Language of document : ECLI:EU:T:2022:443

URTEIL DES GERICHTS (Dritte Kammer)

13. Juli 2022(*)

„Staatliche Beihilfen – Landwirtschaft – Pachtvertag über landwirtschaftliche Flächen in Estland – Beschluss, mit dem die Beihilfe als unvereinbar mit dem Binnenmarkt erklärt wird und deren Rückforderung angeordnet wird – Vorteil – Bestimmung des Marktwerts – Grundsatz des privaten Wirtschaftsteilnehmers – Komplexe wirtschaftliche Beurteilungen – Richterliche Kontrolle – Berücksichtigung aller relevanten Gesichtspunkte – Sorgfaltspflicht“

In der Rechtssache T‑150/20,

Tartu Agro AS, mit Sitz in Tartu (Estland), vertreten durch Rechtsanwälte T. Järviste, T. Kaurov, M. Valberg und M. Peetsalu,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch V. Bottka und E. Randvere als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten G. De Baere sowie der Richter V. Kreuschitz (Berichterstatter) und K. Kecsmár,

Kanzler: S. Jund, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

auf die mündliche Verhandlung vom 13. Januar 2022,

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage gemäß Art. 263 AEUV beantragt die Klägerin, Tartu Agro AS, die Nichtigerklärung des Beschlusses C(2020) 252 final der Kommission vom 24. Januar 2020 über die staatliche Beihilfe SA.39182 (2017/C) (ex 2017/NN) (ex 2014/CP) – Gewährung einer mutmaßlich rechtswidrigen Beihilfe an AS Tartu Agro (im Folgenden: angefochtener Beschluss).

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

 Zur Klägerin und Lage der landwirtschaftlichen Flächen

2        Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung und seit 1997 Nachfolgerin der Tartu Riigimajand, einem landwirtschaftlichen Staatsbetrieb, der Milch, Fleisch und Getreide erzeugt. Am 2. Oktober 2001 veräußerte die Republik Estland im Rahmen eines nicht offenen Ausschreibungsverfahrens sämtliche Anteile der Klägerin an OÜ Tartland, die 2002 mit der Klägerin fusionierte.

3        Am 16. November 2000 schlossen die Republik Estland, vertreten durch ihr Landwirtschaftsministerium, und die Klägerin im Rahmen eines nicht offenen Ausschreibungsverfahrens (im Folgenden: Ausschreibungsverfahren) für die Dauer von 25 Jahren einen Vertrag über die Verpachtung (im Folgenden: Pachtvertrag) von im Gebiet der Gemeinde Tähtvere im Landkreis Tartu gelegenen und im Eigentum der Republik Estland befindlichen landwirtschaftlichen Parzellen mit einer Gesamtfläche von 3 089,17 ha (im Folgenden: streitige Verpachtung).

4        Der Pachtvertrag sah vor, dass ein jährlicher Pachtzins von 10 000 estnischen Kronen (EEK) (rund 639 Euro), d. h. 3,24 EEK/ha (0,20 Euro/ha), zu zahlen war und dass die Klägerin die Kosten für Pflege und Melioration der Fläche, einschließlich jährlicher Investitionen in Höhe von mindestens 400 000 EEK (ca. 25 565 Euro bzw. 8,28 Euro/ha) in Entwässerungssysteme, die Ausgaben für die Instandhaltung der Fläche und die Bodenverbesserung in Höhe eines Mindestbetrags von insgesamt 3 981 000 EEK (ca. 254 432 Euro), einschließlich Ausgaben für den Pflanzenschutz (820 000 EEK), mineralische und organische Düngemittel (3 100 000 EEK), Kalken (20 000 EEK) und die Instandhaltung von Straßenrändern (41 000 EEK) sowie die Zahlung aller Steuern übernehmen sollte.

5        Darüber hinaus sah der Pachtvertrag eine Änderungsklausel vor und wurde mehrfach geändert. Drei dieser Änderungen betrafen die Erhöhung des jährlichen Pachtzinses, der am 14. Januar 2005 auf 80 000 EEK (rund 5 113 Euro), am 21. März 2007 auf 250 000 EEK (15 978 Euro) und am 12. Mai 2009 auf 416 000 EEK (26 626 Euro), d. h. 136 EEK/ha (8,69 Euro/ha), angehoben wurde. Diese Pachtzinserhöhungen wurden jeweils zum 1. Januar 2005, 1. Januar 2007 und 1. Januar 2009 rückwirkend wirksam.

 Zum Verwaltungsverfahren vor der Kommission

6        Mit einer am 24. Juli 2014 eingereichten und am 28. Juli 2014 von der Europäischen Kommission registrierten Beschwerde wurde geltend gemacht, dass das estnische Ministerium für den ländlichen Raum (vormals estnisches Landwirtschaftsministerium) der Klägerin eine rechtswidrige staatliche Beihilfe gewährt habe.

7        Die Kommission leitete die Beschwerde am 14. August 2014 an die estnischen Behörden weiter und ersuchte diese um Mitteilung von Informationen und Abgabe von Stellungnahmen. Die estnischen Behörden übermittelten die angeforderten Informationen am 3. Oktober 2014.

8        Mit Beschluss vom 27. Februar 2017 leitete die Kommission das förmliche Prüfverfahren gemäß Art. 108 Abs. 2 AEUV betreffend die streitige Verpachtung ein (ABl. 2017, C 103, S. 4, im Folgenden: Eröffnungsbeschluss) und gab interessierten Dritten Gelegenheit zur Stellungnahme.

9        In dem Eröffnungsbeschluss führt die Kommission aus, dass sie nicht ausschließen könne, dass die streitige Verpachtung eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstelle. Erstens habe die Klägerin möglicherweise einen Vorteil erlangt, der insbesondere in einem unter dem Marktwert liegenden Pachtzins bestehe, worauf ein von den estnischen Behörden vorgelegter unabhängiger Bericht hinzudeuten scheine. Insoweit stellte die Kommission auch in Frage, ob das Ausschreibungsverfahren transparent, diskriminierungsfrei und bedingungsfrei durchgeführt wurde. Zweitens handle es sich um einen selektiven Vorteil, soweit die in Rede stehenden landwirtschaftlichen Flächen nur an die Klägerin verpachtet worden seien. Drittens vertrat die Kommission die Auffassung, dass die übrigen Voraussetzungen von Art. 107 Abs. 1 AEUV erfüllt zu sein schienen.

10      Am 21. April 2017 gaben die estnischen Behörden ihre Stellungnahme ab. Daneben gingen bei der Kommission Stellungnahmen von zwei interessierten Dritten ein, nämlich die Stellungnahme des Beschwerdeführers und jene der Klägerin, die daraufhin am 10. bzw. am 12. Mai 2017 an die estnischen Behörden weitergeleitet wurden. Die estnischen Behörden reichten ihre Stellungnahme zur Stellungnahme des Beschwerdeführers am 28. Juni 2018 ein.

11      Am 11. und 19. Juni 2017 reichte der Beschwerdeführer eine zusätzliche, mit fünf Anlagen versehene Stellungnahme ein. Die Kommission übermittelte diese Stellungnahme am 3. Juli 2017 an die estnischen Behörden, die ihre Stellungnahme am 21. Juli 2017 übermittelten.

12      Mit Schreiben vom 30. August 2017 wandte sich die Klägerin an die Kommission, das von dieser am 11. September 2017 beantwortet wurde. Der Beschwerdeführer wandte sich mit Schreiben vom 9. Januar 2018, 30. Januar und 14. Juli 2019 an die Kommission, die von dieser am 7. Februar 2018, 1. März und 17. Juli 2019 beantwortet wurden.

13      Die Kommission hielt am 7. Februar 2019 eine Telefonkonferenz mit den estnischen Behörden ab und richtete an diese am 15. Februar 2019 ein Ersuchen um zusätzliche Informationen, das sie am 17. April 2019 beantworteten.

14      Am 24. Januar 2020 erließ die Kommission den angefochtenen Beschluss, worin sie feststellte, dass die streitige Verpachtung alle Voraussetzungen von Art. 107 Abs. 1 AEUV erfülle und daher eine staatliche Beihilfe darstelle (Nr. 153 des angefochtenen Beschlusses).

 Anträge der Parteien

15      Die Klägerin beantragt,

–        den angefochtenen Beschluss in vollem Umfang für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

16      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

17      Zur Stützung der Klage macht die Klägerin formal acht Klagegründe geltend. Da der erste formal geltend gemachte Klagegrund nur Erwägungen zur Zulässigkeit betrifft, sind die sieben anderen formal geltend gemachten Gründe zu prüfen.

18      Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, die Kommission habe rechtliche, verfahrensrechtliche und tatsächliche („offensichtliche“) Fehler begangen; diese beträfen erstens ihre Beurteilung der Vereinbarkeit der Ausschreibung mit den die Marktbedingungen gewährleistenden Anforderungen, zweitens der Vereinbarkeit des im Pachtvertrag festgelegten Pachtzinses mit dem Marktwert, drittens der Bestimmung des Betrags des Vorteils, viertens der Einstufung der neuen Beihilfe, fünftens der Verpflichtung zur Rückzahlung eines Teils der Beihilfe, sechstens der Verpflichtung zur Rückforderung der Beihilfe durch die Republik Estland und siebtens der Unvereinbarkeit der Beihilfe mit dem Binnenmarkt.

19      Das Gericht hält es für angebracht, zunächst die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses hinsichtlich der Beurteilung der Vereinbarkeit des im Pachtvertrag vorgesehenen Pachtzinses mit dem Marktwert und der Bestimmung des Betrags des Vorteils zu prüfen.

20      Mit dem jeweils förmlich geltend gemachten dritten und vierten Klagegrund stellt die Klägerin im Wesentlichen in Abrede, dass die Voraussetzung für das Vorliegen eines wirtschaftlichen Vorteils im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV im vorliegenden Fall erfüllt sei. Konkret macht sie geltend, die Kommission habe in den Nrn. 131 bis 148 des angefochtenen Beschlusses zu Unrecht festgestellt, dass die streitige Verpachtung der Klägerin dadurch einen Vorteil verschaffe, dass der von dieser gezahlte Pachtzins in den Jahren 2000 bis 2017 geringer sei als der Marktwert, und in den Nrn. 154 bis 165 dieses Beschlusses die unzutreffende Feststellung getroffen, dass dieser Vorteil dem Unterschied zwischen dem sich aus den jährlichen Schätzungen des Marktwerts des Pachtzinses für die in Rede stehenden Flächen ergebenden Durchschnittsbetrag und dem um die Hälfte des Betrags der jährlichen Investitionen in das Entwässerungssystem und um die im Namen des Eigentümers entrichtete Grundsteuer erhöhten für diese Flächen tatsächlich gezahlten Pachtzins entspreche.

