URTEIL DES GERICHTS (Vierte Kammer)
14. Oktober 1999 (1)
„Transparenz Zugang zur Information Beschluß 94/90/EGKS, EG, Euratom
der Kommission über den Zugang der Öffentlichkeit zu den der Kommission
vorliegenden Dokumenten Tragweite der Ausnahme zum Schutz des
öffentlichen Interesses Entwurf einer mit Gründen versehenen Stellungnahme
gemäß Artikel 169 EG-Vertrag (jetzt Artikel 226 EG)“
In der Rechtssache T-309/97
The Bavarian Lager Company Ltd, Gesellschaft englischen Rechts mit Sitz in
Lancashire (Vereinigtes Königreich), Prozeßbevollmächtigter: Stephen Hornsby,
Solicitor, Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts André Marc, 36-58, rue
Charles Martel, Luxemburg,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Carmel O'Reilly,
Ulrich Wölker und, in der mündlichen Verhandlung, Xavier Lewis, Juristischer
Dienst, als Bevollmächtigte, Zustellungsbevollmächtigter: Carlos Gómez de la Cruz,
Juristischer Dienst, Centre Wagner, Kirchberg, Luxemburg,
unterstützt durch
Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland , vertreten durch John
Collins und, in der mündlichen Verhandlung, Jessica Simor, Treasury Solicitor's
Department, als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift: Botschaft des Vereinigten
Königreichs, 14, boulevard Roosevelt, Luxemburg,
wegen Nichtigerklärung einer Entscheidung der Kommission vom 18. September
1997, mit der der Klägerin Einsicht in den Entwurf der Kommission für eine mit
Gründen versehene Stellungnahme gemäß Artikel 169 EG-Vertrag (jetzt Artikel
226 EG) verweigert wurde,
erläßt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten R. M. Moura Ramos, der Richterin V. Tiili und
des Richters P. Mengozzi,
Kanzler: B. Pastor, Hauptverwaltungsrätin
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 25.
Februar 1999,
folgendes
Urteil
Rechtslage
- 1.
- Die Mitgliedstaaten nahmen in die am 7. Februar 1992 in Maastricht
unterzeichnete Schlußakte des Vertrages über die Europäische Union folgende
Erklärung (Nr. 17) zum Recht auf Zugang zu Informationen auf:
„Die Konferenz ist der Auffassung, daß die Transparenz des Beschlußverfahrens
den demokratischen Charakter der Organe und das Vertrauen der Öffentlichkeit
in die Verwaltung stärkt. Die Konferenz empfiehlt daher, daß die Kommission dem
Rat spätestens 1993 einen Bericht über Maßnahmen vorlegt, mit denen die den
Organen vorliegenden Informationen der Öffentlichkeit besser zugänglich gemacht
werden sollen.“
- 2.
- Am 2. Juni 1993 legte die Kommission die Mitteilung 93/C 166/04 über die
Transparenz in der Gemeinschaft vor (ABl. C 166, S. 4), in denen sie Grundsätze
für den Zugang zu Dokumenten darlegte.
- 3.
- Am 6. Dezember 1993 verabschiedeten der Rat und die Kommission einen
Verhaltenskodex für den Zugang der Öffentlichkeit zu Rats- und
Kommissionsdokumenten (ABl. L 340, S. 41; im folgenden: Verhaltenskodex) und
verpflichteten sich, vor dem 1. Januar 1994 die erforderlichen Maßnahmen zur
Durchführung der im Kodex festgelegten Grundsätze zu ergreifen.
- 4.
- Um dieser Verpflichtung nachzukommen, erließ die Kommission am 8. Februar
1994 den Beschluß 94/90/EGKS, EG, Euratom über den Zugang der Öffentlichkeit
zu den der Kommission vorliegenden Dokumenten (ABl. L 46, S. 58). Gemäß
Artikel 1 dieses Beschlusses gilt der in seinem Anhang wiedergegebene
Verhaltenskodex als angenommen.
- 5.
- Der Verhaltenskodex statuiert folgenden allgemeinen Grundsatz:
„Die Öffentlichkeit erhält möglichst umfassenden Zugang zu den Dokumenten der
Kommission und des Rates. Der Ausdruck .Dokument' bezeichnet unabhängig
vom Datenträger jedes im Besitz der Kommission oder des Rates befindliche
Schriftstück mit bereits vorhandenen Informationen.“
- 6.
- Der Verhaltenskodex regelt zunächst, wie Anträge auf Zugang zu Dokumenten
einzureichen und zu bearbeiten sind, und beschreibt sodann das Verfahren der
Ablehnung eines solchen Antrags:
„Beabsichtigen die zuständigen Dienststellen des betreffenden Organs, diesem die
Ablehnung des Antrags vorzuschlagen, so setzen sie den Antragsteller davon in
Kenntnis und weisen ihn darauf hin, daß er das Organ binnen eines Monats durch
Einreichung eines Zweitantrags um Überprüfung dieses Standpunkts ersuchen kann
und daß anderenfalls davon ausgegangen wird, daß er seinen Erstantrag
zurückgezogen hat.
