Language of document : ECLI:EU:T:2011:579

URTEIL DES GERICHTS (Sechste Kammer)

6. Oktober 2011(*)

„Gemeinschaftsmarke – Widerspruchsverfahren – Anmeldung der Gemeinschaftswortmarke deutschemedi.de – Ältere Gemeinschaftswortmarke World of medi, ältere nationale Bildmarke medi, ältere nationale Wortmarken medi.eu, medi welt und medi ‑ Verband sowie älterer Handels- und Firmenname medi – Relatives Eintragungshindernis – Verwechslungsgefahr – Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009“

In der Rechtssache T‑247/10

medi GmbH & Co. KG mit Sitz in Bayreuth (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin H. Lindner sowie Rechtsanwälte D. Terheggen und T. Kiphuth,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch S. Schäffner als Bevollmächtigten,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer und Streithelferin vor dem Gericht:

Deutsche Medien Center GmbH mit Sitz in Dortmund (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt R. Bodemann,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt vom 16. März 2010 (Sache R 1366/2008‑4) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen der Weihermüller & Voigtmann GmbH & Co. KG und der Deutsche Medi Präventions GmbH

erlässt

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Moavero Milanesi sowie der Richter N. Wahl und S. Soldevila Fragoso (Berichterstatter),

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund der am 28. Mai 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 13. Oktober 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des HABM,

aufgrund der am 25. Oktober 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung der Streithelferin,

aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien binnen der Frist von einem Monat nach der Mitteilung, dass das schriftliche Verfahren abgeschlossen ist, die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und des daher auf Bericht des Berichterstatters gemäß Art. 135a der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 22. Mai 2006 meldete die Streithelferin, die Deutsche Medi Präventions GmbH, jetzt Deutsche Medien Center GmbH, nach der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke [ABl. L 78, S. 1]) beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) eine Gemeinschaftsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen deutschemedi.de.

3        Die Marke wurde für die Dienstleistungen „Vermittlung von Verträgen auf dem Gebiet der Gesundheitsdienstleistungen, insbesondere der Ärzte, Chiropraktiker, Krankenhäuser, Psychologen, Sanitäter, Tier- und Zahnärzte, Hebammen; Groß- und Einzelhandelsdienstleistungen einer Internetapotheke im Bereich pharmazeutische Erzeugnisse, Desinfektionsmittel, Pflaster, Verbandmaterial, Sanitärprodukte für medizinische Zwecke und diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke“ in Klasse 35 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet.

4        Die Anmeldung der Gemeinschaftsmarke wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 48/2006 vom 27. November 2006 veröffentlicht.

5        Am 27. Februar 2007 legte die Klägerin, die Weihermüller & Voigtmann GmbH & Co. KG, jetzt nach mehreren Änderungen medi GmbH & Co. KG, gemäß Art. 8 Abs. 1 und 4 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 (jetzt Art. 8 Abs. 1 und 4 der Verordnung Nr. 207/2009) Widerspruch gegen die Anmeldung der Marke für die oben in Randnr. 3 genannten Dienstleistungen ein. Sie stützte sich dabei auf folgende Marken:

–        deutsche Wortmarke medi.eu (Nr. 30 234 527), eingetragen am 28. August 2002 für die folgenden Waren und Dienstleistungen der Klassen 5, 10, 35, 39, 41, 42 und 44:

– Klasse 5: „pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke; Babykost; Pflaster, Kompressen und andere Wundabdeckungen; Drainageschwämme und Hydrokolloidverbände, Krankenunterlagen, einschließlich Dekubitus-Unterlagen, Artikel für Inkontinenzkranke (soweit in Klasse 5 enthalten); Verbandmaterial; Artikel für die Wärme- und Kältetherapie. insbesondere elektrische Heizkissen und -decken für medizinische Zwecke; Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke; Desinfektionsmittel; Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren; Fungizide, Herbizide“;

– Klasse 10: „orthopädische Artikel, insbesondere Bandagen, medizinische Strümpfe für Arm und Bein (Kompressionsstrümpfe,

Thrombose-Prophylaxe-Strümpfe, Stützstrümpfe), medizinische Strumpfhosen (Kompressions-, Thrombose-Prophylaxe- und Stütz-Strumpfhosen) sowie Teile derselben; Artikel der Orthopädie, insbesondere Orthesen für die Bereiche Cervical, Rumpf, Schulter, Arm, Hand, Bein, Knie, Fuß, Sprunggelenk; medizinische Geräte und Artikel für krankengymnastische Übungen und Rekonvaleszenz; chirurgische, ärztliche, zahn- und tierärztliche Instrumente und Apparate, künstliche Gliedmaßen, Silikonprodukte für den Bereich Prothesen, insbesondere zur verbesserten Stumpfschafthaftung; künstliche Augen und künstliche Zähne sowie Gegenstände für Endoprothetik, insbesondere Hüftgelenkprothesen, Implantate, Knochenschrauben“;

