Language of document : ECLI:EU:C:2019:1031

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MANUEL CAMPOS SÁNCHEZ-BORDONA

vom 28. November 2019(1)

Rechtssache C567/18

Coty Germany GmbH

gegen

Amazon Services Europe Sàrl,

Amazon FC Graben GmbH,

Amazon Europe Core Sàrl,

Amazon EU Sàrl

(Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs, Deutschland)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Unionsmarke – Wirkungen der Marke – Rechte aus der Marke – Recht, Dritten zu verbieten, Waren zum Zweck des Anbietens oder Inverkehrbringens zu besitzen – Besitz von Waren durch einen Dritten, der über die Markenrechtsverletzung nicht in Kenntnis ist“






1.        Im Urteil Coty Germany(2) sah sich der Gerichtshof mit einem der Probleme konfrontiert, die die „Drittplattformen“ für den „Internetverkauf von Luxuswaren“ im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems hervorrufen. In jener Rechtssache wurde darüber entschieden, ob ein Verbot der Einschaltung solcher Plattformen (oder von Drittunternehmen für den Verkauf über das Internet) gültig ist, das den autorisierten Händlern bestimmter Kosmetika auferlegt wird, um das Luxusimage dieser Waren aufrechtzuerhalten.

2.        Dasselbe Unternehmen, das das entsprechende Ausgangsverfahren eingeleitet hatte (die Coty Germany GmbH), erhob vor den deutschen Gerichten eine Klage, die ebenfalls die Tätigkeit der E‑Commerce-Plattformen – insbesondere einer der bekanntesten von ihnen, der Amazon-Plattform – betrifft. Nach Ansicht von Coty Germany verletzen bestimmte Unternehmen des Amazon-Konzerns das Recht des Inhabers einer Unionsmarke, Dritten die Benutzung des entsprechenden Zeichens zu untersagen(3). Zu der Verletzung sei es gekommen, als sich diese Unternehmen ohne Zustimmung des Inhabers am Verkauf eines durch die Marke geschützten Parfums, dessen Lizenznehmer Coty Deutschland sei, beteiligt hätten.

3.        Der Bundesgerichtshof (Deutschland), der nach den Urteilen eines erstinstanzlichen Gerichts und eines Berufungsgerichts in letzter Instanz über den Rechtsstreit zu entscheiden hat, legt dem Gerichtshof Fragen zur Auslegung von Art. 9 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009(4), der die Rechte des Inhabers der Unionsmarke(5) festlegt, vor.

I.      Rechtlicher Rahmen. Verordnung (EU) 2017/1001(6)

4.        Die Verordnung Nr. 207/2009, die zu dem im Ausgangsrechtsstreit maßgeblichen Zeitpunkt anwendbar war, wurde durch die Verordnung 2017/1001 kodifiziert und ersetzt. Das vorlegende Gericht bezieht sich auf beide Verordnungen und betont, dass aufgrund der Art des eingeleiteten Verfahrens die aktuell geltende Verordnung anzuwenden sei. Auf jeden Fall stimmen die für die vorliegende Rechtssache relevanten Bestimmungen(7) im Wesentlichen überein.

5.        Art. 9 („Rechte aus der Unionsmarke“) sieht vor:

„(1)      Mit der Eintragung einer Unionsmarke erwirbt ihr Inhaber ein ausschließliches Recht an ihr.

(2)      Der Inhaber dieser Unionsmarke hat unbeschadet der von Inhabern vor dem Zeitpunkt der Anmeldung oder dem Prioritätstag der Unionsmarke erworbenen Rechte das Recht, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, wenn

a)      das Zeichen mit der Unionsmarke identisch ist und für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch sind, für die die Unionsmarke eingetragen ist;

(3)      Sind die Voraussetzungen des Absatzes 2 erfüllt, so kann insbesondere verboten werden,

b)      unter dem Zeichen Waren anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen oder unter dem Zeichen Dienstleistungen anzubieten oder zu erbringen;

…“

II.    Sachverhalt, Verfahren vor den nationalen Gerichten und Vorlagefrage

6.        Coty Germany, die Kosmetikprodukte in Deutschland verkauft, ist Inhaberin einer Lizenz an der für die Waren „Parfümeriewaren, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege“ Schutz beanspruchenden Unionsmarke „DAVIDOFF“. Als Lizenznehmerin wurde sie von dem Inhaber der eingetragenen Marke zur Geltendmachung der Markenrechte im eigenen Namen ermächtigt.

7.        Die Amazon Services Europe Sàrl (im Folgenden: Amazon Services) mit Gesellschaftssitz in Luxemburg bietet Drittanbietern die Möglichkeit, auf der Website amazon.de Warenangebote einzustellen. Die Kaufverträge über die so vertriebenen Waren kommen zwischen den Drittanbietern und den Käufern zustande.

8.        Die Drittanbieter können sich an dem Programm „Versand durch Amazon“(8) beteiligen, bei dem die Unternehmen des Amazon-Konzerns die Waren in ihren Logistikzentren lagern und den Versand der Waren an den Käufer sowie andere Zusatzleistungen übernehmen.

9.        Am 8. Mai 2014 bestellte ein von Coty Germany beauftragter Testkäufer über die Website amazon.de ein von Frau OE (im Folgenden: Verkäuferin) angebotenes Parfum „Davidoff Hot Water EdT 60 ml“, das den Vermerk „Versand durch Amazon“ trug, da die Verkäuferin sich an diesem Programm beteiligte.

10.      Amazon Services hatte die Amazon FC Graben GmbH (im Folgenden: Amazon FC) mit Sitz in Graben, Deutschland – ein Unternehmen desselben Konzerns, das ein Lager betreibt –, mit der Lagerung der Ware dieser Verkäuferin beauftragt.

11.      Nachdem Coty Germany vom Verkauf dieser Ware Kenntnis erlangt hatte, forderte sie die Verkäuferin zur Unterlassung des Angebots auf, da das Markenrecht an dem Parfum nicht erschöpft sei. Daraufhin gab die Verkäuferin eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab.

12.      Coty Germany forderte Amazon Services mit Schreiben vom 2. Juni 2014 zur Herausgabe aller „Davidoff Hot Water EdT 60 ml“-Parfums der Verkäuferin auf. Amazon Services übersandte ein Paket, das 30 Stück dieser Parfums enthielt. Nachdem ein anderes zum Amazon-Konzern gehörendes Unternehmen mitgeteilt hatte, dass elf der übersandten 30 Stück aus dem Lagerbestand eines anderen Verkäufers stammten, forderte Coty Germany Amazon Services auf, Name und Anschrift dieses anderen Verkäufers anzugeben, weil bei 29 der 30 Parfums keine Erschöpfung des Markenrechts eingetreten sei. Amazon Services erklärte daraufhin, dass das Unternehmen, aus dessen Warenbestand die genannten elf Stück stammen würden, nicht mehr angegeben werden könne.

13.      Coty Germany hält das Verhalten von Amazon Services und Amazon FC für markenrechtsverletzend und erhob gegen beide Unternehmen Klage auf Unterlassung des Besitzes bzw. des Versands von Parfums der Marke „Davidoff Hot Water“ zum Zweck des (eventuell durch Dritte erfolgenden) Inverkehrbringens im geschäftlichen Verkehr in Deutschland.

14.      Die Unterlassungsklage betrifft die Waren, die nicht vom Markeninhaber oder von Dritten mit Zustimmung des Markeninhabers im Inland, in einem sonstigen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden sind(9). Die Klage beinhaltet einen Antrag auf Schadensersatz in Höhe von 1 973,90 Euro zuzüglich 5 % Zinsen seit dem 24. Oktober 2014.