Beschließt das betreffende Organ, den Zugang zu einem Dokument nach einem
Zweitantrag zu verweigern, so ist dieser Beschluß, der binnen eines Monats nach
Einreichung des Zweitantrags ergehen muß, dem Antragsteller so bald wie möglich
schriftlich mitzuteilen; er ist ordnungsgemäß zu begründen und muß eine Angabe
der möglichen Rechtsmittel enthalten: Klageerhebung bzw. Beschwerde beim
Bürgerbeauftragten gemäß Artikel 173 [nach Änderung jetzt Artikel 230 EG] bzw.
138e [jetzt Artikel 195 EG] des Vertrages zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaft.“
- 7.
- Der Verhaltenskodex legt weiter fest, aus welchen Gründen ein
Gemeinschaftsorgan einen Antrag auf Zugang zu Dokumenten ablehnen darf:
„Die Organe verweigern den Zugang zu Dokumenten, wenn sich durch deren
Verbreitung eine Beeinträchtigung ergeben könnte in bezug auf
den Schutz des öffentlichen Interesses (öffentliche Sicherheit, internationale
Beziehungen, Währungsstabilität, Rechtspflege, Inspektionstätigkeiten);
den Schutz des einzelnen und der Privatsphäre;
den Schutz des Geschäfts- und Industriegeheimnisses;
den Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft;
die Wahrung der Vertraulichkeit, wenn dies von der natürlichen oder
juristischen Person, die die Information zur Verfügung gestellt hat,
beantragt wurde oder aufgrund der Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats,
der die Information bereitgestellt hat, erforderlich ist.
Die Organe können ferner den Zugang verweigern, um den Schutz des Interesses
des Organs in bezug auf die Geheimhaltung seiner Beratungen zu gewährleisten.“
- 8.
- In ihrer am 4. März 1994 veröffentlichten Mitteilung 94/C 67/03 über die
Verbesserung des Zugangs zu den Dokumenten (ABl. C 67, S. 5) hat die
Kommission im einzelnen erläutert, wie der Beschluß 94/90 durchgeführt wird.
Nach dieser Mitteilung „kann ... jedermann die Einsicht in ein unveröffentlichtes
Kommissionsdokument einschließlich der vorbereitenden Dokumente und sonstiger
Materialien beantragen“. Zu den im Verhaltenskodex vorgesehenen Ausnahmen
heißt es in der Mitteilung: „Die Kommission kann der Auffassung sein, daß der
Zugang zu einem Dokument verweigert werden muß, da seine Weitergabe
öffentliche und private Interessen schädigen und die Arbeit des Organs
beeinträchtigen könnte ... Es gibt keine automatische Ablehnung. Jeder Antrag wird
einzeln geprüft.“
Sachverhalt
- 9.
- Die klagende Gesellschaft wurde am 28. Mai 1992 gegründet, um in das Vereinigte
Königreich deutsches Bier zu importieren, das für den dortigen Verbrauch in
Gaststätten, und zwar hauptsächlich in Nordengland, bestimmt ist.
- 10.
- Die Klägerin war jedoch am Absatz ihres Erzeugnisses dadurch gehindert, daß im
Vereinigten Königreich viele Gastwirte durch Bierlieferungsverträge gebunden sind,
die sie zum ausschließlichen Bierbezug von einer bestimmten Brauerei verpflichten.
- 11.
- Nach der britischen Bierlieferungsverordnung (Supply of Beer [Tied Estate] Order
1989 SI 1989/2390) müssen jedoch britische Brauereien mit Lieferungsrechten für
mehr als 2 000 Gaststätten es deren Betreibern gestatten, auch von einer anderen
Brauerei Bier zu beziehen, allerdings gemäß Artikel 7 (2) (a) der Verordnung
nur Faßbier mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Vol.-%. Diese Regelung
wird allgemein als „Guest Beer Provision“ (im folgenden: GBP) bezeichnet.
- 12.
- Als „Faßbier“ gilt gemäß Artikel 7 (3) der Verordnung Bier, „das in dem Behältnis,
dem es zum Verzehr entnommen wird, weiter gärt“. Die meisten außerhalb des
Vereinigten Königreichs erzeugten Biere werden jedoch vor Ende des
Brauvorgangs gefiltert und gären deshalb nach Abfüllung in Fässer nicht weiter. Sie
sind deshalb kein „Faßbier“ im Sinne der GBP und fallen somit nicht unter diese
Regelung.
- 13.
- Da die Klägerin die GBP für eine mit Artikel 30 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt
Artikel 28 EG) unvereinbare Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine
mengenmäßige Einfuhrbeschränkung erachtete, erhob sie mit Schreiben vom 3.
April 1993 eine Beschwerde bei der Kommission.
- 14.
