Language of document : ECLI:EU:C:2019:830

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

3. Oktober 2019(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Einwanderungspolitik – Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen – Richtlinie 2003/109/EG – Voraussetzungen für die Zuerkennung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten – Art. 5 Abs. 1 Buchst. a – Ausreichende feste und regelmäßige Einkünfte“

In der Rechtssache C‑302/18

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Raad voor Vreemdelingenbetwistingen (Rat für Ausländerstreitsachen, Belgien) mit Entscheidung vom 14. Dezember 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Mai 2018, in dem Verfahren

X

gegen

Belgische Staat

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal (Berichterstatterin), der Richter F. Biltgen, J. Malenovský und C. G. Fernlund sowie der Richterin L. S. Rossi,

Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von X, vertreten durch J. Hardy, advocaat,

–        der belgischen Regierung, vertreten durch C. Pochet, M. Jacobs und P. Cottin als Bevollmächtigte im Beistand von E. Matterne, advocaat,

–        der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,

–        der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Möller als Bevollmächtigte,

–        der französischen Regierung, vertreten durch E. de Moustier, A.‑L. Desjonquères und E. Armoet als Bevollmächtigte,

–        der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von L. D’Ascia, avvocato dello Stato,

–        der österreichischen Regierung, vertreten durch J. Schmoll als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Cattabriga und G. Wils als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 6. Juni 2019

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen (ABl. 2004, L 16, S. 44).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen X und dem Belgischen Staat (Belgischer Staat), der u. a. die Ablehnung eines Antrags auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis und Zuerkennung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten betrifft.

 Rechtlicher Rahmen

 Recht der Europäischen Union

 Richtlinie 2003/86/EG

3        Gemäß Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (ABl. 2003, L 251, S. 12):

„(1)      Bei Einreichung des Antrags auf Familienzusammenführung kann der betreffende Mitgliedstaat vom Antragsteller den Nachweis verlangen, dass der Zusammenführende über Folgendes verfügt:

c)      feste und regelmäßige Einkünfte, die ohne Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen des betreffenden Mitgliedstaats für seinen eigenen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen ausreichen. Die Mitgliedstaaten beurteilen diese Einkünfte anhand ihrer Art und Regelmäßigkeit und können dabei die Höhe der Mindestlöhne und ‑renten sowie die Anzahl der Familienangehörigen berücksichtigen.“

 Richtlinie 2003/109

4        Die Erwägungsgründe 1, 2, 4, 6, 7 und 10 der Richtlinie 2003/109 lauten:

„(1)      Für den schrittweisen Aufbau eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts sieht der [EG‑]Vertrag zum einen den Erlass von Maßnahmen zur Gewährleistung des freien Personenverkehrs in Verbindung mit flankierenden Maßnahmen in Bezug auf die Kontrollen an den Außengrenzen, Asyl und Einwanderung und zum anderen den Erlass von Maßnahmen in den Bereichen Asyl, Einwanderung und Schutz der Rechte von Drittstaatsangehörigen vor.

(2)      Der Europäische Rat hat auf seiner Sondertagung in Tampere am 15. und 16. Oktober 1999 erklärt, dass die Rechtsstellung von Drittstaatsangehörigen an diejenige der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten angenähert werden sollte und einer Person, die sich während eines noch zu bestimmenden Zeitraums in einem Mitgliedstaat rechtmäßig aufgehalten hat und einen langfristigen Aufenthaltstitel besitzt, in diesem Mitgliedstaat eine Reihe einheitlicher Rechte gewährt werden sollte, die denjenigen der Unionsbürger so nah wie möglich sind.

(4)      Die Integration von Drittstaatsangehörigen, die in den Mitgliedstaaten langfristig ansässig sind, trägt entscheidend zur Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts bei, der als eines der Hauptziele der Gemeinschaft im Vertrag angegeben ist.

