Language of document : ECLI:EU:T:2015:41

URTEIL DES GERICHTS (Sechste Kammer)

22. Januar 2015(*)

„Humanarzneimittel – Arzneimittel für seltene Leiden – Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums des Arzneimittels für seltene Leiden Imatinib – Entscheidung der EMA, mit der es abgelehnt wird, den Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen zu validieren – Marktexklusivitätsrecht“

In der Rechtssache T‑140/12

Teva Pharma BV mit Sitz in Utrecht (Niederlande),

Teva Pharmaceuticals Europe BV mit Sitz in Utrecht,

Prozessbevollmächtigte: D. Anderson, QC, K. Bacon, Barrister, G. Morgan und C. Drew, Solicitors,

Klägerinnen,

gegen

Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA), vertreten durch T. Jabłoński, M. Tovar Gomis und N. Rampal Olmedo als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Europäische Kommission, vertreten durch E. White, P. Mihaylova und M. Šimerdová als Bevollmächtigte,

Streithelferin,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung der EMA vom 24. Januar 2012, mit der es abgelehnt wurde, den von den Klägerinnen gestellten Antrag auf Erteilung der Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums des Arzneimittels für seltene Leiden Imatinib, Imatinib Ratiopharm, was therapeutische Anwendungsgebiete bezüglich der Behandlung der chronischen myeloischen Leukämie betrifft, zu validieren,

erlässt

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten S. Frimodt Nielsen (Berichterstatter) sowie der Richter F. Dehousse und A. M. Collins,

Kanzler: S. Spyropoulos, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. September 2014

folgendes

Urteil

 Rechtlicher Rahmen

 Verordnung (EG) Nr. 141/2000

1        Um die wirksame Behandlung von Patienten mit seltenen Krankheiten in der Europäischen Gemeinschaft zu ermöglichen, haben das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union die Verordnung (EG) Nr. 141/2000 vom 16. Dezember 1999 über Arzneimittel für seltene Leiden (ABl. 2000, L 18, S. 1) erlassen. Diese am 22. Januar 2000 in Kraft getretene Verordnung führt ein System von Anreizen ein, die pharmazeutische Unternehmen zu Investitionen in die Erforschung, die Entwicklung und das Inverkehrbringen von Arzneimitteln für die Diagnose, Verhütung oder Behandlung seltener Krankheiten, „Arzneimittel für seltene Leiden“ genannt, bewegen sollen.

2        Die Verordnung Nr. 141/2000 sieht spezielle und unterschiedliche Verfahren in Bezug auf die Ausweisung von Arzneimitteln als Arzneimittel für seltene Leiden und die Genehmigung für das Inverkehrbringen dieser Arzneimittel vor.

3        Was die Ausweisung eines Arzneimittels als Arzneimittel für seltene Leiden anbelangt, nennt die Verordnung Nr. 141/2000 in ihrem Art. 3 die Ausweisungskriterien und sieht in ihrem Art. 5 das für die Ausweisung und die Streichung dieser Arzneimittel aus dem Gemeinschaftsregister für Arzneimittel für seltene Leiden einzuhaltende Verfahren vor.

4        Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 141/2000 lautet wie folgt:

„Ein Arzneimittel wird als Arzneimittel für seltene Leiden ausgewiesen, wenn der Investor nachweisen kann, dass

a)      das Arzneimittel für die Diagnose, Verhütung oder Behandlung eines Leidens bestimmt ist, das lebensbedrohend ist oder eine chronische Invalidität nach sich zieht und von dem zum Zeitpunkt der Antragstellung in der Gemeinschaft nicht mehr als fünf von zehntausend Personen betroffen sind, oder

das Arzneimittel für die Diagnose, Verhütung oder Behandlung eines lebensbedrohenden Leidens, eines zu schwerer Invalidität führenden oder eines schweren und chronischen Leidens in der Gemeinschaft bestimmt ist und dass das Inverkehrbringen des Arzneimittels in der Gemeinschaft ohne Anreize vermutlich nicht genügend Gewinn bringen würde, um die notwendigen Investitionen zu rechtfertigen,

und

b)      in der Gemeinschaft noch keine zufriedenstellende Methode für die Diagnose, Verhütung oder Behandlung des betreffenden Leidens zugelassen wurde oder dass das betreffende Arzneimittel – sofern eine solche Methode besteht – für diejenigen, die von diesem Leiden betroffen sind, von erheblichem Nutzen sein wird.“

5        Das in Art. 5 der Verordnung Nr. 141/2000 geregelte Verfahren der Ausweisung ist wie folgt ausgestaltet:

„(1) Um die Ausweisung eines Arzneimittels als Arzneimittel für seltene Leiden zu erhalten, stellt der Investor bei der [Europäischen Arzneimittel-]Agentur in einem beliebigen Stadium der Entwicklung eines Arzneimittels einen entsprechenden Antrag; dies erfolgt vor Stellung des Antrags auf Genehmigung für das Inverkehrbringen.

(4) Die Agentur prüft die Gültigkeit des Antrags und legt dem Ausschuss [für Arzneimittel für seltene Leiden] die Ergebnisse in Form eines Kurzberichts vor. Sie kann den Investor erforderlichenfalls auffordern, zusätzliche Angaben und Unterlagen bereitzustellen.

(5) Die Agentur stellt sicher, dass der Ausschuss innerhalb von 90 Tagen nach Erhalt eines gültigen Antrags ein Gutachten abgibt.

(8) Die Agentur übermittelt das endgültige Gutachten des Ausschusses unverzüglich der Kommission, die innerhalb von 30 Tagen nach Erhalt des Gutachtens eine Entscheidung annimmt… Die Entscheidung wird dem Investor sowie der Agentur und den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten mitgeteilt.

(9) Als Arzneimittel für seltene Leiden ausgewiesene Arzneimittel werden in das Gemeinschaftsregister für Arzneimittel für seltene Leiden eingetragen.

(12) Ein als Arzneimittel für seltene Leiden ausgewiesenes Arzneimittel wird aus dem Gemeinschaftsregister für Arzneimittel für seltene Leiden gestrichen

a)      auf Antrag des Investors,

b)      wenn vor Erteilung der Genehmigung für das Inverkehrbringen festgestellt wird, dass die Kriterien des Artikels 3 in Bezug auf dieses Arzneimittel nicht mehr erfüllt sind,

c)      am Ende des in Artikel 8 vorgesehenen Zeitraums des Marktexklusivitätsrechts.“

6        Bezüglich der Genehmigung für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln, die als Arzneimittel für seltene Leiden ausgewiesen worden sind, legt Art. 7 der Verordnung Nr. 141/2000 das einzuhaltende Verfahren fest und sieht Art. 8 dieser Verordnung die Voraussetzungen für das sich aus dieser Genehmigung für das Inverkehrbringen ergebende Marktexklusivitätsrecht vor.