- Nach Untersuchung des Sachverhalts beschloß die Kommission am 12. April 1995,
gegen das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland ein Verfahren
gemäß Artikel 169 EG-Vertrag (jetzt Artikel 226 EG) einzuleiten. Sie teilte der
Klägerin am 28. September 1995 mit, daß sie den Fall untersucht und dem
Vereinigten Königreich am 15. September 1995 ein Mahnschreiben übermittelt
habe. Am 26. Juni 1996 beschloß die Kommission, an das Vereinigte Königreich
eine mit Gründen versehene Stellungnahme zu richten; diesen Beschluß gab sie am
5. August 1996 in einer Pressemitteilung bekannt.
- 15.
- Am 15. März 1997 kündigte der Minister für Handel und Industrie des Vereinigten
Königreichs ein Vorhaben zur Änderung der GBP an, wonach neben Faßbier
künftig auch Flaschenbier einer anderen Brauerei verkauft werden könne. Die
Kommission setzte ihre Entscheidung, eine mit Gründen versehene Stellungnahme
an das Vereinigte Königreich zu richten, zweimal, am 19. März und am 26. Juni
1997, aus. Ihr zuständiger Referatsleiter (der Leiter des Referats II „Anwendung
der Artikel 30 bis 36 EWG-Vertrag [Notifizierung, Beschwerde, Verstöße usw.] und
Beseitigung der Handelshemmnisse“ der Direktion B „Freier Warenverkehr und
öffentliches Auftragswesen“ der Generaldirektion Binnenmarkt und
Finanzdienstleistungen [GD XV]) teilte der Klägerin mit Schreiben vom 21. April
1997 dementsprechend mit, daß das Verfahren gemäß Artikel 169 EG-Vertrag
wegen der geplanten Änderung der GBP ausgesetzt und die mit Gründen
versehene Stellungnahme der Regierung des Vereinigten Königreichs nicht
übermittelt worden sei; das Verfahren werde eingestellt, sobald die Änderung in
Kraft trete. Die neue Fassung der GBP wurde am 22. August 1997 zu geltendem
Recht. Demgemäß wurde die mit Gründen versehene Stellungnahme dem
Vereinigten Königreich nie übersandt und das Vertragsverletzungsverfahren mit
Beschluß der Kommission vom 10. Dezember 1997 endgültig eingestellt.
- 16.
- Mit Telefax vom 21. März 1997 ersuchte der Vertreter der Klägerin den
Generaldirektor der GD XV, ihm gemäß dem Verhaltenskodex die „mit Gründen
versehene Stellungnahme“ in Kopie zu übermitteln. Mit Schreiben vom 16. Mai
1997 lehnte der Generaldirektor, Herr Mogg, diesen Antrag mit der Begründung
ab, nach einer internen Regelung werde eine mit Gründen versehene
Stellungnahme der Kommission vertraulich behandelt, sofern nicht die Kommission
im Einzelfall ihre Veröffentlichung beschließe.
- 17.
- Mit Schreiben vom 27. Mai 1997 wiederholte der Vertreter der Klägerin seinen
Antrag unter Hinweis auf das Urteil des Gerichts vom 19. Oktober 1995 in der
Rechtssache T-194/94, Carvel und Guardian Newspapers/Rat (Slg. 1995, II-2765),
und den Grundsatz der ordnungsmäßigen Verwaltung. Mit Schreiben vom 9. Juli
1997 lehnte Generaldirektor Mogg den Antrag erneut ab, wobei er sich nun auf
den Verhaltenskodex und die Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses
stützte. Er führte aus, die Mitteilung des Schriftstücks könne
einer geordneten Rechtspflege und insbesondere der Durchführung des
Gemeinschaftsrechts abträglich sein;
die Beilegung gemeinschaftsrechtlicher Verstöße gefährden;
das Klima gegenseitigen Vertrauens beeinträchtigen, das zwischen der
Kommission und einem Mitgliedstaat bestehen müsse, um im Wege eines
eingehenden und offenen Meinungsaustauschs die Einhaltung der
Vertragspflichten durch diesen Staat sichern zu können.
- 18.
- Die Klägerin, der diese Begründung nicht tragfähig erschien, stellte daraufhin mit
Schreiben ihres Vertreters vom 7. August 1997 beim Generalsekretär der
Kommission den im Verhaltenskodex vorgesehenen Zweitantrag.
- 19.
- Mit Schreiben vom 18. September 1997 (im folgenden: streitige Entscheidung)
bestätigte der Generalsekretär der Kommission die Ablehnung des bei der GD XV
gestellten Antrags und die dafür gegebene Begründung wie folgt:
„Nach Prüfung Ihres Antrags muß ich die Weigerung von Herrn Mogg bestätigen,
Ihnen Einsicht in das fragliche Schriftstück zu gewähren, da seine Offenlegung den
Schutz des öffentlichen Interesses und insbesondere die Wahrnehmung der
Inspektions- und Untersuchungsaufgaben der Kommission beeinträchtigen könnte.
Diese Ausnahme ist in dem von der Kommission am 8. Februar 1994
verabschiedeten Verhaltenskodex für den Zugang der Öffentlichkeit zu
Kommissions- und Ratsdokumenten ausdrücklich vorgesehen.