– Klasse 35: „Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten“;

– Klasse 39: „Transportwesen; Verpackung und Lagerung von Waren; Veranstaltung von Reisen“;

– Klasse 41: „Ausbildung, insbesondere Veranstaltung von Fort- und Weiterbildungsseminaren für die Administration in Krankenhäusern und im ambulanten Bereich, für die Alten- und Heimpflege, im stationären und ambulanten Pflege- und Operationsbereich, für Ärzte, Arzthelfer/innen und Pflegepersonal, für die Mitarbeiter von Industrie und Handel im Bereich Medizintechnik; Beratungs- und Consultingleistungen für Qualitätsmanagement und Logistik in Krankenhäusern, Pflege- und Altenheimen, ambulanten Pflegediensten, ambulanten und stationären Praxiskliniken“;

– Klasse 42: „wissenschaftliche und industrielle Forschung; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung“;

– Klasse 44: „ärztliche Versorgung; Gesundheits- und Schönheitspflege; Dienstleistungen auf dem Gebiet der Tiermedizin und der Landwirtschaft; Rechtsberatung und ‑vertretung“

–        deutsche Wortmarke medi welt (Nr. 30 403 535), eingetragen am 3. September 2004 für verschiedene Waren und Dienstleistungen in den Klassen 5, 10, 35, 38, 39, 41, 42, 43 und 44;

–        deutsche Wortmarke medi - Verband (Nr. 30 363 899), eingetragen am 30. April 2004 für verschiedene Waren und Dienstleistungen in den Klassen 5, 10, 35, 38, 39, 41, 42, 43 und 44;

–        Gemeinschaftswortmarke World of medi (Nr. 2 414 696), eingetragen am 7. Oktober 2004 für verschiedene Waren und Dienstleistungen in den Klassen 3, 5, 10, 35, 41 und 42;

–        folgende deutsche Bildmarke Nr. 304 12 304, eingetragen am 30. September 2004 für verschiedene Waren und Dienstleistungen in den Klassen 5, 10, 35, 38, 39, 41, 42, 43 und 44:

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–        im geschäftlichen Verkehr benutzter Handels- und Firmenname medi für alle Waren und Dienstleistungen der oben genannten Marken im Gebiet der Union.

6        Am 28. August 2008 gab die Widerspruchsabteilung dem Widerspruch in vollem Umfang statt, wobei sie sich auf die ältere deutsche Wortmarke medi.eu bezog und feststellte, dass die von beiden Zeichen erfassten Dienstleistungen der Klasse 35 identisch seien und das Wortelement „medi“ in diesen Zeichen enthalten sei. Sie gelangte daher zu dem Ergebnis, dass zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen insbesondere in Deutschland Verwechslungsgefahr bestehe.

7        Am 22. September 2008 legte die Streithelferin nach den Art. 57 bis 62 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009) gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung beim HABM Beschwerde ein.