(6)      Die Dauer des Aufenthalts im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats sollte das Hauptkriterium für die Erlangung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten sein. Der Aufenthalt sollte rechtmäßig und ununterbrochen sein, um die Verwurzlung der betreffenden Person im Land zu belegen. Eine gewisse Flexibilität sollte vorgesehen werden, damit Umstände berücksichtigt werden können, die eine Person veranlassen können, das Land zeitweilig zu verlassen.

(7)      Um die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten zu erlangen, sollten Drittstaatsangehörige ausreichende Einkünfte und einen Krankenversicherungsschutz nachweisen, damit sie keine Last für den betreffenden Mitgliedstaat werden. Bei der Beurteilung der Frage, ob der Drittstaatsangehörige über feste und regelmäßige Einkünfte verfügt, können die Mitgliedstaaten Faktoren wie die Entrichtung von Beiträgen in ein Alterssicherungssystem und die Erfüllung der steuerlichen Verpflichtungen berücksichtigen.

(10)      Für die Prüfung des Antrags auf Gewährung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten sollte ein System von Verfahrensregeln festgelegt werden. Diese Verfahren sollten effizient und angemessen sein, wobei die normale Arbeitsbelastung der mitgliedstaatlichen Verwaltungen zu berücksichtigen sind; sie sollten auch transparent und gerecht sein, um den betreffenden Personen angemessene Rechtssicherheit zu bieten. Sie sollten nicht dazu eingesetzt werden, um die betreffenden Personen in der Ausübung ihres Aufenthaltsrechts zu behindern.“

5        In Art. 5 („Bedingungen für die Zuerkennung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten“) der Richtlinie 2003/109 heißt es:

„(1)      Die Mitgliedstaaten verlangen vom Drittstaatsangehörigen den Nachweis, dass er für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen über Folgendes verfügt:

a)      feste und regelmäßige Einkünfte, die ohne Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen des betreffenden Mitgliedstaats für seinen eigenen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen ausreichen. Die Mitgliedstaaten beurteilen diese Einkünfte anhand ihrer Art und Regelmäßigkeit und können die Höhe der Mindestlöhne und ‑renten beim Antrag auf Erteilung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten berücksichtigen;

b)      eine Krankenversicherung, die im betreffenden Mitgliedstaat sämtliche Risiken abdeckt, die in der Regel auch für die eigenen Staatsangehörigen abgedeckt sind.

…“

6        Art. 7 Abs. 1 dieser Richtlinie sieht vor:

„Um die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten zu erlangen, reicht der Drittstaatsangehörige bei den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, in dem er sich aufhält, einen Antrag ein. Dem Antrag sind vom nationalen Recht zu bestimmende Unterlagen beizufügen, aus denen hervorgeht, dass er die Voraussetzungen der Artikel 4 und 5 erfüllt, sowie erforderlichenfalls ein gültiges Reisedokument oder eine beglaubigte Abschrift davon.

…“

7        Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2003/109 lautet:

„Vorbehaltlich des Artikels 9 ist die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten dauerhaft.“

8        Art. 9 („Entzug oder Verlust der Rechtsstellung“) Abs. 1 der Richtlinie 2003/109 bestimmt:

„(1)      Ein Drittstaatsangehöriger ist nicht mehr berechtigt, die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten zu behalten, wenn

a)      er die Rechtsstellung des langfristig Aufenthaltsberechtigten nachweislich auf täuschende Art und Weise erlangt hat;

b)      eine Ausweisung nach Maßgabe des Artikels 12 verfügt worden ist;

c)      er sich während eines Zeitraums von 12 aufeinander folgenden Monaten nicht im Gebiet der Gemeinschaft aufgehalten hat.“

9        Art. 11 dieser Richtlinie sieht vor:

„(1)      Langfristig Aufenthaltsberechtigte werden auf folgenden Gebieten wie eigene Staatsangehörige behandelt:

a)      Zugang zu einer unselbstständigen oder selbstständigen Erwerbstätigkeit, wenn diese nicht, auch nicht zeitweise, mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden ist, sowie Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich Entlassungsbedingungen und Arbeitsentgelt;

…“

10      Art. 12 der Richtlinie 2003/109 bestimmt:

„(1)      Die Mitgliedstaaten können nur dann gegen einen langfristig Aufenthaltsberechtigten eine Ausweisung verfügen, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt.

