Language of document : ECLI:EU:F:2010:148

URTEIL DES GERICHTS FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST
DER EUROPÄISCHEN UNION (Erste Kammer)

23. November 2010(*)

„Öffentlicher Dienst – Beamte – Allgemeines Auswahlverfahren – Nichtaufnahme in die Reserveliste – Ausgewogenes Verhältnis von Frauen und Männern in den Prüfungsausschüssen für Auswahlverfahren“

In der Rechtssache F‑50/08

betreffend eine Klage nach den Art. 236 EG und 152 EA,

Gábor Bartha, wohnhaft in Brüssel (Belgien), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt P. Homoki,

Kläger,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch J. Currall, V. Bottka und A. Sipos als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

Das Gericht für den öffentlichen Dienst (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten S. Gervasoni sowie der Richter H. Kreppel (Berichterstatter) und H. Tagaras,

Kanzlerin: W. Hakenberg,

folgendes

Urteil

1        Mit Klageschrift, die am 19. Mai 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, beantragt Herr Bartha im Wesentlichen die Aufhebung der Entscheidung des Prüfungsausschusses für das allgemeine Auswahlverfahren EPSO/AD/56/06, mit der ihm mitgeteilt wurde, dass er die Prüfungen dieses Auswahlverfahrens nicht bestanden habe, sowie die Verurteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zum Ersatz des ihm durch diese Entscheidung entstandenen Schadens.

 Rechtlicher Rahmen

2        Art. 3 des Anhangs III des Statuts der Beamten der Europäischen Union (im Folgenden: Statut) lautet:

„Der Prüfungsausschuss besteht aus einem von der Anstellungsbehörde bestellten Vorsitzenden und aus Mitgliedern, die in gleicher Zahl von der Anstellungsbehörde und von der Personalvertretung benannt werden.

Bei von zwei oder mehr Organen gemeinsam durchgeführten allgemeinen Auswahlverfahren besteht der Prüfungsausschuss aus einem von der Anstellungsbehörde im Sinne des Artikels 2 Absatz 2 des Statuts ernannten Vorsitzenden und aus den Mitgliedern, die von der Anstellungsbehörde im Sinne des Artikels 2 Absatz 2 des Statuts auf Vorschlag der Organe bestellt werden, sowie aus Mitgliedern, die von den Personalvertretungen der Organe einvernehmlich auf paritätischer Grundlage bestellt werden.

Der Prüfungsausschuss kann zu bestimmten Prüfungen einen oder mehrere Beisitzer mit beratender Stimme hinzuziehen.

Die unter den Beamten ausgewählten Mitglieder des Prüfungsausschusses müssen mindestens der gleichen Funktions- und Besoldungsgruppe angehören, die für den zu besetzenden Dienstposten vorgesehen ist.

Zählt ein Prüfungsausschuss mehr als vier Mitglieder, so müssen ihm mindestens zwei Mitglieder jedes Geschlechts angehören.“

 Sachverhalt

3        Am 25. Juli 2006 machte das Europäische Amt für Personalauswahl (EPSO) das allgemeine Auswahlverfahren EPSO/AD/56/06 zur Bildung einer Einstellungsreserve von Verwaltungsrätinnen und Verwaltungsräten der Besoldungsgruppe AD 5 ungarischer Staatsbürgerschaft bekannt (ABl. C 172 A, S. 3, im Folgenden: Bekanntmachung des Auswahlverfahrens).

4        Dieses Auswahlverfahren betraf vier Sachgebiete: „Europäische öffentliche Verwaltung/Humanressourcen“, „Recht“, „Wirtschaft“, „Betriebswirtschaft/Business Administration“.

5        Die Anzahl der erfolgreichen Bewerber für das Sachgebiet „Recht“ war auf 10 festgelegt.

6        Der Kläger meldete sich für das Auswahlverfahren EPSO/AD/56/06 an und wählte dabei das Sachgebiet „Recht“.

7        Nachdem er die Zulassungstests bestanden hatte, die durchgeführt wurden, um eine Vorauswahl der Bewerber zu treffen, unterzog sich der Kläger den drei schriftlichen Prüfungen gemäß der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens und dann der mündlichen Prüfung, die den Bewerbern vorbehalten war, die nach den schriftlichen Prüfungen ausgewählt worden waren.

