Language of document : ECLI:EU:T:2023:395

URTEIL DES GERICHTS (Fünfte Kammer)

12. Juli 2023(*)

„Unionsmarke – Nichtigkeitsverfahren – Unionswortmarke aTmos – Ältere nationale Unternehmenskennzeichen aTmos Industrielle Lüftungstechnik GmbH und aTmos – Relativer Nichtigkeitsgrund – Art. 53 Abs. 1 Buchst. c und Art. 8 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 (jetzt Art. 60 Abs. 1 Buchst. c und Art. 8 Abs. 4 der Verordnung [EU] 2017/1001) – Amtsermittlungspflicht – Art. 95 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001“

In der Rechtssache T‑694/21,

aTmos Industrielle Lüftungstechnik GmbH, Düsseldorf, mit Sitz in Düsseldorf (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwalt F. Stangl und Rechtsanwältin S. Pilgram,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch M. Eberl und D. Hanf als Bevollmächtigte,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO:

aTmos Industrielle Lüftungstechnik GmbH, Riedstadt, mit Sitz in Riedstadt (Deutschland),

erlässt

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

zum Zeitpunkt der Beratung unter Mitwirkung der Richter D. Spielmann und U. Öberg sowie der Richterin M. Brkan (Berichterstatterin),

Kanzler: R. Ūkelytė, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

auf die mündliche Verhandlung vom 22. November 2022

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV begehrt die Klägerin, die aTmos Industrielle Lüftungstechnik GmbH, Düsseldorf, die Aufhebung der Entscheidung der Fünften Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 2. September 2021 (Sache R 1844/2020-5) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

 Sachverhalt

2        Am 9. Mai 2019 stellte die aTmos Industrielle Lüftungstechnik GmbH, Riedstadt (im Folgenden: aTmos Riedstadt), beim EUIPO einen Antrag auf Nichtigerklärung der für das Wortzeichen aTmos aufgrund eines Antrags der Klägerin vom 6. November 2013 eingetragenen Unionsmarke.

3        Der Antrag auf Nichtigerklärung betraf folgende von der angegriffenen Marke erfasste Waren und Dienstleistungen der Klassen 11, 37 und 42 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung:

–        Klasse 11: „automatische Lüftungsklappen; Brandschutzklappen als Teile von Klima- und Lüftungsanlagen; Dunstabzüge [Lüftung oder Klimatisierung]; Heizungs‑, Lüftungs- und Klimaanlagen; industrielle Lüftungsapparate; Lüftungseinheiten; Lüftungsgeräte; Rauchschutzklappen als Teile von Klima- und Lüftungsanlagen; Zugluftklappen zur Hemmung der Ausbreitung von Flammen als Teile von Klima- und Lüftungsanlagen; Zugluftklappen zur Hemmung der Ausbreitung von Dämpfen als Teile von Klima- und Lüftungsanlagen; Zugluftklappen zur Hemmung der Ausbreitung von Rauchgasen als Teile von Klima- und Lüftungsanlagen; Rauch- und Wärmeabzugsanlagen“;

–        Klasse 37: „Installation, Wartung und Reparatur von Heizungs‑, Lüftungs- und Klimaanlagen; Bau von Lüftungsschächten; Reinigung von Lüftungskanälen; Installation, Wartung und Reparatur von Lüftungs‑, Heizungs‑, Tageslicht- und Brandschutztechnik; Reinigung, Installation, Wartung und Reparatur von Rauch- und Wärmeabzugsanlagen“;

–        Klasse 42: „Wissenschaftliche und technologische Dienstleistungs- und Forschungsarbeiten und diesbezügliche Designerdienstleistungen; industrielle Analyse und Forschungsdienstleistungen; alle vorgenannten Dienstleistungen im Zusammenhang mit Lüftungs‑, Heizungs‑, Tageslicht- und Brandschutztechnik sowie Rauch- und Wärmeabzugsanlagen“.

4        Der Antrag auf Nichtigerklärung wurde auf die nach deutschem Recht geschützten Unternehmenskennzeichen aTmos Industrielle Lüftungstechnik GmbH und aTmos gestützt, die für Waren und Dienstleistungen benutzt werden, deren Gegenstand „der Vertrieb, der Im- und Export und die nicht handwerkliche Fertigung von Tageslicht‑, Lüftungs‑, Brandlüftungs- und Heizungsanlagen nebst Zubehör sowie deren Montage und Wartung sowie die Planung und Durchführung von Dachsanierungs- und Fassadenarbeiten für die Industrie“ ist.

5        Als Grund für den Antrag auf Nichtigerklärung wurde namentlich Art. 60 Abs. 1 Buchst. c in Verbindung mit Art. 8 Abs. 4 der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1) angeführt.

6        Am 20. Juli 2020 wies die Nichtigkeitsabteilung den Antrag auf Nichtigerklärung vollumfänglich mit der Begründung zurück, dass eine der in Art. 8 Abs. 4 der Verordnung 2017/1001 genannten Voraussetzungen nicht erfüllt sei. Zunächst vertrat sie die Auffassung, dass die von aTmos Riedstadt vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen, die das Bestehen älterer Rechte und deren Benutzung im geschäftlichen Verkehr nachweisen sollten, zwar zulässig seien, ihnen jedoch ein geringerer Beweiswert zukomme, da sie nicht von unabhängigen Dritten stammten, weshalb die darin enthaltenen Angaben durch zusätzliche Belege gestützt werden müssten. Sodann stellte sie fest, dass die anderen Belege größtenteils undatiert seien oder aus einem Zeitraum weit vor der Anmeldung der angegriffenen Marke datierten. Zudem seien handschriftliche Datumsvermerke kein ausreichender Beleg und lägen ihr keinerlei Angaben zur Verbreitung dieser Unterlagen vor. Die Nichtigkeitsabteilung kam schließlich zu dem Ergebnis, dass die eingereichten Beweismittel in ihrer Gesamtheit weder den Inhalt der eidesstattlichen Versicherungen stützten noch einen eindeutigen Hinweis auf den Benutzungszeitraum ergäben, so dass sie nicht ausreichten, um den Nachweis dafür zu erbringen, dass das geltend gemachte Zeichen in Verbindung mit den Geschäftstätigkeiten, auf die der Antrag auf Nichtigerklärung gestützt worden sei, im geschäftlichen Verkehr benutzt worden sei.