8        Mit Entscheidung vom 16. März 2010 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) gab die Vierte Beschwerdekammer des HABM der Beschwerde statt. Zunächst prüfte sie das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr zwischen der angemeldeten Marke deutschemedi.de und der älteren Marke medi.eu. Hinsichtlich des Vergleichs der mit den beiden Marken gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen vertrat die Beschwerdekammer die Auffassung, dass nur ein Teil der mit der angemeldeten Marke gekennzeichneten Dienstleistungen, insbesondere die Vermittlung von Verträgen auf dem Gebiet der Gesundheitsdienstleistungen, mit den mit der älteren Marke gekennzeichneten identisch sei. Bezüglich der „Groß- und Einzelhandelsdienstleistungen einer Internetapotheke im Bereich pharmazeutische Erzeugnisse, Desinfektionsmittel, Pflaster, Verbandmaterial, Sanitärprodukte für medizinische Zwecke und diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke“ verneinte sie die Identität mit den von der älteren Marke erfassten Dienstleistungen, da in der Eintragung dieser Marke nicht genau bezeichnet sei, auf welche Erzeugnisse sich diese Dienstleistungen bezögen. Gleichwohl war sie der Ansicht, die genannten Dienstleistungen seien den von der älteren Marke erfassten Waren „pharmazeutische Erzeugnisse, Präparate für die Gesundheitspflege, diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Pflaster, Verbandmaterial, Desinfektionsmittel“ ähnlich, da sie sich an dieselben Verkehrskreise richteten und in denselben Verkaufsstellen angeboten würden. Was den Vergleich der beiden einander gegenüberstehenden Zeichen betrifft, stellte die Beschwerdekammer fest, dass die Zeichen bildlich und begrifflich ähnlich seien, klanglich aber nur geringe Ähnlichkeit aufwiesen. Angesichts der geringen Kennzeichnungskraft der älteren Marke und des erhöhten Grades an Aufmerksamkeit der angesprochenen Verkehrskreise bestehe jedoch im Ergebnis zwischen den beiden Zeichen keine Verwechslungsgefahr. Aus den gleichen Gründen verneinte die Beschwerdekammer das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr mit den anderen von der Klägerin angeführten Marken. Schließlich gab die Beschwerdekammer dem Widerspruch auch nicht gemäß Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 auf der Grundlage des Handels- und Firmennamens medi statt, da die Klägerin weder belegt habe, dass sie Inhaberin dieses Firmennamens sei, noch die nationalen Rechtsvorschriften angegeben habe, aus denen sich der Anspruch auf Untersagung der Benutzung einer jüngeren Marke sowie dessen Inhalt und Umfang ergäben, noch die Benutzung des älteren Rechts vor dem Prioritätsdatum der angemeldeten Marke nachgewiesen habe.

 Anträge der Verfahrensbeteiligten

9        Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        die Anmeldung der Gemeinschaftsmarke in vollem Umfang zurückzuweisen;

–        dem HABM die Kosten aufzuerlegen.

10      Das HABM beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

11      Die Streithelferin beantragt,

–        den Antrag auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zurückzuweisen;

–        den Antrag auf Zurückweisung der Gemeinschaftsmarkenanmeldung zurückzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Entscheidungsgründe

 Zur Zulässigkeit des zweiten Antrags der Klägerin

12      Das HABM macht geltend, dass der zweite, auf die Zurückweisung der Gemeinschaftsmarkenanmeldung gerichtete Antrag der Klägerin unzulässig sei. Zur Begründung führt das HABM im Wesentlichen aus, dass nach Art. 65 Abs. 6 der Verordnung Nr. 207/2009 das Gericht dem HABM keine Anordnungen erteilen könne, sondern das HABM die sich aus dem Urteil ergebenden Konsequenzen zu ziehen habe.

13      Der zweite Antrag der Klägerin ist darauf gerichtet, dass das Gericht dem HABM für die Durchführung des Urteils eine Anordnung erteilen möge. Insoweit ist daran zu erinnern, dass nach Art. 65 Abs. 6 der Verordnung Nr. 207/2009 das HABM die Maßnahmen zu ergreifen hat, die sich aus dem Urteil des Gemeinschaftsrichters ergeben. Das Gericht kann dem HABM somit keine Anordnung erteilen. Dieses hat vielmehr die Konsequenzen aus dem Tenor und den Gründen der Urteile des Gerichts zu ziehen (Urteile des Gerichts vom 3. Juli 2003, Alejandro/HABM – Anheuser-Busch [BUDMEN], T‑129/01, Slg. 2003, II‑2251, Randnr. 22, und vom 9. März 2005, Osotspa/HABM – Distribution & Marketing [Hai], T‑33/03, Slg. 2005, II‑763, Randnr. 15).

14      Der zweite Antrag der Klägerin ist somit unzulässig.

 Zur Begründetheit

15      Die Klägerin stützt ihre Klage auf drei Klagegründe, mit denen sie erstens einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009, zweitens einen Verstoß gegen deren Art. 73 Abs. 2 und drittens einen Verstoß gegen deren Art. 8 Abs. 4 rügt.

16      Es erscheint angezeigt, zunächst den ersten Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 8 Abs. 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 207/2009 zu prüfen.

17      Mit ihrem ersten Klagegrund rügt die Klägerin die angefochtene Entscheidung hinsichtlich erstens der angenommenen Ähnlichkeit der in Frage stehenden Dienstleistungen, zweitens einer im Rahmen der Prüfung der Zeichenähnlichkeit angenommenen Kennzeichnungsschwäche des Wortelements „medi“ der älteren Marke medi.eu und drittens der von der Beschwerdekammer vorgenommenen umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr.