21      Konkret vertritt die Klägerin die Auffassung, dass der Uus-Maa-Bericht, auf den sich die Kommission für den Zeitraum von 2000 bis 2014 gestützt habe, nicht verlässlich sei, da er zum einen für den Pachtzins Wertspannen für Zeiträume angebe, in denen der Höchstbetrag den Mindestbetrag mitunter um das Zweifache übersteige, und zum anderen die tatsächlichen Werte um 20 % von den angegebenen Werten abweichen könnten. Sie rügt, die Kommission habe den Marktwert auf der Grundlage des arithmetischen Mittels der Mindest- und Höchstwerte dieser Wertspannen bestimmt. Nach ihrer Auffassung können sowohl der Mindest- als auch der Höchstbetrag einer Wertspanne und sogar ein Pachtzins, der diesen Betrag um 20 % überschreite, mit dem Marktwert vereinbar sein. Indem die Kommission sich auf das arithmetische Mittel dieses ungenauen Gutachtens gestützt habe, habe sie ihre Beurteilungs- und Begründungspflicht verletzt. Die für den Zeitraum von 2015 bis 2017 als Vergleichsgrundlage herangezogenen Daten des estnischen Statistischen Amts stellten kein Gutachten dar und berücksichtigten nicht die Besonderheiten der streitigen Flächen.

22      Die Klägerin macht geltend, dass die Kommission bei der Beurteilung der Frage, ob sich der estnische Staat wie ein privater Wirtschaftsteilnehmer verhalten habe, den Kontext und die wirtschaftlichen Erwägungen zur Zeit des Abschlusses des Pachtvertrags im Jahr 2000 hätte berücksichtigen müssen. Damals seien der Beitritt der Republik Estland zur Union noch ungewiss, der Markt für landwirtschaftliche Flächen schwach und der Wert von Flächen und die Pachtzinsen niedrig gewesen.

23      Die Klägerin trägt vor, die Investitionen in die Verbesserung der Bodenflächen sowie die Ausgaben für die Instandhaltung der Flächen und andere qualitative Verbesserungen, wie sie im Pachtvertrag vorgesehen seien, müssten in vollem Umfang in den Pachtzins einbezogen werden. Aus dem Uus-Maa-Bericht folge, dass im Jahr 2000 weder die Auferlegung dieser Verpflichtungen noch der Abschluss von langfristigen Pachtverträgen über eine derart große Fläche üblich gewesen sei. Es sei daher festzustellen, dass es keine vergleichbaren Verträge gebe und der Wert dieser Verpflichtungen notwendigerweise in den Pachtzins einbezogen werden müsse.

24      Nach dem Vorbringen der Klägerin erfüllte die Kommission weder die sich für sie aus der Beweislast ergebenden Verpflichtungen noch die ihr obliegenden verfahrensrechtlichen Anforderungen. Die Kommission habe insbesondere weder die tatsächlichen Umstände noch die wirtschaftlichen Daten zutreffend ausgelegt und die Beweise in selektiver Weise bewertet. Aus dem Uus-Maa-Bericht gehe hervor, dass die südlich von Tartu gelegenen Flächen Bodenverbesserungssysteme erforderten, die zusätzliche Aufwendungen notwendig machten, dass die Anlage dieser Systeme eine Investition in das Vermögen des Eigentümers sei, dass die Verpflichtungen zur Fruchtbarmachung von Böden nicht gängige Praxis sei, dass kein neu geschlossener marktüblicher Pachtvertrag den Eigentümer so begünstige wie es bei dem vorliegenden Vertrag der Fall sei, dass das reale Nettojahreseinkommen der privaten Pächter aufgrund der Steuern auf das Einkommen und der Grundsteuer niedriger sei und dass der Pachtvertrag nicht mit einem gewöhnlichen Pachtvertrag vergleichbar sei.

25      Die Klägerin führt aus, die Kommission habe nicht berücksichtigt, dass nach den im Uus-Maa-Bericht angegeben Daten die nutzbare Fläche der in Rede stehenden Flächen nur 2 833,596 ha, d. h. 83 % der Gesamtfläche dieser Flächen betrage. Der von ihr entrichtete effektive Pachtzins liege damit um 16,7 % über dem nach dem Pachtvertrag zu zahlenden Pachtzins. Daneben bestünden die in Rede stehenden Flächen zu einem erheblichen Teil aus Wegen und anderen nicht nutzbaren Flächen.

26      Die Klägerin fügt hinzu, auch das von den estnischen Behörden im Verwaltungsverfahren vorgelegte – und von der Kommission nicht berücksichtigte – von AS Pindi Kinnisvara erstellte Gutachten (im Folgenden: Gutachten Pindi Kinnisvara) zeige, dass der Pachtzins den marktüblichen Bedingungen entspreche.

27      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

28      Die Kommission weist darauf hin, sie habe vor der Vornahme von Anpassungen den von der Klägerin in den in Rede stehenden Jahren gezahlten Pachtzins mit den sich aus dem Uus-Maa-Bericht und den Daten des estnischen Statistischen Amts ergebenden jährlichen Durchschnittspachtzinsen verglichen. Dieser Bericht habe plausible Schätzungen der im Landkreis Tartu in den Jahren 2000 bis 2014 verlangten Pachtzinsen enthalten. Sie stellt klar, dass sie sich auf den in diesem Bericht angegebenen durchschnittlichen Schätzungswert der Pachtzinsen gestützt habe und dass es üblich sei, solche Schätzungen und Wertspannen bei Vergleichen heranzuziehen. Die in Rede stehenden Flächen unterschieden sich nicht von durchschnittlichen Flächen in Estland. Ein Vergleich mit dem niedrigsten Wert dieser Wertspannen, wie er von der Klägerin vorgeschlagen werde, hätte zu einer Unterbewertung des Vorteils geführt. Die Kommission vertritt daher die Auffassung, dass sie zu einem vorsichtigen und ausgeglichenen Ergebnis gekommen sei, indem sie sich auf die Durchschnittsbeträge der Pachtzinsen und auf objektive Daten gestützt habe. Im Übrigen sei festzustellen, dass dieser Bericht von den estnischen Behörden vorgelegt worden sei und dass die Klägerin keine verlässlicheren Beweise habe vorbringen können.

29      Nach Ansicht der Kommission stellen die Daten des estnischen Statistischen Amts, wie sie für die Jahre 2015 bis 2017 herangezogen worden seien, zuverlässige Beweise dar. Sie habe in dem angefochtenen Beschluss ausgeführt, dass diese Daten nicht das Ergebnis einer Bewertung des Zinses für die Flächenverpachtung durch einen Sachverständigen seien, sondern die Durchschnittswerte der für diesen Zeitraum angegebenen Pachtzinsen widerspiegelten. Diese Daten seien die einzigen ihr vorliegenden verlässlichen Informationen. Die ermittelten Ergebnisse entsprächen jenen Ergebnissen, die für die Jahre 2000 bis 2014 ermittelt worden seien. Weder die Klägerin noch die estnischen Behörden hätten nachgewiesen, dass der Wert der in Rede stehenden Flächen geringer sei als der Durchschnittswert der landwirtschaftlichen Flächen in Estland. Auch die finanzielle Lage der Klägerin weise nicht auf einen geringeren Wert hin. Daneben bedeute auch der Umstand, dass die statistischen Daten nicht alle Besonderheiten einer bestimmten Parzelle abbilden könnten, nicht, dass sie diese Daten zu Unrecht verwendet habe.

30      Die Kommission ist der Ansicht, sie habe den Kontext zur Zeit des Abschlusses des Pachtvertrags berücksichtigt, und weist darauf hin, dass die Klägerin nicht darlege, inwiefern der angefochtene Beschluss in dieser Hinsicht lückenhaft sei. Auch wenn die Marktwerte ursprünglich niedrig gewesen seien, so habe der Pachtzins der Klägerin, wie die Kommission in diesem Beschluss dargestellt habe, in den Jahren 2000 bis 2017 – trotz der erfolgten Erhöhungen – weiterhin unter diesen Preisen gelegen.

31      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen, wonach der Pachtzins auch die gesamten für die in Rede stehenden Flächen getätigten Investitionen umfassen müsse. Die Investitionen für die Verbesserung und die Instandhaltung der Flächen sowie die Verbesserung der Bodenqualität seien Betriebsausgaben, die im Interesse des Nutzers im Jahreszyklus der landwirtschaftlichen Produktion getätigt würden. Die Klägerin befinde sich nicht in einer besonders zu berücksichtigenden Situation, da sich die Besonderheiten zum einen in den Preisen des Pachtmarktes widerspiegelten und zum anderen alle landwirtschaftlichen Flächen in Estland in dem in Rede stehenden Zeitraum massive Investitionen erfordert hätten. Die Verbesserung der Fruchtbarkeit sei erstens naturgemäß Teil der landwirtschaftlichen Nutzung, weise zweitens nicht darauf hin, dass der Wert der in Rede stehenden Flächen erheblich von jenem der durchschnittlichen landwirtschaftlichen Flächen in Estland abgewichen sei, und erkläre drittens nicht, weshalb der Pachtzins unter dem Marktwert liege. Ein geringerer Pachtzins wäre nur dann gerechtfertigt gewesen, wenn die Fruchtbarkeit der Böden geringer gewesen wäre als die durchschnittliche Fruchtbarkeit oder sich verschlechtert hätte. Was die Investitionen in das Entwässerungssystem anbelangt, habe sie anerkannt, dass der estnische Staat als Eigentümer von bestimmten Instandhaltungskosten befreit gewesen sei und durch eine Erhöhung des Werts der Flächen begünstigt werde. Angesichts des Umstands, dass diese Investitionen die gesetzlichen Anforderungen überschritten und auch die Klägerin begünstigten, stelle die Berücksichtigung der Hälfte dieser Investitionen eine vorsichtige Schätzung dar. Dieser Umstand zeige auch, dass sie die Verbesserung der Böden und insbesondere deren Fruchtbarkeit berücksichtigt habe.

32      Die Kommission ist der Ansicht, das Vorbringen zur Beweislast beruhe auf Behauptungen, die einer Grundlage entbehrten, und gehe daher ins Leere. Das Gutachten Pindi Kinnisvara stelle ein Ex-post-Gutachten dar, das im Verwaltungsverfahren nicht vorgelegt worden sei und das daher den Beweiswert des Uus-Maa-Berichts, der von den estnischen Behörden in diesem Verfahren vorgelegt und durch den maßgeblichen Zeitraum betreffende Daten bestätigt worden sei, nicht entkräften könne. Demgegenüber weist sie in ihrer Gegenerwiderung darauf hin, dass nicht die Klägerin, sondern diese Behörden dieses Gutachten in diesem Verfahren vorgelegt hätten. Da dieses Gutachten von der Klägerin in Auftrag gegeben worden sei, seien diese Behörden um eine eigenständige Bewertung – den Uus-Maa-Bericht – ersucht worden. Es sei daher nicht mehr notwendig gewesen, zu dieser – von den estnischen Behörden offensichtlich zurückgezogenen – Teilanalyse Stellung zu nehmen. In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission in ihrer Antwort auf mündliche Fragen des Gerichts klargestellt, dass sie auf der Grundlage des Schreibens der estnischen Behörden vom 7. Oktober 2015 und der nachfolgenden Kommunikation mit diesen Behörden von der Rücknahme des fraglichen Gutachtens habe ausgehen können. Dieses Gutachten sei daher im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses nicht mehr Bestandteil der Verwaltungsakten gewesen, so dass es nicht mehr erforderlich gewesen sei, es in diesem Beschluss zu erwähnen. Das Gericht hat diese Ausführungen im Protokoll der mündlichen Verhandlung festgehalten.

