Language of document : ECLI:EU:T:2022:61

URTEIL DES GERICHTS (Siebte Kammer)

9. Februar 2022(*)

„Pflanzenschutzmittel – Wirkstoff Thiram – Nichterneuerung der Genehmigung – Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 und Durchführungsverordnung (EU) Nr. 844/2012 – Verteidigungsrechte – Verfahrensfehler – Offenkundiger Beurteilungsfehler – Zuständigkeit der EFSA – Verhältnismäßigkeit – Vorsorgeprinzip – Gleichbehandlung“

In der Rechtssache T‑740/18,

Taminco BVBA mit Sitz in Gent  (Belgien),

Arysta LifeScience Great Britain Ltd mit Sitz in Edinburgh (Vereinigtes Königreich),

vertreten durch Rechtsanwälte C. Mereu und M. Grunchard,

Klägerinnen,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch G. Koleva als Bevollmächtigte,

Beklagte,

betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung der Durchführungsverordnung (EU) 2018/1500 der Kommission vom 9. Oktober 2018 zur Nichterneuerung der Genehmigung für den Wirkstoff Thiram sowie zum Verbot der Verwendung und des Verkaufs von Saatgut, das mit Thiram enthaltenden Pflanzenschutzmitteln behandelt wurde, gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 der Kommission (ABl. 2018, L 254, S. 1)

erlässt

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten R. da Silva Passos sowie des Richters V. Valančius und der Richterin I. Reine (Berichterstatterin),

Kanzler: P. Cullen, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. September 2020

folgendes

Urteil

I.      Rechtlicher Rahmen

A.      Richtlinie 91/414/EWG

1        Die Richtlinie 91/414/EWG des Rates vom 15. Juli 1991 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (ABl. 1991, L 230, S. 1) legt die auf die Genehmigung für das Inverkehrbringen dieser Mittel anwendbare Regelung der Europäischen Union fest. Sie enthält Vorschriften, die für Pflanzenschutzmittel und die in diesen Mitteln enthaltenen Wirkstoffe gelten.

2        Gemäß Art. 4 der Richtlinie 91/414, der sich auf die Gewährung, Überprüfung und Entziehung der Zulassung für Pflanzenschutzmittel bezieht, muss ein Pflanzenschutzmittel bestimmte Kriterien erfüllen, um zugelassen werden zu können. Ein solches Mittel wird insbesondere dann zugelassen, wenn seine Wirkstoffe in Anhang I dieser Richtlinie enthalten sind und die in diesem Anhang festgelegten Bedingungen erfüllt sind. Die Art. 5 und 6 der genannten Richtlinie legen die Modalitäten für die Aufnahme eines Wirkstoffs in Anhang I fest.

3        Die Richtlinie 91/414 wurde mit Wirkung vom 14. Juni 2011 durch die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414 (ABl. 2009, L 309, S. 1) aufgehoben.

B.      Verordnung Nr. 1107/2009

4        Gemäß ihrem Art. 1 Abs. 3 ist Ziel der Verordnung Nr. 1107/2009 die Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt und das bessere Funktionieren des Binnenmarkts durch die Harmonisierung der Vorschriften für das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und die Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktion.

5        Art. 4 der Verordnung Nr. 1107/2009 sieht Genehmigungskriterien für Wirkstoffe von Pflanzenschutzmitteln vor.

6        Nach Art. 5 der Verordnung Nr. 1107/2009 gilt die Erstgenehmigung eines Wirkstoffs für eine Dauer von höchstens zehn Jahren.

7        Die Art. 14 bis 20 der Verordnung Nr. 1107/2009 beziehen sich auf die Erneuerung der Genehmigung von Wirkstoffen. Die Genehmigung eines Wirkstoffs wird auf Antrag, den der Hersteller des Wirkstoffs einem Mitgliedstaat spätestens drei Jahre vor Ablauf der Genehmigung übermittelt, erneuert, wenn festgestellt wird, dass die in Art. 4 der Verordnung genannten Genehmigungskriterien erfüllt sind (Art. 14 Abs. 1 und Art. 15 Abs. 1). Bei der Beantragung einer Erneuerung verweist der Antragsteller auf neues Datenmaterial, das er beabsichtigt vorzulegen, und begründet dessen Notwendigkeit mit Datenanforderungen oder Kriterien, die zum Zeitpunkt der letzten Genehmigung des Wirkstoffs noch nicht galten, oder mit der Beantragung einer geänderten Genehmigung (Art. 15 Abs. 2). Gleichzeitig legt der Antragsteller einen Zeitplan bezüglich neuer und laufender Studien vor (Art. 15 Abs. 2). Es wird eine Verordnung gemäß dem in Art. 79 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1107/2009 genannten Regelungsverfahren dahin gehend erlassen, dass die Genehmigung eines Wirkstoffs erneuert wird, gegebenenfalls vorbehaltlich Bedingungen und Einschränkungen, oder die Genehmigung eines Wirkstoffs nicht erneuert wird (Art. 20 Abs. 1).

C.      Durchführungsverordnung Nr. 844/2012

8        Die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 844/2012 der Kommission vom 18. September 2012 zur Festlegung der notwendigen Bestimmungen für das Erneuerungsverfahren für Wirkstoffe gemäß der Verordnung Nr. 1107/2009 (ABl. 2012, L 252, S. 26) legt u. a. Vorschriften für die einzelnen Schritte im Erneuerungsverfahren fest.

9        Die Art. 1 bis 8 der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 sehen Vorschriften für die Zulässigkeit des vom Hersteller des Wirkstoffs bei einem Mitgliedstaat eingereichten Antrags vor. Nach Art. 3 der Durchführungsverordnung wird dieser Antrag zunächst vom berichterstattenden Mitgliedstaat geprüft, der sich vergewissert, dass er bis zu dem in Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 1 dieser Durchführungsverordnung genannten Datum gestellt wurde und alle Bestandteile gemäß Art. 2 derselben Durchführungsverordnung enthält. Insbesondere muss der Antragsteller gemäß Art. 2 Abs. 2 der Durchführungsverordnung im Erneuerungsantrag die neuen Informationen aufführen, die er beabsichtigt vorzulegen und die gemäß Art. 15 Abs. 2 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1107/2009 notwendig sind (vgl. oben, Rn. 7). Sodann legt der Antragsteller, nachdem er vom berichterstattenden Mitgliedstaat eine bejahende Antwort auf diese Prüfung erhalten hat, dem berichterstattenden Mitgliedstaat sowie dem mitberichterstattenden Mitgliedstaat, der Europäischen Kommission und der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) gemäß Art. 6 einer solchen Durchführungsverordnung die ergänzenden Dossiers vor. Schließlich informiert der berichterstattende Mitgliedstaat, sofern die ergänzenden Dossiers fristgerecht vorgelegt wurden und alle vorgesehenen Bestandteile enthalten, gemäß Art. 8 der betreffenden Durchführungsverordnung den Antragsteller, den mitberichterstattenden Mitgliedstaat, die Kommission und die EFSA über das Datum des Eingangs der ergänzenden Dossiers und über die Zulässigkeit des Antrags.

10      Die Art. 11 bis 14 der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 legen das Verfahren zur Bewertung des Antrags auf Erneuerung der Genehmigung eines Wirkstoffs fest. Zunächst erstellt der berichterstattende Mitgliedstaat nach Konsultation des mitberichterstattenden Mitgliedstaats einen Bericht, in dem er bewertet, ob angenommen werden kann, dass der Wirkstoff den Genehmigungskriterien gemäß Art. 4 der Verordnung Nr. 1107/2009 genügt, und legt ihn – mit Kopie an die EFSA – der Kommission vor (Art. 11 der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012). Die EFSA leitet den vom berichterstattenden Mitgliedstaat übermittelten Entwurf des Bewertungsberichts nach Erhalt an den Antragsteller und die übrigen Mitgliedstaaten weiter (Art. 12 dieser Durchführungsverordnung). Nach Ablauf der Frist für die Einreichung schriftlicher Stellungnahmen nimmt die EFSA vor dem Hintergrund des neuesten Standes von Wissenschaft und Technik und unter Heranziehung der zum Zeitpunkt der Vorlage der ergänzenden Dossiers verfügbaren Leitlinien eine Schlussfolgerung dazu an, ob angenommen werden kann, dass der Wirkstoff voraussichtlich den Genehmigungskriterien gemäß Art. 4 der Verordnung Nr. 1107/2009 genügt. Gegebenenfalls organisiert die EFSA eine Sachverständigenkonsultation, in die auch Sachverständige aus dem berichterstattenden und dem mitberichterstattenden Mitgliedstaat einbezogen werden. Sie übermittelt ihre Schlussfolgerung dem Antragsteller, den Mitgliedstaaten und der Kommission und macht sie der Öffentlichkeit zugänglich (Art. 13 derselben Durchführungsverordnung). Nach Eingang der Schlussfolgerung der EFSA und unter Berücksichtigung des vom berichterstattenden Mitgliedstaat erstellten Entwurfs eines Bewertungsberichts, der Stellungnahmen des Antragstellers und der übrigen Mitgliedstaaten sowie der von der EFSA angenommenen Schlussfolgerung legt die Kommission dem Ständigen Ausschuss für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit (im Folgenden: Ständiger Ausschuss) schließlich einen sogenannten Bericht über die Erneuerung sowie den Entwurf einer Verordnung vor. Der Antragsteller erhält Gelegenheit, zum Bericht über die Erneuerung Stellung zu nehmen (Art. 14 Abs. 1 der fraglichen Durchführungsverordnung). Auf Grundlage des Berichts über die Erneuerung und unter Berücksichtigung einer etwaigen Stellungnahme des Antragstellers erlässt die Kommission eine Verordnung gemäß Art. 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1107/2009 (Art. 14 Abs. 2 der betreffenden Durchführungsverordnung).

II.    Vorgeschichte des Rechtsstreits

11      Die Klägerinnen, die Taminco BVBA und die Arysta LifeScience Great Britain Ltd, sind Gesellschaften, die in der gesamten Union den Wirkstoff Thiram (im Folgenden: Thiram) und Thiram enthaltende Pflanzenschutzmittel zur Verwendung als Fungizid vertreiben.

A.      Erstgenehmigung von Thiram auf Unionsebene

12      Thiram wurde nach seiner ersten Bewertung auf Unionsebene gemäß der Richtlinie 91/414 mit der Richtlinie 2003/81/EG der Kommission vom 5. September 2003 zur Änderung der Richtlinie 91/414 zwecks Aufnahme der Wirkstoffe Molinat, Thiram und Ziram (ABl. 2003, L 224, S. 29) erstmals am 1. August 2004 für einen Zeitraum von zehn Jahren genehmigt.

13      Thiram wurde erstmals in die Liste von Anhang I der Richtlinie 91/414 aufgenommen und anschließend zur Liste zugelassener Wirkstoffe im Anhang der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 der Kommission vom 25. Mai 2011 zur Durchführung der Verordnung Nr. 1107/2009 hinsichtlich der Liste zugelassener Wirkstoffe (ABl. 2011, L 153, S. 1) hinzugefügt. Diese Durchführungsverordnung wurde dreimal geändert, um die Gültigkeit der Genehmigung von Thiram zunächst bis zum 30. April 2017, dann bis zum 30. April 2018 und schließlich bis zum 30. April 2019 zu verlängern.

B.      Erneuerung der Genehmigung von Thiram auf Unionsebene

14      Die Genehmigung von Thiram wurde dem in den Art. 14 ff. der Verordnung Nr. 1107/2009 vorgesehenen Standardregelungsverfahren für Genehmigungserneuerungen unterworfen (vgl. oben, Rn. 7).

15      Thiram ist Teil der dritten Phase des Erneuerungsprogramms (AIR3) in der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 686/2012 der Kommission vom 26. Juli 2012 zur Übertragung der Überprüfung der Wirkstoffe, deren Genehmigung spätestens am 31. Dezember 2018 ausläuft, auf die Mitgliedstaaten zum Zweck des Erneuerungsverfahrens (ABl. 2012, L 200, S. 5). Nach dieser Durchführungsverordnung wurde die Französische Republik zum berichterstattenden Mitgliedstaat für die Erneuerung benannt, wobei das Königreich Belgien mitberichterstattender Mitgliedstaat war.

16      Die Frist für die Stellung des Antrags auf Erneuerung der Genehmigung von Thiram wurde auf den 30. April 2014 und die Frist für die Einreichung des ergänzenden Dossiers (vgl. oben, Rn. 9) auf den 1. November 2014 festgesetzt. Der Antrag wurde von der Arbeitsgruppe für Thiram („Thiram Task Force“) fristgerecht eingereicht und betraf die Verwendung von Thiram bei der Blattspritzung und seine Verwendung für die Saatgutbehandlung. In der mündlichen Verhandlung haben die Klägerinnen im Wesentlichen ausgeführt, sie seien die einzigen Mitglieder dieser Arbeitsgruppe.

17      Der berichterstattende Mitgliedstaat bestätigte die Zulässigkeit des Antrags auf Erneuerung der Genehmigung von Thiram und legte der EFSA im Januar 2016 seinen Entwurf des Berichts über die Bewertung der Erneuerung vor. In diesem Entwurf schlug der berichterstattende Mitgliedstaat vor, die Genehmigung von Thiram lediglich für eine Verwendung zur Saatgutbehandlung zu erneuern.

18      Am 15. März 2016 übermittelte die EFSA den Mitgliedstaaten und den Klägerinnen den Entwurf des Berichts über die Bewertung der Erneuerung gemäß Art. 12 der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 zur Stellungnahme. Die Klägerinnen reichten ihre Stellungnahmen am 13. Mai 2016 ein. Die EFSA leitete sämtliche Stellungnahmen am 17. Mai 2016 an die Kommission weiter.

19      Im Juni 2016 antworteten die Klägerinnen auf die oben in Rn. 18 erwähnten Stellungnahmen.

20      Vom 24. bis zum 26. Oktober 2016 fand innerhalb der EFSA eine Sachverständigensitzung (im Folgenden: Sitzung 148) statt, in deren Verlauf alle Sachverständigen darin übereinkamen, dass unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die in der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. 2008, L 353, S. 1) vorgesehenen Kriterien empfahlen, auch gutartige Tumore zu berücksichtigen, ein Vorschlag für eine Einstufung von Thiram als krebserzeugend der Kategorie 2 H351 wegen eines hepatozellulären Adenoms und eines Adenoms der C‑Zellen vorzulegen war.

21      Auf derselben Sitzung 148 wurde der Referenzwert für die Bewertung der langfristigen Risiken für Säugetiere von 9 mg/kg Körpergewicht pro Tag auf 1,6 mg/kg Körpergewicht pro Tag herabgesetzt.

22      Am 23. November 2016 erhielten die Klägerinnen vom berichterstattenden Mitgliedstaat den aktualisierten Bericht über die Bewertung der Erneuerung sowie die Berichtsverzeichnisse, die mit Hilfe der Informationen aus dem Peer-Review für Pestizide auf der Sitzung 148 vervollständigt worden waren.

23      Am 20. Januar 2017 legte die EFSA ihre Schlussfolgerung zur Bewertung der Risiken im Zusammenhang mit den Pestiziden von Thiram und die Liste der Referenzwerte (im Folgenden: Schlussfolgerung der EFSA) vor, die zusammen mit dem aktualisierten Bericht über die Bewertung der Erneuerung und dem u. a. das Berichtsverzeichnis und die Bewertungstabelle enthaltenden Peer-Review-Bericht am 1. Februar 2017 bei den Klägerinnen einging.

24      In ihrer Schlussfolgerung äußerte die EFSA mehrere Bedenken und insbesondere erhebliche Bedenken im Zusammenhang mit der Feststellung eines hohen Risikos für Vögel und Säugetiere bei der Aufnahme mit der Nahrung.

25      Am 27. Januar 2017 übermittelte die EFSA der Kommission ihre Schlussfolgerung. Am 31. Januar 2017 forderte die Kommission die Klägerinnen auf, zu dieser Schlussfolgerung Stellung zu nehmen, was die Klägerinnen am 22. Februar 2017 taten.

26      Am 14. Juni 2017 übersandte die Kommission den Klägerinnen ihren Entwurf des Berichts über die Erneuerung, in dem sie vorschlug, die Genehmigung von Thiram zur Verwendung für die Saatgutbehandlung und zur Verwendung bei der Blattspritzung nicht zu erneuern. Darüber hinaus forderte sie die Klägerinnen gemäß Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 3 der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 auf, zu diesem Entwurf Stellung zu nehmen, was die Klägerinnen am darauffolgenden 26. Juni taten.