(2)      Die Verfügung nach Absatz 1 darf nicht auf wirtschaftlichen Überlegungen beruhen.

…“

11      Art. 13 dieser Richtlinie bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten können für die Ausstellung dauerhafter oder unbefristeter Aufenthaltstitel günstigere Voraussetzungen als diejenigen dieser Richtlinie vorsehen. Diese Aufenthaltstitel begründen nicht das Recht auf Aufenthalt in anderen Mitgliedstaaten gemäß Kapitel III.“

 Richtlinie 2004/38

12      Art. 7 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. 2004, L 158, S. 77, Berichtigung in ABl. 2004, L 229, S. 35) sieht vor:

„(1)      Jeder Unionsbürger hat das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von über drei Monaten, wenn er

a)      Arbeitnehmer oder Selbstständiger im Aufnahmemitgliedstaat ist oder

b)      für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, und er und seine Familienangehörigen über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügen oder

c)      bei einer privaten oder öffentlichen Einrichtung, die von dem Aufnahmemitgliedstaat aufgrund seiner Rechtsvorschriften oder seiner Verwaltungspraxis anerkannt oder finanziert wird, zur Absolvierung einer Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung als Hauptzweck eingeschrieben ist und über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügt und der zuständigen nationalen Behörde durch eine Erklärung oder durch jedes andere gleichwertige Mittel seiner Wahl glaubhaft macht, dass er für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen …

…“

13      Art. 14 („Aufrechterhaltung des Aufenthaltsrechts“) bestimmt in Abs. 2:

„Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen steht das Aufenthaltsrecht nach den Artikeln 7, 12 und 13 zu, solange sie die dort genannten Voraussetzungen erfüllen.

…“

 Belgisches Recht

14      Art. 15bis der Wet betreffende de toegang tot het grondgebied, het verblijf, de vestiging en de verwijdering van vreemdelingen (Gesetz über die Einreise ins Staatsgebiet, den Aufenthalt, die Niederlassung und das Entfernen von Ausländern) vom 15. Dezember 1980 (Belgisch Staatsblad, 31. Dezember 1980, S. 14584) in seiner für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Fassung (im Folgenden: Ausländergesetz) sieht vor:

„§ 1.      Ausländern, die keine Unionsbürger sind, die in § 3 … erwähnten Bedingungen erfüllen und für die fünf Jahre, die dem Antrag auf Erlangung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten unmittelbar vorausgehen, einen rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt im Königreich [Belgien] nachweisen, muss die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten zuerkannt werden, es sei denn, es liegen Gründe der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit vor.

§ 3.      In § 1 erwähnte Ausländer müssen nachweisen, dass sie über stabile, regelmäßige und genügende Existenzmittel für sich selbst und die Familienmitglieder zu ihren Lasten verfügen, so dass die öffentlichen Behörden nicht für sie aufkommen müssen, und eine Krankenversicherung zur Deckung der Risiken in Belgien abgeschlossen haben.

In Absatz 1 erwähnte Existenzmittel müssen mindestens die Einkommensschwelle erreichen, unterhalb deren Sozialhilfe gewährt werden kann. Sie werden anhand ihrer Art und Regelmäßigkeit beurteilt.

