Language of document : ECLI:EU:T:2013:71

URTEIL DES GERICHTS (Sechste Kammer)

8. Februar 2013(*)

„Gemeinschaftsmarke – Internationale Registrierung, in der die Europäische Gemeinschaft benannt ist – Wortmarke MEDIGYM – Absolutes Eintragungshindernis – Beschreibender Charakter – Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 – Anspruch auf rechtliches Gehör – Art. 75 Satz 2 der Verordnung Nr. 207/2009“

In der Rechtssache T‑33/12

Elke Piotrowski, wohnhaft in Viernheim (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt J. Albrecht,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch M. Lenz und G. Schneider als Bevollmächtigte,

Beklagter,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des HABM vom 18. November 2011 (Sache R 734/2011‑4) über die internationale Registrierung des Wortzeichens MEDIGYM, in der die Europäische Gemeinschaft benannt ist,

erlässt

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten H. Kanninen sowie der Richter S. Soldevila Fragoso (Berichterstatter) und G. Berardis,

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund der am 23. Januar 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 5. April 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

aufgrund der Entscheidung vom 11. Mai 2012, mit der die Einreichung einer Erwiderung nicht genehmigt wurde,

aufgrund der Änderung der Zusammensetzung der Kammern des Gerichts,

aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien binnen der Frist von einem Monat nach der Mitteilung, dass das schriftliche Verfahren abgeschlossen ist, die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und des daher auf Bericht des Berichterstatters gemäß Art. 135a der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 19. Dezember 2009 erwirkte Frau Elke Piotrowski beim Internationalen Büro der Weltorganisation für geistiges Eigentum (World Intellectual Property Organization – WIPO) eine internationale Registrierung des Wortzeichens MEDIGYM, in der die Europäische Gemeinschaft benannt war.

2        Am 4. März 2010 wurde dem Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) die internationale Registrierung des Zeichens mitgeteilt.

3        Die internationale Registrierung des Zeichens war für die Waren „medical gymnastic apparatuses“ (heilgymnastische Geräte) in Klasse 10 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung beantragt worden.

4        Mit Entscheidung vom 31. Januar 2011 verweigerte der Prüfer für das Zeichen hinsichtlich der in der internationalen Registrierung genannten Waren gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c in Verbindung mit Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 den Schutz in der Europäischen Union.

5        Am 31. März 2011 legte die Klägerin gegen diese Entscheidung gemäß den Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009 beim HABM eine Beschwerde ein.

6        Mit Entscheidung vom 18. November 2011 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Vierte Beschwerdekammer des HABM die Beschwerde zurück. Die Beschwerdekammer stellte zunächst fest, dass das Wortzeichen MEDIGYM aus einer Kombination von Wortelementen bestehe, von denen jedes für Merkmale der betreffenden Waren beschreibend sei, und dass diese Kombination selbst, auch wenn sie eine Wortneuschöpfung darstelle, beschreibend sei, weil sie keinen Eindruck hervorrufe, der hinreichend weit von dem Eindruck abweiche, der durch die Zusammenfügung ihrer Bestandteile entstehe. Zweitens befand die Beschwerdekammer, dass der Verbraucher, insbesondere der englischsprachige Verbraucher, die Wortneuschöpfung „Medigym“, da sich die fraglichen Waren, nämlich gymnastische Heilgeräte, auf Gymnastik und das Gebiet der Medizin bezögen, als einen unmittelbaren Hinweis auf die Zweckbestimmung dieser Waren wahrnehme. Daraus zog die Beschwerdekammer den Schluss, dass das Zeichen MEDIGYM beschreibend und ohne Unterscheidungskraft sei. Schließlich vertrat die Beschwerdekammer die Auffassung, dass nicht dargetan worden sei, dass ein großer Teil des relevanten englischsprachigen Publikums zu dem Zeitpunkt, zu dem das Schutzgesuch eingereicht worden sei, das Zeichen MEDIGYM im Sinne von Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 als eine Marke für die fraglichen Waren wiedererkannt habe.

 Anträge der Parteien

7        Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem HABM die Kosten aufzuerlegen.

