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URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

9. Oktober 2014(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Außenbeziehungen – Partnerschaftliches Fischereiabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Marokko – Ausschluss jeglicher Möglichkeit für Gemeinschaftsschiffe, in marokkanischen Fischereizonen die Fischereitätigkeit auf der Grundlage einer Lizenz auszuüben, die von den marokkanischen Behörden ohne Tätigwerden der zuständigen Behörden der Europäischen Union ausgestellt wurde“

In der Rechtssache C‑565/13

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Hovrätt för Västra Sverige (Schweden) mit Entscheidung vom 31. Oktober 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 4. November 2013, im Strafverfahren gegen

Ove Ahlström,

Lennart Kjellberg,

Fiskeri Ganthi AB,

Fiskeri Nordic AB

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, des Richters A. Ó Caoimh, der Richterin C. Toader sowie der Richter E. Jarašiūnas (Berichterstatter) und C. G. Fernlund,

Generalanwalt: N. Jääskinen,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von Herrn Ahlström und Herrn Kjellberg, vertreten durch E. Bergenhem, advokat,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Bouquet und C. Tufvesson als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des partnerschaftlichen Fischereiabkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Marokko (im Folgenden: Fischereiabkommen), das durch die Verordnung (EG) Nr. 764/2006 des Rates vom 22. Mai 2006 (ABl. L 141, S. 1) im Namen der Gemeinschaft genehmigt wurde.

2        Es ergeht im Rahmen einer strafrechtlichen Verfolgung von Herrn Ahlström und Herrn Kjellberg sowie der Fiskeri Ganthi AB (im Folgenden: Fiskeri Ganthi) und der Fiskeri Nordic AB (im Folgenden: Fiskeri Nordic), die des unerlaubten Fischfangs in marokkanischen Fischereizonen von April 2007 bis einschließlich Mai 2008 beschuldigt werden.

 Rechtlicher Rahmen

 Das Fischereiabkommen

3        Im vierten Absatz der Präambel des Fischereiabkommens haben die Vertragsparteien ihr Bestreben bekräftigt, in beiderseitigem Interesse im Hinblick auf eine verantwortungsvolle Fischerei mit dem Ziel der langfristigen Bestandserhaltung und der nachhaltigen Bewirtschaftung der biologischen Ressourcen des Meeres insbesondere durch Einführung einer Kontrollregelung für sämtliche Fischereitätigkeiten zwecks Gewährleistung der Wirksamkeit der Bestandsbewirtschaftungs- und Bestandserhaltungsmaßnahmen zusammenzuarbeiten. Im siebten Absatz dieser Präambel haben sie darüber hinaus ihren Wunsch bekundet, die Modalitäten und Bedingungen für die Fischereitätigkeiten der Gemeinschaftsschiffe in den marokkanischen Fischereizonen und für die Ausübung einer verantwortungsvollen Fischerei in jenen Fischereizonen durch die Gemeinschaft festzulegen.

4        Der Gegenstand des Fischereiabkommens wird in seinem Art. 1 wie folgt definiert:

„Dieses Abkommen enthält die Grundsätze, Regeln und Verfahren für

–        die wirtschaftliche, finanzielle, technische und wissenschaftliche Zusammenarbeit in der Fischerei mit dem Ziel, in den marokkanischen Fischereizonen eine verantwortungsvolle Fischerei zu unterstützen, um die Erhaltung und nachhaltige Bewirtschaftung der Fischereiressourcen sicherzustellen und die marokkanische Fischwirtschaft zu fördern;

–        die Bedingungen, unter denen Fischereifahrzeuge der Gemeinschaft Zugang zu den marokkanischen Fischereizonen haben;

–        die Regelungen zur Fischereiüberwachung in den marokkanischen Fischereizonen, mit deren Hilfe gewährleistet werden soll, dass die genannten Bedingungen eingehalten werden, die Maßnahmen für eine wirksame Erhaltung und Bewirtschaftung der Fischbestände Wirkung zeigen und illegale, nicht gemeldete und unregulierte Fischerei verhindert wird;

