Language of document : ECLI:EU:C:2024:13

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

11. Januar 2024(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Umwelt – Übereinkommen von Aarhus – Art. 9 Abs. 3 bis 5 – Zugang zu Gerichten – Rechtsanwaltsgesellschaft bürgerlichen Rechts – Rechtsbehelf zur Anfechtung von Verwaltungshandlungen – Zulässigkeit – Voraussetzungen nach nationalem Recht – Keine Beeinträchtigung der Rechte und berechtigten Interessen – Nicht übermäßig teure Gerichtsverfahren – Kostenverteilung – Kriterien“

In der Rechtssache C‑252/22

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Curtea de Apel Târgu-Mureş (Berufungsgericht Târgu-Mureş, Rumänien) mit Entscheidung vom 16. Februar 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 8. April 2022, in dem Verfahren

Societatea Civilă Profesională de Avocați AB & CD

gegen

Consiliul Judeţean Suceava,

Preşedintele Consiliului Judeţean Suceava,

Agenţia pentru Protecţia Mediului Bacău,

Consiliul Local al Comunei Pojorâta,

Beteiligter:

QP,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Lycourgos, der Richterin O. Spineanu-Matei, der Richter J.‑C. Bonichot (Berichterstatter) und S. Rodin sowie der Richterin L. S. Rossi,

Generalanwältin: L. Medina,

Kanzler: R. Șereș, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 4. Mai 2023,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Societatea Civilă Profesională de Avocaţi AB & CD, vertreten durch D. Ionescu, P. F. Plopeanu und I. Stoia, Avocaţi,

–        des Preşedintele Consiliului Judeţean Suceava und des Consiliul Judeţean Suceava, vertreten durch Y. Beşleagă und V. Stoica, Avocaţi,

–        der irischen Regierung, vertreten durch M. Browne, Chief State Solicitor, A. Joyce und M. Tierney als Bevollmächtigte im Beistand von B. Foley, D. McGrath, SC, und E. Burke-Murphy, BL,

–        der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Gattinara und M. Ioan als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 13. Juli 2023

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Abs. 4 und Art. 9 Abs. 3 bis 5 des am 25. Juni 1998 in Aarhus unterzeichneten und mit dem Beschluss 2005/370/EG des Rates vom 17. Februar 2005 (ABl. 2005, L 124, S. 1) im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigten Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (im Folgenden: Übereinkommen von Aarhus).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Societatea Civilă Profesională de Avocaţi AB & CD, einer Rechtsanwaltsgesellschaft rumänischen bürgerlichen Rechts (im Folgenden: AB & CD), und mehreren öffentlichen Einrichtungen über die Rechtmäßigkeit von Verwaltungshandlungen, die diese Einrichtungen im Hinblick auf den Bau einer Deponie in Pojorâta (Rumänien) vorgenommen haben, nämlich den Bauleitplan vom 16. September 2009 und die Baugenehmigung vom 3. Oktober 2012.

 Rechtlicher Rahmen

 Völkerrecht

3        Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) Nrn. 4 und 5 des Übereinkommens von Aarhus sieht vor:

„4.      [Im Sinne dieses Übereinkommens] bedeutet ‚Öffentlichkeit‘ eine oder mehrere natürliche oder juristische Personen und, in Übereinstimmung mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder der innerstaatlichen Praxis, deren Vereinigungen, Organisationen oder Gruppen;

5.      bedeutet ‚betroffene Öffentlichkeit‘ die von umweltbezogenen Entscheidungsverfahren betroffene oder wahrscheinlich betroffene Öffentlichkeit oder die Öffentlichkeit mit einem Interesse daran; im Sinne dieser Begriffsbestimmung haben nichtstaatliche Organisationen, die sich für den Umweltschutz einsetzen und alle nach innerstaatlichem Recht geltenden Voraussetzungen erfüllen, ein Interesse.“

4        Art. 3 Abs. 8 des Übereinkommens von Aarhus lautet:

„Jede Vertragspartei stellt sicher, dass Personen, die ihre Rechte im Einklang mit diesem Übereinkommen ausüben, hierfür nicht in irgendeiner Weise bestraft, verfolgt oder belästigt werden. Diese Bestimmung berührt nicht die Befugnis innerstaatlicher Gerichte, in Gerichtsverfahren angemessene Gerichtskosten zu erheben.“

5        Art. 9 („Zugang zu Gerichten“) Abs. 2 bis 5 des Übereinkommens von Aarhus bestimmt:

„(2)      Jede Vertragspartei stellt im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit,

a)      die ein ausreichendes Interesse haben oder alternativ

b)      eine Rechtsverletzung geltend machen, sofern das Verwaltungsprozessrecht einer Vertragspartei dies als Voraussetzung erfordert,

Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht und/oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle haben, um die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die Artikel 6 und – sofern dies nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht vorgesehen ist und unbeschadet des Absatzes 3 – sonstige einschlägige Bestimmungen dieses Übereinkommens gelten.

Was als ausreichendes Interesse und als Rechtsverletzung gilt, bestimmt sich nach den Erfordernissen innerstaatlichen Rechts und im Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit im Rahmen dieses Übereinkommens einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren. Zu diesem Zweck gilt das Interesse jeder nichtstaatlichen Organisation, welche die in Artikel 2 Nummer 5 genannten Voraussetzungen erfüllt, als ausreichend im Sinne des Buchstaben a. Derartige Organisationen gelten auch als Träger von Rechten, die im Sinne des Buchstaben b verletzt werden können.

(3)      Zusätzlich und unbeschadet der in den Absätzen 1 und 2 genannten Überprüfungsverfahren stellt jede Vertragspartei sicher, dass Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben, um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen.

(4)      Zusätzlich und unbeschadet des Absatzes 1 stellen die in den Absätzen 1, 2 und 3 genannten Verfahren angemessenen und effektiven Rechtsschutz und, soweit angemessen, auch vorläufigen Rechtsschutz sicher; diese Verfahren sind fair, gerecht, zügig und nicht übermäßig teuer. …

(5)      Um die Effektivität dieses Artikels zu fördern, stellt jede Vertragspartei sicher, dass der Öffentlichkeit Informationen über den Zugang zu verwaltungsbehördlichen und gerichtlichen Überprüfungsverfahren zur Verfügung gestellt werden; ferner prüft jede Vertragspartei die Schaffung angemessener Unterstützungsmechanismen, um Hindernisse finanzieller und anderer Art für den Zugang zu Gerichten zu beseitigen oder zu verringern.“

 Rumänisches Recht

6        Art. 56 der Legea nr. 134/2010 privind Codul de procedură civilă (Gesetz Nr. 134/2010 über die Zivilprozessordnung) (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 247 vom 10. April 2015) in seiner im Ausgangsverfahren geltenden Fassung (im Folgenden: Zivilprozessordnung) bestimmt:

„(1)      Jede Person, die im Besitz der bürgerlichen Rechte ist, kann Partei des Verfahrens sein.