8        Das HABM beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Entscheidungsgründe

 Zur Zulässigkeit der erstmals beim Gericht eingereichten Beweismittel

9        Das HABM trägt vor, dass bestimmte Beweismittel, die die Klägerin zum ersten Mal beim Gericht vorgelegt habe, unzulässig seien. Dabei handele es sich um die Anlagen K 3 und K 4 zur Klageschrift, nämlich Auszüge aus der Website von Wikipedia zu den Definitionen der Begriffe „Wortstamm“ und „Root“, verschiedene Auszüge aus anderen Websites und Auszüge aus einem Buch, die sich auf die Bedeutung des Bestandteils „medi“ bezögen.

10      Die Klägerin macht geltend, dass die Nachweise der Anlage K 4 lediglich zur Stützung ihres Vortrags dienten, wonach die angefochtene Entscheidung nicht stichhaltig sei.

11      Die genannten Unterlagen, die erstmals beim Gericht eingereicht worden sind, können nicht berücksichtigt werden. Die Klage beim Gericht ist nämlich auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der von den Beschwerdekammern des HABM erlassenen Entscheidungen im Sinne von Art. 65 der Verordnung Nr. 207/2009 gerichtet, so dass es nicht Aufgabe des Gerichts ist, im Licht erstmals bei ihm eingereichter Unterlagen den Sachverhalt zu überprüfen. Die genannten Dokumente sind somit zurückzuweisen, ohne dass ihre Beweiskraft geprüft zu werden braucht (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 24. November 2005, Sadas/HABM – LTJ Diffusion [ARTHUR ET FELICIE], T‑346/04, Slg. 2005, II‑4891, Randnr. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).

12      Folglich sind die erstmals beim Gericht eingereichten Beweismittel für unzulässig zu erklären.

 Zur Begründetheit

13      Die Klägerin macht zwei Klagegründe geltend, mit denen sie erstens einen Verstoß gegen Art. 75 Satz 2 und zweitens einen Verstoß gegen Art. 154 und Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung Nr. 207/2009 rügt.

 Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 75 Satz 2 der Verordnung Nr. 207/2009

14      Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, dass sie sich zu den die Bestandteile „medi“ und „gym“ betreffenden Erwägungen, auf die die Beschwerdekammer ihre Entscheidung gestützt habe, nicht habe äußern können.

15      Das HABM tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

16      Art. 75 Satz 2 der Verordnung Nr. 207/2009 stellt einen besonderen Anwendungsfall des auch in Art. 41 Abs. 2 Buchst. a der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. 2010, C 83, S. 389) niedergelegten allgemeinen Grundsatzes des Schutzes der Verteidigungsrechte dar, wonach Personen, deren Interessen durch eine amtliche Entscheidung berührt werden, Gelegenheit erhalten müssen, ihren Standpunkt gebührend darzulegen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör erstreckt sich auf alle tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkte, die die Grundlage der Entscheidungsfindung bilden (Urteile des Gerichts vom 7. Februar 2007, Kustom Musical Amplification/HABM [Form einer Gitarre], T‑317/05, Slg. 2007, II‑427, Randnrn. 24, 26 und 27, und vom 13. Juni 2012, XXXLutz Marken/HABM – Meyer Manufacturing [CIRCON], T‑542/10, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 70).

17      Nach Art. 75 Satz 2 GMV dürfen Entscheidungen des HABM nur auf Gründe gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten. Diese Bestimmung bezieht sich sowohl auf die tatsächlichen als auch auf die rechtlichen Gründe sowie auf die Beweise (Urteil des Gerichts vom 4. Oktober 2006, Freixenet/HABM [Form einer mattweißen Flasche], T‑190/04, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 28).

18      Eine Beschwerdekammer des HABM kann ihre Entscheidung somit nur auf tatsächliche oder rechtliche Erwägungen stützen, zu denen die Beteiligten Stellung nehmen konnten. Wenn also die Beschwerdekammer von Amts wegen Tatsachen erhebt, die als Grundlage für ihre Entscheidung dienen sollen, ist sie verpflichtet, diese Tatsachen den Beteiligten mitzuteilen, damit sie dazu Stellung nehmen können (Urteil des Gerichtshofs vom 21. Oktober 2004, KWS Saat/HABM, C‑447/02 P, Slg. 2004, I‑10107, Randnrn. 42 f., und Urteil Form einer mattweißen Flasche, Randnr. 30).