18      Nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 ist die angemeldete Marke auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke von der Eintragung ausgeschlossen, wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit der älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere Marke Schutz genießt. Dabei schließt die Gefahr von Verwechslungen die Gefahr ein, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird. Nach Art. 8 Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii der Verordnung Nr. 40/94 sind „ältere Marken“ auch die in einem Mitgliedstaat eingetragenen Marken mit einem früheren Anmeldetag als dem Tag der Anmeldung der Gemeinschaftsmarke.

19      Nach ständiger Rechtsprechung liegt Verwechslungsgefahr dann vor, wenn das Publikum glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Nach der Rechtsprechung ist das Vorliegen von Verwechslungsgefahr umfassend, gemäß der Wahrnehmung der betreffenden Zeichen sowie Waren oder Dienstleistungen durch die maßgeblichen Verkehrskreise und unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Wechselbeziehung zwischen der Ähnlichkeit der Zeichen und der der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen, zu beurteilen (vgl. Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2003, Laboratorios RTB/HABM – Giorgio Beverly Hills [GIORGIO BEVERLY HILLS], T‑162/01, Slg. 2003, II‑2821, Randnrn. 30 bis 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

20      Für die Anwendung des Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 setzt eine Verwechslungsgefahr voraus, dass sowohl Identität oder Ähnlichkeit zwischen den einander gegenüberstehenden Marken als auch Identität oder Ähnlichkeit zwischen den mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen besteht. Es handelt sich hierbei um kumulative Voraussetzungen (vgl. Urteil des Gerichts vom 22. Januar 2009, Commercy/HABM – easyGroup IP Licensing [easyHotel], T‑316/07, Slg. 2009, II‑43, Randnr. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

21      Im Licht dieser Erwägungen ist zu prüfen, ob zwischen der älteren Marke medi.eu und der Anmeldemarke deutschemedi.de Verwechslungsgefahr besteht.

22      Hinsichtlich der maßgeblichen Verkehrskreise hat die Beschwerdekammer, ohne dass die Klägerin dem widersprochen hätte, in Randnr. 14 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass sie aus der Allgemeinheit der Verbraucher und den Fachkreisen im pflegerischen, medizinischen und pharmazeutischen Bereich bestünden. Da die ältere Marke in Deutschland Schutz genießt, ist auf die deutschen Verkehrskreise abzustellen.

–       Zum Vergleich der Dienstleistungen

23      Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der betreffenden Waren oder Dienstleistungen alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis kennzeichnen, in dem diese Waren und Dienstleistungen zueinander stehen. Zu diesen Faktoren gehören insbesondere deren Art, Bestimmung und Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen. Es können auch andere Faktoren wie beispielsweise die Vertriebswege der betreffenden Waren berücksichtigt werden (vgl. Urteil des Gerichts vom 11. Juli 2007, El Corte Inglés/HABM – Bolaños Sabri [PiraÑAM diseño original Juan Bolaños], T‑443/05, Slg. 2007, II‑2579, Randnr. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

24      Im vorliegenden Fall hält es die Klägerin für fehlerhaft, dass die Beschwerdekammer das Bestehen einer Identität zwischen den für die Anmeldemarke beanspruchten „Groß- und Einzelhandelsdienstleistungen einer Internetapotheke im Bereich pharmazeutische Erzeugnisse, Desinfektionsmittel, Pflaster, Verbandmaterial, Sanitärprodukte für medizinische Zwecke und diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke“ und den von der älteren Marke erfassten Dienstleistungen „Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten“ verneint hat.

25      Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, wie es die Beschwerdekammer in Randnr. 16 der angefochtenen Entscheidung zutreffend getan hat, dass die ältere Marke medi.eu für alle Klassenüberschriften der Klasse 35 der Nizzaer Klassifikation eingetragen ist. Nach den Erläuternden Anmerkungen zu dieser Klasse gehört zu diesen Dienstleistungen u. a. die Tätigkeit des Zusammenstellens verschiedener Waren mit Ausnahme ihres Transports für Dritte, um den Verbrauchern Ansicht und Erwerb dieser Waren zu erleichtern. Diese Tätigkeit entspricht im Wesentlichen einer Geschäftstätigkeit wie der von der Anmeldemarke erfassten (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 7. Juli 2005, Praktiker Bau- und Heimwerkermärkte, C‑418/02, Slg. 2005, I‑5873, Randnrn. 34 bis 36).

