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Amtsblattmitteilung

 

Klage der Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen das Königreich Spanien, eingereicht am 14. Mai 2003

    (Rechtssache C-204/03)

Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat am 14. Mai 2003 eine Klage gegen das Königreich Spanien beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften eingereicht. Bevollmächtigte der Klägerin sind Rechtsberater Enrico Traversa und Lidia Lozano Palacios, Juristischer Dienst, Zustellungsanschrift in Luxemburg.

Die Klägerin beantragt,

1.festzustellen, dass das Königreich Spanien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus dem Gemeinschaftsrecht und insbesondere aus Artikel 17 Absätze 2 und 5 und Artikel 19 der geänderten Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ( Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage1 verstoßen hat, dass es die Vorschriften aufrechterhalten hat, wonach der Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs für Steuerpflichtige anwendbar ist, die nur steuerpflichtige Umsätze bewirken, und durch die eine besondere Regelung eingeführt wird, durch die das Recht auf Abzug der Vorsteuer für den Kauf von Gegenständen oder die Inanspruchnahme von Dienstleistungen schon allein deshalb eingeschränkt wird, weil sie mittels Subventionen finanziert worden sind;

2.dem Königreich Spanien die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Klagegründe und wesentliche Argumente

Die Kommission wirft dem Königreich Spanien aus zwei Gründen einen Verstoß gegen bestimmte Vorschriften der Sechsten Richtlinie vor:

1.    Anwendung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs für Steuerpflichtige, die nur zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze bewirken (Artikel 102 Absatz 1 des spanischen Mehrwertsteuergesetzes).

Die Kommission ist der Ansicht, dass die spanische Regelung den Anwendungsbereich des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs insofern rechtswidrig erweitere, als dieser nicht nur für Steuerpflichtige anwendbar sei, die sowohl zum Vorsteuerabzug berechtigende als auch nicht dazu berechtigende Umsätze bewirkten (gemischt Steuerpflichtige), sondern auch für Steuerpflichtige, die nur zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze bewirkten (voll Steuerpflichtige), sofern diese Subventionen erhalten hätten, die nicht in die steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ihrer zu versteuernden Umsätze einbezogen würden. Nach Artikel 17 Absatz 5 der Sechsten Richtlinie dürfe der Mechanismus des Pro-rata-Satzes nur angewandt werden, wenn die Steuerpflichtigen sowohl zu versteuernde, aber zum Abzug berechtigende als auch nicht zu versteuernde Umsätze bewirkten.

Die Kommission fügt hinzu, dass die Einbeziehung von Subventionen in den Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs gemischt Steuerpflichtiger eine den Mitgliedstaaten gewährte Möglichkeit sei und eine Ausnahme vom allgemeinen Grundsatz des Abzugs der Mehrwertsteuerbeträge darstelle, die auf dieser Steuer unterliegende und nicht befreite Umsätze angefallen seien. Diese Möglichkeit könne daher nicht dazu benutzt werden, entgegen den Vorgaben des Gemeinschaftsgesetzgebers andere als die in der Richtlinie vorgesehenen Situationen nachteilig zu behandeln. Die möglichen Folgen für die Steuerneutralität, die sich beim Gebrauchmachen von der in Artikel 19 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Möglichkeit durch die Mitgliedstaaten ergäben, könnten das Bestreben der spanischen Behörden, die Begrenzung des Vorsteuerabzugs auf voll Steuerpflichtige auszudehnen, nicht rechtfertigen, da es an der dafür erforderlichen Rechtsgrundlage fehle und eine solche Maßnahme der Richtlinie widersprechen würde.