7        Am 16. September 2020 legte aTmos Riedstadt beim EUIPO Beschwerde gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung ein.

8        Mit der angefochtenen Entscheidung gab die Beschwerdekammer der Beschwerde statt, hob die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung mit der Begründung auf, dass die Voraussetzungen von Art. 60 Abs. 1 Buchst. c in Verbindung mit Art. 8 Abs. 4 der Verordnung 2017/1001 erfüllt seien, und erklärte hierauf die angegriffene Marke für nichtig.

9        Erstens stellte die Beschwerdekammer fest, dass der Antrag auf Nichtigerklärung insbesondere auf zwei ältere Rechte, nämlich die Unternehmenskennzeichen aTmos Industrielle Lüftungstechnik GmbH und aTmos, gestützt worden sei.

10      Zweitens prüfte sie das Bestehen der geltend gemachten älteren Kennzeichenrechte im Hinblick auf die von aTmos Riedstadt vorgelegten Beweismittel einschließlich der erstmals vor der Beschwerdekammer eingereichten Beweismittel. Sie kam zu dem Schluss, dass aTmos Riedstadt ihre Inhaberschaft der geschützten Rechte an den geltend gemachten Unternehmenskennzeichen sowie deren Benutzung im geschäftlichen Verkehr von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung zum Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke und ununterbrochen bis zum Zeitpunkt des Antrags auf Nichtigerklärung nachgewiesen habe.

11      Drittens war die Beschwerdekammer in Bezug auf das Recht, die Benutzung einer jüngeren Marke im Sinne von § 15 Abs. 2 des Gesetzes über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen (Markengesetz) vom 25. Oktober 1994 (BGBl. 1994 I S. 3082, im Folgenden: MarkenG) zu untersagen, zum einen der Ansicht, dass eine Verwechslungsgefahr zwischen den älteren Kennzeichenrechten und der angegriffenen Marke aufgrund der Identität bzw. Ähnlichkeit der Zeichen sowie der in Rede stehenden Branchen bestehe. Zum anderen habe die Klägerin, soweit sie gegenüber aTmos Riedstadt die Priorität eines älteren Kennzeichenrechts in Anspruch genommen habe, keinen Nachweis für die Benutzung eines solchen Rechts und damit für das Bestehen dieses Rechts erbracht, so dass sie den Nachweis schuldig geblieben sei, dass sie eine Befugnis zur Benutzung des angegriffenen Zeichens habe.

12      Viertens hätte eine etwaige Gleichgewichtslage zwischen den gegenüber der angegriffenen Marke älteren Kennzeichenrechten der Beteiligten des Rechtsstreits durch die Anmeldung dieser Marke gestört werden können, da die Anmeldung nach der Rechtsprechung als Benutzung angesehen werden könne, die gegen die guten Sitten verstoße. Eine die Verwechslungsgefahr möglicherweise ausschließende Koexistenz zwischen den Rechten sei weder geltend gemacht noch nachgewiesen worden. Schließlich liege keine Verwirkung durch Duldung vor, da der Antrag auf Nichtigerklärung weniger als fünf Jahre nach der Eintragung der angegriffenen Marke gestellt worden sei.

 Anträge der Parteien

13      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem EUIPO die Kosten einschließlich der im Verfahren vor der Beschwerdekammer entstandenen Kosten aufzuerlegen.

14      Das EUIPO beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

15      Da für die Bestimmung des anwendbaren materiellen Rechts der Zeitpunkt, zu dem die in Rede stehende Anmeldung eingereicht wurde, d. h. der 6. November 2013, maßgeblich ist, sind auf den vorliegenden Sachverhalt die materiell-rechtlichen Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) in geänderter Fassung anwendbar (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 5. Oktober 2004, Alcon/HABM, C‑192/03 P, EU:C:2004:587, Rn. 39 und 40, und Urteil vom 23. April 2020, Gugler France/Gugler und EUIPO, C‑736/18 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:308, Rn. 3 und die dort angeführte Rechtsprechung). Außerdem gelten für den Rechtsstreit die Verfahrensvorschriften der Verordnung 2017/1001, da nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs bei Verfahrensvorschriften im Allgemeinen davon auszugehen ist, dass sie ab dem Datum ihres Inkrafttretens Anwendung finden (vgl. Urteil vom 11. Dezember 2012, Kommission/Spanien, C‑610/10, EU:C:2012:781, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

16      Daher sind im vorliegenden Fall, was das materielle Recht anbelangt, die Verweise der Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung, der Klägerin in ihrem Vorbringen und des EUIPO auf Art. 60 Abs. 1 Buchst. c und Art. 8 Abs. 4 der Verordnung 2017/1001 als Verweise auf die inhaltlich identischen Art. 53 Abs. 1 Buchst. c und Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 zu verstehen.

17      Die Klägerin stützt ihre Klage auf zwei Klagegründe. Mit dem ersten Klagegrund rügt sie im Wesentlichen einen Verstoß gegen Art. 53 Abs. 1 Buchst. c in Verbindung mit Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 207/2009, da die Beschwerdekammer die Voraussetzung des Verbots der Benutzung einer jüngeren Marke nach deutschem Recht, d. h. den Unterlassungsanspruch nach § 15 Abs. 2 MarkenG, falsch ausgelegt habe. Mit dem zweiten Klagegrund macht sie im Wesentlichen einen Verstoß gegen Art. 95 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung 2017/1001 geltend, da die Beschwerdekammer ihre Prüfung nicht auf das Vorbringen der Beteiligten beschränkt habe.

18      Das Gericht hält es für zweckmäßig, zunächst den zweiten Klagegrund zu prüfen.

 Zum zweiten Klagegrund: Nichtbeschränkung der Ermittlung auf das Vorbringen der Beteiligten

19      Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, dass die Beschwerdekammer durch die Ermittlung einer Sach- und Rechtslage, die von aTmos Riedstadt nicht vorgetragen worden sei, ihre Ermittlung nicht auf das Vorbringen der Beteiligten beschränkt habe und damit gegen Art. 95 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung 2017/1001 verstoßen habe.