27      Am 20. Juli 2017 leitete die Kommission ihren Entwurf des Berichts über die Erneuerung und ihren Entwurf für eine Durchführungsverordnung an den Ständigen Ausschuss weiter.

28      Der Vorschlag für die Nichterneuerung der Genehmigung von Thiram wurde während mehrerer Sitzungen des Ständigen Ausschusses in den Jahren 2017 und 2018, und zwar am 22. und 23. März, am 17. und 18. Mai, am 19. und 20. Juli, am 5. und 6. Oktober sowie am 12. und 13. Dezember 2017 ebenso wie am 25. und 26. Januar, am 21. und 22. März sowie am 24. und 25. Mai 2018, erörtert. Am 22. und 23. März 2017 sowie am 24. und 25. Mai 2018 wurde ein Abstimmungsvorschlag formuliert, die Abstimmung wurde aber nicht abgehalten.

29      Auf der Sitzung des Ständigen Ausschusses vom 13. und 14. Juni 2018 fand eine Abstimmung über den Vorschlag für die Nichterneuerung der Genehmigung von Thiram statt. Die Abstimmung ergab die „Nichtannahme einer Stellungnahme“.

30      Am 12. Juli 2018 stellte der Beschwerdeausschuss den Entwurf betreffend die Nichterneuerung der Genehmigung von Thiram zur Abstimmung. Die Abstimmung führte erneut zur „Nichtannahme einer Stellungnahme“.

31      Aus den Protokollen der Sitzungen der beiden oben in den Rn. 29 und 30 erwähnten Ausschüsse geht hervor, dass die „Nichtannahme einer Stellungnahme“ im Fall von Thiram u. a. auf das Vorliegen neuen Datenmaterials zum annehmbaren Risiko für Vögel und Säugetiere betreffend die Verwendung von Thiram für die Saatgutbehandlung, die Möglichkeit, diesem Risiko auf nationaler Ebene zu begegnen, und die Meinung zurückzuführen war, wonach die Erneuerung auf die Verwendung von Thiram für die Saatgutbehandlung beschränkt werden könne.

32      In der Zwischenzeit fand am 7. Dezember 2017 auf Initiative der Klägerinnen ein Treffen zwischen diesen und der Kommission statt, in dessen Verlauf die Klägerinnen erste Ergebnisse der höherstufigen Feldstudien betreffend die Bewertung der Risiken für Vögel und Säugetiere vorstellten, die sie in den Monaten März und April 2017 begonnen hatten (im Folgenden: höherstufige Feldstudien). Die Klägerinnen übermittelten der Kommission Informationen über diese Studien und ihre Ergebnisse in einem Informationsblatt vom 23. Januar 2018.

33      Mit Schreiben vom 19. März 2018 schlugen die Klägerinnen der Kommission u. a. vor, ihr neues Datenmaterial zu übermitteln, um den Bedenken zu begegnen, die sich aus der anlässlich der Sitzung 148 vorgenommenen Änderung des langfristigen Referenzwerts für Säugetiere ergeben hatten. In Reaktion darauf lehnte die Kommission diesen Vorschlag der Klägerinnen mit Schreiben vom 5. Juni 2018 ab.

34      Am 18. Mai 2018 nahmen die Klägerinnen ihren Antrag auf Erneuerung der Genehmigung von Thiram zur Verwendung bei der Blattspritzung zurück. Am 6. Juni 2018 teilte die Kommission mit, dass sie diese Rücknahme zur Kenntnis genommen sowie den Entwurf einer Durchführungsverordnung und den Entwurf des Berichts über die Erneuerung entsprechend abgeändert habe, um der Rücknahme Rechnung zu tragen.

35      Mit Schreiben vom 2. Juli 2018 ersuchten die Klägerinnen die Kommission, ihren Vorschlag zur Erneuerung der Genehmigung von Thiram allein auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse zu überprüfen und sich dabei lediglich auf die Saatgutbehandlung zu stützen. Dieses Ersuchen wurde von der Kommission mit ihrem Schreiben vom 17. Juli 2018 zurückgewiesen.

36      Am 9. Oktober 2018 erließ die Kommission die Durchführungsverordnung (EU) 2018/1500 zur Nichterneuerung der Genehmigung für den Wirkstoff Thiram sowie zum Verbot der Verwendung und des Verkaufs von Saatgut, das mit Thiram enthaltenden Pflanzenschutzmitteln behandelt wurde, gemäß der Verordnung Nr. 1107/2009 und zur Änderung der Durchführungsverordnung Nr. 540/2011 (ABl. 2018, L 254, S. 1) (im Folgenden: angefochtene Durchführungsverordnung).

37      In den Erwägungsgründen 8 bis 11 der angefochtenen Durchführungsverordnung werden die Gründe für die Nichterneuerung wie folgt dargelegt:

„(8)      Am 27. Januar 2017 hat die [EFSA] der Kommission ihre Schlussfolgerung … dazu übermittelt, ob angenommen werden kann, dass Thiram die Genehmigungskriterien gemäß Artikel 4 der Verordnung … Nr. 1107/2009 erfüllt. Die [EFSA] hat ein hohes akutes Risiko für Verbraucher und Arbeiter durch die Verwendung von Thiram bei der Blattspritzung festgestellt. Selbst wenn die höherstufigen Präzisierungen bei der Risikobewertung berücksichtigt werden, wurde ein hohes Risiko für Vögel und Säugetiere bei allen bewerteten repräsentativen Verwendungszwecken, einschließlich für die Saatgutbehandlung, festgestellt. Aus den unvollständigen Informationen über den Metaboliten M1 konnten keine Rückstandsdefinitionen für die Risikobewertung abgeleitet werden; folglich konnte die Beurteilung des mit der Nahrungsaufnahme verbundenen Risikos für die Verbraucher nicht abgeschlossen und konnten keine Rückstandshöchstgehalte festgelegt werden. Außerdem konnte die [EFSA] auf der Grundlage der verfügbaren Informationen nicht ausschließen, dass es bei der Wasseraufbereitung von Oberflächen- und Grundwasser, das Thiram und seinen Metaboliten Dimethylchlorsilan (DMCS) enthält, nicht zur Entstehung von N-Nitrosodimethylamin (NDMA), einem hinsichtlich seiner inhärenten Gefährlichkeit besorgniserregenden Stoff[,] im Trinkwasser kommt, und hat die [EFSA] basierend auf den begrenzten verfügbaren Informationen auch ein hohes Risiko für Wasserorganismen hinsichtlich der Exposition gegenüber DMCS festgestellt. Ferner konnte die [EFSA] auf der Grundlage der verfügbaren Informationen keine Rückschlüsse auf das endokrinschädigende Potenzial von Thiram ziehen.

(9)      Die Kommission forderte den Antragsteller auf, zu der Schlussfolgerung der [EFSA] Stellung zu nehmen. Außerdem forderte die Kommission gemäß Artikel 14 Absatz 1 Unterabsatz 3 der Durchführungsverordnung … Nr. 844/2012 den Antragsteller auf, zum Entwurf des Berichts im Hinblick auf die Erneuerung Stellung zu nehmen. Die daraufhin vom Antragsteller vorgelegte Stellungnahme wurde eingehend geprüft.

(10)      Die Bedenken in Bezug auf den Stoff konnten jedoch trotz der vom Antragsteller vorgebrachten Argumente nicht ausgeräumt werden.

(11)      Folglich konnte nicht nachgewiesen werden, dass in Bezug auf einen oder mehrere repräsentative Verwendungszwecke mindestens eines Pflanzenschutzmittels die Genehmigungskriterien gemäß Artikel 4 der Verordnung … Nr. 1107/2009 erfüllt sind. Daher sollte die Genehmigung für den Wirkstoff Thiram gemäß Artikel 20 Absatz 1 Buchstabe b der genannten Verordnung nicht erneuert werden.“

III. Verfahren und Anträge der Parteien

38      Mit Klageschrift, die am 18. Dezember 2018 eingegangen ist, haben die Klägerinnen die vorliegende Klage erhoben.

39      Mit gesondertem Schriftsatz, der am 19. Dezember 2018 eingegangen ist, hat eine der Klägerinnen, die Taminco BVBA, einen Antrag auf einstweilige Anordnung gestellt, mit dem die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Durchführungsverordnung beantragt wird.

40      Mit Beschluss vom 26. September 2019, Taminco/Kommission (T‑740/18 R, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:717), hat der Präsident des Gerichts den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Durchführungsverordnung zurückgewiesen und die Kostenentscheidung vorbehalten.

41      Im Zuge einer Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts ist die Berichterstatterin der Siebten Kammer zugeteilt worden, der die vorliegende Rechtssache daher gemäß Art. 27 Abs. 5 der Verfahrensordnung des Gerichts zugewiesen worden ist.

42      Am 28. April 2020 hat die Kammer beschlossen, das mündliche Verfahren zu eröffnen und die Parteien im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 89 der Verfahrensordnung aufzufordern, vor der mündlichen Verhandlung auf bestimmte Fragen zur schriftlichen Beantwortung zu antworten. Die Parteien haben fristgerecht geantwortet.

43      Am 12. August 2020 hat das Gericht die Parteien im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 89 seiner Verfahrensordnung aufgefordert, in der Sitzung auf bestimmte Fragen zur mündlichen Beantwortung zu antworten.

44      Die Parteien haben in der Sitzung vom 17. September 2020 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.

45      Die Klägerinnen beantragen,

–        die angefochtene Durchführungsverordnung insgesamt für nichtig zu erklären und bei Bedarf die Prüfung von Thiram an die EFSA und an die Kommission zurückzuverweisen;

–        die Verlängerung der Frist für das Auslaufen der Genehmigung für Thiram anzuordnen, um seine Neubewertung zu ermöglichen;

–        hilfsweise die angefochtene Durchführungsverordnung teilweise für nichtig zu erklären, soweit sie die Erneuerung der Genehmigung für Thiram im Bereich der Saatgutbehandlung verbietet;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

46      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

IV.    Rechtliche Würdigung

A.      Zuständigkeit des Gerichts für die Entscheidung über bestimmte in der Klageschrift gestellte Anträge

47      In ihrem ersten Antrag beantragen die Klägerinnen u. a., die Prüfung von Thiram bei Bedarf an die EFSA und an die Kommission zurückzuverweisen. Darüber hinaus beantragen sie mit ihrem zweiten Antrag, die Verlängerung der Frist für das Auslaufen der Genehmigung für Thiram anzuordnen, um seine Neubewertung zu ermöglichen.

48      Insoweit genügt der Hinweis, dass das Gericht im Rahmen der auf Art. 263 AEUV gestützten Rechtmäßigkeitskontrolle nicht befugt ist, Anordnungen gegen die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union zu erlassen (vgl. Beschluss vom 26. Oktober 1995, Pevasa und Inpesca/Kommission, C‑199/94 P und C‑200/94 P, EU:C:1995:360, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 25. September 2018, Schweden/Kommission, T‑260/16, EU:T:2018:597, Rn. 104 und die dort angeführte Rechtsprechung).

49      Nach Art. 264 AEUV hat das Gericht nur die Möglichkeit, die angefochtene Handlung ganz oder teilweise für nichtig zu erklären oder die Klage abzuweisen; es ist sodann Sache des betroffenen Organs, gemäß Art. 266 AEUV die Maßnahmen zur Durchführung des Urteils des Gerichts zu ergreifen (vgl. Urteil vom 9. April 2019, Sopra Steria Group/Parlament, T‑182/15, EU:T:2019:228, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).

50      Folglich sind der im ersten Antrag der Klägerinnen enthaltene Antrag auf Zurückverweisung der Prüfung von Thiram an die EFSA und an die Kommission einerseits und der zweite Antrag der Klägerinnen andererseits wegen Unzuständigkeit zurückzuweisen.

B.      Nichtigkeitsantrag

51      Die Klägerinnen stützen ihre Klage im Wesentlichen auf sechs Gründe. Im Rahmen der ersten drei Klagegründe machen sie geltend, die angefochtene Durchführungsverordnung sei mit einem Formfehler und offensichtlichen Beurteilungsfehlern behaftet, die insoweit zu einem Verstoß gegen Art. 4 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1107/2009 führten, als die Kommission nicht berücksichtigt habe, dass die Klägerinnen ihren Antrag auf Erneuerung der Genehmigung für Thiram für eine Verwendung als Blattspray zurückgenommen und ihren Antrag lediglich für die Verwendung zur Saatgutbehandlung aufrechterhalten hätten. Mit dem vierten Klagegrund wird eine Überschreitung von Befugnissen gerügt, die darin bestehen soll, dass die EFSA Thiram als krebserzeugend eingestuft hat. Der fünfte Klagegrund betrifft eine Verletzung der Verteidigungsrechte. Mit dem sechsten Klagegrund wird ein Verstoß gegen das Vorsorgeprinzip, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den Grundsatz der Gleichbehandlung beanstandet.

1.      Einleitende Bemerkungen

a)      Umfang der Kontrolle durch das Gericht

52      Nach der Rechtsprechung ist der Kommission, damit sie die ihr von der Verordnung Nr. 1107/2009 gesetzten Ziele wirksam verfolgen kann und im Hinblick darauf, dass sie komplexe technische Beurteilungen vorzunehmen hat, ein weites Ermessen zuzuerkennen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. Juli 2007, Industrias Químicas del Vallés/Kommission, C‑326/05 P, EU:C:2007:443, Rn. 74 und 75, sowie vom 6. September 2013, Sepro Europe/Kommission, T‑483/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:407, Rn. 38). Das gilt u. a. für die Entscheidungen im Bereich des Risikomanagements, die sie nach der Verordnung zu treffen hat.

53      Die Ausübung dieses Ermessens ist jedoch nicht der gerichtlichen Kontrolle entzogen. Nach ständiger Rechtsprechung muss der Unionsrichter nämlich im Rahmen dieser Kontrolle feststellen, ob die Verfahrensvorschriften eingehalten worden sind, ob der Sachverhalt von der Kommission zutreffend festgestellt worden ist und ob keine offensichtlich fehlerhafte Würdigung dieses Sachverhalts und kein Ermessensmissbrauch vorliegen (Urteile vom 25. Januar 1979, Racke, 98/78, EU:C:1979:14, Rn. 5, vom 22. Oktober 1991, Nölle, C‑16/90, EU:C:1991:402, Rn. 12, sowie vom 9. September 2008, Bayer CropScience u. a./Kommission, T‑75/06, EU:T:2008:317, Rn. 83).

54      Hinsichtlich der Prüfung des Vorliegens eines offenkundigen Beurteilungsfehlers durch den Unionsrichter ist darauf hinzuweisen, dass ein die Nichtigerklärung des angefochtenen Rechtsakts rechtfertigender offensichtlicher Irrtum der Kommission bei der Würdigung komplexer Tatsachen nur festgestellt werden kann, wenn die vom Kläger vorgebrachten Beweise ausreichen, um die Sachverhaltswürdigung im Rechtsakt als nicht plausibel erscheinen zu lassen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Dezember 1996, AIUFFASS und AKT/Kommission, T‑380/94, EU:T:1996:195, Rn. 59). Abgesehen von dieser Plausibilitätskontrolle darf das Gericht seine Beurteilung komplexer Tatsachen nicht an die Stelle der Beurteilung des Organs setzen, das den Rechtsakt erlassen hat (Urteil vom 9. September 2011, Dow AgroSciences u. a./Kommission, T‑475/07, EU:T:2011:445, Rn. 152; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 15. Oktober 2009, Enviro Tech [Europe], C‑425/08, EU:C:2009:635, Rn. 47).

55      Außerdem kommt der Kontrolle der Einhaltung der Garantien, die die Unionsrechtsordnung für Verwaltungsverfahren vorsieht, in Fällen, in denen ein Organ über einen weiten Ermessensspielraum verfügt, wesentliche Bedeutung zu. Der Gerichtshof hat klargestellt, dass zu diesen Garantien u. a. die Verpflichtung des zuständigen Organs gehört, sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen und seine Entscheidung hinreichend zu begründen (Urteile vom 21. November 1991, Technische Universität München, C‑269/90, EU:C:1991:438, Rn. 14, vom 7. Mai 1992, Pesquerias De Bermeo und Naviera Laida/Kommission, C‑258/90 und C‑259/90, EU:C:1992:199, Rn. 26, sowie vom 6. November 2008, Niederlande/Kommission, C‑405/07 P, EU:C:2008:613, Rn. 56).

