Language of document : ECLI:EU:C:1999:521

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

ANTONIO SAGGIO

vom 21. Oktober 1999 (1)

Rechtssache C-54/99

Association Église de scientologie de Paris

und

Scientology International Reserves Trust

gegen

Premier ministre

(Vorabentscheidungsersuchen des Conseil d'État [Frankreich])

„Freier Kapitalverkehr - Beschränkungen - Maßnahmen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung im Sinne von Artikel 73d Absatz 1 Buchstabe b EG-Vertrag (jetzt Artikel 58 Absatz 1 Buchstabe b EG) gerechtfertigt sind - Nationale Vorschriften über die vorherige Genehmigung ausländischer Investitionen“

I - Gegenstand des Vorabentscheidungsersuchens

1.
    Mit dem vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen bittet der Conseil d'État (Frankreich) den Gerichtshof um Auslegung des Artikels 73d Absatz 1 Buchstabe b EG-Vertrag (jetzt Artikel 58 Absatz 1 Buchstabe b EG) und insbesondere um Feststellung, ob eine Regelung, die die vorherige Genehmigung ausländischer Direktinvestitionen vorschreibt, als beschränkende Maßnahme zur Sicherstellung der inneren öffentlichen Ordnung gerechtfertigt sein kann, wenn sie zugleich vorsieht, daß die Genehmigung einen Monat nach dem Eingang des Genehmigungsantrags als erteilt anzusehen ist, sofern dieser Antrag nicht innerhalb der genannten Frist ausdrücklich abgelehnt wird.

II - Rechtlicher Rahmen

Die einschlägigen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts

2.
    Vor Inkrafttreten des Vertrages über die Europäische Union, der eine tiefgreifende Änderung der Gemeinschaftsbestimmungen über den freien Kapitalverkehr mit sich brachte, enthielt der EWG-Vertrag in Artikel 67 Absatz 1 im Gegensatz zu den übrigen Bereichen, in denen der Gemeinsame Markt geschaffen wurde, keine Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Öffnung ihrer Grenzen für Kapitalvermögen aus anderen Mitgliedstaaten, abgesehen von „Zahlungen ..., die sich auf Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr beziehen“(2); er sah nämlich nur vor, daß die Beschränkungen des Kapitalverkehrs, „[s]oweit es für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes notwendig ist, ... während der Übergangszeit“ schrittweise beseitigt werden (Artikel 67 Absatz 1). Außerdem wurde dem Rat in den Artikeln 69 und 70 Absatz 1 des Vertrages die Aufgabe übertragen, die erforderlichen Richtlinien „für die schrittweise Durchführung des Artikels 67“ zu erlassen und „ein Höchstmaß an Liberalisierung“ zu erreichen.

3.
    Aufgrund dieser Bestimmungen liberalisierte der Rat durch die Richtlinie 88/361/EWG vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages(3) den Kapitalverkehr und verpflichtete die Mitgliedstaaten, „die Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Gebietsansässigen in den Mitgliedstaaten“ zu beseitigen (Artikel 1); dem hatten sie bis 1. Juli 1990 nachzukommen (Artikel 6).Im Anhang der Richtlinie findet sich eine nicht erschöpfende Aufzählung der als endgültig liberalisiert anzusehenden Vorgänge. Zu ihnen gehören Direktinvestitionen.

Nach Artikel 4 der Richtlinie 88/361 wird durch deren Bestimmungen das „Recht der Mitgliedstaaten, auf insbesondere steuerrechtlichem oder bankenaufsichtsrechtlichem Gebiet die unerläßlichen Maßnahmen zu treffen, um Zuwiderhandlungen gegen ihre Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu verhindern und Meldeverfahren für den Kapitalverkehr zwecks administrativer oder statistischer Information vorzusehen, ... nicht berührt“.

4.
    Die Artikel 67 bis 73 EG-Vertrag wurden mit Wirkung vom 1. Januar 1994 durch die Artikel 73b bis 73g des Vertrages über die Europäische Union ersetzt(4).

Artikel 73b (jetzt Artikel 56 EG) sieht folgendes vor: „Im Rahmen der Bestimmungen [des Titels III Kapitel 4 über den Kapital- und Zahlungsverkehr] sind alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten.“

In Artikel 73d heißt es: „Artikel 73b berührt nicht das Recht der Mitgliedstaaten, ... b) die unerläßlichen Maßnahmen zu treffen, um Zuwiderhandlungen gegen innerstaatliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften, insbesondere auf dem Gebiet des Steuerrechts und der Aufsicht über Finanzinstitute, zu verhindern, sowie Meldeverfahren für den Kapitalverkehr zwecks administrativer oder statistischer Information vorzusehen oder Maßnahmen zu ergreifen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit gerechtfertigt sind.“

Die einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften

5.
    Im französischen Recht sieht Artikel 1 des Gesetzes Nr. 66-1008 vom 28. Dezember 1966 über die finanziellen Beziehungen mit dem Ausland (im folgenden: Gesetz Nr. 66-1008) folgendes vor: „Die finanziellen Beziehungen zwischen Frankreich und dem Ausland sind frei. Bei der Ausübung dieser Freiheit sind die in diesem Gesetz vorgesehenen Modalitäten sowie die von Frankreich eingegangenen internationalen Verpflichtungen zu beachten.“

Nach Artikel 3 Nummer 1 Buchstabe c ist die Regierung insbesondere befugt, zur Wahrung nationaler Interessen die Bildung und die Auflösung von ausländischen Investitionen in Frankreich einer Meldepflicht, einer vorherigen Genehmigung oder einer Überprüfung zu unterwerfen.

Artikel 5-1, der durch das Gesetz Nr. 96-109 vom 14. Februar 1996 eingefügt wurde, bestimmt: „Stellt der Wirtschaftsminister fest, daß eine ausländische Investition auf einem Tätigkeitsgebiet stattfindet oder stattgefunden hat, das in Frankreich - auch wenn nur gelegentlich - an der Ausübung hoheitlicher Gewalt teilhat, oder daß eine ausländische Investition geeignet ist, die öffentliche Ordnung, Gesundheit oder Sicherheit zu gefährden, oder daß sie auf einem Tätigkeitsgebiet der Forschung, der Herstellung oder des Handels erfolgt, das Waffen, Munition, Pulver und explosive Stoffe, die für militärische Zwecke bestimmt sind, oder Kriegsmaterial zum Gegenstand hat, und wurde kein Antrag auf die gemäß Artikel 3 Nummer 1 Buchstabe c dieses Gesetzes erforderliche vorherige Genehmigung gestellt oder die Genehmigung verweigert oder den Auflagen nicht genügt, unter denen die Genehmigung erteilt wurde, so kann er den Investor verpflichten, die Transaktion nicht weiterzuverfolgen oder zu ändern oder die frühere Situation [d. h. die Situation vor der Investition] auf eigene Kosten wiederherzustellen“. Weiter heißt es: „Diese Anordnung kann nur ergehen, wenn der Investor zuvor aufgefordert worden ist, binnen zwei Wochen Stellung zu nehmen.“