8        Mit Schreiben vom 19. November 2007 teilte der Vorsitzende des Prüfungsausschusses dem Kläger mit, dass sein Name nicht in die Reserveliste habe aufgenommen werden können, da die Gesamtnote, die er bei den schriftlichen Prüfungen und der mündlichen Prüfung zusammengenommen erzielt habe, schlechter gewesen sei als die der zehn erfolgreichen Prüfungsteilnehmer des Auswahlverfahrens (Sachgebiet „Recht“).

9        Mit Schreiben vom 22. November 2007 beantragte der Kläger die Überprüfung der Entscheidung, ihn nicht in die Reserveliste des Auswahlverfahrens aufzunehmen.

10      Da er die von ihm angeforderten Dokumente und Informationen nicht erhielt, wiederholte der Kläger seinen Antrag mit einer an das EPSO gerichteten E-Mail vom 10. Dezember 2007.

11      Am 20. Dezember 2007 übersandte das EPSO dem Kläger Kopien seiner schriftlichen Prüfungen b und c sowie Kopien der entsprechenden Bewertungsbögen.

12      Mit Schreiben vom 7. Januar 2008 ergänzte der Kläger auf der Grundlage der Dokumente, die ihm das EPSO übermittelt hatte, die ursprünglich in seinem Antrag auf Überprüfung geltend gemachten Rügen.

13      Mit Entscheidung vom 23. Januar 2008 wies der Vorsitzende des Prüfungsausschusses den Antrag auf Überprüfung zurück.

14      Mit einer an das EPSO gerichteten E-Mail vom 25. Januar 2008 wandte sich der Kläger gegen den Inhalt der Entscheidung vom 23. Januar 2008.

15      Mit Entscheidung vom 31. März 2008 bekräftigte der Vorsitzende des Prüfungsausschusses die Ablehnung, den Kläger in die Reserveliste des Auswahlverfahrens aufzunehmen.

 Verfahren und Anträge der Parteien

16      Die Klage ist am 19. Mai 2008 erhoben worden.

17      Der Kläger beantragt:

–        die Entscheidung vom 19. November 2007 aufzuheben;

–        die Entscheidung vom 23. Januar 2008 aufzuheben;

–        die Entscheidung vom 31. März 2008 aufzuheben;

–        die Kommission zu verurteilen, den durch die Rechtswidrigkeit der genannten Entscheidungen entstanden Schaden zu ersetzen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

18      Die Kommission beantragt:

–        die Klage abzuweisen;

–        dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.

19      In einem Schriftstück mit der Überschrift „Klageänderung“, das das Gericht als Erwiderung angesehen hat, beantragt der Kläger ferner:

–        die Kommission zu verurteilen, an ihn als Ersatz des materiellen Schadens für die Zeit vom 31. März 2008 bis zur Verkündung des vorliegenden Urteils eine Entschädigung in Höhe von monatlich 924 Euro zu zahlen;

–        die Kommission zu verurteilen, als Ersatz des immateriellen Schadens 10 000 Euro an ihn zu zahlen;

–        das EPSO zu verpflichten, eine neue Entscheidung zu erlassen, die die Entscheidung vom 19. November 2007 ersetzt.

20      In ihrer Gegenerwiderung beantragt die Kommission noch einmal:

–        die Klage abzuweisen;

–        dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.

21      Das Gericht hat gemäß Art. 48 Abs. 2 der Verfahrensordnung mit Zustimmung der Parteien entschieden, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden.

 Rechtliche Würdigung

A –  Zu den Aufhebungsanträgen

1.     Vorbemerkungen zum Gegenstand der Aufhebungsanträge

22      Wenn ein Bewerber in einem Auswahlverfahren die Überprüfung einer Entscheidung des Prüfungsausschusses beantragt, stellt nach der Rechtsprechung die von diesem Ausschuss nach der Überprüfung der Situation des Bewerbers getroffene Entscheidung die den Bewerber beschwerende Maßnahme dar (Urteil des Gerichts erster Instanz vom 13. Dezember 2006, Heus/Kommission, T‑173/05, Slg. ÖD 2006, I‑A‑2‑329 und II‑A‑2‑1695, Randnr. 19). Folglich ist die auf den vom Kläger am 22. November 2007 gestellten Antrag auf Überprüfung hin erlassene Entscheidung vom 23. Januar 2008 an die Stelle der ursprünglichen Entscheidung des Prüfungsausschusses vom 19. November 2007 getreten und stellt somit die beschwerende Maßnahme (im Folgenden: streitige Entscheidung) dar.