20      Die Klägerin weist darauf hin, dass nach dem Vorbringen von aTmos Riedstadt im Verfahren vor dem EUIPO beide Beteiligten das Recht hätten, ihre Firma und den Firmenbestandteil aTmos zu benutzen, und insoweit keine wechselseitigen Unterlassungsansprüche geltend machen könnten. Außerdem hätten sie gemäß § 5 MarkenG zeitgleich die Rechte an den Unternehmenskennzeichen erworben. So habe aTmos Riedstadt zu keinem Zeitpunkt behauptet, hinsichtlich der Unternehmenskennzeichen über ältere Rechte als die Klägerin zu verfügen. Daher könne, selbst wenn die Klägerin nicht über die älteren Rechte an diesen Unternehmenskennzeichen verfüge, daraus nicht automatisch geschlussfolgert werden, dass aTmos Riedstadt über diese Rechte verfüge. Unabhängig von der Frage, ob sie über ein älteres Recht an den Unternehmenskennzeichen verfüge, sei der Beschwerdekammer daher vorzuwerfen, sich nicht auf die von aTmos Riedstadt geschilderte Lage, dass nämlich die Unternehmenskennzeichen der beiden Beteiligten mindestens den gleichen Zeitrang hätten, gestützt zu haben.

21      Da die Beschwerdekammer nicht über das Vorbringen von aTmos Riedstadt zur Gleichzeitigkeit der Rechte hinausgehen dürfe, sei sie zu Unrecht vom Bestehen eines Unterlassungsanspruchs nach deutschem Recht ausgegangen und habe angenommen, dass die Beweislast für das ältere Kennzeichenrecht bei der Klägerin liege.

22      Das EUIPO weist das Vorbringen der Klägerin zurück.

23      Gemäß Art. 95 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung 2017/1001 ist das EUIPO in einem Verfahren bezüglich relativer Eintragungshindernisse bei seiner Ermittlung auf das Vorbringen und die Anträge der Beteiligten beschränkt.

24      Art. 95 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 betrifft insbesondere die tatsächliche Grundlage der Entscheidungen des EUIPO, also die Tatsachen und Beweise, auf die diese Entscheidungen wirksam gestützt werden können. So darf die Beschwerdekammer ihre Entscheidung über eine Beschwerde, mit der ein Nichtigkeitsverfahren abgeschlossen wird, nur auf die von den Beteiligten vorgetragenen Tatsachen und beigebrachten Beweise stützen (vgl. Urteil vom 8. September 2021, Qx World/EUIPO – Mandelay [EDUCTOR], T‑84/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:555, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

25      Aus Art. 95 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 geht jedoch nicht hervor, dass das EUIPO die von einem Beteiligten geltend gemachten Umstände, gegen die der andere Beteiligte keine Einwände erhoben hat, als bewiesen behandeln muss. Diese Bestimmung bindet das EUIPO nur hinsichtlich der Tatsachen, der Beweismittel und des Vorbringens, die es seiner Entscheidung zugrunde legt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Oktober 2005, Éditions Albert René/HABM – Orange [MOBILIX], T‑336/03, EU:T:2005:379, Rn. 34).

26      Die Tatbestandsvoraussetzungen eines relativen Eintragungshindernisses oder jeder anderen Bestimmung, auf die sich die Beteiligten zur Begründung ihrer Anträge berufen, sind nämlich naturgemäß Bestandteil der rechtlichen Gesichtspunkte, die der Prüfung des EUIPO unterliegen. Das EUIPO kann verpflichtet sein, über eine Rechtsfrage zu entscheiden, obgleich sie von den Beteiligten nicht aufgeworfen wurde, wenn eine fehlerfreie Anwendung der Verordnung Nr. 207/2009 im Hinblick auf das Vorbringen oder die Anträge der Beteiligten dies erfordert (Urteil vom 1. Februar 2005, SPAG/HABM – Dann und Backer [HOOLIGAN], T‑57/03, EU:T:2005:29, Rn. 21; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 18. Juni 2020, Primart/EUIPO, C‑702/18 P, EU:C:2020:489, Rn. 41).

27      Zunächst ist in Übereinstimmung mit dem EUIPO festzustellen, dass aTmos Riedstadt die Gründe, aus denen sie der Ansicht war, dass ihre älteren Kennzeichenrechte die Voraussetzungen von Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 in Verbindung mit § 15 Abs. 2 MarkenG erfüllten, substantiiert vorgetragen hat, so dass sie berechtigt war, die Benutzung der angegriffenen Marke auf der Grundlage ihrer gegenüber dieser Marke älteren Kennzeichenrechte zu untersagen.

28      Weiter ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer der Ansicht war, die Klägerin trage, da sie sich auf ein älteres Recht an den Unternehmenskennzeichen berufe, die Beweislast für dieses ältere Kennzeichenrecht.

29      Um zu ermitteln, ob die Beschwerdekammer einen Rechtsfehler begangen hat, indem sie sich nicht auf das Vorbringen von aTmos Riedstadt zur Gleichzeitigkeit der Rechte der Beteiligten beschränkte und annahm, dass es Sache der Klägerin sei, das Bestehen älterer Rechte an den Unternehmenskennzeichen nachzuweisen, ist der Vortrag der Klägerin vor der Beschwerdekammer auf die Geltendmachung noch älterer Kennzeichenrechte hin zu prüfen.

30      Im Rahmen ihrer Stellungnahme vor der Beschwerdekammer verwies die Klägerin zunächst auf die Ausführungen von aTmos Riedstadt zur Entstehung der Gesellschaften und Unternehmenskennzeichen aTmos Industrielle Lüftungstechnik GmbH und aTmos, um daraus zu folgern, dass diese vertreten habe, dass die Klägerin am 13. November 1991, sie dagegen erst am 15. November 1991 gegründet worden sei. Die prioritären älteren Rechte an dem Kennzeichen lägen daher selbst nach Auffassung von aTmos Riedstadt bei der Klägerin. Ferner könne der Inhaber eines Unternehmenskennzeichens nach dem im vorliegenden Fall anwendbaren deutschen Recht die Benutzung eines noch älteren Unternehmenskennzeichens nicht untersagen.