33      Die Kommission führt aus, die Beurteilung des Vorteils stelle eine komplexe wirtschaftliche Bewertung dar, so dass sie bei der Entscheidung, welche Beweise und welche Bewertungsmethode am geeignetsten sei, über einen Beurteilungsspielraum verfüge. Zu den an den ursprünglichen Vergleichsergebnissen vorgenommenen Anpassungen führt sie aus, dass sie ihr Vorgehen erläutert habe und dass sie sich auf Beweise gestützt habe, um nur die tatsächlich erforderlichen Anpassungen vorzunehmen. Die Klägerin habe weder nachgewiesen, dass einer dieser Schritte ungeeignet gewesen sei, noch den Nachweis erbracht, dass ein offensichtlicher Beurteilungsfehler vorliege.

34      Die Kommission fügt hinzu, dass die Klägerin im Jahr 2000 eine Agrarförderung für 2 912,76 ha erhalten habe, was darauf hinweise, dass die aus zahlreichen Arten unterschiedlicher Parzellen mit voneinander abweichenden Werten bestehende Fläche sehr groß gewesen sei. Deshalb sei ein Durchschnittspreis für eine solche Fläche repräsentativ.

35      Nach ständiger Rechtsprechung gelten Maßnahmen gleich welcher Art, die mittelbar oder unmittelbar Unternehmen begünstigen können oder die als ein wirtschaftlicher Vorteil anzusehen sind, den das begünstigte Unternehmen unter normalen Marktbedingungen nicht erhalten hätte, als staatliche Beihilfen (vgl. Urteil vom 17. September 2020, Compagnie des pêches de Saint-Malo, C‑212/19, EU:C:2020:726, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36      Nach ständiger Rechtsprechung können die Lieferung von Gegenständen oder die Erbringung von Dienstleistungen zu Vorzugsbedingungen eine staatliche Beihilfe gemäß Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellen (vgl. Urteile vom 11. Juli 1996, SFEI u. a., C‑39/94, EU:C:1996:285, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung, vom 1. Juli 2010, ThyssenKrupp Acciai Speciali Terni/Kommission, T‑62/08, EU:T:2010:268, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 28. Februar 2012, Land Burgenland/Kommission, T‑268/08 und T‑281/08, EU:T:2012:90, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37      Im Fall der Verpachtung eines Grundstücks zu einem vermeintlichen Vorzugspreis, die mit einem Verkauf eines Grundstücks durch eine öffentliche Stelle an ein Unternehmen vergleichbar ist, ist zu prüfen, ob der vermeintliche Beihilfeempfänger das Grundstück zu einem Preis erworben hat, den er unter normalen Marktbedingungen nicht hätte erreichen können. Unter diesen Umständen entspricht der Wert der Beihilfe der Differenz zwischen dem, was der Empfänger tatsächlich gezahlt hat, und dem, was er zum fraglichen Zeitpunkt unter normalen Marktbedingungen hätte zahlen müssen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. Dezember 2015, Griechenland und Ellinikos Chrysos/Kommission, T‑233/11 und T‑262/11, EU:T:2015:948, Rn. 79 und die dort angeführte Rechtsprechung).

38      Die Kommission hätte daher prüfen müssen, ob der von der Klägerin im Rahmen der streitigen Verpachtung gezahlte Pachtzins den normalen Marktbedingungen entspricht.

39      In diesem Kontext hatte die Kommission komplexe wirtschaftliche Beurteilungen vorzunehmen. Im Rahmen der Kontrolle, die die Unionsgerichte in Bezug auf die Würdigung komplexer wirtschaftlicher Gegebenheiten durch die Kommission im Bereich der staatlichen Beihilfen ausüben, ist es nicht Sache dieser Gerichte, die wirtschaftliche Beurteilung seitens der Kommission durch ihre eigene zu ersetzen (Urteile vom 22. November 2007, Spanien/Lenzing, C‑525/04 P, EU:C:2007:698, Rn. 57, und vom 2. September 2010, Kommission/Scott, C‑290/07 P, EU:C:2010:480, Rn. 66; vgl. auch Urteil vom 10. Dezember 2020, Comune di Milano/Kommission, C‑160/19 P, EU:C:2020:1012, Rn. 100 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Kontrolle durch den Unionsrichter ist daher begrenzt. Sie beschränkt sich auf die Prüfung, ob die Verfahrensvorschriften und die Begründungspflicht beachtet wurden, ob der Sachverhalt zutreffend festgestellt wurde und ob kein offensichtlicher Beurteilungsfehler oder Ermessensmissbrauch vorliegt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. März 2017, Ellinikos Chrysos/Kommission, C‑100/16 P, EU:C:2017:194, Rn. 18 und 19 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

40      Dies bedeutet aber nicht, dass die Unionsgerichte eine Kontrolle der Auslegung von Wirtschaftsdaten durch die Kommission unterlassen müssen. Sie müssen nämlich nicht nur die sachliche Richtigkeit der angeführten Beweise, ihre Zuverlässigkeit und ihre Kohärenz prüfen, sondern auch kontrollieren, ob diese Beweise alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung einer komplexen Situation heranzuziehen waren, und ob sie die aus ihnen gezogenen Schlüsse stützen (Urteile vom 22. November 2007, Spanien/Lenzing, C‑525/04 P, EU:C:2007:698, Rn. 56 und 57, vom 2. September 2010, Kommission/Scott, C‑290/07 P, EU:C:2010:480, Rn. 64 und 65, und vom 10. Dezember 2020, Comune di Milano/Kommission, C‑160/19 P, EU:C:2020:1012, Rn. 115). Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass in Fällen, in denen ein Unionsorgan über ein weites Ermessen verfügt, der Kontrolle der Einhaltung bestimmter Verfahrensgarantien wesentliche Bedeutung zukommt. Zu diesen Garantien gehört die Verpflichtung des zuständigen Organs, sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen und seine Entscheidung hinreichend zu begründen (Urteil vom 22. November 2007, Spanien/Lenzing, C‑525/04 P, EU:C:2007:698, Rn. 58).

41      Im Licht dieser Grundsätze ist nun zu prüfen, ob das Vorbringen der Klägerin begründet ist.

42      Im vorliegenden Fall nahm die Kommission bei der Beurteilung, ob die streitige Verpachtung den Marktbedingungen entsprach, eine Prüfung in zwei Schritten vor. So prüfte sie zuerst, ob der Pachtzins für sich genommen unter dem Marktwert lag (Nrn. 132 bis 139 des angefochtenen Beschlusses). In einem zweiten Schritt untersuchte sie, ob dieser Betrag zuzüglich zusätzlicher vertraglicher Verpflichtungen, soweit diese Teil der Pachteinnahmen des Staates sind, unter diesem Marktwert blieb (Nrn. 141 bis 146 dieses Beschlusses).

 Zur Vereinbarkeit des Pachtzinses mit dem Marktwert

43      Beim Vergleich der Höhe des Pachtzinses mit dem Marktwert stützte sich die Kommission auf den Uus-Maa-Bericht und die Daten des estnischen Statistischen Amts, die beide von den estnischen Behörden im Verwaltungsverfahren vorgelegt wurden. Auf dieser Grundlage untersuchte sie, ob der von der Klägerin im Rahmen der streitigen Verpachtung gezahlte Pachtzins für sich genommen während der gesamten Pachtlaufzeit dem durchschnittlichen Pachtzins für landwirtschaftliche Flächen in Estland entsprach (Nr. 131 des angefochtenen Beschlusses).

44      Konkret stellte die Kommission in den Nrn. 134 bis 136 des angefochtenen Beschlusses zum einen fest, dass nach dem Uus-Maa-Bericht die Pachtzinsen für landwirtschaftliche Flächen im Landkreis Tartu im Zeitraum von 2000 bis 2004 zwischen 6 und10 Euro/ha, im Zeitraum von 2005 bis 2009 zwischen 10 und 20 Euro/ha und im Zeitraum von 2010 bis 2014 zwischen 25 und 60 Euro/ha gelegen hätten. Dem habe gegenübergestanden, dass die Klägerin im ersten Zeitraum 0,20 Euro/ha an Pachtzinsen gezahlt habe und dass der Pachtzins im zweiten Zeitraum am 14. Januar 2005 und am 21. März 2007 auf 1,66 Euro/ha bzw. auf 5,21 Euro/ha und im dritten Zeitraum am 12. Mai 2009 auf 8,68 Euro/ha angehoben worden sei.

45      Zum anderen wies die Kommission in den Nrn. 137 bis 139 des angefochtenen Beschlusses darauf hin, dass den Daten des estnischen Statistischen Amts zufolge der durchschnittliche Pachtzins für landwirtschaftliche Flächen und für Ackerflächen im Jahr 2015 in Estland 52 Euro/ha bzw. 55 Euro/ha und im Landkreis Tartu 63 Euro/ha bzw. 65 Euro/ha betragen habe. Im Jahr 2016 seien diese Beträge in Estland bei 52 Euro/ha bzw. bei 54 Euro/ha und im Landkreis Tartu bei 61 Euro/ha und bei 61 Euro/ha gelegen. Im Jahr 2017 hätten diese Pachtzinsen in Estland 58 Euro/ha bzw. 60 Euro/ha betragen. Für dieses Jahr hätten für den Landkreis Tartu keine Daten vorgelegen. Demgegenüber habe die Klägerin als Pachtzins im Jahr 2015 26,86 Euro/ha, im Jahr 2016 27,30 Euro/ha und im Jahr 2017 27,28 Euro/ha entrichtet.

46      Auf der Grundlage dieses Vergleichs kam die Kommission in Nr. 140 des angefochtenen Beschlusses zu dem Ergebnis, dass der Pachtzins während des gesamten Zeitraums von 2000 bis 2017 für sich genommen unter dem Marktwert lag. In den Nrn. 154 bis 156 dieses Beschlusses wendete sie bei der Berechnung des Vorteils eine ähnliche Methode an, wobei sie darauf hinwies, dass der von der Klägerin gezahlte jährliche Pachtzins mit den durchschnittlichen Jahresbeträgen verglichen werden müsse, die sich aus den im Uus-Maa-Bericht angeführten Wertspannen und den Daten des estnischen Statistischen Amts ergäben. Sie vertrat zum einen die Auffassung, dass dieser Vorteil in der Differenz zwischen diesen Durchschnittsbeträgen und diesem Pachtzins bestehe, und zum anderen, dass die Hektarzahl, für die Agrarbeihilfen gezahlt worden seien, als Grundlage für die Berechnung des Vorteils dienen müsse (Nrn. 140 und 165 dieses Beschlusses).

47      Insoweit ist festzustellen, dass die von unabhängigen Sachverständigen nach der in Rede stehenden Transaktion erstellten Gutachten, wie u. a. der Uus-Maa-Bericht, der eine Begutachtung der Flächen und Parzellen, die Gegenstand des Pachtvertrags sind, enthält (vgl. Nr. 28 des angefochtenen Beschlusses), zwar zur Ermittlung herangezogen werden können, ob der von der Klägerin im Rahmen der streitigen Verpachtung gezahlte Pachtzins so stark vom Marktzins abweicht, dass auf das Vorliegen einer Vergünstigung geschlossen werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. September 2004, Valmont/Kommission, T‑274/01, EU:T:2004:266, Rn. 45). Auch ist nicht auszuschließen, dass die Kommission die vom estnischen Statistischen Amt ermittelten und auf einem vom statistischen Amt der Europäischen Union (Eurostat) gebilligten Verfahren beruhenden Durchschnittswerte (vgl. Nr. 39 dieses Beschlusses) berücksichtigt, da auch mit anderen Methoden als der Heranziehung von Sachverständigengutachten Preise ermittelt werden können, die den tatsächlichen Marktwerten entsprechen, sofern diese Methoden eine Aktualisierung der Preise in Fällen eines starken Preisanstiegs vorsehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Dezember 2010, Seydaland Vereinigte Agrarbetriebe, C‑239/09, EU:C:2010:778, Rn. 39 und 54), wie es bei statistischen Daten unabweisbar der Fall ist.