23      Im Übrigen geht aus den Akten hervor, dass der Kläger, nachdem er die streitige Entscheidung erhalten hatte, am 25. Januar 2008 eine E-Mail an das EPSO – an das nach der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens nicht nur Anträge auf Überprüfung, sondern auch Beschwerden der Bewerber gemäß Art. 90 Abs. 2 des Statuts zu richten waren – sandte, in der er die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung in Zweifel zog und insbesondere geltend machte, dass sie unter Verstoß gegen bestimmte für die Tätigkeit der Prüfungsausschüsse für Auswahlverfahren geltende Vorschriften erlassen worden sei. Da die Entscheidung des EPSO, dieses Schreiben zur Beantwortung an den Vorsitzenden des Prüfungsausschusses weiterzuleiten, keinen Einfluss darauf haben kann, wie dieses Schreiben vom Gericht einzustufen ist, ist dieses Schreiben im Hinblick auf seinen Gegenstand als Beschwerde im Sinne von Art. 90 Abs. 2 des Statuts anzusehen, die mit der Entscheidung vom 31. März 2008 ausdrücklich zurückgewiesen worden ist. Ein Aufhebungsantrag, der formal gegen die Entscheidung über die Zurückweisung einer Beschwerde gerichtet ist, bewirkt in einem Fall, in dem diese Entscheidung keinen eigenständigen Gehalt hat, nach der Rechtsprechung aber, dass das Gericht mit der Maßnahme befasst wird, gegen die die Beschwerde gerichtet ist (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 17. Januar 1989, Vainker/Parlament, 293/87, Slg. 1989, 23, Randnr. 8; vgl. auch Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2009, Hoppenbrouwers/Kommission, F‑104/07, Slg. ÖD 2009, I‑A‑1‑259 und II‑A‑1‑1399, Randnr. 31). Da die Entscheidung vom 31. März 2008 keinen eigenständigen Gehalt hat, ist somit auch nicht über den Antrag auf Aufhebung dieser Entscheidung zu entscheiden.

2.     Zum Antrag auf Aufhebung der streitigen Entscheidung

a)     Zur Zulässigkeit

24      Die Kommission macht geltend, eine Klage gegen die streitige Entscheidung hätte innerhalb einer Frist von drei Monaten und zehn Tagen nach Mitteilung dieser Entscheidung erhoben werden müssen, also spätestens am 3. Mai 2008. Die vorliegende Klage sei aber erst am 19. Mai 2008 erhoben worden. Sie sei somit als unzulässig abzuweisen.

25      Hierzu ist festzustellen, dass der Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung des Prüfungsausschusses für ein Auswahlverfahren nach ständiger Rechtsprechung in der Regel in der unmittelbaren Anrufung des Unionsrichters besteht. Wenn sich der Betroffene – wie der Kläger in der vorliegenden Rechtssache – aber dafür entscheidet, sich zunächst mit einer Beschwerde an die Verwaltung zu wenden, hängt die Zulässigkeit einer später erhobenen Klage davon ab, dass der Betroffene alle verfahrensrechtlichen Voraussetzungen beachtet hat, die mit dem Weg der vorherigen Beschwerde verknüpft sind (Beschluss des Gerichts erster Instanz vom 25. November 2005, Pérez-Díaz/Kommission, T‑41/04, Slg. ÖD 2005, I‑A‑373 und II‑1697, Randnr. 32).

26      Im vorliegenden Fall war der Kläger, da er sich dafür entschieden hatte, eine Beschwerde gegen die streitige Entscheidung einzulegen, nach Art. 90 Abs. 2 des Statuts verpflichtet, dies binnen drei Monaten ab der Mitteilung dieser Entscheidung zu tun. Aus den Akten geht aber hervor, dass der Betroffene diese Bestimmung eingehalten hat, da seine Beschwerde am 25. Januar 2008 beim EPSO eingegangen ist, also zwei Tage nach der am 23. Januar 2008 erfolgten Mitteilung.