31      Aus diesem Vortrag ergibt sich somit, dass die Klägerin, auch wenn sie auf die Ausführungen von aTmos Riedstadt Bezug genommen hat, wonach die Beteiligten die Rechte an den Unternehmenskennzeichen zeitgleich erworben hätten, vor der Beschwerdekammer auch geltend gemacht hat, dass ihr eigenes Recht an den Unternehmenskennzeichen älter sei als das von aTmos Riedstadt.

32      Da das EUIPO alle Rechtsfragen zu prüfen hat, die für die Prüfung eines relativen Eintragungshindernisses erforderlich sind, um die fehlerfreie Anwendung der Verordnung Nr. 207/2009 zu gewährleisten, musste die Beschwerdekammer über das als unbestritten dargestellte Vorbringen zur Gleichzeitigkeit der Rechte der Beteiligten hinaus das Bestehen des Rechts der Klägerin an den Unternehmenskennzeichen im Hinblick auf das Vorbringen der Klägerin prüfen.

33      Daher hat die Beschwerdekammer zu Recht die Behauptung der Klägerin berücksichtigt, dass die prioritären älteren Rechte an den Unternehmenskennzeichen bei ihr lägen, und in den Rn. 62 und 64 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass die Klägerin, um aTmos Riedstadt die Möglichkeit abzusprechen, sich gegen die Eintragung der angegriffenen Marke zu wehren, das Bestehen und die Reichweite des von ihr geltend gemachten älteren Kennzeichenrechts nachweisen müsse.

34      Jedenfalls ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer in den Rn. 66 und 67 der angefochtenen Entscheidung auch das Vorbringen zum gleichen Zeitrang der Rechte an den Unternehmenskennzeichen berücksichtigt hat, indem sie die Koexistenz der Zeichen und die von aTmos Riedstadt geltend gemachte Störung der Gleichgewichtslage geprüft hat.

35      Folglich hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass die Beschwerdekammer über das Vorbringen der Beteiligten hinausgegangen ist und damit gegen Art. 95 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung 2017/1001 verstoßen hat.

36      Nach alledem ist der zweite Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum ersten Klagegrund: fehlerhafte Auslegung des deutschen Unterlassungsanspruchs

37      Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, dass die Beschwerdekammer gegen Art. 53 Abs. 1 Buchst. c in Verbindung mit Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 verstoßen habe, indem sie den deutschen Unterlassungsanspruch nach § 15 Abs. 2 MarkenG falsch ausgelegt habe.

 Vorbemerkungen

38      Gemäß Art. 53 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 wird eine Unionsmarke auf Antrag beim EUIPO für nichtig erklärt, wenn ein in Art. 8 Abs. 4 dieser Verordnung genanntes älteres Kennzeichenrecht besteht und die Voraussetzungen dieses Absatzes erfüllt sind.

39      Nach diesen Bestimmungen kann der Inhaber eines im geschäftlichen Verkehr benutzten Zeichens, das ein anderes als eine nicht eingetragene Marke ist, die Nichtigerklärung einer Unionsmarke beantragen, wenn dieses Zeichen kumulativ die folgenden vier Voraussetzungen erfüllt: Das Zeichen muss im geschäftlichen Verkehr benutzt werden, es muss von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung sein, das Kennzeichenrecht muss nach dem Recht des Mitgliedstaats erworben worden sein, in dem das Zeichen vor dem Tag der Anmeldung der Unionsmarke benutzt wurde, und das Zeichen muss schließlich seinem Inhaber die Befugnis verleihen, die Benutzung einer jüngeren Marke zu untersagen. Erfüllt ein Zeichen eine dieser Voraussetzungen nicht, bleibt dem Nichtigkeitsantrag, der auf das Bestehen eines anderen als einer Marke im geschäftlichen Verkehr benutzten Zeichens gemäß Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 gestützt wird, somit der Erfolg versagt (Urteil vom 21. September 2017, Repsol YPF/EUIPO – Basic [BASIC], T‑609/15, EU:T:2017:640, Rn. 25).

40      Während die ersten beiden Voraussetzungen im Licht des Unionsrechts auszulegen sind, ergibt sich aus dem Satzteil „wenn und soweit nach dem für den Schutz des Kennzeichens maßgeblichen Recht … des Mitgliedstaats“, dass die letzten beiden Voraussetzungen nach dem Recht beurteilt werden, dem das angegriffene Kennzeichen unterliegt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juli 2017, Alfonso Egüed/EUIPO – Jackson Family Farms [BYRON], T‑45/16, EU:T:2017:518, Rn. 25 und 27).

41      Bei der Anwendung der vierten in Art. 8 Abs. 4 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 enthaltenen Voraussetzung sind insbesondere die geltend gemachte nationale Regelung und die in dem betreffenden Mitgliedstaat ergangenen Gerichtsentscheidungen zu berücksichtigen. Auf dieser Grundlage hat der Inhaber des älteren Kennzeichens zu belegen, dass das in Rede stehende Zeichen in den Anwendungsbereich des geltend gemachten Rechts des Mitgliedstaats fällt und die Befugnis verleihen würde, die Benutzung einer jüngeren Marke zu untersagen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. März 2011, Anheuser-Busch/Budějovický Budvar, C‑96/09 P, EU:C:2011:189, Rn. 189 und 190). Ihm obliegt es nicht nur, vor dem EUIPO die Angaben vorzubringen, die beweisen, dass er die nach den nationalen Rechtsvorschriften, deren Anwendung er begehrt, erforderlichen Voraussetzungen erfüllt, um die Benutzung einer Unionsmarke aufgrund eines älteren Rechts untersagen lassen zu können, sondern auch, die Angaben vorzubringen, aus denen sich der Inhalt dieser Rechtsvorschriften ergibt (vgl. Urteil vom 7. Februar 2019, Swemac Innovation/EUIPO – SWEMAC Medical Appliances [SWEMAC], T‑287/17, EU:T:2019:69, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