7        Art. 7 der Verordnung Nr. 141/2000 bestimmt Folgendes:

„(1) Die für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels für seltene Leiden zuständige Person kann beantragen, dass die Genehmigung für das Inverkehrbringen des betreffenden Arzneimittels nach der Verordnung … Nr. 2309/93 von der Gemeinschaft erteilt wird …

(3) Für Arzneimittel für seltene Leiden erteilte Genehmigungen für das Inverkehrbringen gelten ausschließlich für solche therapeutische Anwendungsgebiete, die den Kriterien des Artikels 3 entsprechen. Die Möglichkeit, für andere Anwendungsgebiete außerhalb des Geltungsbereichs dieser Verordnung eine getrennte Genehmigung für das Inverkehrbringen zu beantragen, bleibt davon unberührt.“

8        Art. 8 der Verordnung Nr. 141/2000 sieht für genehmigte Arzneimittel für seltene Leiden ein Marktexklusivitätsrecht vor:

„(1) Wurde nach der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 eine Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels für seltene Leiden erteilt oder haben alle Mitgliedstaaten eine Genehmigung für das Inverkehrbringen dieses Arzneimittels nach den in den Artikeln 7 und 7a der Richtlinie 65/65/EWG oder in Artikel 9 Absatz 4 der Richtlinie 75/319/EWG des Rates vom 20. Mai 1975 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten vorgesehenen Verfahren für die gegenseitige Anerkennung – unbeschadet der Vorschriften über geistiges Eigentum oder anderer Vorschriften des Gemeinschaftsrechts – erteilt, so werden die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten während der nächsten zehn Jahre weder einen anderen Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen eines ähnlichen Arzneimittels für dasselbe therapeutische Anwendungsgebiet annehmen noch eine entsprechende Genehmigung erteilen noch einem Antrag auf Erweiterung einer bestehenden Genehmigung stattgeben.

(3) Abweichend von Absatz 1 und unbeschadet der Vorschriften über geistiges Eigentum oder anderer Vorschriften des [Unions]rechts kann für ein ähnliches Arzneimittel mit demselben therapeutischen Anwendungsgebiet eine Genehmigung für das Inverkehrbringen gewährt werden, wenn

a)      der Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen des zuerst als Arzneimittel für seltene Leiden ausgewiesenen Arzneimittels dem zweiten Antragsteller seine Zustimmung gegeben hat oder

b)      der Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen des zuerst als Arzneimittel für seltene Leiden ausgewiesenen Arzneimittels das Arzneimittel nicht in ausreichender Menge liefern kann oder

c)      der zweite Antragsteller in seinem Antrag nachweisen kann, dass das zweite Arzneimittel, obwohl es dem bereits zugelassenen und als Arzneimittel für seltene Leiden ausgewiesenen Arzneimittel ähnlich ist, sicherer, wirksamer oder unter anderen Aspekten klinisch überlegen ist.

(4) Die Kommission nimmt die Definition der Begriffe ‚ähnliches Arzneimittel‘ und ‚klinische Überlegenheit‘ mittels einer Durchführungsverordnung nach dem Verfahren des Artikels 72 der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 an.

…“

 Verordnung (EG) Nr. 847/2000

9        Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 847/2000 der Kommission vom 27. April 2000 zur Festlegung von Bestimmungen für die Anwendung der Kriterien für die Ausweisung eines Arzneimittels als Arzneimittel für seltene Leiden und von Definitionen für die Begriffe „ähnliches Arzneimittel“ und „klinische Überlegenheit“ (ABl. L 103, S. 5) bestimmt:

„Für die Durchführung des Artikels 3 der Verordnung … Nr. 141/2000 über Arzneimittel für seltene Leiden gilt folgende Begriffsbestimmung:

–        ‚Erheblicher Nutzen‘ ist ein klinisch relevanter Vorteil oder ein bedeutender Beitrag zur Behandlung von Patienten.“

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

10      Am 14. Februar 2001 erließ die Kommission der Europäischen Gemeinschaften eine Entscheidung, mit der das Arzneimittel Imatinibmesilat (im Folgenden: Imatinib) gemäß Art. 5 Abs. 9 der Verordnung Nr. 141/2000 als Arzneimittel für seltene Leiden zur Behandlung der chronischen myeloischen Leukämie (im Folgenden: CML) ausgewiesen und in das Gemeinschaftsregister für Arzneimittel für seltene Leiden eingetragen wurde.

11      Am 7. November 2001 erließ die Kommission eine Entscheidung über die Genehmigung für das Inverkehrbringen von Imatinib unter dem Handelsnamen Glivec für folgende therapeutische Anwendungsgebiete: die Behandlung von Erwachsenen mit CML in der chronischen Phase nach Versagen einer Interferon-Alpha-Therapie, in der akzelerierten Phase oder in der Blastenkrise. Andere therapeutische Anwendungsgebiete betreffend die Behandlung der Ph+-akuten lymphatischen Leukämie, die myelodysplastischen oder myeloproliferativen Erkrankungen, das fortgeschrittene hypereosinophile Syndrom und die chronische eosinophile Leukämie, die gastrointestinalen Stromatumoren und das Dermatofibrosarcoma protuberans waren Gegenstand nachfolgender Entscheidungen der Kommission über ihre Eintragung in das Gemeinschaftsregister für Arzneimittel für seltene Leiden bzw. über die Änderung der Genehmigung für das Inverkehrbringen dieses Arzneimittels im Zusammenhang mit den genannten therapeutischen Anwendungsgebieten.

12      Nach Art. 8 der Verordnung Nr. 141/2000 lief der Zeitraum des Marktexklusivitätsrechts für Imatinib, das für die zur CML gehörenden Anwendungsgebiete unter dem Handelsnamen Glivec in Verkehr gebracht worden war und dessen Ursprungsgenehmigung am 12. November 2001 wirksam geworden war, am 12. November 2011 ab.

13      Am 2. Februar 2006 stellte das Pharmaunternehmen, das Imatinib entwickelt und es unter dem Handelsnamen Glivec in Verkehr gebracht hatte, bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) einen Antrag auf Ausweisung eines neuen Arzneimittels als Arzneimittel für seltene Leiden, das es zur Behandlung der CML entwickelt hatte, und zwar das Arzneimittel Nilotinib.

14      Nach einem positiven Gutachten des Ausschusses für Arzneimittel für seltene Leiden der EMA vom 5. April 2006 gelangte die Kommission zu der Auffassung, dass Nilotinib die in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 141/2000 genannten Ausweisungskriterien erfülle, und erließ am 22. Mai 2006 eine Entscheidung über die Ausweisung von Nilotinib als Arzneimittel für seltene Leiden zur Behandlung der CML und über seine Eintragung in das Gemeinschaftsregister für Arzneimittel für seltene Leiden.

15      Im Rahmen des Verfahrens der Genehmigung für das Inverkehrbringen von Nilotinib und infolge eines Gutachtens des Ausschusses für Humanarzneimittel der EMA, der zu dem Ergebnis kam, dass Imatinib und Nilotinib als ähnliche Arzneimittel anzusehen seien, teilte der Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen von Imatinib unter dem Handelsnamen Glivec der EMA seine Zustimmung dafür mit, dass dem ähnlichen Arzneimittel Nilotinib gemäß Art. 8 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 141/2000 eine Genehmigung für das Inverkehrbringen unter dem Handelsnamen Tasigna für dieselben Anwendungsgebiete erteilt werde.

16      Auf der Grundlage eines Kurzberichts des Ausschusses für Arzneimittel für seltene Leiden vom 8. November 2007 gab dieser Ausschuss am 14. November 2007 ein Gutachten nach Art. 5 Abs. 12 der Verordnung Nr. 141/2000 ab und empfahl, im Hinblick darauf, dass nachgewiesen worden sei, dass Nilotinib für Patienten mit CML von erheblichen Nutzen sei, Nilotinib nicht aus dem Gemeinschaftsregister für Arzneimittel für seltene Leiden zu streichen, obwohl es eine zufriedenstellende Behandlung für diese Krankheit bereits gebe.

17      Am 19. November 2007 erließ die Kommission eine Entscheidung, mit der sie das Inverkehrbringen von Nilotinib unter dem Handelsnamen Tasigna für folgende therapeutische Anwendungsgebiete genehmigte: Erwachsene mit CML in der chronischen Phase und der akzelerierten Phase, die eine vorherige Behandlung mit Imatinib nicht vertragen oder nicht darauf ansprechen. Diese Entscheidung wird in dem am 28. Dezember 2007 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichten Verzeichnis der Entscheidungen über die Zulassung von Arzneimitteln vom 1. November 2007 bis 30. November 2007 (ABl. C 316, S. 48) genannt.

