Language of document : ECLI:EU:T:2015:926

URTEIL DES GERICHTS (Sechste Kammer)

3. Dezember 2015(*)

„Außervertragliche Haftung – Petition an das Parlament – Verbreitung bestimmter personenbezogener Daten auf der Website des Parlaments – Fehlen eines hinreichend qualifizierten Verstoßes gegen eine Rechtsnorm, die dem Einzelnen Rechte verleiht“

In der Rechtssache T‑343/13

CN, wohnhaft in Brumath (Frankreich), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt M. Velardo,

Kläger,

unterstützt durch

Europäischer Datenschutzbeauftragter (EDSB), vertreten zunächst durch A. Buchta und V. Pozzato, dann durch A. Buchta, M. Pérez Asinari, F. Polverino, M. Guglielmetti und U. Kallenberger als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

gegen

Europäisches Parlament, vertreten durch N. Lorenz und S. Seyr als Bevollmächtigte,

Beklagter,

wegen Ersatz des Schadens, der dem Kläger aufgrund der Veröffentlichung bestimmter, ihn betreffender personenbezogener Daten auf der Website des Parlaments entstanden sein soll,

erlässt

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten S. Frimodt Nielsen sowie der Richter F. Dehousse und A. M. Collins (Berichterstatter),

Kanzler: J. Palacio González, Hauptverwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 24. März 2015

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Bis 2011 war der Kläger CN Beamter des Rates der Europäischen Union. Am 23. September 2009 richtete er über ein online auf der Website des Parlaments verfügbares Formular an das Europäische Parlament eine Petition betreffend die Unterstützung behinderter Familienmitglieder eines europäischen Beamten, die Schwierigkeiten, mit denen europäische Beamte konfrontiert sind, die während ihrer Berufslaufbahn gesundheitliche Probleme haben und mit gesundheitlichen Problemen konfrontiert sind, und die schlechte Behandlung seines Dossiers durch den Rat.

2        Am 8. Januar 2010 wurde die Europäische Kommission gemäß Art. 202 Abs. 6 der Geschäftsordnung des Parlaments (ABl. 2011, L 116, S. 1, im Folgenden: Geschäftsordnung), nunmehr Art. 216 Abs. 6 der Geschäftsordnung in der Fassung von Juli 2014, konsultiert.

3        Am 15. Januar 2010 teilte der Petitionsausschuss des Parlaments dem Kläger mit, dass seine Petition für zulässig erklärt worden sei.

4        Nach Eingang der Antwort der Kommission am 15. März 2010 beschloss der Petitionsausschuss, die Prüfung der Petition abzuschließen, und unterrichtete den Kläger darüber am 14. Juni 2010.

5        Nach Zurückweisung der Petition veröffentlichte das Parlament auf seiner Website unter dem Titel „Mitteilung an die Mitglieder“ ein diese Petition betreffendes Dokument (im Folgenden: Mitteilung). In der Mitteilung wurden der Inhalt der Petition und die Antwort der Kommission zusammengefasst. Insbesondere wurde der Name des Klägers genannt und angegeben, dass er an einer schweren, lebensbedrohenden Krankheit leide und dass sein Sohn geistig oder körperlich schwer behindert sei.

6        Im Mai 2011 wurde der Kläger vom Rat aufgrund seines Gesundheitszustands krankheitshalber beurlaubt.

7        Im April 2012 schickte der Kläger eine E‑Mail an das „Europe Direct Contact Centre“ der Kommission, die am 10. April 2012 an das Parlament weitergeleitet wurde. In dieser E‑Mail verlangte der Kläger die Entfernung der Mitteilung von der Website des Parlaments.

8        Am 20. April 2012 antwortete das Parlament dem Kläger, dass die Internet-Mitteilung entfernt worden sei.

9        Am 31. August 2012 wiederholte der Kläger sein Ersuchen über seinen Anwalt, da die betreffenden personenbezogenen Daten auf der Website des Parlaments noch einzusehen seien.

10      Am 24. September 2012 antwortete das Parlament, dass die Veröffentlichung der Mitteilung zulässig gewesen sei. Es fügte hinzu, dass die personenbezogenen Daten des Klägers dennoch von der Website entfernt würden, ohne dass dazu jedoch eine rechtliche Verpflichtung bestehe.

11      Das Parlament teilte in Beantwortung einer schriftlichen Anfrage des Gerichts mit, dass die letzten Löschungsvorgänge in Bezug auf die gängigen Suchmaschinen am 8. Oktober 2012 stattgefunden hätten.

12      Am 4. Dezember 2012 bekräftigte der Kläger seine Aufforderung mit dem Hinweis, dass die betreffenden personenbezogenen Daten nach wie vor im Internet zu sehen seien.

13      Am 10. Januar 2013 antwortete das Parlament dem Anwalt des Klägers, dass es seine Vorgehensweise als rechtmäßig erachte. Es fügte hinzu, dass alle auf seiner Website vorhandenen Dokumente trotzdem überarbeitet worden seien bzw. überarbeitet würden, um die personenbezogenen Daten des Klägers zu entfernen.

14      Dem Kläger zufolge waren die betreffenden personenbezogenen Daten zumindest bis zum zuletzt genannten Zeitpunkt im Internet verfügbar.

 Verfahren und Anträge der Parteien

15      Der Kläger hat mit Klageschrift, die am 28. Juni 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

16      Mit Schriftsatz, der am 4. Oktober 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Europäische Datenschutzbeauftragte (EDSB) beantragt, in diesem Verfahren als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Klägers zugelassen zu werden. Mit Beschluss vom 21. November 2013 hat der Präsident der Sechsten Kammer den Beitritt zugelassen. Der EDSB hat seinen Streithilfeschriftsatz am 7. Februar 2014 eingereicht. Die Parteien haben sich zu diesem Schriftsatz fristgerecht geäußert.

17      Der Kläger beantragt,

–        die Europäische Union und das Europäische Parlament zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 1 000 Euro für den erlittenen materiellen Schaden und in Höhe von 40 000 Euro für den erlittenen immateriellen Schaden zuzüglich Zinsen in Höhe von 6,75 % zu verurteilen;

–        der Union und dem Parlament die Kosten aufzuerlegen.

18      Das Parlament beantragt,

–        die Klage als unbegründet abzuweisen;

–        dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.

19      Auf Vorschlag des Berichterstatters hat das Gericht (Sechste Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, die Beteiligten im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 64 der Verfahrensordnung des Gerichts vom 2. Mai 1991 zur Vorlage bestimmter Unterlagen aufgefordert, ihnen schriftliche Fragen gestellt und sie aufgefordert, diese vor der mündlichen Verhandlung zu beantworten. Die Beteiligten sind dem fristgerecht nachgekommen.

20      Die Beteiligten haben in der Sitzung vom 24. März 2015 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.

 Rechtliche Würdigung

21      Zur Begründung seiner Klage macht der Kläger einen einzigen Klagegrund geltend, den er auf die außervertragliche Haftung der Union stützt. Im vorliegenden Fall seien die drei Voraussetzungen für diese Haftung erfüllt, und zwar Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Parlaments, Vorliegen eines Schadens und Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen der Rechtswidrigkeit und dem Schaden.

22      Der EDSB unterstützt den Antrag des Klägers in Bezug auf die Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Parlaments.