42      Was ferner das Ausmaß der vom EUIPO durchzuführenden Prüfung betrifft, die das EUIPO im Rahmen von Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 vorzunehmen hat, so schließt der Verweis auf das Recht, dem das geltend gemachte Kennzeichen unterliegt, alle Kriterien ein, nach denen darüber bestimmt wird, ob „dieses Kennzeichen seinem Inhaber das Recht verleiht, die Benutzung einer jüngeren Marke zu untersagen“. Daher muss die Prüfung nach nationalem Recht erschöpfend sein und auch Einreden einschließen, die ein Recht, die Benutzung der jüngeren Marke zu untersagen, nach nationalem Recht ausschließen können, darunter auch die Frage, ob die Benutzung der angemeldeten Marke „unbefugt“ im Sinne von § 15 Abs. 2 MarkenG erfolgt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Mai 2020, Peek & Cloppenburg/EUIPO – Peek & Cloppenburg [Vogue Peek & Cloppenburg], T‑443/18, EU:T:2020:184, Rn. 66 und 69 [nicht veröffentlicht]).

43      Im deutschen Recht, das im vorliegenden Fall aufgrund der vierten Voraussetzung von Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 anwendbar ist und dessen Beschreibung in den Rn. 26 bis 28 der angefochtenen Entscheidung von der Klägerin nicht beanstandet wird, sieht § 5 MarkenG Folgendes vor:

„(1)      Als geschäftliche Bezeichnungen werden Unternehmenskennzeichen und Werktitel geschützt.

(2)      Unternehmenskennzeichen sind Zeichen, die im geschäftlichen Verkehr als Name, als Firma oder als besondere Bezeichnung eines Geschäftsbetriebs oder eines Unternehmens benutzt werden.

…“

44      In § 6 MarkenG über die Bestimmung des Vorrangs und des Zeitrangs im Fall des Zusammentreffens von Rechten heißt es:

„(1)      Ist im Falle des Zusammentreffens von Rechten im Sinne de[s] § [5] nach diesem Gesetz für die Bestimmung des Vorrangs der Rechte ihr Zeitrang maßgeblich, wird der Zeitrang nach [Absatz] 3 bestimmt.

(3)      Für die Bestimmung des Zeitrangs von Rechten im Sinne des § [5] ist der Zeitpunkt maßgeblich, zu dem das Recht erworben wurde.

(4)      Kommt Rechten nach [Absatz] 3 derselbe Tag als ihr Zeitrang zu, so sind die Rechte gleichrangig und begründen gegeneinander keine Ansprüche.“

45      § 15 MarkenG bestimmt:

„(1)      Der Erwerb des Schutzes einer geschäftlichen Bezeichnung gewährt ihrem Inhaber ein ausschließliches Recht.

(2)      Dritten ist es untersagt, die geschäftliche Bezeichnung oder ein ähnliches Zeichen im geschäftlichen Verkehr unbefugt in einer Weise zu benutzen, die geeignet ist, Verwechslungen mit der geschützten Bezeichnung hervorzurufen.

(4)      Wer eine geschäftliche Bezeichnung oder ein ähnliches Zeichen entgegen Absatz 2 … benutzt, kann von dem Inhaber der geschäftlichen Bezeichnung bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung droht.

…“

46      Es ist festzustellen, dass die Klägerin den Erwerb der Rechte an den Unternehmenskennzeichen aTmos Industrielle Lüftungstechnik GmbH und aTmos im Sinne von § 5 Abs. 2 MarkenG, die von aTmos Riedstadt geltend gemacht wurden und älter als die angegriffene Marke sind, im Hinblick auf die Nachweise für ihre Benutzung nicht bestreitet.

47      Im Licht dieser Erwägungen ist zu prüfen, ob die Beschwerdekammer zu Recht davon ausgegangen ist, dass die Klägerin die Beweislast für das Bestehen der älteren Kennzeichenrechte trage und dass ein Unterlassungsanspruch von aTmos Riedstadt gegen die angegriffene Marke aTmos Riedstadt die Möglichkeit gebe, deren Benutzung zu untersagen.

48      Insoweit besteht das Vorbringen der Klägerin im Wesentlichen aus zwei Rügen, von denen die erste die Beweislast für das Bestehen eines älteren Rechts an den Unternehmenskennzeichen und die zweite das Fehlen einer Störung der Gleichgewichtslage zwischen den Unternehmenskennzeichen von aTmos Riedstadt und der Klägerin betrifft.

 Zur ersten Rüge: Beweislast für das Bestehen älterer Kennzeichenrechte

49      Die Beschwerdekammer wies zunächst darauf hin, dass sich nach § 15 Abs. 2 MarkenG ein Recht zur Untersagung der Benutzung nur aus der unbefugten Benutzung einer geschäftlichen Bezeichnung ergebe, so dass nur derjenige, der eigene prioritäre ältere Rechte an der angegriffenen Bezeichnung im Sinne der §§ 4, 5 und 13 MarkenG erworben habe, befugt handele. Insoweit stellte die Beschwerdekammer fest, dass nach Ansicht der Klägerin aTmos Riedstadt kein Recht habe, die Benutzung der angegriffenen Marke zu untersagen, da die prioritären älteren Rechte an den geltend gemachten Unternehmenskennzeichen nicht aTmos Riedstadt, sondern der Klägerin gehörten.

50      Da sich die Klägerin u. a. auf ein eigenes älteres Recht an den Unternehmenskennzeichen berufe, um den auf der Grundlage von § 15 MarkenG geltend gemachten Unterlassungsanspruch von aTmos Riedstadt in Bezug auf die angegriffene Marke abzuwehren, liege die Beweislast für das Bestehen und die Reichweite dieses älteren Rechts bei der Klägerin.