27      Im Übrigen muss nach Art. 91 Abs. 3 des Statuts eine Klage gemäß diesem Artikel innerhalb einer Frist von drei Monaten ab Mitteilung der auf die Beschwerde hin ergangenen Entscheidung erhoben werden, wobei diese Frist gemäß Art. 100 Abs. 3 der Verfahrensordnung um eine pauschale Entfernungsfrist von zehn Tagen verlängert wird; es ist aber unstreitig, dass der Kläger die vorliegende Klage am 19. Mai 2008, also innerhalb einer Frist von drei Monaten und zehn Tagen, beim Gericht erhoben hat. Somit ist die Behauptung der Kommission, die Klage sei verspätet erhoben worden, unzutreffend.

b)     Zur Begründetheit

28      Der Kläger hatte seinen Antrag zunächst auf sechs Klagegründe gestützt: erstens auf einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 5 des Anhangs III des Statuts, zweitens auf einen Verstoß gegen das Gebot eines fairen Verfahrens, drittens auf einen Verstoß gegen die Bewertungsgrundsätze, viertens auf einen Verstoß gegen Art. 90 Abs. 2 des Statuts, fünftens auf das Vorliegen eines Ermessensmissbrauchs und einen Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung, sechstens auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit.

29      In seiner Erwiderung hat der Kläger dem Gericht aber mitgeteilt, dass er die Klagegründe des Verstoßes gegen das Gebot eines fairen Verfahrens, des Verstoßes gegen die Bewertungsgrundsätze und des Verstoßes gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit fallen lasse.

30      Es ist der Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 5 des Anhangs III des Statuts zu prüfen.

 Vorbringen der Parteien

31      Der Kläger macht geltend, dass nach Art. 3 Abs. 5 des Anhangs III des Statuts, wenn „ein Prüfungsausschuss mehr als vier Mitglieder [zählt], ... ihm mindestens zwei Mitglieder jedes Geschlechts angehören [müssen]“. Gegen diese Bestimmung sei im vorliegenden Fall aber verstoßen worden, da dem Prüfungsausschuss, der mehr als vier Mitglieder gezählt habe, bei seiner mündlichen Prüfung nur ein Mitglied weiblichen Geschlechts angehört habe.

32      Die Kommission hält dem zunächst entgegen, dass der Klagegrund unzulässig sei, da er im Rahmen des Vorverfahrens nicht geltend gemacht worden sei; hilfsweise macht sie geltend, dass Art. 3 Abs. 5 des Anhangs III des Statuts im vorliegenden Fall nicht anwendbar gewesen sei, da der Prüfungsausschuss nur vier ordentliche Mitglieder und vier stellvertretende Mitglieder gezählt habe. Jedenfalls sei, auch wenn der Prüfungsausschuss verpflichtet gewesen sein sollte, Art. 3 Abs. 5 des Anhangs III des Statuts zu beachten, festzustellen, dass diese Bestimmung, in der nicht zwischen ordentlichen und stellvertretenden Mitgliedern unterschieden werde, beachtet worden sei, da dem Prüfungsausschuss zwei Mitglieder weiblichen Geschlechts angehört hätten.

33      Zur Zulässigkeit des Klagegrundes erwidert der Kläger, dass der Grundsatz der Übereinstimmung von Beschwerde und Klage im Bereich der Auswahlverfahren nicht gelte und dass es sich bei dem Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen den Grundsatz der paritätischen Besetzung der Prüfungsausschüsse geltend gemacht werde, jedenfalls um einen von Amts wegen zu prüfenden Gesichtspunkt handele, der erstmals vor Gericht geltend gemacht werden könne. Zur Begründetheit macht der Betroffene geltend, dass bei der Überprüfung der Erfüllung des Erfordernisses in Art. 3 Abs. 5 des Anhangs III des Statuts, mit dem jegliche Diskriminierung verhindert werden solle, nur die ordentlichen Mitglieder zu berücksichtigen seien oder zumindest nur diejenigen, die bei der mündlichen Prüfung zugegen gewesen seien.