26      Weiter ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung von dem Anmelder einer Marke für Dienstleistungen, die im Rahmen des Einzelhandels erbracht werden, zwar zu verlangen ist, dass er die Waren oder Arten von Waren, auf die sich diese Dienstleistungen beziehen, konkretisiert, ohne dass es aber notwendig wäre, die Dienstleistung oder die Dienstleistungen zu konkretisieren (Urteil Praktiker Bau- und Heimwerkermärkte, Randnrn. 49 bis 51, und Urteil des Gerichts vom 24. September 2008, Oakley/HABM – Venticinque [O STORE], T‑116/06, Slg. 2008, II‑2455, Randnr. 44).

27      Dieser Rechtsprechung ist weiter zu entnehmen, dass diese Anforderung für die Eintragung von Marken mit der Konsequenz gilt, die Anwendung insbesondere des Art. 4 Abs. 1 der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1) zu erleichtern, der die Zurückweisung einer Anmeldung wegen bestehender Verwechslungsgefahr betrifft (vgl. entsprechend Urteil Praktiker Bau- und Heimwerkermärkte, Randnrn. 49 und 51).

28      Im vorliegenden Fall ist zu beachten, dass die ältere deutsche Marke medi.eu, wie oben in Randnr. 5 ausgeführt, am 28. August 2002, also vor Verkündung des Urteils Praktiker Bau- und Heimwerkermärkte, für die Dienstleistungen der „Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten“ eingetragen wurde, ohne dass offenbar das nationale Markenamt hiergegen Einwendungen erhoben oder hinsichtlich der von diesen Dienstleistungen betroffenen Waren eine Konkretisierung verlangt hätte.

29      Unter diesen Umständen würden, bis eine Einschränkung der von der älteren Marke medi.eu erfassten Dienstleistungen in der oben in Randnr. 26 genannten Weise erfolgte, die Dienstleistungen der „Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten“ wegen eines sehr allgemeinen Wortlauts grundsätzlich alle denkbaren Waren umfassen (vgl. in diesem Sinne Urteil O STORE, Randnr. 61).

30      Jedoch kann das Gericht im Rahmen der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr die Besonderheiten des Einzelfalls berücksichtigen, um einen präziseren Vergleich dieser Dienstleistungen vorzunehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil Praktiker Bau- und Heimwerkermärkte, Randnr. 48).

31      Da die ältere Marke medi.eu auch für „pharmazeutische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke; Pflaster, Kompressen und andere Wundabdeckungen; Drainageschwämme und Hydrokolloidverbände; Verbandmaterial; Desinfektionsmittel“ eingetragen ist, ist davon auszugehen, dass die Dienstleistungen der „Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten“ im Wesentlichen diese Waren zum Gegenstand haben. Mit Rücksicht hierauf ist entgegen den Ausführungen der Beschwerdekammer in Randnr. 18 der angefochtenen Entscheidung festzustellen, dass die von der älteren Marke erfassten Dienstleistungen, nämlich „Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten“, mit den für die Anmeldemarke beanspruchten „Groß- und Einzelhandelsdienstleistungen einer Internetapotheke im Bereich pharmazeutische Erzeugnisse, Desinfektionsmittel, Pflaster, Verbandmaterial, Sanitärprodukte für medizinische Zwecke und diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke“ identisch sind.

32      Sodann wendet sich die Streithelferin gegen die Ausführungen der Beschwerdekammer zu den Dienstleistungen der „Vermittlung von Verträgen auf dem Gebiet der Gesundheitsdienstleistungen, insbesondere der Ärzte, Chiropraktiker, Krankenhäuser, Psychologen, Sanitäter, Tier- und Zahnärzte, Hebammen“, wonach diese mit den von der älteren Marke medi.eu umfassten Dienstleistungen der „Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten“ identisch seien. Insoweit macht die Streithelferin geltend, dass der Grundsatz der Klassenüberschriften der Nizzaer Klassifikation auf die Vermittlung von Verträgen auf dem Gebiet der Gesundheitsdienstleistungen nicht anwendbar sei, weil diese Dienstleistungen, wie sich aus einer entsprechenden Heranziehung der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebe, dem Markenschutz nur dann zugänglich seien, wenn der Gegenstand der Vermittlung konkret angegeben werde.

