Language of document : ECLI:EU:C:2021:697

BESCHLUSS DES GERICHTSHOFS (Neunte Kammer)

3. September 2021(*)

„Rechtsmittel – Art. 181 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs – Offensichtlich unbegründetes Rechtsmittel – Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse – Regeln für die Aufmachung und Verpackung – Zigarettenstummel – Angebliche Unterlassung einer strengeren Regelung – Schaden, der an der Gesundheit des Rechtsmittelführers entstanden sein soll“

In der Rechtssache C‑176/21 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 22. März 2021,

Johann A. Löning, wohnhaft in Oldenburg (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt W. Mathes,

Rechtsmittelführer,

andere Partei des Verfahrens:

Europäische Kommission,

Beklagte im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten N. Piçarra sowie der Richter D. Šváby (Berichterstatter) und S. Rodin,

Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 181 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,

folgenden

Beschluss

1        Mit seinem Rechtsmittel beantragt Herr Johann A. Löning die Aufhebung des Beschlusses des Gerichts der Europäischen Union vom 20. Januar 2021, Löning/Europäische Union (T‑543/20, nicht veröffentlicht, im Folgenden: angefochtener Beschluss, EU:T:2021:31), mit dem das Gericht seine Klage nach Art. 268 AEUV auf Ersatz des Schadens abgewiesen hat, der ihm durch die Unterlassung der Europäischen Union entstanden sein soll, den Mitgliedstaaten in der Richtlinie 2014/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/37/EG (ABl. 2014, L 127, S. 1) strengere Regeln für Warnhinweise bezüglich der gesundheitlichen Gefahren von Zigarettenstummeln aufzuerlegen.

 Verfahren vor dem Gericht und angefochtener Beschluss

2        Mit Klageschrift, die am 27. August 2020 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob Herr Löning eine Klage auf Verurteilung der Union, vertreten durch die Europäische Kommission, zum Ersatz des Schadens, der ihm durch die unzureichende Richtlinie 2014/40 entstanden sei. Er beantragte ferner die Nachholung der im Rahmen der Richtlinie 2014/40 versäumten Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Verwendung entsprechender Warnhinweise.

3        Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Gericht die Klage als offensichtlich unbegründet ab.

4        Das Gericht wies in den Rn. 7 bis 9 des angefochtenen Beschlusses zunächst auf die ständige Rechtsprechung hin, wonach gemäß Art. 340 Abs. 2 AEUV die außervertragliche Haftung der Union für ein rechtswidriges Verhalten ihrer Organe von der Erfüllung dreier kumulativer Voraussetzungen abhänge, und zwar der Rechtswidrigkeit des den Organen vorgeworfenen Verhaltens, des tatsächlichen Vorliegens eines Schadens und des Bestehens eines Kausalzusammenhangs zwischen dem behaupteten Verhalten und dem geltend gemachten Schaden, und prüfte in Rn. 10 dieses Beschlusses als Erstes die Voraussetzung des tatsächlichen Vorliegens eines Schadens.

5        In diesem Zusammenhang wies das Gericht in Rn. 11 des angefochtenen Beschlusses darauf hin, dass es dem Kläger obliege, nachzuweisen, dass ihn der geltend gemachte Schaden persönlich treffe und dass er tatsächlich und sicher sei, wobei diese letztgenannte Voraussetzung erfüllt sei, wenn der Schaden unmittelbar bevorstehe und mit hinreichender Sicherheit vorhersehbar sei, auch wenn er noch nicht genau beziffert werden könne.