19      Jedoch beschränkt sich der durch den Anspruch auf rechtliches Gehör verliehene Schutz auf diese Möglichkeit, in Kenntnis der tatsächlich und rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte Stellung zu nehmen (Urteile des Gerichts vom 21. November 2007, Wesergold Getränkeindustrie/HABM – Lidl Stiftung [VITAL FIT], T‑111/06, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 57, und vom 26. November 2008, Rajani/HABM – Artoz-Papier [ATOZ], T‑100/06, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 76).

20      Aus den Akten geht jedoch hervor, dass die Klägerin von den in Frage stehenden Gesichtspunkten während des Verwaltungsverfahrens Kenntnis erlangte.

21      Was erstens die Bedeutung des Bestandteils „medi“ aus der Sicht des relevanten Publikums anbelangt, ist festzustellen, dass die in Randnr. 12 der angefochtenen Entscheidung formulierte Beurteilung, wonach das spezialisierte Publikum dieses Element in der Bedeutung von „medical“ oder „medicine“ verstehen werde, bereits in der Entscheidung des Prüfers enthalten war. Damit war es der Klägerin möglich, sich im Verfahren vor der Beschwerdekammer zu diesem Punkt zu äußern.

22      Was zweitens den Auszug aus dem Werk Acronyms, Initialisms & Abbreviations Dictionary (32. Aufl.) angeht, auf den ebenfalls in Randnr. 12 der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen wird, so war die in diesem Wörterbuch zu findende Definition ebenfalls in der Entscheidung des Prüfers vollständig wiedergegeben. Daher war der Klägerin diese Definition entgegen ihrem Vorbringen im Verfahren vor der Beschwerdekammer zugänglich, so dass sie sich hierzu hätte äußern können. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin im Beschwerdeverfahren geltend machte, dass diese Definition kein Beweis, sondern nur ein Anhaltspunkt dafür sei, dass es diese Abkürzung gebe.

23      Die Klägerin rügt drittens, dass sie sich nicht zu der in Randnr. 12 der angefochtenen Entscheidung enthaltenen Beurteilung der Beschwerdekammer habe äußern können, wonach der Bestandteil „gym“ auch eine Abkürzung für „gymnasium“ sei. Nach Auffassung der Klägerin hätte die Beschwerdekammer das Element „gym“ ausschließlich als eine Abkürzung für „gymnastic“ ansehen dürfen, wie dies der Entscheidung des Prüfers entspreche und im Collins English Dictionary angegeben sei, auf das sich der Prüfer in seiner Entscheidung bezogen habe.

24      Zwar hatte der Prüfer in seiner Entscheidung tatsächlich nur ausgeführt, dass der Bestandteil „gym“ eine Abkürzung für „gymnastic“ sei. Jedoch ist zu beachten, dass der Bestandteil „gym“, wie die Klägerin in ihrer Klageschrift selbst eingeräumt hat, im Englischen eine Abkürzung ebenso für „gymnastic“ wie auch für „gymnasium“ bildet.

25      Viertens können diese Erwägungen schließlich nicht durch den Umstand in Frage gestellt werden, dass die Auszüge aus dem Werk Acronyms, Initialisms & Abbreviations Dictionary (32. Aufl.) und dem Collins English Dictionary der Klägerin nicht übermittelt wurden. Wie oben in den Randnrn. 22 f. ausgeführt, waren die Bezugnahmen auf diese Werke in der Entscheidung des Prüfers enthalten, und es handelte sich bei diesen um allgemein zugängliche Informationsquellen. Anders als die klagende Partei in dem Sachverhalt, der dem von der Klägerin angeführten Urteil KWS Saat/HABM (Randnrn. 43 bis 45) zugrunde lag, konnte mithin die Klägerin diese Werke konsultieren, über die sie vollständige Angaben besaß, und hatte damit Zugang zu der vom Prüfer berücksichtigten Definition des Elements „medi“, um sich hierzu vor der Beschwerdekammer zu äußern. Dieses Argument ist daher als ins Leere gehend zurückzuweisen.

26      Demnach ist festzustellen, dass die Klägerin im Einklang mit Art. 75 Satz 2 der Verordnung Nr. 207/2009 angehört wurde. Der erste Klagegrund ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 154 und Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung Nr. 207/2009

27      Der zweite Klagegrund besteht aus zwei Teilen, mit denen erstens ein Verstoß gegen Art. 154 und Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 und zweitens ein Verstoß gegen Art. 154 und Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 gerügt wird.