15.      Die Forderungen von Coty Germany wurden in erster Instanz und im Berufungsverfahren(10) zurückgewiesen. Das Berufungsgericht entschied insbesondere:

–      Amazon FC habe weder die Klagemarke selbst benutzt noch die Parfums zu dem Zweck besessen, sie selbst anzubieten oder in Verkehr zu bringen, sondern diese lediglich für die Verkäuferin gelagert. Sie sei daher nicht als Täterin einer Rechtsverletzung anzusehen und hafte nicht auf Unterlassung hinsichtlich der Parfums. Eine Haftung als Mittäterin oder Teilnehmerin einer Markenverletzung scheide aus, da nicht ersichtlich sei, dass sie Kenntnis vom Fehlen der Erschöpfung des Markenrechts gehabt habe.

–      Amazon Services habe die streitgegenständlichen Waren der Verkäuferin weder besessen noch an die Käufer versandt und sei daher erst recht nicht verantwortlich.

16.      Im Revisionsverfahren hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass die Klage, da Coty Germany die geltend gemachten Unterlassungsansprüche auf Wiederholungsgefahr stütze, nur begründet sei, wenn das Verhalten der Beklagten sowohl zum Zeitpunkt seiner Vornahme als auch zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Revisionsinstanz als rechtswidrig angesehen werden könne.

17.      Das vorlegende Gericht möchte klären lassen, ob nach Art. 9 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 eine Person, die für einen Dritten markenrechtsverletzende Waren lagert, ohne vom Rechtsverstoß Kenntnis zu haben, diese Ware zum Zweck des Anbietens oder Inverkehrbringens besitzt, wenn nicht sie selbst, sondern allein der Dritte beabsichtigt, die Ware anzubieten oder in Verkehr zu bringen.

18.      Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts ist die Frage zu verneinen,

–      da es für das Patentrecht entschieden habe, dass das bloße Verwahren oder Befördern patentverletzender Ware durch einen Lagerhalter, Frachtführer oder Spediteur regelmäßig nicht zum Zweck des Anbietens oder Inverkehrbringens erfolge(11).

–      Es sei nicht gerechtfertigt, die Grenzen der Verantwortung des Besitzers nach § 9 des Patentgesetzes durch eine Zurechnung der Absicht des mittelbaren Besitzers zulasten des unmittelbaren Besitzers zu unterlaufen.

–      Diese Erwägung sei auf das Markenrecht übertragbar. Die Haftung des Lagerhalters, der von der Rechtsverletzung keine Kenntnis habe, für den bloßen Besitz rechtsverletzender Ware überdehne die Grenzen der Verantwortlichkeit des Besitzers nach Art. 9 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung 2017/1001.

19.      Vor diesem Hintergrund legt der Bundesgerichtshof dem Gerichtshof folgende Frage zur Auslegung von Art. 9 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 und Art. 9 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 zur Vorabentscheidung vor:

Besitzt eine Person, die für einen Dritten markenrechtsverletzende Waren lagert, ohne vom Rechtsverstoß Kenntnis zu haben, diese Ware zum Zwecke des Anbietens oder Inverkehrbringens, wenn nicht sie selbst, sondern allein der Dritte beabsichtigt, die Ware anzubieten oder in Verkehr zu bringen?

III. Verfahren vor dem Gerichtshof

20.      Der Vorlagebeschluss ist am 7. September 2018 beim Gerichtshof eingegangen. Coty Germany, Amazon Services und die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Sie alle und die Regierung der Bundesrepublik Deutschland haben an der mündlichen Verhandlung vom 19. September 2019 teilgenommen.

IV.    Würdigung

A.      Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens

21.      Nach Ansicht von Coty Germany spiegelt der Vorlagebeschluss die Situation des Ausgangsverfahrens nicht angemessen wider. Da die Vorlagefrage hypothetisch sei, sei die Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens in Frage zu stellen. Bei den Tätigkeiten von Amazon Services und Amazon FC handele es sich nicht um die Tätigkeiten eines reinen Lagerhalters oder Warentransporteurs: Aufgrund ihrer Vermittlung der Verträge über die auf der Plattform angebotenen Waren und der Entgegennahme des Kaufpreises würden sie u. a. über detaillierte Kenntnis der gelagerten und versendeten Ware verfügen.

22.      Die Tätigkeit dieser beiden Unternehmen beschränke sich nicht nur auf die bloße Bereitstellung einer Online-Verkaufsplattform oder auf die Lagerung der von ihren Kunden verkauften Ware. Die beiden Unternehmen böten vielmehr eine Reihe von Dienstleistungen an, die einen Mehrwert für den Vertrieb dieser (in der vorliegenden Rechtssache markenrechtsverletzenden) Ware brächten. Außerdem habe der Verkäufer ihnen die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Ware in vollem Umfang übertragen.

23.      Der Gerichtshof hat wiederholt entschieden, dass er im Rahmen eines Verfahrens nach Art. 267 AEUV weder für die Beurteilung von Tatsachenfragen(12) noch für die Überprüfung der Richtigkeit dieser Tatsachen zuständig ist(13). Der Gerichtshof hat im Rahmen der Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den Unionsgerichten und den nationalen Gerichten in Bezug auf den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen, in den sich die Vorlagefragen einfügen, von den Feststellungen in der Vorlageentscheidung auszugehen(14).

24.      Dass eine der Parteien des Rechtsstreits den vom vorlegenden Gericht dargelegten Sachverhalt bestreitet oder für unzureichend hält, genügt nicht, um eine zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage als unzulässig zurückzuweisen. Der Gerichtshof ist für die Überprüfung der Richtigkeit dieses Sachverhalts nicht zuständig und muss von der Vermutung der Entscheidungserheblichkeit der zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen ausgehen(15). Sie können u. a. dann für unzulässig erklärt werden, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht(16). Dies ist beim vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen nicht der Fall.

25.      Obwohl es Aufgabe des nationalen Gerichts ist, den Sachverhalt zu beurteilen, muss sich der Gerichtshof jedoch bemühen, ihm Hinweise zu geben, die ihm die Entscheidung ermöglichen(17). Nichts hindert den Gerichtshof daran, dem nationalen Gericht auf der Grundlage der Akten und der ihm vorgelegten Erklärungen Hinweise zu nicht im Vorabentscheidungsersuchen behandelten Gesichtspunkten zu geben, wenn er dies für die Verbesserung seiner Zusammenarbeit mit dem vorlegenden Gericht für angemessen hält(18).

26.      Der Gerichtshof hat Amazon Services und Amazon FC aufgefordert, in der mündlichen Verhandlung zu erklären, „welchen Umfang die von Amazon im Rahmen seines Programms ‚Versand durch Amazon‘ angebotenen Dienstleistungen haben“. Er bat sie insbesondere, „Stellung zu der Beschreibung der von Amazon im Ausgangsfall für den Drittanbieter ausgeführten Tätigkeiten zu nehmen, die in den schriftlichen Erklärungen von Coty Germany … enthalten ist“. Diese Fragen offenbaren als solche zumindest die Bereitschaft, die Sachverhaltsangaben, die im Vorlagebeschluss vielleicht etwas knapp ausfallen, zu vervollständigen.

