Language of document : ECLI:EU:T:2012:215

Rechtssache T‑529/09

Sophie in ’t Veld

gegen

Rat der Europäischen Union

„Zugang zu Dokumenten – Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 – Gutachten des Juristischen Dienstes des Rates zu einer Empfehlung der Kommission betreffend die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen über ein internationales Abkommen – Teilweise Verweigerung des Zugangs – Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses im Bereich internationaler Beziehungen – Ausnahme zum Schutz der Rechtsberatung – Konkrete und vorhersehbare Beeinträchtigung des betreffenden Interesses – Überwiegendes öffentliches Interesse“

Leitsätze des Urteils

1.      Europäische Union – Organe – Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten – Verordnung Nr. 1049/2001 – Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu Dokumenten – Verweigerung des Zugangs – Verpflichtung des Organs zu einer konkreten und individuellen Prüfung der Dokumente – Umfang

(Verordnung Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 4)

2.      Europäische Union – Organe – Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten – Verordnung Nr. 1049/2001 – Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu Dokumenten – Schutz des öffentlichen Interesses – Gerichtliche Nachprüfung – Umfang – Grenzen

(Verordnung Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 4 Abs. 1 Buchst. a)

3.      Europäische Union – Organe – Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten – Verordnung Nr. 1049/2001 – Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu Dokumenten – Schutz des öffentlichen Interesses – Geltungsbereich – Gutachten des Juristischen Dienstes des Rates über die Rechtsgrundlage einer Entscheidung über die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen für ein internationales Abkommen – Einbeziehung

(Verordnung Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 4 Abs. 1 dritter Gedankenstrich)

4.      Handlungen der Organe – Wahl der Rechtsgrundlage – Wahl, die sich auf objektive, gerichtlich nachprüfbare Umstände gründen muss

(Art. 5 EUV)

5.      Europäische Union – Organe – Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten – Verordnung Nr. 1049/2001 – Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu Dokumenten – Schutz des öffentlichen Interesses – Verbreitung eines Rechtsgutachtens über die Aufnahme von Verhandlungen für ein internationales Abkommen – Gefahr der Beeinträchtigung des geschützten öffentlichen Interesses durch die Verbreitung des Bestehens eines Zweifels bezüglich der Wahl der Rechtsgrundlage – Fehlen

(Art. 218 Abs. 11 AEUV; Verordnung Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 4 Abs. 1 dritter Gedankenstrich)

6.      Europäische Union – Organe – Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten – Verordnung Nr. 1049/2001 – Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu Dokumenten – Schutz der Rechtsberatung

(Verordnung Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich)

7.      Europäische Union – Organe – Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten – Verordnung Nr. 1049/2001 – Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu Dokumenten – Schutz der Rechtsberatung – Verbreitung eines Rechtsgutachtens über die Aufnahme von Verhandlungen für ein internationales Abkommen

(Verordnung Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 4 Abs. 1 Buchst. a dritter Gedankenstrich, und Abs. 2 zweiter Gedankenstrich)

8.      Europäische Union – Organe – Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten – Verordnung Nr. 1049/2001 – Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu Dokumenten – Schutz der Rechtsberatung – Höherrangiges öffentliches Interesse, das die Verbreitung von Dokumenten rechtfertigt – Pflicht der Organe zur Abwägung der jeweiligen Interessen

(Verordnung Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates, Erwägungsgründe 2 und 6 und Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich)

9.      Europäische Union – Organe – Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten – Verordnung Nr. 1049/2001 – Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu Dokumenten – Schutz der Rechtsberatung – Umfang – Verbreitung eines Rechtsgutachtens über internationale Verhandlungen – Transparenzpflicht

(Verordnung Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 4 Abs. 1 Buchst. a dritter Gedankenstrich, und Abs. 2 zweiter Gedankenstrich)

10.    Europäische Union – Organe – Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten – Verordnung Nr. 1049/2001 – Ausnahmen vom Grundsatz des Zugangs zu Dokumenten – Verpflichtung, Zugang zu den Teilen eines Dokuments zu gewähren, die nicht von den Ausnahmen gedeckt sind