18      Am 20. Dezember 2010 erließ die Kommission einen Beschluss, mit dem sie die Genehmigung für das Inverkehrbringen von Nilotinib unter dem Handelsnamen Tasigna im Hinblick auf die Erweiterung seiner therapeutischen Anwendungsgebiete auf die Behandlung von Erwachsenen, die eine neu diagnostizierte CML in chronischer Phase haben, änderte. Dieser Beschluss wird im Verzeichnis der Beschlüsse der Europäischen Union über die Zulassung von Arzneimitteln vom 1. November 2010 bis 31. Dezember 2010, das am 25. Februar 2011 im Amtsblatt veröffentlicht wurde (ABl. C 61, S. 1), genannt.

19      Am 5. Januar 2012 stellte die Teva Pharmaceuticals Europe BV (im Folgenden: Teva Europe) im Namen einer Gesellschaft desselben Konzerns, und zwar der Teva Pharma BV (im Folgenden: Teva), einen Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums des unter dem Handelsnamen Glivec in Verkehr gebrachten Arzneimittels, und zwar des Arzneimittels Imatinib Ratiopharm, für therapeutische Anwendungsgebiete, die sich zum einen auf die Behandlung von Erwachsenen mit neu diagnostizierter CML in der chronischen Phase, für die eine Knochenmarktransplantation als Erstbehandlungsmöglichkeit nicht in Betracht gezogen wird, und von Erwachsenen mit CML in der chronischen Phase nach Versagen einer Interferon-Alpha-Therapie oder in der akzelerierten Phase beziehen und zum anderen die nicht unter die Behandlung der CML fallenden Anwendungsgebiete betreffen, für die das zuerst als Arzneimittel für seltene Leiden ausgewiesene Arzneimittel ebenfalls zugelassen worden war.

20      Mit Schreiben vom 24. Januar 2012 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung), das an Teva Europe adressiert war, lehnte es die EMA ab, den Antrag vom 5. Januar 2012 zu validieren, da er auf unter die CML fallende therapeutische Anwendungsgebiete abziele, für die das Arzneimittel für seltene Leiden, das unter dem Handelsnamen Tasigna in Verkehr gebracht worden sei, über eine Genehmigung für das Inverkehrbringen verfüge, sowie auf andere als unter die CML fallende Anwendungsgebiete für seltene Leiden, für die das unter dem Handelsnamen Glivec in Verkehr gebrachte Arzneimittel über eine Genehmigung für das Inverkehrbringen verfüge, da diese therapeutischen Anwendungsgebiete noch von dem Marktexklusivitätsrecht nach Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 141/2000 geschützt seien. Sie erklärte außerdem, dass sie Anträge auf Genehmigung für das Inverkehrbringen von Generika des Arzneimittels Glivec für therapeutische Anwendungsgebiete annehmen könne, die nicht vom Marktexklusivitätsrecht nach Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 141/2000 erfasst würden.

 Verfahren und Anträge der Parteien

21      Mit Klageschrift, die am 28. März 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Klägerinnen, Teva und Teva Europe, die vorliegende Klage erhoben.

22      Mit Schriftsatz, der am 24. Juli 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Kommission beantragt, im vorliegenden Verfahren als Streithelferin zur Unterstützung der EMA zugelassen zu werden. Mit Beschluss vom 6. September 2012 hat der Präsident der Ersten Kammer des Gerichts diesen Streitbeitritt zugelassen. Die Streithelferin hat ihren Schriftsatz und die anderen Beteiligten haben ihre Stellungnahmen hierzu innerhalb der ihnen gesetzten Fristen eingereicht.

23      Im Zuge einer Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts ist die Rechtssache der Sechsten Kammer zugewiesen worden.

24      Das Gericht (Sechste Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, das mündliche Verfahren zu eröffnen, und hat im Rahmen prozessleitender Maßnahmen gemäß Art. 64 der Verfahrensordnung des Gerichts der Beklagten schriftliche Fragen gestellt, die diese fristgerecht beantwortet hat.

25      In der Sitzung vom 11. September 2014 haben die Parteien mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

26      Die Klägerinnen beantragen,

–        die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

–        der EMA die Kosten aufzuerlegen.

27      Die EMA, unterstützt durch die Kommission, beantragt,

–        die Klage als unbegründet abzuweisen;

–        den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

28      Die Klägerinnen stützen ihre Klage auf zwei Klagegründe. Mit dem ersten Klagegrund wird ein Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 und 3 der Verordnung Nr. 141/2000 gerügt, da die EMA diese Bestimmungen dadurch falsch ausgelegt habe, dass sie es abgelehnt habe, den Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen von Imatinib Ratiopharm zu validieren. Mit dem zweiten Klagegrund, der im Rahmen der Erwiderung geltend gemacht wurde, wird ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 141/2000 wegen der Tatsache gerügt, dass sich die EMA, da Nilotinib bei seiner Genehmigung für das Inverkehrbringen nicht die in diesem Artikel vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt habe, nicht auf seinen Status als Arzneimittel für seltene Leiden und sein Marktexklusivitätsrecht hätte berufen dürfen, als sie den von den Klägerinnen gestellten Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen abgelehnt habe.

29      Da die einem Arzneimittel für seltene Leiden nach Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 141/2000 verliehene Exklusivität voraussetzt, dass das fragliche Arzneimittel den Status eines Arzneimittels für seltene Leiden nach Art. 3 Abs. 1 dieser Verordnung aufweist, ist zuerst der zweite von den Klägerinnen geltend gemachte Klagegrund zu prüfen.

 Zum Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 141/2000 gerügt wird

30      In der Erwiderung haben die Klägerinnen einen zusätzlichen Klagegrund für die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung geltend gemacht, der auf einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 141/2000 gegründet ist.

31      Die Klägerinnen tragen vor, dass aus dem Kurzbericht des Ausschusses für Arzneimittel für seltene Leiden vom 8. November 2007 und aus seinem Gutachten vom 14. November 2007 hervorgehe, dass dieser Ausschuss nicht zu dem Ergebnis gekommen sei, dass das Arzneimittel Nilotinib für Patienten mit CML im Vergleich zu den anderen bestehenden Behandlungen, insbesondere der auf der Grundlage des Arzneimittels Dasatinib, von erheblichem Nutzen sei, da er lediglich erklärt habe, dass Nilotinib für Patienten mit CML von einem „eventuellen“ erheblichen Nutzen sein „könne“. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 141/2000 sehe jedoch vor, dass ein Arzneimittel für die Ausweisung als Arzneimittel für seltene Leiden im Vergleich zu den bestehenden Behandlungen von erheblichem Nutzen sein müsse. Daraus ergebe sich, dass dieser Ausschuss in seinem Gutachten vom 14. November 2007 unzutreffend zu dem Ergebnis gekommen sei, dass Nilotinib nicht aus dem Gemeinschaftsregister für Arzneimittel für seltene Leiden zu streichen sei.

32      Unter Berufung auf Art. 277 AEUV machen die Klägerinnen geltend, dass der Kurzbericht des Ausschusses für Arzneimittel für seltene Leiden vom 8. November 2007 und sein Gutachten vom 14. November 2007 unanwendbar seien und dass aus diesem Grund die Beibehaltung der Eintragung von Nilotinib im Gemeinschaftsregister für Arzneimittel für seltene Leiden und die Zulassung, aufgrund deren ihm das Marktexklusivitätsrecht nach Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 141/2000 zugutekomme, ebenfalls ungültig seien.