27.      Angesichts der Entwicklung des Vorabentscheidungsverfahrens werde ich daher einen doppelten Ansatz verfolgen, der sich auf zwei Sichtweisen – und nicht Versionen – des Sachverhalts stützt:

–      Einerseits werde ich mich an den Sachverhalt halten, wie er im Vorlagebeschluss dargestellt ist. Dieser Darstellung zufolge sind Amazon Services und Amazon FC an einer E‑Commerce-Plattform beteiligt. Während Amazon Services als Hauptbetreiber dieser Plattform auftritt, erbringt Amazon FC u. a. Dienste im Bereich der Warenlagerung.

–      Andererseits werde ich alternativ die Details erwägen, die sich aus den Erklärungen der Parteien und aus ihren Antworten auf einige der in der mündlichen Verhandlung gestellten Fragen ergeben. Die sich so aufzeigende Situation ist vielschichtiger und erfordert die Berücksichtigung des integrierten Geschäftsmodells der Amazon-Gruppe (im Gegensatz zu einem autonomen Modell) sowie der Einzelheiten ihrer Leistungen für die am Programm „Versand durch Amazon“ beteiligten Drittanbieter.

28.      Der erste Ansatz stellt, wie ich noch einmal betonen möchte, auf die Darstellung ab, die der Bundesgerichtshof vorgelegt hat und die mit der des Berufungsgerichts übereinstimmt. Der Bundesgerichtshof wird entscheiden müssen, ob er sich an die von den unteren Instanzen vorgelegte Sachverhaltsdarstellung hält (wie es für ein Revisionsgericht typisch ist) oder ob er darüber hinausgehen und die Relevanz anderer Gesichtspunkte, die er selbst nicht in sein Vorabentscheidungsersuchen aufgenommen hat, beurteilen kann.

29.      Auf jeden Fall gibt es zwei Gesichtspunkte, die von keiner der Parteien bestritten werden: a) Die Marke wurde ohne Zustimmung des Inhabers (oder seines Lizenznehmers) gewerblich genutzt, und b) diese Benutzung hat das Recht aus der Marke, das nicht im Sinne von Art. 15 der Verordnung 2017/1001 erschöpft war, verletzt, da es sich nicht um Waren handelte, „die unter dieser Marke von ihm oder mit seiner Zustimmung im Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden sind“.

B.      Auslegung von Art. 9 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung 2017/1001

30.      Die Eintragung einer Unionsmarke gibt ihrem Inhaber das ausschließliche Recht, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein mit der Marke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die die Marke eingetragen ist. So ist es in Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 festgeschrieben.

31.      Nur wenn diese (d. h. die in Abs. 2 genannten) Bedingungen erfüllt sind, kann der Markeninhaber Dritten untersagen, „unter dem Zeichen Waren anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen oder unter dem Zeichen Dienstleistungen anzubieten oder zu erbringen“ (Art. 9 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung 2017/1001).

32.      Obwohl das vorlegende Gericht nicht nach den Voraussetzungen dieses Abs. 2 fragt, halte ich es aufgrund der Auswirkungen, die der Absatz auf die Beantwortung des Vorabentscheidungsersuchens haben kann, für angebracht, darauf einzugehen. Außerdem treten die mit der Benutzung einhergehenden Probleme bei der Auslegung von Art. 9 Abs. 3 erneut auf.

1.      Vorbemerkung: zur eventuell mangelnden Benutzung der Marke im eigenen geschäftlichen Verkehr

33.      Im Berufungsurteil wurde festgestellt, dass die Handlung von Amazon FC nicht als Nutzung im Sinne des erwähnten Abs. 2 einzustufen sei(19). Diese Behauptung wurde jedoch nicht ausgeführt, da über den Rechtsstreit mit Hilfe des Arguments entschieden wurde, dass kein Besitz der Waren zum Zweck des Verkaufs und keine Kenntnis vorlägen, dass es sich um Ware handele, für die das Markenrecht nicht erschöpft sei.

34.      Das vorlegende Gericht wiederum scheint die Umstände, unter denen Amazon Services und Amazon FC die streitige Marke verwenden, implizit unter Art. 9 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 zu subsumieren.

35.      Nach Ansicht der Kommission hingegen haben die Unternehmen der Amazon-Gruppe das fragliche Zeichen wahrscheinlich nicht als Marke benutzt, so dass die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 nicht erfüllt sind. Da Abs. 2 eine wesentliche Voraussetzung für die Anwendung von Abs. 3 ist, wäre es, sofern dem Standpunkt der Kommission gefolgt wird, nicht erforderlich, Abs. 3 zu prüfen.

36.      Nach Meinung der Kommission ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass Vermittler(20), wie etwa Lagerhausbetreiber und Transporteure, die Dienstleistungen für Dritte erbringen, nicht für Markenrechtsverletzungen haften, da sie die Marke weder im Rahmen ihrer eigenen kommerziellen Kommunikation noch im Rahmen ihres geschäftlichen Verkehrs benutzen(21).

37.      In diesem Zusammenhang weist die Kommission darauf hin, dass der Gerichtshof sich bereits in einem anderen Vorabentscheidungsverfahren mit dem Verhalten eines Betreibers eines Online-Marktplatzes (eBay) befasst hat, auf dem Listen von durch Unionsmarken geschützten Waren angezeigt werden, die von zu diesem Zweck bei eBay eingeschriebenen Personen, die Verkäuferkonten bei eBay eingerichtet haben, zum Verkauf angeboten werden (für die getätigten Geschäfte stellt eBay einen Prozentsatz in Rechnung). Nach Überzeugung des Gerichtshofs benutzt der Betreiber die Marke nicht bereits dann, wenn er sie auf seinem Online-Marktplatz zugunsten des Verkäufers anzeigt(22).

38.      Der Gerichtshof hat entschieden, dass

–      bei einem Lagerinhaber die „Erbringung der Dienstleistung der Lagerung von mit der Marke eines anderen versehenen Waren keine Benutzung des mit dieser Marke identischen Zeichens für Waren oder Dienstleistungen darstellt, die mit denjenigen identisch oder ihnen ähnlich sind, für die diese Marke eingetragen ist“(23);

–      bei einem Betreiber eines Online-Marktplatzes „die ‚Benutzung‘ eines mit der Marke des Inhabers identischen oder ihr ähnlichen Zeichens durch einen Dritten im Sinne von Art. 5 der Richtlinie [89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988, Erste Richtlinie zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1)] und Art. 9 der Verordnung [(EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 (ABl. 1994, L 11, S. 1)] … zumindest voraus[setzt], dass der Dritte das Zeichen im Rahmen seiner eigenen kommerziellen Kommunikation benutzt. Soweit dieser Dritte aber eine Dienstleistung erbringt, die darin besteht, seinen Kunden zu ermöglichen, im Rahmen ihrer geschäftlichen Tätigkeiten wie ihrer Verkaufsangebote Marken entsprechende Zeichen auf seiner Website erscheinen zu lassen, benutzt er im Sinne der genannten Rechtsvorschriften der Union diese Zeichen auf dieser Website nicht selbst“(24).

39.      Der Gerichtshof unterscheidet also zwischen der Art der Betreiber, um festzustellen, ob ein mit der Marke identisches Zeichen von einem Dritten benutzt wird. Eine solche Benutzung im Sinne von Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 liegt nicht vor, wenn der Dritte nur die technischen Voraussetzungen für die Benutzung des Zeichens schafft(25) oder ein passives Verhalten ohne unmittelbare oder mittelbare Herrschaft über die Benutzungshandlung zeigt(26).

40.      Um herauszufinden, ob in solchen Fällen eine Benutzung des Zeichens vorliegt, prüft der Gerichtshof, ob zwischen dem Zeichen und der vom Diensteanbieter erbrachten Dienstleistung eine Verbindung besteht(27). Fehlt eine solche Verbindung, liegt keine Benutzung der Marke durch den Diensteanbieter vor.