51      Schließlich wies die Beschwerdekammer darauf hin, dass das Bestehen eines Rechts an einem Unternehmenskennzeichen nach § 5 MarkenG die Benutzungsaufnahme des Zeichens in Deutschland voraussetze. Sie stellte fest, dass die Klägerin keine Beweise vorgelegt habe, die die Benutzung ihrer Unternehmenskennzeichen und damit das Bestehen ihres prioritären älteren Kennzeichenrechts rechtfertigten, so dass die Klägerin den Nachweis schuldig geblieben sei, dass sie eine „Befugnis“ zur Benutzung des angegriffenen Zeichens habe.

52      Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, dass das deutsche Recht nicht von ihr verlange, dass sie den Nachweis des Bestehens und der Reichweite eines eigenen Rechts an den Unternehmenskennzeichen erbringe. Im Übrigen habe aTmos Riedstadt selbst das Bestehen eines solchen Rechts und die gleichzeitige Entstehung der Rechte beider Beteiligten anerkannt.

53      Insbesondere wendet sich die Klägerin gegen die Beurteilung der Beschwerdekammer, dass nur derjenige, der eigene prioritäre ältere Rechte an der angegriffenen Bezeichnung erworben habe, in befugter Weise handele, da dies nicht der deutschen Rechtslage entspreche. Sie trägt vor, dass aTmos Riedstadt für die Verfolgung eines Unterlassungsanspruchs über ein Recht mit besserem Zeitrang verfügen müsse. Außerdem genüge es für die Abwehr des Unterlassungsanspruchs, dass sie über ein zeitgleich mit dem Recht von aTmos Riedstadt erworbenes Recht verfüge, da die Beteiligten bei einem gleichen Zeitrang wie im vorliegenden Fall nicht wechselseitig auf Unterlassung klagen könnten. Daher habe aTmos Riedstadt für einen erfolgreichen Unterlassungsanspruch gemäß dem deutschen Recht nachzuweisen, dass sie sowohl gegenüber der angegriffenen Marke als auch gegenüber den Unternehmenskennzeichen der Klägerin über ältere Kennzeichenrechte verfüge.

54      Das EUIPO weist das Vorbringen der Klägerin zurück.

55      Erstens ist darauf hinzuweisen, dass eine Unionsmarke auf Antrag beim EUIPO für nichtig erklärt wird, wenn ein älteres Kennzeichenrecht im Sinne von Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 besteht und die in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen vorliegen. Diese Voraussetzungen sehen u. a. vor, dass das Kennzeichenrecht nach nationalem Recht erworben worden sein muss und dass dieses Kennzeichen seinem Inhaber die Befugnis verleiht, die Benutzung einer jüngeren Marke zu untersagen.

56      Gemäß § 15 Abs. 2 MarkenG ist es Dritten untersagt, die geschäftliche Bezeichnung oder ein ähnliches Zeichen im geschäftlichen Verkehr unbefugt in einer Weise zu benutzen, die geeignet ist, Verwechslungen mit der geschützten Bezeichnung hervorzurufen.

57      Insoweit setzt der Anspruch nach § 15 Abs. 2 MarkenG gemäß Rn. 14 der Kommentierung zu § 15 MarkenG (Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz – Kommentar, 12. Aufl., Carl Heymanns, Köln 2017), auf die sowohl die Beschwerdekammer als auch die Beteiligten im Rahmen des Verfahrens vor dem EUIPO Bezug genommen haben, ein gültiges Kennzeichenrecht im Sinne von § 5 MarkenG voraus. Da es sich hierbei um ein ungeprüftes Recht handelt, hat der Anspruchsteller „die entsprechenden Voraussetzungen … darzulegen“ und im Unterlassungsverfahren im Bestreitensfall zu beweisen. Hat der Anspruchsgegner eigene Rechte an der angegriffenen Bezeichnung im Sinne der §§ 4, 5 oder 13 MarkenG erworben, so ist weitere Voraussetzung, dass dem Kennzeichen, auf den der Anspruch gestützt wird, auch ein besserer Zeitrang (§ 6 MarkenG) zukommt.

58      Aus dieser Randnummer der soeben in Rn. 57 angeführten Kommentierung geht somit zum einen hervor, dass derjenige, der einen Unterlassungsanspruch nach § 15 MarkenG geltend macht, im vorliegenden Fall aTmos Riedstadt, ein Recht an dem Zeichen erworben haben muss, das er zur Stützung seines Unterlassungsanspruchs geltend macht.

59      Zum anderen unterliegt entgegen dem Vorbringen der Klägerin die von ihr aufgestellte weitere Voraussetzung, dass dem zur Stützung des Unterlassungsanspruchs geltend gemachten Zeichen auch ein besserer Zeitrang im Sinne von § 6 MarkenG zukommen muss, selbst einer Vorbedingung.

60      Aus dem Satzteil der oben in Rn. 57 angeführten Kommentierung „[h]at der Anspruchsgegner eigene Rechte an der angegriffenen Bezeichnung … erworben“ ergibt sich nämlich, dass ohne den Erwerb eines Rechts an dem betreffenden Zeichen durch den Anspruchsgegner, im vorliegenden Fall durch die Klägerin, die zusätzliche Voraussetzung des besseren Zeitrangs gar nicht zur Anwendung kommt. Die beiden einander gegenüberstehenden Rechte müssen somit zunächst erworben worden sein, bevor darüber befunden werden kann, dass ein gegenüber einem anderen Recht an einem Zeichen älteres Recht besteht.

61      Folglich kann sich nach deutschem Recht ein Beteiligter, der keine eigenen Rechte erworben hat, nicht auf einen besseren oder gegebenenfalls gleichen Zeitrang mit den Rechten des anderen Beteiligten berufen.

62      Zweitens trägt die Klägerin vor, dass sich der von der Beschwerdekammer in Rn. 62 der angefochtenen Entscheidung aufgestellte Grundsatz, dass „[n]icht unbefugt handelt, wer an der angegriffenen Bezeichnung eigene prioritätsältere Rechte [im Sinne der §§ 4, 5 und 13] MarkenG erworben hat“, nicht in Rn. 14 der Kommentierung zu § 15 MarkenG finde, so dass ihm nach deutschem Recht jede Rechtsgrundlage fehle. Dieses Vorbringen kann jedoch keinen Erfolg haben.