33      Die EMA und die Kommission treten diesem Vorbringen entgegen und machen geltend, dass dieser zusätzliche, von den Klägerinnen im Rahmen der Erwiderung vorgebrachte Nichtigkeitsgrund verspätet und daher nach Art. 48 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts unzulässig sei.

34      Die Klägerinnen tragen vor, ihr Klagegrund sei zulässig, da er durch Entwicklungen, die sich im Laufe des vorliegenden Verfahrens herausgestellt hätten, veranlasst worden sei. Sie hätten nämlich von der Tatsache, dass der Ausschuss für Arzneimittel für seltene Leiden in seinem Kurzbericht vom 8. November 2007 und seinem Gutachten vom 14. November 2007 nicht zu dem Ergebnis gekommen sei, dass Nilotinib von erheblichem Nutzen sei, erst Kenntnis erlangt, als diese beiden Dokumente, die vorher nicht öffentlich zugänglich gemacht worden seien, von der EMA in ihrer Klagebeantwortung vorgelegt worden seien.

35      Was die Zulässigkeit des von den Klägerinnen erstmals in der Erwiderung geltend gemachten Klagegrundes betrifft, ist daran zu erinnern, dass nach Art. 48 § 2 der Verfahrensordnung neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens nicht mehr vorgebracht werden können, es sei denn, dass sie auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind.

36      Hierzu geht aus der Rechtsprechung hervor, dass die Tatsache, dass eine Partei von einem tatsächlichen Umstand während des Verfahrens vor dem Gericht erfahren hat, nicht bedeutet, dass dieser einen tatsächlichen Grund darstellt, der erst während des Verfahrens zutage getreten ist. Hinzukommen muss, dass die Partei vorher keine Kenntnis von diesem Umstand haben konnte (Urteile vom 6. Juli 2000, AICS/Parlament, T‑139/99, Slg, EU:T:2000:182, Rn. 62, und vom 9. Dezember 2010, Tresplain Investments/HABM – Hoo Hing [Golden Elephant Brand], T‑303/08, Slg, EU:T:2010:505, Rn. 167).

37      Des Weiteren ist nach ständiger Rechtsprechung ein Angriffsmittel, das eine Erweiterung eines bereits vorher – unmittelbar oder implizit – in der Klageschrift vorgetragenen Angriffsmittels darstellt und einen engen Zusammenhang mit diesem aufweist, für zulässig zu erklären (Urteile vom 19. September 2000, Dürbeck/Kommission, T‑252/97, Slg, EU:T:2000:210, Rn. 39, vom 28. April 2010, Gütermann und Zwicky/Kommission, T‑456/05 und T‑457/05, Slg, EU:T:2010:168, Rn. 199, und vom 10. Juli 2012, TF1 u. a./Kommission, T‑520/09, EU:T:2012:352, Rn. 185).

38      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass der von den Klägerinnen geltend gemachte Klagegrund auf keinen rechtlichen oder tatsächlichen Grund gestützt wird, der im Sinne der in Rn. 36 oben genannten Rechtsprechung erst während des Verfahrens zutage getreten ist.

39      Wie die Klägerinnen nämlich selbst in der mündlichen Verhandlung bestätigt haben, zielt ihr zusätzlicher Nichtigkeitsgrund im Wesentlichen auf die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung ab, da sie unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 141/2000 erlassen worden sei, da das Arzneimittel Nilotinib bei seiner Genehmigung für das Inverkehrbringen die in diesem Artikel vorgesehenen Voraussetzungen für die Ausweisung als Arzneimittel für seltene Leiden nicht erfüllt habe.

40      Die Eintragung von Nilotinib in das Gemeinschaftsregister für Arzneimittel für seltene Leiden sowie seine Genehmigung für das Inverkehrbringen waren jedoch Gegenstand von Entscheidungen der Kommission, die am 22. Mai 2006 bzw. 19. November 2007 erlassen wurden.

41      Zum einen wurden die Entscheidung über die Ausweisung von Nilotinib als Arzneimittel für seltene Leiden und seine Eintragung in das Gemeinschaftsregister für Arzneimittel für seltene Leiden u. a. über die Website der Kommission öffentlich gemacht. Zudem erklärte die Kommission in Art. 2 ihrer Entscheidung über diese Ausweisung, dass die EMA das Gutachten des Ausschusses für Arzneimittel für seltene Leiden, auf das in dieser Entscheidung verwiesen werde und das die von diesem Ausschuss durchgeführte Untersuchung u. a. zu der Frage enthalte, ob Nilotinib die Voraussetzungen von Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 141/2000 erfülle oder nicht, allen Beteiligten zur Verfügung halte.

42      Zum anderen war die Entscheidung über die Genehmigung für das Inverkehrbringen von Nilotinib unter dem Handelsnamen Tasigna Gegenstand einer am 28. Dezember 2007 erfolgten abgekürzten Veröffentlichung im Amtsblatt (ABl. C 316, S. 48) und einer ungekürzten Veröffentlichung im Gemeinschaftsregister für Humanarzneimittel einschließlich ihres Anhangs I, der die Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels, darunter die pharmakologischen Eigenschaften, u. a. in Bezug auf seine klinische Wirksamkeit im Vergleich zu anderen bestehenden Behandlungen, und die klinischen Studien, die diese Eigenschaften untermauern, enthält.

43      Außerdem wurden auf der Website der EMA infolge der Entscheidung über die Genehmigung für das Inverkehrbringen von Nilotinib unter dem Handelsnamen Tasigna mehrere Dokumente über das Zulassungsverfahren veröffentlicht und aktualisiert, einschließlich einer Zusammenfassung des positiven Gutachtens des Ausschusses für Arzneimittel für seltene Leiden über die Ausweisung dieses Arzneimittels als Arzneimittel für seltene Leiden zur Behandlung der CML, eines Verzeichnisses, das die verschiedenen Etappen der Prüfung des Antrags auf Genehmigung für das Inverkehrbringen dieses Arzneimittels durch die EMA aufzählt, und eines Dokuments mit dem Titel „Scientific Discussion“. Dieses letztgenannte Dokument beschreibt detailliert die unterschiedlichen Parameter, die vom Ausschuss für Humanarzneimittel berücksichtigt wurden, als er die Empfehlung aussprach, die Genehmigung für das Inverkehrbringen zu erteilen, insbesondere in Bezug zur relativen Wirksamkeit und der Risiko/Nutzen-Analyse des fraglichen Arzneimittels im Vergleich zu den bestehenden Behandlungen des in Rede stehenden Leidens.

44      Ebenso waren die Klägerinnen zu dem Zeitpunkt, zu dem die Genehmigung für das Inverkehrbringen von Nilotinib erteilt wurde, in der Lage, die für die CML bereits zugelassenen Behandlungen einschließlich des Arzneimittels Dasatinib – das selbst ein Arzneimittel für seltene Leiden ist und Gegenstand von zwei Entscheidungen der Kommission vom 3. Januar 2006 und vom 20. November 2006 über seine Ausweisung als Arzneimittel für seltene Leiden bzw. seine Genehmigung für das Inverkehrbringen war – zu kennen.

45      Außerdem steht fest, dass nach Art. 5 Abs. 12 der Verordnung Nr. 141/2000 bei der Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels für seltene Leiden die Voraussetzungen von Art. 3 Abs. 1 dieser Verordnung erfüllt sein müssen.

