Language of document : ECLI:EU:C:2016:552

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

PAOLO MENGOZZI

vom 13. Juli 2016(1)

Verbundene Rechtssachen C‑154/15, C‑307/15 und C‑308/15

Francisco Gutiérrez Naranjo

gegen

Cajasur Banco S.A.U. (C‑154/15)

und

Ana María Palacios Martínez

gegen

Banco Bilbao Vizcaya Argentaria SA (C‑307/15)

und

Banco Popular Español SA

gegen

Emilio Irles López,

Teresa Torres Andreu (C‑308/15)

(Vorabentscheidungsersuchen des Juzgado de lo Mercantil n° 1 de Granada [Handelsgericht Nr. 1 Granada, Spanien] [Rechtssache C‑154/15] und der Audiencia Provincial de Alicante [Provinzgericht Alicante, Spanien] [Rechtssachen C‑307/15 und C‑308/15])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Verbraucherverträge – Missbräuchliche Klauseln – Befugnisse des nationalen Gerichts – Nichtigerklärung – Wirkungen – Pflicht zur Rückerstattung der auf der Grundlage einer für missbräuchlich erklärten Klausel vereinnahmten Beträge – Keine Rückwirkung – Vereinbarkeit mit Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG“


Inhaltsverzeichnis


I – Rechtlicher Rahmen

A – Richtlinie 93/13

B – Spanisches Recht

1. Rechtsvorschriften

2. Die Rechtsprechung des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof)

a) Urteil vom 9. Mai 2013

b) Urteile vom 25. März 2015 und 29. April 2015

II – Sachverhalt, Ausgangsrechtsstreitigkeiten und Vorlagefragen

A – Rechtssache C‑154/15

B – Rechtssachen C‑307/15 und C‑308/15

1. Rechtssache C‑307/15

2. Rechtssache C‑308/15

3. Vorlagefragen in den Rechtssachen C‑307/15 und C‑308/15

III – Verfahren vor dem Gerichtshof

A – Zum Antrag auf Behandlung der Rechtssachen C‑307/15 und C‑308/15 im beschleunigten Verfahren

B – Zum Ablauf des schriftlichen und des mündlichen Verfahrens

IV – Rechtliche Würdigung

A – Zu den Vorlagefragen, gemeinsam betrachtet, der Rechtssache C‑154/15 und zur ersten den Rechtssachen C‑307/15 und C‑308/15 gemeinsamen Frage

1. Zum Schutzniveau, das den Verbrauchern von der Rechtsprechung des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) im Vergleich zur Richtlinie 93/13 eingeräumt wird

2. Zur Tragweite der den Mitgliedstaaten von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 auferlegten Pflicht

a) Eine wenig aufschlussreiche wörtliche Auslegung

b) Rückblick auf die Rechtsprechung

c) Anwendung auf den vorliegenden Fall

B – Zu den anderen Vorlagefragen

V – Ergebnis






1.        Die spanischen Gerichte haben wesentlich zur Entwicklung der Rechtsprechung zur Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen(2) beigetragen, indem sie dem Gerichtshof mehrfach Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt haben, die diesen dazu veranlasst haben, ihre Auslegung zu präzisieren. Heute sind es Rechtsstreitigkeiten über Mindestzinssatzklauseln, die in mit Verbrauchern geschlossene Darlehensverträge aufgenommen werden und die spanischen Gerichte und inzident den Gerichtshof(3) beschäftigen. Diese Klauseln sehen vor, dass das Kreditinstitut, das ein Hypothekendarlehen mit variablem Zinssatz gewährt, eine Untergrenze auf die Schwankung des Zinssatzes anwendet, so dass der Verbraucher, selbst wenn der anwendbare Zinssatz unter einer bestimmten Schwelle liegt, weiterhin Mindestzinsen in Höhe dieser Schwelle zahlt.

2.        Die vorliegenden Rechtssachen werfen eine Grundsatzfrage auf, die weniger die Mindestzinssatzklauseln selbst als vielmehr die Wirkungen betrifft, mit denen die Feststellung der Missbräuchlichkeit solcher Klauseln einhergehen muss. Der Kontext, in dem sich diese Frage stellt, ist insofern besonders, als er eine Reihe von Urteilen des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) betrifft, in denen dieses entschieden hat, dass die Verbraucher die Rückzahlung der Beträge, die sie auf der Grundlage der Mindestzinssatzklauseln an Finanzinstitute gezahlt haben, erst ab dem Zeitpunkt seines ersten Urteils erhalten können, in dem die Nichtigkeit dieser Klauseln wegen Missbräuchlichkeit festgestellt worden ist, d. h. dem 9. Mai 2013.

I –    Rechtlicher Rahmen

A –    Richtlinie 93/13

3.        Aus dem vierten Erwägungsgrund der Richtlinie 93/13 geht hervor, dass „[d]ie Mitgliedstaaten … dafür Sorge tragen [müssen], dass die mit den Verbrauchern abgeschlossenen Verträge keine missbräuchlichen Klauseln enthalten“.

4.        Im zwölften Erwägungsgrund der Richtlinie 93/13 heißt es, dass „[b]eim derzeitigen Stand der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften nur eine teilweise Harmonisierung in Betracht [kommt]. … Den Mitgliedstaaten muss es freigestellt sein, dem Verbraucher unter Beachtung des Vertrags einen besseren Schutz durch strengere einzelstaatliche Vorschriften als den in dieser Richtlinie enthaltenen Vorschriften zu gewähren.“

5.        Im 16. Erwägungsgrund der Richtlinie 93/13 hat der Unionsgesetzgeber ausgeführt, dass „[d]ie nach den generell festgelegten Kriterien erfolgende Beurteilung der Missbräuchlichkeit von Klauseln … durch die Möglichkeit einer globalen Bewertung der Interessenlagen der Parteien ergänzt werden [muss]. Diese stellt das Gebot von Treu und Glauben dar. Bei der Beurteilung von Treu und Glauben ist besonders zu berücksichtigen, welches Kräfteverhältnis zwischen den Verhandlungspositionen der Parteien bestand … Dem Gebot von Treu und Glauben kann durch den Gewerbetreibenden Genüge getan werden, indem er sich gegenüber der anderen Partei, deren berechtigten Interessen er Rechnung tragen muss, loyal und billig verhält.“

6.        Der 18. Erwägungsgrund der Richtlinie 93/13 bekräftigt, dass „[b]ei der Beurteilung der Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln … der Art der Güter bzw. Dienstleistungen Rechnung zu tragen [ist]“.

7.        Der 20. Erwägungsgrund der Richtlinie 93/13 verlangt, dass „[d]ie Verträge … in klarer und verständlicher Sprache abgefasst sein [müssen]. Der Verbraucher muss tatsächlich die Möglichkeit haben, von allen Vertragsklauseln Kenntnis zu nehmen. Im Zweifelsfall ist die für den Verbraucher günstigste Auslegung anzuwenden.“

8.        Der 21. Erwägungsgrund der Richtlinie 93/13 sieht vor, dass „[d]ie Mitgliedstaaten … sicherstellen müssen, dass in von einem Gewerbetreibenden mit Verbrauchern abgeschlossenen Verträgen keine missbräuchlichen Klauseln verwendet werden. Wenn derartige Klauseln trotzdem verwendet werden, müssen sie für den Verbraucher unverbindlich sein; die verbleibenden Klauseln müssen jedoch weiterhin gelten und der Vertrag im Übrigen auf der Grundlage dieser Klauseln für beide Teile verbindlich sein, sofern ein solches Fortbestehen ohne die missbräuchlichen Klauseln möglich ist.“

9.        Im 24. Erwägungsgrund der Richtlinie 93/13 heißt es, dass „[d]ie Gerichte … der Mitgliedstaaten … über angemessene und wirksame Mittel verfügen [müssen], damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln in Verbraucherverträgen ein Ende gesetzt wird“.

10.      Art. 3 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 93/13 bestimmt:

„(1)      Eine Vertragsklausel, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde, ist als missbräuchlich anzusehen, wenn sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht.

(2)      Eine Vertragsklausel ist immer dann als nicht im Einzelnen ausgehandelt zu betrachten, wenn sie im Voraus abgefasst wurde und der Verbraucher deshalb, insbesondere im Rahmen eines vorformulierten Standardvertrags, keinen Einfluss auf ihren Inhalt nehmen konnte.“

11.      Art. 4 der Richtlinie 93/13 hat folgenden Wortlaut:

„(1)      Die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel wird unbeschadet des Artikels 7 unter Berücksichtigung der Art der Güter oder Dienstleistungen, die Gegenstand des Vertrages sind, aller den Vertragsabschluss begleitenden Umstände sowie aller anderen Klauseln desselben Vertrages oder eines anderen Vertrages, von dem die Klausel abhängt, zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses beurteilt.

(2)      Die Beurteilung der Missbräuchlichkeit der Klauseln betrifft weder den Hauptgegenstand des Vertrages noch die Angemessenheit zwischen dem Preis bzw. dem Entgelt und den Dienstleistungen bzw. den Gütern, die die Gegenleistung darstellen, sofern diese Klauseln klar und verständlich abgefasst sind.“

12.      In Art. 5 der Richtlinie 93/13 heißt es, dass, „[wenn] alle dem Verbraucher in Verträgen unterbreiteten Klauseln oder einige dieser Klauseln schriftlich niedergelegt [sind], … sie stets klar und verständlich abgefasst sein [müssen]. Bei Zweifeln über die Bedeutung einer Klausel gilt die für den Verbraucher günstigste Auslegung.“

13.      Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 bestimmt, dass „[d]ie Mitgliedstaaten [vor]sehen …, dass missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich sind, und … die Bedingungen hierfür in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften fest[legen]; sie sehen ferner vor, dass der Vertrag für beide Parteien auf derselben Grundlage bindend bleibt, wenn er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen kann“.

14.      Nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 sorgen „[d]ie Mitgliedstaaten … dafür, dass im Interesse der Verbraucher und der gewerbetreibenden Wettbewerber angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird“.

15.      Art. 8 der Richtlinie 93/13 sieht vor, dass „[d]ie Mitgliedstaaten auf dem durch diese Richtlinie geregelten Gebiet mit dem Vertrag vereinbare strengere Bestimmungen erlassen [können], um ein höheres Schutzniveau für die Verbraucher zu gewährleisten“.

B –    Spanisches Recht

1.      Rechtsvorschriften

16.      Gemäß Art. 1303 Zivilgesetzbuch, der die Folgen regelt, die sich aus der Feststellung der Nichtigkeit ergeben, müssen, wenn „die Nichtigkeit einer Verpflichtung festgestellt worden [ist], … die Vertragsparteien einander die Sachen, die Gegenstand des Vertrags gewesen sind, mit ihren Früchten sowie den Preis mit den Zinsen zurückerstatten“.

17.      Gemäß Art. 83 der Ley General para la Defensa de los Consumidores y Usuarios y otras leyes complementarias (Allgemeines Gesetz über den Schutz der Verbraucher und Benutzer mit Nebengesetzen, im Folgenden: LGDCU)(4) „[sind m]issbräuchliche Klauseln … nichtig und gelten als nicht vereinbart. Zu diesem Zweck erklärt das Gericht nach Anhörung der Parteien missbräuchliche Klauseln im Vertrag für unwirksam; die Parteien sind jedoch weiterhin an den Vertrag in seinem ursprünglichen Wortlaut gebunden, wenn er ohne diese Klauseln fortbestehen kann“.

2.      Die Rechtsprechung des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof)

a)      Urteil vom 9. Mai 2013

18.      In seinem Urteil vom 9. Mai 2013(5) hat sich das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) im Zusammenhang mit einer von einer Verbraucherschutzvereinigung gegen drei Kreditinstitute erhobenen Verbandsklage mit der Missbräuchlichkeit von Mindestzinssatzklauseln befasst.