6.
    Artikel 11 des Dekrets Nr. 89-938 vom 29. Dezember 1989 zur Durchführung von Artikel 3 des Gesetzes Nr. 66-1008 sieht folgendes vor: „Ausländische Direktinvestitionen in Frankreich sind frei. Ihre Durchführung unterliegt einer Pflicht zur Meldung bei den Behörden.“

Artikel 11bis dieses Dekrets schreibt u. a. folgendes vor: „Die Regelung [über die vollständige Liberalisierung] in Artikel 11 gilt nicht für Investitionen im Sinne von Artikel 5-1 I Nummer 1 des Gesetzes Nr. 66-1008 vom 28. Dezember 1966 über die finanziellen Beziehungen mit dem Ausland in der insbesondere durch das Gesetz Nr. 96-109 vom 14. Februar 1996 geänderten Fassung.“

Ferner bestimmt Artikel 12: „Ausländische Direktinvestitionen in Frankreich, die unter Artikel 11bis fallen, bedürfen der vorherigen Genehmigung durch den Wirtschaftsminister. Diese Genehmigung gilt einen Monat nach dem Eingang der Investitionsmeldung beim Wirtschaftsminister als erteilt, es sei denn, daß dieser innerhalb der genannten Frist die Aussetzung der betreffenden Transaktion angeordnet hat. Der Wirtschaftsminister kann vor Ablauf der durch diesen Artikel vorgeschriebenen Frist auf das Recht zur Aussetzung verzichten.“

Nach Artikel 13 schließlich sind verschiedene eng mit der Gründung oder Änderung von Gesellschaften verbundene Transaktionen, Investitionen begrenzten Umfangs sowie Investitionen in bestimmte Unternehmensgruppen oder zumErwerb landwirtschaftlicher Flächen von der behördlichen Meldepflicht und der vorherigen Genehmigung gemäß den Artikeln 11 und 12 ausgenommen(5).

III - Das Ausgangsverfahren und die Vorlagefrage

7.
    Am 1. Februar 1996 stellten die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens beim Premierminister einen Antrag auf Aufhebung der Artikel 11ter und 11quater des Dekrets vom 29. Dezember 1989 über die vorherige Genehmigung bestimmter Kategorien ausländischer Direktinvestitionen.

8.
    Aus den Erklärungen der französischen Regierung geht hervor, daß die Klage des Ausgangsverfahrens im Anschluß an zwei Maßnahmen des französischen Wirtschaftsministers erhoben wurde, mit denen er die Durchführung ausländischer Investitionen für die Église de scientologie de Paris ausgesetzt hatte. Die erste Maßnahme erfolgte am 27. April 1995 und betrifft finanzielle Transaktionen der amerikanischen Scientology-Kirche zur Übernahme des gesamten Vermögens der Église de scientologie de Paris. Die zweite Maßnahme, die am 29. November 1995 getroffen wurde, bezieht sich auf Investitionen der britischen Scientology-Kirche,die für Rechnung der amerikanischen Kirche die gesamten Schulden der französischen Kirche begleichen wollte(6).

Am 29. Januar 1996 erhoben die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens gegen die Entscheidung vom 27. April 1995 Klage beim Tribunal administratif Paris. Gleichzeitig stellten sie beim Premierminister den Aufhebungsantrag, der dem Ausgangsverfahren zugrunde liegt.

Durch Dekret vom 14. Februar 1996 wurden die Artikel 11ter und 11quater des Dekrets von 1989 aufgehoben; das von den Klägerinnen im Ausgangsverfahren angefochtene System vorheriger Genehmigung blieb jedoch unverändert.

9.
    Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens riefen den Conseil d'État an und beantragten dort die Nichtigerklärung der stillschweigenden Ablehnung ihres Aufhebungsantrags durch den Premierminister. Sie machten eine Überschreitung von Befugnissen und die Unvereinbarkeit der französischen Rechtsvorschriften mit den Artikeln 73b, 73c EG-Vertrag (jetzt Artikel 57 EG), 73d, 73e EG-Vertrag (aufgehoben durch den Vertrag von Amsterdam), 73f und 73g EG-Vertrag (jetzt Artikel 59 EG und 60 EG) geltend.

10.
    Da nach Auffassung des Conseil d'État Zweifel an der Auslegung dieser Vertragsbestimmungen bestehen, hat er dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: „Läßt es Artikel 73d ..., wonach das Verbot aller Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten das Recht der Mitgliedstaaten nicht berührt, .Maßnahmen zu ergreifen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit gerechtfertigt sind', zu, daß ein Mitgliedstaat unter Abweichung von dem für ausländische Investitionen in seinem Hoheitsgebiet geltenden System der vollständigen Freiheit oder der Meldung der Investitionen ein System der vorherigen Genehmigung für Investitionen beibehält, die geeignet sind, die öffentliche Ordnung, Gesundheit oder Sicherheit zu gefährden, wobei diese Genehmigung einen Monat nach dem Eingang der Investitionsmeldung beim Minister als erteilt gilt, es sei denn, daß dieser innerhalb dieser Frist die Aussetzung der betreffenden Transaktion angeordnet hat?“

IV - Zur Beantwortung der Vorlagefrage

11.
    Die Vorlagefrage des Conseil d'État erfordert im wesentlichen eine Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Systems, das wie die französische Regelung die vorherigeGenehmigung ausländischer Investitionen vorsieht, wobei dessen Rechtmäßigkeit von der Möglichkeit abhängt, ein solches System als „gerechtfertigt“ im Sinne von Artikel 73d Absatz 1 Buchstabe b des Vertrages anzusehen.

Die Gemeinschaftsrechtsprechung zu Verfahren der vorherigen Kontrolle des Kapitalverkehrs

12.
    Der Gerichtshof hatte bereits Gelegenheit, sich zur Vereinbarkeit nationaler Kontrollsysteme für die Kapitalein- und -ausfuhr mit den Vertragsbestimmungen zu äußern. Bekanntlich wurden Systeme vorheriger Genehmigung bis zur vollständigen Liberalisierung des Kapitalverkehrs, also bis zum 1. Juli 1990, als vereinbar mit der Gemeinschaftsregelung angesehen, da die Bedingtheit dieser Freiheit die Befugnis der nationalen Behörden unangetastet ließ, den Kapitalverkehr einer Kontrolle - und gegebenenfalls einer vorherigen Genehmigung(7) - zu unterwerfen, und auch die Beibehaltung von Regelungen erlaubte, die sich beschränkend auf Kapitalbewegungen aus oder nach dem Ausland auswirkten. Unter diesem Blickwinkel ist somit heute das Urteil Casati auszulegen, worin der Gerichtshof entschied, daß die italienische Regelung, die bei der Wiederausfuhr von Geldbeträgen eine Erklärung mittels eines behördlichen Formulars vorschrieb, mit Artikel 67 des Vertrages vereinbar sei. Bei dieser Gelegenheit führte der Gerichtshof aus, daß die Kapitalbewegungen „enge Beziehungen zur Wirtschafts- und Währungspolitik der Mitgliedstaaten auf[weisen]“ und daß sich daher „nicht ausschließen [läßt], daß die völlige Freiheit jeder Kapitalbewegung die Wirtschaftspolitik des einen oder anderen Staates gefährden oder ein Ungleichgewicht seiner Zahlungsbilanz bewirken kann, wodurch das ordnungsgemäße Funktionieren des Gemeinsamen Marktes beeinträchtigt wird“. Deshalb legte der Gerichtshof Artikel 67 dahin aus, daß sich die Verpflichtung zur Liberalisierung des Kapitalverkehrs „zeitlich ändern [kann] und ... von einer Beurteilung der Bedürfnisse des Gemeinsamen Marktes sowie einer Einschätzung der Vorteile wie auch der Risiken ab[hängt], die eine Liberalisierung für diesen Markt ... mit sich bringen könnte“(8). Dieses Urteil läßt sich nicht auf die jetzige Lage übertragen, in der den Mitgliedstaaten nur noch eine als residual zubezeichnende Kontrollbefugnis verbleibt, die nur aus den in Artikel 73d des Vertrages ausdrücklich vorgesehenen Gründen ausgeübt werden kann.