63      Dieser Grundsatz findet sich nämlich in Rn. 33 („Unbefugte Benutzung“) der Kommentierung zu § 15 MarkenG, auf den sich die Beschwerdekammer in Rn. 62 der angefochtenen Entscheidung bei der Beurteilung der Voraussetzungen für die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs im Sinne dieser Bestimmung ausdrücklich auch gestützt hat.

64      Auch wenn die Beteiligten sich im Verfahren vor dem EUIPO nicht auf diese Randnummer der Kommentierung bezogen haben, ist darauf hinzuweisen, dass dann, wenn ein Antrag auf Nichterklärung einer Unionsmarke auf ein älteres Recht gestützt wird, das durch eine nationale Rechtsvorschrift geschützt wird, es in erster Linie Sache der zuständigen Stellen des EUIPO ist, die Aussagekraft und die Tragweite der vom Antragsteller vorgebrachten Angaben zu beurteilen, mit denen der Inhalt der nationalen Rechtsvorschrift dargetan werden soll. Da zudem die Entscheidungen der zuständigen Stellen des EUIPO bewirken können, dass dem Markeninhaber ein ihm gewährtes Recht entzogen wird, setzt die Tragweite einer solchen Entscheidung zwangsläufig voraus, dass die Stelle, die sie erlässt, nicht auf die Rolle beschränkt ist, das nationale Recht, wie es von demjenigen, der die Nichtigerklärung beantragt, dargestellt wird, lediglich zu bestätigen (vgl. Urteile vom 5. April 2017, EUIPO/Szajner, C‑598/14 P, EU:C:2017:265, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 13. Mai 2020, Vogue Peek & Cloppenburg, T‑443/18, EU:T:2020:184, Rn. 73 [nicht veröffentlicht] und die dort angeführte Rechtsprechung).

65      Da nach deutschem Recht, wie es oben in den Rn. 60 und 61 ausgelegt worden ist, die Beteiligten zunächst eigene Rechte erworben haben müssen, bevor sie sich auf einen wie auch immer gearteten besseren oder auch nur gleichen Zeitrang berufen können, und da sich die Rolle der Beschwerdekammer nicht auf eine bloße Bestätigung des von den Beteiligten dargestellten nationalen Rechts beschränkt, hat die Beschwerdekammer zu Recht auf Rn. 33 der Kommentierung zu § 15 MarkenG Bezug genommen, indem sie darauf hingewiesen hat, dass sich der Unterlassungsanspruch nur aus einer unbefugten Benutzung ergebe und nur derjenige, der eigene ältere Rechte an der angegriffenen Bezeichnung erworben habe, befugt handele.

66      Drittens ist zum Nachweis des Erwerbs eines Rechts an einem Unternehmenskennzeichen zunächst festzustellen, dass, wie aus Rn. 52 der Kommentierung zur Anwendung von § 5 MarkenG und der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Deutschland), die von aTmos Riedstadt im Verfahren vor dem EUIPO vorgelegt wurden, hervorgeht, der Schutz eines Unternehmenskennzeichens im Sinne von § 5 Abs. 2 MarkenG lediglich eine Benutzung dieses Kennzeichens voraussetzt, ohne dass diese Benutzung strengeren Anforderungen unterliegt. Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich insbesondere, dass der Erwerb eines Rechts an einem solchen Unternehmenskennzeichen durch seine tatsächliche Benutzung erfolgt, die auf den Beginn einer dauerhaften wirtschaftlichen Betätigung schließen lässt, ohne dass dieses Kennzeichen schon ein bestimmtes Maß an Anerkennung im Verkehr gefunden haben muss.

67      Diese Erwägungen zum deutschen Recht, wie sie von der Beschwerdekammer im Wesentlichen in Rn. 32 der angefochtenen Entscheidung dargelegt worden sind, werden von der Klägerin im Übrigen nicht bestritten.

68      Die Klägerin ist jedoch der Ansicht, dass es ihr nicht obliege, den Nachweis für den tatsächlichen Erwerb ihres Rechts an den Unternehmenskennzeichen zu erbringen, da zwischen den Beteiligten Einigkeit über das Bestehen dieses Rechts bestehe.

69      Wie oben aus den Rn. 25 und 26 hervorgeht, ist das EUIPO zum einen nicht verpflichtet, von einem Beteiligten geltend gemachte und von dem anderen nicht bestrittene Erwägungen als erwiesen anzusehen, und zum anderen hat es alle Fragen, auch die von den Beteiligten nicht aufgeworfenen, zu prüfen, wenn sie für die Prüfung der relativen Eintragungshindernisse erforderlich sind, um die fehlerfreie Anwendung der Verordnung Nr. 207/2009 im Hinblick auf das Vorbringen der Beteiligten zu gewährleisten.

70      Die Frage, ob ein Recht der Klägerin an ihren Unternehmenskennzeichen besteht, ist somit von entscheidender Bedeutung dafür, ob die Kennzeichen von aTmos Riedstadt dieser die Befugnis verleihen, die Benutzung der angegriffenen Marke zu untersagen.

71      Dass aTmos Riedstadt das Bestehen eines Rechts der Klägerin an ihren Unternehmenskennzeichen behauptet, ohne dass diese dem widersprochen hätte, kann an den rechtlichen Kriterien für den tatsächlichen Erwerb dieses Rechts nichts ändern. Ein solcher Ansatz, wonach das Recht an einem Unternehmenskennzeichen durch eine bloße Vereinbarung zwischen den Beteiligten erworben werden könnte, würde der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zuwiderlaufen, wonach ein ausschließliches Recht an einem Unternehmenskennzeichen durch seine Benutzung erworben wird.

72      Da die Rechte an den in Rede stehenden Unternehmenskennzeichen vor der Bestimmung des Zeitrangs dieser Rechte durch Beweise für ihre Benutzung erworben werden müssen und es jedem Beteiligten obliegt, seine eigenen Rechte nachzuweisen, um sie geltend machen zu können, konnte sich die Klägerin nicht darauf beschränken, den Tatsachenvortrag von aTmos Riedstadt zu ihrem eigenen Recht nicht zu bestreiten.