19.      Das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) stellte fest, dass Mindestzinssatzklauseln, da sie untrennbar mit dem Preis oder der Gegenleistung zusammenhingen, zum Hauptgegenstand des Vertrags gehörten, so dass es grundsätzlich nicht möglich sei, die Missbräuchlichkeit ihres Inhalts zu kontrollieren. Da der Gerichtshof jedoch erlaubt habe, die Klauseln, die den Hauptgegenstand des Vertrags festlegten, gerichtlich zu kontrollieren, um ein höheres Schutzniveau für die Verbraucher zu gewährleisten, hat das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) die Auffassung vertreten, dass es die eventuelle Missbräuchlichkeit von Mindestzinssatzklauseln prüfen könne, indem es sich darauf berief, dass das Urteil vom 3. Juni 2010, Caja de Ahorros y Monte de Piedad de Madrid(6), es dazu berechtige, eine Kontrolle auszuüben, die sich nicht einfach auf die Prüfung beschränke, ob die Klauseln klar formuliert seien. Das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) räumte ein, dass der Wortlaut von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 nur auf eine formale Transparenzkontrolle der Klauseln, die den Hauptgegenstand des Vertrags festlegten, abziele. Jedoch entschied es gemäß seiner Auslegung des Urteils des Gerichtshofs vom 3. Juni 2010, Caja de Ahorros y Monte de Piedad de Madrid(7), dass die spanischen Gerichte diese Klauseln zusätzlich zu diesem ersten Transparenzfilter einer zweiten, auf Art. 80 Abs. 1 LGDCU(8) gestützten Kontrolle unterziehen könnten, die strenger sei als die von der Richtlinie 93/13 vorgesehene. Nach Ansicht des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) legt diese Bestimmung einen zweiten Transparenzfilter fest, der darin bestehe, zu prüfen, ob der Verbraucher die ihm durch den Vertrag aufgebürdeten wirtschaftlichen und rechtlichen Lasten gekannt habe oder leicht habe kennen können. Zwar entschied das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof), dass Mindestzinssatzklauseln zulässig seien, soweit sie die gesetzlichen Transparenzanforderungen beachteten, und mit der ersten Transparenzkontrolle vereinbar seien, in Bezug auf die zweite Kontrolle entschied es jedoch anders(9). Dementsprechend stufte es die Mindestzinssatzklauseln als „missbräuchlich“ ein, stellte ihre Nichtigkeit fest, hielt aber die Gültigkeit der Verträge, in denen sie enthalten waren, aufrecht und legte den drei Kreditinstituten, die Parteien des bei ihm anhängigen Verfahrens waren, auf, diese Klauseln aus den bestehenden Verträgen zu streichen und sie nicht weiter zu verwenden.

20.      Weil es der Auffassung war, ex novo eine verstärkte Kontrolle der Transparenz der streitigen Klauseln angewandt zu haben, beschränkte das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) auf Antrag des Ministerio fiscal die zeitlichen Wirkungen seines Urteils. So entschied es, dass die Rückwirkung gemäß der Grundsätze der Rechtssicherheit, der Billigkeit und des Verbots der ungerechtfertigten Bereicherung beschränkt werden könne, und prüfte das Vorliegen der beiden Kriterien, die vom Gerichtshof verlangt werden, wenn er dazu aufgerufen ist, die zeitlichen Wirkungen seiner eigenen Urteile zu beschränken, nämlich guter Glaube der Betroffenen und die Gefahr schwerwiegender wirtschaftlicher Störungen(10). Infolge dieser Prüfung(11) entschied es, dass die Feststellung der Nichtigkeit weder die Sachverhalte, über die durch rechtskräftige Gerichtsentscheidungen endgültig entschieden worden sei, noch die vor dem Tag der Verkündung des Urteils vom 9. Mai 2013 getätigten Zahlungen berühre.

b)      Urteile vom 25. März 2015 und 29. April 2015

21.      Am 25. März 2015 und 29. April 2015(12) entschied das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) über zwei Individualklagen, die gegen eines der Kreditinstitute erhoben worden waren, das Beklagter in dem Verbandsklageverfahren war, in dem das Urteil vom 9. Mai 2013 ergangen ist. Dabei vertrat es die Auffassung, dass die tatsächlichen Umstände mit denen, die seiner Entscheidung vom 9. Mai 2013 zugrunde gelegen hätten, identisch seien. Es bestätigte daher die Missbräuchlichkeit der Mindestzinssatzklauseln. Es war außerdem der Ansicht, dass dieselben Erwägungen hinsichtlich der Rechtssicherheit, des guten Glaubens und der Gefahren schwerwiegender wirtschaftlicher Störungen vorlägen. Daher beschränkte es die zeitlichen Wirkungen seiner Urteile vom 25. März 2015 und vom 29. April 2015, indem es die Verpflichtung, die in Anwendung der Mindestzinssatzklauseln gezahlten Beträge zurückzuerstatten, auf die Beträge beschränkte, die nach der Veröffentlichung des Urteils vom 9. Mai 2013 – dem Zeitpunkt, ab dem die Betroffenen nicht mehr gutgläubig gewesen seien – gezahlt worden waren.

II – Sachverhalt, Ausgangsrechtsstreitigkeiten und Vorlagefragen

A –    Rechtssache C‑154/15

22.      Herr Francisco Gutiérrez Naranjo schloss mit der Bank Cajasur Banco S.A.U. einen Hypothekendarlehensvertrag ab, der eine Mindestzinssatzklausel enthält. Herr Gutiérrez Naranjo erhob beim Juzgado de lo Mercantil n° 1 de Granada (Handelsgericht Nr. 1 Granada) Klage zum einen auf Unterlassung der Verwendung dieser Vertragsklausel, weil es sich um eine missbräuchliche Klausel handele, und zum anderen auf Rückzahlung der seit der Unterzeichnung des Darlehensvertrags gemäß der angeblich missbräuchlichen Klausel gezahlten Beträge.

23.      Der Juzgado de lo Mercantil n° 1 de Granada (Handelsgericht Nr. 1 Granada) weist auf die Ratio des vom spanischen Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) am 9. Mai 2013 erlassenen Urteils hin und stellt fest, dass dieses Urteil von den spanischen ordentlichen Gerichten unterschiedlich angewendet werde, insbesondere was seine mögliche Übertragung in den Kontext einer Klage betreffe, die keine Verbands-, sondern eine Individualklage sei. Für den Fall, dass es für möglich gehalten werden sollte, die Rückzahlung der Beträge, die nach einer für missbräuchlich erklärten Klausel ab dem Abschluss des diese Klausel enthaltenden Vertrags vereinnahmt worden seien, nicht zu gestatten, fragt sich der Juzgado de lo Mercantil n° 1 de Granada (Handelsgericht Nr. 1 Granada) außerdem, ab welchem Zeitpunkt man die fragliche Rückzahlung beginnen lassen sollte. Er fragt sich auch, ob eine solche Beschränkung der Restitutionswirkungen der Nichtigerklärung wegen Missbräuchlichkeit mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs vereinbar ist(13), obwohl er zu der Auffassung neigt, dass die Beschränkung der Wirkungen der Nichtigkeit nicht mit einer eventuellen Befugnis des nationalen Gerichts vergleichbar sei, den Inhalt der für missbräuchlich erklärten Klauseln zu verändern.

24.      Angesichts dieser Auslegungsschwierigkeit im Unionsrecht hat der Juzgado de lo Mercantil n° 1 de Granada (Handelsgericht Nr. 1 Granada) das Verfahren ausgesetzt und mit am 1. April 2015 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangener Entscheidung folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Ist die Auslegung von „Unverbindlichkeit“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 in diesen Fällen mit einer Auslegung vereinbar, wonach die Nichtigerklärung der Klausel ihre Wirkungen dennoch bis zur Nichtigerklärung entfaltet und deshalb so zu verstehen ist, dass die Wirkungen, die sie erzeugt hat, als sie wirksam war, auch wenn sie für nichtig erklärt wird, nicht aufgehoben oder unwirksam werden?

2.      Ist das Ende der Verwendung, das für eine bestimmte Klausel (nach Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13) im Rahmen einer Individualklage eines Verbrauchers angeordnet werden kann, wenn sie für nichtig erklärt wird, mit einer Beschränkung der Wirkungen der Nichtigkeit vereinbar? Dürfen die Gerichte, die Pflicht des Gewerbetreibenden zur Rückerstattung der Beträge, die der Verbraucher gemäß der Klausel, die später wegen fehlender Information und/oder Transparenz für von Anfang an nichtig erklärt wird, gezahlt hat, beschränken?

B –    Rechtssachen C‑307/15 und C‑308/15

1.      Rechtssache C‑307/15

25.      Frau Ana María Palacios Martínez schloss am 28. Juli 2006 mit der Banco Bilbao Vizcaya Argentaria SA (im Folgenden: BBVA) einen Hypothekendarlehensvertrag ab, in dem eine Mindestzinssatzklausel enthalten war. Am 6. März 2014 erhob Frau Palacios Martínez Klage gegen BBVA auf Feststellung der Nichtigkeit dieser Klausel wegen Missbräuchlichkeit. Am 3. November 2014 entschied der Juzgado de lo Mercantil n° 1 de Alicante (Handelsgericht Nr. 1 Alicante), dass die Klage gegenstandslos geworden sei(14); gemäß der Entscheidung des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) in seinem Urteil vom 9. Mai 2013 müsse BBVA jedoch die Beträge an Frau Palacios Martínez zurückerstatten, die sie nach dieser Klausel ab dem 9. Mai 2013 vereinnahmt habe.

26.      Frau Palacios Martínez legte gegen dieses Urteil bei der Audiencia Provincial de Alicante (Provinzgericht Alicante) Berufung ein. Ihrer Ansicht nach sind die in erster Instanz entschiedenen Bedingungen für die Rückzahlung weder mit Art. 1303 Zivilgesetzbuch noch mit dem in der Richtlinie 93/13 verankerten Grundsatz vereinbar, wonach missbräuchliche Klauseln für den Verbraucher unverbindlich seien. Da BBVA die Beträge, die sie seit dem Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrags mit Frau Palacios Martínez bis zum Zeitpunkt des Urteils des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) vereinnahmt habe, auf der Grundlage einer für missbräuchlich erklärten Vertragsklausel erhalten habe und die Rückerstattung dieser Beträge nur ab dem Zeitpunkt dieses Urteils verlangt werde, sei der Verbraucher somit teilweise an die missbräuchliche Klausel gebunden, obwohl die Richtlinie 93/13 eine absolute und bedingungslose Unverbindlichkeit verlange, um einen vollständigen Schutz des Verbrauchers sicherzustellen. Selbst unter der Annahme, dass die Kriterien des guten Glaubens und der Gefahr schwerwiegender wirtschaftlicher Störungen relevant seien, um vor dem nationalen Gericht die Wirkungen der Rückerstattung der aufgrund einer für missbräuchlich erklärten Klausel gezahlten Beträge zu beschränken, bestreitet Frau Palacios Martínez, dass BBVA als gutgläubig angesehen werden könne. Außerdem gehe BBVA kein schwerwiegendes Risiko ein, wenn sie verurteilt werden sollte, die Beträge zurückzuerstatten, die ihr Frau Palacios Martínez auf der Grundlage der für missbräuchlich erklärten Klausel gezahlt habe. Sollte ein wirtschaftliches Risiko bestehen, wäre es vielmehr das, das die Familie dieser Verbraucherin eingegangen sei.

2.      Rechtssache C‑308/15

27.      Am 1. Juni 2001 schlossen Herr Emilio Irles López und Frau Teresa Torres Andreu mit der Banco Popular Español SA(15) einen Hypothekendarlehensvertrag ab, in dem eine Mindestzinssatzklausel enthalten war. Im Mai und im Juni 2007 stimmte Banco Popular Español einer Kapitalerhöhung zu; jede Erhöhung führte zu einer Überprüfung dieser Mindestzinssatzklausel.

28.      Herr Irles López und Frau Torres Andreu erhoben beim Juzgado de lo Mercantil n° 3 de Alicante (Handelsgericht Nr. 3 Alicante) Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der im Vertrag von 2001 und in den späteren Schuldumwandlungen enthaltenen Mindestzinssatzklausel. Wegen ihrer fehlenden Transparenz müsse sie als missbräuchlich angesehen werden. Außerdem beantragten Herr Irles López und Frau Torres Andreu die Neuberechnung ihrer Raten ohne Anwendung der streitigen Klausel und die Verurteilung der Bank, ihnen die Differenz ab dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zurückzuerstatten.