23      Nach Auffassung des Parlaments ist die Klage gänzlich unbegründet.

1.     Zur Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Parlaments

 Vorbringen der Beteiligten

24      Vorab macht der Kläger geltend, nach der Rechtsprechung werde dann, wenn eine Rechtswidrigkeit auf einem Gebiet auftrete, auf dem das betreffende Organ über ein weites Ermessen verfüge, die außervertragliche Haftung der Union nur durch einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen eine Rechtsnorm, die bezwecke, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, ausgelöst. Das entscheidende Kriterium für die Beurteilung der Frage, ob ein Verstoß als hinreichend qualifiziert anzusehen sei, bestehe darin, dass ein Organ die Grenzen, die seinem Ermessen gesetzt seien, offenkundig und erheblich überschritten habe.

25      Verfüge das Organ hingegen nur über ein erheblich verringertes oder gar auf null reduziertes Ermessen, so könne die bloße Verletzung des Unionsrechts für die Annahme eines hinreichend qualifizierten Verstoßes ausreichen.

26      Was die Entscheidung betreffe, die Mitteilung auf der Website des Parlaments zu veröffentlichen, so verfüge Letzteres in Anbetracht der anwendbaren Rechtsvorschriften über kein Ermessen (Art. 8 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, unterzeichnet in Rom am 4. November 1950 [im Folgenden: EMRK], Art. 8 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 22 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderung, angenommen in Rom am 13. Dezember 2006 und von der Union am 23. Dezember 2010 ratifiziert [im Folgenden: Konvention über die Rechte behinderter Menschen] sowie die Verordnung [EG] Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr [ABl. 2001, L 8, S. 1]).

27      Der Kläger trägt vor, das Parlament habe gegen diese Bestimmungen dadurch verstoßen, dass es Informationen über seinen Gesundheitszustand und den seines Sohns sowie über sein Berufsleben veröffentlicht habe.

28      Der Kläger stützt sich vor allem auf Art. 5 Buchst. d sowie die Art. 10 und 16 der Verordnung Nr. 45/2001. Aus dem Dokument, mit dem er der öffentlichen Verarbeitung seiner Petition zugestimmt habe, gehe nicht hervor, dass er ohne jeden Zweifel seine Einwilligung zur Veröffentlichung der personenbezogenen Daten gegeben habe bzw. dass er der Veröffentlichung von Daten zu seinem Gesundheitszustand und zu einer behinderten Person in seiner Familie ausdrücklich zugestimmt habe.

29      Darüber hinaus habe das Parlament, obwohl der Kläger die Entfernung der personenbezogenen Daten von der Website des Parlaments gefordert habe, anfangs negativ reagiert und sei der Aufforderung des Klägers erst nach Einschreiten seines Anwalts nachgekommen, was einer Verletzung des Rechts auf Löschung der personenbezogenen Daten gleichkomme. Zudem lasse sich aus der Tatsache, dass das Parlament einer Löschung der Daten zugestimmt habe, ableiten, dass es implizit die Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung anerkannt habe. Denn Art. 16 der Verordnung Nr. 45/2001 sehe nur die Löschung von Daten vor, deren Verarbeitung rechtswidrig sei.

30      Die Weitergabe personenbezogener Daten zum Gesundheitszustand und zu einer behinderten Person in der Familie könne nicht mit der Transparenzpflicht des Parlaments gerechtfertigt werden. Selbst wenn man davon ausgehe, dass die Veröffentlichung einer Zusammenfassung der Petitionen zur Information über die Tätigkeiten der Organe der Union ein schutzwürdiges Interesse darstelle, sei der Eingriff in die Rechte des Klägers unverhältnismäßig.

31      In der Erwiderung fügt der Kläger hinzu, dass das Parlament auch gegen Art. 12 des Beschlusses des Präsidiums vom 22. Juni 2005 über die Durchführungsbestimmungen in Bezug auf die Verordnung Nr. 45/2001 (ABl. C 308, S. 1, im Folgenden: Durchführungsbestimmungen zur Verordnung Nr. 45/2001) verstoßen habe, der bestimme, dass ein Antrag auf Löschung binnen 15 Werktagen behandelt werden müsse und dass die Löschung im Fall der Stattgabe „unverzüglich“ ausgeführt werden müsse. Im vorliegenden Fall habe das Verfahren beinahe zehn Monate gedauert.

32      Nach Ansicht des Klägers ist die Veröffentlichung von Informationen wie jenen des vorliegenden Falls gemäß Art. 203 der Geschäftsordnung weder erforderlich noch erlaubt. Zudem könne die Geschäftsordnung als internes Organisationsdokument die Verordnung Nr. 45/2001 nicht aufheben.

33      Das Parlament vertritt die Auffassung, dass sein Verhalten rechtmäßig war.

34      Was die Anfangsphase der öffentlichen Verarbeitung der Petition betrifft, macht das Parlament geltend, sein Verhalten habe im Einklang mit Art. 5 Buchst. b (für die Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderliche Verarbeitung), mit Art. 5 Buchst. d (Verarbeitung aufgrund einer ohne jeden Zweifel gegebenen Einwilligung), mit Art. 10 Abs. 2 Buchst. a (ausdrückliche Einwilligung in die Verarbeitung sensibler Daten) und mit Art. 10 Abs. 2 Buchst. d (Verarbeitung sensibler Daten, die die betroffene Person offenkundig öffentlich gemacht hat) der Verordnung Nr. 45/2001 gestanden.

35      Erstens ruft das Parlament insbesondere in Bezug auf das Vorbringen hinsichtlich Art. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 45/2001 in Erinnerung, dass Art. 203 der Geschäftsordnung (nunmehr Art. 217) die Bekanntgabe der Petitionen als allgemeine Regel festlege. Gemäß Art. 201 Abs. 9 (nunmehr Art. 215 Abs. 9) würden die Petitionen in der Regel zu öffentlichen Dokumenten, und der Name des Petenten sowie der Inhalt seiner Petition könnten vom Parlament aus Gründen der Transparenz veröffentlicht werden. Mit dem Einreichen einer Petition gehe daher grundsätzlich deren Bekanntgabe einher, damit sich andere Bürger und Bürgerinnen dem Unterzeichner anschließen könnten. Zudem weist das Parlament darauf hin, dass seine Arbeit nach den Art. 10 EUV und 11 EUV sowie den Art. 15 AEUV und 232 AEUV grundsätzlich öffentlich gemacht werde.

36      Zweitens stehe die Verarbeitung personenbezogener Daten im Einklang mit Art. 5 Buchst. d der Verordnung Nr. 45/2001, da der Kläger ohne jeden Zweifel seine Einwilligung in die öffentliche Verarbeitung seiner Petition gegeben habe. Der Kläger sei umfassend unterrichtet worden und habe von der ihm offenstehenden Möglichkeit einer anonymen bzw. vertraulichen Behandlung seiner Petition keinen Gebrauch gemacht.

37      Drittens stelle die Einwilligung, die der Kläger unter den oben genannten Bedingungen erteilt habe, eine ausdrückliche Einwilligung in die Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne von Art. 10 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 45/2001 dar.

38      Was die Phase nach der Veröffentlichung der Daten betreffe, als der Antrag auf Löschung gestellt worden sei, so sei die wichtigste Voraussetzung dafür, dass der Betroffene die Löschung seiner Daten gemäß Art. 16 der Verordnung Nr. 45/2001 verlangen könne, dass deren Verarbeitung rechtswidrig sei, was im vorliegenden Fall nicht zutreffe. Dennoch habe das Parlament die Daten des Klägers aus reiner Gefälligkeit gelöscht.

39      Im Übrigen enthalte die Verordnung Nr. 45/2001 keine Bestimmung, die einen Widerruf der erteilten Einwilligung vorsehe. Selbst wenn man davon ausgehe, dass ein solcher Widerruf möglich sei, könne er nur für die Zukunft Wirkungen entfalten. Zudem sei es unmöglich, bestimmte Daten, die im Protokoll einer Sitzung des Parlaments enthalten seien, das im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden sei, rückwirkend zu löschen.