Der König legt durch einen im Ministerrat beratenen Erlass und unter Berücksichtigung der in Absatz 2 festgelegten Kriterien den Mindestbetrag der erforderlichen Existenzmittel fest.“

15      In dem Rundschreiben über die Rechtsstellung langfristig Aufenthaltsberechtigter vom 14. Juli 2009 (Belgisch Staatsblad, 11. August 2009) wird klargestellt, dass diese Existenzmittel wie folgt nachgewiesen werden können:

„Der Nachweis der Existenzmittel kann mittels beruflicher Einkünfte, Arbeitslosengeld, einer Invaliditäts‑, Vorruhestands‑, oder Alterspension, einer im Rahmen einer Arbeitsunfallversicherung oder einer Versicherung gegen Berufskrankheiten gezahlten Leistung erbracht werden … Diese Liste ist nicht abschließend.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

16      Am 26. Juli 2007 reichte X, der erklärte, dass er kamerunischer Staatsangehöriger sei, bei der belgischen Botschaft in Yaoundé (Kamerun) einen Antrag auf ein Studentenvisum ein. Er erhielt das Visum, und sein Aufenthaltsrecht in Belgien wurde jährlich bis zum 15. Januar 2016 verlängert. Am 19. Januar 2016 wurde auf Antrag von X eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, weil er im Besitz einer Arbeitserlaubnis war. Diese Aufenthaltserlaubnis war bis zum 14. Januar 2017 gültig.

17      Am 27. Dezember 2016 stellte X einen Antrag auf Zuerkennung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten. Zur Unterstützung dieses Antrags legte er insbesondere als Nachweis für feste, regelmäßige und ausreichende Existenzmittel Arbeitsverträge, einen Steuerbescheid und Gehaltsabrechnungen vor, die auf den Namen seines Bruders lauteten. Darüber hinaus legte X ein von seinem Bruder unterzeichnetes Dokument vor, in dem sich dieser verpflichtete, dafür zu sorgen, dass „der Betreffende gemäß Art. 15bis des [Ausländergesetzes] über stabile, regelmäßige und genügende Existenzmittel für sich selbst und die Familienmitglieder zu seinen Lasten verfügt, so dass die öffentlichen Behörden nicht für sie aufkommen müssen“.

18      Der Gemachtigde van de staatssecretaris voor Asiel en Migratie en Administratieve Vereenvoudiging (Delegierter des Staatssekretärs für Asyl und Migration, zuständig für Verwaltungsvereinfachung, Belgien) (im Folgenden: Delegierter) lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 5. April 2017 ab. Zu den stabilen, regelmäßigen und genügenden Existenzmitteln im Sinne von Art. 15bis des Ausländergesetzes heißt es in dem Bescheid:

„Der Betroffene verfügt nicht über eigene Einkünfte. Er hat seit dem 31. Mai 2016 keine Erwerbstätigkeit mehr ausgeübt und verfügt derzeit über keine Einkünfte. Er beruft sich auf Einkünfte seines Bruders. Der Betreffende muss nachweisen, dass er selbst über genügende Existenzmittel verfügt, so dass der belgische Staat nicht für ihn aufkommen muss.“

19      X erhob gegen diesen Bescheid Klage beim Raad voor Vreemdelingenbetwistingen (Rat für Ausländerstreitsachen, Belgien) und macht geltend, dass der Bescheid auf einer falschen Auslegung der in Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2003/109, der durch Art. 15bis des Ausländergesetzes umgesetzt worden sei, enthaltenen Bedingung der Existenzmittel beruhe, da diese Bestimmungen nicht vorsähen, dass nur eigene Mittel des Antragstellers berücksichtigt werden sollten.

20      Nach Auffassung von X müsse die Wendung „über Einkünfte verfügen, die ausreichen“ im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2003/109 in der gleichen Weise ausgelegt werden wie die entsprechenden Wendungen in den Richtlinien 2003/86 und 2004/38. Die Richtlinie 2003/109 bezwecke die Annäherung der Rechtsstellung der langfristig Aufenthaltsberechtigten an diejenige der Unionsbürger. Daraus folge insbesondere, dass die Rechtsprechung zur Richtlinie 2004/38 und die einschlägige Rechtsprechung, die vor dem Inkrafttreten dieser Richtlinie ergangen sei und aus der sich ergebe, dass diese Richtlinie keinerlei Anforderung an die Herkunft der ausreichenden Mittel enthalte, entsprechend anzuwenden seien.