13.
    Ich gehe nun zu den Urteilen der neunziger Jahre über, als der Liberalisierungsprozeß für den Kapitalverkehr beendet war. In diesen Urteilen hat der Gerichtshof das spanische System für rechtmäßig erklärt, nach dem eine Kapitalausfuhr von mehr als 5 Millionen ESP einer vorherigen behördlichen Genehmigung bedurfte. Bei der Auslegung der Vertragsbestimmungen über den freien Kapitalverkehr hat sich der Gerichtshof nicht auf den verbleibenden Umfang mitgliedstaatlicher Befugnisse gestützt, sondern auf die Möglichkeit, die vom Mitgliedstaat auferlegten Beschränkungen mit dem Erfordernis von Kontrollen in den vom Gemeinschaftsrecht ausdrücklich vorgesehenen Fällen zu rechtfertigen.

Die Rechtssache Bordessa u. a. von 1995(9) beruht auf einem Sachverhalt vom 10. November 1992, als der Vertrag von Maastricht noch nicht in Kraft war, so daß sich das nationale Gericht bei seiner Auslegungsfrage ausschließlich auf die Richtlinie 88/361 und nicht auf die Bestimmungen des EG-Vertrags bezog. Sowohl der Gerichtshof als auch der Generalanwalt legten jedoch nicht nur Artikel 4 der Richtlinie, sondern auch Artikel 73d Absatz 1 Buchstabe b des Vertrages aus, obgleich die letztgenannte Bestimmung zur Zeit des Sachverhalts noch nicht in Kraft war.

Nach Artikel 4 der Richtlinie 88/361 können die Mitgliedstaaten Maßnahmen treffen (oder beibehalten), um Zuwiderhandlungen gegen ihre Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu verhindern, und zwecks administrativer oder statistischer Information die Verpflichtung zur vorherigen Meldung von Kapitalbewegungen vorsehen. Artikel 73d Absatz 1 Buchstabe b berechtigt die Mitgliedstaaten ausdrücklich ganz allgemein, auf diesem Gebiet Maßnahmen zu ergreifen, „die aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit gerechtfertigt sind“.

Um die Rechtmäßigkeit ihrer Regelung darzutun, berief sich die spanische Regierung darauf, daß die Genehmigungspflicht für den Transfer größerer Bargeldbeträge aufgrund des Erfordernisses der Bekämpfung von Straftaten gerechtfertigt sei, die häufig mit solchen Vorgängen in Verbindung stünden, wie etwa Geldwäsche, Drogenhandel, Steuerhinterziehung und Terrorismus, also aus Gründen der öffentlichen Ordnung.

Der Generalanwalt führte hierzu aus: „Meines Erachtens können die von der spanischen Regierung genannten Ziele ebenso wirksam auch durch die Einführungeiner Meldepflicht erreicht werden. Dem doppelten Erfordernis, die Identität der Personen, die sehr hohe Geldbeträge über die Grenze schaffen, zu ermitteln (und mithin zu verhindern, daß derartige Transaktionen anonym durchgeführt werden) und etwaige zusätzliche Untersuchungen einzuleiten, um festzustellen, ob zwischen den fraglichen Transaktionen und bestimmten Straftaten Verbindungen bestehen, würde nämlich durch die Anmeldung voll entsprochen. Zudem würden hiermit die den Mitgliedstaaten durch das einschlägige Gemeinschaftsrecht auferlegten Verpflichtungen mit Sicherheit voll eingehalten.“(10)

Der Gerichtshof hat sich diesen Erwägungen angeschlossen und erklärt, daß „die Genehmigungspflicht die Wirkung [hat], daß sie die Devisenausfuhr aussetzt und in jedem einzelnen Fall von der Zustimmung durch die Verwaltung, die besonders zu beantragen ist, abhängig macht“, und daß dies „letztlich die Ausübung des freien Kapitalverkehrs in das Ermessen der Verwaltung stellen [würde] und ... diese Freiheit daher illusorisch werden lassen [könnte]“. Die Genehmigungspflicht könne nämlich „eine Behinderung des in Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht abgewickelten Kapitalverkehrs zur Folge haben, was Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie zuwiderliefe“. Der Gerichtshof kam daher zu dem Ergebnis, daß nach dieser Bestimmung „die Anwendung der in Absatz 1 genannten Maßnahmen und Verfahren .keine Behinderung des im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht abgewickelten Kapitalverkehrs zur Folge haben' [darf]“; dagegen „kann eine vorherige Anmeldung eine unerläßliche Maßnahme darstellen, die die Mitgliedstaaten treffen können, da hierdurch im Gegensatz zu einer vorherigen Genehmigung die betreffende Transaktion nicht ausgesetzt und es den nationalen Behörden dabei trotzdem ermöglicht wird, eine tatsächliche Kontrolledurchzuführen, um Zuwiderhandlungen gegen ihre Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu verhindern“(11) (Randnrn. 24 bis 27).

Vorbringen der Parteien

14.
    In der vorliegenden Rechtssache trägt die französische Regierung vor, ihre Regelung verlange im Gegensatz zur spanischen Regelung keine Genehmigung für alle Transaktionen, die Kapitalbewegungen aus oder nach dem Ausland mit sich brächten, sondern nur für solche Transaktionen, die ausdrücklich in Artikel 11bis des Gesetzes Nr. 66-1008 erwähnt seien. Während nämlich Artikel 3 Nummer 1 des Gesetzes Nr. 66-1008 bestimmt habe, daß die Regierung „zur Wahrung nationaler Interessen“ ein System von Anmeldungen, vorherigen Genehmigungen oder Überprüfungen bei der Bildung und Auflösung ausländischer Investitionen in Frankreich einführen könne, werde im Dekret Nr. 89-938, das die Grenzen der Genehmigungsregelung umreiße, ausdrücklich festgelegt, daß die Genehmigung nur in speziellen Fällen verlangt werde, zu denen eine Investition gehöre, die „geeignet ist, die öffentliche Ordnung ... zu gefährden“. Das Gesetz Nr. 96-109, durch das die Regelung im Gesetz Nr. 66-1008 geändert worden sei, und das Dekret Nr. 96-117, mit dem das Dekret von 1989 geändert worden sei, hätten somit die Systematik des französischen Kontrollsystems für ausländische Investitionen insofern umgekehrt, als die nunmehr geltenden Vorschriften auf einem System nachträglicher Meldungen der Investitionen und nicht ihrer vorherigen Genehmigung beruhten. Nach der jetzigen Regelung habe die Meldung denselben Wert wie ein Genehmigungsantrag. Das Erfordernis einer vorherigen Genehmigung stehe folglich im Einklang mit dem Ziel, die nationale öffentliche Ordnung zu wahren; zum einen werde die Transaktion nämlich nur für begrenzte Zeit - höchstens einen Monat - ausgesetzt und zum anderen beträfen die Aussetzungsmaßnahmen nur gravierende Fälle einer echten Bedrohung der öffentlichen Ordnung.