40      In seinem Streithilfeschriftsatz konzentriert sich der EDSB auf die Voraussetzung des angeblich rechtswidrigen Verhaltens des Parlaments.

41      Der EDSB vertritt die Auffassung, eine Einwilligung müsse, um gültig zu sein, in Kenntnis der Sachlage und für den konkreten Fall erfolgen, d. h., sie müsse mit dem Verarbeitungsvorgang, über den die Person unterrichtet worden sei, in Verbindung stehen. Im vorliegenden Fall seien diese Voraussetzungen allerdings nicht erfüllt gewesen. Aus keiner der Informationen auf dem Online-Formular sei für den Kläger eindeutig hervorgegangen, was die genauen Folgen der beabsichtigten Verarbeitung seien. Insbesondere sei in diesem Formular kein Hinweis darauf enthalten gewesen, dass die sensiblen Daten über das Internet zugänglich gemacht würden. Auch biete Art. 10 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 45/2001 im Vergleich zu Art. 5 Buchst. d dieser Verordnung insofern einen zusätzlichen Schutz, als er erfordere, dass in den Informationen, die der Person zur Verfügung gestellt würden, um ihre Einwilligung zu erhalten, eindeutig auf sensible Daten und den beabsichtigten Verarbeitungsvorgang hingewiesen werden müsse. Nach Meinung des EDSB würde jede andere Auslegung Art. 5 Buchst. d dieser Verordnung seines Gehalts berauben.

42      Aus diesen Gründen ist der EDSB der Ansicht, dass das Parlament keine ausdrückliche Einwilligung des Klägers im Sinne von Art. 10 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 45/2001 eingeholt habe.

 Würdigung durch das Gericht

43      Nach Art. 340 Abs. 2 AEUV ersetzt die Union im Bereich der außervertraglichen Haftung „den durch ihre Organe oder Bediensteten in Ausübung ihrer Amtstätigkeit verursachten Schaden nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind“.

44      Der Gerichtshof hat entschieden, dass die Auslösung der außervertraglichen Haftung der Union im Sinne von Art. 340 Abs. 2 AEUV für ein rechtswidriges Verhalten ihrer Organe davon abhängt, dass mehrere Voraussetzungen erfüllt sind, nämlich die Rechtswidrigkeit des dem Organ vorgeworfenen Verhaltens, das tatsächliche Vorliegen eines Schadens und das Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen dem vorgetragenen Verhalten und dem geltend gemachten Schaden (Urteile vom 11. Juli 1997, Oleifici Italiani/Kommission, T‑267/97, Slg, EU:T:1997:113, Rn. 20, und vom 9. September 2008, MyTravel/Kommission, T‑212/03, Slg, EU:T:2008:315, Rn. 35). Damit die Voraussetzung eines rechtswidrigen Verhaltens der Organe der Union gegeben ist, muss ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen eine Rechtsnorm, die bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, vorliegen (Urteil MyTravel/Kommission, oben angeführt, EU:T:2008:315, Rn. 37). Das entscheidende Kriterium für die Beurteilung der Frage, ob ein Verstoß gegen das Unionsrecht als hinreichend qualifiziert anzusehen ist, besteht darin, dass ein Organ der Union die Grenzen, die seinem Ermessen gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat (Urteil vom 5. März 1996, Brasserie du pêcheur und Factortame, C‑46/93 und C‑48/93, Slg, EU:C:1996:78, Rn. 55).

45      Was die Voraussetzung der Rechtswidrigkeit des Verhaltens der Organe betrifft, ist erstens zu prüfen, ob die Rechtsnormen, auf die sich der Kläger beruft, bezwecken, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, und zweitens, ob das Parlament einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen diese Normen begangen hat.

46      In der Klageschrift beruft sich der Kläger einerseits auf die in der Charta der Grundrechte, in der Verordnung Nr. 45/2001 und in den Durchführungsbestimmungen zur Verordnung Nr. 45/2001 enthaltenen Bestimmungen zum Schutz der personenbezogenen Daten und andererseits auf die in der EMRK und in der Konvention über die Rechte behinderter Menschen enthaltenen Bestimmungen zum Schutz der Privatsphäre.

 Zu den Vorschriften zum Schutz der personenbezogenen Daten

47      Es ist festzuhalten, dass das in Art. 8 der Charta der Grundrechte verankerte Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten, was die Rechtsakte der Organe und Einrichtungen der Union angeht, durch die Verordnung Nr. 45/2001 und, was speziell das Parlament angeht, durch die Durchführungsbestimmungen zur Verordnung Nr. 45/2001 näher bestimmt wird. Diese verschiedenen Bestimmungen bezwecken, dem Einzelnen Rechte zu verleihen. Daher kann sich der Kläger im Rahmen seiner Schadensersatzklage darauf berufen.

48      Was das Vorhandensein eines angeblich hinreichend qualifizierten Verstoßes gegen diese Normen betrifft, so bezieht sich das Vorbringen des Klägers im Wesentlichen auf die Anwendung der Verordnung Nr. 45/2001 und ihrer Durchführungsbestimmungen. Er stellt insbesondere nicht in Abrede, dass diese Normen mit dem in der Charta der Grundrechte verankerten Recht vereinbar sind. Daher ist das Urteil vom 9. November 2010, Volker und Markus Schecke und Eifert (C‑92/09 und C‑93/09, Slg, EU:C:2010:662), entgegen dem Vortrag des Klägers für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits unerheblich.

49      Außerdem geht nach der Rechtsprechung aus Satz 1 des 15. Erwägungsgrundes der Verordnung Nr. 45/2001 hervor, dass sich eine Verweisung auf andere Rechtsvorschriften als nicht notwendig erwiesen habe bei der Ausübung von Tätigkeiten innerhalb des Anwendungsbereichs der Verordnung Nr. 45/2001, da in solchen Fällen offenkundig diese Verordnung selbst anwendbar sei (Urteil vom 29. Juni 2010, Kommission/Bavarian Lager, C‑28/08 P, Slg, EU:C:2010:378, Rn. 62). Folglich sind im Zusammenhang mit der vorliegenden Klage die Vorschriften der Verordnung Nr. 45/2001 und ihre Durchführungsbestimmungen zu analysieren.

50      Nach der Rechtsprechung ist der Begriff „Daten über Gesundheit“ in dem Sinne weit auszulegen, dass er sich auf alle Informationen bezieht, die die Gesundheit einer Person unter allen Aspekten – körperlichen wie psychischen – betreffen (vgl. entsprechend Urteil vom 6. November 2003, Lindqvist, C‑101/01, Slg, EU:C:2003:596, Rn. 50, betreffend die Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr [ABl. L 281, S. 31]). Dieser Begriff kann jedoch nicht so weit ausgedehnt werden, dass davon auch Ausdrücke umfasst sind, deren Verwendung keiner Offenlegung von Daten über Gesundheit oder medizinische Beschwerden einer Person gleichkommt (siehe in diesem Sinne Urteil vom 31. Mai 2005, Dionyssopoulou/Rat, T‑105/03, Slg. ÖD, EU:T:2005:198, Rn. 33).

51      Im Licht dieser Überlegungen ist zunächst die ursprüngliche Veröffentlichung der betreffenden personenbezogenen Daten zu prüfen und dann die Erwiderung des Parlaments auf die Aufforderung des Klägers, diese Daten von seiner Website zu entfernen.