41.      Aus dem Sachverhalt, so wie er im Vorlagebeschluss dargestellt ist, lässt sich ableiten, dass Amazon Services und Amazon FC die Parfummarke nicht als ihre eigene Marke benutzen. Vielmehr beschränken sie sich darauf, den Verkäufern und den Käufern die üblichen Vermittlerleistungen anzubieten, ohne das Zeichen Davidoff im Rahmen ihrer eigenen kommerziellen Kommunikation oder im Rahmen ihres geschäftlichen Verkehrs zu benutzen.

42.      Bei der zuvor genannten alternativen Sichtweise des Sachverhalts könnte jedoch der Schluss gezogen werden, dass die Unternehmen der Amazon-Gruppe das Davidoff-Zeichen sehr wohl benutzt haben, da sie sich nicht darauf beschränkten, den Verkäufern die digitalen technischen Mittel zur Verfügung zu stellen, sondern eine Dienstleistung in der Weise anboten, dass eine Verbindung zwischen dem Zeichen und dieser Dienstleistung hergestellt wurde.

43.      Aus diesem Grund halte ich den Standpunkt der Kommission für zutreffend, die das Vorliegen einer Markennutzung anzweifelt, sofern die Unternehmen der Amazon-Gruppe nur die technischen Voraussetzungen für die Benutzung des Zeichens durch Dritte geschaffen haben(28), jedoch gleichzeitig die Möglichkeit in Betracht zieht, dass diese Unternehmen die Marke im geschäftlichen Verkehr nutzen. Damit dies der Fall ist, müsste die Erbringung ihrer Dienstleistungen ein aktives Verhalten und eine unmittelbare oder mittelbare Herrschaft über die Benutzungshandlung(29) beinhalten, was vom vorlegenden Gericht zu prüfen wäre. Hierauf werde ich später zurückkommen.

2.      Besitz von Waren zum Zweck des Anbietens oder Inverkehrbringens

44.      Geht man aus Gründen der Dialektik davon aus, dass die Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 vorliegen, ist sodann das in Abs. 3 Buchst. b geregelte ius prohibendi einzugrenzen.

45.      Der Markeninhaber hat das Recht, Dritten u. a. zu verbieten, ohne seine Zustimmung „Waren anzubieten“, „in Verkehr zu bringen“ oder „zu den genannten Zwecken zu besitzen“. Das vorlegende Gericht fragt insbesondere nach der Bedeutung der Wendung „besitzt … zum Zwecke des Anbietens oder Inverkehrbringens“ der markenrechtsverletzenden Waren(30).

46.      Der Begriff „Besitz“, nach dessen spezifischen Merkmalen das vorlegende Gericht fragt, findet sich nicht in allen Sprachfassungen von Art. 9 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung 2017/1001. Nur die französische („détenir“) und die deutsche Fassung („besitzen“) verwenden Wörter, die mit dem Rechtsinstitut des Besitzes (possessio) in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Andere Fassungen, wie z. B. die spanische, italienische, portugiesische, englische und schwedische, bevorzugen Verben oder Substantive, die die Handlung des Lagerns der Ware beinhalten(31).

47.      Ich bin jedoch der Überzeugung, dass in allen Sprachen die Idee des Besitzes zu Handelszwecken durchscheint, da zur Lagerung (bzw. zum Besitz in den Fassungen, in denen dieser Begriff verwendet wird) die Voraussetzung, dass diese Handlung „zu den genannten Zwecken“, d. h. zum Zweck des Anbietens oder Inverkehrbringens der Ware, erfolgt, hinzugefügt wird und in diesem zweiten Teil des Satzes keine Unterschiede zwischen den Sprachfassungen bestehen.

48.      Für die Heranziehung dieses Aspekts des ius prohibendi des Markeninhabers bestehen somit zwei Voraussetzungen, die beide erfüllt sein müssen, damit eine Rechtsverletzung vorliegt:

–      ein objektives Element: Besitz der markenrechtsverletzenden Ware,

–      ein subjektives Element: vorsätzlicher Besitz mit dem Ziel, die Ware durch irgendein Rechtsgeschäft, einschließlich des Angebots, in den Verkehr zu bringen.

a)      Zum objektiven Element: Besitz

49.      Was den Besitz angeht, ist zwischen der Situation des Lagerhalters und der des Betreibers eines Online-Marktplatzes zu unterscheiden:

–      Der Lagerhalter, der die Ware in Ausübung seiner üblichen Berufstätigkeit nur für einen Dritten verwahrt, erfüllt nach der angeführten Rechtsprechung(32), obwohl er sich in unmittelbarem Besitz der Ware befindet, nicht die für eine Markenrechtsverletzung erforderlichen Voraussetzungen, wenn nicht er, sondern der Dritte mit der Ware Handelszwecke verfolgt. Aus diesem Grund wird durch seine Handlung keine Verbindung zwischen dem Warenzeichen und der Lagerdienstleistung geschaffen(33).

–      Die bloßen Betreiber eines Online-Marktplatzes können noch nicht einmal als Besitzer der markenrechtsverletzenden Waren angesehen werden, sofern ihre Vermittlung mit dem im Urteil L’Oréal beurteilten Sachverhalt vergleichbar ist.

50.      Bei einer Übertragung dieser Kategorien auf den vom vorlegenden Gericht beschriebenen Sachverhalt würden weder Amazon Services noch Amazon FC die markenrechtsverletzende Ware zum Zweck des Anbietens oder des Inverkehrbringens im Sinne von Art. 9 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 besitzen. Ich stimme folglich mit der Beurteilung des vorlegenden Gerichts hinsichtlich der Subsumierung der Handlung dieser Unternehmen unter diese Bestimmung überein.

51.      Diese Beurteilung könnte sich jedoch ändern, wenn von einer alternativen Sichtweise des Sachverhalts, wie ich sie bereits angesprochen habe, ausgegangen wird. Bei dieser Sichtweise betreiben Amazon Services und Amazon FC ein integriertes Geschäftsmodell und legen im Rahmen des Verkaufs das aktive Verhalten an den Tag, auf das die Rechtsvorschriften anspielen, wenn sie Handlungen wie „Waren anbieten“, „in Verkehr bringen“ oder „zu den genannten Zwecken besitzen“ aufzählen. Dieses aktive Verhalten hätte den Anschein einer vollständigen Kontrolle des Verkaufsprozesses zur Folge.

52.      Wird die Tätigkeit der Unternehmen der Amazon-Gruppe unter diesem Aspekt beurteilt, ist zwischen den externen Elementen (die ein Durchschnittsverbraucher, der bei Amazon ein Produkt kauft, wahrnimmt) und den internen Elementen (die sich auf die Beziehung zwischen dem Verkäufer und Amazon beziehen, ohne von außen wahrgenommen zu werden)(34) zu unterscheiden.

53.      Ich werde mich auf die Sichtweise eines Endverbrauchers konzentrieren, der über eine Website wie amazon.de und über das Programm „Versand durch Amazon“ von einem Dritten Waren erwirbt. Sofern beim Käufer der Eindruck entstehen könnte, dass Amazon Services die Ware in den Verkehr bringt, d. h., dass „im geschäftlichen Verkehr eine konkrete Verbindung zwischen diesen Waren und dem Unternehmen, von dem diese Waren herstammen“(35), besteht, ließe sich daraus der Schluss ziehen, zu dem auch der Gerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung gelangt ist, nämlich dass eine Benutzung der Marke vorliegt.