(2)      Vereinigungen, Gesellschaften oder andere Einheiten ohne Rechtspersönlichkeit sind jedoch parteifähig, wenn sie rechtmäßig gegründet worden sind.

…“

7        In Art. 451 der Zivilprozessordnung heißt es:

„(1)      Die Kosten umfassen die Stempelsteuer und den Gerichtsstempel, die Honorare der gemäß Art. 330 Abs. 3 bestellten Anwälte, Sachverständigen und Fachleute, die Reisekosten der Zeugen und die ihnen durch Anwesenheit in der Verhandlung entstandenen Verluste, die Beförderungskosten und gegebenenfalls die Unterbringungskosten sowie alle sonstigen Aufwendungen, die für den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens erforderlich sind.

(2)      Das Gericht kann – selbst von Amts wegen – den Anteil der Anwaltshonorare an den Kosten auch unter Berücksichtigung der Umstände der Rechtssache und unter Angabe von Gründen herabsetzen, wenn diese Kosten offensichtlich nicht in angemessenem Verhältnis zum Streitwert oder zur Komplexität der Rechtssache oder zu der von dem Anwalt geleisteten Tätigkeit stehen. Die vom Gericht getroffene Maßnahme hat keine Auswirkungen auf die Beziehung zwischen dem Anwalt und seinem Mandanten.

(4)      Die Kosten für die Begleichung der Stempelsteuer und des Gerichtsstempels sowie die Begleichung der den Zeugen nach Absatz 1 geschuldeten Beträge dürfen allerdings nicht herabgesetzt werden.“

8        Art. 452 der Zivilprozessordnung bestimmt:

„Die Partei, die die Verurteilung zur Tragung der Kosten beantragt, hat deren Existenz und Umfang spätestens zum Abschluss der Erörterung in der Sache entsprechend den gesetzlichen Voraussetzungen nachzuweisen.“

9        In Art. 453 der Zivilprozessordnung heißt es:

„(1)      Die unterliegende Partei trägt auf Antrag der obsiegenden Partei deren Kosten.

(2)      Wird dem Antrag nur teilweise stattgegeben, so bestimmt das Gericht, inwieweit jede Partei zur Tragung der Kosten verurteilt werden kann. Gegebenenfalls kann das Gericht die Kosten gegeneinander aufheben.“

10      Art. 1 der Legea contenciosului administrativ nr. 554/2004 (Gesetz Nr. 554/2004 über das verwaltungsgerichtliche Verfahren) (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 1154 vom 7. Dezember 2004) in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: Gesetz über das verwaltungsgerichtliche Verfahren) sieht vor:

„(1)      Wer sich durch eine Behörde aufgrund einer Verwaltungshandlung oder der Nichtbearbeitung eines Antrags in der gesetzlich festgelegten Frist in seinen Rechten oder in einem berechtigten Interesse verletzt fühlt, kann sich an das zuständige Verwaltungsgericht wenden, um die Nichtigerklärung der Handlung, die Anerkennung des geltend gemachten Rechts oder berechtigten Interesses und den Ersatz des erlittenen Schadens zu erreichen. Das berechtigte Interesse kann sowohl privater als auch öffentlicher Natur sein.

(2)      Auch eine Person, die durch eine an ein anderes Rechtssubjekt gerichtete individuelle Verwaltungshandlung in einem ihrer Rechte oder berechtigten Interessen verletzt worden ist, kann sich an ein Verwaltungsgericht wenden.

…“

11      In Art. 2 Abs. 1 des Gesetzes über das verwaltungsgerichtliche Verfahren heißt es:

„Im Sinne dieses Gesetzes bedeutet:

p)      berechtigtes privates Interesse – die Möglichkeit, zur Verwirklichung eines vorhersehbaren künftigen subjektiven Rechts ein bestimmtes Verhalten zu verlangen;

r)      berechtigtes öffentliches Interesse – das Interesse, das auf die Rechtsstaatlichkeit und die verfassungsmäßige Demokratie, die Wahrung der Grundrechte, Grundfreiheiten und Grundpflichten der Bürger, die Befriedigung der Bedürfnisse der Gemeinschaft und die Ausübung der Befugnisse der Behörden abzielt;

s)      betroffene soziale Organisationen – nicht staatliche Organisationen, Gewerkschaften, Vereinigungen, Stiftungen und dergleichen, deren Ziel die Wahrung der Rechte verschiedener Kategorien von Bürgern oder gegebenenfalls das ordnungsgemäße Funktionieren der öffentlichen Verwaltung ist;

…“

12      Art. 8 Abs. 11 des Gesetzes über das verwaltungsgerichtliche Verfahren bestimmt:

„Natürliche und juristische Personen des Privatrechts können Ansprüche zur Wahrung eines berechtigten öffentlichen Interesses nur hilfsweise geltend machen, wenn die Beeinträchtigung des berechtigten öffentlichen Interesses in einem logischen Zusammenhang mit der Verletzung eines subjektiven Rechts oder eines berechtigten privaten Interesses steht.“

13      Art. 196 Abs. 3 des Statutul profesiei de avocat (Rechtsanwaltsordnung) (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 898 vom 3. Dezember 2011) lautet:

„In durch die Ausübung der Berufstätigkeit entstehenden Rechtsstreitigkeiten ist die Gesellschaft bürgerlichen Rechts auch dann als Rechtsbehelfsführer oder Rechtsbehelfsgegner parteifähig, wenn sie keine Rechtspersönlichkeit besitzt.“

14      Art. 20 Abs. 5 und 6 der Ordonanța de urgență a Guvernului nr. 195/2005 privind protecția mediului (Dringlichkeitsverordnung der Regierung Nr. 195/2005 zum Umweltschutz) (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 1196 vom 30. Dezember 2005, im Folgenden: OUG Nr. 195/2005) lautet:

„(5)      Der Zugang der Öffentlichkeit zu Gerichten erfolgt auf der Grundlage der geltenden Vorschriften.

(6)      Nicht staatliche Organisationen, die sich für den Umweltschutz einsetzen, dürfen in Umweltangelegenheiten einen gerichtlichen Rechtsbehelf einlegen und sind in Rechtsstreitigkeiten über Umweltangelegenheiten prozessführungsbefugt.“

 Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

15      Mit einem im Oktober 2018 beim Tribunalul Cluj (Regionalgericht Cluj, Rumänien) eingelegten Rechtsbehelf beantragte eine Rechtsanwaltsgesellschaft bürgerlichen Rechts, AB & CD, die Nichtigerklärung mehrerer im Hinblick auf den Bau einer Deponie in Pojorâta vorgenommener Verwaltungshandlungen der rumänischen Behörden, nämlich den Bauleitplan vom 16. September 2009 und die Baugenehmigung vom 3. Oktober 2012.