–       Verbreitung personenbezogener Daten im Internet

52      Zunächst ist festzustellen, dass das Parlament im vorliegenden Fall personenbezogene Daten verschiedenen Verarbeitungsvorgängen im Sinne von Art. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 45/2001 unterzogen hat. Die Verbreitung personenbezogener Daten, einschließlich jener über das Internet, stellt einen Verarbeitungsvorgang im Sinne der genannten Bestimmung dar.

53      Aus der auf der Website des Parlaments veröffentlichten Mitteilung ging insbesondere hervor, dass der Kläger, dessen Name angegeben war, jüngst eine schwere, lebensbedrohliche Krankheit gehabt habe und dass sein Sohn behindert sei. Ebenso waren in der Mitteilung bestimmte Informationen betreffend die Berufslaufbahn des Klägers enthalten.

54      Daher ist festzustellen, dass von der Datenverarbeitung durch das Parlament personenbezogene Daten des Klägers (insbesondere Informationen über seine Berufslaufbahn) sowie sensible personenbezogene Daten über die Gesundheit des Klägers und seines Sohns betroffen waren. Die Verarbeitung dieser verschiedenen Arten personenbezogener Daten ist getrennt zu prüfen.

55      Erstens ist die Verarbeitung sensibler personenbezogener Daten des Klägers im Licht von Art. 10 der Verordnung Nr. 45/2001 zu prüfen.

56      Nach Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 45/2001 ist die Verarbeitung personenbezogener Daten, aus denen Daten über die Gesundheit hervorgehen, untersagt. Jedoch findet dieses Verbot gemäß Art. 10 Abs. 2 Buchst. a der genannten Verordnung insbesondere dann keine Anwendung, wenn die betroffene Person ausdrücklich in die Verarbeitung eingewilligt hat.

57      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 2 Buchst. h der Verordnung Nr. 45/2001 der Ausdruck „Einwilligung der betroffenen Person“ jede Willensbekundung bezeichnet, die ohne Zwang, für den konkreten Fall und in Kenntnis der Sachlage erfolgt und mit der die betroffene Person akzeptiert, dass sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden.

58      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, ob der Kläger, wie das Parlament behauptet, seine ausdrückliche Einwilligung in die Veröffentlichung seiner sensiblen personenbezogenen Daten im Internet gegeben hatte.

59      Da Art. 2 Buchst. h der Verordnung Nr. 45/2001 kein Formerfordernis enthält, kann hier das Einreichen der Petition als Willensbekundung des Klägers angesehen werden.

60      Zudem macht Letzterer keine Umstände geltend, die Zweifel an der Tatsache aufkommen ließen, dass er die Petition freiwillig, frei von Nötigung, Zwang, Einschüchterung oder Täuschung eingereicht hat.

61      Nach der genannten Bestimmung muss die Einwilligung für den konkreten Fall erfolgen, also mit einem Verarbeitungsvorgang (oder einer Reihe von Verarbeitungsvorgängen) mit einer präzisen Zielsetzung in Verbindung stehen. Diese Bestimmung sieht auch vor, dass die Einwilligung nur dann gültig ist, wenn sie in Kenntnis der Sachlage erfolgt, was bedeutet, dass die betroffene Person zum Zeitpunkt der Einwilligung über wichtige Informationen betreffend die grundlegenden Aspekte der Verarbeitung im Hinblick auf den Kontext des betreffenden Falls verfügen muss.

62      Schließlich muss die Einwilligung, wie aus Art. 10 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 45/2001 hervorgeht, ausdrücklich sein, wenn es sich um sensible Daten handelt. Anders ausgedrückt muss die Einwilligung ausdrücklich erteilt werden, und es reicht nicht, dass sie implizit aus den Handlungen der betroffenen Person abzuleiten ist.

63      Der vorliegende Fall ist im Licht dieser Erwägungen zu prüfen.

64      Es ist festzustellen, dass auf der Website des Parlaments den Petenten empfohlen wird, vor Einreichen einer Petition die Online-Hilfe zu lesen. In der Online-Hilfe hieß es unter der Rubrik „Veröffentlichung einer Petition“:

„Die Petenten sollten sich im Klaren sein, dass die Protokolle im Amtsblatt veröffentlicht werden und dass daher bestimmte Informationen, wie der Name des Petenten oder die Nummer seiner Petition, im Internet abgerufen werden können. Dies wirkt sich auf den Schutz der personenbezogenen Daten aus und die Petenten werden auf diese Tatsache besonders hingewiesen. Wenn Sie als Petent nicht wünschen, dass Ihr Name offengelegt wird, respektiert das Europäische Parlament Ihr Recht auf Privatsphäre. Dies muss jedoch klar und ausdrücklich in Ihrer Petition beantragt werden. Ebenso müssen Sie dies in einem Antrag klar zum Ausdruck bringen, wenn Sie wünschen, dass Ihre Petition vertraulich behandelt wird. Der Petitionsausschuss ist der Transparenz verpflichtet, und seine Sitzungen können auch online eingesehen werden. Es ist also möglich, die Sitzungen von der Website des Parlaments aus auf jedem Computer zu verfolgen. Im Allgemeinen sind die Sitzungen des Ausschusses öffentlich. Auf Antrag können die Petenten an einer Sitzung teilnehmen, wenn ihre Petition behandelt wird.“

65      Zudem hat der Kläger zum Zeitpunkt des Einreichens seiner Petition über die Website des Parlaments ein Formular ausgefüllt, auf dem er folgende Fragen bejaht hat:

„Falls der Petitionsausschuss Ihre Petition für zulässig erklärt, sind Sie damit einverstanden, dass sie öffentlich erörtert bzw. verarbeitet wird?“

„Sind Sie damit einverstanden, dass Ihr Name in einem öffentlichen, über das Internet zugänglichen Register verzeichnet wird?“

66      Zu berücksichtigen sind ferner die folgenden Aspekte.

67      Erstens muss das Gericht Systematik und Zweck des durch die Art. 24 AEUV und 227 AEUV gewährten Rechts, eine Petition an das Parlament zu richten, berücksichtigen. Dieses Petitionsrecht ist ausdrücklich als Instrument der demokratischen Mitbestimmung konzipiert, das transparent sein soll, um es anderen Bürgern zu erlauben, sich möglicherweise anzuschließen und dadurch eine öffentliche Diskussion auszulösen. Zudem ist auf die Art. 15 AEUV und 232 AEUV hinzuweisen, die vorsehen, dass die Arbeit des Parlaments grundsätzlich öffentlich stattfindet. Daher sollen die Vorschriften über die Ausübung des Petitionsrechts und insbesondere jene, die in den Art. 201 ff. der Geschäftsordnung (nunmehr Art. 215 ff.) dargelegt sind, in diesem Zusammenhang Anwendung finden.

68      Zweitens ist auf die gewöhnliche Bedeutung abzustellen, die ein durchschnittlicher Mensch dem Ausdruck „öffentlich erörtert bzw. verarbeitet“ beimisst, wenn er aufgefordert wird, zum Zeitpunkt der Einreichung seiner Petition ein Formular auszufüllen.

69      Drittens wurde der Kläger zum Zeitpunkt der Einreichung vom Parlament über die Möglichkeit einer anonymen bzw. vertraulichen Behandlung seiner Petition unterrichtet sowie darüber, dass die Protokolle im Amtsblatt veröffentlicht würden, dass „bestimmte Informationen“, einschließlich des Namens des Petenten, im Internet abgerufen werden könnten, dass es ein über das Internet zugängliches Register gebe und dass die Sitzungen des Petitionsausschusses online einzusehen seien.