46      Selbst wenn die Klägerinnen von diesen beiden Dokumenten des Ausschusses für Arzneimittel für seltene Leiden vor Erhebung der vorliegenden Klage keine Kenntnis hatten, ist somit davon auszugehen, dass die Klägerinnen trotzdem in der Lage waren, die Gesichtspunkte zu kennen, aufgrund deren die zuständigen Ausschüsse der EMA und anschließend die Kommission zur Genehmigung für das Inverkehrbringen von Nilotinib als Arzneimittel für seltene Leiden gelangt sind, auch was die in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 141/2000 vorgesehene Voraussetzung des erheblichen Nutzens für die Patienten mit dem in Rede stehenden Leiden betrifft.

47      Ebenfalls ist festzustellen, dass der Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 141/2000 gerügt wird, keinen unmittelbaren Zusammenhang mit dem von den Klägerinnen in der vorliegenden Klage angeführten Klagegrund und den dort vorgetragenen Argumenten aufweist und daher nicht als eine Ergänzung eines bereits vorgebrachten Klagegrundes angesehen werden kann. Die Klägerinnen hatten nämlich ihre Klage ursprünglich damit begründet, dass die angefochtene Entscheidung dadurch gegen Art. 8 Abs. 1 und 3 der Verordnung Nr. 141/2000 verstoße, dass dem unter dem Handelsnamen Tasigna in Verkehr gebrachten Arzneimittel Nilotinib ein Zeitraum des Marktexklusivitätsrechts unabhängig von dem des Arzneimittels Glivec eingeräumt worden sei, obwohl diese beiden Arzneimittel als ähnliche Arzneimittel angesehen worden seien. Der Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 141/2000 aufgrund der Tatsache, dass das unter dem Handelsnamen Tasigna in Verkehr gebrachte Arzneimittel Nilotinib die Kriterien für die Ausweisung als Arzneimittel für seltene Leiden, als es zugelassen worden sei, nicht erfüllt habe und dass sich die EMA daher nicht darauf hätte berufen dürfen, um den Antrag der Klägerinnen abzulehnen, ist jedoch weder unmittelbar noch mittelbar von den Klägerinnen vor der Erwiderung geltend gemacht worden.

48      Da der Klagegrund, mit dem der Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 141/2000 gerügt wird, sowie sämtliche dazugehörigen Argumente und Rügen nicht auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind, sind sie folglich als neu und damit nach Art. 48 Abs. 2 der Verfahrensordnung unzulässig zu betrachten.

49      In jedem Fall ist in Bezug auf die Einrede der Rechtswidrigkeit, die die Klägerinnen im Wesentlichen unter Berufung auf Art. 277 AEUV im Rahmen ihres Klagegrundes erheben, auf die ständige Rechtsprechung hinzuweisen, wonach Art. 277 AEUV Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes ist, der jeder Partei das Recht gewährleistet, zum Zweck der Nichtigerklärung einer sie unmittelbar und individuell betreffenden Entscheidung die Gültigkeit eines früheren Rechtsakts der Unionsorgane von allgemeiner Geltung zu bestreiten, der die Rechtsgrundlage der angefochtenen Entscheidung bildet, falls die betreffende Partei nicht das Recht hatte, gemäß Art. 263 AEUV unmittelbar gegen diese Rechtshandlungen zu klagen, deren Folgen sie nunmehr erleidet, ohne dass sie ihre Nichtigerklärung hätte beantragen können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. März 1979, Simmenthal/Kommission, 92/78, Slg, EU:C:1979:53, Rn. 39, vom 19. Januar 1984, Andersen u. a./Parlament, 262/80, Slg, EU:C:1984:18, Rn. 6, und vom 11. Dezember 2012, Sina Bank/Rat, T‑15/11, Slg, EU:T:2012:661, Rn. 43).

50      Außerdem kann die Einrede der Rechtswidrigkeit nicht auf Rechtshandlungen in der Form einer Verordnung im Sinne von Art. 277 AEUV beschränkt werden, um den Personen, die von der direkten Klage gegen allgemeine Rechtshandlungen der Organe ausgeschlossen sind, dann eine effektive Rechtmäßigkeitskontrolle dieser Rechtshandlungen zu gewährleisten, wenn Durchführungsentscheidungen ergehen, die sie unmittelbar und individuell betreffen (vgl. in diesem Sinne Urteile Simmenthal, oben in Rn. 49 angeführt, EU:C:1979:53, Rn. 40 und 41, und vom 26. Oktober 1993, Reinarz/Kommission, T‑6/92 und T‑52/92, Slg, EU:T:1993:89, Rn. 56).

51      Ferner ist die Einrede der Rechtswidrigkeit nach der Rechtsprechung auf das zu beschränken, was für die Entscheidung des Rechtsstreits unerlässlich ist, und es muss ein unmittelbarer rechtlicher Zusammenhang zwischen der angefochtenen individuellen Entscheidung und dem fraglichen allgemeinen Rechtsakt bestehen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 31. März 1965, Macchiorlati Dalmas/Hohe Behörde, 21/64, Slg, EU:C:1965:30, S. 227, 245, vom 13. Juli 1966, Italien/Rat und Kommission, 32/65, Slg, EU:C:1966:42, S. 563, 594, und vom 21. Februar 1984, Walzstahl-Vereinigung und Thyssen/Kommission, 140/82, 146/82, 221/82 und 226/82, Slg, EU:C:1984:66, Rn. 20).

52      Im vorliegenden Fall machen die Klägerinnen die Rechtswidrigkeit des Kurzberichts des Ausschusses für Arzneimittel für seltene Leiden vom 8. November 2007 und seines Gutachtens vom 14. November 2007 geltend, was die Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung bestätigt haben.

53      Es ist festzustellen, dass der Kurzbericht des Ausschusses für Arzneimittel für seltene Leiden nur eine vorbereitende Handlung seines Gutachtens vom 14. November 2007 ist, das gemäß Art. 5 Abs. 12 der Verordnung Nr. 141/2000 am 14. November 2007 abgegeben wurde und im Wesentlichen die Schlussfolgerungen aus diesem Bericht übernimmt. Das Gutachten des Ausschusses ist jedoch selbst eine der Handlungen, mit der die Entscheidung der Kommission, mit der das Inverkehrbringen des Arzneimittels Nilotinib unter dem Handelsnahmen Tasigna genehmigt wird, vorbereitet wird. Diese Entscheidung der Kommission, die vom Gutachten des Ausschusses für Arzneimittel für seltene Leiden abweichen kann, stellt die Rechtshandlung dar, aus der sich das Marktexklusivitätsrecht dieses Arzneimittels ergibt und in der die Grundlage der angefochtenen Entscheidung gesehen werden kann. Das Gutachten des Ausschusses und erst recht dessen Kurzbericht stellen daher keine Rechtsakte von allgemeiner Geltung dar und sind ihrer Art nach keine Rechtsakte, die die Rechtsgrundlage der angefochtenen Entscheidung bilden oder einen unmittelbaren Zusammenhang mit ihr in der Weise haben können, dass ihre angebliche Rechtswidrigkeit irgendeine Auswirkung auf die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits hat. Daher ist die von den Klägerinnen gegen den Kurzbericht des Ausschusses für Arzneimittel für seltene Leiden vom 8. November 2007 und sein Gutachten vom 14. November 2007 erhobene Einrede der Rechtswidrigkeit als unzulässig zurückzuweisen.

54      Nach alledem sind der vorliegende zusätzliche Nichtigkeitsklagegrund und sämtliche dazugehörigen Argumente und Rügen nach Art. 48 § 2 der Verfahrensordnung als verspätet und, was die nach Art. 277 AEUV erhobene Einrede der Rechtswidrigkeit betrifft, jedenfalls unzulässig zurückzuweisen.