16      AB & CD stützte ihren Rechtsbehelf u. a. auf Art. 35 der rumänischen Verfassung, der das Recht auf eine gesunde Umwelt betrifft, sowie auf mehrere Bestimmungen der OUG Nr. 195/2005 und der Hotărârea de Guvernului nr. 1076/2004 privind stabilirea procedurii de realizare a evaluării de mediu pentru planuri și programe (Regierungsbeschluss Nr. 1076/2004 über die Festlegung des Verfahrens zur Prüfung der Umweltverträglichkeit von Plänen und Programmen), während die Rechtsbehelfsgegner geltend machten, dass die fragliche Deponie alle technischen Anforderungen der Richtlinie 1999/31/EG des Rates vom 26. April 1999 über Abfalldeponien (ABl. 1999, L 182, S. 1) erfülle.

17      Darüber hinaus erhoben die Rechtsbehelfsgegner drei Unzulässigkeitseinreden.

18      Zum einen habe AB & CD nach rumänischem Recht keine Rechtspersönlichkeit und sei nicht parteifähig, es sei denn, es handele sich um Rechtsstreitigkeiten, die sich aus der Ausübung ihrer Berufstätigkeit ergäben, was hier nicht der Fall sei. Zum anderen habe diese Rechtsanwaltsgesellschaft bürgerlichen Rechts in Anbetracht dessen, dass sie weder eine Verletzung ihrer subjektiven Rechte noch ihrer berechtigten privaten Interessen geltend gemacht habe, in Bezug auf die in Rede stehenden Verwaltungshandlungen weder ihre Prozessführungsbefugnis noch ihr Rechtsschutzinteresse nachgewiesen.

19      Mit Urteil vom 7. Februar 2019 wies das Tribunalul Cluj (Regionalgericht Cluj) die in Bezug auf die Parteifähigkeit von AB & CD erhobene Unzulässigkeitseinrede zurück. Dagegen gab es den beiden anderen Unzulässigkeitseinreden statt, weil AB & CD weder ihre Prozessführungsbefugnis noch ihr Rechtsschutzinteresse nachgewiesen habe. Aus dem Gesetz über das verwaltungsgerichtliche Verfahren ergebe sich nämlich, dass ein Rechtsbehelfsführer ein öffentliches Interesse nur hilfsweise geltend machen könne, sofern sich die Beeinträchtigung dieses Interesses aus einer Verletzung eines subjektiven Rechts oder eines berechtigten privaten Interesses ergebe. AB & CD als Rechtsanwaltsgesellschaft bürgerlichen Rechts habe jedoch keine Verletzung eines berechtigten privaten Interesses geltend gemacht. Aus der Vorlageentscheidung geht somit hervor, dass die beiden zuletzt genannten Einreden zusammen geprüft wurden und dass AB & CD nicht prozessführungsbefugt sei, da sie kein berechtigtes privates Interesse nachgewiesen habe.

20      AB & CD legte bei der Curtea de Apel Cluj (Berufungsgericht Cluj, Rumänien) Rechtsmittel ein. Der Consiliul Județean Suceava (Kreisrat Suceava, Rumänien) legte Anschlussrechtsmittel ein, um die Zurückweisung der auf die fehlende Parteifähigkeit gestützten Unzulässigkeitseinrede anzufechten.

21      Mit einem Urteil der Înalta Curte de Casație și Justiție (Oberster Kassations- und Gerichtshof, Rumänien), das dem Antrag des Kreisrats Suceava, die Curtea de Apel Cluj (Berufungsgericht Cluj) für unzuständig zu erklären, stattgab, wurden diese Rechtsmittel an das vorlegende Gericht, die Curtea de Apel Târgu‑Mureș (Berufungsgericht Târgu‑Mureș, Rumänien), verwiesen.

22      Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass es im vorliegenden Fall Art. 20 der OUG Nr. 195/2005 anzuwenden habe. Nach Art. 20 Abs. 5 erfolge der Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten auf der Grundlage der „geltenden Vorschriften“, während nach Art. 20 Abs. 6 für Rechtsbehelfe nicht staatlicher Organisationen, die sich für den Umweltschutz einsetzten, eine Sonderregelung gelte.

23      Es steht fest, dass AB & CD die für Umweltschutzorganisationen vorgesehene Regelung nicht in Anspruch nehmen kann und dass somit die Zulässigkeit ihres Rechtsbehelfs gegen die in Rede stehenden Verwaltungshandlungen und insbesondere die Frage ihrer Prozessführungsbefugnis nach den allgemeinen Vorschriften des Gesetzes über das verwaltungsgerichtliche Verfahren zu beurteilen ist.

24      Aus dem Gesetz über das verwaltungsgerichtliche Verfahren ergibt sich, dass sich der rumänische Gesetzgeber für einen Rechtsstreit „subjektiver“ Art entschieden hat, was bedeutet, dass ein Rechtsbehelfsführer in einem ersten Schritt ein eigenes Interesse, nämlich ein „berechtigtes privates Interesse“ im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. p des Gesetzes, geltend machen muss. Erst in einem zweiten Schritt kann sich ein Rechtsbehelfsführer, nachdem er das Vorliegen solch eines eigenen Interesses nachgewiesen hat, auch auf ein „berechtigtes öffentliches Interesse“ berufen.

25      Dagegen brauchen nicht staatliche Umweltschutzorganisationen nach Art. 20 Abs. 6 der OUG Nr. 195/2005 kein berechtigtes privates Interesse nachzuweisen und haben daher im Rahmen eines Rechtsstreits objektiver Art Zugang zu Gerichten.

26      All diese Bestimmungen spiegelten die Bestimmungen von Art. 9 Abs. 2 des Übereinkommens von Aarhus wider, der den Zugang der „betroffenen Öffentlichkeit“ zu Gerichten regele, nämlich gemäß Art. 2 Nr. 5 dieses Übereinkommens „die von umweltbezogenen Entscheidungsverfahren betroffene oder wahrscheinlich betroffene Öffentlichkeit“.

27      Folglich hätte AB & CD zur Darlegung ihrer Prozessführungsbefugnis ein berechtigtes privates Interesse oder das Vorliegen einer rechtlichen Situation, die in unmittelbarem Zusammenhang mit ihrem Gesellschaftszweck steht, anhand des Nachweises belegen müssen, dass sie von den in Rede stehenden Verwaltungshandlungen betroffen war.