70      Viertens ist auf den speziellen Inhalt der betreffenden Petition, nämlich die Tatsache, dass ein Organ der Union angeblich die Krankheit des Klägers (und die Behinderung seines Sohns) bei seiner Laufbahn nicht gebührend berücksichtigt habe, hinzuweisen, eine Frage, die grundsätzlich ein gewisses öffentliches Interesse hervorruft. Ferner ist anzumerken, dass auf der Empfangsbestätigung ausdrücklich bestätigt wurde, dass genau diese Punkte Gegenstand der Petition waren. Daher ging es bei der Veröffentlichung dieser Informationen um den speziellen Inhalt der Petition und nicht um zusätzliche oder überflüssige Elemente.

71      Diesbezüglich sieht Art. 201 Abs. 9 der Geschäftsordnung vor, dass die Petitionen, sobald sie registriert sind, in der Regel zu öffentlichen Dokumenten werden und die Namen der Petenten sowie der Inhalt der Petition vom Parlament aus Gründen der Transparenz veröffentlicht werden können. Nach Abs. 10 dieses Artikels können Petenten ungeachtet der Bestimmungen von Abs. 9 beantragen, dass ihr Name zum Schutz ihrer Privatsphäre geheim gehalten wird; das Parlament muss in einem solchen Fall einen derartigen Antrag beachten.

72      Art. 203 der Geschäftsordnung bestimmt in Bezug auf die Bekanntgabe der Petitionen:

„1. Die Petitionen, die in das in Artikel 201 Absatz 6 genannte Register eingetragen wurden, sowie die wichtigsten Verfahrensbeschlüsse zur Beratung der betreffenden Petitionen werden in der Plenarsitzung bekannt gegeben. Diese Mitteilungen werden in das Sitzungsprotokoll aufgenommen.

2. Der Titel und eine Zusammenfassung des Inhalts der in das Register eingetragenen Petitionen sowie die im Zuge der Behandlung der Petition übermittelten Stellungnahmen und wichtigsten Beschlüsse werden in einer Datenbank öffentlich zugänglich gemacht, sofern die Petenten damit einverstanden sind. Vertraulich zu behandelnde Petitionen werden im Archiv des Parlaments aufbewahrt und können dort von jedem Mitglied eingesehen werden.“

73      Insbesondere sind die Petitionen in der Regel öffentliche Dokumente, auch wenn von dieser Regel auf Antrag des Betroffenen abgewichen werden kann. Wie das Parlament in der mündlichen Verhandlung betont hat, würde jede andere Schlussfolgerung bedeuten, ihm die Verpflichtung aufzuerlegen, eine Zensur des Inhalts der vom Kläger eingereichten Petition vorzunehmen.

74      Daher ist festzuhalten, dass der Kläger im vorliegenden Fall, wenn man auf die Gesamtheit der oben in den Rn. 64 bis 73 erläuterten speziellen Umstände Bedacht nimmt, „eine Willensbekundung ohne Zwang und in Kenntnis der Sachlage“ vorgenommen hat. Ein angemessen aufmerksamer Petent hätte nämlich bei aufmerksamem Durchsehen der vom Parlament zur Verfügung gestellten Informationen die Tragweite seiner Handlungen und deren Folgen erkennen müssen. Zudem erfolgte diese Willensbekundung für den konkreten Fall, weil das Parlament den Kläger darüber unterrichtet hat, dass seine Beschwerde, bei der es um die oben in Rn. 70 dargelegten Erwägungen ging, über das Internet zugänglich sein würde. Schließlich erteilte der Kläger seine ausdrückliche Einwilligung, indem er auf dem Formular die Kästchen betreffend die öffentliche Verarbeitung und die Verzeichnung in einem über das Internet zugänglichen Register ankreuzte, ohne dass seine Einwilligung aus irgendeiner Handlung implizit abgeleitet werden müsste.

75      Aufgrund all dieser Umstände unterscheidet sich der vorliegende Fall grundlegend vom Sachverhalt in der Rechtssache V/Parlament (Urteil vom 5. Juli 2011, V/Parlament, F‑46/09, Slg. ÖD, EU:F:2011:101, Rn. 138), in der die betroffene Person keine Einwilligung in die Übermittlung sie betreffender medizinischer Daten von der Kommission an das Parlament gegeben hatte.

76      Nach alledem ist das Gericht der Ansicht, dass im vorliegenden Fall der Kläger seine ausdrückliche Einwilligung in die Offenlegung der betreffenden sensiblen Daten im Sinne von Art. 10 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 45/2001 gegeben hatte.

77      Zweitens unterliegt die Verarbeitung der personenbezogenen Daten, die nicht unter Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 45/2001 fallen (wie jene betreffend die Berufslaufbahn des Klägers), Art. 5 der Verordnung Nr. 45/2001. Gemäß Art. 5 Buchst. d dieser Verordnung dürfen solche Daten u. a. dann verarbeitet werden, wenn die betroffene Person ohne jeden Zweifel ihre Einwilligung gegeben hat. Mit anderen Worten ist die Verarbeitung erlaubt, wenn die betroffene Person ihre Einwilligung mit Sicherheit und unmissverständlich gegeben hat.

78      Es sei darauf hingewiesen, dass, während Art. 10 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 45/2001 fordert, dass die Einwilligung ausdrücklich sein muss, Art. 5 Buchst. d der genannten Verordnung verlangt, dass die Einwilligung ohne jeden Zweifel gegeben wird. Wie der EDSB ausgeführt hat, kann daher unter Berücksichtigung der Natur sensibler personenbezogener Daten gefolgert werden, dass die Voraussetzungen für eine Einwilligung im Sinne von Art. 5 Buchst. d der Verordnung Nr. 45/2001 nicht strenger sein können als jene, die nach Art. 10 Abs. 2 Buchst. a der genannten Verordnung vorgesehen sind.

79      Folglich ist auf die oben in den Rn. 57 bis 74 angestellten Überlegungen hinzuweisen, die im vorliegenden Fall mutatis mutandis auf die Verarbeitung personenbezogener Daten des Klägers, die nicht unter sensible personenbezogene Daten fallen, anzuwenden sind. Insbesondere was den Zweck der Petition betrifft, ist zu betonen, dass es dabei im Speziellen darum ging, dass ein Organ der Union die persönliche Situation des Klägers im Hinblick auf seine Laufbahn nicht gebührend berücksichtigt habe.

80      Unter diesen Umständen ist das Gericht der Ansicht, dass der Kläger ohne jeden Zweifel eine „Willensbekundung ohne Zwang, für den konkreten Fall und in Kenntnis der Sachlage“ für die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten durch das Parlament und insbesondere deren Offenlegung im Zusammenhang mit der Verarbeitung einer Petition durch das Parlament vorgenommen hatte.

81      Da die Voraussetzungen für die Verarbeitung der in Art. 5 der Verordnung Nr. 45/2001 festgelegten Daten nicht kumulativ erfüllt sein müssen, was aus dem Wortlaut dieser Bestimmung hervorgeht, ist es nicht nötig, zu prüfen, ob die Verarbeitung der personenbezogenen Daten aufgrund einer anderen der vom Parlament geltend gemachten Bestimmungen auch gerechtfertigt war.

82      Aus den vorgenannten Gründen ist das Gericht der Ansicht, dass das Parlament keinen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen eine Rechtsnorm begangen hat, als es die betreffenden personenbezogenen Daten im Internet verbreitete.