48      Jedoch ist der Vergleich des von der Klägerin im Rahmen der streitigen Verpachtung gezahlten Pachtzinses mit den Durchschnittsbeträgen des Uus-Maa-Berichts und den Daten des estnischen Statistischen Amts, wie er von der Kommission in dem angefochtenen Beschluss vorgenommen wurde, zu allgemein und zu wenig nuanciert, um darlegen zu können, dass die Höhe dieses Pachtzinses nicht dem Zins entspricht, den die Klägerin unter normalen Marktbedingungen erhalten hätte (vgl. oben, Rn. 37 und 38). Insbesondere hatte es dieser Vergleich ihr nicht ermöglicht, auf hinreichend plausible und kohärente Weise den möglichst nahe beim Marktwert liegenden Preis – von einer notwendigerweise zuzulassenden Toleranzmarge abgesehen – zu ermitteln, wie es nach der Rechtsprechung erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Dezember 2010, Seydaland Vereinigte Agrarbetriebe, C‑239/09, EU:C:2010:778, Rn. 35 und 54). Außerdem hat die Kommission im Rahmen dieses Vergleichs nicht alle relevanten Informationen berücksichtigt, über die sie im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses verfügte oder hätte verfügen können (vgl. insoweit Urteile vom 2. September 2010, Kommission/Scott, C‑290/07 P, EU:C:2010:480, Rn. 91, vom 20. September 2017, Kommission/Frucona Košice, C‑300/16 P, EU:C:2017:706, Rn. 70, und vom 26. März 2020, Larko/Kommission, C‑244/18 P, EU:C:2020:238, Rn. 41 und 42).

49      Diese Würdigung stützt sich auf die nachfolgenden Gesichtspunkte.

50      Zum Ersten wird im Uus-Maa-Bericht der Marktwert in Wertspannen wiedergegeben. Denn nach den Feststellungen auf den Seiten 101 und 107 dieses Berichts bewegte sich der Pachtzins für Ackerflächen durchschnittlicher Qualität im Landkreis Tartu im Zeitraum von 2000 bis 2004 zwischen 6 und 10 Euro/ha und im Zeitraum von 2005 bis 2009 zwischen 10 und 20 Euro/ha (vgl. Nrn. 31, 32, 134 und 135 des angefochtenen Beschlusses; vgl. auch oben, Rn. 44). Für den Zeitraum 2010 bis 2014 ist nach den Feststellungen auf Seite 101 dieses Berichts von einer ersten Wertspanne mit Werten zwischen 25 und 60 Euro/ha auszugehen, wohingegen in der Tabelle der Seite 107 dieses Berichts eine zweite Wertspanne Beträge zwischen 30 und 50 Euro/ha vorsieht. Die Kommission übernahm die erste Wertspanne mit Werten von 25 bis 60 Euro/ha (vgl. Nrn. 33, 136 und 156 des angefochtenen Beschlusses; vgl. auch oben, Rn. 44), bei der der Mindestwert von 25 Euro/ha niedriger ist als der niedrigste Wert der zweiten Spanne, der 30 Euro/ha beträgt.

51      Die Kommission vertrat ohne nähere Erläuterungen die Ansicht, dass die arithmetischen Mittel der in den streitigen Wertspannen enthaltenen Werte sowohl bei der Feststellung des Vorliegens eines Vorteils als auch bei der Quantifizierung dieses Vorteils als Grundlage eines Vergleichs mit dem von der Klägerin im Rahmen der streitigen Verpachtung gezahlten Pachtzinses dienen sollten (vgl. Nrn. 131 und 154 bis 156 des angefochtenen Beschlusses; vgl. auch oben, Rn. 43 und 46). In ihren Schriftsätzen an das Gericht und in den Stellungnahmen in der mündlichen Verhandlung hat die Kommission bestätigt, dass sie sich auf dieses arithmetische Mittel gestützt habe.

52      Wie die Klägerin zu Recht vorträgt, bedeutet der Umstand, dass der Uus-Maa-Bericht den Marktwert in Form von Wertspannen wiedergegeben hat, notwendigerweise, dass auch ein den Mindestbeträgen dieser Wertspannen entsprechender Pachtzins einen dem Marktwert entsprechenden Pachtzins darstellt. Das gilt umso mehr, als die Kommission selbst anerkennt, dass es üblich ist, für unbewegliches Vermögen und Grundstücke Schätzungen in Form von Wertspannen als Bewertungsgrundlage zu verwenden, und dass sie deshalb die in diesem Bericht enthaltenen Zahlen als verlässlich erachtet hat. Da es keine besonderen Gründe gab, von dieser Methode abzuweichen, musste die Kommission daher grundsätzlich davon ausgehen, dass ein den Mindestwerten der in dem angefochtenen Beschluss angegebenen Wertspannen entsprechender Pachtzins, nämlich 6, 10 und 25 Euro/ha (vgl. oben, Rn. 50), in den jeweils maßgeblichen Zeiträumen einem solchen Marktwert entsprach.

53      Anders als in ihren Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung vorgebracht, konnte die Kommission nicht nachweisen, dass das arithmetische Mittel der in den streitigen Wertspannen enthaltenen Werte den repräsentativsten Wert und die geeignetste Berechnungsmethode zur Bestimmung des Marktwerts darstellt und dass der Rückgriff auf diesen Mittelwert erforderlich war, um die für mehrere Jahre ermittelten Ergebnisse ins Gleichgewicht zu bringen und diese auf eine verlässlichere Grundlage zu stellen, um auf diese Weise eine Unterbewertung dieses Werts zu vermeiden oder die durchschnittliche Qualität der in Rede stehenden Flächen berücksichtigen zu können.

54      Denn wie in den Nrn. 28 und 30 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, wird im Uus-Maa-Bericht das Sachverständigengutachten zu den Flächen und Parzellen, die Gegenstand des Pachtvertrags sind, berücksichtigt und eine Methode zugrunde gelegt, bei der diese mit anderen Grundstücken mit ähnlichen Eigenschaften verglichen werden. Diese Vergleichsmethode entspricht, wie auf Seite 106 dieses Berichts ausgeführt, einer verbreiteten Praxis zur Feststellung des Marktwerts und erlaubt es, den verlässlichsten Marktwert zu ermitteln. Die in Rede stehenden Wertspannen geben die Pachtzinsen des Marktes für Ackerflächen wieder, die, wie die in Rede stehenden Flächen, von durchschnittlicher Qualität und im Landkreis Tartu gelegen sind (vgl. oben, Rn. 50). Vorbehaltlich entgegenstehender Hinweise kann daher davon ausgegangen werden, dass diese Wertspannen die verlässlichsten und angemessensten Schätzungen des Pachtzinses des Marktes der in Rede stehenden Flächen bieten, was auch von der Kommission in Nr. 133 des angefochtenen Beschlusses anerkannt wurde, indem sie dort feststellte, dass „der Uus-Maa-Bericht plausible, wenn auch konservative Schätzungen der Pachtzinsen im Landkreis Tartu für den Zeitraum 2000 bis 2014 enthält“.

55      Da die in Rede stehenden Wertspannen somit zum einen die Durchschnittsqualität der in Rede stehenden Flächen berücksichtigen und zum anderen bereits das Ergebnis eines Ausgleichs innerhalb vierjähriger Zeiträume sind und daher nur zusammengefasste Daten enthalten, ist nicht erwiesen, dass die Zugrundelegung des arithmetischen Mittels dieser Wertspannen verlässlichere Ergebnisse liefern und zu einem Wert führen kann, der die größtmögliche Annäherung an den Marktwert gewährleistet. Im Gegenteil kann es im Rahmen die Zugrundelegung des arithmetischen Mittels zu ungenauen Ergebnissen und zu einer erheblichen Überbewertung des Marktwerts kommen.

56      Aus denselben Gründen konnte auch die auf Seite 107 des Uus-Maa-Berichts enthaltene und in Nr. 38 des angefochtenen Beschlusses wiedergegebene weite Fehlermarge, wonach der tatsächliche Pachtzins am Markt um +/– 20 % von dem in diesem Bericht genannten Wert abweichen kann, nicht eine Zugrundelegung dieses arithmetischen Mittels rechtfertigen, was die Kommission weder im angefochtenen Beschluss noch im gerichtlichen Verfahren vorgetragen hat. Denn die in den Nrn. 131 bis 140 und 154 bis 157 des angefochtenen Beschlusses enthaltene Prüfung, ob der Pachtzins dem Marktwert entspricht, enthält keine Hinweise, dass die Kommission diese weite Fehlermarge berücksichtigt hat, ungeachtet ihres Umfangs und ihres möglichen Einflusses auf ihre Prüfung. Wie die Klägerin ausführt, ist es nicht ausgeschlossen, dass ein Pachtzins, der bis zu 20 % unter dem niedrigsten Preis der Wertspannen des Uus-Maa-Berichts liegt, auch dem Marktwert entsprechen kann.

57      Die Zugrundelegung des arithmetischen Mittels ermöglicht auch nicht eine Lösung des Problems, dass die Wertspannen des Uus-Maa-Berichts außergewöhnlich weit auseinanderklaffen, wie die Klägerin zu Recht geltend macht. Denn der Unterschied zwischen den Mindest- und Höchstwerten einer Wertspanne beträgt in den Jahren 2000 bis 2004 rund 67 % und in den Jahren 2005 bis 2009 rund 100 %. In den Jahren 2010 bis 2014, für die der Uus-Maa-Bericht unterschiedliche Wertspannen nennt (vgl. oben, Rn. 50), beträgt der Unterschied bei den jeweiligen Wertspannen ungefähr 67 % bzw. 140 %. Deshalb ist die Heranziehung des arithmetischen Durchschnitts dieser Wertspannen zwangsweise mit erheblichen Ungenauigkeiten, ja sogar mit einer erheblichen Überbewertung des Marktwerts, verbunden.

58      Zwar hat die Kommission, wie im Sitzungsprotokoll festgehalten, in der mündlichen Verhandlung mit Verweis auf Nr. 156 des angefochtenen Beschlusses klargestellt, dass sie für die Jahre 2010 bis 2014 die Daten des estnischen Statistischen Amts verwendet habe, um die weiten Wertspannen des Uus-Maa-Berichts zu berücksichtigen. Abgesehen davon, dass diese Feststellung offensichtlich nur für die Quantifizierung des Vorteils in dieser Nr. 156 und nicht für die Feststellung des Vorliegens eines Vorteils in Nr. 136 des angefochtenen Beschlusses gilt, in deren Rahmen sie die von der Klägerin entrichteten Pachtzinsen mit den Durchschnittsbeträgen in diesen Wertspannen verglich, versuchte sie jedoch nicht, das Problem der außergewöhnlich weiten Wertspannen für die Jahre 2000 bis 2004 und 2005 bis 2009 zu lösen.