29.      Am 10. November 2014 stellte der Juzgado de lo Mercantil n° 3 de Alicante (Handelsgericht Nr. 3 Alicante) die Nichtigkeit kraft Gesetzes der in den streitigen Rechtsgeschäften enthaltenen Mindestzinssatzklausel wegen Missbräuchlichkeit fest. Außerdem verurteilte er Banco Popular Español, Herrn Irles López und Frau Torres Andreu die Beträge, die sie auf der Grundlage dieser Klausel ab dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses unberechtigt vereinnahmt habe, zuzüglich Zinsen zurückzuerstatten.

30.      Banco Popular Español legte gegen dieses Urteil bei der Audiencia Provincial de Alicante (Provinzgericht Alicante) Berufung ein. Vor diesem Berufungsgericht bestreitet Banco Popular Español die Missbräuchlichkeit der in den Vertrag von 2001 aufgenommenen und im Jahr 2007 zweimal modifizierten Mindestzinssatzklausel und macht geltend, ihre Vertragspartner ausreichend informiert zu haben. Jedenfalls trägt Banco Popular Español vor, dass das erstinstanzliche Gericht dadurch, dass es sie zur rückwirkenden Erstattung der angeblich unberechtigt vereinnahmten Beträge verurteilt habe, von der in seinem Urteil vom 9. Mai 2013 begründeten Rechtsprechung des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) abgewichen sei. Folglich müsse das Urteil vom 10. November 2014 aufgehoben werden.

3.      Vorlagefragen in den Rechtssachen C‑307/15 und C‑308/15

31.      Die Audiencia Provincial de Alicante (Provinzgericht Alicante) hegt Zweifel, wie weit die Sanktion missbräuchlicher Klauseln reichen soll. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 verlange lediglich, dass solche Klauseln für den Verbraucher unverbindlich seien und die Bedingungen hierfür in den innerstaatlichen Rechtsvorschriften festgelegt würden. Die Frage nach der Rückerstattung der auf der Grundlage der für missbräuchlich erklärten Klauseln gezahlten Beträge werde a priori von dieser Richtlinie nicht harmonisiert. Dennoch fragt sich das vorlegende Gericht in diesen beiden Rechtssachen, ob es der praktischen Wirksamkeit, der abschreckenden Wirkung und dem vollständigen Schutz des Verbrauchers, wie von der Richtlinie 93/13 gefördert, zuwiderliefe, Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 so auszulegen, dass er nicht auch die Mitgliedstaaten verpflichte, die Bedingungen für eine Entschädigung der Verbraucher festzulegen, auf die solche Klauseln angewendet worden seien. Das vorlegende Gericht fragt sich ferner, ob die Beschränkung der Rückerstattung, wie sie vom Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) entschieden worden sei, nicht dem dem nationalen Gericht vom Gerichtshof auferlegten Verbot zuwiderlaufe, den Inhalt der für missbräuchlich erklärten Klauseln zu überprüfen oder zu ändern. Da die Rechtsprechung des Gerichtshofs den nationalen Gerichten die Verpflichtung auferlege, jegliche Konsequenzen zu ziehen, die sich nach ihrem nationalen Recht aus der Einstufung einer Klausel als „missbräuchlich“ ergäben(16), sei die Frage, ob die von der Richtlinie vorgeschriebene fehlende Verbindlichkeit missbräuchlicher Klauseln absolut und bedingungslos zu verstehen sei oder ob sie im Gegenteil modifiziert werden könne. Unter der Annahme, dass die Kriterien, die der Gerichtshof für die Entscheidung, die Rückwirkung seiner eigenen Urteile zu beschränken, aufgestellt habe, in einer Situation wie der, mit der das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) zu tun gehabt habe, relevant seien, zweifelt die Audiencia Provincial de Alicante (Provinzgericht Alicante) daran, dass der gute Glaube der Banken, die den Verbrauchern eindeutig überlegen gewesen seien, für gegeben erachtet werden könne. Was die Gefahr schwerwiegender wirtschaftlicher Störungen betrifft, hat das vorlegende Gericht Zweifel, dass das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) tatsächlich mit einer solchen Gefahr zu tun hatte, da es sich nur auf seine „Offenkundigkeit“ gestützt habe, ohne genaue qualitative oder quantitative Umstände festzustellen.

32.      Angesichts dieser Auslegungsschwierigkeit im Unionsrecht hat die Audiencia Provincial de Alicante (Provinzgericht Alicante) das Verfahren ausgesetzt und mit am 25. Juni 2015 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangenen Entscheidungen folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Ist es mit dem in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 anerkannten Kriterium der Unverbindlichkeit vereinbar, dass die Restitutionswirkungen infolge der Nichtigerklärung einer in einem Darlehensvertrag verwendeten missbräuchlichen Mindestzinssatzklausel nicht auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses, sondern auf einen späteren Zeitpunkt zurückwirken?

2.      Ist das Kriterium des guten Glaubens der Betroffenen als Grundlage für die Beschränkung der Rückwirkung (der Nichtigerklärung) einer missbräuchlichen Klausel ein autonomer unionsrechtlicher Begriff, der in allen Mitgliedstaaten einheitlich auszulegen ist?

3.      Falls ja: Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um den guten Glauben der Betroffenen feststellen zu können?

4.      Ist jedenfalls das Handeln des Gewerbetreibenden, der beim Abfassen des Vertrags die fehlende Transparenz herbeigeführt hat, die für die Missbräuchlichkeit der Klausel entscheidend war, mit dem guten Glauben der Betroffenen vereinbar?

5.      Handelt es sich bei der Gefahr schwerwiegender Störungen als Grundlage für die Beschränkung der Rückwirkung (der Nichtigerklärung) einer missbräuchlichen Klausel um einen autonomen unionsrechtlichen Begriff, der einheitlich auszulegen ist?

6.      Falls ja: Welche Kriterien sind zu berücksichtigen?

7.      Ist bei der Beurteilung der Gefahr schwerwiegender Störungen nur diejenige zu berücksichtigen, die für den Gewerbetreibenden entstehen kann, oder ist auch der Schaden zu berücksichtigen, der den Verbrauchern infolge der nicht vollständigen Rückerstattung der aufgrund der Mindestzinssatzklausel gezahlten Beträge entsteht?

und nur für die Rechtssache C‑308/15

8.      Ist es mit dem in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 anerkannten Grundsatz der Unverbindlichkeit missbräuchlicher Klauseln für den Verbraucher und dem in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannten Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz vereinbar, wenn die Beschränkung der Restitutionswirkungen der im Rahmen eines von einer Verbraucherschutzorganisation gegen drei Kreditinstitute eingeleiteten Verfahrens erfolgten Nichtigerklärung einer Mindestzinsklausel automatisch auf Individualklagen auf Nichtigerklärung einer Mindestzinsklausel wegen Missbräuchlichkeit von Verbrauchern, die als Kunden mit anderen Kreditinstituten ein Hypothekendarlehen vereinbart haben, erstreckt wird?

III – Verfahren vor dem Gerichtshof

A –    Zum Antrag auf Behandlung der Rechtssachen C‑307/15 und C‑308/15 im beschleunigten Verfahren

33.      In den Rechtssachen C‑307/15 und C‑308/15 beantragt das vorlegende Gericht, diese Rechtssachen in Anwendung von Art. 23a der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und Art. 105 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs im beschleunigten Verfahren zu behandeln. Dieser Antrag ist mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 14. August 2015 zurückgewiesen worden.

B –    Zum Ablauf des schriftlichen und des mündlichen Verfahrens

34.      Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 10. Juli 2015 sind die Rechtssachen C‑307/15 und C‑308/15 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden. In diesen Rechtssachen haben Herr Irles López, BBVA, Banco Popular Español, die spanische Regierung, die polnische Regierung, die Regierung des Vereinigten Königreichs und die Europäische Kommission schriftliche Erklärungen eingereicht.

35.      In der Rechtssache C‑154/15 wurden schriftliche Erklärungen von Herrn Gutiérrez Naranjo, Cajasur Banco, der tschechischen Regierung, der spanischen Regierung, der Regierung des Vereinigten Königreichs und der Kommission abgegeben.

36.      Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 21. Oktober 2015 sind die Rechtssachen C‑154/15, C‑307/15 und C‑308/15 zu gemeinsamem mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

37.      In der für die nunmehr verbundenen Rechtssachen gemeinsamen mündlichen Verhandlung, die am 26. April 2016 stattgefunden hat, haben Herr Gutiérrez Naranjo, Frau Palacios Martínez, Herr Irles López, Cajasur Banco, Banco Popular Español, BBVA, die spanische Regierung und die Regierung des Vereinigten Königreichs sowie die Kommission mündliche Erklärungen abgegeben.

IV – Rechtliche Würdigung

38.      Die von den vorlegenden Gerichten gestellten Fragen drehen sich im Wesentlichen um drei Problematiken. Zunächst geht es darum, zu ermitteln, ob es mit Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 vereinbar ist, dass die Restitutionswirkungen der Nichtigkeit infolge der Einstufung der Mindestzinssatzklauseln als missbräuchlich beschränkt werden. Sodann möchte die Audiencia Provincial de Alicante (Provinzgericht Alicante) vom Gerichtshof wissen, ob das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) die Kriterien des guten Glaubens und der Gefahren schwerwiegender Störungen im Sinne des Urteils vom 21. März 2013, RWE Vertrieb(17), korrekt angewendet hat und ob das Zusammenspiel, wie es sich aus der Rechtsprechung des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) ergibt, zwischen den im Rahmen von Verbandsklagen und den im Rahmen von Individualklagen gefundenen Lösungen mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

39.      Die Analyse von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13, die ich vornehmen werde, sollte jedoch genügen, um den vorlegenden Gerichten eine nützliche Antwort zu geben. Der wesentliche Teil der vorliegenden Schlussanträge wird daher den in der Rechtssache C‑154/15 gestellten Fragen und der ersten den Rechtssachen C‑307/15 und C‑308/15 gemeinsamen Frage gewidmet sein.

A –    Zu den Vorlagefragen, gemeinsam betrachtet, der Rechtssache C‑154/15 und zur ersten den Rechtssachen C‑307/15 und C‑308/15 gemeinsamen Frage

40.      Die Grundsatzfrage, die ich in der Einleitung angekündigt habe, ist im Wesentlichen, ob es mit Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 vereinbar ist, dem obersten Gericht eines Mitgliedstaats, nachdem es eine Vertragsklausel, die in einem zwischen einem Verbraucher und einem Gewerbetreibenden geschlossenen Vertrag enthalten ist, als „missbräuchlich“ eingestuft und die Nichtigkeit dieser Klausel festgestellt hat, die Befugnis einzuräumen, die Wirkungen dieser Feststellung zu beschränken, indem es den Anspruch auf Rückerstattung der vom Verbraucher auf der Grundlage der missbräuchlichen Klausel ohne Rechtsgrund gezahlten Beträge erst ab dem Zeitpunkt der von diesem Gericht erlassenen Entscheidung, mit der die Missbräuchlichkeit der betreffenden Klausel bestätigt wird, entstehen lässt.

41.      Zur Beantwortung dieser Frage sind eine Reihe Vorprüfungen notwendig. Einer der ersten Schritte in der Argumentation ist es, zu ergründen, auf welchem Gebiet sich das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) bewegte, als es sein Urteil vom 9. Mai 2013 fällte. Es führt aus, über den Schutz hinausgegangen zu sein, den die Richtlinie 93/13 – die den Mitgliedstaaten dadurch, dass sie nur eine Mindestharmonisierung dieses Bereichs vornimmt, tatsächlich gestattet, strengere Bestimmungen vorzusehen(18) – dem Verbraucher einräumt. Wenn dies jedoch der Fall sein sollte, könnte die Beschränkung der Wirkungen der Nichtigkeit nicht anhand von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 untersucht werden, da stärker schützende Maßnahmen naturgemäß zu einem Bereich gehören, der von dieser Richtlinie nicht harmonisiert wird.

42.      Somit muss man zur Beantwortung der Grundsatzfrage, bei der es, noch einmal, darum geht, was das Gericht bei missbräuchlichen Klauseln machen muss oder kann, zunächst auf grundsätzlichere Erwägungen hinsichtlich der Einstufung der Mindestzinssatzklauseln als „missbräuchliche“ Klauseln durch das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) zurückkommen. Dies ist umso heikler, als der Ansprechpartner in diesen drei verbundenen Rechtssachen erstens nicht das Gericht ist, das diese Einstufung vorgenommen hat, und zweitens die Missbräuchlichkeit der Mindestzinssatzklauseln nicht in Frage stellt(19). Ich stelle daher insoweit für alle Fälle klar, dass die Klärung dieser Frage nicht als ein Versuch verstanden werden darf, das Feld des Vorabentscheidungsverfahren auszuweiten, sondern vielmehr als eine notwendige und unvermeidliche Vorbedingung, um den vorlegenden Gerichten eine nützliche Antwort zu geben.

