Language of document : ECLI:EU:T:2015:645

URTEIL DES GERICHTS (Siebte Kammer)

18. September 2015(*)

„Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Restriktive Maßnahmen gegen Iran zur Verhinderung der nuklearen Proliferation – Einfrieren von Geldern – Begründungspflicht – Verteidigungsrechte – Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz – Offensichtlicher Beurteilungsfehler – Verhältnismäßigkeit – Eigentumsrecht – Anpassung der zeitlichen Wirkungen einer Nichtigerklärung“

In der Rechtssache T‑121/13

Oil Pension Fund Investment Company mit Sitz in Teheran (Iran), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt K. Kleinschmidt,

Klägerin,

gegen

Rat der Europäischen Union, vertreten durch M. Bishop und J.‑P. Hix als Bevollmächtigte,

Beklagter,

betreffend einen Antrag auf Nichtigerklärung des Beschlusses 2012/829/GASP des Rates vom 21. Dezember 2012 zur Änderung des Beschlusses 2010/413/GASP über restriktive Maßnahmen gegen Iran (ABl. L 356, S. 71) sowie der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1264/2012 des Rates vom 21. Dezember 2012 zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 267/2012 über restriktive Maßnahmen gegen Iran (ABl. L 356, S. 55), soweit diese Rechtsakte die Klägerin betreffen,

erlässt

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. van der Woude (Berichterstatter), der Richterin I. Wiszniewska-Białecka und des Richters I. Ulloa Rubio,

Kanzler: L. Grzegorczyk, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 26. Februar 2015

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Die Klägerin, die Oil Pension Fund Investment Company, ist eine iranische Gesellschaft, die Finanzgeschäfte für Unternehmen der iranischen Ölindustrie tätigt.

2        Hintergrund der vorliegenden Rechtssache ist das System restriktiver Maßnahmen, das eingeführt wurde, um auf die Islamische Republik Iran Druck auszuüben, damit sie proliferationsrelevante nukleare Tätigkeiten und die Entwicklung von Trägersystemen für Kernwaffen einstellt.

3        Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (im Folgenden: Sicherheitsrat) nahm am 9. Juni 2010 die Resolution 1929 (2010) (im Folgenden: Resolution 1929) an, durch die der Geltungsbereich der mit den Resolutionen 1737 (2006), 1747 (2007) und 1803 (2008) des Sicherheitsrats verhängten restriktiven Maßnahmen ausgeweitet wird und weitere restriktive Maßnahmen gegen die Islamische Republik Iran eingeführt werden.

4        Der Europäische Rat brachte am 17. Juni 2010 seine wachsende Besorgnis über das iranische Nuklearprogramm zum Ausdruck und begrüßte die Annahme der Resolution 1929. Unter Hinweis auf seine Erklärung vom 11. Dezember 2009 ersuchte er den Rat der Europäischen Union, Maßnahmen zur Umsetzung der in der Resolution 1929 vorgesehenen Maßnahmen sowie Begleitmaßnahmen zu erlassen, damit alle noch bestehenden Bedenken in Bezug auf die Entwicklung sensibler Technologien durch die Islamische Republik Iran zur Unterstützung ihrer Nuklear- und Trägerraketenprogramme auf dem Verhandlungsweg ausgeräumt werden können. Diese Maßnahmen sollten sich auf folgende Bereiche konzentrieren: den Handel, den Finanzsektor, den iranischen Verkehrssektor und die Schlüsselbranchen der Gas- und Ölindustrie sowie die zusätzlich benannten Personen und Einrichtungen, insbesondere das Korps der Islamischen Revolutionsgarden.