54.      Einem Käufer, der auf der Website von Amazon nach einem Produkt sucht, werden verschiedene Angebote desselben Produkts angezeigt, die sowohl von Verkäufern, die Amazon mit dem Inverkehrbringen ihrer Produkte über den Online-Marktplatz beauftragt haben, als auch von Amazon selbst, die die Ware auf eigene Rechnung verkauft, stammen können. Es ist, auch für einen normal informierten und angemessen aufmerksamen Internetnutzer, nur schwer zu erkennen, ob die beworbenen Waren von dem Inhaber der Marke oder einem mit ihm wirtschaftlich verbundenen Unternehmen oder vielmehr von einem Dritten stammen(36). Dies untergräbt die wesentliche Funktion der Marke, nämlich auf die Herkunft der Ware hinzuweisen.

55.      Im Rahmen des „Versand durch Amazon“-Programms übernehmen die koordiniert handelnden Unternehmen der Amazon-Gruppe nicht nur die neutralen Tätigkeiten der Lagerung und des Transports der Ware, sondern auch eine viel weitreichendere Palette an Tätigkeiten.

56.      Tatsächlich schickt der Verkäufer, wenn er sich für das Programm entschieden hat, die vom Kunden ausgewählten Produkte an Amazon, und die Unternehmen der Amazon-Gruppe nehmen diese in Empfang, lagern sie in ihren Vertriebszentren, bereiten sie vor (eventuell einschließlich des Etikettierens, der angemessenen Verpackung oder des Einwickelns in Geschenkpapier) und verschicken sie an den Käufer. Amazon kann darüber hinaus die Werbung(37) und die Veröffentlichung von Angeboten auf seiner Website, den Kundendienst für Anfragen und Rücksendungen sowie die Rückerstattungen bei fehlerhaften Produkten übernehmen(38). Vom Käufer erhält Amazon die Zahlung für die Ware und überweist den entsprechenden Betrag anschließend auf das Bankkonto des Verkäufers(39).

57.      Die aktive und koordinierte Beteiligung der Amazon-Unternehmen am Vertrieb der Waren bedeutet, dass diese Unternehmen einen Großteil der Aufgaben des Verkäufers ausführen, d. h., dass Amazon „die schweren Aufgaben“ übernimmt, wie es auf ihrer Website heißt. Als Anreiz für den Verkäufer, sich dem Programm „Versand durch Amazon“ anzuschließen, findet sich auf dieser Webseite der folgende Satz: „Senden Sie uns Ihre Produkte[,] und wir kümmern uns um den Rest“. Die Unternehmen von Amazon zeigen somit „ein aktives Verhalten und eine unmittelbare oder mittelbare Herrschaft über die [Benutzung der Marke]“(40).

58.      Sollte sich im vorliegenden Fall bestätigen, dass die Amazon-Unternehmen im Rahmen des „Versand durch Amazon“-Programms diese Dienstleistungen (oder zumindest die wichtigsten davon) erbracht haben(41), könnte daraus der Schluss gezogen werden, dass sie, sei es als Betreiber eines Online-Marktplatzes oder als Lagerhalter, beim Inverkehrbringen der Ware eine Rolle spielen, die über die bloße Schaffung der für die Nutzung des Zeichens erforderlichen technischen Bedingungen hinausgeht. Wenn also die fragliche Ware die Rechte des Inhabers dieser Marke verletzt, könnte die Reaktion des Markeninhabers berechtigterweise darin bestehen, ihnen die Benutzung des Zeichens zu untersagen.

59.      Die wesentliche Rolle der Amazon-Unternehmen beim Inverkehrbringen kann nicht dadurch herabgespielt werden, dass die einzelnen Tätigkeiten der jeweiligen Unternehmen separat betrachtet werden. Es widerspräche der wirtschaftlichen Realität und dem Grundsatz der Gleichbehandlung, wenn die Lagerhaltung, die Verwaltung der Bestellungen und die sonstigen von ihnen erbrachten Dienstleistungen auf dieselbe Art und Weise behandelt würden wie die Dienstleistungen, die eigenständige reine Transportunternehmen oder Lagerhalter im Rahmen eines von jeder anderen Tätigkeit der Vertriebskette losgelösten Geschäftsmodells erbringen(42).

60.      Es steht auch nicht im Widerspruch zu den bisherigen Ausführungen, dass die Unternehmen der Amazon-Gruppe geltend machen, als Vermittler für den Verkäufer aufzutreten. Zum einen weist diese vermeintliche Vermittlung, wie bereits hervorgehoben, die Merkmale einer aktiven Beteiligung am Inverkehrbringen auf. Zum anderen ist es für den Gerichtshof „ohne Bedeutung, dass der Dritte die Benutzung im Rahmen des Vertriebs von Waren für Rechnung eines anderen Wirtschaftsteilnehmers vornimmt, der allein die Rechte an den Waren besitzt“(43).

61.      Schließlich ist es für die hier wesentlichen Zwecke unerheblich, dass die Unternehmen des Amazon-Konzerns „im Zuge des Geschäfts, an dem [sie] sich beteilig[en], keine Rechte an ihnen [erwerben]“(44).

62.      Da hier die Rolle des Vermittlers nicht neutral ist, kommen die in Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 für Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft vorgesehenen Ausnahmen von der Verantwortlichkeit in der vorliegenden Rechtssache nicht zur Anwendung. Diese Ausnahmen sind auf den technischen Vorgang beschränkt, ein Kommunikationsnetz zu betreiben und den Zugang zu diesem zu vermitteln, über das von Dritten zur Verfügung gestellte Informationen übermittelt oder vorübergehend gespeichert werden(45). Auf eine Tätigkeit wie die physische Lagerung und tatsächliche Lieferung von Waren können sie nicht angewandt werden.

63.      Außerdem kann sich dem Gerichtshof zufolge ein Betreiber eines Online-Marktplatzes, der eine aktive Rolle spielt, wie dies der Fall ist bei der „Hilfestellung …, die u. a. darin bestand, die Präsentation der betreffenden Verkaufsangebote zu optimieren oder diese Angebote zu bewerben“(46), nicht auf Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 berufen.

b)      Zum subjektiven Element: Absicht, die gelagerten (oder in Besitz befindlichen) Waren anzubieten oder in Verkehr zu bringen

64.      Art. 9 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 setzt voraus, dass der Besitz der markenrechtsverletzenden Waren mit dem Zweck, diese anzubieten oder in Verkehr zu bringen, einhergeht.

65.      Amazon Services und Amazon FC vertreten die Meinung, dass bei ihnen, da sie ihre Dienstleistungen nur für die tatsächlichen Anbieter erbrächten, der unmittelbare Zusammenhang mit diesen Zwecken nicht gegeben sei. Es würde zu einer großen Rechtsunsicherheit für den rechtmäßigen Handel führen, wenn die Haftung für die Verletzung eines Markenrechts auf Händler ausgedehnt würde, die die Waren lagerten, sie jedoch nicht zu verkaufen beabsichtigten (was bei allen Vermittlern, Lagerhaltern, Frachtführern oder Spediteuren der Fall sei).

66.      Das vorlegende Gericht scheint diese Auffassung zu teilen, denn seine Frage bezieht sich auf „eine Person, die für einen Dritten markenrechtsverletzende Waren lagert, … wenn nicht sie selbst, sondern allein der Dritte beabsichtigt, die Ware anzubieten oder in Verkehr zu bringen“.