21      Der Delegierte vertritt die Auffassung, die bloße Tatsache, dass der Bruder von X für dessen Lebensunterhalt aufkomme, bedeute nicht, dass X über ein regelmäßiges und festes Einkommen verfüge. Die Einkünfte könnten im Rahmen eines Verfahrens zur Familienzusammenführung nicht in der gleichen Weise bewertet werden wie im Rahmen eines Verfahrens zur Zuerkennung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten. Im Fall der Familienzusammenführung, die einen Unionsbürger betrifft, könnten im Übrigen nur dessen eigene Einkünfte berücksichtigt werden.

22      In Anbetracht dieser Erwägungen fragt sich das vorlegende Gericht insbesondere, ob Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109 dahin auszulegen ist, dass unter „Einkünfte“ im Sinne dieser Bestimmung ausschließlich „eigene Einkünfte“ des Antragstellers fallen, oder ob dieser Begriff auch andere Arten von Mitteln umfasst.

23      Vor diesem Hintergrund hat der Raad voor Vreemdelingenbetwistingen (Rat für Ausländerstreitsachen) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109, der (u. a.) bestimmt, dass ein Drittstaatsangehöriger für die Zuerkennung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten nachweisen muss, dass er für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen über feste und regelmäßige Einkünfte „verfügt“, die ohne Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen des betreffenden Mitgliedstaats für seinen eigenen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen ausreichen, dahin auszulegen, dass hiermit nur eigene „Einkünfte“ des Drittstaatsangehörigen gemeint sind?

2.      Oder genügt es hierzu, dass die Einkünfte dem Drittstaatsangehörigen zur Verfügung stehen, ohne dass irgendwelche Anforderungen in Bezug auf die Herkunft dieser Einkünfte gestellt werden, so dass diese dem Drittstaatsangehörigen mithin auch von einem Familienangehörigen oder sonstigen Dritten zur Verfügung gestellt werden können?

3.      Sofern die letzte Frage bejaht wird, genügt in diesem Fall eine von einem Dritten eingegangene Verpflichtung zur Kostenübernahme, mit der dieser Dritte sich verpflichtet, zu gewährleisten, dass der Antragsteller, der die Erlangung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten beantragt, „über stabile, regelmäßige und genügende Existenzmittel für sich selbst und die Familienmitglieder zu [seinen] Lasten verfügt, so dass die öffentlichen Behörden nicht für sie aufkommen müssen“, um nachzuweisen, dass der Antragsteller über Einkünfte im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109 verfügen kann?

 Zu den Vorlagefragen

24      Mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109 dahin auszulegen ist, dass mit dem in dieser Bestimmung verwendeten Begriff „Einkünfte“ ausschließlich „eigene Einkünfte“ desjenigen, der die Zuerkennung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten beantragt, gemeint sind, oder ob dieser Begriff auch Mittel umfasst, die diesem Antragsteller von einem Dritten zur Verfügung gestellt werden, und ob gegebenenfalls eine von diesem Dritten eingegangene Verpflichtung zur Kostenübernahme genügt, um nachzuweisen, dass der Antragsteller über ausreichende feste und regelmäßige Einkünfte im Sinne dieser Bestimmung verfügt.

25      Gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109 verlangen die Mitgliedstaaten von dem Drittstaatsangehörigen den Nachweis, dass er für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen über feste und regelmäßige Einkünfte verfügt, die ohne Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen des betreffenden Mitgliedstaats für seinen eigenen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen ausreichen. Die Mitgliedstaaten beurteilen diese Einkünfte anhand ihrer Art und Regelmäßigkeit und können die Höhe der Mindestlöhne und ‑renten beim Antrag auf Erteilung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten berücksichtigen.