43.      Nach der Feststellung, dass das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) nicht über das dem Verbraucher durch die Richtlinie 93/13 eingeräumte Schutzniveau hinausgegangen ist, und nachdem ich somit die Relevanz der erbetenen Auslegung überprüft habe, ist noch die Tragweite der den Mitgliedstaaten von Art. 6 Abs. 1 dieser Richtlinie auferlegten Verpflichtung zu ermitteln.

1.      Zum Schutzniveau, das den Verbrauchern von der Rechtsprechung des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) im Vergleich zur Richtlinie 93/13 eingeräumt wird

44.      Diesen drei Rechtssachen liegt eine Reihe von Urteilen des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) zugrunde. Kurz gefasst, und soweit ich diese Urteile richtig verstehe, hat das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) entschieden, dass die in den Darlehensverträgen enthaltenen Mindestzinssatzklauseln Klauseln seien, die den Hauptgegenstand des Vertrags beträfen und die grundsätzlich von der Missbrauchskontrolle auf der Grundlage der Richtlinie 93/13 ausgeschlossen seien, sofern diese Klauseln klar und verständlich abgefasst seien. Das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) war der Auffassung, dass die Mindestzinssatzklauseln grammatikalisch verständlich gewesen seien und demnach der formalen Transparenzkontrolle genügten. Hingegen hätten die Gewerbetreibenden, die diese Klauseln in die streitigen Verträge eingefügt hätten, keine ausreichenden Informationen geliefert, um deren tatsächlichen Sinn zu verdeutlichen, und das Erfordernis materieller Transparenz sei nicht erfüllt. Es kam zu dem Ergebnis, dass diese Klauseln missbräuchlich seien. Obwohl in der spanischen Rechtsordnung diese Klauseln grundsätzlich von Anfang an nichtig gewesen wären, entschied das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) wegen der besonderen Umstände, die es für gegeben hielt, die Feststellung, dass die Mindestzinssatzklauseln missbräuchlich seien, erst ab dem Zeitpunkt der Verkündung des ersten in diesem Sinne erlassenen Urteils, d. h. ab dem 9. Mai 2013, wirksam werden zu lassen.

45.      Wenn ich das Urteil des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) richtig verstehe, war dieses offenbar der Auffassung, über das von der Richtlinie 93/13 eingeräumte Schutzniveau hinausgegangen zu sein, indem es der Kontrolle der Transparenz der Klauseln ein materielles Transparenzerfordernis hinzugefügt hat. Es hat insbesondere die Beschränkung der Restitutionswirkungen der Nichtigerklärung der Mindestzinssatzklauseln mit der Neuausrichtung seiner Rechtsprechung gerechtfertigt, die in diesem Urteil zum Ausdruck komme. Ich muss gestehen, nicht vollständig davon überzeugt zu sein, dass dem wirklich so ist, wie eine aufmerksame Untersuchung der Rechtsprechung des Gerichtshofs zeigt.

46.      So wurde der Gerichtshof im Urteil vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai(20), befragt, ob Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen sei, dass das Erfordernis, wonach eine Vertragsklausel klar und verständlich abgefasst sein müsse, so zu verstehen sei, dass die betreffende Vertragsklausel nicht nur in grammatikalischer Hinsicht für den Verbraucher klar und verständlich sein müsse, sondern dass für ihn auch die wirtschaftlichen Gründe für die Verwendung der Vertragsklausel klar und verständlich sein müssten. Der Gerichtshof hat festgestellt, dass sich dieses Erfordernis der klaren und verständlichen Abfassung auch in Art. 5 der Richtlinie 93/13 und ihrem 20. Erwägungsgrund finde, dem zufolge der Verbraucher tatsächlich Gelegenheit haben müsse, von allen Vertragsklauseln Kenntnis zu nehmen(21). Dieses Erfordernis findet nach Ansicht des Gerichtshofs „in jedem Fall Anwendung, auch wenn eine Klausel unter Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 fällt und somit von einer Beurteilung ihrer Missbräuchlichkeit nach Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie ausgenommen ist“(22). Der Gerichtshof hat auch entschieden, dass das in Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 enthaltene Transparenzerfordernis „dieselbe Tragweite hat wie das Erfordernis in Art. 5 dieser Richtlinie“(23). Zu diesem Art. 5 weist der Gerichtshof auf die Tragweite seines Urteils vom 21. März 2013, RWE Vertrieb(24), hin, in dem er entschieden hat, dass es für einen Verbraucher von grundlegender Bedeutung ist, dass er vor Abschluss eines Vertrags über dessen Bedingungen und die Folgen des Vertragsschlusses informiert ist, da er insbesondere auf der Grundlage dieser Informationen entscheidet, ob er sich gegenüber dem Gewerbetreibenden vertraglich binden möchte(25). „Das … Erfordernis der Transparenz von Vertragsklauseln kann daher nicht auf deren bloße Verständlichkeit in formeller und grammatikalischer Hinsicht beschränkt werden“(26) und muss in Anbetracht des durch die Richtlinie 93/13 eingeführten Schutzsystems, das auf dem Gedanken beruht, dass der Verbraucher gegenüber dem Gewerbetreibenden u. a. einen geringeren Informationsstand besitzt, umfassend verstanden werden(27).

47.      Der Gerichtshof kam zu dem Ergebnis, dass Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen ist, dass „das Erfordernis, dass eine Vertragsklausel klar und verständlich abgefasst sein muss, … so zu verstehen ist, dass die betreffende Vertragsklausel nicht nur in grammatikalischer Hinsicht für den Verbraucher nachvollziehbar sein muss, sondern dass der Vertrag auch die konkrete Funktionsweise des Verfahrens … in transparenter Weise darstellen muss, damit der betroffene Verbraucher in der Lage ist, die sich für ihn daraus ergebenden wirtschaftlichen Folgen auf der Grundlage genauer und nachvollziehbarer Kriterien einzuschätzen“(28). Folglich hat der Gerichtshof entschieden, dass es in dem konkreten ihm vorgelegten Fall „Sache des vorlegenden Gerichts [ist], zu klären, ob ein … Durchschnittsverbraucher in Anbetracht aller einschlägigen Tatsachen, einschließlich der vom Darlehensgeber im Rahmen der Aushandlung eines Darlehensvertrags bereitgestellten Werbung und Informationen, nicht nur wissen konnte, dass auf dem Wertpapiermarkt beim Umtausch einer ausländischen Währung zwischen dem Verkaufs- und dem Ankaufskurs im Allgemeinen ein Unterschied besteht, sondern auch die für ihn möglicherweise erheblichen wirtschaftlichen Folgen der [Anwendung der streitigen Klausel] bei der Berechnung der von ihm letztlich geschuldeten Rückzahlungen und damit die Gesamtkosten seines Darlehens einschätzen konnte“(29).

48.      Im später verkündeten Urteil vom 9. Juli 2015, Bucura(30), war der Gerichtshof aufgefordert, zu präzisieren, inwieweit die Art, wie bestimmte Klauseln eines Kreditvertrags abgefasst waren, und die fehlende Angabe bestimmter Informationen sowohl im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses als auch während seiner Durchführung das vorlegende Gericht dazu veranlassen konnten, bestimmte Klauseln des Vertrags als missbräuchlich einzustufen. Nachdem er auf den Inhalt des 21. Erwägungsgrundes und von Art. 5 der Richtlinie 93/13 hingewiesen hatte, hat der Gerichtshof ausgeführt, dass „[d]iese Pflicht zum [klaren und verständlichen] Abfassen … umso wichtiger [ist], als ein nationales Gericht verpflichtet ist, die Missbräuchlichkeit einer unter Verstoß dagegen abgefassten Klausel zu beurteilen, auch wenn diese Prüfung ergeben kann, dass diese Klausel unter den Ausschlusstatbestand von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 fällt. Es ist nämlich darauf hinzuweisen, dass die in dieser Bestimmung genannten Klauseln, die unter den von der Richtlinie geregelten Bereich fallen, der Beurteilung in Bezug auf ihre Missbräuchlichkeit nur entzogen sind, wenn das zuständige nationale Gericht nach einer Einzelfallbeurteilung zu der Auffassung gelangen sollte, dass sie vom Gewerbetreibenden klar und verständlich abgefasst wurden“(31). Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs(32) wird der Information des Verbrauchers vor Abschluss des Vertrags eine grundlegende Bedeutung beigemessen. Daher „ist [es] Sache des vorlegenden Gerichts, zu klären, ob ein … Durchschnittsverbraucher anhand der Modalitäten der Berechnung der Jahreszinsen, die ihm mitgeteilt werden, die wirtschaftlichen Folgen ihrer Anwendung für die Berechnung der von ihm letztlich geschuldeten Rückzahlungen und damit die Gesamtkosten seines Darlehens einschätzen kann“(33). Nach Ansicht des Gerichtshofs sind „die fehlende Angabe der Informationen bezüglich der Voraussetzungen für die Rückzahlung des in Rede stehenden Kredits und der Modalitäten zur Änderung dieser Bedingungen während der Vertragslaufzeit entscheidende Anhaltspunkte im Rahmen der Prüfung durch ein nationales Gericht, ob eine Klausel eines Darlehensvertrags bezüglich dessen Kosten, in der dies nicht angegeben wird, klar und verständlich im Sinne von Art. 4 der Richtlinie [93/13] abgefasst ist“(34). Wenn das nationale Gericht der Auffassung ist, dass dies nicht der Fall ist, muss es deren Missbräuchlichkeit beurteilen(35).

49.      Gewiss wurden die Urteile vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai(36), und vom 9. Juli 2015, Bucura(37), nach dem Urteil des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) vom 9. Mai 2013 erlassen. Sie stellen jedoch nichts anderes als die logische Folge einer Reihe früherer Urteile dar, zu denen das Urteil vom 21. März 2013, RWE Vertrieb(38), gehört, auf das das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) in seinem Urteil vom 9. Mai 2013 ausführlich Bezug nimmt und das bereits die Beziehung zwischen dem in Art. 5 der Richtlinie 93/13 genannten Transparenzerfordernis und der grundlegenden Bedeutung hervorgehoben hat, die der Information des Verbrauchers vor Abschluss des Vertrags zukommt, damit seine Zustimmung in voller Kenntnis der Sachlage sichergestellt ist(39).

50.      Des Weiteren wird im Urteil RWE Vertrieb(40) „an die ständige Rechtsprechung [erinnert], nach der durch die Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts, die der Gerichtshof in Ausübung seiner Befugnisse aus Art. 267 AEUV vornimmt, erläutert und verdeutlicht wird, in welchem Sinn und mit welcher Tragweite diese Vorschrift seit ihrem Inkrafttreten zu verstehen und anzuwenden ist oder gewesen wäre. Daraus folgt, dass die Gerichte die Vorschrift in dieser Auslegung auf Rechtsverhältnisse, die vor Erlass des auf das Ersuchen um Auslegung ergangenen Urteils entstanden sind, anwenden können und müssen, wenn die sonstigen Voraussetzungen für die Anrufung der zuständigen Gerichte in einem die Anwendung dieser Vorschrift betreffenden Streit vorliegen“(41). Das Urteil RWE Vertrieb(42) trug für sich allein genommen bereits die Saat der Urteile Kásler und Káslerné Rábai(43) und Bucura(44) in sich. Damit ist das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) dadurch, dass es die Mindestzinssatzklauseln u. a. wegen des Fehlens ausreichender vorheriger Information als missbräuchlich einstufte, nicht, indem es dem Verbraucher ein höheres Schutzniveau als das von der Richtlinie 93/13 festgelegte eingeräumt hat, über das Unionsrecht hinausgegangen, sondern hat vielmehr die in dieser Richtlinie enthaltenen Vorgaben angewendet(45).