Die vorherige Genehmigung bezwecke im wesentlichen nur, den Wirtschaftsteilnehmer bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Investition vor späteren Maßnahmen zu schützen, die eine bereits getätigte Transaktion gefährden könnten.

15.
    Die Kommission trägt hingegen vor, daß die französische Regelung zur Aussetzung der Investition führe, was für sich genommen eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstelle. Eine derartige Beschränkung könne nicht alsgerechtfertigt angesehen werden, da sie nicht nur dann eintrete, wenn eine tatsächliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung, Gesundheit oder Sicherheit vorliege, sondern auch bei einer bloßen Vermutung, daß die Transaktion solche Wirkungen entfalte. Die bloße Vermutung reiche aber nicht aus, um die beschränkende Maßnahme zu rechtfertigen, da sie dazu führe, daß die Behörden ausländische Investitionen willkürlich blockieren könnten. Um dies zu verhindern, müßte die nationale Regelung hinreichend präzise und objektive Beurteilungskriterien vorsehen, die gegebenenfalls auch gerichtlich überprüfbar sein müßten.

Prüfung der Frage

16.
    Mit der zu prüfenden Vorlagefrage möchte das französische Gericht im wesentlichen wissen, ob ein Mitgliedstaat ein System der vorherigen Genehmigung einführen oder beibehalten kann, das eine derartige Genehmigung nicht (wie die spanische Regelung im vorgenannten Fall Bordessa u. a.) für alle Kapitalbewegungen aus und nach dem Ausland, sondern nur für bestimmte Gruppen von Transaktionen vorsieht, nämlich nur für solche, die mit einer Nichtbeachtung innerstaatlicher Vorschriften verbunden sein oder eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nach sich ziehen können und bei denen eine Anmeldung nicht ausreichen würde, um solche Folgen zu vermeiden.

Die Frage ist meines Erachtens zu bejahen. Artikel 73d Absatz 1 Buchstabe b, um dessen Auslegung ersucht wird, bezieht sich auf Maßnahmen, mit denen Verstöße gegen innerstaatliche Vorschriften verhindert werden sollen oder die aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit gerechtfertigt sind. Diese Bestimmung schließt nicht absolut und unbedingt aus, daß es sich dabei um vorherige Maßnahmen handeln kann, die zur Aussetzung eines Investitionsvorgangs oder zur zeitweisen Blockierung des Kapitals an der Grenze führen. Die Worte „unerläßliche Maßnahmen ..., um ... zu verhindern“ beziehen sich nämlich weniger auf Maßnahmen mit Sanktionscharakter als auf Präventivmaßnahmen, die grundsätzlich nicht unvereinbar mit Genehmigungserfordernissen sind, mit denen - wenn auch nur für begrenzte Zeit - Behinderungen der Ein- oder Ausfuhr von Kapital im Inland verbunden sind.

Insoweit hat der Gerichtshof im Urteil Richardt und „Les Accessoires Scientifiques“(12) Artikel 36 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 30 EG) dahin ausgelegt, daß eine nationale Regelung, die eine besondere Genehmigung für die Beförderung oder Durchfuhr von strategischem Material vorschreibe, aus Gründen der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt und daher im Sinne von Artikel 36 mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sei.

Aufgrund der außergewöhnlichen Schwierigkeit, bereits in einem Mitgliedstaat befindliches Kapital zu finden und zu blockieren, ist es in besonderem Maß erforderlich, verdächtige Transaktionen von vornherein zu verhindern. Die Lage ist hier nämlich anders und schwieriger kontrollierbar als in Fällen, die sich bei fehlender vorheriger Überwachung des Waren- und Personenverkehrs ergeben können.

Daß die Behörden der Mitgliedstaaten eine Kontrolle über Ursprung, Art und Zweck einer verdächtigen Transaktion ausüben können, bevor diese getätigt ist, und daß die Kontrolle zur Aussetzung der Transaktion führt, entspricht im übrigen nicht nur nationalen, sondern auch Gemeinschaftsinteressen, da die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats auch für das übrige Gemeinschaftsgebiet von Bedeutung sein kann, weil Vorgänge, die die öffentliche Ordnung eines Landes gefährden, sehr häufig Wirkungen über nationale Grenzen hinweg entfalten.

Demgemäß hindern die Vertragsbestimmungen und insbesondere Artikel 73d Absatz 1 Buchstabe b beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts die Mitgliedstaaten meines Erachtens keineswegs an Kontrollen ausländischer Investitionen durch ein Ad-hoc-Genehmigungsverfahren.

17.
    Unter welchen Voraussetzungen ist eine derartige beschränkende Maßnahme jedoch „gerechtfertigt“ im Sinne von Artikel 73d Absatz 1 Buchstabe b und somit vereinbar mit den einschlägigen Vertragsbestimmungen? Wie aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes hervorgeht, ist bei der Feststellung, ob eine nationale Maßnahme mit beschränkender Wirkung auf den freien Warenverkehr, die Freizügigkeit und den freien Kapitalverkehr im Gemeinschaftsgebiet rechtmäßig ist, folgendes zu beurteilen: a) die Art der nationalen Interessen, die der Mitgliedstaat schützen will, b) das tatsächliche Vorliegen einer Gefährdung des Interesses, das der Mitgliedstaat schützen will, c) die Notwendigkeit oder besser gesagt die Unerläßlichkeit der Maßnahme für den verfolgten Zweck und d) das Fehlen diskriminierender Wirkungen gegenüber Waren, Personen und Kapital, die für das Ausland bestimmt sind oder von dort kommen(13).

18.
    Hinsichtlich der Voraussetzung unter a) ist darauf hinzuweisen, daß Artikel 4 der Richtlinie 88/361 den Mitgliedstaaten das Recht zuerkennt, „auf insbesondere steuerrechtlichem oder bankenaufsichtsrechtlichem Gebiet die unerläßlichen Maßnahmen zu treffen, um Zuwiderhandlungen gegen ihre Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu verhindern und Meldeverfahren für den Kapitalverkehr zwecks administrativer oder statistischer Information vorzusehen“. Mit dem Vertrag von Maastricht wurde diese Bestimmung in den EG-Vertrag aufgenommen, wobei zu den vorgesehenen Fällen beschränkender Maßnahmen die Maßnahmen hinzukamen, die „aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit gerechtfertigt sind“ (Artikel 73d). Im Licht dieser letztgenannten Kategorie beschränkender Maßnahmen fragen der Conseil d'État und die französische Regierung, ob das französische Genehmigungssystem als gerechtfertigt angesehen werden kann.