–        die Partnerschaften zwischen Unternehmen, deren Ziel es ist, in beiderseitigem Interesse die Fischwirtschaft sowie die vor- und nachgelagerten Bereiche zu fördern.“

5        Nach Art. 2 Buchst. d des Fischereiabkommens bedeutet „Gemeinschaftsschiff“ im Sinne des Abkommens „ein Fischereifahrzeug, das die Flagge eines Mitgliedstaats der Gemeinschaft führt und in der Gemeinschaft registriert ist“.

6        Art. 6 des Fischereiabkommens („Bedingungen für die Ausübung der Fangtätigkeiten“) bestimmt in seinen Abs. 1 und 2:

„(1)      Gemeinschaftsschiffe dürfen Fangtätigkeiten in den marokkanischen Fischereizonen nur ausüben, wenn sie im Besitz einer Lizenz sind, die nach den Bestimmungen dieses Abkommens erteilt wurde. Gemeinschaftsschiffe dürfen nur dann Fischfang betreiben, wenn sie über eine Lizenz verfügen, die von den zuständigen marokkanischen Behörden auf Antrag der zuständigen Gemeinschaftsbehörden ausgestellt wurde.

(2)      Für im Protokoll [zur Festlegung der Fangmöglichkeiten und der finanziellen Gegenleistung nach dem Fischereiabkommen (im Folgenden: Protokoll)] nicht vorgesehene Fischereikategorien können die marokkanischen Behörden Lizenzen für Gemeinschaftsschiffe ausstellen. Im Geiste der Partnerschaft, die die Grundlage dieses Abkommens bildet, dürfen solche Lizenzen jedoch erst nach befürwortender Stellungnahme der Europäischen Kommission ausgestellt werden. Das Verfahren zur Beantragung einer Lizenz für ein Fischereifahrzeug, die vom Reeder zu zahlenden Gebühren und die Zahlungsweise werden einvernehmlich festgelegt.“

7        Art. 7 („Finanzielle Gegenleistung“) des Fischereiabkommens sieht in seinem Abs. 1 vor:

„Die Gemeinschaft gewährt Marokko eine finanzielle Gegenleistung entsprechend den im Protokoll und im Anhang [des Fischereiabkommens] festgelegten Bedingungen. Die finanzielle Gegenleistung setzt sich aus zwei Komponenten zusammen:

a)      Ausgleichszahlungen für den Zugang von Gemeinschaftsschiffen zu den marokkanischen Fischereigebieten, zusätzlich zu den von den Gemeinschaftsschiffen für die Lizenzen zu entrichtenden Gebühren;

b)      Fördermitteln der Gemeinschaft zur Einführung einer nationalen Fischereipolitik auf der Grundlage einer verantwortungsvollen Fischerei sowie einer nachhaltigen Bewirtschaftung der Fischereiressourcen in den marokkanischen Gewässern.“

 Unionsrecht

8        Im zweiten Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 3317/94 des Rates vom 22. Dezember 1994 zur Festlegung allgemeiner Bestimmungen über die Genehmigung der Fischerei in den Gewässern eines Drittlandes im Rahmen eines Fischereiabkommens (ABl. L 350, S. 13) in der im Ausgangsverfahren maßgebenden Fassung hieß es: „Um eine wirkungsvolle und transparente Verwaltung der Fischereitätigkeit der Gemeinschaftsfahrzeuge im Rahmen der Fischereiabkommen mit Drittländern zu gewährleisten, obliegt es den einzelnen Mitgliedstaaten, ihren jeweiligen Fischereifahrzeugen, die von einem Drittland eine Fanglizenz erhalten haben, die Ausübung der betreffenden Fischereitätigkeit zu genehmigen; die Fischereitätigkeit in Drittlandsgewässern ohne eine derartige Genehmigung ist zu untersagen, damit die Verpflichtungen der Gemeinschaft gegenüber dem betreffenden Drittland eingehalten werden.“

9        Art. 1 dieser Verordnung sah vor:

„(1)      Diese Verordnung legt die allgemeinen Bestimmungen über die Fischereitätigkeit der Fischereifahrzeuge der Gemeinschaft in den Gewässern eines Drittlandes im Rahmen eines Fischereiabkommens der Gemeinschaft mit diesem Land fest, sofern für diese Tätigkeit eine Fanglizenz des betreffenden Drittlandes erforderlich ist.