51.      Nach dieser Feststellung ist nun Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 zu analysieren.

2.      Zur Tragweite der den Mitgliedstaaten von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 auferlegten Pflicht

52.      Nachdem ich festgestellt habe, dass der Wortlaut von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 nicht frei von einer gewissen Zweideutigkeit ist, werde ich mich der Rechtsprechung des Gerichtshofs zuwenden, um die großen Grundsätze herauszuarbeiten, die seine Auslegung der Richtlinie 93/13 im Allgemeinen und ihres Art. 6 Abs. 1 im Besonderen leiten. Danach werde ich das Zwischenergebnis, das ich daraus gezogen haben werde, auf den vorliegenden Fall anwenden.

a)      Eine wenig aufschlussreiche wörtliche Auslegung

53.      Bei missbräuchlichen Klauseln verlangt die Richtlinie 93/13 von den Mitgliedstaaten, zum einen vorzusehen, dass diese „für den Verbraucher unverbindlich sind und … die Bedingungen hierfür in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften fest[gelegt werden]“ (Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13), und zum anderen, „[dafür zu sorgen], dass im Interesse der Verbraucher und der gewerbetreibenden Wettbewerber angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird“ (Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13).

54.      Es ist festzustellen, dass der Unionsgesetzgeber bei der Festlegung der Rechtsfolge missbräuchlicher Klauseln und insbesondere der Voraussetzungen, unter denen ihre von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 verlangte fehlende Verbindlichkeit von den Mitgliedstaaten zu bewerkstelligen ist, nicht weiter gegangen ist. Die Verwendung des Indikativ Präsens („unverbindlich sind“) lässt im Hinblick auf eine etwaige Absicht des Gesetzgebers, die fehlende Verbindlichkeit mit einer rückwirkenden Dimension auszustatten, nichts zum Vorschein kommen(46). Der Gesetzgeber hat sich eindeutig dafür entschieden, kein präziseres juristisches Vokabular zu verwenden, wie es z. B. ein ausdrücklicher Verweis auf die Nichtigkeit, die Nichtigerklärung oder die Auflösung gewesen wäre. Der verwendete Ausdruck ist völlig neutral(47), wie schon Generalanwältin Trstenjak in ihren Schlussanträgen in der Rechtssache Invitel(48) feststellte.

55.      Diese Neutralität erklärt sich natürlich durch den ausdrücklichen Verweis auf die nationalen Rechtsordnungen(49). Ist dies ausreichend, um den Mitgliedstaaten völlig freizustellen, wie sie unter den von ihnen gewünschten Voraussetzungen die fehlende Verbindlichkeit missbräuchlicher Klauseln präzisieren? Um die Tragweite dieses Artikels zu klären und weil sich dafür sein Wortlaut allein als unzureichend erweist, ist es erforderlich, die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Richtlinie 93/13 im Allgemeinen und ihrem Art. 6 Abs. 1 im Besonderen zu überdenken.

b)      Rückblick auf die Rechtsprechung

56.      Der Gerichtshof hat wiederholt die Funktion hervorgehoben, die die Richtlinie 93/13 in der Unionsrechtsordnung erfüllt.

57.      Ich beschränke mich darauf, daran zu erinnern, dass das mit der Richtlinie 93/13 geschaffene Schutzsystem davon ausgeht, dass sich der Verbraucher gegenüber dem Gewerbetreibenden in einer schwächeren Verhandlungsposition befindet und einen geringeren Informationsstand besitzt, was dazu führt, dass er den vom Gewerbetreibenden vorformulierten Bedingungen zustimmt, ohne auf deren Inhalt Einfluss nehmen zu können(50). In Anbetracht dieser schwächeren Position ist Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 eine zwingende Bestimmung, die darauf abzielt, die formale Ausgewogenheit der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien durch eine materielle Ausgewogenheit zu ersetzen und so deren Gleichheit wiederherzustellen(51). So hat der Gerichtshof mehrfach entschieden, dass das nationale Gericht von Amts wegen die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel, die in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt, prüfen und damit der Unausgewogenheit zwischen dem Verbraucher und dem Gewerbetreibenden abhelfen muss(52). Um den durch die Richtlinie 93/13 gewollten Schutz zu gewährleisten, kann die bestehende Ungleichheit zwischen Verbraucher und Gewerbetreibendem somit nur durch ein positives Eingreifen von dritter, von den Vertragsparteien unabhängiger Seite ausgeglichen werden(53).

58.      Ferner hat der Gerichtshof wiederholt darauf hingewiesen, dass die Richtlinie 93/13 insgesamt eine Maßnahme darstellt, die für die Erfüllung der Aufgaben der Union und insbesondere für die Hebung der Lebenshaltung und der Lebensqualität in der ganzen Union unerlässlich ist(54). Aufgrund der Art und der Bedeutung des öffentlichen Interesses, auf dem der den Verbrauchern gewährte Schutz beruht, verpflichtet die Richtlinie 93/13 die Mitgliedstaaten, angemessene und wirksame Mittel vorzusehen, „damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird“(55).

59.      Um genauer zu bestimmen, welche Folgen zu ziehen sind, wenn eine vertragliche Klausel für missbräuchlich erklärt wird, hat der Gerichtshof entschieden, dass sowohl auf den Wortlaut von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 als auch auf Ziele und Systematik dieser Richtlinie Bezug zu nehmen ist(56). Was den Wortlaut von Art. 6 angeht, hat der Gerichtshof festgestellt, „dass nach dem ersten Teilsatz dieser Bestimmung den Mitgliedstaaten zwar ein gewisser Spielraum in Bezug auf die Festlegung zugestanden wird, welche rechtlichen Regelungen für missbräuchliche Klauseln gelten, sie aber dennoch ausdrücklich vorsehen müssen, dass diese Klauseln ‚für den Verbraucher unverbindlich sind‘“(57). Die nationalen Gerichte müssen also „alle Konsequenzen … ziehen, die sich daraus nach nationalem Recht ergeben, damit diese Klauseln für den Verbraucher unverbindlich sind“(58). Nach den eigenen Worten des Gerichtshofs „[ergibt sich] aus dem Wortlaut von Art. 6 Abs. 1 [der Richtlinie 93/13] … demnach, dass die nationalen Gerichte eine missbräuchliche Vertragsklausel nur für unanwendbar zu erklären haben, damit sie den Verbraucher nicht bindet“(59).

60.      Missbräuchliche Klauseln „sind … unverbindlich“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13, wenn das nationale Gericht sie unangewendet lässt(60) wegen des Abschreckungseffekts, der darin besteht, dass sie „schlicht unangewendet bleiben“(61). Der Gerichtshof vertritt hierzu die Auffassung, dass eine missbräuchliche Klausel vom nationalen Gericht nicht abgeändert werden darf; sie darf vielmehr nicht angewendet werden(62). Die Wirksamkeit der Rechtsfolge missbräuchlicher Klauseln wird somit im Hinblick auf das Ziel beurteilt, ihrer Verwendung ein Ende zu setzen(63). Allerdings kann die Verfolgung dieses Ziels aufgegeben werden, wenn der Verbraucher ausdrücklich den Willen äußert, weiter durch die Vertragsklausel trotz ihrer Missbräuchlichkeit gebunden zu sein(64).

61.      Der Gerichtshof hat die Art und Weise, wie die fehlende Verbindlichkeit in den nationalen Rechtsordnungen umzusetzen ist, nicht weiter präzisiert. Es ist wahrscheinlich nicht seine Sache, dies zu tun, weil die Modalitäten dieser Umsetzung gerade von den Mitgliedstaaten selbst entschieden werden müssen. Es ist daher logisch, dass der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung die Nichtigkeit missbräuchlicher Klauseln nicht als einzigen Weg aufzufassen scheint, um dem von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 aufgestellten Erfordernis Genüge zu tun, sondern als eine Möglichkeit unter anderen. Dies geht insbesondere aus seinem Urteil vom 26. April 2012, Invitel(65), hervor, wonach eine nationale Regelung, die vorsieht, dass die Feststellung der Nichtigkeit einer missbräuchlichen Klausel für jeden Verbraucher gilt, der mit dem Gewerbetreibenden, der diese Klausel verwendet, einen Vertrag geschlossen hat, den Anforderungen von Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 93/13 genügt(66) und „[d]ie Sanktion der Nichtigkeit einer missbräuchlichen Klausel … gewährleistet …, dass die Klausel für diese Verbraucher unverbindlich ist, ohne dass insoweit andere Arten angemessener und wirksamer Sanktionen in den nationalen Regelungen ausgeschlossen wären“(67). Einige Zeit später hat der Gerichtshof erneut entschieden, dass eine nationale Regelung, „die vorsieht, dass für missbräuchlich erklärte Klauseln nichtig sind, den Anforderungen von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 [genügt]“(68).

c)      Anwendung auf den vorliegenden Fall

62.      Welche Schlüsse sind aus dieser umfangreichen Rechtsprechung zu ziehen?

63.      Nach meinem Verständnis hat sie keine systematische oder automatische Beziehung zwischen Art. 6 Abs. 1 dieser Richtlinie und der Nichtigkeit missbräuchlicher Klauseln hergestellt. Anders gesagt, scheint die Nichtigkeit für den Gerichtshof nicht die einzige juristische Antwort auf das Erfordernis fehlender Verbindlichkeit missbräuchlicher Klauseln zu sein. Dies geht aus einer anderen Formel hervor, die man z. B. in seinem Urteil vom 21. Januar 2015, Unicaja Banco und Caixabank, findet, wo er erklärt, dass „das nationale Gericht … alle Konsequenzen aus der eventuellen Missbräuchlichkeit der … Klausel im Hinblick auf die Richtlinie 93/13 … ziehen [können muss], indem es sie gegebenenfalls für ungültig erklärt“(69).

64.      Der Gerichtshof hat somit nicht kategorisch die Ungenauigkeit von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 beseitigt. Er ist nicht über diese Scheinneutralität hinausgegangen – und vielleicht konnte er es nicht tun. Wenn der Gerichtshof nämlich heute entscheiden sollte, dass dieser Artikel dahin auszulegen ist, dass das nationale Gericht bei Vorliegen einer missbräuchlichen Klausel die Nichtigkeit dieser Klauseln feststellen und ein damit verbundenes Recht auf restitutio in integrum eröffnen muss, d. h. ab dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses, würde er dem ausdrücklichen Verweis in dieser Bestimmung auf die nationalen Rechte jede praktische Wirksamkeit nehmen und dem Vorwurf der richterrechtlichen Harmonisierung nur schwer entgehen(70).

65.      Des Weiteren stelle ich fest, dass die nationale Rechtslage vollkommen mit dem vereinbar ist, was die Richtlinie 93/13 verlangt. Es geht nämlich eindeutig aus den Akten hervor, dass die grundsätzliche Rechtsfolge missbräuchlicher Klauseln in der spanischen Rechtsordnung die Nichtigkeit ist, die einen Anspruch auf vollständige Rückerstattung eröffnet(71). Es handelt sich dabei um die schärfste zivilrechtliche Sanktion, die alle Wirkungen der missbräuchlichen Klausel beseitigt. Was jedoch in unseren drei Rechtssachen ein Problem bereitet, ist die Tatsache, dass das oberste Gericht auf eine Verfahrensmodalität zurückgegriffen hat, die es ihm erlaubt, die zeitlichen Wirkungen seiner Urteile zu beschränken. Die Nutzung dieser Möglichkeit hat im Hinblick auf die Rechtsfolge der Mindestzinssatzklauseln zu folgender Situation geführt.

66.      Ab dem 9. Mai 2013 dürfen Mindestzinssatzklauseln in der spanischen Rechtsordnung nicht mehr vorkommen. Sie müssen aus bestehenden Verträgen gestrichen werden, und Gewerbetreibende dürfen sie nicht mehr in neue Verträge aufnehmen, weil jeder Gewerbetreibende, der solche Klauseln ab diesem Zeitpunkt einführt, sowohl zur Streichung dieser Klauseln als auch zur Rückerstattung der auf ihrer Grundlage gezahlten Beträge verurteilt würde. Anders gesagt, die vollständigen Wirkungen der Nichtigkeit – der grundsätzlichen Rechtsfolge – werden ab dem 9. Mai 2013 garantiert.