6        In den Rn. 12 bis 16 des angefochtenen Beschlusses entschied das Gericht, dass der Kläger das Vorliegen eines persönlichen und sicheren Schadens nicht nachgewiesen habe. Der Kläger berufe sich allgemein auf eine Umweltverschmutzung, ausgelöst durch die Entsorgung von Zigarettenstummeln, sowie auf die toxischen Auswirkungen dieser Verschmutzung auf lebende Organismen, einschließlich Menschen (Rn. 13 des angefochtenen Beschlusses), und dieses Vorbringen beziehe sich auf einen Schaden, der in einer Umweltverschmutzung im Bereich des Wassers bestehe, die sich allgemein auf die menschliche Gesundheit auswirken könnte (Rn. 14 und 15 des angefochtenen Beschlusses). Daher habe der Kläger das Vorliegen eines ihm persönlich entstandenen Schadens nicht dargetan. Da er nicht durch irgendeinen Beweis untermauert habe, dass seine eigene Gesundheit auf unmittelbar bevorstehende und vorhersehbare Weise von dieser Verschmutzung betroffen sei, entschied das Gericht, dass es weder in der Lage sei, das Ausmaß und das tatsächliche Vorliegen des Schadens, auf den sich der Kläger berufe, zu beurteilen, noch, das Vorliegen eines Schadens, der nicht genau beziffert werden könne, mit ausreichender Sicherheit festzustellen.

7        In den Rn. 18 bis 21 des angefochtenen Beschlusses wies das Gericht den vom Rechtsmittelführer gestellten Antrag auf Naturalrestitution zurück, da der Antrag auf Schadensersatz, der diesem als Grundlage diente, offensichtlich jeder rechtlichen Grundlage entbehre.

 Anträge des Rechtsmittelführers vor dem Gerichtshof

8        Mit seinem Rechtsmittel beantragt der Rechtsmittelführer,

–        den angefochtenen Beschluss aufzuheben und

–        die Union zu verurteilen, den entstandenen Schaden zu ersetzen.

 Zum Rechtsmittel

9        Nach Art. 181 seiner Verfahrensordnung kann der Gerichtshof das Rechtsmittel, wenn es ganz oder teilweise offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist, jederzeit auf Vorschlag des Berichterstatters und nach Anhörung des Generalanwalts und gegebenenfalls ohne Zustellung der Rechtsmittelschrift an den Beklagten im ersten Rechtszug ganz oder teilweise durch mit Gründen versehenen Beschluss zurückweisen.

10      Diese Bestimmung ist im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittels anzuwenden.

 Vorbringen des Rechtsmittelführers

11      Zur Stützung seines Rechtsmittels trägt der Rechtsmittelführer drei Rechtsmittelgründe vor.

12      Mit seinem ersten Rechtsmittelgrund macht er im Wesentlichen geltend, das Gericht habe dadurch einen Rechtsfehler begangen, dass es in den Rn. 10 bis 17 des angefochtenen Beschlusses entschieden habe, dass die außervertragliche Haftung der Union wegen der Tatsache, dass den Mitgliedstaaten mit der Richtlinie 2014/40 nicht vorgeschrieben worden sei, auf Zigarettenpackungen auf die negativen Folgen von aus Tabakkonsum resultierenden Abfällen wie Zigarettenfiltern für Gesundheit und Umwelt hinzuweisen, nicht ausgelöst werden könne, weil der Rechtsmittelführer das Vorliegen eines persönlichen und sicheren Schadens nicht nachgewiesen habe. Der Rechtsmittelführer trägt vor, dass die Schädlichkeit von weggeworfenen Zigarettenfiltern für die Gesundheit und den menschlichen Organismus durch Eintrag der toxischen Stoffe, aus denen sie bestünden, in die Nahrungskette eine offenkundige Tatsache sei, und verweist hierfür auf eine Reihe wissenschaftlicher Studien. Unter Berücksichtigung des Ausmaßes dieses Phänomens schließt er daraus, dass er einen tatsächlichen und sicheren Schaden an seiner Gesundheit erleide. Dadurch, dass das Gericht in den Rn. 16 und 17 des angefochtenen Beschlusses seine Klage mit der Begründung abgewiesen habe, dass er das Vorliegen eines persönlichen und sicheren Schadens nicht nachgewiesen habe, habe es die Darlegungslast im Hinblick auf den Eintritt des geltend gemachten Schadens überspannt und dadurch, dass es Art. 126 der Verfahrensordnung des Gerichts zu Unrecht angewandt habe, einen Rechtsfehler begangen.