28      Das vorlegende Gericht zweifelt daran, ob in einem Rechtsstreit über Umweltfragen ein solches Erfordernis mit dem Unionsrecht und insbesondere mit Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus vereinbar sein kann.

29      Ferner weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass den Rechtsanwaltsgesellschaften bürgerlichen Rechts wie AB & CD, die keine Rechtspersönlichkeit besäßen, durch Art. 196 Abs. 3 der Rechtsanwaltsordnung die Parteifähigkeit als Rechtsbehelfsführer oder Rechtsbehelfsgegner nur in den Rechtsstreitigkeiten zuerkannt werde, die sich aus der Ausübung der Berufstätigkeit ergäben.

30      Im vorliegenden Fall hat sich AB & CD nicht auf eine Verletzung ihrer eigenen Rechte, sondern auf eine Verletzung des öffentlichen Interesses und der Rechte der sie bildenden Rechtsanwälte berufen und geltend gemacht, dass die Deponie von Pojorâta erhebliche Auswirkungen auf diese Rechte und potenziell auf die Gesundheit der in der betreffenden Region lebenden Personen sowie auf den Tourismus habe. In diesem Zusammenhang möchte das vorlegende Gericht wissen, ob AB & CD im Rahmen ihres gegen die in Rede stehenden Verwaltungshandlungen eingelegten Rechtsbehelfs nach Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus prozessführungsbefugt ist.

31      Schließlich weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass nach Ansicht von AB & CD die Gefahr bestehe, dass ihr übermäßig hohe Kosten auferlegt würden, und es ihr anhand des rumänischen Rechts nicht möglich sei, den Betrag vorherzusehen, den sie möglicherweise zu tragen habe.

32      Insoweit regeln die Art. 451 bis 453 der Zivilprozessordnung allgemein die Kostenfrage. Dazu gehören u. a. Gerichtskosten und Anwaltshonorare. Die unterlegene Partei kann auf Antrag der obsiegenden Partei zur Tragung der Kosten verurteilt werden. In den Fällen, in denen die Anwaltshonorare offensichtlich nicht in angemessenem Verhältnis zur Komplexität der Rechtssache oder zu der geleisteten Tätigkeit des Anwalts stehen, kann das angerufene Gericht den Anteil der Anwaltshonorare an den Kosten herabsetzen.

33      Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob diese rumänischen Rechtsvorschriften mit dem in Art. 9 Abs. 4 des Übereinkommens von Aarhus vorgesehenen Erfordernis vereinbar sind, dass Gerichtsverfahren in Umweltangelegenheiten nicht übermäßig teuer sein dürfen. Zudem sei nicht sicher, dass die Art. 451 bis 453 der Zivilprozessordnung hinreichende Kriterien enthielten, die es einer dem Privatrecht unterliegenden Person ermöglichten, die hohen Verfahrenskosten zu beurteilen und vorherzusehen.

34      Unter diesen Umständen hat die Curtea de Apel Târgu-Mureş (Berufungsgericht Târgu-Mureş) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Sind Art. 47 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) in Verbindung mit Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV und Art. 2 Nr. 4 in Verbindung mit Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus dahin auszulegen, dass der Begriff der Öffentlichkeit eine rechtliche Einheit wie eine Rechtsanwaltsgesellschaft bürgerlichen Rechts erfasst, die nicht zur Wahrnehmung eines Rechts oder Interesses dieser Einheit, sondern von Rechten und Interessen der natürlichen Personen – die diese Form der Berufsorganisation bildenden Rechtsanwälte – tätig wird, und dass eine solche Einheit einer Gruppe natürlicher Personen im Sinne von Art. 2 Nr. 4 des Übereinkommens, die über eine Vereinigung oder Organisation handelt, gleichgestellt werden kann?

2.      Falls die erste Frage bejaht wird: Sind im Hinblick auf die Ziele von Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens und auf das Ziel eines wirksamen gerichtlichen Schutzes der durch das Unionsrecht garantierten Rechte Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens und Art. 47 Abs. 1 und 2 der Charta in Verbindung mit Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Rechtsvorschrift entgegenstehen, die den Zugang einer solchen Rechtsanwaltsgesellschaft bürgerlichen Rechts zu Gerichten vom Nachweis eines eigenen Interesses oder davon abhängig macht, dass die Einlegung des Rechtsbehelfs dem Schutz einer rechtlichen Situation dient, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Zweck steht, zu dem diese Organisationsform – im vorliegenden Fall eine Rechtsanwaltsgesellschaft bürgerlichen Rechts – gegründet wurde?

3.      Falls die erste und die zweite Frage bejaht werden oder unabhängig von der Beantwortung dieser beiden Fragen: Sind Art. 9 Abs. 3, 4 und 5 des Übereinkommens und Art. 47 Abs. 1 und 2 der Charta in Verbindung mit Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV dahin auszulegen, dass die Wendung, dass der angemessene und effektive Rechtsschutz einschließlich des Erlasses einer gerichtlichen Entscheidung „nicht übermäßig teuer“ ist, Regeln und/oder Kriterien zur Begrenzung der von der unterlegenen Verfahrenspartei zu tragenden Kosten in dem Sinne voraussetzt, dass das nationale Gericht die Einhaltung der Anforderung, dass die Kosten nicht übermäßig teuer sein dürfen, unter Berücksichtigung sowohl des Interesses der Person, die ihre Rechte wahren möchte, als auch des allgemeinen Interesses am Umweltschutz sicherstellen muss?

 Verfahren vor dem Gerichtshof

35      Das vorlegende Gericht hat die Anwendung des beschleunigten Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 105 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs beantragt, da der Rechtsstreit seit dem 3. Oktober 2018 bei den nationalen Gerichten anhängig sei.

36      Der Präsident des Gerichtshofs hat diesen Antrag mit Beschluss vom 10. Juni 2022 nach Anhörung des Berichterstatters und der Generalanwältin zurückgewiesen. Der Umstand, dass das vorlegende Gericht alles tun muss, um die rasche Erledigung des Ausgangsverfahrens sicherzustellen, reicht für sich genommen nämlich nicht aus, um die Anwendung des beschleunigten Verfahrens zu rechtfertigen (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 31. Juli 2017, Mobit, C‑350/17 und C‑351/17, EU:C:2017:626, Rn. 6 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

 Zu den Vorlagefragen

 Zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens

37      In ihren schriftlichen Erklärungen hat die Kommission ihre Zweifel an der Klarheit des Vorabentscheidungsersuchens geäußert, da das vorlegende Gericht die von AB & CD geltend gemachten Gründe und die ihr aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte lückenhaft beschrieben habe.