(Verordnung Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 4 Abs. 1 Buchst. a dritter Gedankenstrich und Art. 6)

11.    Europäische Union – Organe – Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten – Verordnung Nr. 1049/2001 – Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu Dokumenten – Begründungspflicht – Umfang

(Art. 296 AEUV; Verordnung Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates)

1.      Beschließt ein Organ, den Zugang zu einem Dokument zu verweigern, dessen Übermittlung bei ihm beantragt wurde, muss es grundsätzlich erläutern, inwiefern der Zugang zu diesem Dokument das Interesse, das durch eine von ihm geltend gemachte Ausnahme nach Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission geschützt wird, konkret und tatsächlich beeinträchtigen könnte.

Zum einen kann in diesem Zusammenhang der bloße Umstand, dass ein Dokument ein durch eine Ausnahme geschütztes Interesse betrifft, nicht ausreichen, um die Anwendung der Ausnahme zu rechtfertigen. Eine solche Anwendung kann grundsätzlich nur dann gerechtfertigt sein, wenn das Organ zuvor geprüft hat, ob erstens der Zugang zu dem Dokument das geschützte Interesse tatsächlich konkret hätte verletzen können und ob zweitens – in den Fällen des Art. 4 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 – nicht ein höherrangiges öffentliches Interesse bestand, das die Freigabe des betreffenden Dokuments rechtfertigte. Zum anderen muss die Gefahr einer Beeinträchtigung eines geschützten Interesses vernünftigerweise absehbar und darf nicht rein hypothetisch sein. Der Umstand, dass das Dokument als „EU Nur für den Dienstgebrauch“ klassifiziert wurde, kann zwar einen Anhaltspunkt für den sensiblen Inhalt des so eingestuften Dokuments darstellen, jedoch nicht für die Rechtfertigung der Anwendung der Ausnahmen im Sinne von Art. 4 dieser Verordnung ausreichen.

(vgl. Randnrn. 19-21)

2.      Die vom Organ in Anwendung von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission, wonach die Organe den Zugang zu einem Dokument, durch dessen Verbreitung der Schutz des öffentlichen Interesses im Bereich internationaler Beziehungen beeinträchtigt würde, verweigern, zu treffende Entscheidung ist komplex und heikel und erfordert einen besonderen Grad an Sorgfalt vor allem im Hinblick auf die ganz besonders sensible und spezifische Natur des geschützten Interesses. Da eine solche Entscheidung ein weites Ermessen erfordert, muss sich die Kontrolle durch das Gericht auf die Prüfung beschränken, ob die Verfahrensregeln und die Bestimmungen über die Begründung eingehalten worden sind, der Sachverhalt zutrifft, bei der Tatsachenwürdigung kein offensichtlicher Fehler vorgekommen ist und kein Ermessensmissbrauch vorliegt.

(vgl. Randnrn. 23-25)

3.      Ein Gutachten des Juristischen Dienstes des Rates, das im Hinblick auf den Erlass der Entscheidung des Rates über die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen im Namen der Union mit einem Drittstaat für ein internationales Abkommen über die Zurverfügungstellung von Daten über den Zahlungsverkehr an das Finanzministerium dieses Staates zu Zwecken der Verhütung und Bekämpfung des Terrorismus und der Terrorismusfinanzierung erstattet wurde und das sich im Wesentlichen auf die Rechtsgrundlage dieser Entscheidung und damit auf die jeweiligen Zuständigkeiten der Union und der Gemeinschaft bezieht, kommt in Anbetracht seines Inhalts und des Kontexts, in dem es erstellt wurde, für die in Art. 4 Abs. 1 Buchst. a dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission vorgesehene Ausnahme für den Schutz des öffentlichen Interesses im Bereich internationaler Beziehungen in Betracht.