13      Im Übrigen müsse der Nachweis für den konkreten Schaden nicht erbracht werden, denn die Kommission habe im Rahmen des Erlasses der Richtlinie (EU) 2019/904 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2019 über die Verringerung der Auswirkungen bestimmter Kunststoffprodukte auf die Umwelt (ABl. 2019, L 155, S. 1) die Gefährlichkeit der in Zigarettenfiltern vorhandenen toxischen Stoffe, die in die Umwelt und damit in die Nahrungskette gelangten, selbst anerkannt.

14      Mit seinem zweiten Rechtsmittelgrund macht der Rechtsmittelführer geltend, dass zwischen dem rechtswidrigen Unterlassen des Unionsgesetzgebers und dem ihm entstandenen Schaden ein Kausalzusammenhang bestehe. Hätte der Unionsgesetzgeber es nämlich nicht rechtswidrig unterlassen, die Mitgliedstaaten zu verpflichten, Hinweise auf die Gefährlichkeit von in die Umwelt geworfenen Filtern anzubringen, würden weniger Raucher diese Filter unachtsam entsorgen.

15      Mit seinem dritten und letzten Rechtsmittelgrund macht der Rechtsmittelführer geltend, dass das Gericht in den Rn. 18 bis 21 des angefochtenen Beschlusses dadurch einen Rechtsfehler begangen habe, dass es seinen Antrag auf Naturalrestitution wegen eines fehlenden persönlichen und sicheren Schadens zurückgewiesen habe. Aus der Rechtsprechung, insbesondere dem Urteil vom 16. Dezember 2010, Systran und Systran Luxembourg/Kommission (T‑19/07, EU:T:2010:526), gehe nämlich hervor, dass eine Naturalrestitution durch Anordnung eines bestimmten Handelns gegenüber der Kommission zur Schadensverhinderung möglich sei.

16      In diesem Rahmen beanstandet er den vom Gericht in Rn. 19 des angefochtenen Beschlusses angestellten Vergleich mit dem sogenannten „Abgas-Verfahren“ (Beschluss vom 4. Mai 2018, Abel u. a./Kommission, T‑197/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:258), da im vorliegenden Verfahren feststehe, dass der geltend gemachte Schaden für die Gesundheit konkret sei und unmittelbar bevorstehe.

 Würdigung durch den Gerichtshof

17      Mit seinem ersten Rechtsmittelgrund macht der Rechtsmittelführer im Wesentlichen geltend, dass das Gericht in den Rn. 10 bis 17 dadurch einen Rechtsfehler begangen habe, dass es entschieden habe, dass er das Vorliegen eines persönlichen und sicheren Schadens nicht nachgewiesen habe. Der Rechtsmittelführer macht insbesondere geltend, dass die durch die Zersetzung von Zigarettenfiltern in der Umwelt hervorgerufene toxische Wirkung auf die Gesundheit eine offenkundige Tatsache darstelle, die nicht nachgewiesen zu werden brauche.

18      Dieses Vorbringen ist als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

19      Der Gerichtshof hat nämlich wiederholt entschieden, dass der Kläger für das Vorliegen eines tatsächlichen und sicheren Schadens beweispflichtig ist (Urteile vom 9. November 2006, Agraz u. a./Kommission, C‑243/05 P, EU:C:2006:708, Rn. 27, sowie vom 30. Mai 2017, Safa Nicu Sepahan/Rat, C‑45/15 P, EU:C:2017:402, Rn. 61 und 62). Zudem ist es Sache der Partei, die sich auf die Haftung der Union beruft, schlüssige Beweise für das Vorliegen oder den Umfang des von ihr geltend gemachten Schadens zu erbringen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. September 1997, Blackspur DIY u. a./Rat und Kommission, C‑362/95 P, EU:C:1997:401, Rn 31). Ferner obliegt dem Kläger der Nachweis, dass ihn der von ihm geltend gemachte Schaden persönlich trifft (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. November 1989, Briantex und Di Domenico/EWG und Kommission, 353/88, EU:C:1989:415, Rn. 6).