Wie Ihnen Herr Mogg mit Schreiben vom 9. Juli 1997 bereits erläutert hat, ist es
von wesentlicher Bedeutung, daß die Kommission als Hüterin der Verträge in ihrer
Zuständigkeit liegende Sachverhalte unter Wahrung der Vertraulichkeit des
Verfahrens untersuchen kann. In Vertragsverletzungsverfahren sind eine offene
Zusammenarbeit und ein Klima gegenseitigen Vertrauens zwischen der Kommission
und dem betroffenen Mitgliedstaat unerläßlich, um eine Streitigkeit im Wege von
Verhandlungen und der Kompromißsuche frühzeitig beilegen zu können.
Das Gericht erster Instanz hat in der Rechtssache T-105/95 (WWF/Kommission)
bereits entschieden, .daß es die Vertraulichkeit, die die Mitgliedstaaten in solchen
Situationen von der Kommission erwarten dürfen, im Hinblick auf den Schutz des
öffentlichen Interesses [rechtfertigt], daß der Zugang zu den Dokumenten in bezug
auf solche Untersuchungen verweigert wird, die zu einem
Vertragsverletzungsverfahren führen könnten, auch wenn seit dem Abschluß dieser
Untersuchungen einige Zeit verstrichen ist' (Randnr. 63).
Ich weise weiter darauf hin, daß die Untersuchung einer etwaigen
Vertragsverletzung weiter anhängig ist, da die Kommission beschlossen hat, die
Versendung einer mit Gründen versehenen Stellungnahme an die britischen
Behörden bis auf weiteres zu verschieben.
Anders als die fakultative Ausnahme zum Schutz des Interesses der Kommission
an der Vertraulichkeit ihrer Beratungen setzt die zwingende Ausnahme zum Schutz
des öffentlichen Interesses auch keine Interessenabwägung voraus. Wie das Gericht
in der Randnummer 58 des genannten Urteils ausgeführt hat, .ist die Kommission
verpflichtet, den Zugang zu den Dokumenten zu verweigern, die nachweislich unter
eine der Ausnahmen dieser ersten Gruppe fallen'.“
Verfahren und Anträge der Beteiligten
- 20.
- Die Klägerin hat daraufhin mit Klageschrift, die am 9. Dezember 1997 bei der
Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.
- 21.
- Mit Schriftsatz, der am 25. Mai 1998 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist,
hat das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland beantragt, zur
Unterstützung der Anträge der Beklagten als Streithelfer zugelassen zu werden. Mit
Beschluß vom 7. Juli 1998 hat der Präsident der Dritten Kammer des Gerichts dem
Antrag stattgegeben.
- 22.
- Da die Klägerin keine Erwiderung eingereicht und der Streithelfer auf die
Einreichung eines Streithilfeschriftsatzes verzichtet hat, wurde das schriftliche
Verfahren am 9. September 1998 abgeschlossen.
- 23.
- Die Klägerin beantragt,
die in den Schreiben vom 16. Mai 1997, 9. Juli 1997 und 18. September
1997 enthaltene Entscheidung der Kommission, die Einsicht in ihre nach
einer Untersuchung über die Anwendung des Artikels 7 (3) der Supply of
Beer (Tied Estates) Order 1989 SI 1989/2390 gefertigte „mit Gründen
versehene Stellungnahme“ zu verweigern, aufzuheben;
der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
- 24.
- Die Beklagte beantragt,
die Klage, soweit sie sich auf eine Entscheidung vom 16. Mai 1997 und 9.
Juli 1997 bezieht, für unzulässig zu erklären;
die Klage im übrigen abzuweisen;
der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
- 25.
- Die Regierung des als Streithelfer beteiligten Vereinigten Königreichs
Großbritannien und Nordirland schließt sich den Anträgen der Kommission an.
- 26.
- In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ihren Antrag auf Nichtigerklärung
einer in den Schreiben vom 16. Mai und 9. Juli 1997 enthaltenen Entscheidung der
Kommission zurückgenommen.
Zur Begründetheit
Zum einzigen Klagegrund: Verstoß gegen den Beschluß 94/90
Vorbringen der Parteien
- 27.
- Die Klägerin beruft sich auf das Urteil vom 5. März 1997 in der Rechtssache
T-105/95 (WWF UK/Kommission, Slg. 1997, II-313; im folgenden: Urteil WWF),
in dem das Gericht festgestellt habe, daß der Beschluß 94/90 die Antwort der
Kommission auf die Forderungen des Europäischen Rates darstelle, dem in den
Rechtsvorschriften der meisten Mitgliedstaaten anerkannten Recht der Bürger auf
Zugang zu den im Besitz der Behörden befindlichen Dokumente auch auf
Gemeinschaftsebene Geltung zu verschaffen. Sie bezieht sich weiter auf die
Randnummern 34 bis 37 des Urteils des Gerichtshofes in der Rechtssache C-58/94
(Niederlande/Rat, Slg. 1996, I-2169), und die Schlußanträge des Generalanwalts
Tesauro in dieser Rechtssache (Nrn. 14 bis 16). Bei richtiger Auslegung seien der
Verhaltenskodex und das Urteil WWF wie folgt zu verstehen:
Es bestehe ein Recht auf Zugang zu Dokumenten; der Antragsteller
brauche für seinen Antrag kein berechtigtes Interesse geltend zu machen.