83      Drittens ist festzuhalten, dass die Mitteilung insofern, als sie angibt, dass der Sohn geistig oder körperlich schwer behindert ist, auch sensible personenbezogene Daten enthält, die Letzteren betreffen, selbst wenn er nicht namentlich genannt ist.

84      Da es keinerlei Hinweise darauf gibt, dass der Kläger der gesetzliche Vertreter seines Sohns ist, kann die ausdrückliche Einwilligung, die er gegeben hat, die Verarbeitung dieser Daten durch das Parlament gemäß Art. 10 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 45/2001 nicht rechtfertigen.

85      Allerdings ist der Sohn des Klägers nicht Partei dieser Klage. Zudem gibt es, wie zuvor ausgeführt, keinen Beweis dafür, dass der Kläger der gesetzliche Vertreter seines Sohns ist oder dass er den Auftrag hatte, die vorliegende Klage im Namen des Letzteren einzubringen.

86      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung die praktische Wirksamkeit der Voraussetzung der Verletzung einer Rechtsvorschrift, die dem Einzelnen Rechte verleiht, nur dann gewährleistet werden kann, wenn der durch die geltend gemachte Bestimmung verliehene Schutz tatsächlich gegenüber der Person, die sich auf ihn beruft, besteht und diese Person somit zu denen gehört, denen die in Rede stehende Bestimmung Rechte verleiht. Eine Bestimmung, die nicht den Einzelnen gegen die von ihm gerügte Rechtswidrigkeit schützt, sondern einen anderen Einzelnen, kann keinen Schadensersatzanspruch eröffnen (Urteile vom 12. September 2007, Nikolaou/Kommission, T‑259/03, EU:T:2007:254, Rn. 44, und vom 9. Juli 2009, Ristic u. a./Kommission, T‑238/07, EU:T:2009:263, Rn. 60). Daraus folgt, dass sich der Kläger im Rahmen seiner Schadensersatzklage nicht auf Rechtsfehler berufen kann, die auf der angeblichen Verletzung der Rechte eines Dritten, nämlich seines Sohns, beruhen.

–       Im Anschluss an den Antrag, die Daten von der Website zu entfernen

87      Es ist nunmehr zu prüfen, ob das Verhalten des Parlaments nach der Aufforderung, die personenbezogenen Daten des Klägers von seiner Website zu entfernen, einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen eine Rechtsnorm, die bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, darstellen kann.

88      Der Kläger trägt vor, das Parlament habe, als er die Entfernung der personenbezogenen Daten von dessen Website gefordert habe, anfangs negativ reagiert und sei der Aufforderung des Klägers erst nach Einschreiten seines Anwalts nachgekommen, was einer Verletzung des Rechts auf Löschung der personenbezogenen Daten gleichkomme. Zudem könne man aus der Tatsache, dass das Parlament einer Löschung der Daten zugestimmt habe, ableiten, dass es implizit die Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung anerkannt habe. Schließlich habe das Parlament noch gegen Art. 12 der Durchführungsbestimmungen zur Verordnung Nr. 45/2001 verstoßen.

89      Im Wesentlichen laufen die Argumente des Klägers auf die Analyse von zwei Fragen hinaus: erstens, ob er das Recht hatte, die Entfernung seiner personenbezogenen Daten zu verlangen, und zweitens, ob das Parlament diesen Antrag sorgfältig behandelt hat.

90      Was die erste Frage betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass Art. 16 der Verordnung Nr. 45/2001 das Recht, die Löschung der Daten zu verlangen, nur verleiht, wenn deren Verarbeitung rechtswidrig ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. September 2009, Vinci/EZB, F‑130/07, Slg. ÖD, EU:F:2009:114, Rn. 66 und 67), was der Kläger selbst einräumt. Daher kann ein Antrag auf Löschung nicht auf diese Vorschrift gestützt werden, wenn die Verarbeitung rechtmäßig ist, wie dies hier der Fall ist (siehe Rn. 52 ff.). Der Umstand, dass das Parlament beschlossen hat, dem Antrag stattzugeben, stellt als solcher keine Anerkennung der Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Veröffentlichung dar. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das Parlament erklärt hat, die Daten aus Gefälligkeit gelöscht zu haben.

91      Zudem ist festzustellen, dass die betroffene Person gemäß Art. 18 der Verordnung Nr. 45/2001 das Recht hat, jederzeit aus zwingenden, schutzwürdigen, sich aus ihrer besonderen Situation ergebenden Gründen gegen die Verarbeitung von sie betreffenden Daten Widerspruch einzulegen, außer wenn sie u. a. ohne jeden Zweifel ihre Einwilligung im Sinne von Art. 5 Buchst. d dieser Verordnung gegeben hat.

92      Da die Verarbeitung der Daten im vorliegenden Fall auf der Einwilligung der betroffenen Person beruhte, ist darüber hinaus festzustellen, dass die Verordnung Nr. 45/2001 die Möglichkeit einer Rücknahme der ursprünglich erteilten Einwilligung nicht ausdrücklich vorsieht.

93      Nach alledem ist das Gericht der Auffassung, dass der Kläger sich nicht auf ein aus der Verordnung Nr. 45/2001 ableitbares Recht auf Löschung der streitigen personenbezogenen Daten berufen kann. Es sei hinzugefügt, dass der Kläger für seinen Antrag auf Löschung keine andere gültige Rechtsgrundlage geltend gemacht hat. Jedenfalls hat das Parlament die Löschung der Daten von seiner Website vorgenommen, obwohl es dazu nicht verpflichtet gewesen wäre.

94      Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass sich der vorliegende Fall grundlegend vom tatsächlichen und rechtlichen Rahmen des Falls, der dem Urteil vom 13. Mai 2014, Google Spain und Google (C‑131/12, Slg, EU:C:2014:317), betreffend das „Recht auf Vergessenwerden“, zugrunde liegt, unterscheidet. Auch wenn der Gerichtshof in diesem Urteil festgestellt hat, dass ein solches Recht unter bestimmten Voraussetzungen besteht, ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass die Bestimmungen der Richtlinie 95/46, auf die der Gerichtshof seine Begründung stützte (nämlich Art. 7 Buchst. f, Art. 12 Buchst. b und Art. 14 Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie), erheblich von jenen abweichen, die im vorliegenden Fall, bei dem es hauptsächlich um die Frage der Einwilligung der betroffenen Person geht, einschlägig sind. Anders als im vorliegenden Fall hatte die betroffene Person in der Rechtssache Google nämlich keine Einwilligung in die ursprüngliche Veröffentlichung ihrer personenbezogenen Daten erteilt.

95      Was die zweite Frage betrifft, hat sich der Kläger nicht auf einen Verstoß gegen eine Rechtsvorschrift oder einen Rechtsgrundsatz berufen für den Fall, dass die ursprüngliche Veröffentlichung durch das Parlament – wie hier – rechtmäßig war.