Bezüglich der öffentlichen Ordnung ist darauf hinzuweisen, daß dieser Begriff nach gefestigter Rechtsprechung eng zu verstehen ist und der Nachprüfung durch die Gemeinschaftsorgane und somit durch den Gerichtshof unterliegt. Der Gerichtshof hat die Funktion dieser Schutzklausel bereits 1974 im Urteil Van Duyn(14), das als richtungsweisend für die spätere ständige Rechtsprechung anzusehen ist, stark eingeschränkt und in Randnummer 18 dieses Urteils folgendes ausgeführt: „Der Begriff der öffentlichen Ordnung ist im Gemeinschaftsrecht, namentlich, wenn er eine Ausnahme von dem wesentlichen Grundsatz der Freizügigkeit der Arbeitnehmer rechtfertigt, eng zu verstehen; daher darf seine Tragweite nicht von jedem Mitgliedstaat einseitig ohne Nachprüfung durch die Organe der Gemeinschaft bestimmt werden.“ Der Gerichtshof hat somit zum einen erklärt, daß die nationalen beschränkenden Maßnahmen Ausnahmen von der allgemeinen Gemeinschaftsregelung darstellen und daher eng auszulegen sind, und zum anderen den Begriff der nationalen öffentlichen Ordnung seiner gerichtlichen Nachprüfung unterstellt.

Von diesem Begriff sind insbesondere Interessen rein wirtschaftlicher Art auszunehmen(15). Ein solcher Grundsatz muß sich auch auf das hier zu prüfendeGebiet erstrecken, da die Zulassung von Ausnahmen für nationale Wirtschaftsinteressen bedeuten würde, daß die Regelung wieder zum Zuge käme, die vor den im Vertrag von Maastricht vorgenommenen Änderungen bestanden hatte und nach der die Mitgliedstaaten nationale Maßnahmen aufrechterhalten und auch treffen konnten, die dem Schutz allgemeiner nationaler Interessen an einer Kontrolle des Kapitalverkehrs dienten.

Somit kann die Beschaffenheit des Investitionsflusses aus oder nach dem Ausland als solche keinen ausreichenden Grund darstellen, um beschränkende Maßnahmen zu rechtfertigen. Da indessen im derzeit gültigen Vertrag die Bestimmungen über den freien Kapitalverkehr und über die Liberalisierung des Zahlungsverkehrs nicht voneinander getrennt sind, sondern sich beide vielmehr in Kapitel 4 des Titels III befinden, kann ein Mitgliedstaat auf Maßnahmen nach Artikel 109i (jetzt Artikel 120 EG) zurückgreifen, wenn eine Zahlungsbilanzkrise durch Kapitalflüsse oder durch die Bezahlung von Gütern oder Dienstleistungen verursacht wird(16).

Außerdem erlaubt die Gemeinschaftsregelung für den freien Kapitalverkehr im Gegensatz zur Regelung für den freien Warenverkehr und die Freizügigkeit nicht nur die Wahrung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, sondern auch Schutzmaßnahmen zur Verhinderung von „Zuwiderhandlungen gegen ... Rechts- und Verwaltungsvorschriften“ des betroffenen Staates. Dies zeigt, daß den Mitgliedstaaten beim Kapitalverkehr ein größerer Handlungsspielraum verbleibt als beim Waren- und Personenverkehr, und zwar insofern, als im Rahmen des Kapitalverkehrs ein tatsächlich drohender Verstoß gegen innerstaatliche Vorschriften gleich welcher Art die Ergreifung beschränkender staatlicher Maßnahmen rechtfertigen kann(17). Es gibt nämlich keinen Zweifel, daß - wie der Gerichtshof im vorgenannten Urteil Bordessa u. a. eindeutig erklärt hat - die erste Fallgruppe, auf die sich Artikel 73d Absatz 1 Buchstabe b bezieht, Maßnahmen umfaßt, die „aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit gerechtfertigt sind“.

Aufgrund dieser Erwägungen ist meines Erachtens eine nationale Regelung, die - wie die französischen Vorschriften, die Gegenstand der Vorlagefrage sind - zur Verhinderung von Verstößen gegen innerstaatliche Vorschriften oder zur Wahrung der öffentlichen Ordnung (im oben dargelegten Sinne) oder Sicherheit dient, unterdem Gesichtspunkt ihrer Zielsetzung (Voraussetzung a) als gerechtfertigt im Sinne von Artikel 73d anzusehen und demnach mit den Bestimmungen des Vertrages vereinbar.

19.
    Ich komme nun zu den Voraussetzungen unter b) und c), die sich auf die Schwere der Gefährdung und die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme zum verfolgten Zweck beziehen. Diese beiden Punkte werden nachstehend zusammen behandelt, da sie Umstände betreffen, die eng miteinander verbunden sind.

Bei der Gefahr eines Verstoßes gegen innerstaatliche Vorschriften oder einer Beeinträchtigung der nationalen öffentlichen Ordnung genügt es, wie die Kommission ausgeführt hat, zur Rechtfertigung beschränkender nationaler Maßnahmen nicht, daß eine allgemeine Gefahr besteht; vielmehr muß eine tatsächliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit oder die Gefahr eines Verstoßes gegen nationale Vorschriften und somit eine absolute Gewißheit gegeben sein, daß das betreffende Kapital bestimmte Belange beeinträchtigen kann.

Ferner muß die nationale Maßnahme, die eine Behinderung des Kapitalverkehrs - wie des Waren- und Personenverkehrs - mit sich bringt, die einzige wirksame Vorkehrung darstellen; sie muß also in angemessenem Verhältnis zur Schwere der etwaigen Verletzung innerstaatlicher Vorschriften und Grundsätze stehen und zudem das einzige Präventionsinstrument darstellen.

Die Konkretheit der Gefährdung und die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme begrenzen das Ermessen der nationalen Behörden bei der Ergreifung beschränkender Maßnahmen, so daß natürlich Maßnahmen ausgeschlossen sind, die zu einer Diskriminierung bei der Behandlung von Kapital führen, das aus dem Ausland kommt oder dorthin ausgeführt wird.

Im vorgenannten Urteil Richardt und „Les Accessoires Scientifiques“ hat der Gerichtshof unter Bezugnahme auf seine Ausführungen im Urteil Campus Oil u. a.(18) erklärt, daß „Artikel 36 EWG-Vertrag nicht bestimmte Sachgebiete der ausschließlichen Zuständigkeit der Mitgliedstaaten vor[behält]; vielmehr läßt er nur Ausnahmen vom Grundsatz des freien Warenverkehrs durch innerstaatliche Normen insoweit zu, als dies zur Erreichung der in ihm bezeichneten Ziele gerechtfertigt ist und weiterhin gerechtfertigt bleibt“; zudem sei dieser Artikel „als Ausnahme von einem grundlegenden Prinzip des Vertrages so auszulegen, daß erin seinen Wirkungen nicht über das hinausgeht, was zum Schutz der Interessen erforderlich ist, die er gewährleisten soll“(19).