56      So ist entschieden worden, dass die Vornahme einer möglichst erschöpfenden wissenschaftlichen Risikobewertung auf der Grundlage wissenschaftlicher Gutachten, die auf den Grundsätzen der höchsten Fachkompetenz, der Transparenz und der Unabhängigkeit beruhen, eine wichtige Verfahrensgarantie zur Gewährleistung der wissenschaftlichen Objektivität der Maßnahmen und zur Verhinderung des Erlasses willkürlicher Maßnahmen darstellt (Urteil vom 11. September 2002, Pfizer Animal Health/Rat, T‑13/99, EU:T:2002:209, Rn. 172).

b)      Beweislast

57      Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1107/2009, der die Bedingungen für die Genehmigung der Wirkstoffe enthält, verlangt, dass „zu erwarten“ sein muss, dass Pflanzenschutzmittel, die einen Wirkstoff enthalten, die Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erfüllen. Diese Absätze fordern ihrerseits, dass die Pflanzenschutzmittel und ihre Rückstände die im Folgenden aufgeführten Anforderungen erfüllen (nämlich dass sie keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch oder Tier bzw. keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt haben). Nach dem Grundsatz, dass die Partei, die sich auf eine Rechtsvorschrift beruft, nachzuweisen hat, dass die Voraussetzungen für ihre Anwendung erfüllt sind, ergibt sich daraus, dass der Antragsteller, um die Genehmigung zu erlangen, nachzuweisen hat, dass die Bedingungen für die Genehmigung erfüllt sind, und nicht die Kommission den Nachweis zu erbringen hat, dass die Bedingungen für die Genehmigung nicht erfüllt sind, um sie verweigern zu können (Urteil vom 17. Mai 2018, BASF Agro u. a./Kommission, T‑584/13, EU:T:2018:279, Rn. 88).

58      Die oben in Rn. 57 aufgeführten Grundsätze sind im Rahmen des Verfahrens zur Erneuerung der Genehmigung für einen Wirkstoff anwendbar.

59      Im Licht der vorstehenden Erwägungen sind die oben in Rn. 51 erwähnten Klagegründe zu prüfen, wobei mit dem fünften Klagegrund einer Nichtbeachtung der Verteidigungsrechte begonnen werden soll.

2.      Fünfter Klagegrund: Nichtbeachtung der Verteidigungsrechte

60      Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe ihre Verteidigungsrechte in zweifacher Weise verletzt.

61      Als Erstes hätten sie sich nicht zur Herabsetzung des bei der Bewertung des langfristigen Risikos für Säugetiere gewählten Referenzwerts äußern können, der auf der Sitzung 148, die vor der Annahme des aktualisierten Berichts des berichterstattenden Mitgliedstaats über die Bewertung der Erneuerung im November 2016 stattgefunden habe, erheblich verringert worden sei.

62      Die Klägerinnen weisen insoweit darauf hin, dass die Herabsetzung des in Rede stehenden Referenzwerts zuvor nicht erörtert worden sei. Außerdem habe die Kommission ihre Vorschläge, zunächst neues Datenmaterial zu übermitteln, um den sich aus dieser Herabsetzung ergebenden Bedenken zu begegnen, und anschließend ihren Vorschlag über die Erneuerung der Genehmigung für Thiram zu überprüfen und sich dabei allein auf die Saatgutbehandlung zu stützen, zurückgewiesen.

63      Darüber hinaus hätten sie die Kommission und die Mitgliedstaaten in Reaktion auf die Herabsetzung des in Rede stehenden Referenzwerts 2017 über die Existenz höherstufiger Feldstudien informiert sowie in den Jahren 2017 und 2018 Aktualisierungen mittels verfügbarer Ergebnisse geliefert, die bestätigten, dass das Risiko annehmbar sei. Im Übrigen seien die EFSA in ihrer Schlussfolgerung und bestimmte Mitgliedstaaten davon ausgegangen, dass die Daten zu Vögeln und Säugetieren auf der Ebene der Mitgliedstaaten akzeptiert werden könnten. Die Klägerinnen führen auch eine Prüfung zur neuen Feldstudie an, in der das Königreich Belgien die potenziellen langfristigen Referenzwerte für Feldmäuse bei mit Thiram behandeltem Maissaatgut überwacht hatte und im Juni 2018 zu dem Schluss gekommen sein soll, dass keine langfristigen Auswirkungen auf Kleinsäuger zu befürchten seien.

64      Die Klägerinnen fügen hinzu, dass, wenn die Kommission den vom berichterstattenden Mitgliedstaat vorgeschlagenen ursprünglichen Referenzwert für Säugetiere nicht im Oktober 2016 signifikant herabgesetzt und nach dieser Herabsetzung die im Juli 2018 vorgelegten höherstufigen Feldstudien akzeptiert hätte, die Risikobewertung für Säugetiere keinen Widerspruch hervorgerufen hätte und die Verwendungen für Säugetiere als unschädlich betrachtet worden wären.

65      Als Zweites weisen die Klägerinnen darauf hin, dass sie nicht die Möglichkeit erhalten hätten, sich zu einem Vorschlag für eine Neueinstufung von Thiram in der Schlussfolgerung der EFSA zu äußern.

66      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen.

67      Die Wahrung der Verfahrensrechte ist in allen Verfahren gegenüber einer Person, die zu einer beschwerenden Maßnahme führen können, ein elementarer Grundsatz des Unionsrechts, der auch dann zu beachten ist, wenn eine Regelung für das betreffende Verfahren fehlt. Dieser Grundsatz gebietet es, dass die Adressaten von Entscheidungen, die ihre Interessen spürbar beeinträchtigen, in die Lage versetzt werden, ihren Standpunkt in sachdienlicher Weise vorzutragen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Juni 2006, Dokter u. a., C‑28/05, EU:C:2006:408, Rn. 74 und die dort angeführte Rechtsprechung).

68      Bei Rechtsakten mit allgemeiner Geltung hingegen verlangen nach den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts, wie dem Anspruch auf Anhörung, Konsultierung und Information, weder der Prozess ihrer Ausarbeitung noch diese Rechtsakte selbst die Beteiligung der betroffenen Personen. Anders verhält es sich dann, wenn eine ausdrückliche Bestimmung des Rechtsrahmens, der den Erlass dieses Rechtsakts regelt, einer betroffenen Person ein solches Verfahrensrecht verleiht (vgl. Urteil vom 19. Dezember 2019, Probelte/Kommission, T‑67/18, EU:T:2019:873, Rn. 87 und die dort angeführte Rechtsprechung).

69      Außerdem ist entschieden worden, dass die auf der Grundlage der Verordnung Nr. 1107/2009 erlassenen Maßnahmen zur Genehmigung, Verlängerung der Genehmigung oder Erneuerung der Genehmigung von Wirkstoffen allgemeine Geltung haben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. September 2018, Mellifera/Kommission, T‑12/17, EU:T:2018:616, Rn. 71).

70      Im vorliegenden Fall betrifft die angefochtene Durchführungsverordnung zum einen die Nichterneuerung der Genehmigung für Thiram sowie das Verbot der Verwendung und des Verkaufs von Saatgut, das mit Thiram enthaltenden Pflanzenschutzmitteln behandelt wurde, gemäß der Verordnung Nr. 1107/2009 und zum anderen sind die Klägerinnen nicht Adressaten dieser Durchführungsverordnung. Demnach ist die Durchführungsverordnung als Rechtsakt mit allgemeiner Geltung anzusehen.

71      In diesem Zusammenhang handelt es sich bei den Verfahrensrechten, in deren Genuss die Klägerinnen im Rahmen des Verfahrens zur Erneuerung der Genehmigung für Thiram kommen, um die Rechte, die in der Verordnung Nr. 1107/2009 mit den allgemeinen Bestimmungen über u. a. das Verfahren zur Erneuerung der Genehmigung für einen Wirkstoff und in der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 mit den besonderen Bestimmungen für das Verfahren zur Erneuerung der Genehmigung für einen Wirkstoff ausdrücklich vorgesehen sind.

72      Konkret geht in Bezug auf die Rechte des Antragstellers, im Laufe der Bewertung eines Antrags auf Erneuerung der Genehmigung für einen Wirkstoff gehört zu werden, aus der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 hervor, dass der Antragsteller eine Stellungnahme zum Entwurf des Berichts über die Bewertung der Erneuerung einerseits (Art. 12 Abs. 3) und zum Bericht der Kommission über die Erneuerung andererseits (Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 3) einreichen kann.

73      Aus Art. 12 Abs. 1 und 3 der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 ergibt sich, dass die EFSA den vom berichterstattenden Mitgliedstaat übermittelten Entwurf des Berichts über die Bewertung der Erneuerung spätestens 30 Tage nach Erhalt an den Antragsteller und die übrigen Mitgliedstaaten weiterleitet und dass sie für die Einreichung schriftlicher Stellungnahmen eine Frist von 60 Tagen ab dem Datum einräumt, an dem der Bericht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Klägerinnen gemäß Art. 12 Abs. 3 dieser Durchführungsverordnung Gelegenheit gehabt haben, zum Entwurf des Berichts über die Bewertung der Erneuerung Stellung zu nehmen (vgl. oben, Rn. 18).

74      Nach Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 3 der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 erhält der Antragsteller Gelegenheit, innerhalb einer Frist von 14 Tagen zum Bericht über die Erneuerung Stellung zu nehmen. Diese Gelegenheit haben die Klägerinnen erhalten, und sie haben sie genutzt, wie oben aus Rn. 26 hervorgeht.

75      Darüber hinaus ist von Belang, dass die Kommission die Klägerinnen mit E‑Mail vom 31. Januar 2017 aufgefordert hat, zur Schlussfolgerung der EFSA Stellung zu nehmen, gleichzeitig aber klargestellt hat, dass die einschlägige Regelung keine formelle Anhörung der Antragsteller zu solchen Schlussfolgerungen vorsehe. Die Klägerinnen haben ihre Stellungnahme am 22. Februar 2017 vorgelegt. Darüber hinaus hat im Mai 2017 ein Treffen zwischen der Kommission und den Klägerinnen stattgefunden, in dessen Verlauf diese ihren Standpunkt darlegen konnten.

76      Einleitend ist zu bemerken, dass die Kommission in der angefochtenen Durchführungsverordnung ein hohes Risiko für Vögel festgestellt hat und dieses Risiko auf der Grundlage eines Referenzwerts festgelegt worden ist, der gegenüber dem vom berichterstattenden Mitgliedstaat berücksichtigten Referenzwert nicht geändert worden war. Im Übrigen machen die Klägerinnen insoweit keine Verletzung ihres Rechts auf Anhörung geltend.

77      Als Erstes ist zur Rüge der Klägerinnen, wonach sie sich auf der Sitzung 148, die vor der Annahme des aktualisierten Berichts des berichterstattenden Mitgliedstaats über die Bewertung der Erneuerung im November 2016 stattgefunden habe, nicht zur Herabsetzung des bei der Bewertung des langfristigen Risikos für Säugetiere gewählten Referenzwerts hätten äußern können, Folgendes anzumerken.

78      Zunächst geht aus dem Peer-Review-Bericht für Thiram von Januar 2017, genauer gesagt aus dem Berichtsverzeichnis, das vom 27. Juni 2016 datiert, hervor, dass vor der Sitzung 148 Stellungnahmen zu dem von den Klägerinnen vorgeschlagenen und vom berichterstattenden Mitgliedstaat im Entwurf des Berichts über die Bewertung der Erneuerung herangezogenen relevanten Referenzwert abgegeben worden waren. Im Rahmen ihrer Stellungnahmen haben die Klägerinnen Gelegenheit gehabt, zum einen den von ihnen in ihrem Antrag vorgeschlagenen und vom berichterstattenden Mitgliedstaat in diesem Entwurf herangezogenen Referenzwert zu verteidigen und sich zum anderen zur wissenschaftlichen Studie von 2005 zu äußern, die später als Grundlage für die Festsetzung eines niedrigeren Referenzwerts dienen sollte.

79      Sodann steht fest, dass die Sachverständigen auf der Sitzung 148 beschlossen haben, für die Bewertung des langfristigen Risikos für Säugetiere einen Referenzwert von 1,6 mg/kg festzulegen, und dieser Referenzwert in die Schlussfolgerung der EFSA übernommen worden ist.

80      Darüber hinaus haben die Klägerinnen, worauf sie im Rahmen ihrer schriftlichen Antworten auf Fragen des Gerichts hingewiesen haben, in ihren Stellungnahmen vom 22. Februar 2017 zur Schlussfolgerung der EFSA erklärt, dass sie mit der Herabsetzung des in Rede stehenden Referenzwerts nicht einverstanden seien, weil die Gründe für diese Entscheidung nicht klar seien, die Nachweismethode nicht die tatsächlichen Expositionsparadigmen für Säugetiere abbilde und der gewählte Referenzwert wissenschaftlich angreifbar sei.

81      Außerdem haben die Klägerinnen ihren Dissens in einem Antragsdokument, das sie der Kommission im Hinblick auf ein Treffen mit dieser im Mai 2017 übermittelt haben, bekräftigt. Bei dieser Gelegenheit haben sie u. a. erläutert, dass die wissenschaftliche Studie von 2005, die als Grundlage für die Festsetzung des angefochtenen Referenzwerts gedient hatte, zu konservativ sei und nicht durch eine auf dem Beweiswert der Daten beruhende Auslegung gestützt werde.

82      Schließlich ist daran zu erinnern, dass die Kommission die Klägerinnen am 14. Juni 2017 aufgefordert hat, innerhalb einer Frist von 14 Tagen zu ihrem Bericht über die Erneuerung Stellung zu nehmen. Bei dieser Gelegenheit hat sie klargestellt, dass die Stellungnahmen der Klägerinnen an den Ständigen Ausschuss weitergeleitet würden.

83      Die Klägerinnen sind dieser Aufforderung am 26. Juni 2017 nachgekommen, wobei sie ihre Stellungnahmen auf die Saatgutbehandlung beschränkt haben. Die Stellungnahmen der Klägerinnen sind in Form eines von einem Dritten für ihre Rechnung erstellten Berichts abgegeben worden, in dem erläutert wurde, dass über die Bewertung des Risikos für Vögel und Säugetiere auf der Ebene der Mitgliedstaaten entschieden werden könne, wenn zusätzliches Datenmaterial und eine überarbeitete Risikobewertung berücksichtigt würden. Diesem Bericht war ein von den Klägerinnen verfasster Anhang beigefügt. In diesem Anhang haben die Klägerinnen die wissenschaftliche Studie von 2005, die als Grundlage für die Festsetzung des Referenzwerts auf 1,6 mg/kg gedient hatte, erneut beanstandet.

84      Demnach haben die Klägerinnen im Einklang mit den Art. 12 und 14 der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 in jeder Phase des gemäß ihrem Erneuerungsantrag eingeleiteten Verfahrens Gelegenheit gehabt, in sachdienlicher Weise Stellung zu nehmen. Der Umstand, dass die Kommission die angefochtene Durchführungsverordnung, in der sie die Genehmigung für Thiram nicht erneuert hat, trotz des Inhalts der Stellungnahmen der Klägerinnen erlassen hat, kann nicht dahin ausgelegt werden, dass das Recht der Klägerinnen auf Anhörung verletzt worden wäre.

85      Die Klägerinnen berufen sich darüber hinaus auf die der Kommission nach Annahme der Schlussfolgerung der EFSA übermittelten Informationen, mit denen sich nachweisen lasse, dass das langfristige Risiko für Säugetiere als annehmbar angesehen werden müsse und das Erneuerungsverfahren daher zu einem anderen Ergebnis hätte führen können. Sie hätten die Kommission und die Mitgliedstaaten 2017 über die Existenz höherstufiger Feldstudien unterrichtet sowie in den Jahren 2017 und 2018 Aktualisierungen mittels der verfügbaren Ergebnisse geliefert, die bestätigten, dass das Risiko für Säugetiere annehmbar sei. Die Informationen seien von der Kommission jedoch nie berücksichtigt worden.

86      In diesem Zusammenhang haben die Klägerinnen in Reaktion auf die prozessleitenden Maßnahmen u. a. ausgeführt, dass sie im Dezember 2017 ein Treffen mit der Kommission gehabt hätten, in dessen Verlauf die ersten Ergebnisse der unlängst fertiggestellten höherstufigen Feldstudien vorgestellt und erörtert worden seien, und dass der Kommission diese Ergebnisse in einem Informationsblatt vom 23. Januar 2018 übermittelt worden seien.