20      Im vorliegenden Fall hat das Gericht, nachdem es in Rn. 11 des angefochtenen Beschlusses auf die ständige Rechtsprechung hingewiesen hat, nach der der Kläger bei einer Klage aus außervertraglicher Haftung nachweisen muss, dass der Schaden, für den er Ersatz begehrt, persönlich, tatsächlich und sicher ist, wobei diese Voraussetzung erfüllt ist, wenn dieser Schaden unmittelbar bevorsteht und mit hinreichender Sicherheit vorhersehbar ist, in den Rn. 13 und 14 dieses Beschlusses entschieden, dass der Rechtsmittelführer das Vorliegen eines persönlichen Schadens nicht hinreichend belegt habe, sondern lediglich eine allgemeine Argumentation vorgebracht habe, die auf wissenschaftliche Studien zur Verschmutzung der Umwelt durch das Wegwerfen von Zigarettenstummeln, die sich allgemein auf die menschliche Gesundheit auswirken könnte, gestützt gewesen sei. Des Weiteren hat das Gericht in Rn. 15 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass der Rechtsmittelführer keinen Beweis beigebracht habe, dem entnommen werden könnte, dass seine eigene Gesundheit zumindest auf unmittelbar bevorstehende und vorhersehbare Weise von der von ihm bezeichneten Verschmutzung betroffen sei, so dass das Gericht nicht in der Lage war, das tatsächliche Vorliegen des Schadens, auf den er sich berief, zu beurteilen.

21      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass das Gericht entgegen dem Vorbringen hinsichtlich der dem Rechtsmittelführer obliegenden Beweislast keinen Rechtsfehler begangen hat.

22      Demnach ist der erste Rechtsmittelgrund als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

23      Die Tatsache, dass der Rechtsmittelführer das tatsächliche Vorliegen des Schadens, der ihm entstanden sein soll, nicht hat nachweisen können, führt zur Zurückweisung des zweiten Rechtsmittelgrundes, in dessen Rahmen er im Wesentlichen geltend macht, dass zwischen dem angeblich rechtswidrigen Unterlassen, das er dem Unionsgesetzgeber anlastet, und dem Schaden, der ihm entstanden sein soll, ein Kausalzusammenhang bestehe.

24      Mit seinem dritten Rechtsmittelgrund macht der Rechtsmittelführer geltend, dass das Gericht in den Rn. 18 bis 21 des angefochtenen Beschlusses seinen Antrag auf Naturalrestitution zu Unrecht mit der Begründung zurückgewiesen habe, dass er das Vorliegen eines persönlichen und sicheren Schadens nicht nachgewiesen habe, obwohl das Gericht, um den Eintritt eines Schadens zu verhindern, gegenüber der Kommission habe anordnen können, geeignete Maßnahmen zu erlassen, um der die Richtlinie 2014/40 betreffenden Unterlassung abzuhelfen.

25      Hierzu genügt die Feststellung, dass im vorliegenden Fall der vom Rechtsmittelführer gestellte Antrag auf Naturalrestitution jeder rechtlichen Grundlage entbehrte, so dass für das Gericht jedenfalls keine Veranlassung bestand, dem vom Rechtsmittelführer gestellten Antrag auf Naturalrestitution stattzugeben. Daher hat das Gericht in Rn. 21 des angefochtenen Beschlusses den von ihm gestellten Antrag auf Erlass einer Anordnung rechtsfehlerfrei zurückgewiesen.

26      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass der dritte Rechtsmittelgrund nur als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen werden kann.

27      Nach alledem ist das Rechtsmittel als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

 Kosten

28      Nach Art. 137 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, wird über die Kosten in dem das Verfahren beendenden Beschluss entschieden. Da der vorliegende Beschluss im vorliegenden Fall ergeht, bevor die Rechtsmittelschrift dem Beklagten im ersten Rechtszug zugestellt worden ist und somit bevor diesem Kosten entstehen konnten, ist zu entscheiden, dass Herr Löning seine eigenen Kosten trägt.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Neunte Kammer) beschlossen:

1.      Das Rechtsmittel wird als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.

2.      Herr Johann A. Löning trägt seine eigenen Kosten.

Luxemburg, den 3. September 2021

Der Kanzler

 

Der Präsident der Neunten Kammer

A. Calot Escobar

 

N. Piçarra


*      Verfahrenssprache: Deutsch.