5        Am 26. Juli 2010 erließ der Rat den Beschluss 2010/413/GASP über restriktive Maßnahmen gegen Iran und zur Aufhebung des Gemeinsamen Standpunkts 2007/140/GASP (ABl. L 195, S. 39), in dessen Anhang II andere als die vom Sicherheitsrat oder vom durch die Resolution 1737 (2006) geschaffenen Sanktionsausschuss benannten, in Anhang I erfassten Personen und Einrichtungen aufgezählt sind, deren Vermögenswerte eingefroren werden. Im 22. Erwägungsgrund des Beschlusses wird auf die Resolution 1929 Bezug genommen und darauf hingewiesen, dass in dieser Resolution vom potenziellen Zusammenhang zwischen den Einnahmen, die die Islamische Republik Iran aus ihrem Energiesektor bezieht, und der Finanzierung ihrer proliferationsrelevanten nuklearen Tätigkeiten Kenntnis genommen wird.

6        Am 23. Januar 2012 erließ der Rat den Beschluss 2012/35/GASP zur Änderung des Beschlusses 2010/413 (ABl. L 19, S. 22). Gemäß dem 13. Erwägungsgrund dieses Beschlusses sollten die Einreisebeschränkungen und das Einfrieren von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen auf weitere Personen und Einrichtungen, die die iranische Regierung unterstützen, indem sie ihr proliferationsrelevante nukleare Tätigkeiten oder die Entwicklung von Trägersystemen für Kernwaffen ermöglichen, insbesondere auf Personen und Einrichtungen, die finanzielle, logistische oder materielle Unterstützung für die iranische Regierung bereitstellen, Anwendung finden.

7        Durch Art. 1 Nr. 7 Buchst. a Ziff. ii des Beschlusses 2012/35 wurde Art. 20 Abs. 1 des Beschlusses 2010/413 ein Absatz angefügt, der das Einfrieren von Geldern der nachstehenden Personen und Einrichtungen vorsieht:

„c)       weitere, nicht in Anhang I erfasste Personen und Einrichtungen, die die Regierung Irans unterstützen, und mit ihnen verbundene Personen und Einrichtungen gemäß der Auflistung in Anhang II“.

8        In der Folge erließ der Rat am 23. März 2012 die Verordnung (EU) Nr. 267/2012 über restriktive Maßnahmen gegen Iran und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 961/2010 (ABl. L 88, S. 1). Zur Umsetzung von Art. 1 Nr. 7 Buchst. a Ziff. ii des Beschlusses 2012/35 sieht Art. 23 Abs. 2 dieser Verordnung das Einfrieren von Geldern insbesondere der in ihrem Anhang IX aufgeführten Personen, Organisationen und Einrichtungen vor, in Bezug auf die festgestellt wurde, dass sie

„d)       sonstige Personen, Organisationen oder Einrichtungen sind, die die iranische Regierung beispielsweise finanziell, logistisch oder materiell unterstützen, oder Personen und Organisationen, die mit ihnen in Verbindung stehen“.

9        Am 15. Oktober 2012 erließ der Rat den Beschluss 2012/635/GASP zur Änderung des Beschlusses 2010/413 (ABl. L 282, S. 58). Nach dem 16. Erwägungsgrund dieses Beschlusses sollten weitere Personen und Einrichtungen in die Liste der Personen und Einrichtungen, die gemäß Anhang II des Beschlusses 2010/413 restriktiven Maßnahmen unterliegen, aufgenommen werden, insbesondere Einrichtungen, deren Geschäftstätigkeit im Öl- und Gasbereich liegt und die sich im Eigentum des iranischen Staates befinden, da diese Einrichtungen eine wesentliche Einnahmequelle des iranischen Staates sind.

10      Durch Art. 1 Nr. 8 Buchst. a des Beschlusses 2012/635 wurde Art. 20 Abs. 1 des Beschlusses 2010/413 dahin gehend geändert, dass in diesen Absatz folgende Bestimmungen eingefügt wurden, wonach nunmehr bestimmte Personen und Einrichtungen restriktiven Maßnahmen unterliegen:

„c)       andere Personen und Einrichtungen, die nicht unter Anhang I fallen, die die Regierung des Iran unterstützen, und Einrichtungen, die in deren Eigentum oder unter deren Kontrolle stehen[,] oder Personen und Einrichtungen, die mit ihnen in Verbindung stehen; diese sind in Anhang II aufgeführt“.