 Zum Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 und 3 der Verordnung Nr. 141/2000 gerügt wird

55      Die Klägerinnen machen im Wesentlichen geltend, die EMA habe dadurch einen Rechtsfehler begangen, dass sie, obwohl es ein erstes zugelassenes Arzneimittel für seltene Leiden gegeben habe, einem ähnlichen Arzneimittel der zweiten Generation für therapeutische Anwendungsgebiete, die bereits für das erste Arzneimittel für seltene Leiden zugelassen worden seien, einen neuen Zeitraum des Marktexklusivitätsrechts eingeräumt habe.

56      Art. 8 Abs. 1 sehe nämlich nur einen einzigen zehnjährigen Zeitraum des Marktexklusivitätsrechts, der einem Arzneimittel für seltene Leiden eingeräumt werden könne, vor, und die Ausnahmen in Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 141/2000 könnten diesen zehnjährigen Zeitraum nicht verlängern. Somit schlössen sich Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 141/2000 und Art. 8 Abs. 3 dieser Verordnung gegenseitig aus und könnten nicht gemeinsam angewandt werden.

57      Eine solche Auslegung werde durch die Mitteilung der Kommission zur Verordnung Nr. 141/2000 (ABl. 2003, C 178, S. 2) gestützt, nach der, wenn ein erstes Arzneimittel für seltene Leiden über ein Marktexklusivitätsrecht verfüge und ein zweites ähnliches Arzneimittel, das sicherer, wirksamer und klinisch überlegen sei, zugelassen werde, dieses zweite Arzneimittel das Marktexklusivitätsrecht gemeinsam mit dem ersten Arzneimittel für seltene Leiden während der Restlaufzeit der Zehnjahresfrist des diesem eingeräumten Marktexklusivitätsrechts in Anspruch nehme. Dieser Grundsatz gelte erst recht, wenn das zweite Arzneimittel für seltene Leiden einfach durch die in Art 8 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 141/2000 vorgesehene „Zustimmung“ des Inhabers der Genehmigung für das Inverkehrbringen des ersten Arzneimittels zugelassen worden sei.

58      Hilfsweise machen die Klägerinnen geltend, dass, selbst wenn ein ähnliches Arzneimittel für seltene Leiden, das aufgrund der Ausnahme in Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 141/2000 zugelassen worden sei, in den Genuss eines unabhängigen zehnjährigen Zeitraums des Marktexklusivitätsrechts kommen könnte, diese Exklusivität nur der Genehmigung für das Inverkehrbringen von Produkten entgegenstehen könne, die nur diesem Arzneimittel ähnlich seien. Eine solche Exklusivität könne die Genehmigung für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln, die dem ersten zugelassenen Arzneimittel für seltene Leiden ähnlich seien, insbesondere Generika davon, nach dem Ablauf des Zeitraums des Marktexklusivitätsrechts dieses ersten Arzneimittels für seltene Leiden nicht verhindern.

59      Zur Stützung ihrer Auslegung von Art. 8 Abs. 1 und 3 der Verordnung Nr. 141/2000 verweisen die Klägerinnen auf die mit diesem Artikel verfolgten Ziele, nämlich den Anreiz zur Investition, den das Marktexklusivitätsrecht für einen einmaligen zehnjährigen Zeitraum für die erste Zulassung eines Arzneimittels für seltene Leiden darstelle, wie er im achten Erwägungsgrund dieser Verordnung und in den Vorarbeiten zu dieser Verordnung zum Ausdruck komme, insbesondere im Vorschlag der Kommission für eine Verordnung (EG) des Europäischen Parlaments und des Rates über Arzneimittel für seltene Krankheiten (Orphan Drugs) vom 27. Juli 1998 (ABl. 1998, C 276, S. 7).

60      Hingegen könnte die Auslegung von Art. 8 der Verordnung Nr. 141/2000, die die EMA vornehme, zu perversen Wirkungen führen, indem sie die Investoren dazu verleite, ähnliche Arzneimittel zu entwickeln, um das Marktexklusivitätsrecht ihrer bestehenden Arzneimittel für seltene Leiden zu aktualisieren. So würde im vorliegenden Fall ein Generikum von Imatinib 16 Jahre nach dessen Genehmigung für das Inverkehrbringen vom Markt ausgeschlossen, obwohl einem Arzneimittel wie Nilotinib, das als Imatinib zu 50 % ähnlich angesehen werde und vom selben Investor entwickelt worden sei, ein unabhängiges Marktexklusivitätsrecht während eines Zeitraums von zehn Jahren eingeräumt worden sei, und dies, obwohl Nilotinib in jedem Fall in den Genuss des von der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311, S. 67) vorgesehenen Zeitraums des Schutzes der Daten seiner Unterlagen hätte kommen können.

61      Die EMA und die Kommission treten diesem Vorbringen entgegen und sind der Auffassung, dieser Klagegrund sei unbegründet.

62      Der vorliegende Klagegrund wirft im Wesentlichen die Frage auf, ob ein Arzneimittel, das, da es als geeignet angesehen wurde, für Patienten mit einem Leiden im Vergleich mit einem ähnlichen, für dieselben therapeutischen Anwendungsgebiete bereits zugelassenen Arzneimittel für seltene Leiden von erheblichem Nutzen zu sein, selbst als Arzneimittel für seltene Leiden ausgewiesen wird, in den Genuss des Marktexklusivitätsrechts nach Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 141/2000 kommen kann, wenn sein Inverkehrbringen auf der Grundlage einer der von Art. 8 Abs. 3 dieser Verordnung vorgesehenen Ausnahmen, und zwar der Zustimmung gewährt wird, die vom Investor des ersten Arzneimittels, der im vorliegenden Fall auch der Investor des zweiten Arzneimittels ist, gegeben wird.

63      Vorab ist auf die Voraussetzungen in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 141/2000 hinzuweisen, die für die Ausweisung eines Arzneimittels als Arzneimittel für seltene Leiden erforderlich sind, nämlich zum einen, dass es für die Diagnose, Verhütung oder Behandlung eines seltenen Leidens bestimmt ist oder dass sein Inverkehrbringen nicht genügend Gewinn bringt, um die notwendigen Investitionen zu decken, und zum anderen, dass es keine zufriedenstellende Behandlung für das fragliche Leiden in der Union gibt oder, sofern eine solche besteht, dass das fragliche Arzneimittel für die Patienten, die von diesem Leiden betroffen sind, von erheblichem Nutzen ist.

64      So geht aus dem Wortlaut von Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 141/2000 hervor, dass ein Arzneimittel als Arzneimittel für seltene Leiden ausgewiesen werden kann, selbst wenn es eine Behandlung für das fragliche Leiden gibt, vorausgesetzt, dass es für diejenigen, die von diesem Leiden betroffen sind, von erheblichen Nutzen ist. Insoweit ist auf die Rechtsprechung hinzuweisen, wonach der Nachweis des erheblichen Nutzens in eine vergleichende Untersuchung in Bezug auf eine bereits existierende und zugelassene Methode oder ein entsprechendes Arzneimittel eingebettet ist und sich diese Prüfung nicht nur auf die Bewertung der dem Arzneimittel innewohnenden positiven Eigenschaften beschränken darf, ohne sie mit denen der zugelassenen Methoden zu vergleichen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. September 2010, Now Pharm/Kommission, T‑74/08, Slg, EU:T:2010:376, Rn. 46).