26      Da Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109 keinerlei Verweisung auf das nationale Recht der Mitgliedstaaten enthält, ist der in dieser Bestimmung verwendete Begriff „Einkünfte“ als ein autonomer Begriff des Unionsrechts aufzufassen und – unabhängig von den Wertungen in den Mitgliedstaaten – im gesamten Gebiet der Union einheitlich auszulegen, wobei der Wortlaut der genannten Bestimmung sowie die Ziele der Regelung, zu der sie gehört, und der Zusammenhang, in dem diese Bestimmung steht, zu berücksichtigen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. November 2017, Maio Marques da Rosa, C‑306/16, EU:C:2017:844, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

27      Was erstens den Wortlaut von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a. der Richtlinie 2003/109 betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass in der spanischen, der englischen, der französischen und der italienischen Sprachfassung dieser Bestimmung ein Begriff verwendet wird, der dem Wort „Mittel“ entspricht und nach seinem gewöhnlichen Sinn alle Finanzmittel unabhängig von ihrer Herkunft bezeichnen kann, über die derjenige verfügt, der die Zuerkennung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten beantragt. Dagegen werden in der niederländischen und der deutschen Sprachfassung dieser Bestimmung Wörter verwendet, die dem Begriff „Einkünfte“ entsprechen, der sich in engerem Sinne auf persönliche Einkünfte wie z. B. aus der wirtschaftlichen Tätigkeit desjenigen, der die Zuerkennung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten beantragt, bezieht, was dafür spricht, dass Mittel, die von einem Dritten wie etwa einem Familienmitglied stammen, ausgeschlossen sind.

28      In Anbetracht dieser Mehrdeutigkeit lässt sich allein anhand des Wortlauts von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109 weder die Art noch die Herkunft der dort genannten Mittel bestimmen.

29      Zweitens ist vorrangiges Ziel der Richtlinie 2003/109 die Integration von Drittstaatsangehörigen, die in den Mitgliedstaaten langfristig ansässig sind. Wie sich aus dem zweiten Erwägungsgrund der genannten Richtlinie ergibt, zielt diese ferner darauf ab, die Rechtsstellung dieser Drittstaatsangehörigen derjenigen der Angehörigen der Mitgliedstaaten anzunähern, indem sie den genannten Drittstaatsangehörigen die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten gewährt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Oktober 2012, Singh, C‑502/10, EU:C:2012:636, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

30      Nach ständiger Rechtsprechung, auch bestätigt durch den sechsten Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/109, ergibt sich diese Integration vor allem aus der Dauer des ununterbrochenen rechtmäßigen Aufenthalts von fünf Jahren, die belegt, dass die betreffende Person im Land verwurzelt und damit langfristig ansässig ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Juli 2014, Tahir, C‑469/13, EU:C:2014:2094‘ Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung). Unter diesem Blickwinkel scheint die Herkunft der Einkünfte, über die ein Antragsteller, der die Zuerkennung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten beantragt, verfügen muss, kein entscheidendes Kriterium zu sein.

31      Was drittens den Zusammenhang betrifft, in dem Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109 steht, so ist festzustellen, dass das Erfordernis fester, regelmäßiger und ausreichender Einkünfte eine der materiellen Voraussetzungen für die Zuerkennung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten ist. In Anbetracht des mit der Richtlinie 2003/109 verfolgten Ziels und des mit ihr eingeführten Systems haben Drittstaatsangehörige, wenn sie die Bedingungen erfüllen und die Verfahren einhalten, die in dieser Richtlinie vorgesehen sind, Anspruch auf Zuerkennung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten sowie der weiteren Rechte, die sich aus der Zuerkennung dieser Rechtsstellung ergeben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. April 2012, Kommission/Niederlande, C‑508/10, EU:C:2012:243, Rn. 68). In diesem Zusammenhang erlaubt Art. 5 Abs. 1 Buchst. a. der Richtlinie 2003/109, wie auch der Generalanwalt in Nr. 46 seiner Schlussanträge im Wesentlichen dargelegt hat, grundsätzlich nicht, zusätzliche Bedingungen an die Herkunft der Einkünfte im Sinne dieser Bestimmung zu stellen.