33      Mit diesem Vorbringen bemängelt die Streithelferin den Vergleich dieser Dienstleistungen durch die Beschwerdekammer bei der Beurteilung des Vorliegens einer Verwechslungsgefahr zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen. Da der von der Streithelferin erhobenen Beschwerde von der Beschwerdekammer stattgegeben wurde, was das Vorliegen einer Ähnlichkeit zwischen den fraglichen Zeichen anbelangt, das mit der vorliegenden Klage bestritten wird, ist davon auszugehen, dass sie gemäß Art. 134 § 2 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichts einen eigenständigen Antrag stellen wollte, der auf die Abänderung der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich der Beurteilung des Vorliegens einer Ähnlichkeit zwischen den fraglichen Waren und Dienstleistungen abzielt, die bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr eine bedeutende Rolle spielt (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 15. Oktober 2008, Powerserv Personalservice/HABM – Manpower [MANPOWER], T‑405/05, Slg. 2008, II‑2883, Randnr. 24). Dieser Annahme steht nicht der bloß formelle Umstand entgegen, dass die Streithelferin in ihren Schriftsätzen eine Abänderung der angefochtenen Entscheidung nicht ausdrücklich beantragt hat.

34      Wie oben in Randnr. 26 festgestellt, ergibt sich aus dem Urteil Praktiker Bau- und Heimwerkermärkte (Randnr. 50), dass für die Eintragung einer Marke, die Dienstleistungen des Einzelhandels erfasst, vom Anmelder zu verlangen ist, dass er die Waren oder die Arten von Waren konkretisiert, auf die sich diese Dienstleistungen beziehen.

35      Da die entgeltliche Vertragsvermittlung auf dem Gebiet der Gesundheitsdienstleistungen als eine Form des Handels mit diesen Dienstleistungen angesehen werden kann, ist die in der vorstehenden Randnummer wiedergegebene Feststellung des Urteils Praktiker Bau- und Heimwerkermärkte auf diese Vertragsvermittlung entsprechend anzuwenden.

36      Unter diesen Umständen würden, bis eine Einschränkung der von der älteren Marke medi.eu erfassten Dienstleistungen in der oben in Randnr. 26 genannten Weise erfolgte, die Dienstleistungen der „Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten“ wegen eines sehr allgemeinen Wortlauts alle Dienstleistungen, die in diese Klasse fallen können, und insbesondere die Vermittlung von Verträgen über Dienstleistungen außer denjenigen umfassen, die in andere Klassen der Nizzaer Klassifikation fallen, wie dies etwa für die Vermittlung von Verträgen auf dem Gebiet der Versicherungs- oder Finanzdienstleistungen in Klasse 36 gilt.

37      Jedoch kann das Gericht, wie oben in Randnr. 30 ausgeführt, im Rahmen der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr die Besonderheiten des Einzelfalls berücksichtigen, um einen präziseren Vergleich dieser Dienstleistungen vorzunehmen.

38      Da die ältere Marke medi.eu auch für Dienstleistungen der ärztlichen Versorgung und Dienstleistungen auf dem Gebiet der Tiermedizin eingetragen ist, ist somit davon auszugehen, dass sich die Dienstleistungen der „Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten“ im Wesentlichen auf diese Dienstleistungen beziehen. Die Beschwerdekammer hat daher in Randnr. 16 der angefochtenen Entscheidung zu Recht festgestellt, dass die Dienstleistungen der Vermittlung von Verträgen auf dem Gebiet der Gesundheitsdienstleistungen mit den von der älteren Marke medi.eu geschützten Dienstleistungen der Klasse 35 identisch sind.

–       Zum Vergleich der Zeichen

39      Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr im Hinblick auf die Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen in Bild, Klang oder Bedeutung ist auf den Gesamteindruck abzustellen, den diese Zeichen hervorrufen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr kommt es entscheidend darauf an, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher dieser Waren oder Dienstleistungen wirkt. Dabei nimmt der Durchschnittsverbraucher eine Marke regelmäßig als Ganzes wahr und achtet nicht auf die verschiedenen Einzelheiten (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 12. Juni 2007, HABM/Shaker, C‑334/05 P, Slg. 2007, I‑4529, Randnr. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

40      Im vorliegenden Fall ist die Klägerin der Auffassung, dass die Beschwerdekammer zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass die Kennzeichnungskraft der Marke medi.eu unterdurchschnittlich sei. Dabei verweist sie darauf, dass die Beschwerdekammer für ihre Argumentation nicht eine andere Entscheidung anführen dürfe, die nicht rechtskräftig sei und wonach der Wortbestandteil „medi“ in der englischen Sprache beschreibend sein solle. Hingegen wendet sich die Klägerin nicht gegen die Feststellung der Beschwerdekammer, dass zwischen den Zeichen deutschemedi.de und medi.eu eine schriftbildliche und begriffliche Ähnlichkeit bestehe.