65      Außerdem geht aus dem Wortlaut von Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 141/2000 sowie aus dem Geist, der dem von dieser Verordnung geschaffenen System zugrunde liegt, hervor, dass die Kriterien für die Annahme eines erheblichen Nutzens streng sind. Die Entwicklung eines Arzneimittels, das im Verhältnis zu einem bereits zugelassenen Arzneimittel zur Behandlung desselben Leidens von erheblichem Nutzen ist, bedeutet für das Unternehmen, das es entwickelt, Investitionen in die Erforschung und Entwicklung dieses potenziell verbesserten Arzneimittels. Ein Unternehmen könnte sich daher nicht darauf beschränken, ein ähnliches Arzneimittel zu entwickeln, um dessen Ausweisung als Arzneimittel für seltene Leiden, die Genehmigung für sein Inverkehrbringen und das mit dieser Genehmigung einhergehende Marktexklusivitätsrecht zu erhalten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. September 2010, CSL Behring/Kommission und EMA, T‑264/07, Slg, EU:T:2010:371, Rn. 94).

66      Zudem müssen die Kriterien von Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 141/2000 zum einen erfüllt sein, wenn das Arzneimittel nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 141/2000 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 9 dieser Verordnung als Arzneimittel für seltene Leiden ausgewiesen und in das Gemeinschaftsregister für Arzneimittel für seltene Leiden eingetragen wird. Zum anderen müssen diese Kriterien immer noch erfüllt sein, wenn dem als Arzneimittel für seltene Leiden ausgewiesenen Arzneimittel die Genehmigung für das Inverkehrbringen als Arzneimittel für seltene Leiden erteilt wird, da gemäß Art. 5 Abs. 12 dieser Verordnung ein Arzneimittel für seltene Leiden, das die in Art. 3 Abs. 1 dieser Verordnung genannten Kriterien nicht erfüllt, vor seiner Erteilung der Genehmigung für das Inverkehrbringen aus diesem Register gestrichen werden muss.

67      Es ist auch darauf hinzuweisen, dass nach Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 141/2000 ab dem Zeitpunkt, zu dem das Inverkehrbringen eines Arzneimittels für seltene Leiden genehmigt wurde, die zuständigen Behörden während der nächsten zehn Jahre u. a. keinen anderen Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen eines ähnlichen Arzneimittels für die therapeutischen Anwendungsgebiete, die in der Ausweisung des Arzneimittels als Arzneimittel für seltene Leiden enthalten sind, annehmen.

68      Außerdem sieht Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 141/2000 drei Fälle vor, in denen abweichend von Art. 8 Abs. 1 dieser Verordnung das Inverkehrbringen eines ähnlichen Arzneimittels mit demselben therapeutischen Anwendungsgebiet wie das, für das das Inverkehrbringen eines Arzneimittels für seltene Leiden genehmigt worden war, trotz des zehnjährigen Marktexklusivitätsrechts, in dessen Genuss dieses letztgenannte Arzneimittel kommt, genehmigt werden kann. Dies ist u. a. dann der Fall, wenn der Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen des Arzneimittels für seltene Leiden zustimmt, dass für das ähnliche Arzneimittel eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt wird.

69      Dies alles ist bei der Prüfung der Rügen zu berücksichtigen, die zur Stützung des Klagegrundes vorgetragen werden, mit dem ein Verstoß gegen Art. 8 der Verordnung Nr. 141/2000 geltend gemacht wird.

70      Was erstens die Argumente der Klägerinnen hinsichtlich des dem Arzneimittel Nilotinib eingeräumten Exklusivitätszeitraums betrifft, ist festzustellen, dass der Zeitraum, der in Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 141/2000 für jedes als Arzneimittel für seltene Leiden ausgewiesene Arzneimittel, das auf dem Markt zugelassen ist, vorgesehen ist, ein Zeitraum von zehn Jahren ist. Ein Arzneimittel für seltene Leiden kommt, wenn es bei seiner Genehmigung für das Inverkehrbringen immer noch ein solches ist, grundsätzlich in den Genuss eines zehnjährigen Marktexklusivitätsrechts, wobei keine Verlängerung dieses Exklusivitätszeitraums vorgesehen ist und die Verkürzung dieses Zeitraums gemäß Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 141/2000 auf die Situationen beschränkt ist, in denen feststeht, dass das fragliche Arzneimittel die Voraussetzungen von Art. 3 Abs. 1 dieser Verordnung nicht mehr erfüllt.

71      Im vorliegenden Fall geht aus der Entscheidung der Kommission vom 19. November 2007 hervor, dass die Genehmigung für das Inverkehrbringen von Nilotinib unter dem Handelsnamen Tasigna als Arzneimittel für seltene Leiden erteilt wurde, was nach Art. 5 Abs. 12 der Verordnung Nr. 141/2000 impliziert, dass dieses Arzneimittel zu diesem Zeitpunkt immer noch in das Gemeinschaftsregister für Arzneimittel für seltene Leiden für die therapeutischen Anwendungsgebiete eingetragen war, die Gegenstand des Antrags auf Zulassung waren, und dass die Voraussetzungen von Art. 3 Abs. 1 dieser Verordnung immer noch erfüllt waren. Daher kam dieses Arzneimittel gemäß Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 141/2000 ab dem Zeitpunkt, zu dem seine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt wurde, in Bezug auf die zugelassenen therapeutischen Anwendungsgebiete in den Genuss des zehnjährigen Marktexklusivitätsrechts.

72      Zweitens ist festzustellen, dass Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 141/2000 die Genehmigung für das Inverkehrbringen eines ähnlichen Arzneimittels mit demselben therapeutischen Anwendungsgebiet betrifft. Diese Bestimmung sieht die Umstände vor, unter denen es möglich ist, vom Verbot in Art. 8 Abs. 1 dieser Verordnung abzuweichen und eine Genehmigung für das Inverkehrbringen eines solchen Arzneimittels mit denselben therapeutischen Anwendungsgebieten wie denjenigen, für die ein Arzneimittel für seltene Leiden in den Genuss eines Marktexklusivitätsrechts kommt, zu erteilen.

73      Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 141/2000 greift den Voraussetzungen, unter denen eine Genehmigung für das Inverkehrbringen eines „ähnlichen“ Arzneimittels im Sinne der Verordnung Nr. 847/2000 erteilt werden kann, nicht vor, sondern sieht vor, dass abweichend von Art. 8 Abs. 1 dieser Verordnung diesem Arzneimittel die genannte Genehmigung in drei Fällen erteilt werden kann, u. a. wenn der Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen des zuerst als Arzneimittel für seltene Leiden ausgewiesenen Arzneimittels mit demselben therapeutischen Anwendungsgebiet seine Zustimmung erteilt. Keine Bestimmung findet sich zu der Frage, ob diese Genehmigung dem ähnlichen Arzneimittel ein Marktexklusivitätsrecht verleiht oder nicht.

74      Wie die EMA und die Kommission jedoch geltend machen, kann ein ähnliches Arzneimittel selbst ein Arzneimittel für seltene Leiden oder ein Arzneimittel für nicht seltene Leiden sein. Wenn es für nicht seltene Leiden ist, impliziert seine Genehmigung für das Inverkehrbringen kein Marktexklusivitätsrecht aus Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 141/2000. Wenn das Arzneimittel hingegen selbst ein Arzneimittel für seltene Leiden ist, darf das ihm nach Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 141/2000 verliehene zehnjährige Marktexklusivitätsrecht nicht deshalb verkürzt werden, weil es ein Arzneimittel für seltene Leiden gibt, dessen Inverkehrbringen für dieselben therapeutischen Anwendungsgebiete genehmigt wurde und das in den Genuss eines Marktexklusivitätsrechts für diese therapeutischen Anwendungsgebiete kommt. Ebenso wird das Marktexklusivitätsrecht des zuletzt genannten Arzneimittels nicht wegen der Genehmigung für das Inverkehrbringen des zweiten Arzneimittels verlängert. Es handelt sich um unabhängige Ausweisungen als Arzneimittel für seltene Leiden und Genehmigungen für das Inverkehrbringen, die aufgrund von getrennten Verfahren erteilt wurden und unterschiedliche Zeiträume des Marktexklusivitätsrechts auslösen können, die sich zeitlich überlappen können. In diesem Sinne ist die Mitteilung der Kommission zur Verordnung Nr. 141/2000, auf die sich die Klägerinnen berufen, zu verstehen.