11      Am 21. Dezember 2012 erließ der Rat den Beschluss 2012/829/GASP zur Änderung des Beschlusses 2010/413 (ABl. L 356, S. 71, im Folgenden: angefochtener Beschluss). Durch Art. 2 dieses Beschlusses wurde der Name der Klägerin in die Liste in Anhang II des Beschlusses 2010/413 aufgenommen.

12      Am 21. Dezember 2012 erließ der Rat ferner die Verordnung (EU) Nr. 1263/2012 zur Änderung der Verordnung Nr. 267/2012 (ABl. L 356, S. 34). Durch Art. 1 Nr. [11] der Verordnung Nr. 1263/2012 wurde Art. 23 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 267/2012 geändert, der nunmehr das Einfrieren von Geldern der in ihrem Anhang IX aufgeführten Personen, Organisationen und Einrichtungen vorsieht, in Bezug auf die festgestellt wurde, dass sie „sonstige Personen, Organisationen oder Einrichtungen sind, die die iranische Regierung beispielsweise materiell, logistisch oder finanziell unterstützen, oder Organisationen, die in ihrem Eigentum oder unter ihrer Kontrolle stehen, oder Personen, die mit ihnen in Verbindung stehen“.

13      Entsprechend dem angefochtenen Beschluss wurde die Liste in Anhang IX der Verordnung Nr. 267/2012 durch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1264/2012 des Rates vom 21. Dezember 2012 zur Durchführung der Verordnung Nr. 267/2012 (ABl. L 356, S. 55) geändert, indem darin u. a. der Name der Klägerin aufgenommen wurde.

14      In dem angefochtenen Beschluss und der Durchführungsverordnung Nr. 1264/2012 (im Folgenden zusammen: angefochtene Rechtsakte) hat der Rat das Einfrieren der Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen der Klägerin mit der folgenden Begründung gerechtfertigt:

„Oil Industry Pension Fund Investment Company (OPIC, alias Oil Pension Fund, NIOC Pension Fund, Petroleum Ministry Pension Fund) stellt der iranischen Regierung finanzielle Unterstützung bereit. OPIC steht unter der Leitung des iranischen Erdölministeriums und der National Iranian Oil Company (NIOC), die beide von der [Union] benannt sind. OPIC hält Anteile an einer Reihe von von der [Union] benannten Einrichtungen.“

15      Am 22. Dezember 2012 veröffentlichte der Rat im Amtsblatt der Europäischen Union eine Mitteilung für die Personen und Organisationen, auf die die restriktiven Maßnahmen nach den angefochtenen Rechtsakten Anwendung finden (ABl. C 398, S. 8).

16      Mit Schreiben vom 3. Januar 2013 setzte der Rat die Klägerin von ihrer Aufnahme in die Listen in Anhang II des Beschlusses 2010/413 und in Anhang IX der Verordnung Nr. 267/2012 (im Folgenden: streitige Listen) in Kenntnis und fügte eine Kopie der angefochtenen Rechtsakte bei, in denen die Gründe für die Benennung der Klägerin aufgeführt sind. In diesem Schreiben teilte der Rat der Klägerin mit, dass sie eine Überprüfung der Entscheidung, ihren Namen in die streitigen Listen aufzunehmen, beantragen und gegen diese Entscheidung beim Gericht klagen könne. Dieses Schreiben wurde mit dem Vermerk, dass der Empfänger umgezogen sei, an den Rat zurückgesandt.

 Verfahren und Anträge der Parteien

17      Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 28. Februar 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

18      Mit Beschluss des Präsidenten der Vierten Kammer des Gerichts vom 3. September 2013 wurde das Verfahren in der vorliegenden Rechtssache bis zur Verkündung des Urteils des Gerichts in der Rechtssache T‑578/12, National Iranian Oil Company/Rat, ausgesetzt.