 Zum ersten Teil: Verstoß gegen Art. 154 und Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009

28      Die Klägerin wirft der Beschwerdekammer im Wesentlichen vor, sie habe zu Unrecht angenommen, dass das Zeichen MEDIGYM für die in Frage stehenden Waren beschreibend sei.

29      Gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 sind solche Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geografischen Herkunft oder der Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen können. Nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 findet Abs. 1 auch dann Anwendung, wenn die Eintragungshindernisse nur in einem Teil der Europäischen Gemeinschaft vorliegen (Urteil des Gerichtshofs vom 2. Mai 2012, Universal Display/HABM [UniversalPHOLED], T‑435/11, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 13).

30      Diese beschreibenden Zeichen oder Angaben werden als ungeeignet angesehen, die wesentliche Funktion der Marke zu erfüllen, nämlich die gewerbliche Herkunft der Ware oder Dienstleistung zu identifizieren, um es dem Verbraucher, der die mit der Marke gekennzeichnete Ware oder Dienstleistung erwirbt, so zu ermöglichen, bei einem weiteren Erwerb seine Entscheidung davon abhängig zu machen, ob er gute oder schlechte Erfahrungen gemacht hat (Urteil des Gerichts vom 23. Oktober 2003, HABM/Wrigley, C‑191/01 P, Slg. 2003, I‑12447, Randnr. 30; Urteile des Gerichts vom 7. Juli 2011, Cree/HABM [TRUEWHITE], T‑208/10, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 13, und UniversalPHOLED, Randnr. 15).

31      Demnach fällt ein Zeichen nur dann unter das in dieser Vorschrift vorgesehene Verbot, wenn es einen hinreichend direkten und konkreten Zusammenhang mit den in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen aufweist, der es den betroffenen Verkehrskreisen ermöglicht, sofort und ohne weiteres Nachdenken eine Beschreibung der fraglichen Waren oder Dienstleistungen oder eines ihrer Merkmale wahrzunehmen (vgl. Urteile TRUEWHITE, Randnr. 14, und UniversalPHOLED, Randnr. 16 und die dort angeführte Rechtsprechung).

32      Um eine Marke, die aus einer sprachlichen Neuschöpfung oder einem Wort mit mehreren Bestandteilen besteht, als beschreibend im Sinne des Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 ansehen zu können, genügt es nicht, dass für jeden dieser Bestandteile gegebenenfalls ein beschreibender Charakter festgestellt wird. Ein solcher Charakter muss auch für die Neuschöpfung oder das Wort selbst festgestellt werden (Urteile TRUEWHITE, Randnr. 15, und UniversalPHOLED, Randnr. 17; vgl. auch entsprechend Urteil des Gerichtshofs vom 12. Februar 2004, Campina Melkunie, C‑265/00, Slg. 2004, I‑1699, Randnr. 37).

33      Eine Marke, die aus einer sprachlichen Neuschöpfung oder einem Wort mit mehreren Bestandteilen besteht, von denen jeder Merkmale der für die Anmeldemarke beanspruchten Waren oder Dienstleistungen beschreibt, hat selbst einen diese Merkmale beschreibenden Charakter im Sinne des Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009, es sei denn, dass ein merklicher Unterschied zwischen der Neuschöpfung oder dem Wort und der bloßen Summe ihrer Bestandteile besteht. Dies setzt voraus, dass die Neuschöpfung oder das Wort infolge der Ungewöhnlichkeit der Kombination in Bezug auf die genannten Waren oder Dienstleistungen einen Eindruck bewirkt, der hinreichend weit von dem abweicht, der bei bloßer Zusammenfügung der ihren Bestandteilen zu entnehmenden Angaben entsteht, und somit über die Summe dieser Bestandteile hinausgeht. Dabei ist der fragliche Ausdruck auch anhand der maßgeblichen lexikalischen und grammatikalischen Regeln zu untersuchen (Urteile TRUEWHITE, Randnr. 16, und UniversalPHOLED, Randnr. 18; vgl. auch entsprechend Urteil Campina Melkunie, Randnrn. 41 und 43).

34      Ob ein Zeichen beschreibend ist, kann ferner nur im Hinblick auf seine Wahrnehmung durch die maßgeblichen Verkehrskreise und im Hinblick auf die betroffenen Waren und Dienstleistungen beurteilt werden (Urteile des Gerichts vom 27. Februar 2002, Eurocool Logistik/HABM [EUROCOOL], T‑34/00, Slg. 2002, II‑683, Randnr. 38, TRUEWHITE, Randnr. 17, und UniversalPHOLED, Randnr. 19).