(2)      Lediglich die Fischereifahrzeuge der Gemeinschaft, die über eine gültige ‚Fangerlaubnis gemäß Fischereiabkommen‘ verfügen, dürfen im Rahmen eines Fischereiabkommens der Gemeinschaft mit einem Drittland die Fischereitätigkeit in den betreffenden Drittlandsgewässern ausüben.“

10      Nach Art. 2 dieser Verordnung bezeichnete der Ausdruck „Fangerlaubnis gemäß Fischereiabkommen“ eine Fanggenehmigung, die einem Fischereifahrzeug der Gemeinschaft im Rahmen eines Fischereiabkommens der Gemeinschaft mit einem Drittland ergänzend zu der Fanglizenz von dem Flaggenmitgliedstaat gewährt wird und die es dem betreffenden Fischereifahrzeug gestattet, in der Fischereizone dieses Drittlands die Fischereitätigkeit auszuüben.

11      Art. 3 der Verordnung Nr. 3317/94 lautete:

„Der Flaggenmitgliedstaat erteilt und verwaltet die Fangerlaubnisse gemäß Fischereiabkommen für Fischereifahrzeuge unter seiner Flagge nach den in dieser Verordnung festgelegten Modalitäten.“

12      Art. 5 dieser Verordnung bestimmte:

„(1)      Der Flaggenmitgliedstaat übermittelt der Kommission für die Fischereifahrzeuge unter seiner Flagge die Anträge auf Erteilung der Fanglizenzen des Drittlandes zur Ausübung von Fischereitätigkeiten im Rahmen der Fangmöglichkeiten, die der Gemeinschaft aufgrund eines Fischereiabkommens mit einem Drittland eingeräumt worden sind. Er vergewissert sich, dass die Anträge den im Rahmen des betreffenden Fischereiabkommens getroffenen Vereinbarungen sowie den Gemeinschaftsvorschriften entsprechen.

(2)      Die Kommission prüft die Anträge eines jeden Mitgliedstaats unter Berücksichtigung der Fangmöglichkeiten, die diesem aufgrund der Gemeinschaftsvorschriften zugeteilt worden sind, sowie nach Maßgabe etwaiger Bedingungen, die in diesem Abkommen für Fischereifahrzeuge der Gemeinschaft festgelegt sind. Die Kommission übermittelt innerhalb einer Frist von zehn Arbeitstagen nach Eingang des Antrags des Mitgliedstaats oder innerhalb der im Fischereiabkommen vorgesehenen Fristen dem betreffenden Drittland die Anträge auf Erteilung einer Fanglizenz des Drittlandes für die Fischereifahrzeuge der Gemeinschaft, die ihre Fangtätigkeiten in den Gewässern dieses Drittlandes ausüben wollten. Stellt die Kommission bei der Überprüfung eines Antrags fest, dass dieser nicht die in diesem Absatz genannten Bedingungen erfüllt, so teilt sie dem betroffenen Mitgliedstaat unverzüglich unter Angabe ihrer Gründe mit, dass sie den genannten Antrag nicht oder aber nur teilweise an das betreffende Drittland weiterleiten kann.