67.      Was den Zeitraum davor anbelangt, sind die Gewerbetreibenden, obwohl Mindestzinssatzklauseln für missbräuchlich und damit für nichtig erklärt wurden, wegen der außergewöhnlichen Umstände, die das oberste Gericht für gegeben hält und die hauptsächlich mit der endemischen Dimension des Problems zusammenhängen, nicht zur Rückerstattung der auf ihrer Grundlage gezahlten Beträge verpflichtet.

68.      Da das Unionsrecht weder die Sanktionen, die gelten sollen, wenn die Missbräuchlichkeit einer Klausel anerkannt wird(72), noch die Voraussetzungen harmonisiert, unter denen ein oberstes Gericht entscheidet, die Wirkungen seiner Urteile zu beschränken, fällt die vorliegende Situation gemäß dem Grundsatz der Verfahrensautonomie unter die innerstaatliche Rechtsordnung der Mitgliedstaaten. Diese Modalitäten dürfen jedoch nicht ungünstiger sein als die, die bei ähnlichen internen Sachverhalten gelten (Grundsatz der Äquivalenz), und nicht so ausgestaltet sein, dass sie die Ausübung der Rechte, die die Unionsrechtsordnung einräumt, praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Grundsatz der Effektivität)(73).

69.      Was erstens das Äquivalenzprinzip angeht, setzt es voraus, dass die streitige nationale Regelung in gleicher Weise für Rechtsbehelfe gilt, die auf die Verletzung des Unionsrechts gestützt sind, wie für solche, die auf die Verletzung des innerstaatlichen Rechts gestützt sind, sofern diese Rechtsbehelfe einen ähnlichen Gegenstand und Rechtsgrund haben(74). Vorbehaltlich eventueller weiterer Überprüfungen durch die vorlegenden Gerichte geht aus den Akten und insbesondere aus den schriftlichen Erklärungen der spanischen Regierung hervor, dass das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) die Möglichkeit, die zeitlichen Wirkungen seiner Urteile zu beschränken, nicht nur den Rechtsstreitigkeiten vorbehält, in denen es um das Unionsrecht geht, sondern dass es von einer solchen Möglichkeit in rein innerstaatlichen Rechtsstreitigkeiten bereits Gebrauch gemacht hat(75). Aus objektiver Sicht erscheint mir die Möglichkeit für das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof), die zeitlichen Wirkungen seiner Urteile zu beschränken, nicht geeignet, Zweifel an ihrer Vereinbarkeit mit dem Äquivalenzprinzip aufkommen zu lassen.

70.      Was zweitens den Effektivitätsgrundsatz angeht, hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, dass jeder Fall, in dem sich die Frage stellt, ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Unionsrechts unmöglich macht oder übermäßig erschwert, unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift(76) im gesamten Verfahren, des Verfahrensablaufs und der Besonderheiten des Verfahrens vor den verschiedenen nationalen Stellen zu prüfen ist und dass dabei gegebenenfalls die Grundsätze, die dem nationalen Rechtsschutzsystem zugrunde liegen, wie z. B. der Grundsatz der Rechtssicherheit, zu berücksichtigen sind(77). Damit muss die Auswirkung der zeitlichen Beschränkung der Wirkungen des Urteils des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) auf die Effektivität der Richtlinie 93/13 zum einen im Hinblick auf das von ihr verfolgte Ziel gewürdigt werden. Zum anderen müssen dabei die Grundsätze der nationalen Rechtsordnung berücksichtigt werden, die der Entscheidung, diese Wirkungen zu beschränken, zugrunde liegen.

71.      In Anbetracht des von der Richtlinie 93/13 verfolgten Ziels, wie es anlässlich der Analyse der Rechtsprechung des Gerichtshofs in Erinnerung gerufen wurde, muss die Rechtsfolge missbräuchlicher Klauseln nach den Art. 6 und 7 der Richtlinie 93/13 gegenüber dem Gewerbetreibenden eine Abschreckungswirkung haben und darauf abzielen, ein tatsächliches Gleichgewicht zwischen diesem und dem Verbraucher wiederherzustellen. Wie ich weiter oben ausgeführt habe, sind die Gewerbetreibenden ab dem 9. Mai 2013 verpflichtet, keine Mindestzinssatzklauseln mehr zu verwenden(78), und müssen diese Klauseln aus den bestehenden Verträgen gestrichen werden. Die Abschreckungswirkung wird vollständig sichergestellt, da jeder Gewerbetreibende, der nach dem 9. Mai 2013 solche Klauseln in seine Verträge aufnimmt, zur Streichung dieser Klauseln sowie zur Rückerstattung der auf ihrer Grundlage gezahlten Beträge verurteilt werden wird. Das Verhalten der Gewerbetreibenden wird sich ab dem 9. Mai 2013 zwangsläufig ändern, und die Wirksamkeit der Richtlinie ist für die Zukunft vollständig sichergestellt.

72.      Bleibt die Situation vor dem 9. Mai 2013 zu prüfen. Die Mindestzinssatzklauseln werden weiterhin als missbräuchlich angesehen und sind nichtig, aber diese Nichtigkeit entfaltet ihre volle Wirksamkeit erst ab dem Zeitpunkt des Urteils des obersten Gerichts, mit dem sie festgestellt wird. Zur Rechtfertigung einer solchen zeitlichen Verschiebung hat sich das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) auf eine Reihe von Argumenten(79) gestützt, darunter die Wahrung der Rechtssicherheit wegen der Neuausrichtung der Rechtsprechung in seiner Entscheidung – eine Einschätzung, der ich jedoch nicht zustimme(80) – und der vorliegenden außergewöhnlichen Umstände. Zu diesem Punkt hat das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) insbesondere die endemische Dimension der Verwendung von Mindestzinssatzklauseln betont und dann zum einen den den Verbrauchern u. a. nach der Richtlinie 93/13 geschuldeten Schutz und zum anderen die makroökonomischen Herausforderungen für das Bankensystem eines bereits geschwächten Mitgliedstaats gegeneinander abgewogen.

73.      Vorausgesetzt, ein solches Vorgehen bleibt die absolute Ausnahme, scheint es auch im Hinblick auf den Effektivitätsgrundsatz zulässig zu sein. Der Gerichtshof hat bereits eingeräumt, dass der Schutz des Verbrauchers nicht absolut ist(81). Vor allem erscheint es nicht eindeutig, dass es zur Wiederherstellung des Gleichgewichts zwischen dem Verbraucher und dem Gewerbetreibenden notwendig oder sogar möglich(82) war, in jedem Einzelfall, alle auf der Grundlage einer Mindestzinssatzklausel gezahlten Beträge zurückzuerstatten. Das von der Richtlinie so sehr angestrebte Gleichgewicht zu erreichen, heißt nicht, den Verbraucher zu bevorzugen. Je nach dem Zeitpunkt des Abschlusses der Darlehensverträge hat die fehlende vollständige Rückwirkung nicht zwangsläufig zum Ergebnis, das Gleichgewicht nicht wiederherzustellen. Diese Feststellung wird meines Erachtens durch zwei wesentliche Erwägungen in den Ausführungen des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) gestützt, nämlich erstens, dass der Verbraucher, der durch einen eine Mindestzinssatzklausel enthaltenden Darlehensvertrag gebunden sei, seinen Vertrag leicht habe abkaufen lassen und das Kreditinstitut habe wechseln können, und zweitens, dass die Anwendung der Mindestzinssatzklausel keine wesentliche Änderung der Höhe der vom Verbraucher geschuldeten Monatsraten zur Folge gehabt habe.

74.      In Anbetracht der notwendigen Berücksichtigung der Grundsätze der nationalen Rechtsordnung, die die Entscheidung notwendig gemacht haben, die zeitlichen Wirkungen des Urteils des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) zu beschränken, ist die Rechtssicherheit, auf die sich dieses beruft – weniger, ich erinnere daran, wegen der Neuausrichtung der Rechtsprechung in seiner Entscheidung als wegen der Vielzahl der möglicherweise betroffenen Sachverhalte, die die Stabilität eines Wirtschaftssektors in Frage stellen können – eine von der Unionsrechtsordnung geteilte Sorge.

75.      Somit scheinen mir unter diesen Umständen weder die Effektivität der von der Richtlinie 93/13 gewährten Rechte noch die mit ihr verfolgten Ziele durch die Entscheidung des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof), die zeitlichen Wirkungen der Nichtigerklärung der Mindestzinssatzklauseln zu beschränken, beeinträchtigt.

76.      Nach alledem ist Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 im Licht der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität dahin auszulegen, dass er unter den Umständen der Ausgangsrechtsstreitigkeiten einer Entscheidung eines obersten Gerichts nicht entgegensteht, mit der dieses die Missbräuchlichkeit von Mindestzinssatzklauseln feststellt, das Ende ihrer Verwendung und ihre Entfernung aus bestehenden Verträgen anordnet und ihre Nichtigkeit feststellt, aber wegen außergewöhnlicher Umstände die Wirkungen, insbesondere die Restitutionswirkungen, dieser Nichtigkeit auf den Zeitpunkt seines ersten in diesem Sinne ergangenen Urteils beschränkt.

B –    Zu den anderen Vorlagefragen

77.      Meines Erachtens reicht die von mir vorgeschlagene Antwort auf die Vorlagefragen in der Rechtssache C‑154/15 und auf die erste den Rechtssachen C‑307/15 und C‑308/15 gemeinsame Frage aus, damit die vorlegenden Gerichte die Ausgangsrechtsstreitigkeiten entscheiden können. Daher erscheint es mir nicht angezeigt, die anderen Fragen zu beantworten.

78.      Dennoch möchte ich eine Reihe von abschließenden Bemerkungen machen, um angesichts der systemischen Herausforderungen dieser Rechtssachen etwaige Unklarheiten auszuräumen.

79.      Ich wiederhole, dass die vorgeschlagene Lösung auf die besonderen Umstände dieser Rechtssachen begrenzt ist und dass eine solche von einem obersten Gericht ausgehende Beschränkung eine Ausnahme bleiben muss.

80.      Des Weiteren darf die von mir vorgeschlagene Lösung keineswegs als eine Bestätigung der These erscheinen, wonach die nationalen Gerichte die Kriterien, die vom Gerichtshof selbst herangezogen werden, wenn bei ihm beantragt wird, die Wirkungen seiner eigenen Urteile zu beschränken, anwenden können oder müssen. Die Modalitäten, die die Bedingungen regeln, unter denen ein oberstes Gericht eines Mitgliedstaats die Wirkungen seiner eigenen Urteile beschränken kann, fallen auf den ersten Blick innerhalb der Grenze der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität unter die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten. Deshalb geht jedenfalls meines Erachtens eine eingehendere Analyse der Kriterien des guten Glaubens und der Gefahr schwerwiegender Störungen im Sinne der mit dem Urteil RWE Vertrieb(83) begründeten Rechtsprechung, auf die sich das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) mehrmals bezogen hat, fehl. Dagegen ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof im Namen des Vorrangs und der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts grundsätzlich dafür zuständig bleibt, die Vereinbarkeit der auf nationaler Ebene festgelegten Voraussetzungen für die Beschränkung der zeitlichen Wirkungen der Urteile der obersten Gerichte, die diese in ihrer Funktion als für die Anwendung des Unionsrechts zuständiges ordentliches Gericht erlassen, mit dem Unionsrecht zu würdigen.

81.      Schließlich geht aus dem Wortlaut der achten Vorlagefrage in der Rechtssache C‑308/15 hervor, dass das vorlegende Gericht von dem Postulat ausgeht, dass es eine Pflicht gebe, die Beschränkung der Restitutionswirkungen, die sich aus der Nichtigkeit einer Mindestzinssatzklausel ergeben, wie sie im Rahmen einer Verbandsklage vor dem Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) beschlossen wurde, auf Individualklagen auszudehnen, die gegen Gewerbetreibende erhoben wurden, die nicht Partei des Verfahrens vor dem Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) anlässlich dieser Verbandsklage waren. Die spanische Regierung hat sowohl in ihren schriftlichen Erklärungen als auch in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass eine solche Regel, die eine automatische Ausdehnung verlange, in der spanischen Rechtsordnung unbekannt sei(84). Es trifft zwar zu, dass die Rechtsprechung des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) die spanische Rechtsordnung vervollständigt(85). Dennoch bleibt es jedem Gericht, das mit einer Klage auf Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Mindestzinssatzklausel befasst ist, unbenommen, seine eigene Prüfung der Umstände vorzunehmen und zu prüfen, ob in dem konkreten ihm vorgelegten Fall diese Umstände gleich sind, was es dazu veranlassen müsste, gegebenenfalls die Rechtsprechung des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) anzuwenden. Unter diesen Umständen erfordert die achte Vorlagefrage in der Rechtssache C‑308/15 keine zusätzlichen Ausführungen seitens des Gerichtshofs. Weil die vom Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) gefundene Lösung meines Erachtens mit dem Unionsrecht nicht unvereinbar ist, ist ihre Anwendung durch die ordentlichen Gerichte in jedem Fall geeignet, den Grundsatz der Gleichheit sowie den der Verfahrensökonomie zu wahren.