35      Im Licht dieser Rechtsprechung ist der vorliegende Klagegrund zu prüfen.

–       Zu den maßgeblichen Verkehrskreisen

36      Da das in Frage stehende Wortzeichen aus Elementen der englischen Sprache zusammengesetzt ist, handelt es sich bei den Verkehrskreisen, im Hinblick auf die das absolute Eintragungshindernis zu beurteilen ist, um ein englischsprachiges Publikum (vgl. Urteile TRUEWHITE, Randnr. 18, und UniversalPHOLED, Randnr. 20). Daher ist, wie die Beschwerdekammer in Randnr. 6 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 zu prüfen, ob das in Frage stehende Eintragungshindernis in den Mitgliedstaaten vorliegt, in denen die englische Sprache gesprochen und verstanden wird.

–       Zu der Wahrnehmung des Zeichens

37      Die Klägerin wendet sich gegen die von der Beschwerdekammer in Randnr. 12 der angefochtenen Entscheidung wiedergegebene Beurteilung, dass das relevante Publikum das Element „medi“ als eine Bezugnahme auf das Gebiet der Medizin wahrnehmen werde. Hingegen bestreitet die Klägerin nicht, dass das Element „gym“ von diesem Publikum als eine Abkürzung der englischen Wörter „gymnasium“ und „gymnastic“ verstanden werden wird.

38      Die Beschwerdekammer führte in Randnr. 12 der angefochtenen Entscheidung aus, dass das Element „medi“ der Wortstamm mehrerer Begriffe auf dem Gebiet der Medizin, insbesondere des Adjektivs „medical“, sei und dass es laut dem englischen Spezialwörterbuch für Abkürzungen Acronyms, Initialisms & Abbreviations Dictionary (32. Aufl.) die Abkürzung für „medicine“ sei.

39      Diese Feststellung der Beschwerdekammer wird nicht durch das Argument der Klägerin entkräftet, dass der Wortstamm der Wörter „medical“ oder „medicine“ nicht „medi“, sondern „medic“ sei.

40      Auch wenn nämlich aus linguistischer Sicht der Wortstamm der Wörter „medical“ oder „medicine“ das Wort „medic“ wäre, bildete das Wortelement „medi“ dennoch den gemeinsamen Wortteil zahlreicher Begriffe auf dem Gebiet der Medizin und weist daher einen mit diesem Gebiet zusammenhängenden Aussagegehalt auf. Im Übrigen gibt es im Englischen, wie die Beschwerdekammer auf der Grundlage des oben in Randnr. 38 genannten Wörterbuchs feststellte, das Wortelement „medi“ als Abkürzung für den Begriff „medicine“.

41      Daher gelangte die Beschwerdekammer in Randnr. 12 der angefochtenen Entscheidung fehlerfrei zu dem Ergebnis, dass das Wortelement „medi“ im Englischen als eine Bezugnahme auf das Gebiet der Medizin verstanden werden könne. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin hat die Beschwerdekammer diese Feststellung auf der Grundlage eines objektiven Kriteriums, nämlich eines englischen Spezialwörterbuchs für Abkürzungen, hinreichend belegt.

42      Dieser Feststellung steht nicht der von der Klägerin angeführte Umstand entgegen, dass das Element „medi“ auch eine aus dem Lateinischen stammende Vorsilbe lateinischen Ursprungs mit der Bedeutung „halb-“, „mittel-“ oder „zwischen-“ sei. Es ist nämlich nicht ausgeschlossen, dass das Element „medi“ andere Bedeutungen außerhalb des Gebiets der Medizin haben kann.

43      Um zu ermitteln, ob ein Zeichen beschreibend ist, kann jedoch, wie oben in Randnr. 34 ausgeführt, der beschreibende Charakter eines Zeichens nur im Hinblick zum einen auf die Wahrnehmung des Zeichens durch die maßgeblichen Verkehrskreise und zum anderen auf die in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen beurteilt werden.

44      Im vorliegenden Fall ist das Wortelement „medi“ einer der Bestandteile des Zeichens MEDIGYM für die Kennzeichnung heilgymnastischer Geräte. Da es sich um Waren handelt, die zur Verwendung auf dem Gebiet der Medizin bestimmt sind, ist davon auszugehen, dass das relevante Publikum das Element „medi“ als eine direkte Bezugnahme auf dieses Gebiet und somit auf die medizinische Zweckbestimmung dieser Waren wahrnehmen wird.