Die Transparenz sei Selbstzweck. Die Kommission dürfe die Einsichtnahme
in ein Schriftstück gemäß der zwingenden Ausnahme zum Schutz des
öffentlichen Interesses nur ablehnen, wenn sie nachweise, daß die
Einsichtnahme das öffentliche Interesse wirklich „beeinträchtigen“ könne.
Das öffentliche Interesse sei nur „beeinträchtigt“, wenn feststehe, daß die
Offenlegung des Schriftstücks einem Dritten oder der Allgemeinheit einen
erheblichen Schaden zuzufügen drohe; die Ausnahme zum Schutz des
öffentlichen Interesses solle hingegen nicht die Interessen der Kommission
schützen.
Der Verhaltenskodex berechtige die Kommission nicht dazu, ganze
Kategorien von Schriftstücken von der Einsichtnahme auszuschließen oder
interne Regelungen zu erlassen, wonach bestimmte Kategorien von
Dokumenten per se vertraulich seien. Vielmehr sei jeder Antrag anhand der
Bestimmungen des Verhaltenskodex zu prüfen.
- 28.
- Der Begriff des öffentlichen Interesses, von dem die Kommission in ihrem
Schreiben vom 9. Juli 1997 ausgehe, sei in zweierlei Hinsicht verfehlt. Erstens
bestehe vorrangig ein öffentliches Interesse an einer ordnungsmäßigen Verwaltung.
Als Hüterin des Vertrages müsse die Kommission ihre Aufgaben wirksam und im
Interesse der Gemeinschaft wahrnehmen, und dies müsse für die Völker Europas
auch sichtbar werden. Im Fall der GBP habe es zumindest den Anschein, daß die
Kommission nicht dafür gesorgt habe, daß das Vereinigte Königreich seine
Pflichten aus dem EG-Vertrag einhalte. Das öffentliche Interesse gebiete eine
Offenlegung der mit Gründen versehenen Stellungnahme in der ursprünglichen, die
offizielle Position der Kommission zur gemeinschaftsrechtlichen Zulässigkeit der
GBP wiedergebenden Fassung, denn nur so könne eine völlige Transparenz des
Entscheidungsprozesses und damit Vertrauen in das Handeln der Kommission
hergestellt werden.
- 29.
- Zweitens könne sich die Kommission hier nicht darauf berufen, daß das Vereinigte
Königreich als ein Mitgliedstaat, dem ein Vertragsverletzungsverfahren drohe,
Anspruch auf Vertraulichkeit habe, denn in ihrem Schreiben vom 16. Mai 1997
habe sie klargestellt, daß das Vertragsverletzungsverfahren gleich nach dem zum
22. August 1997 auch eingetretenen Wirksamwerden der geänderten GDP
eingestellt werden würde. Nach dem Urteil WWF (Randnr. 63) jedoch dürften die
Mitgliedstaaten von der Kommission die Wahrung der Vertraulichkeit dann
erwarten, wenn gegen sie eine Untersuchung anhängig sei, die erst noch zu einem
Vertragsverletzungsverfahren führen könne. Das Erfordernis der Vertraulichkeit
könne also nur dann geltend gemacht werden, wenn ein
Vertragsverletzungsverfahren erst in Aussicht genommen, aber nicht, wenn es schon
eingestellt sei.
- 30.
- Die Kommission widerspricht der klägerischen Auffassung, daß die Ausnahme zum
Schutz des öffentlichen Interesses hier nicht eingreife. Zwar obliege ihr, wenn sie
aufgrund dieser Ausnahme die Einsichtnahme in Dokumente verweigern wolle,
nach der Rechtsprechung und insbesondere dem Urteil WWF die Beweislast dafür,
daß die Ausnahme rechtfertigende Umstände vorlägen (Urteile in den
Rechtssachen Carvel und Guardian Newspapers/Rat, Randnr. 64, und WWF,
Randnr. 58) und daß sich die fraglichen Dokumente auch auf diese Umstände
bezögen (Urteil WWF, Randnr. 64). Andererseits sei zu berücksichtigen, daß der
Verhaltenskodex verschiedene Aspekte des öffentlichen Interesses, die öffentliche
Sicherheit, die internationalen Beziehungen, die Währungsstabilität, die
Rechtspflege und Inspektionstätigkeiten eigens nenne und für diesbezügliche
Schriftstücke somit eine Vermutung bestehe, daß ihre Offenlegung das öffentliche
Interesse beeinträchtigen würde. Das Gericht habe im Urteil WWF auch
ausdrücklich festgestellt, daß Dokumente, die sich auf Untersuchungen mit der
möglichen Folge eines Vertragsverletzungsverfahrens bezögen, unter den Schutz
des öffentlichen Interesses und insbesondere in den Bereich der
Inspektionstätigkeiten fielen (Randnr. 63).
- 31.