87      An den Tagen, an denen die Klägerinnen der Kommission die Ergebnisse der „höherstufigen Feldstudien“ vorgestellt und übermittelt haben, nämlich am 7. Dezember 2017 und am 23. Januar 2018, war gemäß den Art. 12 und 14 der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 jedoch keinerlei Möglichkeit zur Vorlage neuen Datenmaterials bzw. zusätzlicher Informationen oder zur Einreichung von Stellungnahmen eröffnet. Selbst wenn unterstellt wird, dass die Ergebnisse der fraglichen Studien die Schlussfolgerung der EFSA zum langfristigen Risiko für Säugetiere – wobei dieses Risiko nach dem achten Erwägungsgrund der angefochtenen Durchführungsverordnung bei allen bewerteten repräsentativen Verwendungszwecken als hoch anerkannt wurde und einer der Gründe für die Nichterneuerung der Genehmigung für Thiram war (vgl. oben, Rn. 24) – in Frage gestellt hätten, ist demnach festzustellen, dass die Kommission nach der Verordnung Nr. 1107/2009 und der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 nicht verpflichtet war, sie in diesem Stadium zu prüfen. Im Übrigen haben die Klägerinnen in Beantwortung einer Frage des Gerichts erläutert, dass sie nicht die Rechtmäßigkeit des in diesen Rechtsakten vorgesehenen Verfahrens bestreiten würden.

88      Das Vorbringen der Klägerinnen, das aus der Tatsache, dass die Daten zu Vögeln und Säugetieren auf der Ebene der Mitgliedstaaten akzeptiert werden konnten, und aus der vom Königreich Belgien zur neuen Feldstudie durchgeführten Prüfung (vgl. oben, Rn. 63) hergeleitet wird, geht insoweit ins Leere, als es formal zur Stützung des fünften Klagegrundes angeführt wird, soll aber im Rahmen der Prüfung des zweiten und des dritten Klagegrundes, auf die es sich in Wirklichkeit bezieht, angesprochen werden (vgl. unten, Rn. 107 bis 147).

89      Als Zweites geht in Bezug auf die Rüge der Klägerinnen, wonach sie sich nicht zur Neueinstufung von Thiram hätten äußern können, aus den Akten, genauer gesagt aus dem Berichtsverzeichnis, hervor, dass die Frage des krebserzeugenden Charakters von Thiram, wie die Kommission in der Klagebeantwortung im Wesentlichen ausgeführt hat, bereits im Mai 2016 von zwei Mitgliedstaaten aufgeworfen worden war. Schon bei dieser Gelegenheit hatten sich die Klägerinnen veranlasst gesehen, Stellung zu nehmen und den krebserzeugenden Charakter von Thiram zu bestreiten sowie dessen etwaige Einstufung zu beanstanden.

90      Aus den Akten geht ferner hervor, dass die Klägerinnen im Anschluss an die an sie gerichtete Aufforderung der Kommission, sich zur Schlussfolgerung der EFSA zu äußern, Gelegenheit gehabt haben, den angeblich von der EFSA unterbreiteten Vorschlag für eine Einstufung von Thiram als krebserzeugend zu beanstanden. Bei dieser Gelegenheit haben die Klägerinnen erläutert, dass der Vorschlag sowohl aus verfahrensrechtlicher als auch aus wissenschaftlicher Sicht falsch sei. In einem Antragsdokument, das sie der Kommission im Hinblick auf ein Treffen mit dieser im Mai 2017 übermittelt haben, haben sie den Einstufungsvorschlag erneut gerügt.

91      Im Rahmen ihrer Stellungnahmen zum Entwurf eines Berichts über die Erneuerung haben die Klägerinnen ein weiteres Mal Gelegenheit gehabt, sich zu dieser Angelegenheit zu äußern. Der Umstand, dass sie das nicht getan haben, kann der Kommission nicht entgegengehalten werden.

92      Demnach haben die Klägerinnen während des Verfahrens betreffend den Einstufungsvorschlag für Thiram, den sie der EFSA zurechnen, Gelegenheit gehabt, in sachdienlicher Weise Stellung zu nehmen.

93      Aus den oben in den Rn. 75 bis 92 dargelegten Erwägungen geht hervor, dass das Verfahren zum Erlass der angefochtenen Durchführungsverordnung keine Unregelmäßigkeit aufweist, die eine Verletzung des Rechts der Klägerinnen auf Anhörung darstellen könnte.

94      Folglich ist der fünfte Klagegrund zurückzuweisen.

3.      Erster Klagegrund: Formfehler, der darin bestehen soll, dass die Kommission die Rücknahme des Antrags auf Erneuerung der Genehmigung für Thiram für eine Verwendung bei der Blattspritzung nicht berücksichtigt hat

95      Die Klägerinnen tragen vor, die Kommission hätte die allein mit den Verwendungen bei der Blattspritzung verbundenen Probleme, auf die die EFSA in ihrer Schlussfolgerung Bezug nehme, nicht berücksichtigen dürfen, da sie ihren Antrag auf Erneuerung der Genehmigung von Thiram für Verwendungen dieses Wirkstoffs als Blattspray zurückgenommen habe. Die Kommission habe trotz dieser Rücknahme nicht zwischen den Verwendungen von Thiram bei der Blattspritzung und den Verwendungen für die Saatgutbehandlung unterschieden.

96      Die Person, die eine Erneuerung der Genehmigung für einen Wirkstoff beantrage, habe nicht nur das Erneuerungsverfahren in Gang zu setzen, sondern müsse auch den Umfang der Überprüfung, insbesondere hinsichtlich der repräsentativen Verwendungszwecke der betreffenden Wirkstoffe, festlegen. Die Kommission hätte dem Antrag der Klägerinnen, der in Bezug auf die Verwendung von Thiram bei der Blattspritzung zurückgenommen worden sei, unter genauester Beachtung seines Wortlauts gemäß der Verordnung Nr. 1107/2009 und der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 stattgeben müssen.

97      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen.

98      In diesem Zusammenhang ist erstens hervorzuheben, dass die Verordnung Nr. 1107/2009 den Fall, dass die Person, die eine Erneuerung der Genehmigung für einen Wirkstoff beantragt, ihren Antrag für einen der von ihr zuvor bezeichneten repräsentativen Verwendungszwecke zurücknimmt, nicht vorsieht. Was das Dokument angeht, auf das sich die Klägerinnen in ihren Antworten auf die Fragen des Gerichts berufen, nämlich das mit „EFSA, Administrative guidance on submission of dossiers and assessment reports for the peer-review of pesticide active substances“ überschriebene Dokument, so wird in diesem Dokument zwar erläutert, dass ein Antragsteller, wenn er seinen Antrag zu irgendeinem Zeitpunkt zurücknehmen möchte, den berichterstattenden Mitgliedstaat schriftlich darüber informieren und auch der EFSA und der Kommission die Rücknahme per E‑Mail mitteilen muss. Das genannte Dokument bezieht sich jedoch auf ein Verfahren, das mit der Einreichung eines Antrags beginnt und mit dem Erlass und der Veröffentlichung der Schlussfolgerung der EFSA endet. Darüber hinaus ist zu bemerken, dass das fragliche Dokument von 2019 datiert und damit zeitlich nach dem Erlass der angefochtenen Durchführungsverordnung liegt. Außerdem sieht das Dokument den Fall einer teilweisen Rücknahme des Erneuerungsantrags nicht vor. Schließlich heißt es in ihm, dass sich die Rücknahme eines Antrags nach Annahme der Schlussfolgerung der EFSA nicht auf das angenommene Ergebnis auswirkt, das auf jeden Fall im EFSA Journal veröffentlicht wird.

99      Zweitens ist zum einen festzustellen, dass die Klägerinnen, wie die Kommission im zwölften Erwägungsgrund der angefochtenen Durchführungsverordnung klargestellt hat, am 18. Mai 2018 die Rücknahme des Erneuerungsantrags für die repräsentativen Verwendungszwecke hinsichtlich der Verwendung bei der Blattspritzung beantragt hatten. Zum anderen hat die Kommission im 13. Erwägungsgrund derselben Durchführungsverordnung vorgesehen, dass die Durchführungsverordnung Nr. 540/2011 entsprechend geändert wird.

100    Drittens ist zunächst darauf hinzuweisen, dass es sich bei der angefochtenen Durchführungsverordnung um einen Rechtsakt mit allgemeiner Geltung handelt (vgl. oben, Rn. 70), der auf einen von den Klägerinnen eingereichten Erneuerungsantrag hin erlassen worden ist. In diesem Antrag haben die Klägerinnen die Tragweite des Risikobewertungsprozesses frei definiert, als sie zwei repräsentative Verwendungszwecke aufgenommen haben.

101    Sodann ist die Rücknahme des Antrags auf Erneuerung der Genehmigung für Thiram hinsichtlich der Verwendung bei der Blattspritzung am 18. Mai 2018 erfolgt, d. h. nach Abschluss des Risikobewertungsprozesses, der sich in der Annahme der Schlussfolgerung der EFSA am 27. Januar 2017 verkörpert hat.

102    Im Übrigen hatte die EFSA in ihrer Schlussfolgerung mehrere Risiken im Zusammenhang mit der Anwendung von Thiram als Blattspray, insbesondere ein hohes akutes Risiko für Verbraucher und Verwender, festgestellt. Das hohe akute Risiko für Verbraucher und Verwender wird von den Klägerinnen im Rahmen der vorliegenden Klage nicht bestritten.

103    Außerdem betrafen die ermittelten Risiken im Zusammenhang mit der Anwendung von Thiram als Blattspray bereits auf dem Markt befindliche Produkte. Die bewerteten Risiken waren somit tatsächliche und keine hypothetischen Risiken. Würde der Argumentation der Klägerinnen gefolgt, wonach im Wesentlichen die Kommission jeden Verweis auf die Anwendung als Blattspray hätte streichen und eine Neubewertung auf der Grundlage der Saatgutbehandlung hätte vornehmen müssen, wäre die Annahme eines Standpunkts zur Erneuerung der Genehmigung für Thiram verzögert worden.

104    Schließlich führt die Kommission, wie aus dem zwölften Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1107/2009 hervorgeht, die Aufgabe des Risikomanagements durch und trifft die endgültige Entscheidung über einen Wirkstoff. Im Rahmen ihrer Rolle als Risikomanagerin hat die Kommission im vorliegenden Fall die Auffassung vertreten, die Bedenken im Zusammenhang mit Thiram, insbesondere die Bedenken im Zusammenhang mit der Anwendung dieses Stoffs bei der Blattspritzung, hätten ungeachtet des von den Klägerinnen angeführten Vorbringens nicht ausgeräumt werden können. Ebenfalls im Rahmen dieser Rolle und um aus ihren Feststellungen die für die gesamte Union geltenden Folgen zu ziehen, hat die Kommission in Art. 5 der angefochtenen Durchführungsverordnung vorgesehen: „Etwaige Aufbrauchfristen, die die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 46 der Verordnung … Nr. 1107/2009 einräumen, müssen so kurz wie möglich sein und spätestens am 30. April 2019 für Pflanzenschutzmittel zur Blattspritzung enden …“

105    Trotz der teilweisen Rücknahme des Erneuerungsantrags durch die Klägerinnen war die Kommission daher nicht verpflichtet, die angefochtene Durchführungsverordnung ausschließlich auf Gründe im Zusammenhang mit der Verwendung von Thiram für die Saatgutbehandlung zu stützen. Darüber hinaus war sie auch nicht verpflichtet, eine auf die Verwendung von Thiram für die Saatgutbehandlung beschränkte Neubewertung der Risiken vorzunehmen oder vornehmen zu lassen.

106    Die Argumentation der Klägerinnen, mit der eine Verfahrensunregelmäßigkeit oder ganz allgemein ein Formfehler geltend gemacht wird, ist somit zurückzuweisen. Folglich ist der erste Klagegrund zurückzuweisen.

4.      Zweiter und dritter Klagegrund: Offenkundiger Beurteilungsfehler bzw. Verstoß gegen Art. 4 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1107/2009

107    Der zweite und der dritte Klagegrund sind zusammen zu prüfen. Diese Klagegründe sind nämlich eng miteinander verknüpft, da sich der dritte Klagegrund im Wesentlichen auf die Folgen eines im Rahmen des zweiten Klagegrundes geltend gemachten offenkundigen Beurteilungsfehlers bezieht.

108    Konkret machen die Klägerinnen im Rahmen des zweiten Klagegrundes geltend, die Kommission habe insoweit einen offenkundigen Beurteilungsfehler begangen, als die Rücknahme des Antrags auf Erneuerung der Genehmigung von Thiram für eine Verwendung bei der Blattspritzung einen der relevanten Gesichtspunkte des vorliegenden Falls darstelle, der sorgfältig und unvoreingenommen hätte geprüft werden müssen. Die Tatsache, dass die Kommission die Verwendungen von Thiram bei der Blattspritzung und die Verwendungen für die Saatgutbehandlung zusammen bewertet habe, habe ihre Schlussfolgerung zu Thiram beeinflusst.

109    Die Klägerinnen stellen insoweit erstens fest, dass bei der Verwendung von Thiram für die Saatgutbehandlung nur im Zusammenhang mit Vögeln und Säugetieren ein Risiko bestehe, so dass das hohe akute Risiko für Verbraucher, Arbeiter und Wasserorganismen hinsichtlich der Exposition gegenüber DMCS nicht hätte berücksichtigt werden dürfen, da die Verwendung von Thiram bei der Blattspritzung aus ihrem Antrag auf Erneuerung der Genehmigung für Thiram gestrichen worden sei.

110    Zweitens bezögen sich die von der Kommission in der angefochtenen Durchführungsverordnung angeführten unvollständigen Informationen über den Metaboliten M1, aus denen keine Rückstandsdefinitionen für die Risikobewertung hätten abgeleitet werden können, nur auf die Verwendungen von Thiram bei der Blattspritzung. Jedenfalls berufen sich die Klägerinnen auf ein Dossier über die Genotoxizität, wonach dieser Metabolit nicht genotoxisch sei. Sie weisen insoweit darauf hin, dass im „ursprünglichen Dossier“ keine Rückstandsdefinition für den Metaboliten enthalten sei und sich diese erst im Verlauf des „Prüfverfahrens“ durch Einbeziehung des fraglichen Metaboliten herausgebildet habe. Eine solche Weiterentwicklung könne nicht geltend gemacht werden, um sich der Erneuerung der Genehmigung für Thiram zu widersetzen; auch hätten sie im Einklang mit den Leitlinien der Kommission (SANCO/2010/13170 Rev. 14 vom 7. Oktober 2016) in die Lage versetzt werden müssen, zusätzliches Datenmaterial vorzulegen. Der in Rede stehende Metabolit sei für die Behandlung von Maissaatgut irrelevant, und Mais stelle den einzigen repräsentativen Verwendungszweck für diese Behandlung dar.

111    Drittens hingen auch das Risiko für Wasserorganismen hinsichtlich der Exposition gegenüber DMCS einerseits und die Tatsache, dass es bei der Wasseraufbereitung von Oberflächen- und Grundwasser, das Thiram und seinen Metaboliten DMCS enthalte, zur Entstehung von NDMA im Trinkwasser komme, andererseits ausschließlich mit den Verwendungen von Thiram bei der Blattspritzung zusammen. Die Klägerinnen stellen insoweit klar, dass die geschätzten Expositionen gegenüber DMCS und NDMA bei Verwendungen von Thiram für die Saatgutbehandlung unter denen lägen, die in der Union als annehmbar angesehen würden. Zum Risiko für Wasserorganismen hinsichtlich der Exposition gegenüber DMCS weisen sie darauf hin, dass die EFSA keinerlei Bedenken wegen Mais äußere. Außerdem beziehe sich dieses Risiko auf einen „Datenmangel“ und nicht auf „ernsthafte Bedenken“, die einer Genehmigung entgegenstünden. Was die etwaige Entstehung von NDMA im Trinkwasser angehe, so sei in der Unionsregelung keine annehmbare Grenze für NDMA vorgesehen. In diesem Zusammenhang berufen sich die Klägerinnen auf den sogenannten Ansatz der „Schwelle für toxikologische Bedenken“, aus dem sich ergebe, dass die geschätzten NDMA-Konzentrationen im Trinkwasser nach der Wasseraufbereitung bei der Saatgutbehandlung wesentlich niedriger lägen. Außerdem hätte die Kommission bei der Bewertung der tolerierbaren NDMA-Konzentration nicht den Grundsatz „so niedrig wie vernünftigerweise erreichbar“ anwenden dürfen, wonach, so die Kommission, die Menge des Stoffes so gering wie vernünftigerweise erreichbar sein und eine Exposition Null angestrebt werden sollte.

112    Viertens sind die Klägerinnen der Ansicht, dass Thiram keinen Anlass zu Bedenken hinsichtlich endokrinschädigender Eigenschaften gebe.

