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Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts Ravensburg (Deutschland) eingereicht am 24. Juli 2020 - QY gegen Bank 11 für Privatkunden und Handel GmbH

(Rechtssache C-336/20)

Verfahrenssprache: Deutsch

Vorlegendes Gericht

Landgericht Ravensburg

Parteien des Ausgangsverfahrens

Kläger: QY

Beklagte: Bank 11 für Privatkunden und Handel GmbH

Vorlagefragen:

Zur Gesetzlichkeitsfiktion gem. Art. 247 § 6 Absatz 2 Satz 3, § 12 Absatz 1 Satz 3 des Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB)

a) Sind Art. 247 § 6 Absatz 2 Satz 3 und Art. 247 § 12 Absatz 1 Satz 3 EGBGB, soweit sie den Vorgaben des Art. 10 Absatz 2 lit. p) der Richtlinie 2008/48/EG1 widersprechende Vertragsklauseln als den Anforderungen des Art. 247 § 6 Absatz 2 Sätze 1 und 2 EGBGB genügend und den in Art. 247 § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 Buchstabe b) EGBGB gestellten Anforderungen genügend erklären, unvereinbar mit Art. 10 Absatz 2 lit. p) und Art. 14 Absatz 1 der Richtlinie 2008/48?

Wenn ja:

b) Folgt aus dem Unionsrecht, insbesondere aus Art. 10 Absatz 2 lit. p) und Art. 14 Absatz 1 der Richtlinie 2008/48, dass Art. 247 § 6 Absatz 2 Satz 3 und Art. 247 § 12 Absatz 1 Satz 3 EGBGB nicht anwendbar sind, soweit sie den Vorgaben des Art. 10 Absatz 2 lit. p) der Richtlinie 2008/48 widersprechende Vertragsklauseln als den Anforderungen des Art. 247 § 6 Absatz 2 Sätze 1 und 2 EGBGB genügend und den in Art. 247 § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 Buchstabe b) EGBGB gestellten Anforderungen genügend erklären?

Wenn die Frage 1. b) nicht bejaht wird:

2.    Zu den Pflichtangaben gem. Art. 10 Absatz 2 RL 2008/48/EG

a) Ist Art. 10 Absatz 2 lit. a) der Richtlinie 2008/48/ dahin auszulegen, dass bei der Art des Kredits gegebenenfalls anzugeben ist, dass es sich um einen verbundenen Kreditvertrag handelt?

Wenn nein:

b) Ist Art. 10 Absatz 2 lit. l) der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen, dass der bei Abschluss des Kreditvertrages geltende Verzugszinssatz als absolute Zahl mitzuteilen ist, zumindest aber der geltende Referenzzinssatz (vorliegend der Basiszinssatz gem. § 247 BGB), aus dem sich der geltende Verzugszinssatz durch einen Zuschlag (vorliegend von fünf Prozentpunkten gem. § 288 Absatz 1 Satz 2 BGB) ermittelt, als absolute Zahl anzugeben ist?

Wenn nein:

c) Ist Art. 10 Absatz 2 lit. t) der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen, dass im Text des Kreditvertrages die wesentlichen formalen Voraussetzungen für den Zugang zum außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren mitgeteilt werden müssen?

Wenn eine der vorstehenden Fragen 2. a) bis c) bejaht wird?

d) Ist Art. 14 Absatz 1 Satz 2 lit. b) der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen, dass die Widerrufsfrist nur dann beginnt, wenn die Informationen gem. Art. 10 Absatz 2 dieser Richtlinie vollständig und inhaltlich richtig erteilt wurden, ohne dass es darauf ankommt, ob das Fehlen oder die Unrichtigkeit einer Information geeignet ist, die Möglichkeit des Verbrauchers zu beeinträchtigen, den Umfang seiner Verpflichtung einzuschätzen?

Wenn die vorstehenden Fragen 1. a) und/oder eine der Fragen 2. a) bis c) bejaht werden:

3.    Zur Verwirkung des Widerrufsrechts gemäß Art. 14 Absatz 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/48:

a) Unterliegt das Widerrufsrecht gemäß Art. 14 Absatz 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/48 der Verwirkung?

Wenn ja:

b) Handelt es sich bei der Verwirkung um eine zeitliche Begrenzung des Widerrufsrechts, die in einem Parlamentsgesetz geregelt sein muss?

Wenn nein:

c) Setzt der Einwand der Verwirkung in subjektiver Hinsicht voraus, dass der Verbraucher von dem Fortbestehen seines Widerrufsrechts Kenntnis hatte oder zumindest seine Unkenntnis im Sinne grober Fahrlässigkeit zu vertreten hat?

Wenn nein:

d) Steht die Möglichkeit des Kreditgebers, dem Kreditnehmer nachträglich die Informationen gem. Art. 14 Absatz 1 Satz 2 lit. b) der Richtlinie 2008/48 zu erteilen und damit den Lauf der Widerrufsfrist auszulösen, der Anwendung der Verwirkungsregeln nach Treu und Glauben entgegen?

Wenn nein:

e) Ist dies vereinbar mit den feststehenden Grundsätzen, an die der deutsche Richter nach dem Grundgesetz gebunden ist, und wenn ja, wie hat der deutsche Rechtsanwender einen Konflikt zwischen bindenden Vorgaben des Völkerrechts und den Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union aufzulösen?

Unabhängig von der Beantwortung der vorstehenden Fragen 1. bis 3.:

4.    Zum Vorlagerecht eines Einzelrichters gem. Art. 267 Absatz 2 AEUV

Ist § 348a Absatz 2 Nr. 1 der Zivilprozessordnung, soweit diese Regelung sich auch auf den Erlass von Vorlagebeschlüssen gem. Art. 267 Absatz 2 AEUV bezieht, unvereinbar mit der Vorlagebefugnis der nationalen Gerichte gem. Art. 267 Absatz 2 AEUV, und daher auf den Erlass von Vorlagebeschlüssen nicht anzuwenden?

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1 Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl. 2008, L 133, S. 66).