- Zu dem Zeitpunkt, zu dem die Klägerin eine Kopie der mit Gründen versehenen
Stellungnahme erbeten habe, sei die Untersuchung wegen einer möglichen
Verletzung des Gemeinschaftsrechts anhängig gewesen. Es handele sich seinem
Wesen nach auch um ein Schriftstück, das mit dem Vertragsverletzungsverfahren
„zusammenhänge“ und damit unter die Ausnahme zum Schutz des öffentlichen
Interesses falle. Die Kommission habe somit nicht ganze Kategorien von
Schriftstücken von der Einsichtnahme ausgeschlossen, sondern wegen seines
Charakters nur dieses Dokument.
- 32.
- Die fragliche Ausnahme greife hier ein, da die Mitgliedstaaten bei der
Untersuchung eines möglichen Verstoßes gegen Gemeinschaftsrecht von der
Kommission Vertraulichkeit erwarten dürften; dieser Anspruch auf Vertraulichkeit
folge nach dem Urteil WWF aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes. Die
Einhaltung des Gemeinschaftsrechts durch die Mitgliedstaaten solle im Verfahren
gemäß Artikel 169 EG-Vertrag zunächst durch Verhandlungen mit dem
betroffenen Staat in Form eines offenen Dialogs gesichert werden. Das Interesse
der Mitgliedstaaten als auch das an der Untersuchung selbst gebiete es, daß dieser
Dialog nicht im Rampenlicht der Öffentlichkeit stattfinde, sondern den
Mitgliedstaaten die Option eines vertraulich geschlossenen Kompromisses
offenstehe.
- 33.
- Die Klägerin lege auch das Urteil WWF und den Verhaltenskodex falsch aus. Dem
Urteil lasse sich nicht entnehmen, daß nur dann Vertraulichkeit beansprucht
werden könne, wenn ein Vertragsverletzungsverfahren erst in Aussicht genommen
sei. Was den Verhaltenskodex angehe, so mache er vom allgemeinen Grundsatz des
Zugangs der Bürger zu Kommissionsdokumenten Ausnahmen zweierlei Art. Falle
ein Dokument unter eine zwingende Ausnahme, darunter die zum Schutz des
öffentlichen Interesses, so müsse die Kommission die Einsichtnahme versagen; falle
ein Schriftstück unter eine nur fakultative Ausnahme, so habe sie Ermessen. Bei
der Ausübung dieses Ermessens habe sie das Interesse des Bürgers an der
Einsichtnahme in das fragliche Dokument gegen das etwaige Interesse der
Kommission an der Wahrung der Vertraulichkeit ihrer Beratungen abzuwägen. Es
stimme zwar, daß die Klägerin kein eigenes Interesse an der begehrten
Einsichtnahme nachzuweisen brauche, aber sie könne weder geltend machen, daß
vorrangig ein öffentliches Interesse an einer ordnungsmäßigen Verwaltung bestehe,
noch sich auf ihr besonderes geschäftliches Interesse berufen, denn im vorliegenden
Fall sei überhaupt keine Interessenabwägung erforderlich. Die Ordnungsmäßigkeit
der Verwaltung werde gerade dadurch gewährleistet, daß die Ausnahme zum
Schutz des öffentlichen Interesses angewendet werde, wenn ihre Voraussetzungen
festgestellt seien.
- 34.
- In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission ihr Vorbringen dahin
präzisiert, daß das hier zu schützende öffentliche Interesse das an dem
ordnungsmäßigen Funktionieren der Gemeinschaft sei. Das Verfahren gemäß
Artikel 169 EG-Vertrag könne seinen Zweck nur erfüllen, wenn die Mitgliedstaaten
sicher sein könnten, daß das Mahnschreiben und die mit Gründen versehene
Stellungnahme nur dem Gerichtshof offenbart würden. Sei die Vertraulichkeit nicht
gegeben, so schränke dies den Spielraum für die sachliche Erörterung und
einvernehmliche Beilegung von Streitigkeiten ein, was die Zahl gerichtlicher
Verfahren erhöhen würde. Derzeit werde der Gerichtshof mit weniger als 10 % der
Verfahren befaßt, die die Kommission gemäß Artikel 169 EG-Vertrag einleite. Eine
Veröffentlichung der mit Gründen versehenen Stellungnahme, möglicherweise sogar
nach Beendigung eines Vertragsverletzungsverfahrens, widerspräche dem Interesse
aller Gemeinschaftsbürger an einer effizienten Arbeitsweise der
Gemeinschaftsorgane und geordneten Rechtspflege in der gesamten Union.
- 35.
- Die Regierung des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland schließt
sich dem Vorbringen der Kommission an.
Rechtliche Würdigung
- 36.