38      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen eines nationalen Gerichts spricht, die es zur Auslegung des Unionsrechts in dem rechtlichen und sachlichen Rahmen stellt, den es in eigener Verantwortung festlegt und dessen Richtigkeit der Gerichtshof nicht zu prüfen hat. Die Zurückweisung des Ersuchens eines nationalen Gerichts ist dem Gerichtshof nur möglich, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteil vom 25. Mai 2023, WertInvest Hotelbetrieb, C‑575/21, EU:C:2023:425, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

39      Mit seinen Fragen ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof um die Auslegung des Übereinkommens von Aarhus und möchte u. a. wissen, ob AB & CD das in Art. 9 Abs. 3 dieses Übereinkommens garantierte Recht auf einen Rechtsbehelf geltend machen kann.

40      Nach dieser Bestimmung „stellt jede Vertragspartei sicher, dass Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben, um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen“.

41      Wie die Generalanwältin in den Nrn. 32 bis 34 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, geht aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervor, dass der Ausgangsrechtsstreit eine Prüfung der Verwaltungshandlungen anhand der Pflichten erfordert, die sich im Bereich der Abfalldeponierung aus der Richtlinie 1999/31 ergeben. Folglich geht es in diesem Rechtsstreit um die Frage, ob „umweltbezogene Bestimmungen [des] innerstaatlichen Rechts“ im Sinne von Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus eingehalten werden, und daher fällt er in den sachlichen Anwendungsbereich dieser Bestimmung (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. November 2022, Deutsche Umwelthilfe [Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen], C‑873/19, EU:C:2022:857, Rn. 50, 56 und 58).

42      Folglich ist das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen zulässig.

 Zur zweiten Frage

43      Mit seiner zweiten Frage, die zuerst zu prüfen ist, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der einer rechtlichen Einheit, die keine nicht staatliche Umweltschutzorganisation ist, die Prozessführungsbefugnis zur Anfechtung einer nicht an sie gerichteten Verwaltungshandlung nur dann zuerkannt wird, wenn sie die Verletzung eines berechtigten privaten Interesses oder eines Interesses geltend macht, das einen Bezug zu einer rechtlichen Situation aufweist, die in unmittelbarem Zusammenhang mit ihrem Gesellschaftszweck steht.

44      Vorab ist festzustellen, dass aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervorgeht, dass nach den Art. 1, 2 und 8 des Gesetzes über das verwaltungsgerichtliche Verfahren ein Geschädigter unabhängig davon, ob es sich um eine natürliche oder juristische Person des Privatrechts oder eine soziale Einrichtung handelt, die Verletzung eines eigenen Interesses, nämlich eines berechtigten privaten Interesses, geltend machen muss. Speziell in Bezug auf eine Rechtsanwaltsgesellschaft bürgerlichen Rechts ohne Rechtspersönlichkeit wie AB & CD weist das vorlegende Gericht auch auf Art. 196 Abs. 3 der Rechtsanwaltsordnung hin, wonach eine solche Gesellschaft nur zur Wahrung der Interessen parteifähig ist, die einen Bezug zu einer rechtlichen Situation aufweisen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit ihrem Gesellschaftszweck, d. h. der Ausübung der Geschäftstätigkeit, steht. Im Wesentlichen können solche eigenen Interessen insbesondere von den Personen geltend gemacht werden, die von einer Verwaltungshandlung betroffen sind oder wahrscheinlich betroffen sein werden.

45      Darüber hinaus sind die berechtigten privaten Interessen von den berechtigten öffentlichen Interessen zu unterscheiden. Letztere können von einem Rechtsbehelfsführer nur dann geltend gemacht werden, wenn er in erster Linie ein berechtigtes privates Interesse nachweist.

46      In Umweltfragen sieht Art. 20 Abs. 6 der OUG Nr. 195/2005 eine Ausnahme von der zuletzt genannten Regel für diejenigen nicht staatlichen Organisationen vor, die sich für den Umweltschutz einsetzen. Aufgrund dieser Bestimmung dürfen sie in erster Linie ein berechtigtes öffentliches Interesse geltend machen, ohne ein berechtigtes privates Interesse nachweisen zu müssen.

47      Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Rechtsanwaltsgesellschaft bürgerlichen Rechts AB & CD, die Rechtsbehelfsführerin des Ausgangsverfahrens, einer solchen Umweltschutzorganisation nicht gleichgestellt werden kann und dass sie daher nach nationalem Recht zu der Kategorie von Rechtsbehelfsführern gehört, die nur dann prozessführungsbefugt sind, wenn sie ein berechtigtes privates Interesse nachweisen.

48      Insoweit geht aus dem Vorabentscheidungsersuchen auch hervor, dass AB & CD im Rahmen ihres Rechtsbehelfs gegen die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verwaltungshandlungen, nämlich den Bauleitplan vom 16. September 2009 und die Baugenehmigung vom 3. Oktober 2012, keine Verletzung ihrer eigenen Rechte geltend gemacht und insbesondere weder ein berechtigtes privates Interesse noch ein Interesse nachgewiesen hat, das einen Bezug zu einer rechtlichen Situation aufweist, die in unmittelbarem Zusammenhang mit ihrem Gesellschaftszweck steht. Folglich fehlt ihr vor dem vorlegenden Gericht die Prozessführungsbefugnis. Die beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen und die mündlichen Ausführungen in der Sitzung vom 4. Mai 2023 haben bestätigt, dass weder diese Rechtsanwaltsgesellschaft bürgerlichen Rechts noch die Gruppe der sie bildenden Personen einen konkreten Bezug zu dem von den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verwaltungshandlungen betroffenen Projekt aufweisen und dass diese Personengruppe kein berechtigtes privates Interesse nachgewiesen hat.

49      In diesem Zusammenhang ist die zweite Frage zu sehen, mit der das vorlegende Gericht wissen möchte, ob Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus dahin auszulegen ist, dass er einer Bestimmung des nationalen Rechts entgegensteht, die die Zulässigkeit des Rechtsbehelfs von dem Nachweis eines berechtigten privaten Interesses abhängig macht und deren Anwendung im vorliegenden Fall zur Unzulässigkeit des Rechtsbehelfs von AB & CD führen würde.

50      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich aus dieser Bestimmung und insbesondere aus der Tatsache, dass für Rechtsbehelfe gemäß dieser Bestimmung „Kriterien“ festgelegt werden können, ergibt, dass die Mitgliedstaaten im Rahmen des ihnen insoweit überlassenen Gestaltungsspielraums grundsätzlich verfahrensrechtliche Vorschriften über die Voraussetzungen der Einlegung solcher Rechtsbehelfe erlassen können (Urteil vom 8. November 2022, Deutsche Umwelthilfe [Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen], C‑873/19, EU:C:2022:857, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).