45      Im Übrigen ist nach gefestigter Rechtsprechung ein Zeichen, das zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet, als beschreibend von der Eintragung auszuschließen (Urteil HABM/Wrigley, Randnr. 32, und Urteil des Gerichts vom 21. Januar 2009, Korsch/HABM [PharmaCheck], T‑296/07, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 43).

46      Was das Vorbringen der Klägerin angeht, dass die Beschwerdekammer ihre Prüfung des beschreibenden Charakters des Bestandteils „medi“ zum einen darauf gestützt habe, dass sich dieses Element auf dem Gebiet der Medizin häufig wiederfinde, und zum anderen darauf, dass die maßgeblichen Verkehrskreise, die aus Fachleuten dieses Gebiets bestünden, an die Verwendung dieses Elements als Bezugnahme auf ihr Fachgebiet gewöhnt seien, ist ihr Vorbringen als in jeder Hinsicht unerheblich zurückzuweisen.

47      Die Beschwerdekammer hat in Randnr. 12 der angefochtenen Entscheidung lediglich ausgeführt, dass das Element „‚medi‘ … tatsächlich … vom englischen Publikum als eine Bezugnahme auf das Gebiet der Medizin [verstanden werden könne], da es der gemeinsame Wortstamm mehrerer Begriffe auf diesem Gebiet, wie etwa des Adjektivs ‚medical‘“, sei. Die Beschwerdekammer hat sodann hinzugefügt: „Selbst wenn dem angemeldeten Zeichen andere Bedeutungen entnommen werden können, ist das dargelegte Verständnis der Verbraucher im Hinblick auf die beanspruchten Waren zugrunde zu legen.“ Entgegen dem Vorbringen der Klägerin berücksichtigte die Beschwerdekammer folglich, um den beschreibenden Charakter dieses Elements darzutun, weder die Häufigkeit, mit der dieses Wort verwendet wird, noch den Umstand, dass die maßgeblichen Verkehrskreise daran gewöhnt seien, dem Element „medi“ zu begegnen.

48      Daher gelangte die Beschwerdekammer in Randnr. 12 der angefochtenen Entscheidung zu Recht zu dem Ergebnis, dass infolge des Umstands, dass „die Waren … eindeutig mit dem Gebiet der Medizin zusammenhängen, die anderen von der Beschwerdeführerin genannten Bedeutungen den Verbrauchern nicht in den Sinn kommen werden“.

49      Nach alledem wird das Element „medi“, anders als die Klägerin geltend macht, beim relevanten Publikum keine mehr oder weniger entfernte Assoziation mit dem Wort „Medizin“ hervorrufen, sondern eine unmittelbare gedankliche Verbindung, die weit über den Bereich der Anspielung hinausgeht und in den Bereich der Beschreibung fällt. Demgemäß wird das englischsprachige Publikum das Element „medi“ als direkte Bezugnahme auf das Gebiet der Medizin wahrnehmen.

50      Die Klägerin wirft der Beschwerdekammer weiter vor, dass sie sich darauf beschränkt habe, die Elemente „medi“ und „gym“ des fraglichen Zeichens gesondert zu prüfen. Jedoch ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdekammer im Einklang mit der oben in Randnr. 32 angeführten Rechtsprechung in den Randnrn. 12 f. der angefochtenen Entscheidung zunächst die Bedeutung jedes dieser Bestandteile gesondert und anschließend die des Zeichens insgesamt prüfte und dabei zu der Feststellung gelangte, dass diese Elemente gemäß den Regeln der englischen Grammatik, ohne eine Veränderung, Hinzufügung oder ungewöhnliche Struktur, miteinander verknüpft worden seien. Die Beschwerdekammer zog daraus den Schluss, dass das fragliche Zeichen die bloße Summe seiner Bestandteile sei.

51      Die Klägerin bestreitet nicht, dass die Elemente „medi“ und „gym“ gemäß den Regeln der englischen Grammatik miteinander verknüpft sind, ohne eine Veränderung, Hinzufügung oder ungewöhnliche Struktur aufzuweisen. Sie hat auch nicht dargetan, dass die Verbindung des Elements „medi“ mit dem Element „gym“ eine Wortneuschöpfung ergeben könnte, die eine andere Bedeutung hätte als die der Summe dieser Bestandteile.