67.      Es ließe sich vertreten, dass die so formulierte Frage die Antwort einschließt: Wenn allein der Dritte (d. h. der Verkäufer) beabsichtigt, die Ware anzubieten oder in Verkehr zu bringen, ist ausgeschlossen, dass die Unternehmen der Amazon-Gruppe diese Absicht verfolgen. Die Handlungen der Amazon-Unternehmen könnten dann nicht unter Art. 9 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 subsumiert werden, da die darin geforderte Zweckbestimmung fehlt.

68.      Auch hier könnte die Antwort anders ausfallen, wenn von einer Sichtweise des Sachverhalts ausgegangen wird, bei der die besondere Handlung der Amazon-Unternehmen, die im Rahmen des Programms „Versand durch Amazon“ wesentlich am Inverkehrbringen der Ware beteiligt sind, betont wird.

69.      Bei dieser Sichtweise, die weit über die Rolle einer neutralen Hilfskraft des Verkäufers hinausgeht, ist kaum zu leugnen, dass diese Unternehmen zusammen mit dem Verkäufer den Zweck verfolgen, die streitige Ware anzubieten oder in den Verkehr zu bringen.

C.      Haftung von Unternehmen, die markenrechtsverletzende Waren lagern, ohne vom Rechtsverstoß Kenntnis zu haben

70.      Das vorlegende Gericht hat als einen Faktor, der die Haftung beeinflussen könnte, ausdrücklich angeführt, dass die Unternehmen, die die Ware besitzen, keine Kenntnis vom Rechtsverstoß haben (während es davon ausgeht, dass die Absicht, diese Ware anzubieten oder in Verkehr zu bringen, beim Dritten liegt). Es bezieht sich dabei logischerweise auf die in dem Rechtsstreit verklagten Unternehmen von Amazon.

71.      Nach Art. 17 der Verordnung 2017/1001 unterliegt die Verletzung einer Unionsmarke dem für die Verletzung nationaler Marken geltenden Recht (Abs. 1). Die Verordnung „lässt das Recht unberührt, Klagen betreffend eine Unionsmarke auf innerstaatliche Rechtsvorschriften insbesondere über die zivilrechtliche Haftung und den unlauteren Wettbewerb zu stützen“ (Abs. 2). In Art. 129 Abs. 2 der Verordnung heißt es ferner: „In allen Markenfragen, die nicht durch diese Verordnung erfasst werden, wendet das betreffende Unionsmarkengericht das geltende nationale Recht an.“

72.      Gemäß Art. 1 der Richtlinie 2004/48(47) handelt es sich bei den anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften zum einen um die Rechtsvorschriften, die sich aus ihrer Umsetzung ergeben. Darüber hinaus berührt die Richtlinie 2004/48 nach ihrem 15. Erwägungsgrund nicht die Richtlinie 2000/31, so dass die nationalen Rechtsvorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie ebenfalls gelten.

73.      Die Frage, ob Kenntnis von der Verletzung des Markenrechts besteht, ist im elektronischen Geschäftsverkehr von Bedeutung: Dies geht aus Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31, der die Nichtverantwortlichkeit von Vermittlern festlegt, sowie seiner Auslegung durch den Gerichtshof hervor.

74.      Nach dem Urteil L’Oréal wird der Betreiber, wie bereits ausgeführt, nicht von der Haftung freigestellt, wenn er eine aktive Rolle spielt, die ihm eine Kenntnis von Daten über auf seinem Server gespeicherte Verkaufsangebote verschafft(48). Auch ein neutraler Betreiber wird nicht freigestellt, wenn er tatsächliche Kenntnis von der rechtswidrigen Tätigkeit oder Information hatte und, in Bezug auf Schadenersatzansprüche, sich der Tatsachen oder Umstände bewusst war, aus denen die rechtswidrige Tätigkeit oder Information offensichtlich wird(49).

75.      Was den Schadensersatz angeht, kann nach der Richtlinie 2004/48 auch die Kenntnis (oder die mangelnde Kenntnis) der Unrechtmäßigkeit von Bedeutung sein. Dies geht aus dem Wortlaut von Art. 13 Abs. 1 in Bezug auf die Verletzer hervor. Für Vermittler, die „eine Verletzungshandlung vorgenommen“ haben, ohne dass sie „dies wusste[n] oder vernünftigerweise hätte[n] wissen müssen“, überlässt Art. 13 (Abs. 2) die Entscheidung über die anwendbare Regelung den Mitgliedstaaten.

76.      Von der Frage der Bedeutung der Kenntnis ist die Frage der Sorgfalt des Vermittlers bei der Kenntniserlangung zu trennen, obwohl die beiden Fragen miteinander in Zusammenhang stehen. In der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 11 Satz 3 der Richtlinie 2004/48 (gerichtliche Anordnungen gegen Mittelspersonen, deren Dienste von Dritten zwecks Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums in Anspruch genommen werden) finden sich einige Anhaltspunkte(50).

77.      In der Entscheidung L’Oréal hat sich der Gerichtshof mit den Maßnahmen befasst, die nach dieser Bestimmung von einem Online-Dienstleister verlangt werden können, um eine zukünftige Verletzung der Rechte des geistigen Eigentums eines Dritten zu verhindern. Zunächst hat er auf Art. 15 der Richtlinie 2000/31 hingewiesen, der eine allgemeine Überwachungspflicht von Diensteanbietern ausschließt. Sodann hat er unter Verweis auf Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2004/48 hervorgehoben, dass die Maßnahmen zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums so angewendet werden müssen, dass die Einrichtung von Schranken für den rechtmäßigen Handel vermieden wird.

78.      Um einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Schutz der Markenrechte und der Verhinderung von Schranken für den rechtmäßigen Handel zu schaffen, ist meiner Überzeugung nach der Ansatz vorzuziehen, bei dem die Unterscheidung zwischen den Vermittlern ausgehend von der Art der für den unmittelbaren Urheber der Markenrechtsverletzung erbrachten Dienstleistungen vorgenommen wird.

79.      So würden reine Lagerhalter, die nur Hilfsaufgaben übernehmen, von der Haftung freigestellt, wenn sie eine Verletzungshandlung vorgenommen haben, ohne dass sie dies wussten oder vernünftigerweise hätten wissen müssen, d. h. mit anderen Worten, wenn sie keine Kenntnis von der Rechtswidrigkeit des Inverkehrbringens der Ware, die ein Verkäufer, ohne das Recht des Markeninhabers zu respektieren, auf dem Markt einführt, hatten und eine solche Kenntnis auch nicht haben konnten.

80.      Vorbehaltlich einiger Abstufungen, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll, kann von solchen reinen Lagerhaltern bei der Prüfung, dass im Einzelfall die Rechte des Inhabers der auf der anvertrauten Ware angebrachten Marke gewahrt werden, keine besondere Sorgfalt verlangt werden, sofern die Rechtsverletzung nicht offenkundig ist. Ein solches allgemeines Erfordernis würde den normalen Verkehr dieser Unternehmen als Erbringer von Nebenleistungen für den Handel übermäßig belasten(51).

81.      Anders sieht es aus bei Unternehmen wie den Beklagten, die bei der Erbringung ihrer Dienstleistungen im Rahmen des „Versand durch Amazon“-Programms in der vorstehend genannten Art und Weise am Inverkehrbringen der Waren beteiligt sind. Das vorlegende Gericht stellt fest, dass diese Unternehmen nicht wussten, dass die Ware das Markenrecht von Coty Germany verletzt. Ich bin jedoch der Ansicht, dass diese Nichtkenntnis sie nicht unbedingt von der Haftung befreit.