Soweit ein solches Dokument nämlich speziell im Hinblick auf die Eröffnung von Verhandlungen abgefasst wurde, die zum Abschluss eines internationalen Abkommens führen sollen, knüpft die Untersuchung des Juristischen Dienstes des betreffenden Organs notwendigerweise an den spezifischen Kontext des beabsichtigten internationalen Abkommens an, auch wenn dieses Dokument die Frage der Rechtsgrundlage betrifft, die eine Frage des internen Unionsrechts ist.

Somit würde die Verbreitung der Einzelheiten, die einen Zusammenhang mit den von der Union in den Verhandlungen verfolgten Zielen insbesondere bei der Behandlung des spezifischen Inhalts des beabsichtigten Abkommens aufweisen, dem Vertrauensklima bei den Verhandlungen schaden.

In diesem Zusammenhang kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg auf den Umstand berufen, dass eine Reihe von Informationen über den Inhalt des beabsichtigten Abkommens sowohl vom Rat selbst als auch im Rahmen der Erörterungen im Parlament öffentlich bekannt gemacht worden seien.

Die vom Rat geltend gemachte Gefahr der Beeinträchtigung beruht nämlich auf der Verbreitung der speziellen Einschätzung dieser Einzelheiten durch seinen Juristischen Dienst, so dass der bloße Umstand, dass diese Einzelheiten selbst öffentlich bekannt sind, diese Erwägung nicht entkräftet.

(vgl. Randnrn. 26, 28-29, 35-38)

4.      Die Wahl der geeigneten Rechtsgrundlage hat sowohl für die interne als auch für die internationale Tätigkeit der Union verfassungsrechtliche Bedeutung. Da die Gemeinschaft nämlich nur über begrenzte Ermächtigungen verfügt, muss sie dem Rechtsakt, den sie erlassen möchte, eine Bestimmung des Vertrags zugrunde legen, die sie ermächtigt, einen derartigen Rechtsakt zu genehmigen. Im Übrigen darf die Wahl der Rechtsgrundlage eines Rechtsakts – einschließlich des Rechtsakts, der im Hinblick auf den Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrags erlassen wird – nicht allein auf der Überzeugung seines Verfassers beruhen, sondern muss sich auf objektive, gerichtlich nachprüfbare Umstände gründen, zu denen insbesondere das Ziel und der Inhalt des Rechtsakts gehören.

(vgl. Randnrn. 47-48)

5.      Da sich die Wahl der Rechtsgrundlage somit auf objektive Umstände gründet und keinem Ermessen des Organs unterliegt, können eventuell unterschiedliche Ansichten hierzu nicht unterschiedlichen Ansichten der Organe in Bezug auf die Einzelheiten des Inhalts des Abkommens gleichgestellt werden. Daher lässt die bloße Befürchtung, dass verbreitet wird, dass innerhalb der Organe eine unterschiedliche Ansicht zur Rechtsgrundlage einer Entscheidung, die zur Eröffnung von Verhandlungen im Namen der Union ermächtigt, besteht, nicht schon den Schluss zu, dass das geschützte öffentliche Interesse im Bereich internationaler Beziehungen beeinträchtigt werden könnte. Zwar kann die Heranziehung einer falschen Rechtsgrundlage zur Ungültigkeit des Abschlussakts selbst und damit der Zustimmung der Union zu ihrer Bindung an das Abkommen führen, doch kann eine solche Gefahr nicht bei einer juristischen Erörterung des Umfangs der institutionellen Zuständigkeiten im Zusammenhang mit der internationalen Tätigkeit der Union angenommen werden.

Eine Unsicherheit über die Natur der Zuständigkeit der Union, die sie bei der Vertretung ihres Standpunkts bei völkerrechtlichen Verhandlungen schwächen kann und durch die Nichtangabe der Rechtsgrundlage entstehen kann, kann nämlich nur noch verstärkt werden, wenn es keine vorherige objektive Erörterung zwischen den betroffenen Organen über die Rechtsgrundlage der beabsichtigten Handlung gibt.