V –    Ergebnis

82.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefragen des Juzgado de lo Mercantil n° 1 de Granada (Handelsgericht Granada) und der Audiencia Provincial de Alicante (Provinzgericht Alicante) wie folgt zu beantworten:

Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen ist im Licht der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität dahin auszulegen, dass er unter den Umständen der Ausgangsrechtsstreitigkeiten einer Entscheidung eines obersten Gerichts nicht entgegensteht, mit der dieses die Missbräuchlichkeit von Mindestzinssatzklauseln feststellt, das Ende ihrer Verwendung und ihre Entfernung aus bestehenden Verträgen anordnet und ihre Nichtigkeit feststellt, aber wegen außergewöhnlicher Umstände die Wirkungen, insbesondere die Restitutionswirkungen, dieser Nichtigkeit auf den Zeitpunkt seines ersten in diesem Sinne ergangenen Urteils beschränkt.


1 – Originalsprache: Französisch.


2 – ABl. 1993, L 95, S. 29.


3 – Wie die Flut von Vorlagen zur Vorabentscheidung zu diesem Thema zeigt, mit denen der Gerichtshof in letzter Zeit befasst wurde: Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. April 2016, Sales Sinués und Drame Ba (C‑381/14 und C‑385/14, EU:C:2016:252), sowie die anhängigen Rechtssachen C‑349/15, C‑381/15, C‑431/15, C‑525/15, C‑554/14, C‑1/16 und C‑34/16.


4 – Dessen konsolidierte Fassung durch das Real Decreto Legislativo 1/2007 por el que se aprueba el Texto refundido de la Ley General para la Defensa de los Consumindores y Usuarios y otras leyes complementares (Königliches Gesetzesdekret 1/2007 zur Billigung der Neufassung des Allgemeines Gesetzes über den Schutz der Verbraucher und Benutzer mit Nebengesetzen) vom 26. November 2007 (BOE Nr. 287 vom 30. November 2007) genehmigt wurde.


5 – Urteil Nr. 241/12 (ES:TS:2013:1916).


6 – C‑484/08, EU:C:2010:309.


7 – C‑484/08, EU:C:2010:309.


8 – Der die Eigenschaften erläutert, die eine Klausel aufweisen muss, um als transparent angesehen zu werden.


9 – Aus den Akten geht hervor, dass diese zweite Kontrolle vom Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) als ein neues Erfordernis dargestellt wird. Es war der Auffassung, dass es, damit die Mindestzinssatzklauseln dieser verstärkten Kontrolle standhielten, zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses erforderlich gewesen wäre, dass der Verbraucher von Simulationen verschiedener Szenarien im Zusammenhang mit der vernünftigerweise vorhersehbaren Entwicklung des Zinssatzes oder von Informationen bezüglich der Kosten im Vergleich zu anderen vom selben Bankinstitut angebotenen Darlehensmodalitäten Kenntnis erlange. Ich werde später in meiner Würdigung auf die angebliche Neuausrichtung der Position des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) zurückkommen.


10 – Zu diesen beiden Kriterien nahm das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) auf das Urteil vom 21. März 2013, RWE Vertrieb (C‑92/11, EU:C:2013:180), Bezug.


11 – Das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) war der Auffassung, dass i) die Mindestzinssatzklauseln zulässig seien, ii) ihre Einbeziehung in Verträge mit variablen Zinssätzen objektiven Gründen entspreche, iii) es sich nicht um unübliche oder außergewöhnliche Klauseln handele, iv) ihre Verwendung lange Zeit vom Markt toleriert worden sei, v) ihre Missbräuchlichkeit nicht wegen der immanenten Unzulässigkeit ihrer Wirkungen, sondern wegen ihrer fehlenden Transparenz festgestellt worden sei, vi) sich die fehlende Transparenz aus der unzureichenden Information ergebe, vii) die nationalen Vorschriften beachtet worden seien, viii) der Zweck der Festlegung des Mindestzinssatzes der Erhaltung eines Mindestertrags der Aktiva der Hypothekendarlehen diene und die Klauseln so berechnet seien, dass es zu keinen signifikanten Änderungen der zu zahlenden Raten komme, ix) die Auswechslung des Gläubigers vom Gesetz ermöglicht worden sei, so dass ein unzufriedener Verbraucher leicht das Kreditinstitut hätte wechseln können, und x) es offenkundig sei, dass die restitutio in integrum ab dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu schwerwiegenden wirtschaftlichen Verwerfungen geführt hätte.


12 – Urteile Nr. 139/2015 (ES:TS:2015:1280) bzw. Nr. 222/2015 (ES:TS:2015:2207).


13 – Vgl. insbesondere Urteil vom 14. Juni 2012, Banco Español de Crédito (C‑618/10, EU:C:2012:349).


14 – Der Juzgado de lo Mercantil n° 1 de Alicante (Handelsgericht Nr. 1 Alicante) entschied, dass, da das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) in seinem Urteil vom 9. Mai 2013 eine identische Klausel für nichtig erklärt habe, die Feststellung der Nichtigkeit der fraglichen Klausel in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit entbehrlich sei, da BBVA eines der drei Finanzinstitute sei, die Partei des Verfahrens vor dem Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) gewesen seien.


15 – Banco Popular Español gehörte nicht zu den drei Kreditinstituten, die Partei des Verfahrens vor dem Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) waren, in dem das Urteil vom 9. Mai 2013 ergangen ist.


16 – Die Audiencia Provincial de Alicante (Provinzgericht Alicante) stützt sich hier u. a. auf die Urteile vom 26. April 2012, Invitel (C‑472/10, EU:C:2012:242), und vom 30. Mai 2013, Jőrös (C‑397/11, EU:C:2013:340).


17 – C‑92/11, EU:C:2013:180.


18 – Vgl. Art. 8 der Richtlinie 93/13. Ich stelle jedoch fest, dass dieser Artikel auf die Möglichkeit der Mitgliedstaaten verweist, strengere „Bestimmungen“ beizubehalten oder vorzusehen, und frage mich, inwiefern das Urteil eines nationalen Gerichts, und sei es des obersten Gerichts, als eine „Bestimmung“ im Sinne von Art. 8 der Richtlinie 93/13 angesehen werden kann. Außerdem hat die Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher (ABl. 2011, L 304, S. 64) einen neuen Art. 8a in die Richtlinie 93/13 eingefügt, der die Mitgliedstaaten verpflichtet, wenn sie Bestimmungen gemäß deren Art. 8 erlassen, die Kommission davon in Kenntnis zu setzen.


19 – Der Gerichtshof hat wiederholt darauf hingewiesen, dass sich seine Zuständigkeit „auf die Auslegung des Begriffs ‚missbräuchliche Vertragsklausel‘ sowie auf die Kriterien erstreckt, die das nationale Gericht bei der Prüfung einer Vertragsklausel im Hinblick auf die Bestimmungen der Richtlinie [93/13] anwenden darf oder muss, wobei es Sache des nationalen Gerichts ist, unter Berücksichtigung dieser Kriterien über die konkrete Bewertung einer bestimmten Vertragsklausel anhand der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden“ (Urteile vom 26. April 2012, Invitel [C‑472/10, EU:C:2012:242, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung], und vom 21. März 2013, RWE Vertrieb [C‑92/11, EU:C:2013:180, Rn. 48]. Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai [C‑26/13, EU:C:2014:282, Rn. 45), vom 23. April 2015, Van Hove [C‑96/14, EU:C:2015:262, Rn. 28], und vom 9. Juli 2015, Bucura [C‑348/14, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:447, Rn. 46]). Da das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) seine Argumentation insbesondere auf Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 gestützt hat, wäre es im Namen der Zusammenarbeit der Gerichte, die für die europäische Rechtsordnung kennzeichnend ist, wünschenswert gewesen, dass es den Gerichtshof nicht nur mit der Problematik hinsichtlich der Kontrolle der Transparenz der Klauseln, die den wesentlichen Gegenstand der Verträge festlegen, sondern auch mit der Vereinbarkeit der Möglichkeit, die zeitlichen Wirkungen seines Grundsatzurteils auf diesem Gebiet, mit dem Unionsrecht zu befassen.


20 – C‑26/13, EU:C:2014:282.


21 – Urteil vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai (C‑26/13, EU:C:2014:282, Rn. 67).


22 – Urteil vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai (C‑26/13, EU:C:2014:282, Rn. 68).


23 – Urteil vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai (C‑26/13, EU:C:2014:282, Rn. 69).


24 – C‑92/11, EU:C:2013:180, Rn. 44.


25 – Urteil vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai (C‑26/13, EU:C:2014:282, Rn. 70).


26 – Urteil vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai (C‑26/13, EU:C:2014:282, Rn. 71).


27 – Urteil vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai (C‑26/13, EU:C:2014:282, Rn. 72).


28 – Urteil vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai (C‑26/13, EU:C:2014:282, Rn. 75).


29 – Urteil vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai (C‑26/13, EU:C:2014:282, Rn. 74).


30 – C‑348/14, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:447.


31 – Urteil vom 9. Juli 2015, Bucura (C‑348/14, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:447, Rn. 50).


32 – Urteil vom 9. Juli 2015, Bucura (C‑348/14, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:447, Rn. 51).


33 – Urteil vom 9. Juli 2015, Bucura (C‑348/14, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:447, Rn. 56).


34 – Urteil vom 9. Juli 2015, Bucura (C‑348/14, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:447, Rn. 61).


35 – Urteil vom 9. Juli 2015, Bucura (C‑348/14, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:447, Rn. 62).


36 – C‑26/13, EU:C:2014:282.


37 – C‑348/14, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:447.


38 – C‑92/11, EU:C:2013:180.


39 – Urteil vom 21. März 2013, RWE Vertrieb (C‑92/11, EU:C:2013:180, Rn. 43 und 44). Der Gerichtshof hat schon immer besonderes Augenmerk auf das Informationsniveau des Verbrauchers gelegt. Vgl. in diesem Sinne insbesondere Urteil vom 27. Juni 2000, Océano Grupo Editorial und Salvat Editores (C‑240/98 bis C‑244/98, EU:C:2000:346, Rn. 25). Außerdem kann nicht behauptet werden, dass das Urteil vom 3. Juni 2010, Caja de Ahorros y Monte de Piedad de Madrid (C‑484/08, EU:C:2010:309), in irgendeiner Weise zweideutig wäre. In diesem Urteil hat der Gerichtshof gewiss anerkannt, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden spanischen Vorschriften, die eine Missbrauchskontrolle von Vertragsklauseln zulassen, die den Hauptgegenstand des Vertrags bzw. das angemessene Verhältnis zwischen dem Preis bzw. dem Entgelt und den die Gegenleistung darstellenden Dienstleistungen bzw. Gütern regeln, erlauben, ein höheres Schutzniveau als das in der Richtlinie 93/13 festgelegte sicherzustellen. Diese Vorschriften ließen eine solche Kontrolle jedoch auch dann zu, wenn die Klauseln klar und verständlich abgefasst waren (vgl. Urteil vom 3. Juni 2010, Caja de Ahorros y Monte de Piedad de Madrid [C‑484/08, EU:C:2010:309, Rn. 24 und 42]).


40 – Urteil vom 21. März 2013 (C‑92/11, EU:C:2013:180).


41 – Urteil vom 21. März 2013, RWE Vertrieb (C‑92/11, EU:C:2013:180, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).


42 – Urteil vom 21. März 2013 (C‑92/11, EU:C:2013:180).


43 – Urteil vom 30. April 2014 (C‑26/13, EU:C:2014:282).


44 – Urteil vom 9. Juli 2015 (C‑348/14, EU:C:2015:447).