96      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass Art. 12 Abs. 3 der Durchführungsbestimmungen zur Verordnung Nr. 45/2001 in Bezug auf das Recht auf Löschung vorsieht:

„Der für die Verarbeitung Verantwortliche muss binnen 15 Werktagen nach Eingang des Antrags auf Löschung dazu Stellung nehmen. Wird der Antrag angenommen, so muss er unverzüglich ausgeführt werden. Vertritt der für die Verarbeitung Verantwortliche die Auffassung, dass der Antrag unbegründet ist, so verfügt er über eine Frist von 15 Werktagen, um die betroffene Person durch ein mit Gründen versehenes Schreiben hiervon zu unterrichten.“

97      Aus dieser Bestimmung geht hervor, dass das Parlament über eine Frist von 15 Werktagen verfügt, um zum Löschungsantrag Stellung zu nehmen, unabhängig davon, ob er begründet ist oder nicht. Im vorliegenden Fall hat der Kläger seinen Antrag an den Dienst „Europe Direct Contact Centre“ der Kommission geschickt, der ihn am 10. April 2012 an das Parlament weitergeleitet hat. Letzteres hat zu diesem Antrag innerhalb der vorgeschriebenen Frist Stellung genommen. Entgegen dem Vorbringen des Klägers hat das Parlament den Antrag niemals abgewiesen. Aus den Stellungnahmen vom 20. April 2012, vom 24. September 2012 und vom 10. Januar 2013 geht vielmehr hervor, dass sich das Parlament zur Löschung bereit erklärt und gleichzeitig – zu Recht – betont hat, dass die Veröffentlichung rechtmäßig gewesen sei.

98      Die personenbezogenen Daten wurden dem Parlament zufolge um den 8. Oktober 2012 und dem Kläger zufolge um den 10. Januar 2013 gelöscht.

99      In seiner Klagebeantwortung hat das Parlament darauf hingewiesen, dass es eine bestimmte Zeit gedauert habe, bis die Dokumente mit den Daten des Klägers gefunden worden seien und um die notwendigen technischen Schritte zu setzen. Wie das Parlament in der mündlichen Verhandlung in Beantwortung der Fragen des Gerichts erklärt hat, ist die vollständige Löschung aus dem Internet ein technisch anspruchsvoller Vorgang. Das Gericht ist der Ansicht, dass diese technischen Schwierigkeiten der Grund dafür sind, dass das Parlament, dessen technischer Dienst mehrmals einschreiten musste, einen gewissen Zeitraum benötigt hat, um die betreffenden Daten zu löschen, und dass Letzteres sich dem Antrag des Klägers nicht anfangs widersetzt hat.

100    Es ist darauf hinzuweisen, dass Art. 12 Abs. 3 der Durchführungsbestimmungen zur Verordnung Nr. 45/2001 vorsieht, dass der Antrag unverzüglich ausgeführt werden muss, wenn er angenommen wird. Bei dieser Bestimmung geht es um Situationen, in denen ein Antrag angenommen wird, weil er begründet ist und somit die Verarbeitung rechtswidrig wäre. Unter solchen Umständen ist es logisch, dass die Ausführung unverzüglich zu erfolgen hat. Wenn hingegen der Antrag, wie im vorliegenden Fall, nicht begründet ist, gibt es keinen Grund für eine Verpflichtung, ihn „unverzüglich“ auszuführen. In einem solchen Fall hat das Parlament seiner Verpflichtung bloß innerhalb einer angemessenen Frist nachzukommen. Aufgrund der vom Parlament vorgebrachten Erklärungen ist das Gericht der Ansicht, dass das Parlament im vorliegenden Fall bei der Behandlung des Löschungsantrags, einschließlich dessen Ausführung, nicht rechtswidrig gehandelt hat.

101    Nach alledem ist das Gericht der Auffassung, dass das Parlament im Anschluss an den Löschungsantrag des Klägers keinen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen eine Rechtsnorm begangen hat.

 Bestimmungen zum Schutz der Privatsphäre

102    Was die Vorschriften zum Schutz der Privatsphäre anlangt, auf die sich der Kläger beruft, ist festzustellen, dass nach Art. 6 Abs. 3 EUV die Grundrechte, wie sie in der EMRK gewährleistet sind, als allgemeine Grundsätze Teil des Unionsrechts sind, auch wenn die Union der EMRK nicht beigetreten ist. Hingegen hat die Union die Konvention über die Rechte behinderter Menschen sehr wohl ratifiziert.

103    Allerdings ist unabhängig von der Frage, ob die EMRK und die Konvention über die Rechte behinderter Menschen, unter Berücksichtigung ihrer Natur und ihrer Systematik (Urteile vom 23. November 1999, Portugal/Rat, C‑149/96, Slg, EU:C:1999:574, Rn. 47, und vom 3. Februar 2005, Chiquita Brands u. a./Kommission, T‑19/01, Slg, EU:T:2005:31, Rn. 114), Bestimmungen enthalten, die bezwecken, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, festzustellen, dass sich der Kläger lediglich auf Art. 22 der Konvention über die Rechte behinderter Menschen beruft, ohne ein spezifisches Argument hierfür anzuführen.

104    Dies gilt auch für den angeblichen Verstoß gegen Art. 8 EMRK. Diesbezüglich beschränkt sich der Kläger darauf, drei Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu zitieren, die seiner Meinung nach zeigen, dass das Recht auf Achtung des Privatlebens das Recht beinhaltet, den Gesundheitszustand geheim zu halten (EGMR, S. und Marper/Vereinigtes Königreich, Nrn. 30562/04 und 30566/04, 4. Dezember 2008), und auch das Recht mit einschließt, Daten betreffend das Berufsleben geheim zu halten (EGMR, Amman/Schweiz, Nr. 27798/95, 16. Februar 2000, und Rotaru/Rumänien, Nr. 28341/95, 4. Mai 2000). Bei diesen Urteilen geht es jedoch um ganz andere Sachverhalte als im vorliegenden Fall, insbesondere um die Speicherung biometrischer Daten von Personen, die unter dem Verdacht stehen, Straftaten begangen zu haben, um das Abhören eines beruflichen Telefonanrufs und um die Erstellung eines Datenblatts mit verschiedenen persönlichen Informationen durch öffentliche Behörden.

105    Zudem geht es auch bei dem vom Kläger zur Unterstützung seines Vorbringens zitierten Urteil vom 5. Oktober 1994, X/Kommission (C‑404/92 P, Slg, EU:C:1994:361), um eine ganz andere Frage, und zwar um die Weigerung der Kommission, eine Person anzustellen, nachdem Tests durchgeführt worden waren, die zum Verdacht einer HIV-Infektion der Person führen konnten, obwohl diese sich dagegen ausgesprochen hatte. Es ist festzustellen, dass es beim Urteil V/Parlament, oben in Rn. 75 angeführt (EU:F:2011:101, Rn. 110 ff.), auch um eine nicht vergleichbare Situation geht, nämlich um die Übermittlung medizinischer Daten eines ehemaligen Bediensteten der Kommission an das Parlament ohne Zustimmung des Betroffenen, was zur Zurückziehung des Einstellungsangebots des Parlaments führte.

106    Daher ist es im Licht der vorstehenden Ausführungen schwierig, eine Parallelität oder Ähnlichkeit zwischen den Sachverhalten dieser Urteile und der Situation im vorliegenden Fall zur Untermauerung der Argumente des Klägers zu entdecken.

107    Zudem kann aus den in den Rn. 52 ff. dargelegten Gründen nicht von einem „Eingriff einer Behörde“ in das Privatleben im Sinne von Art. 8 EMRK ausgegangen werden, wenn der Kläger seine Einwilligung in die Offenlegung gibt, wie dies hier der Fall war.

108    Folglich ist das Gericht der Ansicht, dass der Kläger das Vorliegen eines Verstoßes gegen die Konvention über die Rechte behinderter Menschen oder die EMRK durch das Parlament nicht nachgewiesen hat.

109    Nach alledem ist das Vorbringen betreffend die Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Parlaments zurückzuweisen.