Ferner gibt es im Unionsrecht ein in Art. 300 Abs. 6 EG (jetzt Art. 218 Abs. 11 AEUV) geregeltes Verfahren, das gerade Verwicklungen sowohl auf der Unionsebene als auch im Völkerrecht vermeiden soll, die aufgrund einer falschen Wahl der Rechtsgrundlage entstehen können.

(vgl. Randnrn. 49-54)

6.      Will sich der Rat auf Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission berufen, hat er eine Prüfung in drei Schritten durchzuführen, die den drei in diesen Bestimmungen aufgeführten Kriterien entsprechen. In einem ersten Schritt muss sich der Rat vergewissern, dass das Dokument, dessen Verbreitung beantragt wird, tatsächlich eine Rechtsberatung betrifft; bejaht er dies, muss er bestimmen, welche Abschnitte davon tatsächlich betroffen sind und daher in den Anwendungsbereich dieser Ausnahme fallen können. In einem zweiten Schritt muss der Rat prüfen, ob der Schutz der Rechtsberatung durch die Verbreitung der Abschnitte des fraglichen Dokuments, die als eine Rechtsberatung betreffend identifiziert wurden, beeinträchtigt würde. Ist der Rat der Auffassung, dass die Verbreitung eines Dokuments den Schutz der Rechtsberatung beeinträchtigt, so muss er in einem dritten Schritt prüfen, ob nicht ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht, das diese Verbreitung trotz der Beeinträchtigung seiner Möglichkeiten, Rechtsgutachten anzufordern und freie, objektive und vollständige Stellungnahmen zu erhalten, rechtfertigt.

(vgl. Randnrn. 63-64)

7.      Die Gefahr, dass die Verbreitung eines Dokuments tatsächlich und konkret das Interesse eines Organs, Rechtsgutachten anzufordern und freie, objektive und vollständige Stellungnahmen zu erhalten, beeinträchtigen könnte, muss angemessen vorhersehbar sein und darf nicht rein hypothetisch sein.

Der bloße Umstand, dass ein Rechtsgutachten den Bereich der internationalen Beziehungen der Union betrifft, genügt an und für sich nicht für die Anwendung der in Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission vorgesehenen Ausnahme, denn dieser Fall wird bereits durch die in Art. 4 Abs. 1 Buchst. a dritter Gedankenstrich dieser Verordnung vorgesehene Ausnahme erfasst. Auch wenn einzuräumen ist, dass in dieser Lage ein verstärkter Schutz für die Dokumente des Organs geboten ist, um jede Beeinträchtigung des Interesses der Union im Verlauf der internationalen Verhandlungen auszuschließen, wird dieser Erwägung bereits durch die Einräumung eines weiten Ermessens Rechnung getragen, über das die Organe im Rahmen der Anwendung der in Art. 4 Abs. 1 Buchst. a dritter Gedankenstrich dieser Verordnung vorgesehenen Ausnahme verfügen.

In Bezug auf die in Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung vorgesehene Ausnahme kann sich der Rat nicht auf die allgemeine Erwägung berufen, dass eine Beeinträchtigung des geschützten öffentlichen Interesses in einem sensiblen Bereich insbesondere dann vermutet werden könne, wenn es sich um Rechtsgutachten handele, die im Rahmen eines Verfahrens der Verhandlung über ein internationales Abkommen erstattet würden. Eine konkrete und vorhersehbare Beeinträchtigung des in Rede stehenden Interesses kann auch nicht durch die bloße Befürchtung dargetan werden, den Bürgern unterschiedliche Standpunkte der Organe zur Rechtsgrundlage für die internationale Tätigkeit der Union zur Kenntnis zu bringen, und auf diese Weise Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Tätigkeit herbeizuführen.

Die Erwägung, dass sich mit der Gefahr, dass die Verbreitung von Rechtsgutachten, die den Entscheidungsprozess betreffen, Zweifel an der Rechtmäßigkeit von erlassenen Rechtsakten aufkommen lassen könnte, eine Beeinträchtigung des Schutzes der Rechtsberatung nicht begründen lässt, ist grundsätzlich auf den Bereich der internationalen Tätigkeit der Union übertragbar, da der Entscheidungsprozess in diesem Bereich nicht von der Anwendung des Grundsatzes der Transparenz ausgenommen ist.