51      Was sodann den Umfang dieses Gestaltungsspielraums betrifft, hat der Gerichtshof entschieden, dass sich die Kriterien, die die Mitgliedstaaten in ihrem innerstaatlichen Recht vorsehen können, schon nach dem Wortlaut von Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus auf die Bestimmung des Kreises der Anfechtungsberechtigten beziehen und nicht auf die Bestimmung des Gegenstands des Rechtsbehelfs, vorausgesetzt, dass er sich auf einen Verstoß gegen umweltbezogene Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts bezieht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. November 2022, Deutsche Umwelthilfe [Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen], C‑873/19, EU:C:2022:857, Rn. 64).

52      Ferner sieht in dem durch das Übereinkommen von Aarhus geschaffenen System Art. 9 Abs. 2 des Übereinkommens ein Recht auf Anfechtung der unter Art. 6 des Übereinkommens fallenden Handlungen zugunsten eines begrenzten Kreises von Personen vor, nämlich der in Art. 2 Nr. 5 des Übereinkommens genannten „betroffenen“ Öffentlichkeit.

53      Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus hat einen weiter reichenden Anwendungsbereich, da er eine weiter gefasste Kategorie von Rechtsakten und Entscheidungen abdeckt und sich an Mitglieder der allgemeinen „Öffentlichkeit“ richtet. Hingegen räumt diese Bestimmung den Mitgliedstaaten einen größeren Gestaltungsspielraum ein, wenn sie die Kriterien festlegen, anhand deren aus der Gesamtheit der Mitglieder der Öffentlichkeit die tatsächlichen Inhaber des in ihr vorgesehenen Rechts auf Einlegung eines Rechtsbehelfs bestimmt werden können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Januar 2021, Stichting Varkens in Nood u. a., C‑826/18, EU:C:2021:7, Rn. 36, 37 und 62).

54      Wie sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs jedoch ergibt, hätte das in Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus vorgesehene Recht auf einen Rechtsbehelf keine praktische Wirksamkeit, wenn durch die Aufstellung solcher Kriterien bestimmten Kategorien der „Mitglieder der Öffentlichkeit“ der Zugang zu den Gerichten gänzlich verwehrt würde (Urteil vom 14. Januar 2021, Stichting Varkens in Nood u. a., C‑826/18, EU:C:2021:7, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).

55      Schließlich ist entsprechend den Ausführungen der Generalanwältin in Nr. 61 ihrer Schlussanträge noch darauf hinzuweisen, dass aus dem von der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa veröffentlichten Dokument „The Aarhus Convention, An Implementation Guide“ (Zweite Auflage, 2014) hervorgeht, dass die Vertragsparteien dieses Übereinkommens „nicht verpflichtet sind, in ihren nationalen Rechtsordnungen ein System der Popularklage (actio popularis) einzuführen, wonach jeder jede Entscheidung, Handlung oder Unterlassung, die sich auf die Umwelt bezieht, anfechten kann“.

56      Im vorliegenden Fall sind – wie in den Rn. 44 bis 46 des vorliegenden Urteils ausgeführt – nach den Bestimmungen des Gesetzes über das verwaltungsgerichtliche Verfahren diejenigen Rechtsbehelfsführer, die keine Umweltschutzvereinigungen sind, in Bezug auf eine nicht an sie gerichtete Verwaltungshandlung nur dann prozessführungsbefugt, wenn sie ein eigenes „berechtigtes privates Interesse“ nachweisen, was insbesondere dann der Fall ist, wenn sie von einer solchen Handlung betroffen sind oder wahrscheinlich betroffen sein werden.

57      Insoweit ist erstens festzustellen, dass sich anhand dieser im rumänischen Recht vorgesehenen Voraussetzung die tatsächlichen Inhaber des in Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus verankerten Rechts auf einen Rechtsbehelf bestimmen lassen, ohne den Gegenstand des Rechtsbehelfs zu beschränken.

58      Zweitens ist nicht ersichtlich, dass in Anwendung dieser Voraussetzung bestimmten „Kategorien“ der Mitglieder der Öffentlichkeit der Zugang zu den Gerichten gänzlich verwehrt würde. Vielmehr führt das Erfordernis, ein berechtigtes privates Interesse nachzuweisen, nur zur Unzulässigkeit von Rechtsbehelfen der Personen, die keinen konkreten Bezug zu der Verwaltungshandlung aufweisen, die sie anfechten wollen. Auf diese Weise hat der rumänische Gesetzgeber die Schaffung einer Popularklage vermieden, ohne den Zugang zu den Gerichten unangemessen zu beschränken.

59      Zum zuletzt genannten Gesichtspunkt ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof zu Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. 2012, L 26, S. 1), mit dem Art. 9 Abs. 2 des Übereinkommens von Aarhus umgesetzt wird, entschieden hat, dass es dem nationalen Gesetzgeber freisteht, die Rechte, deren Verletzung ein Einzelner geltend machen kann, um einen gerichtlichen Rechtsbehelf nach Art. 11 dieser Richtlinie einlegen zu können, auf subjektive Rechte, d. h. individuelle Rechte, zu beschränken (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Mai 2020, Land Nordrhein-Westfalen, C‑535/18, EU:C:2020:391, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

60      Diese Erwägungen gelten erst recht in Bezug auf die Durchführung von Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus. Wie in Rn. 53 des vorliegenden Urteils ausgeführt, räumt diese Bestimmung den Mitgliedstaaten bei der Festlegung der Kriterien für die Bestimmung der tatsächlichen Inhaber des von ihr vorgesehenen Rechts auf Einlegung eines Rechtsbehelfs einen größeren Gestaltungsspielraum ein als bei der Umsetzung von Art. 9 Abs. 2 des Übereinkommens.

61      Drittens ist schließlich festzustellen, dass die Voraussetzung des Nachweises eines berechtigten privaten Interesses nicht für die nach rumänischem Recht anerkannten Umweltschutzvereinigungen gilt. Diese können das öffentliche Interesse wahren, ohne den Nachweis ihrer individuellen Betroffenheit erbringen zu müssen.

62      Unter diesen Umständen ist vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Überprüfungen festzustellen, dass den in den Rn. 50 bis 55 des vorliegenden Urteils aufgestellten Anforderungen offenbar eine Voraussetzung entspricht, die bei den Rechtsbehelfsführern, die keine Umweltschutzvereinigungen sind, die Prozessführungsbefugnis zur Anfechtung einer nicht an sie gerichteten Verwaltungshandlung vom Nachweis eines berechtigten privaten Interesses abhängig macht.

63      Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, nach der einer rechtlichen Einheit, die keine nicht staatliche Umweltschutzorganisation ist, die Prozessführungsbefugnis zur Anfechtung einer nicht an sie gerichteten Verwaltungshandlung nur dann zuerkannt wird, wenn sie die Verletzung eines berechtigten privaten Interesses oder eines Interesses geltend macht, das einen Bezug zu einer rechtlichen Situation aufweist, die in unmittelbarem Zusammenhang mit ihrem Gesellschaftszweck steht.