113    Im Rahmen des dritten Klagegrundes vertreten die Klägerinnen die Auffassung, der von der Kommission begangene offenkundige Beurteilungsfehler, der im Rahmen des zweiten Klagegrundes gerügt worden sei, habe zu einem Verstoß gegen Art. 4 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1107/2009 geführt. Aus dieser Vorschrift gehe hervor, dass es für die Genehmigung eines Wirkstoffs genüge, wenn ein einziger risikofreier Verwendungszweck nachgewiesen werde. Thiram könne vollkommen unbedenklich bei der Saatgutbehandlung verwendet werden, was sie auch nachgewiesen hätten.

114    Das Risiko im Zusammenhang mit Vögeln und Säugetieren sei das einzige Risiko, das bei der Verwendung von Thiram für die Saatgutbehandlung eingegangen werde. Dieses Risiko sei jedoch gering und annehmbar und gebe somit keinen Anlass zu Bedenken. Die Klägerinnen berufen sich insoweit auf die allgemeinen Schlussfolgerungen des berichterstattenden Mitgliedstaats im aktualisierten Bericht über die Bewertung der Erneuerung, aus denen hervorgehe, dass die Saatgutbehandlung mit Thiram bei Kleinsäugern, etwa Nagetieren, keinerlei Anlass zu Bedenken gebe. Außerdem würden diese Schlussfolgerungen, die von allen anderen Mitgliedstaaten während der Frist für die Einreichung von Stellungnahmen gebilligt worden seien, weder in der Schlussfolgerung der EFSA noch im Prüfbericht der Kommission über Thiram erwähnt.

115    Die Klägerinnen unterstreichen, dass die Frage der Vögel und Säugetiere, wie die EFSA durchaus anerkannt habe, auf der Ebene der Mitgliedstaaten bewertet werden könne. In der Erwiderung und in der mündlichen Verhandlung haben sie darauf hingewiesen, dass die Kommission weder geprüft noch zu irgendeinem Zeitpunkt erläutert habe, inwiefern die Anwendung von Maßnahmen zur Risikominderung, insbesondere bei der Behandlung von Maissaatgut, unannehmbar sei. Das Risiko für Vögel und Säugetiere könne auf der Ebene der Mitgliedstaaten bewertet werden, da sich dieses Risiko auf Rückstände sowie auf Vögel und Säugetiere in genau festgelegten Gebieten beziehe. Es sei eine gängige Praxis, diese Aufgaben für Maßnahmen zur Risikominderung auf den Feldern an die Mitgliedstaaten zu delegieren, da in Abhängigkeit von den prioritären Arten, den Landschaftstypen, usw. von einem Mitgliedstaat zum anderen Unterschiede bestehen könnten.

116    Was die Risikobewertung für Säugetiere im Allgemeinen betrifft, so beziehen sich die Klägerinnen ebenfalls auf den aktualisierten Bericht über die Bewertung der Erneuerung, aus dem hervorgehe, dass dieses Risiko gering sei. Außerdem würden die repellierenden Eigenschaften von Thiram gegenüber Vögeln und Säugetieren nicht nur von ihnen selbst – durch das von ihnen vorgelegte Dossier – nachgewiesen, sondern auch durch in Europa, den Vereinigten Staaten, Indien und Neuseeland verfügbare bibliografische Quellen sowie durch ergänzende Veröffentlichungen, die der berichterstattende Mitgliedstaat berücksichtigt und im aktualisierten Bericht über die Bewertung der Erneuerung aufgeführt habe. Zudem bestätigten die Ergebnisse der von ihnen durchgeführten Studien zur Senkung der Rückstandsgehalte in Saatgut und jungen Trieben einerseits und der höherstufigen Feldstudien zur Folgenabschätzung durch Simulation einer realistischen Verwendung bei der Saatgutbehandlung andererseits, dass die Risiken für Vögel, die mit Thiram behandeltes Saatgut aufnähmen, annehmbar seien.

117    Darüber hinaus machen die Klägerinnen geltend, die in der Schlussfolgerung der EFSA erwähnte Frage der Saatgutbehandlung im Zusammenhang mit Vögeln und Säugetieren entspreche jedenfalls einem Risiko, das nicht abschließend habe beurteilt werden können, aber von den Problembereichen unterschieden werden müsse, so dass diese Angelegenheit auf nationaler Ebene behandelt und zum Abschluss gebracht werden könne.

118    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen.

119    Als Erstes ist zu prüfen, ob die unvollständigen Informationen über den Metaboliten M1, das Risiko für Wasserorganismen hinsichtlich der Exposition gegenüber DMCS und die etwaige Entstehung von NDMA im Trinkwasser, wie die Klägerinnen vortragen, offenkundig ausschließlich mit den Verwendungen von Thiram bei der Blattspritzung zusammenhängen.

120    Erstens wird im achten Erwägungsgrund der angefochtenen Durchführungsverordnung in Bezug auf die unvollständigen Informationen über den Metaboliten M1 erläutert, dass aufgrund dieses Datenmangels keine Rückstandsdefinitionen für die Risikobewertung abgeleitet werden konnten, so dass die Beurteilung des mit der Nahrungsaufnahme verbundenen Risikos für die Verbraucher nicht abgeschlossen werden konnte und keine Rückstandshöchstgehalte festgelegt werden konnten. Insoweit ist festzustellen, worauf die Kommission in Reaktion auf die prozessleitenden Maßnahmen hingewiesen hat, dass, wie aus der Schlussfolgerung der EFSA, auf die die angefochtene Durchführungsverordnung Bezug nimmt, hervorgeht, ein Mangel an Daten zu den Rückständen vorliegt, die für eine abschließende Bewertung der Verwendung von Thiram bei der Behandlung von Maissaatgut erforderlich sind. Der EFSA zufolge konnten die verfügbaren Tests zur Ermittlung von Rückständen in Mais und die Analyse auf das Vorkommen (speziell) von Thiram nämlich nicht als gültige und ausreichende kritische gute landwirtschaftliche Praktiken im Norden und Süden der Union angesehen werden, da die Analyse auf Rückstände (speziell) von Thiram in Mais nicht durch die verfügbaren Daten zur Lagerungsstabilität dieser Verbindung gedeckt war. Für die Bestimmung des Vorkommens (speziell) von Thiram seien geeignete Tests zur Ermittlung von Rückständen in Mais erforderlich, bei denen die Rückstandsproben unmittelbar nach ihrer Entnahme analysiert würden.

121    Zweitens ist zum Risiko für Wasserorganismen hinsichtlich der Exposition gegenüber DMCS festzustellen, dass, worauf die Kommission in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat, in der Schlussfolgerung der EFSA von einem hohen Risiko für alle relevanten Verwendungszwecke die Rede war. Wie die Kommission ebenfalls in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, geht aus der Schlussfolgerung der EFSA ferner hervor, dass für alle repräsentativen Verwendungszwecke Daten zu diesem Risiko fehlten.

122    Drittens ist zur etwaigen Entstehung von NDMA im Trinkwasser zu sagen, dass sich die Klägerinnen zum Nachweis dafür, dass die geschätzten DMCS- und NDMA-Konzentrationen unter denen liegen, die in der Union als für die Saatgutbehandlung annehmbar angesehen werden, und dass diese Konzentrationen ausschließlich für Verwendungen bei der Blattspritzung berechnet worden sind, auf ein Synthesedokument berufen, das sie der EFSA im Juli 2016 vorgelegt haben. Sie tragen vor, dieses von der EFSA geprüfte Synthesedokument beziehe sich lediglich auf Anwendungen bei der Blattspritzung und nicht auf die Saatgutbehandlung.

123    Aus der Schlussfolgerung der EFSA geht insoweit hervor, dass diese das Dokument tatsächlich geprüft hat. Sie hat jedoch angemerkt, dass der Antragsteller darin im Wesentlichen den Schluss gezogen habe, dass bei der Wasseraufbereitung die Entstehung von NDMA zu erwarten sei. Zudem habe der berichterstattende Mitgliedstaat keine detaillierte, transparente und unabhängige Beurteilung dieser Information über die Entstehung von NDMA geliefert. Daher hat sie für alle bewerteten repräsentativen Verwendungszwecke eine Lücke in den Daten festgestellt, die zu einem Punkt führte, der nicht abschließend bewertet werden konnte. Wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, ist die EFSA somit davon ausgegangen, dass das Synthesedokument für alle bewerteten repräsentativen Verwendungszwecke relevant sei. Außerdem geht aus diesem Dokument, das die Klägerinnen ihren Antworten auf die prozessleitenden Maßnahmen beigefügt haben, offenkundig nicht hervor, dass es sich lediglich auf die Trinkwasseraufbereitung nach einer Anwendung bei der Blattspritzung bezieht. Die Klägerinnen haben jedenfalls nicht erläutert, weshalb das der Fall sein soll. Zu dem Dokument, das die Klägerinnen der Klageschrift als Anhang beigefügt haben und das sie als „Aktualisierung“ des Synthesedokuments von Juli 2016 bezeichnen, ist festzustellen, dass es von August 2017 datiert und der Kommission am 29. August 2017 vorgelegt worden ist. Es sei jedoch daran erinnert, dass zu diesem Zeitpunkt gemäß den Art. 12 und 14 der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 keinerlei Möglichkeit zur Vorlage neuen Datenmaterials bzw. zusätzlicher Informationen oder zur Einreichung von Stellungnahmen eröffnet war (vgl. oben, Rn. 87). Aus dem Dokument geht jedenfalls nicht hervor, dass bei der Saatgutbehandlung kein NDMA entstehen kann, wenn Oberflächen- und Grundwasser, das Thiram und seinen Metaboliten DMCS enthält, aufbereitet wird.

124    Folglich hängen die Bedenken und der Datenmangel, von denen oben in Rn. 119 die Rede ist, entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen nicht offenkundig ausschließlich mit den Verwendungen von Thiram bei der Blattspritzung zusammen.

125    Als Zweites ist zu prüfen, ob die Kommission, wie die Klägerinnen im Wesentlichen vortragen, einen offenkundigen Fehler bei der Würdigung des Sachverhalts begangen hat, als sie sich in der angefochtenen Durchführungsverordnung in Bezug auf die Saatgutbehandlung auf die Unvollständigkeit der verfügbaren Informationen über den Metaboliten M1, das Risiko für Wasserorganismen hinsichtlich der Exposition gegenüber DMCS und die Unmöglichkeit gestützt hat, die Entstehung von NDMA im Trinkwasser auszuschließen.

126    Erstens weisen die Klägerinnen bezüglich der Unvollständigkeit der verfügbaren Informationen über den Metaboliten M1 darauf hin, dass im Verlauf des Bewertungsprozesses vorgeschlagen worden sei, die Rückstandsdefinition durch Einbeziehung des genannten Metaboliten, der im „ursprünglichen Dossier“ nicht enthalten war, zu ändern. Eine solche Weiterentwicklung der Rückstandsdefinition könne der Erneuerung der Genehmigung von Thiram für die Saatgutbehandlung nicht entgegenstehen, da der Metabolit für diesen Verwendungszweck nicht relevant sein könne.

127    Obwohl auch die Kommission anerkennt, dass der Metabolit M1 für den spezifischen repräsentativen Verwendungszweck bei Mais irrelevant ist, stellt sie in diesem Zusammenhang fest, dass auf der Grundlage der verfügbaren Informationen weder eine Bewertung der von Mais ausgehenden Risiken für die Verbraucher habe vorgenommen noch ein Rückstandshöchstgehalt (RHG) für die Verwendung bei der Behandlung von Maissaatgut habe festgelegt werden können. Zur Stützung dieser Behauptung führt die Kommission die Schlussfolgerung der EFSA an, aus der hervorgeht, dass, „da für eine abschließende umfassende Bewertung der Exposition der Verbraucher Daten fehlen, ein RHG (speziell) für Thiram in Mais nicht vorgeschlagen werden kann“.

128    Insoweit ist festzustellen, dass die Klägerinnen die fragliche Behauptung bestreiten und sich dabei auf Informationen über Rückstände in Mais berufen, die übermittelt und anhand der zum damaligen Zeitpunkt geltenden Rückstandsdefinition bewertet worden sein sollen – nicht im Licht der Definition, die die EFSA im Rahmen der Bewertung der Erneuerung der Genehmigung für Thiram verwendet hatte. Selbst wenn die Klägerinnen erwarteten, dass die Rückstandsdefinition während der gesamten Bewertung die gleiche bleiben würde, haben sie keinen Grund für eine solche Erwartung vorgebracht.

129    Zweitens weisen die Klägerinnen, was das Bestehen eines hohen Risikos für Wasserorganismen hinsichtlich der Exposition gegenüber DMCS angeht, zunächst darauf hin, dass nach Tabelle 5 der Schlussfolgerung der EFSA keine Bedenken betreffend das Risiko für diese Organismen in Bezug auf Mais festgestellt worden seien. Die Kommission hat insoweit in der mündlichen Verhandlung erläutert, ohne dass die Klägerinnen dem widersprochen hätten, weshalb das Risiko für Wasserorganismen in Bezug auf Mais nicht erwähnt worden war. Aus diesen Erläuterungen geht hervor, dass, wenn im Verlauf der ursprünglichen Prüfung ein hohes Risiko ermittelt wird und wenn ein Metabolit für zehn Mal toxischer als der Hauptstoff gehalten wird, die EFSA das ihrer „Problemübersicht“ in der Praxis nicht hinzufügt. In diesem Fall stützt sich die Bewertung auf das Worst-Case-Szenario und kann das ermittelte Risiko angesprochen werden, wenn Toxizitätsdaten vorgelegt worden sind, was die Klägerinnen nicht getan haben.

130    Sodann behaupten die Klägerinnen, die Bewertung sei ursprünglich anhand der Ausbringmengen bei Verwendungen als Blattspray durchgeführt worden. Was die Umweltkonzentrationen im Oberflächenwasser betreffe, so seien diese Mengen nach einer Verwendung als Blattspray viel höher als nach einer Saatgutbehandlung. Insoweit ist zu beachten, dass die Tatsache, dass die Umweltkonzentrationen bei einer Verwendung von Thiram für die Saatgutbehandlung weniger hoch sind, den Datenmangel, den die EFSA in Bezug auf das Bestehen eines hohen Risikos für Wasserorganismen hinsichtlich der Exposition gegenüber DMCS festgestellt hat, nicht in Frage stellt.

131    Schließlich ist zum Argument der Klägerinnen, wonach sich dieses Risiko auf einen „Datenmangel“ beziehe und nicht auf „ernsthafte Bedenken“, die einer Genehmigung entgegenstünden, festzustellen, dass, wie die Kommission im Wesentlichen vorträgt, wenn Daten fehlen oder ein Risiko nicht abschließend bewertet werden kann, dies nicht bedeutet, dass kein Risiko ermittelt wird, sondern möglicherweise einfach darauf hindeutet, dass der Antragsteller – zusätzlich zum ermittelten Risiko – nicht ausreichend Daten geliefert hat, um die Sicherheit zu bestätigen. Wie oben in Rn. 57 in Erinnerung gerufen worden ist, hat nämlich der Antragsteller, um die Genehmigung zu erlangen, nachzuweisen, dass die Bedingungen für die Genehmigung erfüllt sind, und nicht die Kommission den Nachweis zu erbringen, dass die Bedingungen für die Genehmigung nicht erfüllt sind, um sie verweigern zu können.

132    Drittens ist in Bezug auf die etwaige Entstehung von NDMA im Trinkwasser und insbesondere das Vorbringen der Klägerinnen, das aus dem Fehlen einer annehmbaren Grenze für die Bewertung der tolerierbaren NDMA-Konzentration auf Unionsebene und der diesbezüglichen Anwendung des Grundsatzes „so niedrig wie vernünftigerweise erreichbar“ durch die Kommission hergeleitet wird (vgl. oben, Rn. 111), Folgendes zu beachten. In Reaktion auf die prozessleitenden Maßnahmen hat die Kommission die Anwendung des Referenzwerts beanstandet, den die Klägerinnen zum Nachweis dafür heranziehen, dass die NDMA-Konzentration im Trinkwasser annehmbar ist. Zum einen hat sie darauf hingewiesen, dass der von den Klägerinnen gewählte sogenannte Ansatz der „Schwelle für toxikologische Bedenken“ nicht für sehr aktive krebserzeugende Stoffe wie beispielsweise N-Nitrosoverbindungen, zu denen NDMA gehöre, verwendet werden dürfe. Dazu hat sie auf die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Ausschusses der EFSA zu Schwellen für toxikologische Bedenken von 2012 verwiesen. Zum anderen hat sie sich gegen den von den Klägerinnen in der Klageschrift vorgeschlagenen Referenzwert gewendet, der auf der Stellungnahme des für Arbeiten über Materialien, die in Berührung mit Lebensmitteln kommen, Enzyme, Aromen und technische Hilfsstoffe zuständigen EFSA-Gremiums beruht, die der Klageschrift als Anhang beigefügt und am 1. März 2016 veröffentlicht worden ist. In dieser Stellungnahme geht es um die Ermittlung von Stoffen aus der Carcinogenic Potency Database, die besonders besorgniserregend sind, und zwar auch dann, wenn sie in Dosen von weniger als 0,0025 μg/kg Körpergewicht pro Tag eingenommen werden. Das Dokument, so die Kommission, bestätige, dass der Ansatz der „Schwelle für toxikologische Bedenken“ nicht anwendbar sei, da NDMA darin selbst bei Einnahme in Anteilen gleich oder kleiner als die Schwelle für toxikologische Bedenken als besonders besorgniserregender Stoff ausgewiesen werde.