32      Unter Berücksichtigung des größeren Zusammenhangs, in dem diese Bestimmung steht, ist außerdem darauf hinzuweisen, dass Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 eine mit dem Einkünfteerfordernis vergleichbare Anforderung enthält, wonach jeder Unionsbürger das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von über drei Monaten hat, wenn er für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen.

33      Der Gerichtshof hat entschieden, dass mit einer Auslegung der in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 vorgesehenen Voraussetzung der ausreichenden Existenzmittel dahin, dass der Betreffende selbst über solche Mittel verfügen muss, ohne dass er sich insoweit auf Existenzmittel eines ihn begleitenden Familienangehörigen berufen könnte, dieser Voraussetzung, wie sie in der Richtlinie 2004/38 formuliert ist, ein Erfordernis in Bezug auf die Herkunft der Mittel hinzugefügt würde, das einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Ausübung des durch Art. 21 AEUV gewährleisteten Grundrechts auf Freizügigkeit und Aufenthalt darstellen würde, da es für die Erreichung des mit Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 verfolgten Ziels – Schutz der öffentlichen Finanzen der Mitgliedstaaten – nicht erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 2015, Singh u. a., C‑218/14, EU:C:2015:476, Rn. 75 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34      Der in Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109 verwendete Begriff „Einkünfte“ kann entsprechend ausgelegt werden wie der in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 verwendete Begriff „Existenzmittel“, nämlich dahin, dass er nicht ausschließt, dass sich der Betroffene auf Einkünfte berufen kann, die von einem Dritten stammen, der Familienangehöriger ist.

35      Die Anforderungen an die „Einkünfte“ im Sinne dieser Richtlinie haben jedoch in Anbetracht der Endgültigkeit des Erwerbs der Rechtsstellung des langfristig Aufenthaltsberechtigten und unter Berücksichtigung des Ziels von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109, das Sozialhilfesystem des betreffenden Mitgliedstaats zu schützen, eine andere Tragweite als die Anforderungen an die „Existenzmittel“ im Sinne der Richtlinie 2004/38.

36      Nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109 beurteilen die Mitgliedstaaten diese Einkünfte nämlich anhand ihrer Art und Regelmäßigkeit und können die Höhe der Mindestlöhne und ‑renten beim Antrag auf Erteilung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten berücksichtigen. Anders als Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 verlangt Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109 außerdem, dass die darin genannten Einkünfte nicht nur „ausreichend“, sondern auch „fest“ und „regelmäßig“ sind.

37      Ferner ist zu dem Zusammenhang, in dem die letztgenannte Bestimmung steht, darauf hinzuweisen, dass ein Erfordernis, über „feste und regelmäßige Einkünfte, die … ausreichen“, zu verfügen, auch in Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2003/86 enthalten ist. Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass aus dem Wortlaut dieser Bestimmung und namentlich der Verwendung der Begriffe „fest“ und „regelmäßig“ folgt, dass die in dieser Bestimmung genannten Einkünfte eine gewisse Beständigkeit und Dauer aufweisen müssen. Nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. c Satz 2 der Richtlinie 2003/86 beurteilen die Mitgliedstaaten diese Einkünfte u. a. anhand ihrer „Regelmäßigkeit“ (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. April 2016, Khachab, C‑558/14, EU:C:2016:285, Rn. 30).