19      Nach der Verkündung des Urteils National Iranian Oil Company/Rat (T‑578/12, EU:T:2014:678) am 16. Juli 2014 ist das Verfahren in der vorliegenden Rechtssache wieder aufgenommen worden. Das Gericht hat beschlossen, die Parteien um Stellungnahme zu den aus diesem Urteil für die vorliegende Klage zu ziehenden Schlussfolgerungen zu ersuchen. Der Rat und die Klägerin sind diesem Ersuchen am 6. bzw. 27. Oktober 2014 nachgekommen.

20      Mit einem Schreiben, das am 4. Dezember 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Rat einen Auszug aus einem in seiner Akte enthaltenen Dokument übermittelt.

21      Im Rahmen der in Art. 89 Abs. 3 Buchst. a seiner Verfahrensordnung vorgesehenen prozessleitenden Maßnahmen hat das Gericht schriftlich eine Frage an den Rat gestellt, die dieser fristgemäß beantwortet hat.

22      Im Zuge einer Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts ist der Berichterstatter der Siebten Kammer zugeteilt worden, der die vorliegende Rechtssache deshalb zugewiesen worden ist.

23      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtenen Rechtsakte für nichtig zu erklären, soweit sie sie betreffen;

–        eine prozessleitende Maßnahme zu erlassen, mit der dem Rat aufgegeben wird, sämtliche Unterlagen im Zusammenhang mit den angefochtenen Rechtsakten vorzulegen, die in der sie betreffenden Akte des Rates enthalten sind;

–        dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

24      Der Rat beantragt,

–        die Klage als unbegründet abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

25      Zur Stützung ihrer Klage macht die Klägerin drei Klagegründe geltend. Mit dem ersten Klagegrund rügt sie eine Verletzung der Begründungspflicht, der Verteidigungsrechte und des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz. Mit dem zweiten Klagegrund macht sie einen Beurteilungsfehler und einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geltend. Mit dem dritten Klagegrund rügt sie eine Schädigung ihres guten Rufs sowie eine Verletzung der unternehmerischen Freiheit, des Eigentumsrechts und der Grundsätze der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung.

26      Zunächst ist der zweite Klagegrund zu prüfen. Da sich der im Rahmen dieses Klagegrundes geltend gemachte Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Wesentlichen aus einer unverhältnismäßigen Beeinträchtigung der Grundrechte der Klägerin ergeben soll, deren Verletzung Gegenstand des dritten Klagegrundes ist, ist die Frage der Verhältnismäßigkeit der gegen die Klägerin ergriffenen restriktiven Maßnahmen im Übrigen gegebenenfalls im Rahmen des dritten Klagegrundes zu prüfen.

27      Was den zweiten Klageantrag der Klägerin betrifft, mit dem sie die Vorlage bestimmter Dokumente beantragt, hat der Rat in Beantwortung einer Frage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass seine Akte außer dem der Klägerin übermittelten Dokument mit dem Aktenzeichen Coreu/CFSP/0121/13 kein weiteres Dokument enthalte, das Auswirkungen auf die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits haben könne. Nach Ansicht des Gerichts ist es daher nicht erforderlich, die prozessleitende Maßnahme zu erlassen, auf die der zweite Antrag der Klägerin abzielt.

 Zum zweiten Klagegrund: Beurteilungsfehler

28      Die Klägerin macht geltend, dass die in den angefochtenen Rechtsakten genannten Gründe für ihre Aufnahme in die streitigen Listen unzutreffend seien und dass sich der Rat darauf beschränkt habe, den von einem Mitgliedstaat unterbreiteten Vorschlag, ihren Namen in die Listen aufzunehmen, zu erlassen, ohne zu prüfen, ob die Informationen, die in Bezug auf sie übermittelt worden seien, zuträfen.

29      Sie stelle der iranischen Regierung keine finanzielle Unterstützung bereit und stehe weder unmittelbar noch mittelbar unter der Leitung des iranischen Erdölministeriums und/oder der National Iranian Oil Company (NIOC).

