, Rn. 24), und vom 25. Juli 2018, A (Hilfe für eine schwerbehinderte Person) (C‑679/16, EU:C:2018:601, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).


13      Das vorlegende Gericht erläutert, dass diese Leistungen seit 2018 sowohl durch Pflichtbeiträge als auch durch Steuern finanziert würden.


14      Vgl. Urteil vom 16. Juli 1992, Hughes (C‑78/91, EU:C:1992:331, Rn. 21).


15      Vgl. im Rahmen der Verordnung Nr. 1408/71 Urteil vom 16. November 1972, Heinze (14/72, EU:C:1972:98, Rn. 8).


16      Vgl. Urteil vom 14. Juni 2016, Kommission/Vereinigtes Königreich (C‑308/14, im Folgenden: Urteil Kommission/Vereinigtes Königreich, EU:C:2016:436, Rn. 63) sowie Erwägungsgründe 3 und 4 der Verordnung Nr. 883/2004.


17      Vgl. Urteile vom 19. September 2013, Brey (C‑140/12, EU:C:2013:565, Rn. 40), und Rn. 64 des Urteils Kommission/Vereinigtes Königreich sowie 15. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 883/2004.


18      Vgl. u. a. Urteile vom 10. März 2009, Hartlauer (C‑169/07, EU:C:2009:141, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung), sowie vom 16. Juli 2009, von Chamier-Glisczinski (C‑208/07, EU:C:2009:455, Rn. 63).


19      Zum Unterschied zwischen Art. 14 Abs. 4 Buchst. b und Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 vgl. Fn. 43 der vorliegenden Schlussanträge.


20      Vgl. in diesem Sinne Urteile Dano (Rn. 61) und vom 6. Oktober 2020, Jobcenter Krefeld (C‑181/19, im Folgenden: Urteil Jobcenter Krefeld, EU:C:2020:794, Rn. 60).


21      Vgl. Urteil Dano (Rn. 69).


22      Vgl. u. a. Rn. 71 und 73 des Urteils Dano sowie Urteile vom 30. Juni 2016, NA (C‑115/15, EU:C:2016:487, Rn. 76), und vom 2. Oktober 2019, Bajratari (C‑93/18, EU:C:2019:809, Rn. 29).


23      Vgl. Urteil Dano (Rn. 71).


24      Vgl. Urteil Dano (Rn. 71).


25      Vgl. Urteil Dano (Rn. 82).


26      Vgl. Urteil Dano (Rn. 83).


27      Urteil vom 19. September 2013 (C‑140/12, EU:C:2013:565). Vgl. insbesondere Rn. 44 und 47 dieses Urteils, in denen der Gerichtshof einen Zusammenhang zwischen dem Recht auf Sozialleistungen nach der Verordnung Nr. 883/2004 und der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts im Aufnahmemitgliedstaat herstellt, der von der Voraussetzung abhängig gemacht werden kann, dass die in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind.


28      Urteil Alimanovic (Rn. 69).


29      Urteil García-Nieto (Rn. 38).


30      Urteil Kommission/Vereinigtes Königreich (Rn. 68).


31      Vgl. in diesem Sinne Urteil García-Nieto (Rn. 40). Ich möchte hervorheben, dass sich eine Person wie Frau Dano nach den Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats rechtmäßig in diesem Mitgliedstaat aufhielt. Sie hatte dort im Übrigen eine unbefristete Freizügigkeitsbescheinigung erhalten (vgl. Rn. 36 des Urteils Dano). Da sie nicht über ausreichende Existenzmittel im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 verfügte, hielt sie sich dort jedoch nicht rechtmäßig im Sinne dieser Richtlinie auf.


32      Vgl. in diesem Sinne Rn. 43 des Urteils García-Nieto.


33      In der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen ist, hatte die Kommission vorgetragen, die Richtlinie 2004/38 sei auf Leistungen der sozialen Sicherheit nicht anwendbar (vgl. Rn. 44 und 46 des Urteils). Nachdem der Gerichtshof klargestellt hatte, dass die in Rede stehenden Leistungen, nämlich Kindergeld, Leistungen der sozialen Sicherheit seien (Rn. 61 des Urteils), hat er die Richtlinie auf diese Leistungen angewandt (vgl. Rn. 66 und 68 des Urteils) und die Klage auf Feststellung, dass das Vereinigte Königreich seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, indem es die Gewährung der Leistungen von einer Voraussetzung des rechtmäßigen Aufenthalts in seinem Hoheitsgebiet abhängig gemacht hat, abgewiesen.