110    Da die drei Voraussetzungen für die Auslösung der außervertraglichen Haftung der Union kumulativ erfüllt sein müssen (Urteil vom 10. Juli 2014, Nikolaou/Rechnungshof, C‑220/13 P, Slg, EU:C:2014:2057, Rn. 52), ist die Klage insgesamt abzuweisen, ohne dass es nötig ist, die Argumente in Bezug auf das Bestehen eines Schadens und einen Kausalzusammenhang zu prüfen. Dennoch hält es das Gericht in diesem Fall für angebracht, diese Argumente zu prüfen.

2.     Zum Bestehen eines Schadens und zum Kausalzusammenhang

 Vorbringen der Parteien

111    Der Kläger trägt vor, er habe aufgrund des rechtswidrigen Verhaltens des Parlaments einen materiellen und immateriellen Schaden erlitten.

112    Erstens bringt der Kläger vor, dass er gezwungen gewesen sei, die Dienste eines Rechtsbeistands in Anspruch zu nehmen, und dass das Parlament erst nach zwei Interventionen desselben das Dokument von seiner Website entfernt habe. Dadurch seien dem Kläger Kosten in Höhe von 1 000 Euro entstanden, was einen materiellen Schaden darstelle.

113    Zweitens bringt der Kläger in Bezug auf den immateriellen Schaden vor, dass ihn die abweisende Art des Parlaments und die Tatsache, dass dieses die Erledigung hinausgezögert habe, zutiefst verletzt und ihm übermäßigen Stress verursacht habe, da er besorgt gewesen sei, dass sein an einer schweren psychischen Störung leidender und sehr labiler Sohn von den veröffentlichten Informationen erfahren könnte. Er beziffert den immateriellen Schaden nach billigem Ermessen auf 40 000 Euro.

114    In der Erwiderung trägt der Kläger vor, dass der zwischen der Veröffentlichung und dem Löschungsantrag verstrichene Zeitraum unerheblich sei. Im Übrigen habe er seinen Antrag auf Löschung unverzüglich eingebracht, sobald er Kenntnis von der Veröffentlichung der Daten erlangt habe.

115    Der Kläger ist der Ansicht, dass es einen direkten Kausalzusammenhang zwischen der Rechtswidrigkeit und dem Schaden gebe, weil dieser aufgrund der Veröffentlichung der Informationen durch das Parlament und der Schwierigkeit, die Löschung der Informationen zu erwirken, entstanden sei.

116    Das Parlament bestreitet nicht, dass der Kläger einen materiellen Schaden in Höhe von 1 000 Euro für die Anwaltskosten erlitten hätte, wenn ein rechtswidriges Verhalten festgestellt worden wäre. Dagegen habe der Kläger keinen immateriellen Schaden nachgewiesen.

117    Schließlich stellt das Parlament für den Fall, dass das Gericht befinde, dass es ein rechtswidriges Verhalten gegeben und der Kläger einen Schaden erlitten habe, das Vorliegen eines Kausalzusammenhangs nicht in Abrede.

 Würdigung durch das Gericht

118    Was die Voraussetzung des Bestehens eines Schadens angeht, muss dieser nach der Rechtsprechung tatsächlich und sicher sein. Dagegen begründet ein rein hypothetischer und unbestimmter Schaden kein Recht auf Schadensersatz (Urteil vom 28. April 2010, BST/Kommission, T‑452/05, Slg, EU:T:2010:167, Rn. 165). Indessen ist die Voraussetzung des Bestehens eines sicheren Schadens erfüllt, wenn der Schaden unmittelbar bevorsteht und mit hinreichender Sicherheit vorhersehbar ist, auch wenn er noch nicht genau beziffert werden kann (Urteil des Gerichtshofs vom 14. Januar 1987, Zuckerfabrik Bedburg u. a./Rat und Kommission, 281/84, Slg, EU:C:1987:3, Rn. 14).

119    Es ist es Sache der Partei, die die Haftung der Union geltend macht, Beweise für das Vorliegen und den Umfang des von ihr behaupteten Schadens zu erbringen und einen hinreichend unmittelbaren ursächlichen Zusammenhang zwischen diesem Schaden und dem beanstandeten Verhalten des betreffenden Organs nachzuweisen (Urteil BST/Kommission, oben in Rn. 118 angeführt, EU:T:2010:167, Rn. 167).

120    Es ist festzustellen, dass das Parlament das Bestehen eines vom Kläger geltend gemachten materiellen Schadens in Form der Kosten seines Rechtsbeistands nicht leugnet, falls ein rechtswidriges Verhalten vorliegt.

121    Was hingegen den immateriellen Schaden betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger das Vorhandensein eines solchen Schadens nicht nachgewiesen hat. Er hat sich bloß darauf berufen, dass ihn die abweisende Art des Parlaments und die Tatsache, dass dieses die Erledigung hinausgezögert habe, zutiefst verletzt und ihm übermäßigen Stress verursacht habe, ohne irgendeinen Beweis vorzulegen, um dieses Vorbringen zu untermauern. Folglich kann diesem nicht gefolgt werden.

122    Aus den dargelegten Gründen ist das Vorbringen des Klägers betreffend das Bestehen eines immateriellen Schadens zurückzuweisen.

123    Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass ein Kausalzusammenhang vorliegt, wenn eine unmittelbare ursächliche Beziehung zwischen dem von dem betreffenden Organ begangenen Fehler und dem geltend gemachten Schaden besteht, für den die Kläger die Beweislast tragen (Urteil vom 28. September 1999, Hautem/EIB, T‑140/97, Slg. ÖD, EU:T:1999:176, Rn. 85). Nach ständiger Rechtsprechung muss sich der Schaden mit hinreichender Unmittelbarkeit aus dem gerügten Verhalten ergeben (Urteil vom 25. Juni 1997, Perillo/Kommission, T‑7/96, Slg, EU:T:1997:94, Rn. 41).

124    Aus der Rechtsprechung ergibt sich, dass den Betroffenen zwar nicht untersagt werden kann, sich schon in einer Phase vor Prozessbeginn anwaltlicher Beratung zu bedienen, es sich aber um ihre eigene Entscheidung handelt, die dem betreffenden Organ nicht angelastet werden kann (Urteile vom 9. März 1978, Herpels/Kommission, 54/77, Slg, EU:C:1978:45, Rn. 48, vom 28. Juni 2007, Internationaler Hilfsfonds/Kommission, C‑331/05 P, Slg, EU:C:2007:390, Rn. 24, und vom 8. Juli 2008, Franchet und Byk/Kommission, T‑48/05, Slg, EU:T:2008:257, Rn. 415). Die Kosten, die der Kläger somit freiwillig auf sich genommen hat, können daher nicht dem Parlament zugerechnet werden (vgl. in diesem Sinne Urteil Internationaler Hilfsfonds/Kommission, oben angeführt, EU:C:2007:390, Rn. 27). Daher fehlt jeder Kausalzusammenhang zwischen dem angeblichen materiellen Schaden, den der Kläger erlitten hat, und dem Handeln des Parlaments.

125    Folglich sind auch die Argumente des Klägers im Hinblick auf den Kausalzusammenhang zwischen der angeblichen Rechtswidrigkeit und dem materiellen Schaden zurückzuweisen.

126    Unter diesen Umständen ist der Antrag des Klägers auf Ersatz des angeblich erlittenen Schadens als nicht begründet zurückzuweisen.

 Kosten

127    Gemäß Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Kläger unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag des Parlaments die Kosten aufzuerlegen.

128    Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung trägt der EDSB seine eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      CN trägt die Kosten des Europäischen Parlaments und seine eigenen Kosten.

3.      Der Europäische Datenschutzbeauftragte (EDSB) trägt seine eigenen Kosten.

Frimodt Nielsen

Dehousse

Collins

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 3. Dezember 2015.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Italienisch.