82.      Die wesentliche Beteiligung dieser Unternehmen am Inverkehrbringen der Ware mit Hilfe des Programms führt dazu, dass von ihnen im Hinblick auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der gehandelten Waren besondere Sorgfalt verlangt werden kann. Gerade weil sie sich bewusst sind, dass sie ohne eine solche Kontrolle(52) leicht als Medium genutzt werden, um „rechtswidrige, gefälschte, raubkopierte, gestohlene oder anderweitig rechtswidrige oder unethische Ware, die die Eigentumsrechte anderer verletzt“(53), zu verkaufen, können sie sich nicht ohne Weiteres ihrer Verantwortung entziehen, indem sie diese allein dem Verkäufer zuschreiben.

83.      Für die letztinstanzliche Entscheidung über die Haftung der Beklagten ist das vorlegende Gericht auf der Grundlage des von ihm als nachgewiesen erachteten Sachverhalts zuständig. Während sich der letzte Teil der Vorlagefrage auf die Auswirkungen bezieht, die die Tatsache, dass den Beklagten die Verletzung der Rechte des Markeninhabers nicht bekannt war, auf diese Entscheidung haben könnte, bin ich der Überzeugung, dass die Unwissenheit allein sie nicht von der Verantwortung befreit.

V.      Ergebnis

84.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die vom Bundesgerichtshof (Deutschland) zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage wie folgt zu antworten:

Art. 9 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke und Art. 9 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke sind dahin auszulegen, dass

–      eine Person nicht für einen Dritten (Verkäufer) markenrechtsverletzende Waren zum Zweck des Anbietens oder Inverkehrbringens lagert, wenn sie vom Rechtsverstoß keine Kenntnis hat und nicht sie selbst, sondern allein der Dritte beabsichtigt, die Ware anzubieten oder in Verkehr zu bringen.

–      Ist diese Person im Rahmen eines Programms, das die Eigenschaften des sogenannten „Versand durch Amazon“-Programms aufweist und dem der Verkäufer beigetreten ist, aktiv am Vertrieb dieser Ware beteiligt, kann hingegen davon ausgegangen werden, dass sie die Ware zum Zweck des Anbietens oder des Inverkehrbringens lagert.

–      Die Tatsache, dass die Person keine Kenntnis davon hat, dass der Dritte seine Ware im Rahmen eines Programms wie dem genannten unter Verletzung der Rechte des Markeninhabers anbietet oder verkauft, befreit diese Person nicht von der Haftung, sofern von ihr vernünftigerweise verlangt werden konnte, dass sie die für die Aufdeckung dieser Verletzung notwendigen Mittel bereitstellt.


1      Originalsprache: Spanisch.


2      Urteil vom 6. Dezember 2017 (C‑230/16, EU:C:2017:941).


3      Die zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage steht im Zusammenhang mit dem EU‑Markenrecht. Sollte sich herausstellen, dass die Beklagten die Marke nicht genutzt haben, könnte geprüft werden, ob sie nach der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) (ABl. 2000, L 178, S. 1), falls sie als Vermittler im elektronischen Geschäftsverkehr aufgetreten sind, oder nach der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. 2004, L 157, S. 45) haftbar sind.


4      Verordnung des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1).


5      Seit dem 23. März 2016 heißen die „Gemeinschaftsmarken“ nach Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2015/2424 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates über die Gemeinschaftsmarke und der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates über die Gemeinschaftsmarke und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2869/95 der Kommission über die an das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) zu entrichtenden Gebühren (ABl. 2015, L 341, S. 21) „Unionsmarken“.


6      Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1).


7      Art. 9 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 und Art. 9 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung 2017/1001.


8      Auf den fünf Websites von Amazon in der Europäischen Union heißt das Programm Versand durch Amazon (amazon.de), Logística de Amazon (amazon.es), Logistica di Amazon (amazon.it), Expedié par Amazon (amazon.fr) und Fulfilment by Amazon (amazon.co.uk).


9      Hilfsweise wird die vorstehend beschriebene Verurteilung bezogen auf Parfums der Marke „Davidoff Hot Water EdT 60 ml“ oder die von der Verkäuferin eingelieferten Parfums beantragt.


10      Urteil des Oberlandesgerichts München (Deutschland) vom 29. September 2017 (Az.: 29 U 745/16).


11      Das vorlegende Gericht führt insoweit § 9 Satz 2 Nr. 1 des deutschen Patentgesetzes an.


12      Beschluss vom 7. Oktober 2013, Società cooperativa Madonna dei miracoli (C‑82/13, EU:C:2013:655, Rn. 13).


13      Urteil vom 26. April 2012, Balkan and Sea Properties und Provadinvest (C‑621/10 und C‑129/11, EU:C:2012:248, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).


14      Urteil vom 26. Oktober 2017, Argenta Spaarbank (C‑39/16, EU:C:2017:813, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).


15      Urteil vom 22. September 2016, Breitsamer und Ulrich (C‑113/15, EU:C:2016:718, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).


16      Urteil vom 20. Dezember 2017, Global Starnet (C‑322/16, EU:C:2017:985, Rn. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung).


17      Urteil vom 5. Juni 2014, I (C‑255/13, EU:C:2014:1291, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).


18      Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der Generalanwalt die Vorlagefrage auf der Grundlage einer von der Sachverhaltsdarstellung des vorlegenden Gerichts abweichenden Auslegung der Tatsachen beurteilt hat. Im Einzelfall (Urteil vom 20. September 2001, Grzelczyk, C‑184/99, EU:C:2001:458, Rn. 16 bis 18) hat der Gerichtshof es dem vorlegenden Gericht offengelassen, unter Berücksichtigung der Schlussanträge des Generalanwalts zu prüfen, ob die Tatsachen und Umstände des Ausgangsverfahrens eine andere Sichtweise rechtfertigen. In jener Rechtssache war Generalanwalt Alber davon ausgegangen, dass Herr Grzelczyk als Arbeitnehmer im Sinne des AEUV anzusehen sei und nicht nur als Student, wie das vorlegende Gericht erklärt hatte. Der Generalanwalt schlug also eine etwas andere Sichtweise vor als das vorlegende Gericht, aber der Gerichtshof hielt sich streng an den Sachverhalt des Vorlagebeschlusses. Vgl. Schlussanträge vom 28. September 2000 in dieser Rechtssache (EU:C:2000:518, Nrn. 65 bis 75).


19      Vgl. das zitierte Urteil des Oberlandesgerichts München, 2. Teil, B. I. 1. a) bb) (1).


20      So bezeichnet sie die beiden Unternehmen der Amazon-Gruppe: im Fall von Amazon Services im Sinne der Richtlinie 2000/31; im Fall von Amazon FC im Sinne der Richtlinie 2004/48.


21      Die Kommission führt u. a. das Urteil vom 16. Juli 2015, TOP Logistics BV u. a. (C‑379/14, EU:C:2015:497, Rn. 45), an.


22      Urteil vom 12. Juli 2011, L’Oréal u. a. (C‑324/09, EU:C:2011:474, im Folgenden: Urteil L’Oréal, Rn. 102 bis 104).


23      Urteil vom 16. Juli 2015, TOP Logistics u. a. (C‑379/14, EU:C:2015:497, Rn. 45).


24      Urteil L’Oréal (Rn. 102 und 103).


25      Urteil vom 15. Dezember 2011, Frisdranken Industrie Winters (C‑119/10, EU:C:2011:837, im Folgenden: Urteil Frisdranken Industrie Winters, Rn. 29).