73      Außerdem hat die Klägerin, wie sich oben aus den Rn. 30 bis 33 ergibt, vor der Beschwerdekammer geltend gemacht, dass sie Rechte an den Unternehmenskennzeichen innehabe, die älter seien als die von aTmos Riedstadt, was einer ihrer Einwände war, um ein Recht von aTmos Riedstadt, die Benutzung der jüngeren Marke zu untersagen, ausschließen zu können. Daher konnte ihrer Ansicht nach aTmos Riedstadt, da sie in Wirklichkeit nicht über die älteren Rechte an den Unternehmenskennzeichen verfüge, keinen Unterlassungsanspruch gegen die angegriffene Marke geltend machen.

74      Da sich die Klägerin, um den Anspruch von aTmos Riedstadt abzuwehren, vor der Beschwerdekammer auf ein älteres Recht an den Unternehmenskennzeichen berufen hat, lag die Beweislast für ein solches Recht bei ihr (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 13. Mai 2020, Vogue Peek & Cloppenburg, T‑443/18, EU:T:2020:184, Rn. 82 [nicht veröffentlicht] und die dort angeführte Rechtsprechung).

75      Insoweit geht aus den Akten hervor, dass die Klägerin, wie in Rn. 65 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, den Nachweis für die Benutzung ihrer Unternehmenskennzeichen, die das Bestehen eines – prioritären oder nicht prioritären – Rechts an diesen begründen würde, nicht erbracht hat.

76      Folglich hat die Beschwerdekammer mit ihrer Feststellung, dass die Klägerin den Erwerb eines Rechts an ihren Unternehmenskennzeichen nicht nachgewiesen hat, obwohl ihr die Beweislast für ein solches Recht oblag, keinen Beurteilungsfehler begangen.

77      Viertens ist die Frage, ob aTmos Riedstadt sowohl gegenüber der angegriffenen Marke als auch gegenüber dem Recht der Klägerin an den Unternehmenskennzeichen über ein älteres Recht verfügen müsse, unerheblich, da die Klägerin den Nachweis für den Erwerb ihres eigenen Rechts an den Unternehmenskennzeichen, der eine Vorbedingung für die Feststellung eines wie auch immer gearteten Zeitrangs der einander gegenüberstehenden Rechte darstellt, nicht erbracht hat.

78      Nach alledem ist die erste Rüge zurückzuweisen.

 Zur zweiten Rüge: fehlende Störung der Gleichgewichtslage zwischen den in Rede stehenden Unternehmenskennzeichen

79      Die Beschwerdekammer wies zunächst darauf hin, dass die Klägerin das Bestehen einer Gleichgewichtslage zwischen Gleichnamigen ausdrücklich verneint habe, und stellte sodann fest, dass jedenfalls eine etwaig bestehende Gleichgewichtslage in Deutschland durch die Anmeldung der angegriffenen Marke gestört worden wäre.

80      Die Klägerin macht geltend, dass im Fall des gleichen Zeitrangs zwischen ihren Unternehmenskennzeichen und denen von aTmos Riedstadt grundsätzlich kein wechselseitiger Unterlassungsanspruch bestehe, mit Ausnahme einer Störung einer bestehenden Gleichgewichtslage zwischen diesen Kennzeichen. Der einzige Grund, warum aTmos Riedstadt sich auf die Ausnahme der Störung der Gleichgewichtslage gestützt habe, liege darin, dass sie selbst eingeräumt habe, dass die Unternehmenskennzeichen zeitgleich entstanden seien. Die Anwendung dieser Ausnahme sei jedoch strikt von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abhängig, die nach Ansicht der Klägerin nur bei Familiennamen anwendbar sei, was hier nicht der Fall sei.

81      Das EUIPO weist das Vorbringen der Klägerin zurück.

82      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das Bestehen des Rechts von aTmos Riedstadt an ihren Unternehmenskennzeichen durch Benutzung nachgewiesen wurde.

83      Ferner hat die Klägerin keine Beweise vorgelegt, die eine Benutzung ihrer Unternehmenskennzeichen und damit den Erwerb eines Rechts daran belegen würden.

84      Eine angebliche Gleichgewichtslage wegen des gleichen Zeitrangs der Rechte an den in Rede stehenden Unternehmenskennzeichen kann aber nur dann vorliegen, wenn das Bestehen und die Benutzung dieser Unternehmenskennzeichen nachgewiesen worden sind. Dies ist hier indessen nicht der Fall. Der Umstand, dass sich die Klägerin darauf beschränkt hat, die tatsächlichen Erwägungen von aTmos Riedstadt in Bezug auf ihre Unternehmenskennzeichen zu bestätigen, liefert ungeachtet dessen, ob diese älter sind oder den gleichen Zeitrang haben wie die von aTmos Riedstadt, keinen Hinweis darauf, ob diese Unternehmenskennzeichen und das Recht, das die Klägerin insoweit durch ihre Benutzung erworben haben soll, im geschäftlichen Verkehr überhaupt bestehen.

85      Da die Akte keine Nachweise für das Bestehen, den Erwerb durch Benutzung und die Reichweite des Rechts der Klägerin an ihren eigenen Unternehmenskennzeichen enthält, ist festzustellen, dass, wie die Beschwerdekammer im Wesentlichen in Rn. 66 der angefochtenen Entscheidung hilfsweise ausgeführt hat, das Vorbringen zum Bestehen einer Gleichgewichtslage, die durch die Eintragung der angegriffenen Marke gestört worden sein soll, zurückzuweisen ist.

86      Demnach ist die zweite Rüge der Klägerin und damit der erste Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

87      Nach alledem ist die Klage insgesamt abzuweisen.

 Kosten

88      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

89      Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des EUIPO die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die aTmos Industrielle Lüftungstechnik GmbH, Düsseldorf, trägt die Kosten.

Spielmann

Öberg

Brkan

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 12. Juli 2023.

Der Kanzler

 

Der Präsident

V. Di Bucci

 

S. Papasavvas


*      Verfahrenssprache: Deutsch.