34      Vgl. Nrn. 3.7 und 20 Abs. 2 der Vorlageentscheidung.


35      Vgl. auch Nr. 84 der vorliegenden Schlussanträge.


36      Siehe, zum Vergleich, Nr. 22 der vorliegenden Schlussanträge.


37      Rn. 77 dieses Urteils.


38      Ich weise darauf hin, dass die Freizügigkeit wirtschaftlich inaktiver Unionsbürger gemäß Art. 21 AEUV, der vorsieht, dass „[j]eder Unionsbürger … das Recht [hat], sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in den Verträgen und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten“, durch das abgeleitete Recht eingeschränkt werden kann.


39      Vgl. Urteil Jobcenter Krefeld (Rn. 79), aus dem diese Wendung stammt.


40      Vgl. Rn. 60 ff. dieses Urteils. Es bezieht sich auf einen Unionsbürger, der zu dem Zeitpunkt, zu dem er im Aufnahmemitgliedstaat, in dem er zuvor gearbeitet hatte, für sich selbst und seine Kinder Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beantragt hat, wirtschaftlich inaktiv ist. Da er seine Einstufung als Arbeitnehmer verloren hatte, in diesem Mitgliedstaat aber eine neue Beschäftigung suchte, fiel er in den Anwendungsbereich von Art. 14 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2004/38. Darüber hinaus leitete er aus der Schulpflichtigkeit seiner Kinder im Aufnahmemitgliedstaat und damit aus dem Recht auf Gleichbehandlung mit dessen Staatsangehörigen im Bereich der Sozialhilfe ein auf Art. 10 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (ABl. 2011, L 141, S. 1) beruhendes Aufenthaltsrecht in diesem Staat her.


41      Vgl. Urteil Jobcenter Krefeld (Rn. 65).


42      Vgl. Urteil Jobcenter Krefeld (Rn. 69 und 70).


43      Während sich Art. 14 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 auf Personen bezieht, die sich über die ersten drei Monate nach ihrer Einreise hinaus im Aufnahmemitgliedstaat aufhalten, um dort eine Beschäftigung zu suchen, und aufgrund der Anwendung der Ausnahme in Art. 24 Abs. 2 dieser Richtlinie keinen Anspruch auf die Sozialhilfeleistungen des besagten Mitgliedstaats haben, betrifft deren Art. 14 Abs. 2 andere Personen, die ein Aufenthaltsrecht aufgrund von Art. 7 dieser Richtlinie haben und die Voraussetzungen der letztgenannten Vorschrift weiterhin erfüllen, so dass sie gemäß Art. 24 Abs. 1 dieser Richtlinie grundsätzlich Anspruch auf Gleichbehandlung mit Inländern haben.


44      Hervorhebung nur hier.


45      Vgl. in diesem Sinne Urteil Dano (Rn. 77).


46      Vgl. in diesem Sinne Urteil Dano (Rn. 71).


47      Definition dem Wörterbuch Le Robert entnommen.


48      Urteil vom 17. September 2002 (C‑413/99, im Folgenden: Urteil Baumbast, EU:C:2002:493), das die Richtlinie 90/364 betraf, die der Richtlinie 2004/38 vorausgegangen ist und eine ähnliche Krankenversicherungspflicht enthielt.


49      Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat – Hilfestellung bei der Umsetzung und Anwendung der Richtlinie 2004/38 (KOM[2009] 313 endg. [im Folgenden: Leitlinien zur Anwendung der Richtlinie 2004/38]).


50      Vgl. in diesem Sinne Urteil Baumbast (Rn. 89) und Schlussanträge des Generalanwalts Geelhoed in der Rechtssache Baumbast (C‑413/99, EU:C:2001:385, Nr. 116). Diese Erwägung wird im Übrigen durch die in der vorstehenden Fußnote erwähnten Leitlinien untermauert, wonach sich der Krankenversicherungsschutz aus dem Anschluss an das System der sozialen Sicherheit des Herkunftsmitgliedstaats des Unionsbürgers ergeben kann. Die Kommission nennt als Beispiel Rentner, die nach dem Recht des Mitgliedstaats, der ihre Rente zahlt, Anspruch auf medizinische Versorgung hätten. Sie führt darüber hinaus den Fall an, dass das Recht des Herkunftsmitgliedstaats Leistungen der Gesundheitsversorgung eines Studenten abdeckt, der sich für sein Studium in einen anderen Mitgliedstaat begibt, ohne jedoch seinen Wohnort im Sinne der Verordnung Nr. 1408/71 (jetzt Verordnung Nr. 883/2004) zu verlegen.


