Language of document : ECLI:EU:T:2009:121

BESCHLUSS DES GERICHTS (Dritte Kammer)

28. April 2009(*)

„Gemeinschaftsmarke – Anmeldung einer Gemeinschaftsbildmarke ‚Gesäßtasche links‘ – Absolutes Eintragungshindernis – Fehlende Unterscheidungskraft – Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 40/94 – Klage, der offensichtlich jede rechtliche Grundlage fehlt“

In der Rechtssache T‑282/07

Tom Tailor GmbH mit Sitz in Hamburg (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte S. O. Gillert, K. Vanden Bossche und F. Schiwek,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle), vertreten durch G. Schneider als Bevollmächtigten,

Beklagter,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des HABM vom 15. Mai 2007 (Sache R 669/2006‑1) über die Eintragung eines Bildzeichens „Gesäßtasche links“ als Gemeinschaftsmarke

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten J. Azizi (Berichterstatter) sowie der Richterin E. Cremona und des Richters S. Frimodt Nielsen,

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund der am 24. Juli 2007 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 18. Oktober 2007 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung

folgenden

Beschluss

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 14. Februar 2005 meldete die Klägerin, die Tom Tailor GmbH, nach der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) eine Gemeinschaftsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um folgendes Bildzeichen:

Image not found

3        Die Marke wurde für „Bekleidung, Schuhwaren, Kopfbedeckungen“ in Klasse 25 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet.

4        Mit Entscheidung vom 23. März 2006 wies die Prüferin die Anmeldung nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 für Bekleidung zurück. Sie war im Wesentlichen der Auffassung, dass die angemeldete Marke keine ausreichende Unterscheidungskraft aufweise. Ihre fünfeckige Form, die die gewöhnliche Form einer auf Bekleidungsstücken angebrachten Tasche darstelle, sei in der Modebranche üblich und werde als dekoratives Element und nicht als Herkunftshinweis wahrgenommen. Dies gelte auch dann, wenn die angemeldete Marke als Logo benutzt werde.

5        Am 18. Mai 2006 legte die Klägerin gegen die Entscheidung der Prüferin Beschwerde ein.

6        Mit Entscheidung vom 15. Mai 2007 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Erste Beschwerdekammer die Beschwerde zurück. Die Beschwerdekammer wies darauf hin, dass die Klägerin nicht vorgetragen habe, dass das angemeldete Zeichen durch Benutzung nach Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 40/94 Unterscheidungskraft erlangt haben könnte, und entschied, dass es aufgrund seiner einfachen, symmetrischen Gestaltung nicht als Herkunftshinweis dienen und vom Verbraucher nicht in Erinnerung behalten werden könne.

7        In Nr. 10 der angefochtenen Entscheidung heißt es:

„Das von der Gemeinschaftsmarkenanmeldung erfasste Zeichen ist, wie von der [Klägerin] selbst beschrieben, die detailgetreue Abbildung einer einfachen geometrischen Grundform einer Tasche, die typischerweise auf Bekleidungsstücken und Hosen, insbesondere auf Jeans, angebracht ist, und die mehrere Ziernähte aufweist. Dabei handelt es sich um zwei ringsum parallel an dem Außenrand der fünfeckigen Taschenform angebrachte Nähte und um zwei bogenförmige, sich schneidende Nähte, die mittig auf der Hosentasche angeordnet wurden. Eine der beiden mittigen Nähte verläuft von links oben nach rechts unten und ist schmal, die andere mittige von der einen zur anderen Seite verlaufende Naht hat ein breiteres Erscheinungsbild, da sie zickzackförmig genäht ist. Beide Stickereien schneiden sich etwas über der Mitte der unteren Stickerei. Somit ergibt sich ein simples Muster, das entgegen den Ausführungen der [Klägerin] nicht unüblich und eigentümlich wirkt, sondern einfach ist und nichts enthält, was als augenfällig angesehen werden könnte oder dazu geeignet ist, die Aufmerksamkeit des durchschnittlich aufmerksamen und informierten Verbrauchers von Bekleidungsstücken auf sich zu ziehen. Das von der Gemeinschaftsmarkenanmeldung erfasste Zeichen hat somit keine charakteristischen Merkmale, die es von anderen, auf Bekleidungsstücken angebrachten Taschen, welche zur Zierde mit Steppnähten versehen sind, unterscheidbar macht.“

8        Die Beschwerdekammer führte weiter aus, dass das angemeldete Zeichen, selbst wenn es als Logo oder als Zweitmarke anzusehen sein sollte, entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht hinreichend unterscheidungskräftig sei.

9        Schließlich stellte die Beschwerdekammer fest, dass sich die Klägerin nicht auf frühere Eintragungen von ähnlichen Gemeinschaftsmarken und nationalen Marken berufen könne.