45 – Aus dem Wortlaut von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 geht eindeutig hervor, dass eine Klausel über den Hauptgegenstand des Vertrags, wenn sie nicht klar und verständlich ist, unter den in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 festgelegten Bedingungen auf Missbräuchlichkeit geprüft werden kann.


46 – Der 21. Erwägungsgrund der Richtlinie 93/13 scheint diese fehlende Verbindlichkeit sogar in die Zukunft zu verlegen („müssen … unverbindlich sein“).


47 – Ein schneller Vergleich der verschiedenen verfügbaren Sprachfassungen gibt darüber kaum mehr Aufschluss. So sieht Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 vor, dass missbräuchliche Klauseln, auf Spanisch „no vincularán“, auf Deutsch „unverbindlich sind“, auf Englisch „shall … not be binding“, auf Italienisch „non vincolano“ und auf Portugiesisch „não vinculem“.


48 – C‑472/10, EU:C:2011:806, Nr. 48.


49 – Vgl. auch Fn. 70 der vorliegenden Schlussanträge.


50 – Vgl. aus einer umfangreichen Rechtsprechung Urteile vom 21. März 2013, RWE Vertrieb (C‑92/11, EU:C:2013:180, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung), sowie vom 14. April 2016, Sales Sinués und Drame Ba (C‑381/14 und C‑385/14, EU:C:2016:252, Rn. 22), und Beschluss vom 16. Juli 2015, Sánchez Morcillo und Abril García (C‑539/14, EU:C:2015:508, Rn. 24). Vgl. auch Schlussanträge von Generalanwalt Szpunar in den verbundenen Rechtssachen Sales Sinués und Drame Ba (C‑381/14 und C‑385/14, EU:C:2016:15, Fn. 21).


51 – Vgl. aus einer umfangreichen Rechtsprechung Urteil vom 26. April 2012, Invitel (C‑472/10, EU:C:2012:242, Rn. 34), und Beschluss vom 16. Juli 2015, Sánchez Morcillo und Abril García (C‑539/14, EU:C:2015:508, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).


52 – Vgl. Beschluss vom 16. Juli 2015, Sánchez Morcillo und Abril García (C‑539/14, EU:C:2015:508, Rn. 27).


53 – Vgl. aus einer umfangreichen Rechtsprechung Urteile vom 6. Oktober 2009, Asturcom Telecomunicaciones (C‑40/08, EU:C:2009:615, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 14. Juni 2012, Banco Español de Crédito (C‑618/10, EU:C:2012:349, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).


54 – Vgl. insbesondere Urteil vom 14. Juni 2012, Banco Español de Crédito (C‑618/10, EU:C:2012:349, Rn. 67 und die dort angeführte Rechtsprechung).


55 – Vgl. insbesondere Urteil vom 14. Juni 2012, Banco Español de Crédito (C‑618/10, EU:C:2012:349, Rn. 68, in der Art. 7 der Richtlinie 93/13 zitiert wird).


56 – Vgl. insbesondere Urteil vom 14. Juni 2012, Banco Español de Crédito (C‑618/10, EU:C:2012:349, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).


57 – Vgl. Urteil vom 14. Juni 2012, Banco Español de Crédito (C‑618/10, EU:C:2012:349, Rn. 62).


58 – Vgl. Urteile vom 14. Juni 2012, Banco Español de Crédito (C‑618/10, EU:C:2012:349, Rn. 63), vom 30. Mai 2013, Jőrös (C‑397/11, EU:C:2013:340, Rn. 41), und Asbeek Brusse und de Man Garabito (C‑488/11, EU:C:2013:341, Rn. 49). Vgl. auch Beschlüsse vom 3. April 2014, Sebestyén (C‑342/13, EU:C:2014:1857, Rn. 35), und vom 17. März 2016, Ibercaja Banco (C‑613/15, EU:C:2016:195, Rn. 35).


59 – Urteil vom 14. Juni 2012, Banco Español de Crédito (C‑618/10, EU:C:2012:349, Rn. 65). Hervorhebung nur hier.


60 – Vgl. Urteile vom 30. Mai 2013, Jőrös (C‑397/11, EU:C:2013:340, Rn. 41), Asbeek Brusse und de Man Garabito (C‑488/11, EU:C:2013:341, Rn. 49 und 57), und vom 21. April 2016, Radlinger und Radlingerová (C‑377/14, EU:C:2016:283, Rn. 98).


61 – Vgl. Urteile vom 30. Mai 2013, Asbeek Brusse und de Man Garabito (C‑488/11, EU:C:2013:341, Rn. 58), und vom 21. Januar 2015, Unicaja Banco und Caixabank (C‑482/13, C‑484/13, C‑485/13 und C‑487/13, EU:C:2015:21, Rn. 31).


62 – Vgl. Urteil vom 14. Juni 2012, Banco Español de Crédito (C‑618/10, EU:C:2012:349, Rn. 69 und 70).


63 – Vgl. Urteile vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai (C‑26/13, EU:C:2014:282, Rn. 78), und vom 14. April 2016, Sales Sinués und Drame Ba (C‑381/14 und C‑385/14, EU:C:2016:252, Rn. 21 und 39).


64 – Vgl. Urteile vom 3. Dezember 2015, Banif Plus Bank (C‑312/14, EU:C:2015:794, Rn. 27), und vom 14. April 2016, Sales Sinués und Drame Ba (C‑381/14 und C‑385/14, EU:C:2016:252, Rn. 25).


65 – C‑472/10, EU:C:2012:242.


66 – Vgl. Urteil vom 26. April 2012, Invitel (C‑472/10, EU:C:2012:242, Rn. 39).


67 – Urteil vom 26. April 2012, Invitel (C‑472/10, EU:C:2012:242, Rn. 40).


68 – Urteil vom 30. Mai 2013, Jőrös (C‑397/11, EU:C:2013:340, Rn. 43).


69 – C‑482/13, C‑484/13, C‑485/13 und C‑487/13, EU:C:2015:21, Rn. 41. Hervorhebung nur hier. Vgl. ebenso Beschluss vom 17. März 2016, Ibercaja Banco (C‑613/15, EU:C:2016:195, Rn. 37).


70 – Es ist auch darauf hinzuweisen, dass der Bericht der Kommission über die Anwendung der Richtlinie 93/13 (KOM[2000] 248 endgültig vom 27. April 2000) bereits feststellte, dass „[Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13] … sehr unterschiedlich umgesetzt [wurde], was sich aus der Vielfalt vorhandener Rechtstraditionen erklärt; so schwanken die zivilrechtlichen Sanktionen zwischen Fehlen, Nichtigkeit, Anfechtbarkeit, Wirkungslosigkeit oder Nichtanwendbarkeit solcher missbräuchlicher Klauseln. … Es soll auch eine Gerichtsentscheidung, mit der eine Klausel für missbräuchlich erklärt wird, ab dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses wirksam werden (ex tunc). … Es ist ziemlich schwierig, abzuschätzen, bis zu welchem Grade die verschiedenen nationalen Rechtsordnungen diese Ergebnisse herbeiführen; zumindest ist zu befürchten, dass sie dies nicht immer tun.“ (S. 21). Die Aufmerksamkeit des Unionsgesetzgebers war bereits auf dieses Problem gerichtet. Ich stelle jedoch fest, dass die Richtlinie 93/13 zuletzt durch die Richtlinie 2011/83 geändert wurde und keine der vorgenommenen Änderungen Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 betroffen hat.


71 – Vgl. Art. 1303 Zivilgesetzbuch in Verbindung mit Art. 83 LGDCU.


72 – Vgl. zuletzt Urteil vom 14. April 2016, Sales Sinués und Drame Ba (C‑381/14 und C‑385/14, EU:C:2016:252, Rn. 31).


73 – Vgl. entsprechend Urteile vom 6. Oktober 2009, Asturcom Telecomunicaciones (C‑40/08, EU:C:2009:615, Rn. 38), vom 14. Juni 2012, Banco Español de Crédito (C‑618/10, EU:C:2012:349, Rn. 46), vom 21. Februar 2013, Banif Plus Bank (C‑472/11, EU:C:2013:88, Rn. 26), vom 14. März 2013, Aziz (C‑415/11, EU:C:2013:164, Rn. 50), vom 30. Mai 2013, Jőrös (C‑397/11, EU:C:2013:340, Rn. 29), und Asbeek Brusse und de Man Garabito (C‑488/11, EU:C:2013:341, Rn. 42), vom 5. Dezember 2013, Asociación de Consumidores Independientes de Castilla y León (C‑413/12, EU:C:2013:800, Rn. 30), vom 27. Februar 2014, Pohotovosť (C‑470/12, EU:C:2014:101, Rn. 46), vom 10. September 2014, Kušionová (C‑34/13, EU:C:2014:2189, Rn. 50), vom 18. Februar 2016, Finanmadrid EFC (C‑49/14, EU:C:2016:98, Rn. 40), vom 14. April 2016, Sales Sinués und Drame Ba (C‑381/14 und C‑385/14, EU:C:2016:252, Rn. 32), und vom 21. April 2016, Radlinger und Radlingerová (C‑377/14, EU:C:2016:283, Rn. 48).


74 – Vgl. insbesondere Urteil Pohotovosť (C‑470/12, EU:C:2014:101, Rn. 47).


75 – Vgl. Rn. 95 der schriftlichen Erklärungen der spanischen Regierung in den Rechtssachen C‑307/15 und C‑308/15.


76 – Hier handelt es sich weniger um eine Vorschrift als vielmehr um eine gerichtliche Praxis, die nicht wirklich kodifiziert ist. In Beantwortung einer vom Gerichtshof in der mündlichen Verhandlung gestellten Frage hat der Vertreter der spanischen Regierung nämlich erklärt, dass das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) die Prärogative, die Restitutionswirkungen der Nichtigkeit zu beschränken, auf seine Auslegung von Art. 1303 Zivilgesetzbuch stützt.


77 – Vgl. Urteile vom 6. Oktober 2009, Asturcom Telecomunicaciones (C‑40/08, EU:C:2009:615, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung), vom 14. Juni 2012, Banco Español de Crédito (C‑618/10, EU:C:2012:349, Rn. 49), vom 21. Februar 2013, Banif Plus Bank (C‑472/11, EU:C:2013:88, Rn. 33), vom 14. März 2013, Aziz (C‑415/11, EU:C:2013:164, Rn. 53), vom 30. Mai 2013, Jőrös (C‑397/11, EU:C:2013:340, Rn. 32), vom 5. Dezember 2013, Asociación de Consumidores Independientes de Castilla y León (C‑413/12, EU:C:2013:800, Rn. 34), vom 27. Februar 2014, Pohotovosť (C‑470/12, EU:C:2014:101, Rn. 51), vom 10. September 2014, Kušionová (C‑34/13, EU:C:2014:2189, Rn. 52), vom 18. Februar 2016, Finanmadrid EFC (C‑49/14, EU:C:2016:98, Rn. 43 und 44), vom 14. April 2016, Sales Sinués und Drame Ba (C‑381/14 und C‑385/14, EU:C:2016:252, Rn. 34), und vom 21. April 2016, Radlinger und Radlingerová (C‑377/14, EU:C:2016:283, Rn. 50).


78 – Natürlich außer in den Fällen, in denen sichergestellt ist, dass der Verbraucher ausreichend informiert wird.


79 – Vgl. Fn. 11 der vorliegenden Schlussanträge.


80 – Vgl. Nrn. 44 ff. der vorliegenden Schlussanträge.


81 – Vgl. Urteil Asturcom Telecomunicaciones (C‑40/08, EU:C:2009:615).


82 – Dem Grundsatz der restitutio in integrum können nämlich im Zeitpunkt ihrer Durchführung die Regeln über die Verjährung der Forderungen entgegenstehen.


83 – Urteil vom 21. März 2013 (C‑92/11, EU:C:2013:180).


84 – Das Fehlen einer eindeutig identifizierbaren Regel macht daher eine Prüfung, wie sie der Gerichtshof im Rahmen des Urteils vom 14. April 2016, Sales Sinués und Drame Ba (C‑381/14 und C‑385/14, EU:C:2016:252, Rn. 32 ff.), vorgenommen hat, nicht möglich.


85 – Gemäß Art. 1 Abs. 6 Zivilgesetzbuch.