59      Die Kommission hat somit weder dargetan, dass die arithmetischen Mittel der Wertspannen des Uus-Maa-Berichts, auf die sie sich stützte, geeignet waren, den Wert zu bestimmen, der dem Marktwert möglichst nahekommt, noch die Fehlermarge und die außergewöhnlich weiten Wertspannen dieses Berichts hinreichend berücksichtigt. Im Gegenteil ist festzustellen, dass diese Herangehensweise in Anbetracht der vorstehenden Erwägungen zwangsläufig zu einer Überbewertung dieses Werts führen musste.

60      Zum Zweiten enthält der Uus-Maa-Bericht auf Seite 101 in Bezug auf den Kontext zum Zeitpunkt des Abschlusses des Pachtvertrags die Feststellung, dass es vor dem Beitritt der Republik Estland zur Union im Jahr 2004, „wenige Verträge über die Verpachtung von Ackerflächen [gab]“, dass „[d]ie Verpachtung von Grundstücksflächen … nicht sehr gebräuchlich [war], Pachtverträge … selten geschlossen [wurden]“, „[d]ie Grundstücksflächen … unentgeltlich zur Verfügung gestellt [wurden], um ihr Brachliegen zu verhindern“, und „[d]er Wert der Grundstücksflächen … niedrig [war] und die Pachtzinsen … ebenfalls sehr niedrig [waren] und Pachtverträge … nur mit vergleichsweise bedeutenden Grundstückseigentümern geschlossen [wurden]“ (vgl. auch Nr. 31 des angefochtenen Beschlusses). Wie die Klägerin ausführt, fanden diese Umstände im Rahmen der Prüfung durch die Kommission keine Berücksichtigung.

61      Angesichts dieses Kontexts zum Zeitpunkt des Abschlusses des Pachtvertrags ist es nicht ausgeschlossen, dass ein Pachtzins von 0,20 Euro/ha im Jahr 2000, wie er im Pachtvertrag vorgesehen war (vgl. oben, Rn. 4), den normalen Marktbedingungen entsprach. Das gilt umso mehr, als dieser Vertrag, wie auf Seite 106 des Uus-Maa-Berichts festgestellt, unter Berücksichtigung der umfangreichen zusätzlichen Verpflichtungen, insbesondere hinsichtlich der Instandhaltung der Flächen und der Bodenverbesserung (vgl. oben, Rn. 4), darauf abzielt, die Nutzung der Flächen gemäß ihrer Bestimmung zu erhalten und ihre Fruchtbarkeit zu bewahren.

62      Wie in Nr. 31 des angefochtenen Beschlusses festgestellt wird, geht aus dem Uus-Maa-Bericht ferner hervor, dass im Zeitraum von 2000 bis 2004, in dem der Pachtvertrag geschlossen wurde (vgl. oben, Rn. 3), die Pachtverträge unter Verwendung allgemeiner Begriffe formuliert wurden und keine Klausel über eine Pachtzinserhöhung enthielten. Das deutet darauf hin, dass ein unter normalen Wettbewerbsbedingungen handelnder privater Wirtschaftsteilnehmer, dessen Verhalten zu den Faktoren gehört, die die Kommission berücksichtigen musste, um das Vorliegen einer Beihilfe festzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Dezember 2020, Comune di Milano/Kommission, C‑160/19 P, EU:C:2020:1012, Rn. 109 und die dort angeführte Rechtsprechung), zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Vertrags in einer ähnlichen Situation nicht notwendigerweise die Aufnahme einer Vertragsbestimmung über die automatische oder einseitige Erhöhung des Pachtzinses in den Vertrag verlangt hätte.

63      Bezüglich des Pachtvertrags hat die Kommission in dem angefochtenen Beschluss nicht geprüft, ob dieser Vertrag eine solche Bestimmung vorsah. Ebenso wenig hat sie spätere Änderungen dieses Vertrags einer Beurteilung unterzogen und sich stattdessen auf die Feststellung in Nr. 27 des angefochtenen Beschlusses beschränkt, dass der „Pachtzins … dreimal angepasst [wurde]“. Somit hat sie nicht nachgewiesen, dass der estnische Staat auf der Grundlage dieses Vertrags in seiner ursprünglichen Fassung und seiner späteren Änderungen die Möglichkeit hatte, automatisch oder einseitig den Pachtzins jährlich zu erhöhen, um ihn auf diese Weise dem Marktzins anzupassen.

64      Da eine solche Möglichkeit vertraglich nicht vorgesehen war, konnte sich die Kommission nicht darauf beschränken, den von der Klägerin im Rahmen des Pachtvertrags gezahlten Pachtzins mit dem Marktwert für alle Jahre von 2000 bis 2017 zu vergleichen. Vielmehr hätte sie prüfen müssen, ob im Zeitpunkt des Abschlusses des Pachtvertrags, d. h. im Jahr 2000 (vgl. oben, Rn. 3) sowie bei jeder Vertragsänderung, d. h. in den Jahren 2005, 2007 und 2009 (vgl. oben, Rn. 5), der Pachtzins unter einem Wert lag, den die Klägerin unter normalen Marktbedingungen erhalten hätte. Deshalb konnte es die Kommission auch aus diesem Grund nicht dabei belassen, die arithmetischen Mittel der von den Wertspannen des Uus-Maa-Berichts umfassten Werte zugrunde zu legen, die sich jeweils auf vierjährige Zeiträume bezogen und die eine Bestimmung des Marktwerts in einem bestimmten Jahr nicht ermöglichten. Im Übrigen hat es die Kommission, auch wenn sie in den Nrn. 135 und 136 des angefochtenen Beschlusses zutreffend feststellte, dass die Erhöhungen des Pachtzinses jeweils am 14. Januar 2005, 21. März 2007 und 12. Mai 2009 vorgenommen wurden, auch unterlassen, den Umstand zu berücksichtigen, dass diese Erhöhungen jeweils rückwirkend zum 1. Januar 2005, 1. Januar 2007 und 1. Januar 2009 wirksam wurden (vgl. oben, Rn. 5).

65      Zum Dritten stellte die Kommission zur Größe und zur Nutzung der in Rede stehenden Flächen fest, dass der Pachtvertrag keine Informationen darüber enthalte, dass ein Teil der Fläche für die landwirtschaftliche Nutzung ungeeignet sei (Nr. 157 des angefochtenen Beschlusses). Sie vertrat die Auffassung, dass die Flächen, die keine Ackerflächen seien, auf andere Weise genutzt werden könnten, dass es schwierig sei, verlässliche Ersatzgrößen für den marktüblichen Pachtzins für Waldflächen, Grünland und sonstige Flächen zu finden, und dass deshalb die Hektarzahl, für die EU-Agrarbeihilfe beantragt worden sei und die für 95 bis 97 % der in Rede stehenden Flächen im Zeitraum von 2004 bis 2018 gegolten habe, als Berechnungsgrundlage dienen müsse (Nr. 158 des angefochtenen Beschlusses).

66      Hierzu enthalten zum einen die Seiten 9 und 10 des Uus-Maa-Berichts eine Tabelle mit den Änderungen des Pachtvertrags, einschließlich der Gesamtfläche der in Rede stehenden Flächen, und zum anderen die Seiten 12 bis 99 dieses Berichts eine detaillierte Beschreibung aller vom Pachtvertrag erfassten Vermögensgegenstände und Parzellen, aus der insbesondere deren jeweilige Größe, eine Aufgliederung nach deren Qualität, deren Nutzung, deren besonderen Eigenschaften, deren Fruchtbarkeit und die Beschränkungen und Möglichkeiten des Zugangs hervorgehen. Diese Tabelle und diese detaillierte Beschreibung sollten eine Bestimmung des Pachtzinses ermöglichen, der je nach Größe und Besonderheiten der in Rede stehenden Flächen dem Marktwert möglichst nahekommt.

67      Auf dieser Grundlage konnte die Klägerin in der im Anhang A.22.12 der Klageschrift enthaltenen Tabelle den genauen Anteil der Ackerflächen ermitteln, deren Gesamtfläche nach ihren zutreffenden Ausführungen 2 833,596 ha, d. h. rund 83 % der in Rede stehenden Flächen, betrug.

68      Was den übrigen Teil dieser Flächen anbelangt, konnten auf dieser Grundlage die genauen Anteile des natürlichen Grünlands, der Wälder, Wohngrundstücke, Farmen, Feuchtgebiete oder anderer Flächen berechnet und im Licht der Angaben in dem Uus-Maa-Bericht zur Entwicklung des Verpachtungsmarktes im Landkreis Tartu bewertet werden. Somit hätte die Kommission den auf Seite 101 dieses Berichts wiedergegebenen Umstand berücksichtigen müssen, dass für die „sonstige[n] Flächen“ wie Torfmoor‑, Polder- und Überschwemmungsflächen in den Jahren 2000 bis 2004 und 2005 bis 2009 kein Pachtzins erhoben wurde, dass für diese sonstigen Flächen nur in den Jahren 2010 bis 2014 ein Pachtmarkt entstanden sei und dass für diese Flächen der Pachtzins deutlich unter jenem für Ackerflächen, nämlich bei rund 10 Euro/ha, lag. Ferner hätte sie nicht außer Acht lassen dürfen, dass – wie auf Seite 102 dieses Berichts unter Zugrundelegung der Daten des estnischen Statistischen Amts ausgeführt – im Jahr 2013 „der Zins … für Ackerflächen in der Regel höher [war] als für Dauergrünflächen“. Darüber hinaus hätte die Kommission anhand der detaillierten Beschreibung der in Rede stehenden Flächen in diesem Bericht auch berücksichtigen können, dass in den Jahren 2005 bis 2009 für kleine Parzellen geringere Pachtzinsen gezahlt wurden (Seite 101 des in Rede stehenden Berichts).

69      Bei der Bestimmung der Größe und der Nutzung der in Rede stehenden Flächen hat die Kommission jedoch maßgebliche Informationen des Uus-Maa-Berichts unberücksichtigt gelassen, auf den sie aber einen wesentlichen Teil ihrer Prüfung, ob der von der Klägerin im Rahmen der streitigen Verpachtung gezahlte Pachtzins für den gesamten Zeitraum der Jahre 2000 bis 2017 dem Marktwert entspreche, stützte (vgl. Nrn. 131 bis 136 und 154 bis 156 des angefochtenen Beschlusses; vgl. auch oben, Rn. 44) und auf den die Klägerin, um nachzuweisen, dass 16,7 % der in Rede stehenden Flächen nicht für eine landwirtschaftliche Erzeugung genutzt werden konnten, im Verwaltungsverfahren ausdrücklich verweist (Nr. 84 des angefochtenen Beschlusses). In Anbetracht der Bedeutung dieses Berichts für die Bestimmung der Größe und Besonderheiten der in Rede stehenden Flächen war die Kommission nicht davon befreit, den Beweiswert dieser Informationen zu prüfen (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 16. September 2004, Valmont/Kommission, T‑274/01, EU:T:2004:266, Rn. 53) und im Rahmen ihrer Prüfung zu berücksichtigen. Auch wenn sie dies offensichtlich für zulässig erachtet, konnte sie es daher nicht dabei belassen, für alle Parzellen und deren besondere Eigenschaften einen aggregierten Durchschnittswert heranzuziehen. Ebenso wenig durfte sie sich damit begnügen, sich auf die sich aus den Agrarbeihilfen ergebenden Informationen zu stützen, hinsichtlich derer sie weder die Berechnungsmethoden noch die Voraussetzungen der Gewährung dargestellt hat. Von daher hat sie, da sie die Besonderheiten der in Rede stehenden Flächen und den Umstand nicht berücksichtigte, dass die Ackerflächen nur 83 % dieser Flächen ausmachten, den Marktwert dieser Flächen zwangsläufig überbewertet.