75      Außerdem legt Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 141/2000 keine Rangfolge zwischen den drei Fällen der Abweichung von Art. 8 Abs. 1 dieser Verordnung fest.

76      Im vorliegenden Fall darf der Investor des Arzneimittels Nilotinib nicht deshalb benachteiligt werden, weil er sich auf die Ausnahme berufen hat, die in Art. 8 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 141/2000 für den Fall vorgesehen ist, dass der Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen des zuerst als Arzneimittel für seltene Leiden ausgewiesenen Arzneimittels mit denselben therapeutischen Anwendungsgebieten seine Zustimmung erteilt. Da diese Zustimmung gemäß dieser Bestimmung erlangt wurde, konnte die EMA nur zu dem Ergebnis kommen, dass die Ausnahme nach Art. 8 Abs. 3 Buchst. c der Verordnung Nr. 141/2000 anwendbar war.

77      Ebenfalls nicht von Belang für die Anwendung von Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 141/2000 ist die Tatsache, dass der Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen des zuerst als Arzneimittel für seltene Leiden ausgewiesenen Arzneimittels und der Investor des zweiten Arzneimittels dasselbe Pharmaunternehmen ist, wie die Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung selbst anerkannt haben.

78      Drittens ist entgegen dem, was die Klägerinnen geltend machen, der Verordnung Nr. 141/2000 nichts zu entnehmen, was darauf hinweist, dass die Anwendung von Art. 8 Abs. 3 die Anwendung von Abs. 1 dieses Artikels ausschließt. Daher zieht die Genehmigung für das Inverkehrbringen, die einem Arzneimittel für seltene Leiden mit denselben therapeutischen Anwendungsgebieten wie denjenigen erteilt wird, für die das Inverkehrbringen eines zuerst als Arzneimittel für seltene Leiden ausgewiesenen Arzneimittels genehmigt wurde, selbst aus einem der in Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 141/2000 vorgesehenen Gründe kraft Gesetzes ein zehnjähriges Marktexklusivitätsrecht gemäß Art. 8 Abs. 1 dieser Verordnung nach sich.

79      Was die von den Klägerinnen hilfsweise vorgetragene Argumentation betrifft, wonach, falls ein zweites ähnliches Arzneimittel für seltene Leiden, dessen Inverkehrbringen für dieselben therapeutischen Anwendungsgebiete wie denjenigen, für die das Inverkehrbringen des zuerst als Arzneimittel für seltene Leiden ausgewiesenen Arzneimittels genehmigt worden sei, in den Genuss eines zehnjährigen Zeitraums des Marktexklusivitätsrechts kommen könnte, der von demjenigen Zeitraum unabhängig sei, der dem zuerst als Arzneimittel für seltene Leiden ausgewiesenen Arzneimittel zugute komme, diese Exklusivität nur die Genehmigung für das Inverkehrbringen der Produkte verhindern könne, die dem zweiten Arzneimittel ähnlich seien, steht fest, dass nach Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 141/2000 einem Arzneimittel, das „ähnlich“ ist, die Genehmigung für das Inverkehrbringen nur für diejenigen therapeutischen Anwendungsgebiete verweigert werden kann, für die das Inverkehrbringen eines Arzneimittels für seltene Leiden genehmigt wurde und für die das genannte Arzneimittel für seltene Leiden in den Genuss eines Marktexklusivitätsrechts kommt. Nach dieser Bestimmung jedoch kommt das Marktexklusivitätsrecht diesem Arzneimittel für alle diese therapeutischen Anwendungsgebiete unabhängig von der Tatsache zugute, dass für das fragliche Arzneimittel, das selbst einem anderen Arzneimittel für seltene Leiden, dessen Inverkehrbringen genehmigt wurde, ähnlich ist, bei dieser Genehmigung eine der Ausnahmen in Art. 8 Abs. 3 dieser Verordnung geltend gemacht worden ist. Somit kann die Ähnlichkeit der therapeutischen Anwendungsgebiete, für die das Inverkehrbringen der beiden Arzneimittel für seltene Leiden genehmigt wurde, das Marktexklusivitätsrecht, in dessen Genuss jedes dieser Arzneimittel nach Art. 8 Abs. 1 dieser Verordnung für diese therapeutischen Anwendungsgebiete kommt, nicht beeinträchtigen.

80      Was das Vorbringen der Klägerinnen anbelangt, wonach die Auslegung der EMA den von der Verordnung Nr. 141/2000 verfolgten Zielen und insbesondere ihrem Art. 8 Abs. 1 zuwiderlaufe, ist festzustellen, dass das Marktexklusivitätsrecht gerade deshalb, um das mit dieser Verordnung verfolgte Ziel, nämlich Anreize zur Investition in Erforschung und Entwicklung und das Inverkehrbringen von Arzneimitteln für seltene Leiden zu schaffen, zu erreichen, in allen Fällen gewährt werden muss, in denen ein Arzneimittel für seltene Leiden Gegenstand einer Genehmigung für das Inverkehrbringen ist. Es gibt keine Bestimmung dieser Verordnung, die die Möglichkeit vorsieht, den Mechanismus des zehnjährigen Marktexklusivitätsrechts für Arzneimittel für seltene Leiden, deren Inverkehrbringen für bestimmte therapeutische Anwendungsgebiete genehmigt wurde, auszuschalten; ausgenommen sind nur die in Art. 8 Abs. 2 dieser Verordnung vorgesehenen Situationen, in denen der Zeitraum des Exklusivitätsrechts verkürzt werden kann, u. a. wenn die Kriterien des Art. 3 Abs. 1 der in Rede stehenden Verordnung nicht mehr erfüllt sind. Zudem würde dies das mit der Verordnung verfolgte Ziel aufs Spiel setzen und ihrem Geist zuwiderlaufen, denn der Investor eines Arzneimittels erhielte, nachdem er die Investitionen getätigt hat, die notwendig sind, um in den Verfahren der Ausweisung des Arzneimittels als Arzneimittel für seltene Leiden und der Genehmigung für das Inverkehrbringen nachzuweisen, dass die Kriterien für die Ausweisung des Arzneimittels als Arzneimittel für seltene Leiden erfüllt sind, keinen Ersatz für diese Investitionen.

81      Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen kann der zehnjährige Zeitraum des Marktexklusivitätsrechts, der in der Verordnung Nr. 141/2000 als Anreizmaßnahme zur Entwicklung und zum Inverkehrbringen von Arzneimitteln für seltene Leiden vorgesehen ist, nicht als mit den Zeiträumen des Datenschutzes gleichwertig angesehen werden, in deren Genuss die Unterlagen eines jeden Arzneimittels kommen, dessen Inverkehrbringen genehmigt wurde, da die Wirkungen und die Tragweite jedes dieser Mechanismen unterschiedlich sind.

82      Nach alledem ist der Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 8 Abs. 1 und 3 der Verordnung Nr. 141/2000 als unbegründet zurückzuweisen.

83      Die Klage ist daher in vollem Umfang abzuweisen.

 Kosten

84      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerinnen unterlegen sind, sind ihnen gemäß dem Antrag der EMA die Kosten aufzuerlegen.

85      Nach Art. 87 § 4 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre Kosten. Die Kommission trägt daher ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Teva Pharma BV und die Teva Pharmaceuticals Europe BV tragen ihre eigenen Kosten sowie die Kosten, die der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) entstanden sind.

3.      Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten.

Frimodt Nielsen

Dehousse

Collins

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 22. Januar 2015.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Englisch.