- Der Beschluß 94/90 ist ein Rechtsakt, der den Bürgern einen Anspruch auf Zugang
zu den Dokumenten im Besitz der Kommission gewährt (Urteil WWF, Randnr. 55;
Urteile des Gerichts vom 19. März 1998 in der Rechtssache T-83/96, Van derWal/Kommission, Slg. 1998, II-545, Randnr. 41, und vom 6. Februar 1998 in der
Rechtssache T-124/96, Interporc/Kommission, Slg. 1998, II-231, Randnr. 46). Mit
dem Beschluß soll der Grundsatz eines möglichst umfassenden Zugangs der Bürger
zur Information umgesetzt werden, um den demokratischen Charakter der
Gemeinschaftsorgane und das öffentliche Vertrauen in die Verwaltung zu stärken
(vgl. zu den entsprechenden Bestimmungen des Beschlusses 93/731/EG des Rates
vom 20. Dezember 1993 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Ratsdokumenten
[ABl. L 340, S. 43], Urteil des Gerichts vom 17. Juni 1998 in der Rechtssache
T-174/95, Svenska Journalistförbundet/Rat, Slg. 1998, II-2289, Randnr. 66).
- 37.
- Wie das Gericht bereits entschieden hat, ergibt sich aus der Systematik des
Beschlusses 94/90, daß er für Anträge auf Zugang zu Dokumenten allgemein gilt
und daß jedermann Einsicht in jedes beliebige unveröffentlichte
Kommissionsdokument beantragen kann, ohne seinen Antrag begründen zu müssen
(Urteil Interporc/Kommission, Randnr. 48, und, zu den entsprechenden
Bestimmungen des Beschlusses 93/731, das Urteil in der Rechtsache Svenska
Journalistförbundet/Rat, Randnr. 109).
- 38.
- Allerdings sieht der von der Kommission mit dem Beschluß 94/90 angenommene
Verhaltenskodex vom allgemeinen Grundsatz des Zugangs der Bürger zu
Kommissionsdokumenten bestimmte Ausnahmen vor, die zu zwei Kategorien
gehören. Die Ausnahmen der ersten Kategorie, darunter auch die hier von der
Kommission geltend gemachte zum Schutz des öffentlichen Interesses, sind nach
dem Wortlaut der Regelung zwingend: „Die Organe verweigern den Zugang zu
Dokumenten, wenn sich durch deren Verbreitung eine Beeinträchtigung ergeben
könnte in bezug auf [u. a.] den Schutz des öffentlichen Interesses (öffentliche
Sicherheit, internationale Beziehung, Währungsstabilität, Rechtspflege,
Inspektionstätigkeiten).“
- 39.
- Die Ausnahmen vom Zugang zu Dokumenten sind jedoch eng auszulegen, um die
Anwendung des allgemeinen Grundsatzes, der Öffentlichkeit „möglichst
umfassenden Zugang zu den Dokumenten der Kommission“ zu gewähren, nicht zu
beeinträchtigen (Urteile WWF, Randnr. 56, und in der Rechtssache
Interporc/Kommission, Randnr. 49).
- 40.
- Die Kommission hat die angefochtene Entscheidung damit begründet, daß die
Offenlegung der mit Gründen versehenen Stellungnahme „den Schutz des
öffentlichen Interesses und insbesondere die Wahrnehmung der Inspektions- und
Untersuchungsaufgaben der Kommission beeinträchtigen könnte“. Sie hat in diesem
Zusammenhang ausdrücklich darauf verwiesen, daß „in
Vertragsverletzungsverfahren ... eine offene Zusammenarbeit und ein Klima
gegenseitigen Vertrauens zwischen der Kommission und dem betroffenen
Mitgliedstaat unerläßlich [seien], um eine Streitigkeit im Wege von Verhandlungen
und Kompromissen frühzeitig beilegen zu können“. Insoweit stützt sich die
Kommission im wesentlichen auf das Urteil WWF.
- 41.
- Entgegen der Auffassung der Kommission erfaßt die Ausnahme zum Schutz des
öffentlichen Interesses nach der Rechtsprechung und insbesondere dem Urteil
WWF allerdings nicht sämtliche Dokumente, die mit Vertragsverletzungsverfahren
zusammenhängen. Nach dem Urteil WWF rechtfertigt es die Vertraulichkeit, die
die Mitgliedstaaten von der Kommission erwarten dürfen, im Hinblick auf den
Schutz des öffentlichen Interesses, daß der Zugang zu Dokumenten in bezug auf
solche Untersuchungen verweigert wird, die zu einem Vertragsverletzungsverfahren
führen könnten, auch wenn seit dem Abschluß dieser Untersuchungen einige Zeit
verstrichen ist (ebd., Randnr. 63).
- 42.
- Dabei ist die Qualifizierung des Schriftstücks, das die Klägerin einsehen möchte,
als eine „mit Gründen versehene Stellungnahme“ rechtlich und tatsächlich verfehlt.