 Zur ersten Frage

64      Im vorliegenden Fall steht nach den Ausführungen in Rn. 47 des vorliegenden Urteils fest, dass AB & CD zum Nachweis ihrer Prozessführungsbefugnis im Rahmen des Rechtsbehelfs gegen die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verwaltungshandlungen ein Interesse belegen muss, das einen Bezug zu einer rechtlichen Situation aufweist, die in unmittelbarem Zusammenhang mit ihrem Gesellschaftszweck steht, oder – wie die Gruppe der diese Gesellschaft bildenden Personen – ein berechtigtes privates Interesse.

65      Wie in Rn. 48 des vorliegenden Urteils ausgeführt, geht aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervor, dass im Rahmen dieses Rechtsbehelfs weder AB & CD noch die Gruppe der sie bildenden Personen ein berechtigtes privates Interesse nachgewiesen haben und AB & CD kein Interesse nachgewiesen hat, das einen Bezug zu einer rechtlichen Situation aufweist, die in unmittelbarem Zusammenhang mit ihrem Gesellschaftszweck steht.

66      Daraus folgt, dass in Anbetracht der Antwort auf die zweite Frage die erste Frage nicht mehr beantwortet zu werden braucht, mit der das vorlegende Gericht wissen möchte, ob AB & CD unter den Begriff „Öffentlichkeit“ fällt, d. h. den Kreis der in Art. 2 Nr. 4 des Übereinkommens von Aarhus genannten Personen, der vorbehaltlich der Einhaltung der von den Mitgliedstaaten aufgestellten Voraussetzungen das in Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens verankerte Recht auf einen Rechtsbehelf in Anspruch nehmen kann.

 Zur dritten Frage

67      Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 9 Abs. 4 und 5 des Übereinkommens von Aarhus im Licht von Art. 47 der Charta dahin auszulegen ist, dass das Gericht, das über die Verurteilung einer Partei zur Tragung der Kosten zu befinden hat, die in einem Rechtsstreit in einer Umweltangelegenheit unterlegen ist, das Interesse dieser Partei und das mit dem Umweltschutz verbundene Allgemeininteresse zu berücksichtigen hat, um die Einhaltung der Anforderung zu gewährleisten, dass Gerichtsverfahren nicht übermäßig teuer sein dürfen.

68      Vorab ist daran zu erinnern, dass in Rn. 41 des vorliegenden Urteils festgestellt worden ist, dass es im Ausgangsrechtsstreit in der Sache um die Frage geht, ob das in Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus genannte innerstaatliche Umweltrecht eingehalten wird, so dass der Ausgangsrechtsstreit in den sachlichen Anwendungsbereich dieser Bestimmung fällt.

69      Des Weiteren hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass Art. 9 Abs. 4 des Übereinkommens von Aarhus, der die Merkmale aufführt, die diese Verfahren aufweisen müssen, insbesondere dasjenige, nicht übermäßig teuer zu sein, ausdrücklich für das in Abs. 3 dieses Artikels genannte Verfahren gilt (Urteil vom 15. März 2018, North East Pylon Pressure Campaign und Sheehy, C‑470/16, EU:C:2018:185, Rn. 48).

70      Folglich ist das im Übereinkommen von Aarhus vorgesehene Erfordernis, dass bestimmte gerichtliche Verfahren nicht übermäßig teuer sein dürfen, als auf ein Verfahren wie das des Ausgangsverfahrens anwendbar anzusehen, da es darauf gerichtet ist, unter Berufung auf das nationale Umweltrecht einen Bauleitplan und eine Baugenehmigung anzufechten (vgl. entsprechend Urteil vom 15. März 2018, North East Pylon Pressure Campaign und Sheehy, C‑470/16, EU:C:2018:185, Rn. 49).

71      Dieses Erfordernis gilt unabhängig vom Ausgang des Ausgangsrechtsstreits, auch wenn der Rechtsbehelf der Rechtsbehelfsführer des Ausgangsverfahrens wegen fehlender Prozessführungsbefugnis oder fehlenden Rechtsschutzinteresses als unzulässig abgewiesen wird. Denn wie in Rn. 68 des vorliegenden Urteils ausgeführt, fällt der Ausgangsrechtsstreit gleichwohl in den sachlichen Anwendungsbereich von Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus.

72      In der Sache ist darauf hinzuweisen, dass das Erfordernis, dass Gerichtsverfahren in Umweltangelegenheiten nicht übermäßig teuer sein dürfen, den nationalen Gerichten nicht untersagt, eine Verurteilung zur Tragung der Kosten auszusprechen. Dies geht ausdrücklich aus Art. 3 Abs. 8 des Übereinkommens von Aarhus hervor, der klarstellt, dass die Befugnis innerstaatlicher Gerichte, in Gerichtsverfahren angemessene Gerichtskosten zu erheben, nicht berührt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. März 2018, North East Pylon Pressure Campaign und Sheehy, C‑470/16, EU:C:2018:185, Rn. 60 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

73      Desgleichen ist darauf hinzuweisen, dass das Erfordernis, wonach Verfahren nicht übermäßig teuer sein dürfen, alle finanziellen Aufwendungen betrifft, die durch die Beteiligung an dem Gerichtsverfahren verursacht werden, und dass die Frage, ob ein Verfahren übermäßig teuer ist, daher in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung aller für die betroffene Partei angefallenen Kosten umfassend zu beurteilen ist (vgl. entsprechend Urteil vom 11. April 2013, Edwards und Pallikaropoulos, C‑260/11, EU:C:2013:221, Rn. 27 und 28 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

74      Dabei sind sowohl das Interesse der Person, die ihre Rechte verteidigen möchte, als auch das Allgemeininteresse am Umweltschutz zu berücksichtigen. Daher kann diese Beurteilung nicht allein unter Bezugnahme auf die wirtschaftliche Lage des Betroffenen erfolgen, sondern muss auch auf einer objektiven Analyse der Höhe der Kosten beruhen; dies gilt umso mehr, als Einzelpersonen und Vereinigungen natürlich dazu berufen sind, eine aktive Rolle beim Umweltschutz zu spielen. Die Kosten eines Verfahrens dürfen somit nicht die finanziellen Möglichkeiten des Betroffenen übersteigen und in keinem Fall objektiv unangemessen sein (vgl. entsprechend Urteil vom 11. April 2013, Edwards und Pallikaropoulos, C‑260/11, EU:C:2013:221, Rn. 39 und 40).