(3)      Die Kommission unterrichtet den Flaggenmitgliedstaat unverzüglich über die Erteilung der Fanglizenz des betreffenden Drittlands zur Ausübung von Fischereitätigkeiten bzw. über den Beschluss des Drittlandes, die Lizenz nicht zu erteilen. Im letzteren Fall nimmt die Kommission im Benehmen mit dem Flaggenmitgliedstaat und dem betreffenden Drittland die notwendigen Nachprüfungen vor.“

 Schwedisches Recht

13      Nach Angaben des vorlegenden Gerichts geht aus den §§ 19 bis 23 des Fiskelag (SFS 1993:787) (Fischereigesetz) hervor, dass die schwedische Regierung oder eine von ihr dazu bestimmte Behörde, nämlich zur Zeit der im Ausgangsverfahren maßgebenden Ereignisse das Fiskeriverk (Nationale Fischereibehörde), Vorschriften über die Fischerei erlassen kann. Nach § 24 dieses Gesetzes sind die auf der Grundlage der §§ 19 bis 23 erlassenen Vorschriften auch auf die schwedische Seefischerei außerhalb der schwedischen Wirtschaftszone, in internationalen Gewässern und in anderen Gewässern, in denen Fischfang auf der Grundlage internationaler Abkommen betrieben wird, anzuwenden.

14      Gemäß § 40 des Fiskelag ist eine Person, die gegen die auf der Grundlage von § 19, § 20 Abs. 1 oder der §§ 21 bis 23 dieses Gesetzes erlassenen Vorschriften vorsätzlich oder fahrlässig verstößt, mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen. Ebenso ist zu bestrafen, wer vorsätzlich oder grob fahrlässig gegen die unionsrechtlichen Verordnungen über die Gemeinsame Fischereipolitik u. a. durch unerlaubten Fischfang verstößt. Ist eine Straftat nach § 40 als schwerwiegend anzusehen, ist sie mit Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren zu bestrafen.

15      Kapitel 3 § 1 der zur Zeit der im Ausgangsverfahren maßgebenden Ereignisse anwendbaren Fiskeriverkets föreskrifter om resurstillträde och kontroll på fiskets område (FIFS 2004:25) (Vorschriften des Fiskeriverk über den Zugang zum Fischfang und die Kontrolle der Fischerei, im Folgenden: Vorschriften des Fiskeriverk), deren Anwendungsbereich sich nach ihrem Kapitel 1 § 1 an der Verordnung Nr. 3317/94 orientiert, bestimmt:

„Schiffe mit einer Länge über alles von fünf Metern oder mehr dürfen für die gewerbliche Seefischerei nur mit einer Genehmigung des Fiskeriverk verwendet werden.“

16      Kapitel 4 („Ergänzende Schiffsgenehmigung…“) der Vorschriften des Fiskeriverk hat folgenden Wortlaut:

Fischfang im Rahmen von Fischereiabkommen der [Europäischen Gemeinschaft] mit Drittländern

§ 1      Eine von einem Drittland zu erteilende Fanglizenz oder eine Fangerlaubnis gemäß einem Fischereiabkommen im Sinne der Verordnung … Nr. 3317/94 ist beim Fiskeriverk zu beantragen.

Die Fangerlaubnis wird durch Aufnahme des Fischereifahrzeugs in die Basisliste erteilt.

§ 2      Für eine Erlaubnis nach § 1 gelten folgende Bedingungen:

1.      Bei Einfahrt in die Zone eines Drittlands wird die zuständige Behörde in diesem Land über Stockholm Radio darüber verständigt. Die Meldung enthält die externe Kennnummer, den Namen und das Rufzeichen des Schiffs. Bei der Ausfahrt aus der Zone erfolgt eine Meldung hierüber über dieselbe Funkstation.

2.      In den Zonen dritter Länder dürfen sich nur jene Schiffe gleichzeitig aufhalten, die dazu eine spezielle Genehmigung des Fiskeriverk besitzen.