51      Die Krankenversicherungspflicht findet sich in zwei weiteren Bestimmungen der Richtlinie 2004/38, und zwar in Art. 12 Abs. 2 Unterabs. 2 und in Art. 13 Abs. 2 Unterabs. 2. Die Formulierung dieser Pflicht ist in dem Sinne ein wenig deutlicher, als sie von den Betreffenden einen umfassenden Krankenversicherungsschutz durch eine Krankenversicherung im Aufnahmemitgliedstaat verlangt, hinsichtlich der Art des Versicherungsschutzes aber, wie in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c dieser Richtlinie, dem Wortlaut nach neutral ist.


52      Dieser Erwägungsgrund spiegelt den vierten Erwägungsgrund der Richtlinie 90/364 wider. Vgl. auch Urteil vom 21. Dezember 2011, Ziolkowski und Szeja (C‑424/10 und C‑425/10, EU:C:2011:866, Rn. 40).


53      Vgl. Nr. 11 der vorliegenden Schlussanträge.


54      Adonnino-Bericht an den Europäischen Rat von Brüssel vom 29. und 30. März 1985 (Bulletin der Europäischen Gemeinschaften, Beilage Nr. 7/85, S. 9 und 10). In diesem Bericht ist auf Ersuchen der Staats- und Regierungschefs eine Reihe von Vorschlägen ausgearbeitet worden, um die Rechte der Unionsbürger, insbesondere das Aufenthaltsrecht, zu stärken. Vgl. in diesem Sinne auch Schlussanträge des Generalanwalts La Pergola in der Rechtssache Kaba (C‑356/98, EU:C:1999:470, Fn. 123), die auf den genannten Bericht Bezug nehmen.


55      Vgl. Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über das Aufenthaltsrecht (KOM[89] 275 endg. [ABl. 1989, C 191, S. 5]). Ich stelle fest, dass der erste Vorschlag für ein allgemeines Aufenthaltsrecht bis zum Ende der 1970er Jahre zurückreicht. Die Voraussetzung eines Krankenversicherungsschutzes wurde darin nicht erwähnt. Vgl. den am 31. Juli 1979 dem Rat von der Kommission vorgelegten Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über das Aufenthaltsrecht der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats (ABl. 1979, C 207, S. 14).


56      Hervorhebung nur hier (vgl. Nr. 2.3.2 dieser Leitlinien). Ich füge hinzu, dass die Leitlinien nicht rechtsverbindlich sind, aber eine Auslegungsquelle darstellen können.


57      Vgl. Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2016 zur Änderung der Verordnung Nr. 883/2004 und der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung Nr. 883/2004 (COM[2016] 815 final), insbesondere Art. 1 Abs. 3 dieses Vorschlags.


58      In der mündlichen Verhandlung in jener Rechtssache hat die Kommission in Beantwortung einer Frage des Gerichtshofs nach der Möglichkeit eines freiwilligen Beitritts zur Sozialversicherung des Aufnahmemitgliedstaats ausgeführt, dass dann, wenn der Aufnahmemitgliedstaat die Möglichkeit eines Zugangs zu seinem öffentlichen Gesundheitssystem durch einen mehr als symbolischen Beitrag vorsehe, dieser Weg eingeschlagen werden müsse, damit inaktive Unionsbürger, die ihr Recht auf Freizügigkeit ausgeübt hätten, nicht verpflichtet seien, eine private Versicherung abzuschließen.


59      Vgl. in diesem Sinne Urteil Baumbast (Rn. 81 bis 85). Vgl. auch Fn. 38 der vorliegenden Schlussanträge.


60      Vgl. Urteil Baumbast (Rn. 90).


61      Vgl. Urteil Baumbast (Rn. 91).


62      Urteil vom 20. September 2001 (C‑184/99, im Folgenden: Urteil Grzelczyk, EU:C:2001:458).


63      Vgl. in diesem Sinne Urteil Grzelczyk (Rn. 44 und 45).


64      Ich erinnere jedoch daran, dass diese Person, wie ich in Fn. 40 der vorliegenden Schlussanträge dargelegt habe, ihr Aufenthaltsrecht im Aufnahmemitgliedstaat aus der Verordnung Nr. 492/2011 herleitete, weil sie zuvor dort gearbeitet hatte und ihre Kinder dort zur Schule gingen.