41      Insoweit ist zunächst zu konstatieren, dass das Wortelement „medi“, wie die Beschwerdekammer in Randnr. 20 der angefochtenen Entscheidung hervorgehoben hat, in deutschsprachigen Wörterbüchern nicht aufgeführt ist. Jedoch entspricht dieses Wortelement dem Stamm der Begriffe „Medizin“, „Mediziner“ und „medizinisch“. Aus der Perspektive der maßgeblichen Verkehrskreise gesehen, wird es daher bei ihnen einen mit dem Gebiet der Medizin zusammenhängenden Vorstellungsinhalt wachrufen.

42      Zwar kann der Wortbestandteil „medi“ auch andere Bedeutungen wie die Größenangabe „mittel“ oder als Abkürzung für „Meditation“ oder „Medien“ haben. Jedoch ist das Bestehen anderer Bedeutungen im vorliegenden Fall unerheblich. Wie das HABM zutreffend ausgeführt hat, ist für die Ermittlung der Unterscheidungskraft eines Zeichens auf die Wahrnehmung der durchschnittlich informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen maßgeblichen Verkehrskreise im Hinblick auf die in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen abzustellen (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 7. Oktober 2004, Mag Instrument/HABM, C‑136/02 P, Slg. 2004, I‑9165, Randnr. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung). Da im vorliegenden Fall die fraglichen Waren und Dienstleistungen, nämlich die im Licht der Waren und Dienstleistungen der Klassen 5 und 44 gesehenen Dienstleistungen der Klasse 35, zu dem Gebiet der Medizin gehören, ist davon auszugehen, dass das relevante Publikum das Wortelement „medi“ als einen Hinweis auf dieses Gebiet wahrnehmen wird.

43      Entgegen der Auffassung der Klägerin spielt es im vorliegenden Fall keine Rolle, dass die in Randnr. 20 der angefochtenen Entscheidung angeführte Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des HABM vom 1. Oktober 2009 in der Sache R 692/2008‑4 nicht bestandskräftig ist und darin der beschreibende Charakter des Zeichens „medi“ im Hinblick auf die englische Sprache bejaht wurde. Wie eine aufmerksame Lektüre dieser Randnummer zeigt, hat sich die Beschwerdekammer für die Feststellung, dass die ältere Marke eine schwache Kennzeichnungskraft habe, nicht auf die Erwägungen in der Entscheidung vom 1. Oktober 2009 gestützt, sondern eine eigene Argumentation entwickelt, der zufolge der Wortbestandteil „medi“, obgleich er nicht in den deutschsprachigen Wörterbüchern als eine Abkürzung für „Medizin“ erscheint, in einer ganzen Reihe von zusammengesetzten deutschen Wörtern im Zusammenhang mit diesem Fachgebiet verwendet wird.

44      Demnach ist festzustellen, dass die ältere Marke medi.eu eine schwache Kennzeichnungskraft besitzt. Die Beschwerdekammer hat daher in Randnr. 20 der angefochtenen Entscheidung zu Recht befunden, dass die Kennzeichnungskraft der älteren Marke unterdurchschnittlich ist.

45      Insoweit ist daher das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen.

–       Zur Verwechslungsgefahr

46      Die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr impliziert eine gewisse Wechselbeziehung der in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen. So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (Urteil des Gerichtshofs vom 29. September 1998, Canon, C‑39/97, Slg. 1998, I‑5507, Randnr. 17, und Urteil des Gerichts vom 14. Dezember 2006, Mast-Jägermeister/HABM – Licorera Zacapaneca [VENADO mit Rahmen u. a.], T‑81/03, T‑82/03 und T‑103/03, Slg. 2006, II‑5409, Randnr. 74).

47      Die Klägerin meint, dass die Beschwerdekammer in den Randnrn. 28 und 29 der angefochtenen Entscheidung das Vorliegen von Verwechslungsgefahr zu Unrecht unter Hinweis auf die schwache Kennzeichnungskraft des Wortelements „medi“ und die erhöhte Aufmerksamkeit des relevanten Publikums verneint habe. Die Klägerin macht zum einen geltend, dass auch kennzeichnungsschwache Marken einen über ihre vollständige Wiedergabe hinausreichenden Schutz genössen, und zum anderen, dass die erhöhte Aufmerksamkeit im Fall bestimmter Tätigkeiten, die von den Dienstleistungen einer Apotheke umfasst seien, nicht bestehe.