3.      Allfällige weitere Vorschriften der Behörden des Drittlands sind einzuhalten.

4.      Das Fiskeriverk kann weitere Bedingungen festlegen.

Fischfang auf der Grundlage individueller Abkommen über die Fischerei in Drittlandsgewässern, im Rahmen der Fangquoten anderer Länder und in internationalen Gewässern außerhalb der Fischereizonen oder Wirtschaftszonen

§ 3      Ein schwedisches Fischereifahrzeug mit einer Schiffsgenehmigung darf Fischfang in den Gewässern eines Drittlands in anderen als den in § 1 beschriebenen Fällen, im Rahmen der Fangquoten anderer Länder oder in internationalen Gewässern außerhalb der Fischereizonen oder Wirtschaftszonen nur mit einer speziellen Erlaubnis des Fiskeriverk betreiben.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

17      Der Vorlageentscheidung ist zu entnehmen, dass Herr Ahlström, der Vertreter der Fiskeri Ganthi, Eigentümerin des Schiffes Aldo, und Herr Kjellberg, der Vertreter der Fiskeri Nordic, Eigentümerin des Schiffes Nordic IV, gemäß den §§ 24 und 40 des Fiskelag sowie gemäß Kapitel 3 § 1 und Kapitel 4 § 3 der Vorschriften des Fiskeriverk angeklagt sind, mit diesen Schiffen, die im schwedischen Schiffsregister registriert waren, im Zeitraum von April 2007 bis einschließlich Mai 2008 im Atlantik vor der Küste von Westsahara vorsätzlich oder grob fahrlässig gewerblichen Fischfang betrieben zu haben, obwohl sie die erforderlichen Genehmigungen des Fiskeriverk, nämlich die allgemeine Schiffsgenehmigung für den gewerblichen Fischfang und die spezielle Schiffsgenehmigung für den Fischfang in den betreffenden Gewässern nach dem Fischereiabkommen weder besessen noch an Bord mitgeführt hätten.

18      Hilfsweise zog der Kammaråklagare (Staatsanwaltschaft) § 40 des Fiskelag, Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1281/2005 der Kommission vom 3. August 2005 über die Verwaltung von Fanglizenzen und die darin aufzuführenden Mindestangaben (ABl. L 203, S. 3) und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 2371/2002 des Rates vom 20. Dezember 2002 über die Erhaltung und nachhaltige Nutzung von Fischereiressourcen im Rahmen der Gemeinsamen Fischereipolitik (ABl. L 358, S. 9) in Verbindung mit Art. 6 des Fischereiabkommens als Rechtsgrundlage für die Anklage heran.

19      Er stützte die Anklage u. a. darauf, dass diese Schiffe, deren Besatzung sich aus schwedischen und marokkanischen Fischern zusammengesetzt habe, durchgehend Schleppnetzfischfang betrieben hätten, mit dem Gesamteinnahmen in Höhe von mindestens 14 Mio. schwedischen Kronen (SEK) im Jahr 2007 und 6 Mio. SEK im Jahr 2008 erzielt worden seien. Er stufte die Vergehen als schwerwiegend ein, weil die Taten systematisch über einen langen Zeitraum hinweg begangen worden, die Tätigkeit in besonders großem Umfang betrieben worden und die Fänge von beträchtlichem Wert gewesen seien.

20      Herr Ahlström und Herr Kjellberg bestreiten den Tatvorwurf und die Verantwortlichkeit für die Straftat. Die Fischereifahrzeuge Aldo und Nordic IV seien auf Basis eines Bareboat-Chartervertrags der marokkanischen Gesellschaft Atlas Pelagic überlassen worden, die über eigene Fangrechte und auch über Fangrechte anderer marokkanischer Personen in den marokkanischen Hoheitsgewässern verfüge. Im Rahmen ihrer Tätigkeit habe diese Gesellschaft die beiden Fischereifahrzeuge gechartert und selbständig benutzt. Für diese Tätigkeit sei keine Genehmigung einer schwedischen oder anderen europäischen Behörde nötig, da die Vorschriften des Fiskeriverk auf die Verchartertätigkeit von Fiskeri Ganthi und von Fiskeri Nordic nicht anwendbar seien. Es liege kein Verstoß gegen Unionsrecht vor, da Art. 6 Abs. 1 des Fischereiabkommens wie auch dessen übrige Bestimmungen auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens nicht anwendbar seien.