70      Zum Vierten stützte sich die Kommission bei der Bestimmung des Marktwerts der Jahre 2015 bis 2017 (vgl. Nrn. 137 bis 139 des angefochtenen Beschlusses) sowie nach eigenen Angaben der Jahre 2010 bis 2014 auf die Daten des estnischen Statistischen Amts, um die „weite Spanne der in dem Uus-Maa-Bericht enthaltenen Beträge“ zu korrigieren (vgl. oben, Rn. 58).

71      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass, wie die Kommission selbst einräumt, die Daten des estnischen Statistischen Amts nicht das Ergebnis einer Bewertung des Zinses für die Pacht von Flächen durch einen Sachverständigen, sondern Durchschnittswerte der Pachtzinsen für Ackerflächen sind, die nicht die besonderen Eigenschaften der in Rede stehenden Flächen berücksichtigen (Nr. 133 des angefochtenen Beschlusses).

72      In Ermangelung von Wertspannen, wie sie in dem Uus-Maa-Bericht angeführt sind, ist es aber insbesondere nicht möglich, den niedrigsten Marktwert zu bestimmen und zu prüfen, ob der von der Klägerin im Rahmen der streitigen Verpachtung gezahlte Pachtzins davon abweicht. Ebenso wenig ist es möglich, diesen Pachtzins mit dem Marktwert im Landkreis Tartu in den Jahren 2010 bis 2012 und 2017 zu vergleichen, da für diese Jahre nur Daten für ganz Estland vorliegen (vgl. Nr. 39 des angefochtenen Beschlusses). Hinzu kommen die Ungenauigkeiten, die sich daraus ergeben, dass die Kommission in den Nrn. 137 bis 139 des angefochtenen Beschlusses für die Jahre 2015 bis 2017 diesen Pachtzins nur mit den Durchschnittsbeträgen des Pachtzinses für landwirtschaftliche Flächen und Ackerflächen verglichen hat, ohne dabei zu berücksichtigen, dass, wie aus der detaillierten Beschreibung dieses Berichts hervorgeht (vgl. auch oben, Rn. 66 bis 69), ein Teil der in Rede stehenden Flächen aus Grünflächen bestand, bei denen nach den Daten des estnischen Statistischen Amts allgemein geringere Beträge anzusetzen sind (vgl. Nr. 39 des angefochtenen Beschlusses).

73      Somit hat die Kommission nicht belegt, dass die Daten des estnischen Statistischen Amts, auf die sie sich stützte, es ermöglichten, den Wert zu ermitteln, der dem Marktwert möglichst nahekommt, und nachzuweisen, dass die Klägerin im Rahmen der streitigen Verpachtung einen Pachtzins entrichtete, der in den Jahren 2010 bis 2014 und 2015 bis 2017 niedriger war als dieser Wert.

74      Auch wenn der Kommission, wie sie offenbar geltend macht, keine besseren Informationen vorlagen, konnte sie sich nicht darauf beschränken, sich zur Untermauerung ihrer Ergebnisse auf die Daten des estnischen Statistischen Amts zu stützen.

75      Denn aufgrund ihrer zentralen und ausschließlichen Verantwortung, für die Einhaltung von Art. 107 AEUV und die Umsetzung von Art. 108 AEUV unter der Kontrolle der Unionsgerichtsbarkeit zu sorgen, hat die Kommission – gegebenenfalls mit Hilfe von Sachverständigen – u. a. zu prüfen, ob eine staatliche Maßnahme einen Vorteil beinhaltet, der nicht den normalen Marktbedingungen entspricht (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. September 2004, Valmont/Kommission, T‑274/01, EU:T:2004:266, Rn. 72 und die dort angeführte Rechtsprechung, vom 9. Dezember 2015, Griechenland und Ellinikos Chrysos/Kommission, T‑233/11 und T‑262/11, EU:T:2015:948, Rn. 91, und vom 16. März 2016, Frucona Košice/Kommission, T‑103/14, EU:T:2016:152, Rn. 164 bis 179). Im vorliegenden Fall hat die Kommission für die Zeiträume, für die der Uus-Maa-Bericht nach ihrer Darstellung keine ausschließliche Vergleichsgrundlage bieten konnte, weder Sachverständige beigezogen noch bei den estnischen Behörden zusätzliche Informationen angefordert.

76      Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass es angesichts der substantiierten Einwände seitens der Klägerin und dieser Behörden der Kommission obliegt, den Beweis für das Vorliegen einer „staatlichen Beihilfe“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV zu erbringen, und somit auch den Beweis dafür, dass die Voraussetzung der Gewährung eines Vorteils an die Begünstigten erfüllt ist (vgl. Urteil vom 4. März 2021, Kommission/Fútbol Club Barcelona, C‑362/19 P, EU:C:2021:169, Rn. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung). Selbst wenn die Kommission es mit einem Mitgliedstaat zu tun hat, der ihr unter Verletzung seiner Pflicht zur Zusammenarbeit die angeforderten Auskünfte nicht erteilt, muss sie dennoch ihre Entscheidungen auf einigermaßen tragfähige und schlüssige Anhaltspunkte stützen, die eine hinreichende Grundlage für die Annahme bilden, dass einem Unternehmen ein Vorteil zugeflossen ist, der eine staatliche Beihilfe darstellt, und die somit geeignet sind, die Schlussfolgerungen, zu denen sie gelangt ist, zu untermauern. Da die Rückforderung der fraglichen Beihilfe vom Begünstigten gerade die durch einen bestimmten Wettbewerbsvorteil verursachte Wettbewerbsverzerrung beseitigen und auf diese Weise den Zustand vor der Gewährung der Beihilfe wiederherstellen soll, darf die Kommission nicht einfach von der Annahme ausgehen, dass einem Unternehmen ein Vorteil zugeflossen ist, der eine staatliche Beihilfe darstellt, indem sie sich, weil sie nicht über Informationen für eine mögliche gegenteilige Schlussfolgerung verfügt, in Ermangelung anderer Anhaltspunkte für die positive Feststellung eines solchen Vorteils auf eine negative Vermutung stützt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. März 2020, Larko/Kommission, C‑244/18 P, EU:C:2020:238, Rn. 69 und 70 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Kommission kann daher die Ungenauigkeiten der Daten des estnischen Statistischen Amts nicht allein mit der Begründung rechtfertigen, dass die Klägerin und die estnischen Behörden nicht nachgewiesen haben, dass die in Rede stehenden Flächen in Estland einen geringeren Wert als die durchschnittlichen landwirtschaftlichen Flächen aufwiesen.

77      Zum Fünften ist darauf hinzuweisen, dass die estnischen Behörden im Verwaltungsverfahren nicht nur den Uus-Maa-Bericht und die Daten des estnischen Statistischen Amts vorlegten, sondern mit Schreiben vom 2. Oktober 2014 auch das Gutachten Pindi Kinnisvara, das jedoch in dem angefochtenen Beschluss nicht erwähnt wurde.

78      Nach dem nur eine Seite umfassenden Gutachten Pindi Kinnisvara vom 12. April 2013 bewegte sich der Pachtzins im Landkreis Tartu zu diesem Zeitpunkt überwiegend zwischen 30 und 50 Euro/ha bei den bestehenden Verträgen, zwischen 50 und 100 Euro/ha bei den neuen oder verlängerten Verträgen und konnte in Gebieten, die logistisch günstig und in einer Umgebung mit erhöhtem Wettbewerb gelegen waren, über 100 Euro/ha liegen. Diese Zahlen entsprechen den im Uus-Maa-Bericht enthaltenen Werten, in dem für die Jahre 2010 bis 2014 nach den jeweils angeführten Wertspannen Beträge zwischen 25 und 60 Euro/ha und zwischen 30 und 50 Euro/ha (vgl. oben, Rn. 50) angegeben waren, sowie den Daten des estnischen Statistischen Amts, wonach sich der durchschnittliche Pachtzins für landwirtschaftliche Flächen in diesem Landkreis im Jahr 2013 auf 50 Euro/ha belief (vgl. Nr. 39 des angefochtenen Beschlusses).

79      Wie die Klägerin zu Recht vorträgt, unterließ es die Kommission, das Gutachten Pindi Kinnisvara in dem angefochtenen Beschluss zu berücksichtigen. In ihrer Klagebeantwortung machte die Kommission geltend, dass es sich um ein „… Ex-post-Gutachten [handelt], das der Kommission im Verwaltungsverfahren nicht vorgelegt wurde“. Erst im Rahmen ihrer Gegenerwiderung erkannte die Kommission an, dass ihr dieses Gutachten von den estnischen Behörden im Verwaltungsverfahren vorgelegt worden sei, wobei sie aber dazu anmerkte, dass sie zu diesem Gutachten nicht Stellung nehme müsse, da „es nach der Darstellung der estnischen Behörden zurückgezogen und durch den Uus-Maa-Bericht ersetzt wurde“. In der mündlichen Verhandlung stellte die Kommission in ihrer Antwort auf eine mündliche Frage des Gerichts mit Verweis auf die Fußnote der Seite 6 der Gegenerwiderung klar, dass sie aufgrund des Schreibens der estnischen Behörden vom 7. Oktober 2015 und der nachfolgenden Kommunikation mit diesen Behörden dieses Gutachten als zurückgezogen betrachtet habe. Dieses Gutachten sei daher zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses nicht mehr Bestandteil der Verwaltungsakten gewesen. Diese Erklärungen wurden im Sitzungsprotokoll festgehalten (vgl. auch oben, Rn. 32).

80      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission mit Schreiben vom 7. September 2015 mit dem Zeichen agri.ddg4.i.2(2015)4096993 die estnischen Behörden u. a. darum ersuchte, eine von einem unabhängigen Sachverständigen erstellte Beurteilung der Pachtzinsen für mit den in Rede stehenden Flächen vergleichbare Flächen vorzulegen. Diese Behörden antworteten auf dieses Ersuchen mit Schreiben vom 7. Oktober 2015, dessen – in der Fußnote der Seite 6 der Gegenerwiderung wiedergegebene – maßgebliche Passage lautete: „Wir weisen darauf hin, dass wir, um jeden Zweifel bezüglich des Sachverständigen zu zerstreuen, eine Ausschreibung mit dem Zeichen 167431 eingeleitet haben und dass wir auf der Grundlage der Vergabe und der Durchführung des Vertrags wahrscheinlich in der Lage sein werden, Ihnen den angeforderten Sachverständigenbericht vorzulegen.“ Mit Schreiben vom 16. Dezember 2015 legte die Republik Estland der Kommission den Uus-Maa-Bericht vor. Dieses Schreiben war mit folgendem, in der Fußnote der Seite 6 der Gegenerwiderung wiedergegebenen Kommentar versehen: „Hiermit legen wird Ihnen (in der Anlage) das in Nr. 5 Ihres Schreibens mit dem Zeichen agri.ddg4.i.2(2015)4096993 angeforderte Gutachten vor.“

81      Daraus folgt, dass das Gutachten Pindi Kinnisvara weder im Schreiben der estnischen Behörden vom 7. Oktober 2015 noch im Schreiben dieser Behörden vom 16. Dezember 2015 erwähnt wird und dass sich diese Schreiben vielmehr darauf beschränken, auf das Ersuchen der Kommission vom 7. September 2015 zu antworten, eine von einem unabhängigen Sachverständigen erstellte Begutachtung der Pachtzinsen für Flächen vorzulegen, die mit den von der Klägerin genutzten Flächen vergleichbar sind; diesem Ersuchen wurde mit der Vorlage des Uus-Maa-Berichts entsprochen. Entgegen dem Vorbringen der Kommission kann aus diesen Schreiben nicht gefolgert werden, dass dieses Gutachten von diesen Behörden zurückgezogen wurde, sondern nur, dass dieses Gutachten mit diesem Bericht ergänzt wurde.