 Anträge der Parteien

10      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem HABM die Kosten aufzuerlegen.

11      Das HABM beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

12      Nach Art. 111 seiner Verfahrensordnung kann das Gericht, wenn einer Klage offensichtlich jede rechtliche Grundlage fehlt, durch mit Gründen versehenen Beschluss entscheiden.

13      Im vorliegenden Fall ist das Gericht in der Lage, aufgrund des Akteninhalts gemäß dem genannten Artikel ohne Fortsetzung des Verfahrens zu entscheiden.

 Vorbringen der Parteien

14      Die Klägerin macht als einzigen Klagegrund einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 geltend und trägt in diesem Zusammenhang drei Rügen vor.

15      Erstens sei die Beschwerdekammer von der fehlerhaften Prämisse ausgegangen, dass das fragliche Zeichen eine mit Ziernähten dekorierte Tasche und somit einen Teil der Waren darstelle, für die es angemeldet worden sei. Das angemeldete Zeichen sei jedoch ein abstraktes Muster, das ein Fünfeck bilde, in dem sich zwei bogenförmige Linien befänden. Die Beschwerdekammer habe daher unzulässigerweise ein abgewandeltes Zeichen geprüft, ohne zu bestimmen, was eine übliche Verzierung auf einer Tasche sei und welches die maßgeblichen Verkehrskreise, deren Gewohnheiten und Aufmerksamkeitsgrad seien. Für ihr Vorbringen verweist die Klägerin auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu einer Jeanshosentasche.

16      Zweitens sei das fragliche Zeichen geeignet, als Logo oder als Zweitmarke verwendet zu werden und insoweit als Hinweis auf die Herkunft der Marke zu fungieren. Außerdem habe die Beschwerdekammer, als sie in Nr. 15 der angefochtenen Entscheidung entschieden habe, dass Zweitmarken eine „eigentümliche Gestaltung“ aufweisen müssten, in nicht gerechtfertigter Weise die Anforderungen an die Unterscheidungskraft erhöht.

17      Drittens habe die Beschwerdekammer fehlerhaft die Anmeldung des fraglichen Zeichens zurückgewiesen, obwohl ähnliche Zeichen schon früher in nationale Markenregister und in das Gemeinschaftsmarkenregister eingetragen worden seien.

18      Das HABM hält den Klagegrund für unbegründet.

 Würdigung durch das Gericht

19      Nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 sind Marken, die keine Unterscheidungskraft haben, von der Eintragung ausgeschlossen. Nach ständiger Rechtsprechung besagt die Unterscheidungskraft einer Marke im Sinne des Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94, dass die Marke geeignet ist, die Ware, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Ware somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (Urteile vom 29. April 2004, Procter & Gamble/HABM, C‑473/01 P und C‑474/01 P, Slg. 2004, I‑5173, Randnr. 32, vom 21. Oktober 2004, HABM/Erpo Möbelwerk, C‑64/02 P, Slg. 2004, I‑10031, Randnr. 42, und vom 4. Oktober 2007, Henkel/HABM, C‑144/06 P, Slg. 2007, I‑8109, Randnr. 34). Die durch Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 erfassten Zeichen gelten als ungeeignet, diese Funktion zu erfüllen (Urteil des Gerichts vom 27. Februar 2002, Rewe‑Zentral/HABM [LITE], T‑79/00, Slg. 2002, II‑705, Randnr. 26). Ferner ist die Unterscheidungskraft einer Marke zum einen im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet worden ist, und zum anderen im Hinblick auf die Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen (Urteile Procter & Gamble/HABM, Randnr. 33, vom 22. Juni 2006, Storck/HABM, C‑25/05 P, Slg. 2006, I‑5719, Randnr. 25, und Henkel/HABM, Randnr. 35). Insoweit ist auf den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen (Urteil des Gerichtshofs vom 16. Juli 1998, Gut Springenheide und Tusky, C‑210/96, Slg. 1998, I‑4657, Randnr. 31).

20      Zur ersten Rüge (siehe oben, Randnr. 15) ist festzustellen, dass ihre Prämisse, die Beschwerdekammer habe die Unterscheidungskraft des fraglichen Zeichens auf der Grundlage eines abgewandelten Zeichens geprüft, offensichtlich falsch ist. Denn die Klägerin hat das fragliche Zeichen im Jahr 2005 selbst als eine auf Bekleidungsstücken angebrachte Tasche dargestellt, wie aus der Verfahrensakte des HABM hervorgeht, das HABM hervorhebt und die Beschwerdekammer in Nr. 10 der angefochtenen Entscheidung (siehe oben, Randnr. 7) zutreffend ausgeführt hat. Unter diesen Umständen kann die Beschwerdekammer den von der Klägerin behaupteten Rechtsfehler nicht begangen haben.