38      Somit kann Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2003/86 nicht dahin ausgelegt werden, dass er der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, die mit einem Antrag auf Familienzusammenführung befasst ist, die Möglichkeit versagt, in ihre Prüfung, ob die Voraussetzung bestimmter Einkünfte des Zusammenführenden erfüllt ist, auch eine Beurteilung der Frage einzubeziehen, ob diese Einkünfte über den Zeitpunkt der Antragstellung hinaus vorhanden sein werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. April 2016, Khachab, C‑558/14, EU:C:2016:285, Rn. 31).

39      Darüber hinaus hat der Gerichtshof in Bezug auf diese Bestimmung, insbesondere das darin enthaltene Wort „ausreichend“ bereits entschieden, dass, da der Umfang der Bedürfnisse sehr individuell sein kann, diese Bestimmung dahin auszulegen ist, dass die Mitgliedstaaten einen bestimmten Betrag als Richtbetrag angeben können, sie jedoch nicht dahin zu verstehen ist, dass die Mitgliedstaaten ein Mindesteinkommen vorgeben könnten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. März 2010, Chakroun, C‑578/08, EU:C:2010:117, Rn. 48).

40      Somit folgt aus Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2003/86, dass nicht die Herkunft der Einkünfte, sondern ihre Dauerhaftigkeit und Hinlänglichkeit unter Berücksichtigung der individuellen Situation des Betroffenen entscheidend sind.

41      Die Prüfung von Wortlaut, Zweck und Kontext von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109, insbesondere im Licht der vergleichbaren Bestimmungen der Richtlinien 2004/38 und 2003/86, ergibt, dass die Herkunft der in dieser Bestimmung genannten Einkünfte für den betreffenden Mitgliedstaat kein entscheidendes Kriterium für die Prüfung ist, ob sie fest, regelmäßig und ausreichend sind.

42      Wie der Generalanwalt in Nr. 77 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, haben die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten konkret die individuelle Situation der Person, die die Zuerkennung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten beantragt, zu prüfen und zu begründen, inwiefern diese Einkünfte ausreichend sind und eine bestimmte Beständigkeit und Dauer aufweisen, damit der Antragsteller nicht zu einer Last für den Aufnahmemitgliedstaat wird.

43      Einkünfte, die von einem Dritten oder einem Familienangehörigen des Antragstellers stammen, sind daher nicht durch Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109 ausgeschlossen, sofern sie fest, regelmäßig und ausreichend sind. In diesem Zusammenhang kann in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren die Rechtsverbindlichkeit einer von einem Dritten oder einem Familienangehörigen des Antragstellers übernommenen Verpflichtung zur Kostenübernahme ein wichtiger zu berücksichtigender Faktor sein. Die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten können insbesondere auch die familiären Beziehungen zwischen dem Antragsteller und dem oder den Familienangehörigen, die bereit sind, für seinen Lebensunterhalt aufzukommen, berücksichtigen. Ebenso können Art und Beständigkeit der Einkünfte des oder der Familienangehörigen des Antragstellers hierfür relevant sein.

44      Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109 dahin auszulegen ist, dass mit dem in dieser Bestimmung verwendeten Begriff „Einkünfte“ nicht ausschließlich „eigene Einkünfte“ desjenigen, der die Zuerkennung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten beantragt, gemeint sind, sondern dieser Begriff auch Mittel umfasst, die diesem Antragsteller von einem Dritten zur Verfügung gestellt werden, sofern sie unter Berücksichtigung der individuellen Situation des betreffenden Antragstellers als fest, regelmäßig und ausreichend angesehen werden.

 Kosten

45      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen ist dahin auszulegen, dass mit dem in dieser Bestimmung verwendeten Begriff „Einkünfte“ nicht ausschließlich „eigene Einkünfte“ desjenigen, der die Zuerkennung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten beantragt, gemeint sind, sondern dieser Begriff auch Mittel umfasst, die diesem Antragsteller von einem Dritten zur Verfügung gestellt werden, sofern sie unter Berücksichtigung der individuellen Situation des betreffenden Antragstellers als fest, regelmäßig und ausreichend angesehen werden.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Niederländisch.