65      Wie ich in Nr. 22 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt habe, hat er 2018 eine Beschäftigung in Lettland gefunden. Ich möchte darauf hinweisen, dass dieser Umstand nichts an seinem Rechtsschutzinteresse und damit an der Zulässigkeit der Vorlagefragen, die im Übrigen nicht problematisiert worden ist, ändert. Das vorlegende Gericht hebt selbst zum einen hervor, dass die Entscheidung über die Verweigerung der Mitgliedschaft möglicherweise rechtswidrig gewesen sei, was eine Klagebefugnis begründet. Zum anderen würde mit einer Rechtswidrigkeitsfeststellung auch nach Beendigung des Arbeitsrechtsverhältnisses vermieden, dass der Urheber dieser Entscheidung dem Kläger gegenüber eine neue ähnliche Entscheidung erlässt (vgl. entsprechend Urteil vom 28. Mai 2013, Abdulrahim/Rat und Kommission, C‑239/12 P, EU:C:2013:331, Rn. 61, 63 und 64).


66      Vgl. u. a. Urteile vom 11. Juli 2002, D’Hoop (C‑224/98, EU:C:2002:432), vom 15. März 2005, Bidar (C‑209/03, im Folgenden: Urteil Bidar, EU:C:2005:169), vom 23. Oktober 2007, Morgan und Bucher (C‑11/06 und C‑12/06, EU:C:2007:626), vom 18. November 2008, Förster (C‑158/07, EU:C:2008:630), vom 25. Oktober 2012, Prete (C‑367/11, EU:C:2012:668), vom 18. Juli 2013, Prinz und Seeberger (C‑523/11 und C‑585/11, EU:C:2013:524), vom 24. Oktober 2013, Thiele Meneses (C‑220/12, EU:C:2013:683), vom 26. Februar 2015, Martens (C‑359/13, EU:C:2015:118), und vom 25. Juli 2018, A (Hilfe für eine schwerbehinderte Person) (C‑679/16, EU:C:2018:601).


67      Rn. 56 des Urteils.


68      Vgl. Urteil Bidar (Rn. 57).


69      Vgl. Urteil Bidar (Rn. 61 und 63).


70      Urteil vom 18. November 2008 (C‑158/07, EU:C:2008:630).


71      Im Urteil vom 25. Juli 2018, A (Hilfe für eine schwerbehinderte Person) (C‑679/16, EU:C:2018:601, Rn. 69 bis 71), hat der Gerichtshof entschieden, dass das Bestehen einer tatsächlichen und hinreichenden Verbundenheit mit dem betreffenden Mitgliedstaat dadurch das finanzielle Gleichgewicht des Systems der sozialen Sicherheit gewährleisten soll, dass es diesem Mitgliedstaat ermöglicht, sich zu vergewissern, dass die Auszahlung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Leistung keine unangemessene wirtschaftliche Belastung zur Folge hat.


72      Vgl. Urteil vom 21. Juli 2011, Stewart (C‑503/09, EU:C:2011:500, Rn. 100).


73      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Oktober 2013, Thiele Meneses (C‑220/12, EU:C:2013:683, Rn. 38).


74      Vgl. Urteil vom 25. Oktober 2012, Prete (C‑367/11, EU:C:2012:668, Rn. 50).


75      Vgl. Urteil vom 26. Februar 2015, Martens (C‑359/13, EU:C:2015:118, Rn. 41).


76      Vgl. Urteil vom 4. Oktober 2012, Kommission/Österreich (C‑75/11, EU:C:2012:605, Rn. 63).


77      Vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 23. März 2004, Collins (C‑138/02, EU:C:2004:172, Rn. 70 und 73).


78      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. März 2009, Hartlauer (C‑169/07, EU:C:2009:141, Rn. 46).


79      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. April 1998, Kohll (C‑158/96, EU:C:1998:171, Rn. 45).


80      Vgl. Urteile vom 10. März 2009, Hartlauer (C‑169/07, EU:C:2009:141, Rn. 47), und vom 16. Mai 2006, Watts (C‑372/04, EU:C:2006:325, Rn. 103 und 104 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).


81      Vgl. zu den verschiedenen Arten der Finanzierung der Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten Mantu, S., und Minderhoud, P., „Exploring the Links between Residence and Social Rights for Economically Inactive EU Citizens“, European Journal of Migration and Law, 2019, Bd. 21, Nr. 3, S. 313 bis 337, insbesondere Nr. 2.3.


82      Vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 13. April 2010, Bressol u. a. (C‑73/08, EU:C:2010:181, Rn. 71).