26      Urteil vom 3. März 2016, Daimler (C‑179/15, EU:C:2016:134, im Folgenden: Urteil Daimler, Rn. 39).


27      Urteile Frisdranken Industrie Winters (Rn. 32), vom 23. März 2010, Google France und Google (C‑236/08 bis C‑238/08, EU:C:2010:159, im Folgenden: Urteil Google France und Google, Rn. 60), und L’Oréal (Rn. 92), sowie Beschluss vom 19. Februar 2009, UDV North America (C‑62/08, EU:C:2009:111, im Folgenden: Beschluss UDV North America, Rn. 47).


28      Urteile Google France und Google (Rn. 57) und Frisdranken Industrie Winters (Rn. 29).


29      Unter Bezugnahme auf das Urteil Daimler (Rn. 39 und 41) und auf das Urteil vom 25. Juli 2018, Mitsubishi Shoji Kaisha und Mitsubishi Caterpillar Forklift Europe (C‑129/17, EU:C:2018:594, Rn. 38).


30      Ich halte es nicht für notwendig, mich ausführlich zu den Begriffen „Anbieten“ und „Inverkehrbringen“ in ihrer im kommerziellen Bereich üblichen Bedeutung zu äußern. Im Wesentlichen beinhaltet der erste Begriff die Bereitschaft, die mit der Marke versehene Ware an einen einzelnen Dritten oder allgemein an Dritte zu liefern, und zwar unabhängig davon, ob das Angebot für den Anbieter von Anfang an rechtsverbindlich ist oder ob es sich um eine bloße Aufforderung zur Abgabe eines Angebots handelt. „Inverkehrbringen“ hingegen bezeichnet eine Tätigkeit, die – normalerweise durch Übertragung der Verfügungsmacht auf einen Dritten – zum Eintritt der Ware in den geschäftlichen Verkehr führt.


31      „Almacenarlos“, „stoccaggio“, „armazená-los“, „stocking“ bzw. „lagra“.


32      Vgl. Nrn. 35 ff. der vorliegenden Schlussanträge und die dazugehörigen Fußnoten.


33      Diese Situation ist daher mit der Situation eines Unternehmens vergleichbar, das Dosen, die mit einer eingetragenen Marke ähnlichen Zeichen versehen sind, befüllt hat (vgl. Urteil Frisdranken Industrie Winters, Rn. 33 und 34).


34      In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter von Amazon Services die Fragen der Kammer beantwortet und auf die internen Beziehungen zwischen dem Verkäufer und Amazon verwiesen, die sich in einem Standardvertrag und in der Erstellung eines „Verkäuferkontos“ widerspiegeln, über das der Verkäufer die Liste der Waren verwaltet und die von ihm gewünschten Amazon-Dienste auswählt.


35      Beschluss UDV North America (Rn. 49), in dem wiederum Rn. 60 des Urteils vom 16. November 2004, Anheuser-Busch (C‑245/02, EU:C:2004:717), zitiert wird.


36      Urteil L’Oréal (Rn. 94).


37      Amazon unterstützt die Verkäufer bei der Bewerbung ihrer Ware, indem sie sie unter bestimmten Bedingungen an einer bevorzugten Stelle unter den auf der Suchseite angezeigten Ergebnissen platziert.


38      In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter von Amazon Services betont, dass die Tätigkeiten von Amazon vom Verkauf selbst zu trennen seien. Von einem rein juristischen Standpunkt aus sei es der Verkäufer, der die Ware beschaffe, den Preis festlege und das Eigentum übertrage. Amazon würde die Ware nicht anbieten, sondern nur präsentieren. Dies sei jedoch nicht das, was für die Hauptfunktion der Marke von Bedeutung sei.


39      Im Umkehrschluss Urteile Google France und Google (Rn. 57) und Frisdranken Industrie Winters (Rn. 29).


40      Urteil Daimler (Rn. 39).


41      Es wäre Sache des vorlegenden Gerichts, dies zu überprüfen, sofern seine Verfahrensvorschriften es zulassen, dass es einen Sachverhalt zugrunde legt, der nicht vollständig mit dem vom vorlegenden Gericht dargestellten Sachverhalt übereinstimmt (vgl. Nr. 28 der vorliegenden Schlussanträge).


42      In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter der Regierung der Bundesrepublik Deutschland darauf hingewiesen, dass zwischen verschiedenartigen Geschäftsmodellen unterschieden und im Fall einer integrierten Struktur (wie bei Amazon) eine fiktive Aufteilung in die verschiedenen Vertriebsphasen abgelehnt werden müsse.


43      Beschluss UDV North America (Rn. 51).


44      Ebd. (Rn. 48).


45      42. Erwägungsgrund.


46      Urteile L’Oréal (Rn. 116) und Google Frankreich und Google (Rn. 114).


47      „Im Sinne dieser Richtlinie umfasst der Begriff ‚Rechte des geistigen Eigentums‘ auch die gewerblichen Schutzrechte.“


48      Vgl. Nr. 63 der vorliegenden Schlussanträge.


49      Urteil L’Oréal (Rn. 116 und 119).


50      Obwohl aufgrund der unterschiedlichen Situationen mit Bedacht vorgegangen werden sollte, kann auch die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. 2001, L 167, S. 10) herangezogen werden. In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof bei der Auslegung des Begriffs „öffentliche Wiedergabe“ ein subjektives Element (die Kenntnis) herangezogen. Konkret hat er hierbei Situationen angesprochen, in denen die Person, die ein Werk öffentlich zugänglich macht, wissen musste, dass der von ihr gesetzte Hyperlink Zugang zu einem rechtswidrig im Internet veröffentlichten Werk verschafft. Tatsächlich hat der Gerichtshof für den Fall,  dass der Hyperlink mit Gewinnerzielungsabsicht gesetzt wurde, eine widerlegliche Vermutung der Kenntnis festgelegt (vgl. Urteil vom 8. September 2016, GS Media, C‑160/15, EU:C:2016:644).


51      Logischerweise können sich die Unternehmen nicht auf ihre Unwissenheit berufen, wenn sie der Markeninhaber oder eine in seinem Namen handelnde Person vor der Verletzung gewarnt hat.


52      Diese Kontrolle beinhaltet natürlich, dass sie jederzeit in der Lage sein müssen, die Person zu identifizieren, die ihnen die in das „Versand durch Amazon“-Programm aufgenommene Ware zugeschickt hat. Dadurch ließe sich eine Situation wie die des Ausgangsverfahrens verhindern, in der Amazon Services nicht in der Lage war, den Ursprung von elf Stück des Parfums „Davidoff Hot Water EdT 60 ml“ zu bestimmen (Nr. 12 der vorliegenden Schlussanträge). In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter von Amazon vorgetragen, dass eine solche Situation außergewöhnlich und auf menschliches Versagen zurückzuführen sei.


53      So heißt es in dem Bericht der Amazon.com, Inc. an die US Securities and Exchange Commission (Börsenaufsichtsbehörde der Vereinigten Staaten) für 2018 zu den eingegangenen Risiken: „We also may be unable to prevent sellers in our stores or through other stores from selling unlawful, counterfeit, pirated, or stolen goods, selling goods in an unlawful or unethical manner, violating the proprietary rights of others, or otherwise violating our policies … To the extent any of this occurs, it could harm our business or damage our reputation and we could face civil or criminal liability for unlawful activities by our sellers.“ Zu erwähnen ist auch die Klausel 7 des Amazon Services Europe Business Solutions Agreement in seiner aktuellen Fassung (zuletzt geändert im August 2019), nach der Amazon gegenüber Dritten, seien es Inhaber von Rechten des geistigen Eigentums oder Käufer der Ware, unter den im Text genannten Bedingungen unmittelbar haftet. Auf diese beiden Dokumente wurde in der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.