Im Urteil Bouchereau hat der Gerichtshof in bezug auf die Freizügigkeit entschieden, daß das Vorliegen einer derartigen Gefährdung „in jedem Einzelfall zu beurteilen [ist], wobei [die nationalen Behörden] die besondere Rechtsstellung der dem Gemeinschaftsrecht unterliegenden Personen und die entscheidende Bedeutung des Grundsatzes der Freizügigkeit zu berücksichtigen haben“(20).

Es liegt somit auf der Hand, daß sich eine Maßnahme, die - wie ein Verfahren der vorherigen Genehmigung - zur Verhinderung eines Verstoßes gegen innerstaatliche Vorschriften getroffen wird, nur auf Transaktionsarten oder besondere Arten von Kapitalbewegungen beziehen darf, bei denen effektiv die Gefahr besteht, daß von ihnen ein Verstoß gegen innerstaatliche Vorschriften ausgeht. Die betreffende Regelung muß mit anderen Worten bestimmte und bestimmbare Umstände betreffen(21). Würden also nationale Präventivmaßnahmen für allgemeine Kategorien von Transaktionen zugelassen, so würde dies zur Wiedereinführung eines allgemeinen Genehmigungssystems für ausländische Investitionen, ähnlich dem im vorgenannten Urteil Bordessa u. a. geprüften spanischen System, führen, und wäre somit in gewissem Umfang mit den Bestimmungen des Vertrages unvereinbar.

20.
    Eben dies trifft auf das französische Gesetz zu, das zwar bestimmte Kategorien finanzieller Transaktionen nennt, jedoch deren Inhalt nicht genau angibt (außer beim Kauf und Verkauf von Waffen). Bestimmungen wie die französischen Vorschriften, die die Beantragung einer vorherigen Genehmigung für alle Vorgänge vorschreiben, die „geeignet [sind], die öffentliche Ordnung, Gesundheit oderSicherheit zu gefährden“, erstrecken sich auf eine bestimmte und allgemeine Reihe von Transaktionen und sind somit nicht an die tatsächliche Gefahr schwerer Verstöße gegen innerstaatliche Vorschriften geknüpft.

Die französische Regelung sieht Maßnahmen vor, die in der Ablehnung einer Genehmigung und folglich im Verbot der Einfuhr von Kapital nach Frankreich bestehen. Diese Maßnahmen werden erst ergriffen, nachdem die Behörden das Vorliegen einer möglichen Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit oder die Gefahr eines Verstoßes gegen innerstaatliche Vorschriften festgestellt haben. Die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahmen ist nach den Umständen des jeweiligen Falles zu beurteilen.

Die vorliegende Rechtssache wirft auch die Frage einer weiteren beschränkenden Maßnahme auf. Es handelt sich um die höchstens einmonatige Aussetzung aller Transaktionen, die unter die in Artikel 11bis genannten Kategorien fallen. Wie die Kommission zu Recht feststellt, knüpft diese Art von Maßnahmen nicht an die tatsächliche Gefahr eines Verstoßes gegen innerstaatliche Vorschriften oder an Gründe der öffentlichen Ordnung an, da die Kontrolle dieser Aspekte durch die Behörden erst nach der Aussetzung der Transaktion erfolgt, die wegen deren Natur bereits bei der Einreichung der Anträge durch die Investoren stattfindet. Die Maßnahme steht deshalb in offensichtlichem Mißverhältnis zu dem verfolgten Zweck und ist somit ungerechtfertigt.

Die französische Regierung macht darauf aufmerksam, daß die Genehmigung im Fall des Schweigens der Behörden nach dem Antrag des Investors stets als erteilt gelte. Dies hebt meines Erachtens die beschränkenden Wirkungen der nationalen Rechtsvorschriften nicht auf, da die einmonatige Aussetzung der Investition - ein verhältnismäßig langer Zeitraum für den Abschluß eines Investitionsvorgangs - bereits an sich beschränkende Wirkungen für den Zufluß von Kapital nach Frankreich entfaltet.

Darüber hinaus führt ein derartiges System im Gegensatz zur Behauptung der französischen Regierung zu einer Ungewißheit des Investors bezüglich der Frage, ob er die Genehmigung beantragen muß, und den Behörden kommt ein Ermessen beim Erlaß solcher Maßnahmen zu, das nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist. Selbst eine etwaige spätere Überprüfung durch nationale Gerichte würde die beschränkende Wirkung, die das System im ganzen mit sich bringt, faktisch nicht mindern.

21.
    Hinzu kommt, daß eine Investition als solche keine „Gefährdung“ darstellt. Die beschränkende Maßnahme muß daher von Fall zu Fall in bezug auf den Kapitalgeber oder auf Gegenstand und Zweck der Investition gerechtfertigt sein. Die nationalen Behörden können also nur bei konkreten Vorgängen oder bestimmten genau umrissenen Tätigkeitsbereichen feststellen, daß eine tatsächliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit oder die Gefahr einesVerstoßes gegen innerstaatliche Vorschriften vorliegt, die sie berechtigt, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, zu denen auch die Verpflichtung gehören kann, eine vorherige Genehmigung einzuholen. Dies gilt zweifellos für Investitionen in Bereichen, die - wie z. B. die Landesverteidigung - unter die ausschließliche Kontrolle des Staates fallen.

Folglich kann der Mitgliedstaat in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem eine Religionsgemeinschaft wegen Betrugs und Steuerhinterziehung zur Verantwortung gezogen wird, die Investitionen zu ihrer Finanzierung durch eine Ad-hoc-Maßnahme einer vorherigen Kontrolle unterwerfen, sofern seines Erachtens die Gefahr besteht, daß diese Gemeinschaft gegen innerstaatliche Vorschriften, insbesondere strafrechtlicher Art, verstößt.

22.
    Ich komme schließlich zur letzten, unter d) genannten Voraussetzung, die gegeben sein muß, damit eine beschränkende Maßnahme gerechtfertigt ist: Die nationale Maßnahme darf keine Diskriminierung gegenüber ausländischem oder für das Ausland bestimmtem Kapital mit sich bringen.

Insoweit heißt es in Artikel 73d Absatz 3 des Vertrages (ebenso wie im übrigen in Artikel 36), daß die nationalen Schutzmaßnahmen „weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs im Sinne des Artikels 73b darstellen“ dürfen.