133    In Anbetracht der vorstehenden Anmerkungen der Kommission, die von den Klägerinnen nicht in Frage gestellt worden sind, ist, ohne dass es einer Entscheidung über die Anwendung des von der Kommission in ihrer Klagebeantwortung geltend gemachten Grundsatzes „so niedrig wie vernünftigerweise erreichbar“ bedarf, davon auszugehen, dass mit dem von den Klägerinnen gewählten Ansatz zur Bewertung der annehmbaren NDMA-Konzentration im Trinkwasser nicht nachgewiesen wird, dass die geschätzten NDMA-Konzentrationen im Trinkwasser nach der Wasseraufbereitung bei der Saatgutbehandlung erheblich niedriger liegen, so dass, wie die Klägerinnen anführen, einzig und allein bei Verwendungen von Thiram für die Blattspritzung Bedenken bestehen.

134    Folglich haben die Klägerinnen nicht nachgewiesen, dass die Kommission einen offenkundigen Fehler bei der Würdigung des Sachverhalts begangen hat, als sie sich in der angefochtenen Durchführungsverordnung in Bezug auf die Saatgutbehandlung auf die Unvollständigkeit der verfügbaren Informationen über den Metaboliten M1, das Risiko für Wasserorganismen hinsichtlich der Exposition gegenüber DMCS und die Unmöglichkeit gestützt hat, die Entstehung von NDMA im Trinkwasser auszuschließen.

135    Als Drittes ist zu prüfen, ob die Kommission, wie die Klägerinnen vortragen, einen offenkundigen Beurteilungsfehler begangen hat, als sie sich geweigert hat, anzuerkennen, dass ein annehmbares Risiko für Vögel und Säugetiere bestand und dieses jedenfalls Gegenstand von Maßnahmen zur Risikominderung, insbesondere auf der Ebene der Mitgliedstaaten, sein konnte.

136    Aus der Schlussfolgerung der EFSA geht hervor, dass insbesondere für die Verwendung bei der Behandlung von Maissaatgut eine Schätzung der kritischen Futterfläche vorgenommen worden ist, dass sich die Sachverständigen aber selbst bei gleichzeitiger Berücksichtigung dieser Informationen und der verfügbaren quantitativen Risikobewertung darüber einig waren, dass ein geringes Risiko für die repräsentativen Verwendungszwecke nicht festgestellt werden konnte. Sie sind daher zu dem Schluss gekommen, dass nicht genügend Daten vorlägen, um eine eingehendere Prüfung des Risikos für Vögel und Säugetiere vorzunehmen.

137    Außerdem ist zu beachten, dass das langfristige Risiko für Vögel und Säugetiere, worauf die Kommission hinweist, als annehmbar angesehen wird, wenn der Wert des Toxizitäts-/Expositions-Verhältnisses über 5 liegt. Aus den Akten geht hervor, dass die von der EFSA angenommenen Werte für Vögel und Säugetiere deutlich unter diesem Wert lagen. In Reaktion auf die prozessleitenden Maßnahmen hat die Kommission nämlich klargestellt, dass diese Werte folgende waren: 0,47 für Ringeltauben, 2,77 für körnerfressende Kleinvögel und 0,06 oder 0,012 – wie von der Kommission im Rahmen der prozessleitenden Maßnahmen berichtigt – für Waldmäuse.

138    In diesem Zusammenhang ist hinzuzufügen, dass auch das der Kommission von den Klägerinnen in einer Präsentation vom 7. Dezember 2017 und in einem Informationsblatt von Januar 2018 vorgelegte neue Datenmaterial, wie die Kommission in Reaktion auf die prozessleitenden Maßnahmen ausführt, nicht bestätigt hat, dass für Säugetiere ein annehmbares Risiko bestand. Der Präsentation vom 7. Dezember 2017 zufolge war das von den Klägerinnen für dieses Risiko berechnete neue Toxizitäts-/Expositions-Verhältnis nämlich gleich 0,39 und lag damit, wie die Kommission zu Recht bemerkt, immer noch deutlich unter dem auf 5 festgelegten annehmbaren Wert.

139    Die vorstehende Feststellung kann nicht durch das Argument der Klägerinnen in Frage gestellt werden, wonach der mitberichterstattende Mitgliedstaat für Thiram, das Königreich Belgien, die Auffassung vertreten habe, mit den Daten zu Vögeln und Säugetieren lasse sich das Bestehen eines annehmbaren Risikos nachweisen. Die Klägerinnen haben insoweit auf die Stellungnahme des mitberichterstattenden Mitgliedstaats von Juni 2018 zu den etwaigen Auswirkungen neuer Studien verwiesen, die sie in Bezug auf das Ergebnis der Risikobewertung für Vögel und Säugetiere bei der vorgeschlagenen Verwendung für die Behandlung von Maissaatgut vorgelegt hatten. In dieser Stellungnahme hat das Königreich Belgien jedoch angemerkt, dass keine detaillierte Bewertung der Versuchsanordnung der Studien durchgeführt worden sei und somit keine Aussage zur Annehmbarkeit der jeweiligen Studien für eine Verwendung in einer Risikobewertung getroffen werden könne. Im Übrigen geht, worauf die Kommission in Beantwortung der im Rahmen der prozessleitenden Maßnahmen gestellten Fragen hinweist, aus derselben Stellungnahme hervor, dass der fragliche Mitgliedstaat Zweifel hinsichtlich der Frage geäußert hat, ob die Feldstudie über Säugetiere ausreichte, um das Bestehen eines annehmbaren langfristigen Risikos für diese Tiere nachzuweisen.

140    Was das Argument der Klägerinnen zur Anwendung von Risikominderungsmaßnahmen angeht, so wird zutreffend ausgeführt, dass der berichterstattende Mitgliedstaat, wie die EFSA in ihrer Schlussfolgerung speziell in Bezug auf die Verwendung von Thiram bei der Behandlung von Maissaatgut bemerkt hat, einige Maßnahmen zur Risikominderung vorgeschlagen hatte, die auf der Ebene der Mitgliedstaaten in Betracht gezogen werden könnten. Wie die Klägerinnen darlegen, geht aus dem aktualisierten Bericht über die Bewertung der Erneuerung von November 2016 hervor, dass der berichterstattende Mitgliedstaat folgende Risikominderungsmaßnahmen zum Schutz von Vögeln und wildlebenden Säugetieren vorgeschlagen hat: Zum einen sollte das Produkt vollständig in den Boden eingearbeitet werden, wobei sichergestellt sein musste, dass es auch am Ende der Furchen eingearbeitet war, und zum anderen sollten versehentlich verschüttete Produkte entfernt werden.

141    Aus Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 2 der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 geht jedoch hervor, dass die Kommission nicht an die Schlussfolgerung des berichterstattenden Mitgliedstaats gebunden ist, auch wenn sie sie bei der Ausarbeitung des Berichts über die Erneuerung, der als Grundlage für die angefochtene Durchführungsverordnung dient, „berücksichtigen“ muss, im Übrigen genauso, wie sie die Schlussfolgerung der EFSA berücksichtigen muss. Eine solche Berücksichtigung kann allerdings nicht wie eine Verpflichtung der Kommission ausgelegt werden, der Schlussfolgerung des berichterstattenden Mitgliedstaats in allen Punkten zu folgen, auch wenn diese Schlussfolgerung Ausgangspunkt für die Bewertung ist und ihr darin folglich ein erhebliches Gewicht zukommt.

142    Wie die Kommission zu Recht vorträgt, kann jedenfalls keine der beiden vom berichterstattenden Mitgliedstaat vorgeschlagenen und oben in Rn. 140 erwähnten Maßnahmen die Risiken mindern, die für Vögel im Zusammenhang mit keimenden Jungtrieben ermittelt worden waren. Außerdem geht aus den Akten hervor, dass zwei Mitgliedstaaten, nämlich das Königreich Schweden und das Königreich Dänemark, in ihren E‑Mails an die Kommission vom 9. Juni 2017 bzw. vom 1. September 2017 die Auffassung vertreten haben, dass einige der vom berichterstattenden Mitgliedstaat vorgeschlagenen Maßnahmen nicht „realistisch“ seien und „keine einzige für Vögel und Säugetiere unbedenkliche Verwendung nachgewiesen worden [sei]“.

143    Diese E‑Mails bestätigen im Übrigen auch, dass die Frage von Maßnahmen zur Minderung der Risiken für Vögel und Säugetiere durchaus Gegenstand von Erörterungen im Ständigen Ausschuss gewesen ist. Dass solche Erörterungen stattgefunden haben, wird ebenfalls durch die Tatsache belegt, dass die Möglichkeit eines Rückgriffs auf Maßnahmen zur Risikominderung einer der Gründe für die Nichtannahme einer Stellungnahme im Ständigen Ausschuss und im Beschwerdeausschuss war (vgl. oben, Rn. 31). Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Kommission, wie die Klägerinnen geltend machen, die Anwendung von Maßnahmen zur Risikominderung bei der Behandlung von Maissaatgut nicht geprüft hat.

144    Zum Argument der Klägerinnen, wonach die Kommission zu keinem Zeitpunkt erläutert habe, inwiefern die Anwendung von Maßnahmen zur Risikominderung bei der Behandlung von Maissaatgut unannehmbar sei, ist zu sagen, dass die Kommission diese Frage als für das Risikomanagement zuständige Behörde in der angefochtenen Durchführungsverordnung aussparen durfte, weil keinerlei Beweis dafür beigebracht worden war, dass solche Maßnahmen die Risiken für Vögel und Säugetiere auf ein annehmbares Niveau zurückführen würden.

145    Die Klägerinnen haben somit nicht nachgewiesen, dass die Kommission einen offenkundigen Beurteilungsfehler begangen hatte, als sie sich in der angefochtenen Durchführungsverordnung auf die Schlussfolgerung der EFSA gestützt hat, wonach bei der Saatgutbehandlung mit Thiram ein hohes Risiko für Vögel und Säugetiere bestehe. Sie haben auch nicht nachgewiesen, dass die Kommission einen offenkundigen Beurteilungsfehler begangen hatte, als sie sich geweigert hat, anzuerkennen, dass das Risiko für diese Tiere annehmbar sei.

146    Als Viertes schließlich hat die Kommission in Bezug auf das Argument der Klägerinnen, wonach Thiram keinerlei Anlass zu Bedenken hinsichtlich endokrinschädigender Eigenschaften gebe, in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, ohne dass die Klägerinnen dem widersprochen hätten, dass die Frage der Stoffe mit endokriner Wirkung für die Entscheidung über die Erneuerung der Genehmigung von Thiram nicht entscheidend oder maßgebend sei. Unter diesen Umständen hätte das Verfahren zur Erneuerung der Genehmigung für Thiram in Anbetracht der oben in den Rn. 124, 134 und 145 gezogenen Schlussfolgerungen selbst dann nicht zu einem anderen Ergebnis führen können, wenn Thiram, wie die Klägerinnen vortragen, keinerlei Anlass zu Bedenken hinsichtlich endokrinschädigender Eigenschaften gäbe.

147    In Anbetracht des Vorstehenden sind der zweite und der dritte Klagegrund zurückzuweisen.

5.      Vierter Klagegrund, der aus einem Ultra-vires-Vorschlag für eine Einstufung von Thiram hergeleitet wird

148    Die Klägerinnen machen geltend, die EFSA habe in ihrer Schlussfolgerung ultra vires gehandelt, soweit sie die Einstufung von Thiram als krebserzeugend der Kategorie 2 vorgeschlagen habe. Das der EFSA für die Durchführung ihrer Prüfung von der Kommission übertragene Mandat gestatte es Ersterer nicht, Vorschläge für eine solche Einstufung zu unterbreiten. Die Europäische Agentur für chemische Stoffe (ECHA) sei nach der Verordnung Nr. 1272/2008 die für die Einstufung bzw. Neueinstufung von Stoffen zuständige Behörde.

149    Der von der EFSA formulierte Einstufungsvorschlag habe sich nachteilig auf die von der Kommission durchgeführte Bewertung ausgewirkt, insbesondere was die Frage des Trinkwassers und der Toxizität für Säugetiere betreffe. Die Klägerinnen verweisen insoweit auf Tabelle 5 sowie auf die Seiten 9 und 10 der Schlussfolgerung der EFSA, in denen die Einstufung von Thiram als krebserzeugend der Kategorie 2 klar angedeutet werde. Wäre diese Einstufung nicht berücksichtigt worden, so die Klägerinnen, hätte die EFSA nicht vier der acht Expositionen für unannehmbar gehalten.

150    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen.

151    Zu prüfen ist, ob die EFSA, wie die Klägerinnen vortragen, ultra vires gehandelt hat, als sie die Einstufung von Thiram als krebserzeugend der Kategorie 2 vorgeschlagen hat.

152    Erstens ist die EFSA zwar nicht dafür zuständig, gemäß der Verordnung Nr. 1272/2008 Vorschläge für eine Einstufung der Gefahren, die mit in Pflanzenschutzmitteln enthaltenen Stoffen in Zusammenhang stehen, zu unterbreiten oder über eine solche Einstufung zu entscheiden. Nach den Bestimmungen dieser Verordnung spielt die EFSA nämlich weder im Rahmen der Selbsteinstufung, die jedem Hersteller, Importeur und nachgeschalteten Anwender des betreffenden Stoffs vorbehalten ist, noch im Rahmen der harmonisierten Einstufung, die von den oben erwähnten Personen oder von der zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats vorgeschlagen werden kann und zu der eine Stellungnahme der ECHA eingeholt wird, damit die Gefahren von Stoffen korrekt ermittelt und entsprechend angegeben werden können (zehnter Erwägungsgrund), im Hinblick auf die Vereinfachung des Handels sowohl im Binnenmarkt als auch weltweit (Erwägungsgründe 4 und 5) irgendeine Rolle.

153    Aus der Schlussfolgerung der EFSA geht jedoch nicht hervor, dass diese einen Vorschlag für eine Einstufung von Thiram als krebserzeugend der Kategorie 2 formuliert hat. In ihrer Schlussfolgerung hat sie nämlich lediglich darauf hingewiesen, dass in Bezug auf die Toxizität von Thiram für Säugetiere „alle Sachverständigen darin [übereinkamen], dass unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die in der Verordnung Nr. 1272/2008 vorgesehenen Kriterien [empfahlen], auch gutartige Tumore zu berücksichtigen, ein Vorschlag für eine Einstufung als krebserzeugend der Kategorie 2 H351 wegen eines hepatozellulären Adenoms und eines Adenoms der C‑Zellen vorzulegen [war]“ (vgl. oben, Rn. 20).

154    Zweitens ist zu beachten, dass die Frage, ob ein Wirkstoff in eine bestimmte Gefahrenklasse eingestuft wird oder werden sollte, nicht nur für die Ermittlung und Angabe der Gefahren von Stoffen nach der Verordnung Nr. 1272/2008, sondern auch für die Frage relevant sein kann, ob der Stoff die in Art. 4 der Verordnung Nr. 1107/2009 vorgesehenen Genehmigungskriterien erfüllt oder nicht. Die in den Verordnungen Nrn. 1272/2008 und 1107/2009 vorgesehenen Verfahren unterscheiden sich nämlich voneinander. Nach der Verordnung Nr. 1272/2008 sind Akteure verpflichtet, Stoffe und Gemische auf eine bestimmte Art und Weise einzustufen und zu kennzeichnen, und ist die ECHA eine Behörde, die für die Einstufung bzw. Neueinstufung von Stoffen als gefährlich zuständig ist. Im Rahmen der Verordnung Nr. 1107/2009 werden Wirkstoffe im Hinblick auf eine Genehmigung für ihr Inverkehrbringen kontrolliert; in diesem Zusammenhang wird u. a. beurteilt, ob sie bestimmten objektiven Gefahrenkategorien oder ‑klassen entsprechen, wobei die Beurteilung Sache der EFSA ist.