30      Der Rat bringt vor, dass die Gründe für die Aufnahme des Namens der Klägerin in die streitigen Listen durch mehrere öffentlich zugängliche Dokumente untermauert würden. So ergebe sich aus einem Bericht der People’s Mojahedin Organization of Iran vom 10. Oktober 2012, dass der iranische Minister für Erdöl Herrn Vahid Dastjerdi als Aufsichtsratsvorsitzenden der Klägerin eingesetzt habe und dass dieser selbst Herrn Nasser Maleki als geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Klägerin eingesetzt habe. Dieser Bericht beschreibe auch, wie das iranische Verteidigungsministerium und die NIOC die Klägerin organisiert hätten, um der iranischen Regierung erhebliche finanzielle Mittel zugutekommen zu lassen und damit die gegen die Islamische Republik Iran verhängten Sanktionen zu umgehen.

31      Außerdem ergebe sich aus einem Artikel der Jerusalem Post vom 27. Februar 2013, dass die Klägerin einen Anteil von 2,5 % an der Bank Saderat halte, die eine von der Union im Rahmen der restriktiven Maßnahmen benannte Einrichtung sei.

32      Es ist darauf hinzuweisen, dass die durch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union gewährleistete Effektivität der gerichtlichen Kontrolle insbesondere erfordert, dass sich der Unionsrichter, wenn er die Rechtmäßigkeit der einer Entscheidung, den Namen einer bestimmten Person in die Listen aufzunehmen oder darauf zu belassen, zugrunde liegenden Begründung prüft, vergewissert, dass diese Entscheidung auf einer hinreichend gesicherten tatsächlichen Grundlage beruht. Dies setzt eine Überprüfung der tatsächlichen Umstände voraus, die in der dieser Entscheidung zugrunde liegenden Begründung angeführt werden, so dass sich die gerichtliche Kontrolle nicht auf die Beurteilung der abstrakten Wahrscheinlichkeit der angeführten Gründe beschränkt, sondern auf die Frage erstreckt, ob diese Gründe – oder zumindest einer von ihnen, der für sich genommen als ausreichend angesehen wird, um diese Entscheidung zu stützen – erwiesen sind (Urteil vom 18. Juli 2013, Kommission u. a./Kadi, C‑584/10 P, C‑593/10 P und C‑595/10 P, Slg, EU:C:2013:518, Rn. 119).

33      Im Streitfall ist es Sache der zuständigen Unionsbehörde, die Stichhaltigkeit der gegen die betroffene Person vorliegenden Gründe nachzuweisen, und nicht Sache der betroffenen Person, den negativen Nachweis zu erbringen, dass diese Gründe nicht stichhaltig sind. Die vorgelegten Informationen oder Beweise müssen die Gründe stützen, die gegen die betroffene Person vorliegen. Lässt sich die Stichhaltigkeit eines Grundes anhand dieser Angaben nicht feststellen, schließt der Unionsrichter ihn als Grundlage der fraglichen Entscheidung über die Aufnahme in die Liste oder die Belassung auf ihr aus (Urteil Kommission u. a./Kadi, oben in Rn. 32 angeführt, EU:C:2013:518, Rn. 121 bis 123).

34      Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Rechtsakts nur anhand der Sach- und Rechtslage beurteilt werden kann, auf deren Grundlage er erlassen wurde, und nicht anhand von Umständen, die dem Rat nach Erlass dieses Rechtsakts zur Kenntnis gebracht worden sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Oktober 2012, Oil Turbo Compressor/Rat, T‑63/12, Slg, EU:T:2012:579, Rn. 29).

35      Im vorliegenden Fall ist der Name der Klägerin in die streitigen Listen mit der Begründung aufgenommen worden, dass

–        sie der iranischen Regierung finanzielle Unterstützung bereitstelle;

–        sie unter der Leitung des iranischen Erdölministeriums und der NIOC stehe;

–        sie Anteile an von der Union im Rahmen der Umsetzung restriktiver Maßnahmen benannten Einrichtungen halte.