Der Gerichtshof hat im Urteil Conegate, das die Auslegung von Artikel 36 betraf, ausgeführt, daß „sich ein Mitgliedstaat nicht auf Gründe der öffentlichen Sittlichkeit berufen [kann], um die Einfuhr von Waren aus anderen Mitgliedstaaten zu verbieten, wenn nach seinem Recht keinerlei Verbot der Herstellung oder Vermarktung der gleichen Waren in seinem Hoheitsgebiet besteht“. Er hat hinzugefügt: „Obwohl es ... nicht erforderlich ist, daß die Herstellung und Vermarktung der Erzeugnisse, deren Einfuhr verboten ist, im Gebiet aller Staatsteile verboten sind, muß es zumindest möglich sein, aus den anwendbaren Vorschriften insgesamt den Schluß zu ziehen, daß ihr Ziel im wesentlichen im Verbot der Herstellung und Vermarktung dieser Erzeugnisse besteht.“(22)

Es liegt auf der Hand, daß eine Präventivmaßnahme, mit der ein Verfahren der vorherigen Genehmigung für ausländische Investitionen zur Finanzierung von Risikosektoren und -tätigkeiten eingeführt wird, mit nationalen Maßnahmen für innerstaatliche Investitionen ähnlichen Inhalts einhergehen muß.

Demgemäß muß in einem Fall wie dem vorliegenden eine Maßnahme, die die Beantragung einer Genehmigung für ausländische Investitionen zur Finanzierungder Tätigkeit der Scientology-Kirche vorschreibt, mit einer Maßnahme entsprechender Wirkung für einheimische Investitionen einhergehen.

V - Ergebnis

23.
    Aufgrund dieser Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Conseil d'État zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage wie folgt zu beantworten:

Artikel 73d Absatz 1 Buchstabe b EG-Vertrag (jetzt Artikel 58 Absatz 1 Buchstabe b EG) ist dahin auszulegen, daß er einen Mitgliedstaat nicht berechtigt, ein System der vorherigen Genehmigung für ausländische Direktinvestitionen, die die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden können, einzuführen oder beizubehalten, ohne die Arten von Investitionen festzulegen, für die bei den nationalen Behörden eine Genehmigung zu beantragen ist.


1: Originalsprache: Italienisch.


2: -     Vor Inkrafttreten des Vertrages über die Europäische Union, durch den die Kapitel 1, 2 und 3 des Titels II, d. h. die Artikel 103 bis 113 EWG-Vertrag, umfassend geändert wurden, sah Artikel 106 Absatz 1 dieses Vertrages folgendes vor: „Jeder Mitgliedstaat verpflichtet sich, in der Währung des Mitgliedstaats, in dem der Gläubiger oder der Begünstigte ansässig ist, die Zahlungen zu genehmigen, die sich auf den Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr beziehen, sowie den Transfer von Kapitalbeträgen und Arbeitsentgelten zu gestatten, soweit der Waren-, Dienstleistungs-, Kapital- und Personenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten nach diesem Vertrag liberalisiert ist.“


3: -     ABl. L 178, S. 5.


4: -     Durch den Vertrag von Amsterdam wurden die Artikel 67 bis 73a EG-Vertrag im übrigen endgültig aufgehoben (Artikel 6 Nr. 39 des Vertrages von Amsterdam).


5: -     Der genannte Artikel 13 lautet: „Von der behördlichen Meldepflicht und der vorherigen Genehmigung gemäß den Artikeln 11 und 12 sind ausgenommen:

-    die Errichtung von Gesellschaften, Zweigniederlassungen oder neuen Unternehmen,

-    die Erweiterung der Tätigkeit einer Gesellschaft, einer Zweigniederlassung oder eines bestehenden Unternehmens,

-    die Erhöhung der Beteiligung an einer unter ausländischer Kontrolle stehenden französischen Gesellschaft durch einen Investor, der bereits mehr als 66,66 v. H. des Kapitals oder der Stimmrechte der Gesellschaft innehat,

-    die Beteiligung an der Kapitalerhöhung einer unter ausländischer Kontrolle stehenden französischen Gesellschaft durch einen Investor, sofern damit keine Erhöhung seines Anteils verbunden ist,

-    Direktinvestitionen zwischen Gesellschaften, die derselben Unternehmensgruppe angehören, sowie Transaktionen im Zusammenhang mit Darlehen, Vorschüssen, Sicherheitsleistungen, der Konsolidierung oder dem Erlaß von Forderungen, Beihilfen oder Schenkungen an Zweigniederlassungen zugunsten eines unter ausländischer Kontrolle stehenden französischen Unternehmens durch Investoren, die dieses Unternehmen kontrollieren,

-    Direktinvestitionen in Immobiliengesellschaften, soweit deren Tätigkeit nicht den Bau von Gebäuden zum Zwecke des Verkaufs oder der Vermietung betrifft,

-    Direktinvestitionen bis zu 10 Millionen FRF in Unternehmen des Handwerks, des Einzelhandels, des Hotel- und Gaststättengewerbes und im Bereich lokaler Dienstleistungen oder zum ausschließlichen Betrieb von Steinbrüchen oder Kiesgruben,

-    der Erwerb landwirtschaftlicher Flächen.“


6: -     Die französische Regierung macht auch darauf aufmerksam, daß der Innenminister seinen Antrag auf Aussetzung der Investitionen zur Finanzierung der Tätigkeit der Scientology-Kirche aufgrund verschiedener Strafverfahren gegen Scientology-Mitglieder - wegen unerlaubter ärztlicher Tätigkeit, Betrug und Gewalttätigkeit - und aufgrund der nicht auszuschließenden Gefahr erneuert habe, daß Scientology-Mitglieder Methoden anwendeten, durch die „Gutgläubige und insbesondere junge Leute getäuscht“ werden könnten.


7: -     Falls die Wahrung eines speziellen nationalen Interesses eine derartige Maßnahme erfordert.


8: -     Urteil vom 11. November 1981 in der Rechtssache 203/80 (Casati, Slg. 1981, 2595, Randnrn. 9 und 10). Im Urteil vom 31. Januar 1984 in den Rechtssachen 286/82 und 26/83 (Luisi und Carbone, Slg. 1984, 377, Randnr. 34) hat der Gerichtshof die Bestimmungen über den freien Kapitalverkehr erneut in dieser Weise ausgelegt und dabei erklärt, daß „den Mitgliedstaaten daher die Befugnis zuzuerkennen [ist], zu kontrollieren, ob Devisentransferierungen, die sich angeblich auf liberalisierte Zahlungen beziehen, nicht zweckentfremdet für nicht genehmigte Kapitalverkehrsvorgänge verwendet werden. Zu diesem Zweck sind die Mitgliedstaaten berechtigt, die Art und die tatsächliche Durchführung der betreffenden Transaktionen oder Transferierungen zu überprüfen“ (Randnr. 33).


9: -     Urteil vom 23. Februar 1995 in den Rechtssachen C-358/93 und C-416/93 (Slg. 1995, I-361). Der Rechtsstreit ergab sich daraus, daß spanische Zollbeamte Herrn Bordessa festgenommen und an der Grenze 5 Millionen ESP beschlagnahmt hatten, die im Besitz von Herrn Bordessa waren, da die Ausfuhr dieses Betrages nicht vorher von den zuständigen Behörden genehmigt worden war.