(vgl. Randnrn. 69, 71, 73-76)

8.      Im Rahmen der in Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission vorgesehenen Ausnahme muss der Rat das besondere Interesse, das durch die Nichtverbreitung des betreffenden Dokuments geschützt werden soll, gegen ein mögliches die Zugänglichmachung rechtfertigendes höherrangiges öffentliches Interesse abwägen. Insbesondere ist dem allgemeinen Interesse an der Zugänglichmachung dieses Dokuments Rechnung zu tragen, und zwar unter Berücksichtigung der Vorteile, die sich, wie im zweiten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1049/2001 ausgeführt, aus einer größeren Transparenz ergeben, nämlich einer besseren Beteiligung der Bürger am Entscheidungsprozess und einer größeren Legitimität, Effizienz und Verantwortung der Verwaltung gegenüber dem Bürger in einem demokratischen System. Diese Erwägungen sind von ganz besonderer Bedeutung, wenn der Rat als Gesetzgeber tätig wird, wie sich aus dem sechsten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1049/2001 ergibt, wonach eben in einem solchen Fall ein umfassenderer Zugang zu Dokumenten zu gewähren ist.

In diesem Zusammenhang haben Art. 207 Abs. 3 Unterabs. 2 EG und Art. 7 des Beschlusses 2006/683/EG, Euratom vom 15. September 2006 zur Festlegung der Geschäftsordnung des Rates für die Feststellung, ob der Rat für die Zwecke der Anwendung der Ausnahmen in Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 in seiner Eigenschaft als Gesetzgeber gehandelt hat, nur Hinweischarakter.

Die Initiative zur Aufnahme von Verhandlungen zum Zweck des Abschlusses eines internationalen Abkommens und deren Führung gehören grundsätzlich zum Bereich der Exekutive. Außerdem ist die Beteiligung der Öffentlichkeit an einem Verfahren, das die Verhandlungen für ein internationales Abkommen und dessen Abschluss betrifft, wegen des berechtigten Interesses, die strategischen Teile der Verhandlungen nicht zu enthüllen, notwendigerweise beschränkt. Daher ist im Rahmen dieses Verfahrens davon auszugehen, dass der Rat nicht in seiner Eigenschaft als Gesetzgeber gehandelt hat. Allerdings kann die Anwendung der Erwägungen im Zusammenhang mit dem Grundsatz der Transparenz des Entscheidungsprozesses der Union in Bezug auf die internationale Tätigkeit nicht ausgeschlossen werden, und zwar insbesondere, wenn eine Entscheidung über die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen ein internationales Abkommen betrifft, das Folgen für einen Bereich der Gesetzgebungstätigkeit der Union haben kann, wie die Verarbeitung und den Austausch von Informationen im Rahmen der polizeilichen Zusammenarbeit, und das auch den Schutz der personenbezogenen Daten beeinflussen kann.

Daher besteht ein höherrangiges öffentliches Interesse an der Verbreitung eines ein Rechtsgutachten enthaltenden Dokuments, da dieses dazu beitragen würde, den Organen größere Legitimität zu verleihen, und das Vertrauen der europäischen Bürger in diese Organe dadurch stärken würde, dass eine offene Diskussion über die Punkte ermöglicht würde, zu denen eine Meinungsverschiedenheit bestand, zumal es sich um das Dokument handelte, in dem die Rechtsgrundlage eines Abkommens erörtert wurde, das nach seinem Abschluss einen Einfluss auf das Grundrecht auf Schutz der personenbezogenen Daten haben wird.

