Language of document : ECLI:EU:C:2016:220

Rechtssache C‑284/15

Office national de l’emploi (ONEm)

gegen

M.

und

M.

gegen

Office national de l’emploi (ONEm)

und

Caisse auxiliaire de paiement des allocations de chômage (CAPAC)

(Vorabentscheidungsersuchen der Cour du travail de Bruxelles)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Art. 45 und 48 AEUV – Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Art. 15 Abs. 2 – Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 – Art. 67 Abs. 3 – Soziale Sicherheit – Arbeitslosengeld zur Ergänzung des Einkommens aus einer Teilzeitbeschäftigung – Gewährung dieser Leistung – Zurücklegung von Beschäftigungszeiten – Zusammenrechnung der Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten – Berücksichtigung von nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegten Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten“

Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Sechste Kammer) vom 7. April 2016

1.        Soziale Sicherheit – Wanderarbeitnehmer – Gleichbehandlung – Unanwendbarkeit auf die durch die besonderen Bestimmungen der Verordnung Nr. 1408/71 geregelten Leistungen bei Arbeitslosigkeit

(Verordnung Nr. 1408/71 des Rates, Art. 3 und 67)

2.        Soziale Sicherheit – Wanderarbeitnehmer – Arbeitslosigkeit – Zusammenrechnung der Beschäftigungs- oder Versicherungszeiten – Berücksichtigung von nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegten Versicherungszeiten – Voraussetzungen – Versicherungszeiten, die zuletzt in dem Mitgliedstaat zurückgelegt wurden, in dem die Leistungen beantragt werden – Ablehnung dieser Zusammenrechnung, die für die Bewilligung von Arbeitslosengeld zur Ergänzung des Einkommens aus einer Teilzeitbeschäftigung erforderlich ist, mangels Versicherungs- oder Beschäftigungszeit in diesem Mitgliedstaat – Zulässigkeit

(Verordnung Nr. 1408/71 des Rates, Art. 67 Abs. 3)

3.        Soziale Sicherheit – Wanderarbeitnehmer – Arbeitslosigkeit – Zusammenrechnung der Beschäftigungs- oder Versicherungszeiten – Gültigkeit von Art. 67 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1408/71 im Hinblick auf die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und die Freiheit zu arbeiten

(Art. 45 AEUV und 48 AEUV; Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 15 Abs. 2; Verordnung Nr. 1408/71, Art. 67 Abs. 3)

1.        Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 28)

2.        Art. 67 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu‑ und abwandern, in der durch die Verordnung Nr. 118/97 geänderten und aktualisierten Fassung, geändert durch die Verordnung Nr. 592/2008, ist dahin auszulegen, dass er einen Mitgliedstaat nicht daran hindert, die Zusammenrechnung von Beschäftigungszeiten abzulehnen, die für die Bewilligung von Arbeitslosengeld zur Ergänzung des Einkommens aus einer Teilzeitbeschäftigung erforderlich ist, wenn dieser Teilzeitbeschäftigung keine Versicherungs‑ oder Beschäftigungszeit in diesem Mitgliedstaat vorausgegangen ist.

(vgl. Rn. 29, Tenor 1)

3.        Es gibt nichts, was die Gültigkeit von Art. 67 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu‑ und abwandern, in der durch die Verordnung Nr. 118/97 geänderten und aktualisierten Fassung, zuletzt geändert durch die Verordnung Nr. 592/2008, beeinträchtigen könnte.

Insoweit untersagt erstens Art. 48 AEUV dem Unionsgesetzgeber nicht, die zur Verwirklichung der durch Art. 45 AEUV gewährleisteten Freizügigkeit der Arbeitnehmer eingeräumten Vergünstigungen von Voraussetzungen abhängig zu machen und ihre Grenzen festzulegen, und hat zweitens der Rat der Europäischen Union mit der Festlegung von Voraussetzungen, insbesondere in Art. 67 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1408/71, die zum Ziel haben, die Arbeitsuche in dem Mitgliedstaat zu fördern, in dem der Betreffende unmittelbar zuvor Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gezahlt hat, und diesen Staat die Leistungen bei Arbeitslosigkeit tragen zu lassen, von seinem Ermessensspielraum in zulässiger Weise Gebrauch gemacht.

Zudem sieht Art. 52 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vor, dass die Ausübung der durch diese anerkannten Rechte, die in den Verträgen geregelt sind, im Rahmen der darin festgelegten Bedingungen und Grenzen erfolgt. Dies trifft auf Art. 15 Abs. 2 der Charta zu, der, wie in den Erläuterungen zur Charta zu dieser Vorschrift bestätigt wird, u. a die durch Art. 45 AEUV verbürgte Arbeitnehmerfreizügigkeit wieder aufnimmt.

(vgl. Rn. 31, 33, 35, Tenor 2)