83      In einem solchen Fall hindert nichts die Mitgliedstaaten daran, in ihren Rechtsvorschriften eine Bestimmung vorzusehen, mit der Versicherungsgunternehmen dazu gezwungen werden, in ihre Verträge eine Klausel aufzunehmen, die sich auf die direkte Rückzahlung zugunsten der Unionsbürger getätigter Gesundheitsausgaben an den Staat bezieht, um zu verhindern, dass die Unionsbürger zu einer unangemessenen Belastung werden. Wenn die Mitgliedstaaten die Höhe der Zusatzbeiträge oder die Verpflichtung zur Beibehaltung eines umfassenden privaten Krankenversicherungsschutzes festlegen, sollten sie im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darüber hinaus jedoch dafür Sorge tragen, dass die Unionsbürger diese Anforderungen erfüllen können und die geforderten Beträge die Erfüllung folglich nicht unmöglich machen oder übermäßig erschweren.


84      Folglich lässt sich nicht ausschließen, dass ein solcher Unionsbürger, der ursprünglich eine umfassende private Krankenversicherung abgeschlossen hat, um die Voraussetzungen von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 zu erfüllen, diese Versicherung vorbehaltlich der in Nr. 124 der vorliegenden Schlussanträge beschriebenen Situation kündigt und die Mitgliedschaft in der Sozialversicherung des Aufnahmemitgliedstaats an ihre Stelle tritt.


85      Vgl. in diesem Sinne Urteil Grzelczyk (Rn. 44).


86      Vgl. in diesem Sinne Urteile García-Nieto (Rn. 46) und Alimanovic (Rn. 62).


87      Vgl. Urteil García-Nieto (Rn. 50). So hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Richtlinie 2004/38, indem sie ein abgestuftes System für die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft schafft, das das Aufenthaltsrecht und den Zugang zu Sozialleistungen sichern soll, selbst verschiedene Faktoren berücksichtige, die die jeweiligen persönlichen Umstände der eine Sozialleistung beantragenden Person kennzeichneten (vgl. Urteile García-Nieto, Rn. 47, und Alimanovic, Rn. 60).


88      Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung Nr. 883/2004 (ABl. 2009, L 284, S. 1). Vgl. auch Nr. 118 der vorliegenden Schlussanträge.


89      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 2009, von Chamier-Glisczinski (C‑208/07, EU:C:2009:455, Rn. 85). Der Umzug führt möglicherweise sogar dazu, dass bestimmte Rechte, namentlich im Bereich der Altersrente, für einen Zeitraum vollkommen verloren gehen. In einem solchen Fall hat der Gerichtshof im Urteil vom 19. September 2019, van den Berg u. a. (C‑95/18 und C‑96/18, EU:C:2019:767, Rn. 65), allerdings hervorgehoben, dass es, um einen solchen Verlust zu vermeiden, besonders angezeigt ist, dass die Mitgliedstaaten auf die ihnen durch die Verordnung Nr. 883/2004 gegebene Möglichkeit zurückgreifen, Ausnahmen vom Grundsatz der Anwendbarkeit nur eines Rechts zu vereinbaren.


90      Vgl. Urteil vom 8. Mai 2019, Inspecteur van de Belastingdienst (C‑631/17, EU:C:2019:381, Rn. 38 und 39).


91      Vgl. Urteil vom 5. März 2020, Pensionsversicherungsanstalt (Rehabilitationsleistung) (C‑135/19, EU:C:2020:177, Rn. 52).


92      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Mai 2019, Inspecteur van de Belastingdienst (C‑631/17, EU:C:2019:381, Rn. 38, 39 und 42).


93      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Mai 2019, Inspecteur van de Belastingdienst (C‑631/17, EU:C:2019:381, Rn. 42 und 43).


94      Vgl. Urteil vom 8. Mai 2019, Inspecteur van de Belastingdienst (C‑631/17, EU:C:2019:381, Rn. 45 und 46 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).


95      Vgl. in diesem Sinne 42. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 883/2004.


96      Vorbehaltlich der in den Nrn. 123 und 124 der vorliegenden Schlussanträge erwähnten Situation.


97      Vgl. Urteil Grzelczyk (Rn. 31).


98      Vgl. Urteil vom 10. Dezember 2018, Wightman u. a. (C‑621/18, EU:C:2018:999, Rn. 61), in dem der Gerichtshof das Ziel der Verträge hervorgehoben hat, „eine immer engere Union der Völker Europas“ zu schaffen.


99      Vgl. sechsten Erwägungsgrund des EU-Vertrags.