36      Zum ersten Grund bezüglich der finanziellen Unterstützung, die die Klägerin der iranischen Regierung bereitstelle, stellt das Gericht fest, dass der Rat nichts vorgetragen hat, was diese Behauptung stützen könnte. Das einzige in der Akte des Rates enthaltene und der Klägerin übermittelte Dokument, und zwar das mit dem Aktenzeichen Coreu/CFSP/0121/13, enthält nämlich keine Information, die über die in den angefochtenen Rechtsakten wiedergegebene Begründung hinausgeht. Isoliert betrachtet kann dieser erste Grund daher die Aufnahme des Namens der Klägerin in die streitigen Listen nicht rechtfertigen.

37      In Bezug auf den zweiten Grund ist das Gericht der Auffassung, dass die finanzielle Unterstützung, die die Klägerin der iranischen Regierung bereitstellen soll, nicht, wie der Rat in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, aus der Kontrolle folgen kann, die das iranische Erdölministerium und/oder die NIOC über die Klägerin ausüben sollen, da diese Kontrolle, die in den angefochtenen Rechtsakten als zweiter Grund angegeben wird, vom Rat ebenfalls nicht dargetan worden ist.

38      Hierzu geht zunächst aus den Schriftsätzen des Rates hervor, dass der einzige Anhaltspunkt, der für die Stützung der Behauptung vorgetragen wurde, dass die Klägerin unter der Leitung des iranischen Erdölministeriums und der NIOC handele, ein Bericht der People’s Mojahedin Organization of Iran vom 10. Oktober 2012 ist, wonach der Aufsichtsratsvorsitzende der Klägerin vom iranischen Erdölminister eingesetzt worden sei. Der Rat selbst hat jedoch in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass dieser Bericht beim Erlass der angefochtenen Rechtsakte nicht in seiner Akte enthalten gewesen sei, sondern dass er nur ein damit in Zusammenhang stehendes Element dargestellt habe. Daher kann dieser Bericht, dessen Inhalt zudem von der Klägerin bestritten wird und keine Information insbesondere in Bezug auf die Kontrollbefugnis, die die NIOC über die Klägerin ausüben soll, oder den Ursprung der Einsetzungsbefugnis, über die der iranische Erdölminister verfügen soll, enthält, nicht ausreichen, um die Stichhaltigkeit des zweiten Grundes darzulegen.

39      In Bezug auf das Vorbringen des Rates in der mündlichen Verhandlung, wonach die vom iranischen Erdölministerium und der NIOC ausgeübte Kontrolle durch den Petroleum Industry Pension Saving Fund, die Muttergesellschaft der Klägerin, deren Aufsichtsrat sich aus denselben Mitgliedern wie der der NIOC zusammensetze, ausgeübt werde, ist das Gericht sodann der Auffassung, dass diesem nicht gefolgt werden kann.

40      Zum einen ist nämlich festzustellen, dass dieses Vorbringen von den in den angefochtenen Rechtsakten wiedergegebenen Gründen abweicht. Nach der Rechtsprechung kann die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Rechtsakte jedoch nur anhand der Sach- und Rechtslage beurteilt werden, auf deren Grundlage sie erlassen wurden. Das Gericht kann daher nicht die Gründe austauschen, auf die diese Rechtsakte gestützt sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. November 2013, North Drilling/Rat, T‑552/12, EU:T:2013:590, Rn. 25). Zum anderen ist hervorzuheben, dass der Rat in der mündlichen Verhandlung jedenfalls keinen Beweis zur Stützung seines Vorbringens erbracht hat.