21      Die erste Rüge ist daher als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

22      Die zweite Rüge (siehe oben, Randnr. 16), wonach die Beschwerdekammer die Anforderungen an die Unterscheidungskraft unzulässigerweise erhöht haben soll, beruht auf einem verfehlten Verständnis der angefochtenen Entscheidung. Die Beschwerdekammer hat im Gegenteil in den Nrn. 13 bis 15 der angefochtenen Entscheidung die Auffassung vertreten, dass Logos ebenso wie Zweitmarken, die, gegebenenfalls zusammen mit der Hauptmarke, zur Kennzeichnung dienen könnten, hinreichend unterscheidungskräftig sein müssten, um den durch die Marke gewährten Schutz zu erlangen, und dass diese Unterscheidungskraft „unter denselben Gesichtspunkten wie bei einer Hauptmarke zu prüfen“ sei (Nr. 14 der angefochtenen Entscheidung).

23      Daher ist die zweite Rüge als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

24      Schließlich ist auch die dritte Rüge der Klägerin (siehe oben, Randnr. 17) zurückzuweisen. Auch wenn bestimmte auf nationaler Ebene eingetragene Zeichen dem fraglichen Zeichen ähneln mögen, ist daran zu erinnern, dass die Gemeinschaftsmarkenregelung nach der Rechtsprechung ein eigenständiges System darstellt, dessen Anwendung von jedem nationalen System unabhängig ist. Infolgedessen ist die Eintragung eines Zeichens als Gemeinschaftsmarke nur auf der Grundlage der einschlägigen Gemeinschaftsregelung zu beurteilen. Das HABM und gegebenenfalls der Gemeinschaftsrichter sind daher nicht an in bestimmten Mitgliedstaaten ergangene Entscheidungen gebunden, mit denen die Eintragungsfähigkeit dieses Zeichens als Marke bejaht wird (vgl. Urteil des Gerichts vom 9. Oktober 2002, Glaverbel/HABM [Oberfläche einer Glasplatte], T‑36/01, Slg. 2002, II‑3887, Randnr. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung). Zu den Gemeinschaftszeichen, die dem fraglichen Zeichen ähneln sollen, ist festzustellen, dass das für die Eintragung einer Gemeinschaftsmarke erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft im Einzelfall unter Berücksichtigung der vorliegenden Unstände nur auf der Grundlage der Verordnung Nr. 40/94 zu prüfen ist. Die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen der Beschwerdekammern ist daher allein auf der Grundlage dieser Verordnung in ihrer Auslegung durch den Gemeinschaftsrichter und nicht auf der Grundlage einer früheren Entscheidungspraxis zu beurteilen (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 15. September 2005, BioID/HABM, C‑37/03 P, Slg. 2005, I‑7975, Randnr. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung; Urteile des Gerichts [Oberfläche einer Glasplatte], Randnr. 35, vom 10. Oktober 2006, PTV/HABM [map&guide], T‑302/03, Slg. 2006, II‑4039, Randnr. 55, und vom 14. Juni 2007, Europig/HABM [EUROPIG], T‑207/06, Slg. 2007, II‑1961, Randnr. 40). Dasselbe gilt für in den Mitgliedstaaten vorgenommene Eintragungen. Diese stellen nur einen Umstand dar, der, ohne entscheidend zu sein, für die Eintragung einer Gemeinschaftsmarke berücksichtigt werden kann (Urteile des Gerichts vom 16. Februar 2000, Procter & Gamble/HABM [Form einer Seife], T‑122/99, Slg. 2000, II‑265, Randnr. 61, vom 31. Januar 2001, Sunrider/HABM [VITALITE], T‑24/00, Slg. 2001, II‑449, Randnr. 33, und vom 19. September 2001, Henkel/HABM [Runde, rotweiße Tablette], T‑337/99, Slg. 2001, II‑2597, Randnr. 58).

25      Auch die dritte Rüge ist somit als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

26      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass der einzige Klagegrund, den die Klägerin zur Stützung ihrer Klage vorgebracht hat, offensichtlich jeder rechtlichen Grundlage entbehrt.

27      Die Klage ist daher als offensichtlich unbegründet abzuweisen.

 Kosten

28      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des HABM die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

beschlossen:

1.      Die Klage wird als offensichtlich jeder rechtlichen Grundlage entbehrend abgewiesen.

2.      Die Tom Tailor GmbH trägt die Kosten.

Luxemburg, den 28. April 2009

Der Kanzler

 

       Der Präsident

E. Coulon

 

       J. Azizi


* Verfahrenssprache: Deutsch.