(vgl. Randnrn. 81-83, 87-90, 93)

9.      Im Bereich des Rechts der Öffentlichkeit auf Zugang zu den Dokumenten der Organe der Union lässt sich die Befürchtung, dass die Verbreitung interner Rechtsgutachten eines Organs zu laufenden Verhandlungen zwischen der Union und einem Drittstaat das mit dem Schutz der Rechtsgutachten verbundene öffentliche Interesse beeinträchtigen könnte, nicht rechtfertigen, denn Transparenz im Bereich der Rechtsberatung trägt gerade dazu bei, den Organen in den Augen der europäischen Bürger eine größere Legitimität zu verleihen und deren Vertrauen zu stärken, weil sie es ermöglicht, Unterschiede zwischen mehreren Standpunkten offen zu erörtern. Tatsächlich ist es eher das Fehlen von Information und Diskussion, das bei den Bürgern Zweifel hervorrufen kann, und zwar nicht nur an der Rechtmäßigkeit eines einzelnen Rechtsakts, sondern auch an der Legitimität des Entscheidungsprozesses insgesamt.

In diesem Zusammenhang ist zum einen der Umstand, dass sich ein Dokument auf einen Bereich bezieht, der potenziell unter die Ausnahme des Art. 4 Abs. 1 Buchst. a dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission zum Schutz des öffentlichen Interesses im Bereich internationaler Beziehungen fällt, für die Beurteilung der Anwendung der in Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich dieser Verordnung gesondert geregelten Ausnahme zum Schutz der Rechtsberatung unerheblich.

Zum anderen kann zwar im Rahmen der Prüfung einer Gefahr der Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses in Bezug auf den Schutz der Rechtsberatung geltend gemacht werden, dass das Verfahren für den Abschluss eines internationalen Abkommens zum Zeitpunkt des Erlasses einer Entscheidung über die Verweigerung des Zugangs zu einem Rechtsgutachten zu diesem Abkommen noch im Gange war, doch ist dieses Argument im Rahmen der Prüfung, ob ein höherrangiges öffentliches Interesse vorliegt, das trotz dieser Gefahr der Beeinträchtigung die Verbreitung rechtfertigt, nicht maßgeblich.

Das öffentliche Interesse an der Transparenz des Entscheidungsprozesses würde nämlich ins Leere laufen, wenn seine Berücksichtigung auf den Fall beschränkt wäre, dass der Entscheidungsprozess abgeschlossen ist.

(vgl. Randnrn. 96-97, 99-101)

10.    Die Prüfung des teilweisen Zugangs zu einem Dokument der Organe der Union ist anhand des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vorzunehmen. Aus dem Wortlaut von Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission selbst ergibt sich, dass ein Organ zu prüfen hat, ob zu Dokumenten, die Gegenstand eines Zugangsantrags sind, ein teilweiser Zugang in der Form zu gewähren ist, dass eine Zugangsverweigerung auf die Angaben beschränkt wird, die von den betreffenden Ausnahmen gedeckt sind. Das Organ hat einen solchen teilweisen Zugang zu gewähren, wenn das von ihm mit der Verweigerung des Zugangs zum Dokument verfolgte Ziel dadurch erreicht werden kann, dass sich das Organ darauf beschränkt, die Stellen unkenntlich zu machen, die das geschützte öffentliche Interesse beeinträchtigen können.

(vgl. Randnrn. 105-106)

11.    Im Bereich des Rechts auf Zugang zu den Dokumenten hat das Organ, das den Zugang zu einem Dokument verweigert hat, eine Begründung zu geben, der sich entnehmen und anhand deren sich überprüfen lässt, ob das angeforderte Dokument tatsächlich in den Bereich der Ausnahmeregelung fällt und ob im Hinblick auf diese Ausnahmeregelung tatsächlich ein Schutzbedarf besteht.

Die Allgemeinheit einer Begründung ist, soweit der Rat den sensiblen Inhalt, der durch die Verbreitung enthüllt werden könnte, nicht angegeben hat, durch die Sorge gerechtfertigt, keine Informationen preiszugeben, deren Schutz die geltend gemachte Ausnahme bezweckt, nämlich den Schutz des öffentlichen Interesses im Bereich internationaler Beziehungen.

(vgl. Randnrn. 118, 121)