41      Was den dritten Grund anbelangt – dass die Klägerin Anteile an von der Union im Rahmen der Umsetzung der restriktiven Maßnahmen benannten Einrichtungen halte –, hat der Rat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass die Klägerin wegen dieser Beteiligungen als mit diesen Einrichtungen in Verbindung stehend anzusehen sei. Es ist allerdings festzustellen, dass diese Behauptung – wie die anderen Gründe – durch keinen Beweis untermauert wird. Das einzige vom Rat zur Stützung seines entsprechenden Vorbringens vorgelegte Dokument ist nämlich ein Artikel der Jerusalem Post vom 27. Februar 2013. Nach der oben in Rn. 34 angeführten Rechtsprechung kann dieses Dokument jedoch nicht berücksichtigt werden, da es aus der Zeit nach dem Erlass der angefochtenen Rechtsakte stammt und der Rat damit zum Zeitpunkt der Aufnahme des Namens der Klägerin in die streitigen Listen keine Kenntnis davon haben konnte.

42      Nach alledem ist somit festzustellen, dass keiner der in den angefochtenen Rechtsakten angegebenen Gründe rechtlich hinreichend untermauert ist und die Aufnahme des Namens der Klägerin in die streitigen Listen daher nicht gerechtfertigt war.

43      Demzufolge sind die angefochtenen Rechtsakte für nichtig zu erklären, ohne dass die anderen von der Klägerin geltend gemachten Klagegründe geprüft zu werden brauchen.

 Zu den zeitlichen Wirkungen der Nichtigerklärung der angefochtenen Rechtsakte

44      Nach Art. 264 Abs. 2 AEUV kann das Gericht, falls es dies für notwendig hält, diejenigen Wirkungen einer für nichtig erklärten Handlung bezeichnen, die als fortgeltend zu betrachten sind. Nach der Rechtsprechung ermöglicht es diese Bestimmung dem Unionsrichter, über den Zeitpunkt des Wirksamwerdens seiner Nichtigkeitsurteile zu entscheiden (Urteil vom 12. Dezember 2013, Nabipour u. a./Rat, T‑58/12, EU:T:2013:640, Rn. 250 und 251).

45      Im vorliegenden Fall geht das Gericht aus den nachfolgend dargestellten Gründen davon aus, dass es notwendig ist, die Wirkungen der angefochtenen Rechtsakte zeitlich bis zum Ablauf der in Art. 56 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union bezeichneten Rechtsmittelfrist oder, wenn innerhalb dieser Frist ein Rechtsmittel eingelegt wird, bis zur Zurückweisung des Rechtsmittels aufrechtzuerhalten.

46      Es ist nämlich darauf hinzuweisen, dass das von der Islamischen Republik Iran durchgeführte Nuklearprogramm sowohl auf internationaler als auch auf europäischer Ebene erhebliche Besorgnis hervorruft. In diesem Zusammenhang hat der Rat schrittweise die Anzahl der restriktiven Maßnahmen gegen diesen Staat erweitert, um der Entwicklung von Aktivitäten, die den Frieden und die internationale Sicherheit im Rahmen der Umsetzung der Resolutionen des Sicherheitsrats gefährden, ein Hindernis in den Weg zu stellen.

47      Somit muss das Interesse der Klägerin an der sofortigen Wirkung der Nichtigerklärung der angefochtenen Rechtsakte, soweit sie sie betreffen, mit der dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzung abgewogen werden, die von der Politik der Union im Bereich der restriktiven Maßnahmen gegen die Islamische Republik Iran verfolgt wird. Die Anpassung der zeitlichen Wirkungen der Nichtigerklärung einer restriktiven Maßnahme kann sich somit durch die Notwendigkeit rechtfertigen, die Wirksamkeit der restriktiven Maßnahmen zu gewährleisten, und letztlich durch zwingende Gründe der Sicherheit oder der Gestaltung der internationalen Beziehungen der Union und ihrer Mitgliedstaaten, wie dies entsprechend bei der Rechtfertigung für die fehlende Verpflichtung zur vorherigen Information des Betroffenen über die Gründe für die erstmalige Aufnahme seines Namens in die Listen von Personen und Organisationen, auf die restriktive Maßnahmen Anwendung finden, der Fall sein konnte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Dezember 2011, Frankreich/People’s Mojahedin Organization of Iran, C‑27/09 P, Slg, EU:C:2011:853, Rn. 67).