Auf eine schriftliche Frage des Gerichts hat die Kommission erläutert, daß den
Mitgliedern der Kommission, als sie am 26. Juni 1996 die Abgabe einer mit
Gründen versehenen Stellungnahme beschlossen, der Entwurf für diese
Stellungnahme nicht vorlag. Der Entwurf wurde vielmehr erst nach diesem
Beschluß der Kommission von Dienststellen im Verantwortungsbereich von deren
zuständigem Mitglied ausgearbeitet. Das fragliche Dokument wurde also von der
Kommissionsverwaltung durchaus zu dem Zweck erstellt, es dem Vereinigten
Königreich als eine mit Gründen versehene Stellungnahme zu übermitteln. Ihren
Beschluß, eine solche Stellungnahme an das Vereinigte Königreich zu richten,
setzte die Kommission sodann am 19. März 1997 aus, und so wurde das
Schriftstück letztlich von deren zuständigem Mitglied nicht unterzeichnet und dem
Vereinigten Königreich nicht zugestellt. Das Verfahren gemäß Artikel 169
EG-Vertrag erreichte damit nicht das Stadium, in dem die Kommission „eine mit
Gründen versehene Stellungnahme“ abgibt, sondern es blieb bei einem bloßen
Entwurfstext.
- 43.
- Auch wenn die Beklagte der Ansicht, das streitige Dokument sei eine „mit
Gründen versehenen Stellungnahme“, nicht widersprochen hat, ist diese fehlerhafte
Einordnung richtigzustellen. Der Prüfung der Klage darf nämlich eine solche
verfälschende Einordnung nicht zugrunde gelegt werden, denn darin läge ein
Rechtsfehler, der die Rechtswidrigkeit des Urteils des Gerichts zur Folge hätte (vgl.
Urteile des Gerichtshofes vom 2. März 1994 in der Rechtssache C-53/92 P,
Hilti/Kommission, Slg. 1994, I-667, Randnr. 42, und vom 16. September 1997,
C-362/95 P, Blackspur DIY u. a./Rat und Kommission, Slg. 1997, I-4775,
Randnr. 29, und Beschlüsse des Gerichts vom 6. Oktober 1997 in der Rechtssache
C-55/97 P, AIUFFASS und AKT/Kommission, Slg. 1997, I-5383, Randnr. 25, und
vom 16. Oktober 1997 in der Rechtssache C-140/96 P, Dimitriadis/Rechnungshof,
Slg. 1997, I-5635, Randnr. 35).
- 44.
- Bei der Prüfung der Frage, ob ein Anspruch auf Einsichtnahme in das fragliche
Schriftstück besteht, ist daher dessen Entwurfscharakter zu berücksichtigen. Dabei
kann gemäß der Mitteilung 94/C 67/03 der Kommission vom 4. März 1994
„jedermann die Einsicht in ein unveröffentlichtes Kommissionsdokument
einschließlich der vorbereitenden Dokumente und sonstiger Materialien
beantragen“.
- 45.
- Auf dieser Grundlage ist somit zu prüfen, ob und gegebenenfalls in welchem
Umfang die Kommission die von der Klägerin beantragte Einsichtnahme in das
Dokument aufgrund der Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses
ablehnen durfte.
- 46.
- Da das fragliche Schriftstück ein Entwurf war und die Kommission bei Einreichung
des Antrags auf Einsichtnahme ihren Beschluß, eine mit Gründen versehene
Stellungnahme abzugeben, ausgesetzt hatte, befand sich das Verfahren gemäß
Artikel 169 EG-Vertrag noch im Stadium der Inspektion und Untersuchung. Wie
das Gericht in seinem Urteil WWF festgestellt hat, dürfen die Mitgliedstaaten aber
während anhängiger Untersuchungen, die zu einem Vertragsverletzungsverfahren
führen können, von der Kommission Vertraulichkeit erwarten (Randnr. 63). Käme
es nämlich während der Verhandlungen zwischen der Kommission und dem
betroffenen Mitgliedstaat zu einer Verbreitung von Dokumenten, die sich auf die
Untersuchungsphase beziehen, so könnte dies den ordnungsmäßigen Ablauf des
Vertragsverletzungsverfahrens beeinträchtigen und sein Ziel gefährden, es dem
Mitgliedstaat zu ermöglichen, seine Vertragspflichten freiwillig zu erfüllen oder
gegebenenfalls seine Position zu rechtfertigen (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom
29. September 1998 in der Rechtssache C-191/95, Kommission/Deutschland, Slg.
1998, I-5449, Randnr. 44). Die Sicherung dieses Zweckes rechtfertigt es, zum
Schutz des öffentlichen Interesses den Zugang zu einem Entwurf zu verweigern, der
sich auf die Untersuchungsphase eines Verfahrens gemäß Artikel 169 EG-Vertrag
bezieht.
- 47.
- Da nach alledem der einzige Klagegrund nicht durchgreift, ist die Klage
abzuweisen.
Kosten
- 48.
- Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag
zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen
unterlegen ist, sind ihr, wie von der Beklagten beantragt, die Kosten aufzuerlegen.
- 49.
- Der Streithelfer trägt gemäß Artikel 87 § 4 der Verfahrensordnung seine eigenen
Kosten.
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT (Vierte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt außer ihren eigenen Kosten die Kosten der Beklagten.
3. Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland trägt seine
eigenen Kosten.
Moura RamosTiili
Mengozzi
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Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 14. Oktober 1999.
Der Kanzler
Der Präsident
H. Jung
R. M. Moura Ramos