10: -     Nr. 21 der Schlußanträge. Der Generalanwalt wies zur Stützung dieser Auslegung darauf hin, daß der Gerichtshof bereits im vorgenannten Urteil Luisi und Carbone erklärt habe, daß die (mit der unvollständigen Liberalisierung des Kapitalverkehrs verbundene) Befugnis der Mitgliedstaaten, eine Kontrolle von Art und Echtheit der liberalisierten Kapitalbewegungen vorzuschreiben, nicht dazu berechtige, den Kapitaltransfer in das „Ermessen der Verwaltung“ zu stellen, und daß jedenfalls auf dem Gebiet des freien Warenverkehrs die Ein- oder Ausfuhr nicht von einer Genehmigung abhängig gemacht werden dürfe. Insbesondere im Urteil vom 8. Februar 1983 in der Rechtssache 124/81 (Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg. 1983, 203, Randnr. 18) habe der Gerichtshof erklärt, daß „ein System, das die Erteilung behördlicher Genehmigungen verlangt, notwendigerweise die Ausübung eines gewissen Ermessens mit sich bringt und für die Wirtschaftsteilnehmer eine Rechtsunsicherheit schafft“. Der Gerichtshof habe hinzugefügt, daß das verfolgte Ziel auch erreicht werden könne, wenn man sich darauf beschränkte, „die Auskünfte, die nützlich ... sind, z. B. durch von den Importeuren unterzeichnete Erklärungen, denen gegebenenfalls geeignete Bescheinigungen beigefügt werden, einzuholen“ (Nr. 19 der Schlußanträge).


11: -     Diese Rechtsprechung wurde sodann im Urteil vom 14. Dezember 1995 in den Rechtssachen C-163/94, C-165/94 und C-250/94 (Sanz de Lera u. a., Slg. 1995, I-4821) bestätigt. In diesem Urteil, das den Transfer von Banknoten in die Schweiz betraf, führte der Gerichtshof aus, daß Artikel 73c Absatz 1 (betreffend den Kapitalverkehr mit dritten Ländern) und Artikel 73d Absatz 1 Buchstabe b des Vertrages „eine nationale Regelung verbieten, die die Ausfuhr von Hartgeld, Banknoten oder Inhaberschecks von einer vorherigen Genehmigung abhängig macht, daß sie aber nicht verbieten, eine solche Transaktion von einer vorherigen Anmeldung abhängig zu machen“.


12: -     Urteil vom 4. Oktober 1991 in der Rechtssache C-367/89 (Slg. 1991, I-4621).


13: -     Diese Voraussetzungen müssen nicht nur bei Maßnahmen gegeben sein, die ausschließlich nationale Vorschriften für die Ein- und Ausfuhr betreffen, sondern auch bei innerstaatlichen Vorschriften allgemeiner Art, die sich beschränkend auf den Waren-, Personen- und Kapitalverkehr auswirken können. So hat der Gerichtshof im Urteil Gebhard bezüglich der Vereinbarkeit nationaler Vorschriften über die Einrichtung einer Anwaltskanzlei mit dem Gemeinschaftsrecht unter Hinweis auf die vorhergehende Rechtsprechung erklärt, daß „nationale Maßnahmen, die die Ausübung der durch den Vertrag garantierten grundlegenden Freiheiten behindern oder weniger attraktiv machen können, vier Voraussetzungen erfüllen müssen: Sie müssen in nichtdiskriminierender Weise angewandt werden, sie müssen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sie müssen geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist“ (Urteil vom 30. November 1995 in der Rechtssache C-55/94,Slg. 1995, I-4165, insbesondere Randnr. 37).


14: -     Urteil vom 4. Dezember 1974 in der Rechtssache 41/74 (Slg. 1974, 1337).


15: -     Im Urteil vom 28. Oktober 1975 in der Rechtssache 36/75 (Rutili, Slg. 1975, 1219), das die Freizügigkeit betraf, hat der Gerichtshof bei der Auslegung von Artikel 48 Absatz 3 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 39 Absatz 3 EG) unter Bezugnahme auf Artikel 2 der Richtlinie 64/221/EWG vom 25. Februar 1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind (ABl. 1964, Nr. 56, S. 850), erklärt, daß die „aus der öffentlichen Ordnung hergeleiteten Gründe nicht dadurch von ihrer Funktion losgelöst werden [dürfen], daß sie .für wirtschaftliche Zwecke geltend gemacht werden'“. Siehe auch die Urteile des Gerichtshofes vom 19. Dezember 1961 in der Rechtssache 7/61 (Kommission/Italien, Slg.1961, 695) und vom 10. Juli 1984 in der Rechtssache 72/83 (Campus Oil u. a., Slg. 1984, 2727).


16: -     In Artikel 109i Absatz 1 EG-Vertrag heißt es: „Gerät ein Mitgliedstaat in eine plötzliche Zahlungsbilanzkrise und wird eine Entscheidung im Sinne des Artikels 109h Absatz 2 nicht unverzüglich getroffen, so kann der betreffende Staat vorsorglich die erforderlichen Schutzmaßnahmen ergreifen.“


17: -     Ferner wird den Mitgliedstaaten in Artikel 73d Absatz 1 Buchstabe a des Vertrages das Recht eingeräumt, „die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln“.


18: -     Zitiert in Fußnote 14, Randnrn. 32 bis 37.


19: -     Randnrn. 19 und 20. Ferner ist darauf hinzuweisen, daß der Gerichtshof im vorgenannten Urteil Rutili, das eine deutsche Maßnahme zur Beschränkung der Bewegungsfreiheit eines ausländischen Staatsangehörigen im Bundesgebiet betraf, bei der Auslegung von Artikel 48 Absatz 3 des Vertrages erklärt hat, daß eine Beschränkung der Freizügigkeit nur dann gerechtfertigt sein könne, wenn die Anwesenheit oder das Verhalten des Betroffenen „eine tatsächliche und hinreichend schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung“ darstelle.


20: -     Urteil vom 27. Oktober 1977 in der Rechtssache 30/77 (Slg. 1977, 1999). Der Gerichtshof hat insbesondere festgestellt, daß eine frühere strafrechtliche Verurteilung „nur insoweit berücksichtigt werden [darf], als die ihr zugrunde liegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt“, und daß eine derartige Gefährdung somit nicht mit der Begehung einer Straftat gleichzusetzen sei, sondern vorliege, wenn der Betroffene ein bestimmtes Verhalten beibehalte (Randnrn. 28 bis 30).


21: -     In bezug auf die Freizügigkeit hat es Generalanwalt Mayras in seinen Schlußanträgen vom 13. November 1974 in der vorgenannten Rechtssache Van Duyn ausgeschlossen, daß auf der Grundlage von Artikel 48 des Vertrages eine Vorkehrung zum Schutz der öffentlichen Ordnung als rechtmäßig angesehen werden könne, die im Erlaß „kollektiver polizeilicher Maßnahmen“ bestehe.


22: -     Urteil vom 11. März 1986 in der Rechtssache 121/85 (Slg. 1986, 1007, Randnrn. 17 und 18); siehe auch die Urteile vom 14. Dezember 1979 in der Rechtssache 34/79 (Henn und Darby, Slg. 1979, 3795) und vom 8. Juli 1975 in der Rechtssache 4/75 (Rewe-Zentralfinanz, Slg. 1975, 843).