48      Würden die angefochtenen Rechtsakte, soweit sie die Klägerin betreffen, mit sofortiger Wirkung für nichtig erklärt, so könnte diese indessen ihr gesamtes Vermögen oder einen Teil ihres Vermögens aus der Union verbringen, ohne dass der Rat gegebenenfalls rechtzeitig Art. 266 AEUV anwenden könnte, um den im vorliegenden Urteil festgestellten Unregelmäßigkeiten abzuhelfen, so dass eine ernste und unumkehrbare Beeinträchtigung der Wirksamkeit eines jeden Einfrierens von Geldern drohen würde, das möglicherweise in der Zukunft vom Rat gegenüber einer solchen Organisation beschlossen werden könnte.

49      Im Hinblick auf die Anwendung des Art. 266 AEUV im vorliegenden Fall ist nämlich darauf hinzuweisen, dass sich die Nichtigerklärung der Eintragung des Namens der Klägerin in die streitigen Listen durch das vorliegende Urteil aus dem Umstand ergibt, dass die Gründe für diese Aufnahme nicht durch ausreichende Beweise untermauert worden sind (siehe oben, Rn. 28 bis 43). Auch wenn es Sache des Rates ist, über Maßnahmen zur Durchführung des vorliegenden Urteils zu entscheiden, lässt sich eine erneute Eintragung des Namens der Klägerin in die streitigen Listen somit nicht ohne Weiteres ausschließen. Der Rat hat nämlich im Rahmen dieser erneuten Prüfung die Möglichkeit, den Namen der Klägerin auf der Grundlage von rechtlich ausreichend untermauerten Gründen wieder in die streitigen Listen aufzunehmen.

50      Daraus ergibt sich, dass die Wirkungen der angefochtenen Rechtsakte gegenüber der Klägerin bis zum Zeitpunkt des Ablaufs der Rechtsmittelfrist oder, wenn innerhalb dieser Frist ein Rechtsmittel eingelegt wird, bis zur Zurückweisung des Rechtsmittels aufrechterhalten werden müssen.

 Kosten

51      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Rat mit seinen Anträgen unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Der Beschluss 2012/829/GASP des Rates vom 21. Dezember 2012 zur Änderung des Beschlusses 2010/413/GASP über restriktive Maßnahmen gegen Iran wird für nichtig erklärt, soweit mit ihm der Name der Oil Pension Fund Investment Company in die Liste in Anhang II des Beschlusses 2010/413/GASP des Rates vom 26. Juli 2010 über restriktive Maßnahmen gegen Iran und zur Aufhebung des Gemeinsamen Standpunkts 2007/140/GASP aufgenommen wurde.

2.      Die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1264/2012 des Rates vom 21. Dezember 2012 zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 267/2012 über restriktive Maßnahmen gegen Iran wird für nichtig erklärt, soweit mit ihr der Name der Oil Pension Fund Investment Company in die Liste in Anhang IX der Verordnung (EU) Nr. 267/2012 des Rates vom 23. März 2012 über restriktive Maßnahmen gegen Iran und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 961/2010 aufgenommen wurde.

3.      Die Wirkungen des Beschlusses 2012/829 und der Durchführungsverordnung Nr. 1264/2012 werden in Bezug auf die Oil Pension Fund Investment Company bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist des Art. 56 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union oder – falls innerhalb dieser Frist ein Rechtsmittel eingelegt wird – bis zur Zurückweisung des Rechtsmittels aufrechterhalten.

4.      Der Rat der Europäischen Union trägt neben seinen eigenen Kosten die der Oil Pension Fund Investment Company.

Van der Woude

Wiszniewska-Białecka

Ulloa Rubio

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 18. September 2015.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.