Die fragliche spanische Vorschrift führe zu einer Doppelbesteuerung, da die Steuerpflichtigen, die die Subvention erhielten, diese für einen Teil des für den Kauf von Gegenständen oder die Inanspruchnahme von Dienstleistungen zu zahlenden Preises einsetzten. Diese Käufe von Gegenständen oder Inanspruchnahmen von Dienstleistungen seien deshalb nach den Bestimmungen der Sechsten Richtlinie zu versteuern, weil der Subventionsbetrag bereits die entsprechende Mehrwertsteuer enthalte. Wenn dieser Betrag außerdem in den Nenner des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs einbezogen werde, was zu einer Begrenzung des Vorsteuerabzugsrechts der Steuerpflichtigen, die die Subvention erhielten, führe, werde die fragliche Subvention zwei Mal mit Mehrwertsteuer belastet. Obwohl Artikel 19 für die Mitgliedstaaten ausdrücklich die Möglichkeit vorsehe, in den Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs für gemischt Steuerpflichtige die Subventionen einzubeziehen, die nicht Teil der Besteuerungsgrundlage seien, stelle diese Ausnahme von der "normalen" Berechnungsmethode ein Werkzeug dar, über das der nationale Gesetzgeber verfüge, um zu vermeiden, dass "ihrer Bestimmung nach" subventionierte Einrichtungen durch Ausübung einer rein symbolischen Tätigkeit mit dem Ziel, den Status eines Steuerpflichtigen zu erlangen, eine Mehrwertsteuererstattung erreichen könnten. Diese Vorschrift sei jedoch eng auszulegen. Es sei allerdings offensichtlich, dass durch die Einbeziehung der Subventionen in den Pro-rata-Satz das Vorsteuerabzugsrecht gemischt Steuerpflichtiger verringert werde, während dies in Bezug auf voll Steuerpflichtige nicht möglich sei. Es handele sich um eine fakultative Vorschrift, und die Mitgliedstaaten könnten unter Beachtung der Gesamtheit der Vorschriften und Grundprinzipien der Sechsten Richtlinie, die weitere Bestimmungen zur Vermeidung von als mißbräuchlich eingestuften Abzügen enthalte, die Einzelheiten festlegen.

2.    Einführung einer besonderen Regelung zur Begrenzung des Rechts auf Abzug der Vorsteuer für den Kauf von Gegenständen oder die Inanspruchnahme von Dienstleistungen, die ganz oder teilweise mittels Subventionen finanziert worden sind (Artikel 104 Absatz 2 Unterabsatz 2 des spanischen Mehrwertsteuergesetzes).

Diese besondere Regelung, wonach die für den Kauf bestimmter Gegenstände oder die Inanspruchnahme bestimmter Dienstleistungen gewährten Subventionen nicht zur Anwendung des Pro-rata-Satzes führten und nicht in dessen Nenner einbezogen würden, sondern wonach das Recht auf Abzug der gezahlten Mehrwertsteuer um den Teil des Preises des Gegenstands oder der Dienstleistung verkürzt werde, der mit der Subvention finanziert worden sei, sei mit der Sechsten Richtlinie unvereinbar. Die spanische Vorschrift bewirke nämlich eine Begrenzung des Vorsteuerabzugsrechts für voll Steuerpflichtige, die nach den Grundsätzen der Richtlinie nicht vorgesehen sei. Für gemischt Steuerpflichtige sei die einzige nach der Richtlinie zulässige Einschränkung die Einbeziehung der Subventionen in den Nenner des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs. Die von einem Steuerpflichtigen für einen bestimmten Gegenstand oder eine bestimmte Dienstleistung gezahlte Mehrwertsteuer sei immer nach den Bestimmungen der Richtlinie über das Vorsteuerabzugsrecht abzugsfähig; die Herkunft der Mittel zur Finanzierung des Gegenstands oder der Dienstleistung spiele dabei keine Rolle. Die Mitgliedstaaten hätten nur dann die Möglichkeit, die nicht an den Preis der Leistungen gebundenen Subventionen dadurch zu berücksichtigen, dass sie diese in den Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs einbezögen oder dies unterließen, wenn der betreffende Steuerpflichtige sowohl zu versteuernde als auch von der Steuer befreite Umsätze bewirke. Es handele sich um eine fakultative Regelung, und die Mitgliedstaaten könnten unter Beachtung der Gesamtheit der Vorschriften und Grundprinzipien der Sechsten Richtlinie die Einzelheiten festlegen.

Die spanische Regelung verstoße gegen das nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes anerkannte Grundprinzip des Rechts auf Vorsteuerabzug, da sie eine besondere Regelung ohne Rechtsgrundlage in der Richtlinie sei, auf alle Steuerpflichtigen einschließlich der voll Steuerpflichtigen anwendbar sei, die Subventionen erhielten, und sich, obwohl sie auf gemischt Steuerpflichtige anwendbar sei, in bestimmten Fällen als weniger vorteilhaft erweisen könne, als die Anwendung der in Artikel 19 der Richtlinie vorgesehenen Möglichkeit.

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1 - (ABl. L 145 vom 13.6.1977, S. 1.