21      Das mit einem gegen ein Urteil des Göteborgs Tingsrätt (erstinstanzliches Gericht Göteborg) eingelegten Rechtsmittel befasste Hovrätt för Västra Sverige (Rechtsmittelgericht für Westschweden), hält es für unklar, ob das Unionsrecht und das Fischereiabkommen jegliche Fischerei durch Gemeinschaftsschiffe in marokkanischen Gewässern ohne eine Erlaubnis der Union oder eines ihrer Mitgliedstaaten verbietet.

22      Das vorlegende Gericht vertritt im Kern die Auffassung, dass Art. 6 Abs. 2 des Fischereiabkommens im Sinne eines solchen Verbots ausgelegt werden könne. Es verweist allerdings darauf, dass in der Literatur vertreten werde, dass diese Bestimmung eine Auslegung erlaube, wonach ein Gemeinschaftsschiff auf der Grundlage einer von einem Drittland ausgestellten Privatlizenz Fischfang betreiben könne. Außerdem sei im Ausgangsverfahren vorgetragen worden, dass die zuständigen marokkanischen Behörden den von den beiden Fischereifahrzeugen betriebenen Fischfang als mit dem Fischereiabkommen vereinbar erachtet hätten und dass sie die erforderliche Fanggenehmigung hierfür erteilt hätten.

23      Unter diesen Umständen hat das Hovrätt för Västra Sverige beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist Art. 6 Abs. 1 des Fischereiabkommens eine Ausschließlichkeitsvorschrift in dem Sinne, dass er die Fischereitätigkeit von Gemeinschaftsschiffen in marokkanischen Fischereizonen auf der Grundlage von Lizenzen, die ausschließlich von den zuständigen marokkanischen Behörden für marokkanische Inhaber von Fischereiquoten ausgestellt wurden, ausschließt?

2.      Ist Art. 6 Abs. 1 des Fischereiabkommens eine Ausschließlichkeitsvorschrift in dem Sinne, dass er die Überlassung von Gemeinschaftsschiffen im Rahmen eines Bareboat-Charters (gemäß Standardformular „Barecon 2001“ BIMCO Standard Bareboat Charter) an marokkanische Unternehmen für die Fischereitätigkeit in marokkanischen Fischereizonen auf der Grundlage einer Lizenz, die ausschließlich von den zuständigen marokkanischen Behörden für marokkanische Inhaber von Fangquoten ausgestellt wurde, ausschließt?

3.      Ist die Frage 2 anders zu beantworten, wenn der Vercharterer auch Know-how in Form von Verwaltung und Bemannung des Fischereifahrzeugs sowie technische Unterstützung für das marokkanische Unternehmen zur Verfügung stellt?

4.      Ergibt sich aus dem Fischereiabkommen, dass das Königreich Marokko berechtigt ist, neben dem Abkommen eine eigene industrielle pelagische Fischerei unterhalb des 29. nördlichen Breitengrads aufzubauen und zu betreiben? Berechtigt das Abkommen, wenn dies der Fall ist, das Königreich Marokko dazu, Fischereifahrzeuge unter Unionsflagge für seine eigene Fischerei zu chartern oder ihnen direkt Lizenzen zu erteilen, ohne dass hierfür eine Erlaubnis der Europäischen Union erforderlich ist?

 Zu den Vorlagefragen

24      Mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das Fischereiabkommen, insbesondere Art. 6 dieses Abkommens, dahin auszulegen ist, dass es jegliche Fischereitätigkeit von Gemeinschaftsschiffen in marokkanischen Fischereizonen auf der Grundlage einer Lizenz, die von den marokkanischen Behörden ohne Tätigwerden der zuständigen Unionsbehörden ausgestellt wurde, ausschließt.