75      Im Übrigen kann das Gericht die Lage der betroffenen Parteien, die begründeten Erfolgsaussichten des Antragstellers, die Bedeutung des Rechtsstreits für diesen sowie für den Umweltschutz, die Komplexität des geltenden Rechts und des anwendbaren Verfahrens sowie den möglicherweise mutwilligen Charakter des Rechtsbehelfs in seinen verschiedenen Verfahrensabschnitten berücksichtigen (vgl. entsprechend Urteil vom 11. April 2013, Edwards und Pallikaropoulos, C‑260/11, EU:C:2013:221, Rn. 42 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

76      In Bezug auf die Konsequenzen, die das nationale Gericht aus dieser Auslegung von Art. 9 Abs. 4 des Übereinkommens von Aarhus in einem Rechtsstreit wie dem des Ausgangsverfahrens zu ziehen hat, ist festzustellen, dass diese Bestimmung keine unbedingte und hinreichend präzise Verpflichtung enthält, die die rechtliche Situation Einzelner unmittelbar regeln könnte, und dass sie daher keine unmittelbare Wirkung hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. März 2018, North East Pylon Pressure Campaign und Sheehy, C‑470/16, EU:C:2018:185, Rn. 52 und 53 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

77      Das Gleiche gilt für Art. 9 Abs. 5 des Übereinkommens, soweit er vorsieht, dass die Vertragsparteien die Schaffung angemessener Unterstützungsmechanismen prüfen, um Hindernisse finanzieller und anderer Art für den Zugang zu Gerichten zu beseitigen oder zu verringern (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Juli 2016, Ordre des barreaux francophones et germanophone u. a., C‑543/14, EU:C:2016:605, Rn. 55).

78      Allerdings bezwecken diese Bestimmungen, auch wenn sie keine unmittelbare Wirkung haben, die Gewährleistung eines effektiven Umweltschutzes zu ermöglichen (Urteil vom 15. März 2018, North East Pylon Pressure Campaign und Sheehy, C‑470/16, EU:C:2018:185, Rn. 53).

79      Außerdem soll das Erfordernis eines „nicht übermäßig teuren Verfahrens“ zur Wahrung des in Art. 47 der Charta verankerten Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf in Umweltangelegenheiten sowie des Effektivitätsgrundsatzes beitragen, nach dem die Verfahrensmodalitäten für Klagen, die den Schutz der den Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen (Urteil vom 11. April 2013, Edwards und Pallikaropoulos, C‑260/11, EU:C:2013:221, Rn. 33 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

80      In Anbetracht der begrenzten Angaben im Vorabentscheidungsersuchen kann der Gerichtshof nicht feststellen, inwiefern die Art. 451 bis 453 der Zivilprozessordnung, die im rumänischen Recht allgemein die Kostenfrage regeln und die auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbar zu sein scheinen, es dem vorlegenden Gericht ermöglichen, eine umfassende Beurteilung der von der betroffenen Partei getragenen Kosten vorzunehmen und bei seiner Kostenentscheidung die in den Rn. 74 und 75 des vorliegenden Urteils genannten Kriterien zu berücksichtigen. Zudem kann dieses Gericht offenbar nur einen Teil der Kosten, nämlich die Kosten für Anwaltshonorare, herabsetzen.

81      Wie die Generalanwältin in den Nrn. 75 und 76 ihrer Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, kann in Anbetracht des weiten Gestaltungsspielraums, über den die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung von Art. 9 Abs. 4 des Übereinkommens von Aarhus verfügen, das Fehlen einer detaillierten Festlegung der Kosten in Umweltrechtsstreitigkeiten durch die nationale Regelung nicht per se als mit der Regel eines nicht übermäßig teuren Verfahrens unvereinbar angesehen werden. Gleichwohl hat das vorlegende Gericht zu prüfen, inwieweit die im rumänischen Recht bestehenden Mechanismen den Anforderungen nach Art. 9 Abs. 4 des Übereinkommens von Aarhus entsprechen.

82      In diesem Zusammenhang ist noch darauf hinzuweisen, dass zum Zweck der Gewährleistung eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes das vorlegende Gericht dann, wenn es – wie hier – um die Anwendung des nationalen Umweltrechts geht, das innerstaatliche Verfahrensrecht so auszulegen hat, dass es so weit wie möglich im Einklang mit dem in Art. 9 Abs. 4 des Übereinkommens von Aarhus festgelegten Ziel steht, damit gerichtliche Verfahren nicht übermäßig teuer sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. März 2011, Lesoochranárske zoskupenie, C‑240/09, EU:C:2011:125, Rn. 50, und vom 15. März 2018, North East Pylon Pressure Campaign und Sheehy, C‑470/16, EU:C:2018:185, Rn. 57).

83      Nach alledem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 9 Abs. 4 und 5 des Übereinkommens von Aarhus im Licht von Art. 47 der Charta dahin auszulegen ist, dass das Gericht, das über die Verurteilung einer Partei zur Tragung der Kosten zu befinden hat, die in einem Rechtsstreit in einer Umweltangelegenheit unterlegen ist, sämtliche Umstände des Einzelfalls, einschließlich des Interesses dieser Partei und des mit dem Umweltschutz verbundenen Allgemeininteresses, zu berücksichtigen hat, um die Einhaltung der Anforderung zu gewährleisten, dass Gerichtsverfahren nicht übermäßig teuer sein dürfen.

 Kosten

84      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

1.      Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, das am 25. Juni 1998 in Aarhus unterzeichnet und mit dem Beschluss 2005/370/EG des Rates vom 17. Februar 2005 im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigt wurde,

ist dahin auszulegen, dass

er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, nach der einer rechtlichen Einheit, die keine nicht staatliche Umweltschutzorganisation ist, die Prozessführungsbefugnis zur Anfechtung einer nicht an sie gerichteten Verwaltungshandlung nur dann zuerkannt wird, wenn sie die Verletzung eines berechtigten privaten Interesses oder eines Interesses geltend macht, das einen Bezug zu einer rechtlichen Situation aufweist, die in unmittelbarem Zusammenhang mit ihrem Gesellschaftszweck steht.

2.      Art. 9 Abs. 4 und 5 des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, das am 25. Juni 1998 in Aarhus unterzeichnet und mit dem Beschluss 2005/370 des Rates im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigt wurde, ist im Licht von Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union

dahin auszulegen, dass

das Gericht, das über die Verurteilung einer Partei zur Tragung der Kosten zu befinden hat, die in einem Rechtsstreit in einer Umweltangelegenheit unterlegen ist, sämtliche Umstände des Einzelfalls, einschließlich des Interesses dieser Partei und des mit dem Umweltschutz verbundenen Allgemeininteresses, zu berücksichtigen hat, um die Einhaltung der Anforderung zu gewährleisten, dass Gerichtsverfahren nicht übermäßig teuer sein dürfen.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Rumänisch.