82      Auch wenn die Kommission ihre Beurteilung mit der Begründung auf den Uus-Maa-Bericht stützte, dass das Gutachten Pindi Kinnisvara von der Klägerin in Auftrag gegeben worden sei, ist dennoch davon auszugehen, dass ihr dieses Gutachten zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses vorlag. Unter diesen Umständen war die Kommission nicht davon entbunden, den Beweiswert dieses Gutachtens zu beurteilen und dieses Gutachten gegebenenfalls im Rahmen ihrer Prüfung zu berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 16. September 2004, Valmont/Kommission, T‑274/01, EU:T:2004:266, Rn. 53).

83      Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission im Interesse einer ordnungsgemäßen Anwendung der grundlegenden Vorschriften des AEU‑Vertrags auf dem Gebiet der staatlichen Beihilfen das Verfahren zur Prüfung der beanstandeten Maßnahmen sorgfältig und unvoreingenommen zu führen hat, damit sie bei Erlass der endgültigen Entscheidung über möglichst vollständige und verlässliche Informationen verfügt (Urteile vom 2. September 2010, Kommission/Scott, C‑290/07 P, EU:C:2010:480, Rn. 90, und vom 26. März 2020, Larko/Kommission, C‑244/18 P, EU:C:2020:238, Rn. 67). Insbesondere hat sie alle relevanten Gesichtspunkte, die ihr vorliegen, sorgfältig und unparteiisch zu untersuchen. Angesichts dieser Sorgfaltspflicht, die nach dieser Rechtsprechung eine unerlässliche Voraussetzung für die von den Unionsgerichten vorzunehmende Prüfung darstellt, ob die für die Ausübung des weiten Ermessens durch die Kommission maßgeblichen sachlichen und rechtlichen Umstände vorlagen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 21. November 1991, Technische Universität München, C‑269/90, EU:C:1991:438, Rn. 14, vom 20. September 2007, Fachvereinigung Mineralfaserindustrie/Kommission, T‑375/03, nicht veröffentlicht, EU:T:2007:293, Rn. 90, und vom 16. September 2013, ATC u. a./Kommission, T‑333/10, EU:T:2013:451, Rn. 84), durfte die Kommission das Gutachten Pindi Kinnisvara, auf dessen Bedeutung in der oben stehenden Rn. 78 hingewiesen wurde, im Rahmen ihrer Prüfung nicht unberücksichtigt lassen.

84      Vor dem Hintergrund dieser Erwägungen ist der Schluss zu ziehen, dass die Kommission im Rahmen des Vergleichs des Pachtzinses mit dem Marktwert und der Berechnung des Vorteils insbesondere die Mindestbeträge in den Wertspannen des Uus-Maa-Berichts und deren Fehlermarge, den im Zeitpunkt des Abschlusses des Pachtvertrags bestehenden Kontext, einschließlich des ursprünglichen Fehlens von Bestimmungen über eine Erhöhung des Pachtzinses, die Informationen in diesem Bericht über Größe und Nutzung der in Rede stehenden Flächen sowie die Ungenauigkeiten der Daten des estnischen Statistischen Amts nicht ausreichend berücksichtigte. Im Übrigen hat sie in diesem Zusammenhang zu Unrecht das ihr von den estnischen Behörden im Verwaltungsverfahren vorgelegte Gutachten Pindi Kinnisvara nicht beachtet.

85      Die Prüfung der Marktkonformität des Pachtzinses als solchen (Nrn. 132 bis 140 des angefochtenen Beschlusses) sowie der Teil der Würdigung, der sich auf die Quantifizierung des Vorteils bezieht, der mit diesem Betrag und der Größe der in Rede stehenden Flächen zusammenhängt (Nrn. 154 bis 159 des angefochtenen Beschlusses), sind daher mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet und stellen eine Verletzung der der Kommission obliegenden Sorgfaltspflicht dar.

 Zur Berücksichtigung der zusätzlichen Vertragspflichten

86      Es ist darauf hinzuweisen, dass der Pachtvertrag neben der Zahlung des Pachtzinses zusätzliche Vertragspflichten, nämlich erstens jährliche Investitionen in Entwässerungssysteme, zweitens die Übernahme der Ausgaben für die Instandhaltung der Fläche und die Bodenverbesserung, einschließlich Ausgaben für den Pflanzenschutz, mineralische und organische Düngemittel, Kalken und die Instandhaltung von Straßenrändern, sowie drittens die Zahlung aller Steuern vorsah (vgl. oben, Rn. 4; vgl. auch Nr. 141 des angefochtenen Beschlusses).

87      In dem angefochtenen Beschluss war die Kommission nur bereit, als Einnahmen des estnischen Staates die Hälfte der jährlichen Investitionen in Entwässerungssysteme und die jährlich von der Klägerin gezahlten Grundsteuerbeträge zu berücksichtigen (vgl. Nrn. 147 und 165 des angefochtenen Beschlusses).

88      Was die jährlichen Investitionen in Entwässerungssysteme anbelangt, vertrat die Kommission im Wesentlichen die Auffassung, dass der estnische Staat einerseits davon befreit gewesen sei, bestimmte, von ihm als Eigentümer der Flächen zu übernehmende Instandhaltungskosten zu tragen. Andererseits sei die Klägerin angesichts der langen Dauer des Pachtvertrags von 25 Jahren als Flächennutzerin durch diese Investitionen, die zu einer besseren Nutzung der Flächen beigetragen hätten und deren Durchschnittsbetrag von jährlich 91 163 Euro weder gesetzlich vorgeschrieben noch von staatlicher Seite festgelegt worden sei (Nrn. 143, 144 und 162 des angefochtenen Beschlusses), auch begünstigt worden. Was die sich auf rund 255 444 Euro belaufenden Ausgaben für die Instandhaltung der Flächen und die Bodenverbesserung anbelangt, kam die Kommission zu dem Schluss, dass diese Ausgaben im Interesse der Klägerin als Pächterin seien (Nrn. 145 und 163 des angefochtenen Beschlusses). Zu den Steuern stellte sie fest, dass die Klägerin diese im Namen des estnischen Staates als Eigentümer der Flächen entrichtet habe, so dass dieser insoweit keine Ausgaben habe tragen müssen (Nrn. 146 und 164 des angefochtenen Beschlusses).

89      In Anbetracht dieser Erwägungen kam die Kommission in Nr. 147 des angefochtenen Beschlusses zu dem Ergebnis, dass die Pachteinnahmen des estnischen Staates, selbst wenn zu den Pachtzinsen die Hälfte der Investitionen in das Entwässerungssystem und die von der Klägerin gezahlten Steuern zugerechnet würden, in den Jahren 2000 bis 2017 dennoch unter dem marktüblichen Pachtzins geblieben seien.

90      Zum Ersten ist festzustellen, dass die Kommission ihre Beurteilung der zusätzlichen Vertragspflichten, anders als das bei der Beurteilung der Marktkonformität des Pachtzinses der Fall war (vgl. Nrn. 131 bis 136 und 154 bis 156 des angefochtenen Beschlusses; vgl. auch oben, Rn. 43 bis 46), auf kein externes Gutachten stützte. Insbesondere nahm sie weder auf das Gutachten Pindi Kinnisvara noch auf den Uus-Maa-Bericht Bezug, die ihr von den estnischen Behörden im Verwaltungsverfahren vorgelegt wurden (vgl. oben, Rn. 77).

91      Zum einen wurde zum Gutachten Pindi Kinnisvara festgestellt, dass es nicht üblich sei, dem Pächter in zur Überlassung von landwirtschaftlichen Flächen geschlossenen Pachtverträgen Verpflichtungen zur Vornahme spezifischer Investitionen aufzuerlegen, so dass eine solche außergewöhnliche vertragliche Verpflichtung die Höhe des Netto-Pachtzinses im umgekehrten Verhältnis zum Betrag der vertraglichen Verpflichtung je Flächeneinheit der gepachteten Fläche beeinflusse.

92      Zum anderen wurde auf Seite 106 des Uus-Maa-Berichts ausgeführt, dass dieser Bericht u. a. darauf gerichtet sei, „festzustellen, ob in Verträgen über die Verpachtung von landwirtschaftlichen Flächen den Pächtern üblicherweise Pflichten der Errichtung und Instandhaltung von Bodenverbesserungssystemen sowie der Vornahme verschiedener Maßnahmen zur Fruchtbarmachung auferlegt werden“. Dementsprechend enthält dieser Bericht auf dieser Seite eine Bewertung der üblichen zusätzlichen Verpflichtungen in Pachtverträgen und vergleicht diese mit jenen des Pachtvertrags; die Ergebnisse dieser Bewertung werden in den Nrn. 34 bis 37 des angefochtenen Beschlusses wiedergegeben, ohne dass die Kommission diesen Umstand im Rahmen ihrer Beurteilung der zusätzlichen in diesem Vertrag enthaltenen Verpflichtungen in den Nrn. 143 bis 146 und 161 bis 164 des angefochtenen Beschlusses berücksichtigte.

93      Aus dieser Bewertung im Uus-Maa-Bericht folgt, dass Pachtverträge in den frühen 2000er Jahren nur rudimentäre Regelungen enthielten und allgemein gehalten waren und den Pächtern keine spezifischen Verpflichtungen auferlegten (vgl. auch Nr. 34 des angefochtenen Beschlusses). Später (vor allem seit 2005) wurde die Verpflichtung zur Zahlung der Grundsteuer und anderer im Zusammenhang mit der Pacht anfallender Steuern, vor allem die Verpflichtung zur Zahlung der auf das Einkommen entfallenden Steuer, in diese Verträge aufgenommen. Die Bodenverbesserung und die Instandhaltung der Straßenränder gehörte zu den Vertragspflichten des Pächters (vgl. auch Nr. 35 des angefochtenen Beschlusses). Nach dieser Beurteilung ist die Anlage oder die Ersetzung von Entwässerungssystemen eine Investition in den Vermögenswert des Eigentümers, die eine – über die Pachtzahlung hinausgehende – erhebliche finanzielle Belastung darstellt. Im Zuge der Entwicklung der Verpachtung der Flächen wurden ab den Jahren 2010 und 2011 Bestimmungen über die vernünftige Nutzung der Flächen und die gute landwirtschaftliche Bewirtschaftung in die in Rede stehenden Verträge aufgenommen (vgl. auch Nr. 36 dieses Beschlusses).