25      Insbesondere stellt es sich die Frage, ob das Fischereiabkommen die Überlassung eines Gemeinschaftsschiffs im Rahmen eines Bareboat-Charters an ein marokkanisches Unternehmen für die Fischereitätigkeit in diesen Fischereizonen ausschließt, wenn dieses Unternehmen ausschließlich über eine von den zuständigen marokkanischen Behörden für marokkanische Inhaber von Fangquoten ausgestellte Lizenz verfügt. Es möchte ferner wissen, ob das Gleiche gilt, wenn der Vercharterer diesem Unternehmen auch Know-how und technische Unterstützung zur Verfügung stellt.

26      Die Vertragsparteien des Fischereiabkommens haben in dessen Präambel ihren Wunsch bekundet, die Modalitäten und Bedingungen für die Fischereitätigkeiten der Gemeinschaftsschiffe in den marokkanischen Fischereizonen festzulegen. Gemäß seinem Gegenstand, wie er in seinem Art. 1 definiert wird, enthält dieses Abkommen die Grundsätze, Regeln und Verfahren u. a. für die Bedingungen, unter denen diese Schiffe Zugang zu diesen Fischereizonen haben. Daraus, dass das Abkommen keine Ausnahme von diesen Bedingungen vorsieht, ergibt sich, dass diese für alle Gemeinschaftsschiffe – also nach Art. 2 Buchst. d des Fischereiabkommens die Schiffe, die die Flagge eines Mitgliedstaats der Gemeinschaft führen und in der Gemeinschaft registriert sind – gelten, die in diesen Zonen Fischfang betreiben wollen.

27      Daher sieht Art. 6 des Fischereiabkommens über die Bedingungen für die Ausübung der Fangtätigkeiten in seinem Abs. 1 vor, dass Gemeinschaftsschiffe Fangtätigkeiten in den marokkanischen Fischereizonen nur ausüben dürfen, wenn sie im Besitz einer Lizenz sind, die nach den Bestimmungen dieses Abkommens erteilt wurde.

28      Im selben Absatz heißt es, dass Gemeinschaftsschiffe in den marokkanischen Fischereizonen nur dann Fischfang betreiben dürfen, wenn sie über eine Lizenz verfügen, die von den zuständigen marokkanischen Behörden auf Antrag der zuständigen Unionsbehörden ausgestellt wurde. Nach Art. 6 Abs. 2 des Fischereiabkommens können diese Behörden im Übrigen für im Protokoll nicht vorgesehene Fischereikategorien Lizenzen für Gemeinschaftsschiffe ausstellen, jedoch dürfen im Geiste der Partnerschaft, die die Grundlage dieses Abkommens bildet, solche Lizenzen „erst nach befürwortender Stellungnahme der Europäischen Kommission ausgestellt werden“.

29      Daraus folgt, dass die Genehmigung der Ausübung der Fischereitätigkeit in den marokkanischen Fischereizonen durch ein Gemeinschaftsschiff immer ein Tätigwerden der zuständigen Unionsbehörden erfordert und dass ein solches Schiff diese Tätigkeit dort mithin nicht aufgrund einer Lizenz ausüben darf, die von den zuständigen marokkanischen Behörden ohne ein solches Tätigwerden ausgestellt wurde.

30      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass Art. 5 der Verordnung Nr. 3317/94 das Verfahren festlegte, das der Flaggenmitgliedstaat und die Kommission bei der Erteilung der Fanglizenzen, die von Drittländern zur Ausübung von Fischereitätigkeiten im Rahmen der Fangmöglichkeiten, die der Gemeinschaft aufgrund eines Fischereiabkommens eingeräumt worden sind, anzuwenden hatten, indem die Kommission verpflichtet wurde, Anträge auf Erteilung solcher Lizenzen vor der Weiterleitung an das betreffende Drittland zu prüfen. Wie sowohl ihrem zweiten Erwägungsgrund als auch Art. 1 Abs. 2 sowie den Art. 2 und 3 zu entnehmen ist, machte diese Verordnung die Möglichkeit der Fischereitätigkeit der Gemeinschaftsfahrzeuge in den Gewässern eines Drittlands im Rahmen eines Fischereiabkommens mit diesem Drittland von einer durch den Flaggenmitgliedstaat erteilten Fanggenehmigung abhängig.