52      Nach der Rechtsprechung bleibt die bloße Kombination von Bestandteilen, von denen jeder die Zweckbestimmung der fraglichen Waren beschreibt, selbst für die Bestimmung dieser Waren beschreibend (Urteil UniversalPHOLED, Randnr. 30, vgl. auch entsprechend Urteil Campina Melkunie, Randnr. 39). Im vorliegenden Fall wird daher die Kombination des Elements „medi“, das sich auf das Gebiet der Medizin bezieht, und des Elements „gym“, das „gymnasium“ und „gymnastic“ bedeutet, von den maßgeblichen Verkehrskreisen als eine Abkürzung für „medical gymnasium“ (therapeutische Sporthalle) oder „medical gymnastic“ (Heilgymnastik) verstanden werden.

53      Die Beschwerdekammer gelangte daher in den Randnrn. 13 f. der angefochtenen Entscheidung zu Recht zu dem Ergebnis, dass die Wortneuschöpfung „Medigym“ nur die „Summe dieser beiden Bestandteile mit der Bedeutung ‚medical gymnasium‘ [therapeutische Sporthalle] oder ‚medical gymnastic‘ [Heilgymnastik]“ sei und dass sie darauf hinweise, dass die fraglichen Waren in einer therapeutischen Sporthalle oder für Übungen der Heilgymnastik verwendet werden könnten.

–       Zum beschreibenden Charakter der angemeldeten Marke

54      Für die Anwendung von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 ist auf der Grundlage des Aussagegehalts des Zeichens MEDIGYM zu prüfen, ob aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise ein hinreichend direkter und konkreter Zusammenhang zwischen diesem Zeichen und Geräten der Heilgymnastik besteht.

55      Die Beschwerdekammer führte in den Randnrn. 14 f. der angefochtenen Entscheidung aus, dass das relevante Publikum, wenn es dem Zeichen MEDIGYM begegnet, dieses im Hinblick auf Geräte der Heilgymnastik als eine bloße Aussage über die Zweckbestimmung dieser Waren mit der Bedeutung von „medical gymnasium“ (therapeutische Sporthalle) oder „medical gymnastic“ (Heilgymnastik) wahrnehmen werde.

56      Tatsächlich weist das Zeichen MEDIGYM, das von den maßgeblichen Verkehrskreisen – wie oben in Randnr. 52 ausgeführt – als eine Abkürzung für „therapeutische Sporthalle“ oder „Heilgymnastik“ verstanden werden wird, einen hinreichend direkten und konkreten Zusammenhang mit den von ihm erfassten Waren auf, nämlich heilgymnastischen Geräten. Dieser Zusammenhang ermöglicht es den betroffenen Verkehrskreisen im Sinne der oben in Randnr. 31 angeführten Rechtsprechung, sofort und ohne weiteres Nachdenken wahrzunehmen, dass die fraglichen Waren dazu bestimmt sind, für Heilgymnastik oder in einer therapeutischen Sporthalle verwendet zu werden.

57      Folglich ist das Zeichen MEDIGYM im Hinblick auf heilgymnastische Geräte als beschreibend anzusehen.

58      Demnach ist der erste Teil des zweiten Klagegrundes, mit dem ein Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 gerügt wird, zurückzuweisen.

 Zum zweiten Teil des zweiten Klagegrundes: Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009

59      Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Zeichen bereits dann von der Eintragung als Gemeinschaftsmarke auszuschließen, wenn eines der in Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 aufgeführten absoluten Eintragungshindernisse vorliegt (Urteil des Gerichtshofs vom 19. September 2002, DKV/HABM, C‑104/00 P, Slg. 2002, I‑7561, Randnr. 29, und Urteil UniversalPHOLED, Randnr. 41). Folglich ist über diesen Teil des zweiten Klagegrundes nicht zu befinden.

60      Nach alledem sind die von der Klägerin geltend gemachten Klagegründe, auf die sie ihren Aufhebungsantrag stützt, zurückzuweisen, und damit ist die Klage insgesamt abzuweisen.

 Kosten

61      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des HABM die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Frau Elke Piotrowski trägt die Kosten.

Kanninen

Soldevila Fragoso

Berardis

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 8. Februar 2013.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.