94      Zum Pachtvertrag enthält der Uus-Maa-Bericht die Feststellung, dass es nicht üblich gewesen sei, in Pachtverträge, insbesondere in messbarer finanzieller Form, Verpflichtungen wie die der Klägerin auferlegten aufzunehmen. Auch die Angabe der Laufzeit des Pachtvertrags und der Hektarzahl der streitigen verpachteten Fläche war gemäß dem Bericht nicht üblich. Daraus wird gefolgert, dass es als besonders wichtig erachtet worden sei, die Flächennutzung, insbesondere in Bezug auf die Bodenfruchtbarkeit, dem erklärten Zweck vorzubehalten, wobei angemerkt wurde, dass durch bestimmte Klauseln dieses Vertrags die Freiheit der Klägerin bei der Auswahl der Kulturen, die sie anbauen wolle, beschränkt werde (vgl. auch Nr. 37 des angefochtenen Beschlusses).

95      Die Kommission unterließ es, die sich aus dem Gutachten Pindi Kinnisvara und dem Uus-Maa-Bericht ergebenden relevanten Informationen zu berücksichtigen, obwohl ihr diese Informationen zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses vorlagen und diese die Bestimmung des Werts der zusätzlichen vertraglichen Verpflichtungen betrafen. Da die Kommission nach der oben in den Rn. 82 und 83 angeführten Rechtsprechung nicht davon entbunden war, den Beweiswert dieser Informationen zu beurteilen und diese Informationen sorgfältig und unparteiisch zu untersuchen, macht die Klägerin zu Recht geltend, dass die Kommission Sachverständigengutachten nur selektiv berücksichtigt habe.

96      Insbesondere unterließ es die Kommission, bei der Berechnung des Vorteils den Wert der von der Klägerin getätigten Investitionen und deren Anteil am gesamten Pachtzins im Licht der sich aus dem Gutachten Pindi Kinnisvara und dem Uus-Maa-Bericht ergebenden relevanten Informationen ernsthafter zu untersuchen. In diesem Kontext fehlte es insbesondere an einer hinreichenden Berücksichtigung der Investitionen in die Bewässerungssysteme, zu denen in diesem Bericht festgestellt wird, dass sie zum einen eine Investition in den Vermögenswert des Eigentümers darstellten und zum anderen eine – über die Pachtzahlung hinausgehende – erhebliche finanzielle Belastung des Pächters bedeuteten (vgl. oben, Rn. 93).

97      Zum Zweiten beruht die Schlussfolgerung in den Nrn. 144 und 162 des angefochtenen Beschlusses, wonach die Hälfte der Investitionen in die Entwässerungssysteme den Einnahmen des Staates zugerechnet werden müssten, nicht auf einer genau bezifferten und nachprüfbaren Berechnung, sondern stellt offensichtlich eine unpräzise Schätzung seitens der Kommission dar. Denn soweit die Kommission die Auffassung vertrat, dass diese Investitionen über die vertraglichen oder gesetzlichen Anforderungen hinausgegangen seien (Nrn. 143 und 144 des angefochtenen Beschlusses), unterließ sie es anzugeben, zu welchem Teil sie diesen Anforderungen entsprachen und zu welchem Teil sie darüber hinausgingen. Zudem konnte sie nicht berücksichtigen, dass diese Investitionen wegen der langen Laufzeit des Pachtvertrags von 25 Jahren der Klägerin auch zugutekamen (Nr. 144 des angefochtenen Beschlusses), ohne den Zeitraum anzugeben, der über den Zeitraum hinausging, in dem Investitionen berücksichtigt werden konnten.

98      Damit konnte die Kommission im Rahmen ihrer Bewertung nicht mit hinreichender Genauigkeit den Wert der in Rede stehenden zusätzlichen Vertragsbestimmungen ermitteln (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 9. Dezember 2015, Griechenland und Ellinikos Chrysos/Kommission, T‑233/11 und T‑262/11, EU:T:2015:948, Rn. 131 und die dort angeführte Rechtsprechung) und infolgedessen auch nicht den Wert bestimmen, der dem Marktwert möglichst nahekommt, wie es gemäß der oben in Rn. 48 angeführten Rechtsprechung erforderlich ist.

99      Im Übrigen liefert der Umstand, dass die Klägerin höhere Investitionen vorgenommen hat, als gemäß dem Pachtvertrag oder aufgrund des Gesetzes erforderlich waren, für sich genommen nicht den Nachweis, dass diese Investitionen nicht dem Vermögenswert des Eigentümers der in Rede stehenden Flächen zugutekamen. Da dieser Vertrag ausdrücklich Mindestbeträge für die zusätzlichen vertraglichen Bestimmungen vorsieht (vgl. oben, Rn. 4), ist vielmehr festzustellen, dass die diese Mindestanforderungen übersteigenden Investitionen auch im Interesse des Verpächters, d. h. des estnischen Staates, liegen können.

100    Zum Dritten prüfte die Kommission im Rahmen ihrer Beurteilung, ob die zusätzlichen Verpflichtungen zu berücksichtigen sind (Nrn. 141 bis 147 des angefochtenen Beschlusses), nicht, ob ein privater Wirtschaftsteilnehmer, der unter normalen Wettbewerbsbedingungen handelt und der sich in einer Situation befindet, die jener des estnischen Staates möglichst nahekommt, die in Rede stehenden zusätzlichen Vertragsbestimmungen vorgesehen hätte. Gemäß der oben in Rn. 62 angeführten Rechtsprechung war die Kommission, der die Beweislast obliegt, verpflichtet, eine solche Prüfung vorzunehmen, wie das in ähnlichen Rechtssachen der Fall war, in denen die Urteile vom 28. Februar 2012, Land Burgenland/Kommission (T‑268/08 und T‑281/08, EU:T:2012:90), vom 28. Februar 2012, Grazer Wechselseitige Versicherung/Kommission (T‑282/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:91, Rn. 126), und vom 22. Mai 2019, Real Madrid Club de Fútbol/Kommission (T‑791/16, EU:T:2019:346), ergingen und in denen die Kommission prüfte, ob sich ein privater Wirtschaftsteilnehmer wie der jeweilige Mitgliedstaat verhalten hätte.

101    Da sich ein privater Wirtschaftsteilnehmer von längerfristigen Rentabilitätsaussichten leiten lässt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. Dezember 2000, Alitalia/Kommission, T‑296/97, EU:T:2000:289, Rn. 84, und vom 13. Dezember 2018, Ryanair und Airport Marketing Services/Kommission, T‑165/16, EU:T:2018:952, Rn. 249 und die dort angeführte Rechtsprechung) und dem Uus-Maa-Bericht zufolge zum einen die Flächen zum Zeitpunkt des Abschlusses des Pachtvertrags allgemein unentgeltlich zur Verfügung gestellt wurden, um ihr Brachliegen zu verhindern (vgl. oben, Rn. 60), und zum anderen der Pachtvertrag zum Ziel hatte, die Nutzung der Flächen dem erklärten Zweck vorzubehalten und deren Bodenfruchtbarkeit zu erhalten (vgl. oben, Rn. 94), ist es nicht ausgeschlossen, dass ein solcher privater Wirtschaftsteilnehmer, wie von der Klägerin geltend gemacht, zusätzliche vertragliche Verpflichtungen vorsieht, um nicht selbst die notwendigen Investitionen wie Investitionen in Entwässerungssysteme, in die Instandhaltung der Flächen und die Bodenverbesserung vornehmen zu müssen, mit denen im Übrigen langfristig der Wert einer Fläche erhöht werden kann.

102    Da diese Gesichtspunkte nicht geprüft wurden und nicht untersucht wurde, ob das Verhalten des estnischen Staates verglichen mit dem Verhalten eines privaten Wirtschaftsteilnehmers unter ähnlichen Umständen wirtschaftlich vernünftig ist, konnte die Kommission in den Nrn. 147 und 165 des angefochtenen Beschlusses vernünftigerweise nicht zu dem Schluss kommen, dass der zu berücksichtigende Pachtzins lediglich um die Hälfte der Investitionen in die Entwässerungssysteme und um die von der Klägerin entrichteten Steuern erhöht werden müsse.

103    Nach alledem ist der Schluss zu ziehen, dass die Kommission zu Unrecht nicht die gesamten Investitionen in die Entwässerungssysteme als wesentlichen Teil der Pachteinnahmen des estnischen Staates berücksichtigte.

104    Daraus folgt, dass die Kommission, was die relevanten Zeitpunkte, nämlich im Jahr 2000, dem Jahr des Abschlusses des Pachtvertrags, und in den Jahren 2005, 2007 und 2009, den Jahren, in denen dieser Vertrag durch Aufnahme einer Klausel über die Erhöhung des Pachtzinses geändert wurde (vgl. oben, Rn. 64), anbelangt, beurteilen musste, ob diese Pachteinnahmen, insbesondere in Anbetracht der sich aus dem Uus-Maa-Bericht ergebenden relevanten Informationen, dem Marktwert entsprachen.

105    Die Beurteilung, ob die zusätzlichen Verpflichtungen des Pachtvertrags beim Pachtzins zu berücksichtigen sind (Nrn. 141 bis 147 des angefochtenen Beschlusses), sowie der Teil der Würdigung, der sich auf die Quantifizierung des diese Verpflichtungen betreffenden Vorteils bezieht (Nrn. 161 bis 164 des angefochtenen Beschlusses), sind daher mit offensichtlichen Beurteilungsfehlern behaftet und stellen eine Verletzung der der Kommission obliegenden Sorgfaltspflicht dar.

 Ergebnis

106    Es ist als Ergebnis festzuhalten, dass die Kommission zum einen ihre Sorgfaltspflicht verletzt hat und dass zum anderen sowohl die Prüfung, ob der Pachtzins für sich genommen marktkonform ist (Nrn. 132 bis 140 des angefochtenen Beschlusses), als auch die Prüfung, ob die zusätzlichen vertraglichen Verpflichtungen beim Pachtzins zu berücksichtigen sind (Nrn. 141 bis 147 des angefochtenen Beschlusses), mit offensichtlichen Beurteilungsfehlern behaftet sind, die auch die Beurteilung bezüglich der Quantifizierung des Vorteils (Nrn. 154 bis 165 des angefochtenen Beschlusses) beeinflussen.

107    Deshalb ist dem dritten formal geltend gemachten Klagegrund und dem vierten formal geltend gemachten Klagegrund stattzugeben und der angefochtene Beschluss insgesamt für nichtig zu erklären, ohne dass die anderen von der Klägerin formal geltend gemachten Klagegründe zu prüfen sind.

 Kosten

108    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Klägerin die Kosten einschließlich der Kosten des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Der Beschluss C(2020) 252 final der Kommission vom 24. Januar 2020 über die staatliche Beihilfe SA.39182 (2017/C) (ex 2017/NN) (ex 2014/CP) – Gewährung einer mutmaßlich rechtswidrigen Beihilfe an AS Tartu Agro wird für nichtig erklärt.

2.      Die Europäische Kommission trägt neben ihren eigenen Kosten die Kosten von Tartu Agro, einschließlich der Kosten des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes.

De Baere

Kreuschitz

Kecsmár

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 13. Juli 2022.

Unterschriften


Inhaltsverzeichnis



*      Verfahrenssprache: Estnisch.