31      Außerdem liefe es, würde man den Gemeinschaftsschiffen den Zugang zu den marokkanischen Fischereizonen zur Ausübung des Fischfangs ohne dieses Tätigwerden der zuständigen Unionsbehörden ermöglichen, dem Zweck des Fischereiabkommens zuwider, der, wie sich aus seiner Präambel sowie aus seinen Art. 1 und 3 ergibt, auf eine verantwortungsvolle Fischerei in diesen Fischereizonen mit dem Ziel der langfristigen Bestandserhaltung und der nachhaltigen Bewirtschaftung der biologischen Ressourcen des Meeres insbesondere durch Einführung einer Kontrollregelung für sämtliche Fischereitätigkeiten zwecks Gewährleistung der Wirksamkeit der Bestandsbewirtschaftungs- und Bestandserhaltungsmaßnahmen gerichtet ist. Eine solche Möglichkeit könnte nämlich geeignet sein, den Zugang von Gemeinschaftsschiffen zu diesen Fischereizonen und dort die Ausbeutung dieser Ressourcen durch diese Schiffe ohne Kontrolle durch die zuständigen Unionsbehörden zu verstärken.

32      Ein Zugang der Gemeinschaftsschiffe zu den marokkanischen Fischereizonen über die Vorschriften des Fischereiabkommens hinaus stünde auch in keinem angemessenen Verhältnis zur Grundlage und Zielsetzung der finanziellen Gegenleistung, die die Union Marokko gemäß Art. 7 dieses Abkommens gewährt und die nach dem Wortlaut dieses Artikels aus Ausgleichszahlungen für den Zugang von Gemeinschaftsschiffen zu den marokkanischen Fischereigebieten sowie aus Fördermitteln zur Einführung einer nationalen Fischereipolitik auf der Grundlage einer verantwortungsvollen Fischerei sowie einer nachhaltigen Bewirtschaftung der Fischereiressourcen in den marokkanischen Gewässern bestehen.

33      Daher kann nicht zugelassen werden, dass Gemeinschaftsschiffen Zugang zu den marokkanischen Fischereizonen gewährt wird, um dort Fischfang zu betreiben, indem zu diesem Zweck ein Bareboat-Chartervertrag mit einem marokkanischen Unternehmen geschlossen wird, das über eine von den marokkanischen Behörden für marokkanische Inhaber von Fangquoten ausgestellte Lizenz verfügt, oder indem irgendein anderes Rechtsinstrument genutzt wird, um sich Zugang zu diesen Fischereizonen zu verschaffen und dort außerhalb des Rahmens des Fischereiabkommens und mithin ohne Tätigwerden der zuständigen Unionsbehörden diese Tätigkeiten auszuüben.

34      Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass das Fischereiabkommen, insbesondere Art. 6 dieses Abkommens, dahin auszulegen ist, dass es jegliche Fischereitätigkeit von Gemeinschaftsschiffen in marokkanischen Fischereizonen auf der Grundlage einer Lizenz, die von den marokkanischen Behörden ohne Tätigwerden der zuständigen Unionsbehörden ausgestellt wurde, ausschließt.

 Kosten

35      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

Das partnerschaftliche Fischereiabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Marokko, das durch die Verordnung (EG) Nr. 764/2006 des Rates vom 22. Mai 2006 im Namen der Gemeinschaft genehmigt wurde, insbesondere Art. 6 dieses Abkommens, ist dahin auszulegen, dass es jegliche Fischereitätigkeit von Gemeinschaftsschiffen in marokkanischen Fischereizonen auf der Grundlage einer Lizenz, die von den marokkanischen Behörden ohne Tätigwerden der zuständigen Unionsbehörden ausgestellt wurde, ausschließt.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Schwedisch.