155    Drittens bedeutet die Tatsache, dass die Sachverständigen darin übereingekommen waren, dass ein Vorschlag für eine Einstufung von Thiram als krebserzeugend der Kategorie 2 vorzulegen war, nicht, dass diese Stellungnahme einer Erneuerung der Genehmigung für Thiram als solche entgegenstand.

156    Demnach war die EFSA, auch wenn sie keinen Vorschlag für eine Einstufung von Thiram als krebserzeugend der Kategorie 2 formuliert hat, durch nichts daran gehindert, in ihrer Schlussfolgerung die einstimmige Stellungnahme der Sachverständigen zur Vorlage eines Vorschlags in diesem Sinne zu erwähnen. Folglich ist das Vorbringen der Klägerinnen, wonach das der EFSA für die Durchführung ihrer Prüfung von der Kommission übertragene Mandat es Ersterer nicht gestatte, Vorschläge für eine solche Einstufung zu unterbreiten, und die ECHA nach der Verordnung Nr. 1272/2008 die für die Einstufung bzw. Neueinstufung von Stoffen zuständige Behörde sei, als ins Leere gehend zu betrachten.

157    In Anbetracht des Vorstehenden kann der EFSA somit nicht vorgeworfen werden, dass sie ultra vires, nämlich unter Verstoß gegen die Bestimmungen der Verordnung Nr. 1272/2008, gehandelt hat.

158    Da die Klägerinnen mit dem vierten Klagegrund lediglich bestreiten, dass die EFSA für die Unterbreitung eines Vorschlags zur Einstufung von Thiram als krebserzeugend der Kategorie 2 zuständig ist, braucht unter diesen Umständen nicht zu ihrem Vorbringen Stellung genommen zu werden, das aus den negativen Auswirkungen des von der EFSA formulierten Einstufungsvorschlags auf die von der Kommission durchgeführte Bewertung, insbesondere was die Frage des Trinkwassers und der Toxizität für Säugetiere betrifft, hergeleitet wird.

159    Auch wenn der Hinweis auf die Stellungnahme der Sachverständigen zur Einstufung von Thiram als krebserzeugend der Kategorie 2 in dem Teil der Schlussfolgerung der EFSA enthalten ist, in dem es um die Toxizität für Säugetiere geht, ergibt sich aus dieser Schlussfolgerung und der gesamten dem Gericht vorgelegten Akte jedenfalls nicht offenkundig, dass sich die von den Sachverständigen angesprochene Vorlage des Einstufungsvorschlags auf die Bewertung der Gefahr für Säugetiere durch die EFSA und insbesondere auf die Festsetzung des oben in Rn. 21 erwähnten Referenzwerts ausgewirkt hat. Aus der Akte geht auch nicht offensichtlich hervor, dass die Bedenken hinsichtlich des Trinkwassers hauptsächlich auf der Stellungnahme der Sachverständigen zur Vorlage eines Vorschlags für eine Einstufung von Thiram beruhen würden.

160    Demnach ist der vierte Klagegrund zurückzuweisen.

6.      Sechster Klagegrund: Verstoß gegen das Vorsorgeprinzip, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den Grundsatz der Gleichbehandlung

161    Die Klägerinnen machen zunächst geltend, die angefochtene Durchführungsverordnung sei unverhältnismäßig, da sie gegenüber den verfolgten Zielen übermäßige Nachteile verursache, obwohl die Kommission für andere mögliche Maßnahmen optieren könne, die es hätten ermöglichen können, die Erneuerung der Genehmigung für Thiram auf der Grundlage einer angemessenen Risikobewertung zu gewähren. Sie weisen auf die rechtlichen Optionen hin, die den Art. 6, 21 und 78 der Verordnung Nr. 1107/2009 zugrunde liegen und sich dafür eignen sollen, die Bedenken im Zusammenhang mit der Bewertung der Risiken für Vögel und Säugetiere zu zerstreuen. Die Kommission habe all diese Optionen ohne rechtlich zulässigen Grund zurückgewiesen.

162    In Bezug auf die Rüge eines Verstoßes gegen das Vorsorgeprinzip tragen die Klägerinnen sodann vor, die Kommission verweise in ihrer Bewertung implizit auf dieses Prinzip, wenn es um das Risiko für den Verbraucher im Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme gehe. Sie legen der Kommission zur Last, nicht im Einklang mit ihrer Mitteilung „Die Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips“ (KOM[2000] 1 endg.) (im Folgenden: Mitteilung über das Vorsorgeprinzip) eine Folgenabschätzung durchgeführt zu haben, bei der die wahrscheinlichsten positiven und negativen Folgen, die mit der in Betracht gezogenen Maßnahme oder mit einem Nichttätigwerden verbunden sind, gegeneinander abgewogen werden und ferner geprüft wird, welche Gesamtkosten sich daraus kurz- oder langfristig für die Union ergeben. Auch stelle die Verpflichtung zur Durchführung einer Folgenabschätzung einen allgemeinen Grundsatz dar, der immer dann gelte, wenn sich die Kommission auf dieses Prinzip berufe.

163    Bezüglich der Rüge eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung weisen die Klägerinnen schließlich darauf hin, dass die Kommission bei der Bewertung pilzwachstumshemmender Kupferverbindungen, für die drei kritische Problembereiche ermittelt worden seien, einer Erneuerung zugestimmt habe, während im vorliegenden Fall für Thiram nur ein einziges kritisches Problemgebiet festgestellt worden sei. In ihrer Erwiderung berufen sie sich darüber hinaus auf Methoxyfenozid, dessen Genehmigung mit der Auflage einer auf Treibhäuser für Gemüse und Obst beschränkten Nutzung aufgrund von Bedenken u. a. im Zusammenhang mit Metabolismus, Störungen des Hormonsystems und Folgen für die Wasseraufbereitung erneuert worden sein soll.

164    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen.

a)      Angeblicher Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

165    Nach ständiger Rechtsprechung dürfen die Handlungen der Unionsorgane nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts gehört, nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung der mit der fraglichen Regelung verfolgten berechtigten Ziele geeignet und erforderlich ist, wobei dann, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende anzuwenden ist und die verursachten Nachteile nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen dürfen (vgl. Urteil vom 9. September 2011, Dow AgroSciences u. a./Kommission, T‑475/07, EU:T:2011:445, Rn. 279 und die dort angeführte Rechtsprechung).

166    Außerdem verfügt die Kommission beim Erlass von Risikomanagementmaßnahmen, die politische Entscheidungen und komplexe fachliche Bewertungen implizieren, über ein weites Ermessen (vgl. oben, Rn. 52 bis 56). Demnach ist eine in diesem Bereich erlassene Maßnahme nur dann rechtswidrig, wenn sie zur Erreichung des Ziels, das die Kommission verfolgt, offensichtlich ungeeignet ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. September 2011, Dow AgroSciences u. a./Kommission, T‑475/07, EU:T:2011:445, Rn. 280 und die dort angeführte Rechtsprechung).

167    Im vorliegenden Fall ist in Anbetracht des Vorbringens der Klägerinnen zu prüfen, ob die Kommission zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit verpflichtet war, die sich aus den Art. 6, 21 und 78 der Verordnung Nr. 1107/2009 ergebenden Optionen anzuwenden, mit denen die Genehmigung für Thiram erneut hätte verlängert werden und somit die am wenigsten belastende Maßnahme hätte gewählt werden können.

168    Was als Erstes Art. 6 der Verordnung Nr. 1107/2009 angeht, so sieht diese Vorschrift die Bedingungen und Einschränkungen vor, denen die Genehmigung eines Wirkstoffs unterworfen werden kann. Die Klägerinnen beziehen sich insbesondere auf die Buchst. f und j dieses Artikels.

169    Insoweit geht zum einen aus Art. 6 Buchst. f der Verordnung Nr. 1107/2009 hervor, dass eine solche Genehmigung von der „Übermittlung zusätzlicher bestätigender Informationen an die Mitgliedstaaten, die Kommission und an die EFSA [abhängig gemacht werden kann], soweit im Verlaufe der Bewertung oder aufgrund neuer wissenschaftlicher und technischer Erkenntnisse neue Anforderungen festgelegt werden“. Die Klägerinnen vertreten die Auffassung, die Herabsetzung des bei der Bewertung des langfristigen Risikos für Säugetiere angenommenen Referenzwerts (vgl. oben, Rn. 21) müsse als eine sich aus der Verordnung (EU) Nr. 283/2013 der Kommission vom 1. März 2013 zur Festlegung der Datenanforderungen für Wirkstoffe gemäß der Verordnung Nr. 1107/2009 (ABl. 2013, L 93, S. 1) ergebende neue Datenanforderung betrachtet werden.

170    In diesem Zusammenhang hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, ohne von den Klägerinnen widersprochen zu werden, dass die von diesen geltend gemachte Anforderung 2013 in Kraft getreten sei, während die Klägerinnen das Dossier für die Erneuerung der Genehmigung von Thiram im November 2014 eingereicht hätten (vgl. oben, Rn. 16). Daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Anforderung „im Verlaufe der Bewertung“ festgelegt worden ist.

171    Zum anderen wird in Bezug auf Art. 6 Buchst. j der Verordnung Nr. 1107/2009 deutlich, dass die Genehmigung eines Wirkstoffs von „sonstige[n] spezifische[n] Bedingungen [abhängig gemacht werden kann], die sich aus der Bewertung der im Rahmen [der genannten] Verordnung bereitgestellten Informationen ergeben“. Nach Ansicht der Klägerinnen könnte diese Vorschrift die Vorlage „neuen Datenmaterials zur Erläuterung der Risikobewertung für Vögel und Säugetiere“, insbesondere der im Informationsblatt vom 23. Januar 2018 gelieferten Daten, gestatten.

172    Insoweit ist oben in Rn. 137 festgestellt worden, dass das der Kommission von den Klägerinnen vorgelegte neue Datenmaterial, einschließlich der im Informationsblatt vom 23. Januar 2018 gelieferten Daten, nicht bestätigt hat, dass für Vögel und Säugetiere ein annehmbares Risiko bestand. Außerdem ist oben in Rn. 145 der Schluss gezogen worden, dass die Klägerinnen nicht nachgewiesen hatten, dass das Risiko für Vögel und Säugetiere bei einer Verwendung von Thiram als Blattspray höher war als bei der Saatgutbehandlung mit diesem Stoff.

173    Demnach haben die Klägerinnen nicht nachgewiesen, dass die angefochtene Durchführungsverordnung, soweit die Kommission von den in Art. 6 Buchst. f und j der Verordnung Nr. 1107/2009 vorgesehenen Optionen keinen Gebrauch gemacht hat, zur Erreichung der mit diesem Rechtsakt verfolgten Ziele des Schutzes der Gesundheit und der Umwelt offensichtlich ungeeignet war.

174    Was als Zweites Art. 21 der Verordnung Nr. 1107/2009 betrifft, so kann die Kommission nach dieser Vorschrift die Genehmigung eines Wirkstoffs unter Berücksichtigung neuer wissenschaftlicher und technischer Kenntnisse jederzeit überprüfen. Die Klägerinnen sind der Meinung, die Vorschrift könne nach dem Erneuerungsverfahren oder gleichzeitig mit diesem Anwendung finden.

175    Selbst wenn das Überprüfungsverfahren und das Erneuerungsverfahren gleichzeitig durchgeführt werden könnten, genügt insoweit – der Kommission folgend – die Bemerkung, dass die Klägerinnen die Kommission um Anwendung von Art. 21 der Verordnung Nr. 1107/2009 ersucht haben, damit nach Annahme der Schlussfolgerung der EFSA zusätzliches Datenmaterial zu Vögeln und Säugetieren berücksichtigt werden konnte. In Anbetracht der oben in Rn. 138 getroffenen Feststellung tun die Klägerinnen das Vorhandensein neuen Datenmaterials zum Nachweis eines annehmbaren Risikos für Vögel und Säugetiere jedoch nicht dar. Demnach ist – aus dem gleichen Grund, aus dem oben in Rn. 173 festgestellt worden ist, dass die angefochtene Durchführungsverordnung zur Erreichung der mit diesem Rechtsakt verfolgten Ziele des Schutzes der Gesundheit und der Umwelt nicht offensichtlich ungeeignet war – davon auszugehen, dass die Kommission keinen Fehler begangen hat, als sie nicht auf die in dieser Vorschrift vorgesehene Möglichkeit zurückgegriffen hat.

176    Als Drittes machen die Klägerinnen geltend, Art. 78 der Verordnung Nr. 1107/2009 könne angeführt werden, um deren Art. 6 Buchst. f oder j zur Anwendung zu bringen. In Anbetracht der oben in Rn. 173 gezogenen Schlussfolgerung zur Anwendung dieser Vorschriften ist das Argument, das aus einem Rückgriff auf Art. 78 der Verordnung Nr. 1107/2009 hergeleitet wird, als ins Leere gehend zurückzuweisen.

177    In Anbetracht des Vorstehenden weisen die Klägerinnen nicht nach, dass der Erlass der angefochtenen Durchführungsverordnung zur Erreichung der mit diesem Rechtsakt verfolgten Ziele des Schutzes der Gesundheit und der Umwelt offensichtlich ungeeignet war.

b)      Angeblicher Verstoß gegen das Vorsorgeprinzip

1)      Einleitende Bemerkungen zum Vorsorgeprinzip

178    Einleitend ist festzustellen, dass Art. 191 Abs. 2 AEUV zwar vorsieht, dass die Umweltpolitik u. a. auf dem Vorsorgeprinzip beruht, dieses Prinzip aber auch im Rahmen anderer Politiken der Union anzuwenden ist, insbesondere der Politik zum Schutz der öffentlichen Gesundheit sowie dann, wenn die Unionsorgane aufgrund der gemeinsamen Agrarpolitik oder der Binnenmarktpolitik Maßnahmen zum Schutz der menschlichen Gesundheit erlassen (vgl. Urteil vom 1. Oktober 2019, Blaise u. a., C‑616/17, EU:C:2019:800, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

179    Es obliegt somit dem Unionsgesetzgeber, beim Erlass von Vorschriften zum Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln wie den in der Verordnung Nr. 1107/2009 enthaltenen das Vorsorgeprinzip zu befolgen, u. a. um gemäß Art. 35 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und Art. 9 sowie Art. 168 Abs. 1 AEUV ein hohes Gesundheitsschutzniveau sicherzustellen (vgl. Urteil vom 1. Oktober 2019, Blaise u. a., C‑616/17, EU:C:2019:800, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

180    Das Vorsorgeprinzip bedeutet, dass bei Unsicherheiten hinsichtlich des Vorliegens oder des Umfangs von Risiken für die menschliche Gesundheit Schutzmaßnahmen getroffen werden können, ohne dass abgewartet werden müsste, dass das Bestehen und die Schwere dieser Risiken vollständig dargelegt werden (vgl. Urteil vom 1. Oktober 2019, Blaise u. a., C‑616/17, EU:C:2019:800, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

181    Nach ständiger Rechtsprechung verfügen die Unionsorgane bei der Umsetzung von Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit des Menschen hinsichtlich der Definition der verfolgten Ziele und der Wahl des für ihr Vorgehen geeigneten Instrumentariums über ein weites Ermessen (vgl. Urteil vom 11. Februar 2015, Spanien/Kommission, T‑204/11, EU:T:2015:91, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

182    Die oben in den Rn. 178 bis 181 beschriebenen Erwägungen sind auf die anderen nach Art. 4 der Verordnung Nr. 1107/2009 geschützten Interessen, insbesondere die Tiergesundheit und die Umwelt, entsprechend anwendbar (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Mai 2018, Bayer CropScience u. a./Kommission, T‑429/13 und T‑451/13, EU:T:2018:280, Rn. 130).

183    Innerhalb des Verfahrens, das mit dem Erlass geeigneter Maßnahmen zur Vermeidung bestimmter potenzieller Gefahren für die öffentliche Gesundheit, die Sicherheit und die Umwelt aufgrund des Vorsorgeprinzips durch ein Organ endet, lassen sich drei aufeinanderfolgende Schritte unterscheiden: Erstens die Ermittlung der potenziell abträglichen Wirkungen, die sich aus einem Vorgang ergeben, zweitens die Bewertung der mit diesem Vorgang verbundenen Gefahren für die öffentliche Gesundheit, die Sicherheit und die Umwelt und drittens, wenn die ermittelten potenziellen Gefahren die Schwelle der gesellschaftlichen Akzeptanz überschreiten, das Risikomanagement durch den Erlass geeigneter Schutzmaßnahmen (Urteil vom 17. Mai 2018, BASF Agro u. a./Kommission, T‑584/13, EU:T:2018:279, Rn. 60).