48      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Anerkennung einer schwachen Kennzeichnungskraft der älteren Marke nicht der Feststellung entgegensteht, dass eine Verwechslungsgefahr vorliegt. Denn die Unterscheidungskraft der älteren Marke ist bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr zwar zu berücksichtigen (vgl. entsprechend Urteil Canon, Randnr. 24), sie ist aber dabei nur einer von mehreren Faktoren. Selbst wenn es also um eine ältere Marke mit schwacher Unterscheidungskraft geht, kann eine Gefahr von Verwechslungen, insbesondere wegen einer Ähnlichkeit der Zeichen sowie der betroffenen Waren oder Dienstleistungen, gegeben sein (Urteil des Gerichts vom 13. Dezember 2007, Xentral/HABM – Pages jaunes [PAGESJAUNES.COM], T‑134/06, Slg. 2007, II‑5213, Randnr. 70, und vom 15. Oktober 2008, Air Products and Chemicals/HABM – Messer Group [Ferromix, Inomix und Alumix], T‑305/06 bis T‑307/06, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 59].

49      Entgegen den Ausführungen der Beschwerdekammer in Randnr. 28 der angefochtenen Entscheidung kann daher der schwach kennzeichnungskräftige oder beschreibende Charakter des Elements „medi“ der Feststellung, dass im vorliegenden Fall Verwechslungsgefahr vorliegt, nicht entgegenstehen.

50      Denn zum einen sind, wie sich aus den vorstehenden Randnrn. 31 und 38 ergibt, die von den beiden Zeichen erfassten Dienstleistungen identisch und zum anderen sind, wie aus den Randnrn. 23 und 25 der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, die streitigen Zeichen sowohl in schriftbildlicher als auch in begrifflicher Hinsicht ähnlich. Die erhöhte Aufmerksamkeit der maßgeblichen Verkehrskreise ist daher nicht ausreichend, um die Gefahr auszuräumen, dass diese Verkehrskreise glauben könnten, dass die fraglichen Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammen (Urteil Ferromix, Randnr. 63).

51      Dass die Beschwerdekammer in Randnr. 23 der angefochtenen Entscheidung angenommen hat, dass das Wortelement „medi“ den Gesamteindruck der Anmeldemarke nicht dominieren könne, da der Wortbestandteil „deutsche“ beschreibend sei, kann insoweit keine Rolle spielen. Auch wenn es zutrifft, dass das Wortelement „medi“ nicht der dominierende Bestandteil der Anmeldemarke ist, bewahrt es doch, da „deutsche“ und „medi“ das gleiche Gewicht besitzen, in dieser Marke eine selbständige Stellung.

52      Das Wortelement „medi“, das – wie aus Randnr. 23 der angefochtenen Entscheidung hervorgeht – in der älteren Marke medi.eu das unterscheidungskräftigste Element bildet, ist nämlich in der Anmeldemarke mit dem Wortbestandteil „deutsche“ verbunden. Dieses weist nur auf die deutsche Herkunft des Elements „medi“ hin, aber bildet nicht zusammen mit „medi“ eine logische Gesamtheit mit einer speziellen Bedeutung, die sich von der der älteren Marke abhöbe. So wird „deutschemedi“ von den maßgeblichen Verkehrskreisen nur als ein deutsches „medi“ wahrgenommen, und daher wird in der Marke das unterscheidungskräftigste Element der älteren Marke, „medi“, weder überdeckt noch in den Hintergrund gerückt.

53      Wie aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervorgeht, kann in einem solchen Fall der von dem zusammengesetzten Zeichen hervorgerufene Gesamteindruck das Publikum glauben machen, dass die fraglichen Waren oder Dienstleistungen zumindest aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Unter diesen Umständen ist das Bestehen einer Verwechslungsgefahr zu bejahen (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil des Gerichtshofs vom 6. Oktober 2005, Medion, C‑120/04, Slg. 2005, I‑8551 Randnrn. 31, 32, 35 und 36).

54      Demnach greift der erste Klagegrund der Klägerin durch und ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben, ohne dass die übrigen Klagegründe geprüft zu werden brauchen.

 Kosten

55      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

56      Da das HABM unterlegen ist, sind ihm, wie von der Klägerin beantragt, die Kosten aufzuerlegen. Da die Streithelferin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, trägt sie ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) vom 16. März 2010 (Sache R 1366/2008‑4) wird aufgehoben.

2.      Das HABM trägt außer seinen eigenen Kosten die Kosten der medi GmbH & Co. KG.

3.      Die Deutsche Medien Center GmbH trägt ihre eigenen Kosten.

Moavero Milanesi

Wahl

Soldevila Fragoso

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 6. Oktober 2011.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.