184    Zum dritten Schritt, der das Risikomanagement betrifft, ist festzustellen, dass Punkt 6.3.4 („Abwägung der mit einem Tätigwerden oder Nichttätigwerden verbundenen Vor- und Nachteile“, im Folgenden: Abwägung der Vor- und Nachteile) der Mitteilung über das Vorsorgeprinzip, auf den sich die Klägerinnen beziehen, folgenden Wortlaut hat:

„Die wahrscheinlichsten positiven und negativen Folgen, die mit der in Betracht gezogenen Maßnahme oder mit einem Nichttätigwerden verbunden sind, sind gegeneinander abzuwägen; ferner ist zu prüfen, welche Gesamtkosten sich daraus kurz- oder langfristig für die [Union] ergeben. Die geplanten Vorsorgemaßnahmen sollten insgesamt gesehen dazu beitragen können, das Risiko auf ein zumutbares Niveau zu senken.

Die Abwägung der Vor- und Nachteile darf sich nicht auf eine wirtschaftliche Kosten-Nutzen-Analyse beschränken. Sie muss weiter angelegt sein und auch andere als wirtschaftliche Erwägungen einbeziehen.

Die Prüfung der Vor- und Nachteile sollte eine wirtschaftliche Kosten-Nutzen-Analyse umfassen, sofern diese zweckmäßig und durchführbar ist.

Es können aber auch andere Analysemethoden herangezogen werden, z. B. Methoden zur Feststellung der Wirksamkeit möglicher Optionen oder der Akzeptanz in der Bevölkerung. Die Gesellschaft ist nämlich unter Umständen bereit, zum Schutz eines von ihr als wesentlich anerkannten Interesses – z. B. der Umwelt oder der Gesundheit – größere Opfer zu bringen.

In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist die Kommission der Auffassung, dass den Erfordernissen des Schutzes der öffentlichen Gesundheit unzweifelhaft größeres Gewicht beizumessen ist als wirtschaftlichen Erwägungen.

Bevor Maßnahmen getroffen werden, sind die mit einem Tätigwerden oder Nichttätigwerden verbundenen Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwägen. Diese Abwägung sollte eine wirtschaftliche Kosten-Nutzen-Analyse umfassen, sofern dies zweckmäßig und durchführbar ist. Auch andere Analysemethoden – z. B. zur Ermittlung der Wirksamkeit und der sozioökonomischen Auswirkungen der möglichen Optionen – kommen in Frage. Im Übrigen kann sich der Entscheidungsträger auch von anderen als wirtschaftlichen Erwägungen leiten lassen, z. B. vom Anliegen des Gesundheitsschutzes.“

185    In Anbetracht des vorstehenden Rechts- und Rechtsprechungsrahmens ist zu prüfen, ob die Kommission bei der Anwendung des Vorsorgeprinzips im vorliegenden Fall verpflichtet war, eine Abwägung der Vor- und Nachteile im Sinne von Punkt 6.3.4 der Mitteilung über das Vorsorgeprinzip vorzunehmen, und falls ja, ob sie das im vorliegenden Fall getan hat.

2)      Zur Verpflichtung der Kommission, eine Abwägung der Vor- und Nachteile vorzunehmen

186    Zunächst ist zu prüfen, ob die Kommission, wie sie vorträgt, nicht verpflichtet ist, in einem Verfahren zur Erneuerung der Genehmigung für einen Wirkstoff, das in der Verordnung Nr. 1107/2009 geregelt ist und in dessen Rahmen es dem Antragsteller obliegt, die Wirksamkeit und Sicherheit des fraglichen Wirkstoffs nachzuweisen, eine Abwägung der Vor- und Nachteile im Sinne von Punkt 6.3.4 der Mitteilung über das Vorsorgeprinzip vorzunehmen.

187    Aus dem achten Erwägungsgrund und Art. 1 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1107/2009 geht hervor, dass die Bestimmungen dieser Verordnung auf dem Vorsorgeprinzip beruhen, mit dem sichergestellt werden soll, dass in Verkehr gebrachte Wirkstoffe oder Produkte die Gesundheit von Mensch und Tier sowie die Umwelt nicht beeinträchtigen.

188    Wie oben in Rn. 184 in Erinnerung gerufen worden ist, schreibt Punkt 6.3.4 der Mitteilung über das Vorsorgeprinzip eine Abwägung der Vor- und Nachteile vor. Dieser Punkt findet sich unter dem Titel „Die anwendbaren allgemeinen Grundsätze“. Eine solche Abwägung wird somit als einer der allgemeinen Grundsätze angesehen, die für einen Rückgriff auf das Vorsorgeprinzip gelten. Punkt 6.3 Abs. 1 der Mitteilung über das Vorsorgeprinzip stellt insoweit u. a. klar, dass diese allgemeinen Grundsätze auf „jede Risikomanagement-Maßnahme“ anwendbar sind.

189    Daher ist entgegen dem Vorbringen der Kommission nicht davon auszugehen, dass die Abwägung der Vor- und Nachteile im Rahmen der Anwendung des Vorsorgeprinzips lediglich für Verfahren zur Überprüfung der Genehmigung für einen Wirkstoff gemäß Art. 21 der Verordnung Nr. 1107/2009 gelten soll.

190    Die vorstehende Schlussfolgerung kann durch das Vorbringen der Kommission nicht in Frage gestellt werden.

191    Erstens beruft sich die Kommission auf das Urteil vom 17. Mai 2018, BASF Agro u. a./Kommission (T‑584/13, EU:T:2018:279), in dem das Gericht entschieden hat, dass die Kommission im Rahmen einer Überprüfung der Genehmigung für einen Wirkstoff gemäß Art. 21 der Verordnung Nr. 1107/2009 eine Abwägung der Vor- und Nachteile vornehmen muss. Dieses Urteil kann jedoch nicht im Umkehrschluss dahin ausgelegt werden, dass die Kommission im Rahmen eines Erneuerungsverfahrens nicht verpflichtet sein soll, eine Abwägung der Vor- und Nachteile vorzunehmen.

192    Zweitens weist die Kommission darauf hin, dass sich das Erneuerungsverfahren hinsichtlich der Beweislast für die Darlegung der Wirksamkeit und Sicherheit des betreffenden Wirkstoffs von dem in Art. 21 der Verordnung Nr. 1107/2009 vorgesehenen Überprüfungsverfahren unterscheide. Insoweit genügt der Hinweis, dass die Abwägung der Vor- und Nachteile, wie oben in Rn. 184 festgestellt worden ist, zum Management der ermittelten Risiken gehört. Um die Darlegungslast für die Wirksamkeit und Sicherheit des fraglichen Wirkstoffs, die in einem Erneuerungsverfahren dem Antragsteller obliegt, geht es jedoch nur im Rahmen der ersten beiden oben in Rn. 183 genannten Schritte, nämlich der Ermittlung der potenziell abträglichen Wirkungen, die sich aus einem Vorgang ergeben, und der Bewertung der mit diesem Vorgang verbundenen Gefahren für die öffentliche Gesundheit, die Sicherheit und die Umwelt.

193    Drittens macht die Kommission geltend, sie habe im Fall eines Erneuerungsantrags weder eine Wahl noch verfüge sie über ein Ermessen, da sie verpflichtet sei, tätig zu werden, um die Genehmigung zu erneuern, sie nicht zu erneuern oder sie vorbehaltlich bestimmter Bedingungen und Einschränkungen zu erneuern. Gerade die drei genannten Optionen belassen der Kommission jedoch ein Ermessen bei der Auswahl der geeignetsten Option für einen zu erneuernden Wirkstoff, um gemäß dem Vorsorgeprinzip bestimmten potenziellen Gefahren für die öffentliche Gesundheit, die Sicherheit und die Umwelt vorzubeugen. Selbst wenn sich aus der Risikobewertung Bedenken hinsichtlich der Gesundheit von Mensch und Tier ergeben und verschiedene Lücken in den Daten bestehen, bleiben der Kommission zwei Optionen: Entweder die Genehmigung für den fraglichen Wirkstoff nicht zu erneuern oder sie vorbehaltlich bestimmter Bedingungen und Einschränkungen zu erneuern.

194    In Anbetracht des Vorstehenden ist der Schluss zu ziehen, dass die Kommission verpflichtet war, eine Abwägung der Vor- und Nachteile im Sinne von Punkt 6.3.4 der Mitteilung über das Vorsorgeprinzip vorzunehmen. Es bleibt noch zu prüfen, ob die Kommission im vorliegenden Fall eine solche Abwägung vorgenommen hat.

3)      Zu der Frage, ob die Kommission eine Abwägung der Vor- und Nachteile vorgenommen hat

195    Es sei darauf hingewiesen, dass Punkt 6.3.4 der Mitteilung über das Vorsorgeprinzip das Format und den Umfang der Abwägung der Vor- und Nachteile nicht näher darlegt. Insbesondere ergibt sich aus diesem Punkt nicht, dass die betreffende Behörde verpflichtet wäre, ein spezielles Bewertungsverfahren einzuleiten, das z. B. mit einem formellen schriftlichen Bewertungsbericht endet. Außerdem kommt der Behörde, die das Vorsorgeprinzip anwendet, nach dem Wortlaut ein erheblicher Ermessensspielraum hinsichtlich der Analysemethoden zu. Die Mitteilung weist nämlich zwar darauf hin, dass die Abwägung eine wirtschaftliche Analyse umfassen „sollte“, doch hat die betreffende Behörde jedenfalls auch andere als wirtschaftliche Erwägungen einzubeziehen. Zudem wird ausdrücklich dargelegt, dass möglicherweise unter gewissen Umständen wirtschaftliche Erwägungen als weniger bedeutsam angesehen werden müssen als andere als wesentlich anerkannte Interessen; als Beispiel werden ausdrücklich Interessen wie die Umwelt oder die Gesundheit angeführt (Urteil vom 17. Mai 2018, BASF Agro u. a./Kommission, T‑584/13, EU:T:2018:279, Rn. 162).

196    Überdies genügt es den Anforderungen der Mitteilung über das Vorsorgeprinzip, wenn sich die betreffende Behörde, im vorliegenden Fall die Kommission, tatsächlich mit den positiven und negativen, wirtschaftlichen und anderen möglichen Auswirkungen der in Betracht gezogenen Maßnahme sowie des Nichttätigwerdens vertraut gemacht und sie bei ihrer Entscheidung berücksichtigt hat. Hingegen ist es nicht erforderlich, diese Auswirkungen genau zu beziffern, wenn dies nicht möglich ist oder unverhältnismäßigen Aufwand erfordert (Urteil vom 17. Mai 2018, BASF Agro u. a./Kommission, T‑584/13, EU:T:2018:279, Rn. 163).

197    Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass sich die Kommission zum Nachweis dafür, dass sie ihrer Verpflichtung zur Vornahme einer Abwägung der Vor- und Nachteile nachgekommen ist, auf die Informationen beruft, die dem Ständigen Ausschuss während der Sitzung vom 24. und 25. Mai 2018 geliefert worden sind. Die Kommission verweist insoweit auf Punkt B.11 der Zusammenfassung dieser Sitzung, aus dem hervorgeht, dass sie die Auffassung vertreten hat, dass „die festgestellten Risiken und Probleme auch unter Berücksichtigung der noch verfügbaren Alternativlösungen schwerer [wiegten] als die Folgen eines möglichen Verlusts des Stoffs für das Resistenzmanagement und etwaige wirtschaftliche Auswirkungen“.

198    Unter diesen Umständen kann davon ausgegangen werden, dass sich die Kommission tatsächlich mit den positiven und negativen, wirtschaftlichen und anderen möglichen Auswirkungen der Nichterneuerung der Genehmigung für Thiram vertraut gemacht und sie beim Erlass der angefochtenen Durchführungsverordnung berücksichtigt hat.

199    Die vorstehende Schlussfolgerung kann nicht durch das Argument der Klägerinnen in Frage gestellt werden, wonach die Abwägung der Vor- und Nachteile im Sinne von Punkt 6.3.4 der Mitteilung über das Vorsorgeprinzip eine gründliche Bewertung der wahrscheinlichsten positiven und negativen Folgen umfassen müsse, die mit der in Betracht gezogenen Nichterneuerung verbunden seien.

200    Zum einen geht aus der oben in Rn. 181 angeführten Rechtsprechung nämlich hervor, dass die Unionsorgane bei der Umsetzung von Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit des Menschen hinsichtlich der Definition der verfolgten Ziele und der Wahl des für ihr Vorgehen geeigneten Instrumentariums über ein weites Ermessen verfügen. Da mehrere Ziele und Grundsätze gegeneinander abgewogen werden müssen und die Anwendung der einschlägigen Kriterien komplex ist, muss sich die gerichtliche Nachprüfung darüber hinaus zwangsläufig auf die Frage beschränken, ob die Unionsorgane einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen haben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Dezember 2016, Associazione Italia Nostra Onlus, C‑444/15, EU:C:2016:978, Rn. 46). Gleichwohl bringen die Klägerinnen im vorliegenden Fall keinerlei präzises Argument zu einem etwaigen Fehler der Kommission bei der Abwägung der Vor- und Nachteile im Sinne von Punkt 6.3.4 der Mitteilung über das Vorsorgeprinzip vor.

201    Zum anderen ist es, worauf oben in Rn. 196 hingewiesen worden ist, nicht erforderlich, die positiven und negativen, wirtschaftlichen und anderen möglichen Auswirkungen der in Betracht gezogenen Maßnahme sowie des Nichttätigwerdens genau zu beziffern, wenn dies nicht möglich ist oder unverhältnismäßigen Aufwand erfordert.

202    Demnach können die Klägerinnen nicht mit Erfolg geltend machen, die Kommission habe das Vorsorgeprinzip falsch angewandt.

c)      Angeblicher Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung

203    Es sei darauf hingewiesen, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt ist, wenn gleiche Sachverhalte unterschiedlich oder unterschiedliche Sachverhalte gleich behandelt werden und eine Differenzierung nicht objektiv gerechtfertigt ist (Urteile vom 25. Oktober 2005, Groupe Danone/Kommission, T‑38/02, EU:T:2005:367, Rn. 453, sowie vom 12. April 2013, Du Pont de Nemours [Frankreich] u. a./Kommission, T‑31/07, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:167, Rn. 310).

204    Zur Stützung ihres Vorbringens, wonach die Kommission gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen habe, berufen sich die Klägerinnen auf die Bewertung pilzwachstumshemmender Kupferverbindungen und von Methoxyfenozid sowie auf bestimmte mögliche Ähnlichkeiten mit Thiram (vgl. oben, Rn. 163). Die Klägerinnen haben jedoch anzugeben und nachzuweisen, welcher mit einem anderen Sachverhalt vergleichbare Sachverhalt unterschiedlich behandelt worden ist.

205    Indem die Klägerinnen lediglich die gemeinsamen Problembereiche mit Thiram ermitteln und auf das Fehlen spezifischer Leitlinien für die Bewertung in der Natur vorkommender Metalle wie beispielsweise Kupfer hinweisen, liefern sie keinerlei Nachweis in diesem Sinne. Sie bringen nichts zum Beleg dafür vor, dass die Analyse der pilzwachstumshemmenden Kupferverbindungen und von Methoxyfenozid, ihre eigenen Verdienste und der wissenschaftliche Kontext, auf deren Grundlage die Stoffe bewertet worden sind, in all diesen Aspekten mit Thiram vergleichbar sind.

206    Folglich ist der sechste Klagegrund zurückzuweisen.

207    Nach alledem ist die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

V.      Kosten

208    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

209    Da die Klägerinnen unterlegen sind, sind ihnen gemäß dem Antrag der Kommission ihre eigenen Kosten sowie die Kosten aufzuerlegen, die der Kommission im Rahmen der vorliegenden Klage entstanden sind.

210    Da Taminco im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes unterlegen und die Kostenentscheidung vorbehalten worden ist (vgl. oben, Rn. 40), sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission ihre eigenen Kosten sowie die Kosten aufzuerlegen, die der Kommission im Rahmen des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes entstanden sind.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Taminco BVBA und die Arysta LifeScience Great Britain Ltd tragen ihre eigenen Kosten sowie die Kosten, die der Europäischen Kommission im Rahmen der vorliegenden Klage entstanden sind.

3.      Taminco trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten, die der Kommission im Rahmen des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes entstanden sind.

da Silva Passos

Valančius

Reine

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 9. Februar 2022.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis



*      Verfahrenssprache: Englisch.