 Würdigung durch das Gericht

–       Zur Zulässigkeit des Klagegrundes

34      Wie das Gericht im Urteil vom 1. Juli 2010, Mandt/Parlament (F‑45/07, Randnrn. 119 und 120), festgestellt hat, liegt nur dann ein Verstoß gegen den Grundsatz der Übereinstimmung von Beschwerde und Klage vor, wenn die Klage den Gegenstand der Beschwerde oder ihren Grund ändert, wobei der Begriff „Grund“ weit auszulegen ist. Nach dieser Auslegung ist bei einem Aufhebungsantrag unter „Grund des Rechtsstreits“ entweder das Bestreiten der materiellen oder aber das Bestreiten der formellen Rechtmäßigkeit der angefochtenen Handlung zu verstehen. Vorbehaltlich von Einreden der Rechtswidrigkeit und von Gesichtspunkten, die von Amts wegen zu prüfen seien, läge daher nur dann eine Änderung des Grundes des Rechtsstreits und damit ein Verstoß gegen den Grundsatz der Übereinstimmung vor, wenn der Kläger, der in seiner Beschwerde nur die formelle Gültigkeit der ihn beschwerenden Maßnahme einschließlich ihrer verfahrensrechtlichen Aspekte bestritten hat, in der Klageschrift materiell-rechtliche Klagegründe geltend machte oder, umgekehrt, wenn der Kläger, nachdem er in seiner Beschwerde nur die materielle Rechtmäßigkeit der beschwerenden Maßnahme bestritten hat, eine Klageschrift einreichte, die Klagegründe hinsichtlich ihrer formellen Gültigkeit enthält.

35      Im vorliegenden Fall wird der Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 5 des Anhangs III des Statuts in der Beschwerde zwar nicht erwähnt, auch nicht implizit; der Kläger zieht darin aber die formelle Rechtmäßigkeit der streitigen Entscheidung in Zweifel, indem er u. a. geltend macht, dass seine schriftliche Prüfungsarbeit c nicht von einem Beisitzer ungarischer Sprache korrigiert worden sei, weshalb seiner Auffassung nach das gesamte Verfahren rechtswidrig sei, und dass die streitige Entscheidung im Hinblick auf die Ausführungen in den Schreiben vom 22. November 2007 und 7. Januar 2008 nicht hinreichend begründet worden sei. Deshalb ist der genannte Klagegrund, der denselben Rechtsgrund hat wie einige der Beschwerdegründe, zulässig.

–       Zur Begründetheit des Klagegrundes

36      Es ist zunächst zu prüfen, ob der Prüfungsausschuss für das Auswahlverfahren, der die Prüfungsleistungen des Klägers bewertet hat, im Sinne von Art. 3 Abs. 5 des Anhangs III des Statuts „mehr als vier Mitglieder“ zählte, um festzustellen, ob der Prüfungsausschuss im vorliegenden Fall verpflichtet war, diese Bestimmung zu beachten.

37      Angesichts der Allgemeinheit des in Art. 3 Abs. 5 des Anhangs III des Statuts verwendeten Ausdrucks „Mitglieder [des Prüfungsausschusses]“ ist davon auszugehen, dass damit sämtliche Mitglieder des Prüfungsausschusses, einschließlich des Vorsitzenden, gemeint sind und nicht nur die Mitglieder dieses Prüfungsausschusses, die nicht Vorsitzender sind. Folglich fällt ein Prüfungsausschuss für ein Auswahlverfahren, der wie im vorliegenden Fall einschließlich des Vorsitzenden fünf Mitglieder zählt, in den Anwendungsbereich der genannten Bestimmung.

38      Sodann ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob der Prüfungsausschuss für das Auswahlverfahren den Anforderungen von Art. 3 Abs. 5 des Anhangs III des Statuts genügt hat, d. h., ihm „mindestens zwei Mitglieder jedes Geschlechts“ angehört haben; insoweit ist zunächst zu bestimmen, ob hierbei auf die Zusammensetzung des Prüfungsausschusses, wie sie sich aus der von dem oder den Organen, die das Auswahlverfahren durchführen, veröffentlichten Liste ergibt, abzustellen ist oder auf die tatsächliche Durchführung der Prüfungen, und dann, ob allein die ordentlichen Mitglieder des Prüfungsausschusses oder auch die stellvertretenden Mitglieder zu berücksichtigen sind.

39      Was die Frage angeht, ob für die Einhaltung der Regel in Art. 3 Abs. 5 des Anhangs III des Statuts die Veröffentlichung der Liste der Mitglieder des Prüfungsausschusses oder die Durchführung der mündlichen Prüfung maßgeblich ist, vertritt das Gericht die Auffassung, dass die genannten Bestimmungen dahin auszulegen sind, dass die Mitglieder des Prüfungsausschusses gemeint sind, wie sie in der veröffentlichten Liste aufgeführt sind. Wenn die genannte Regel nämlich bei der Durchführung der Prüfungen eingehalten werden müsste, würde dies für die für die Durchführung des Auswahlverfahrens zuständige Stelle erhebliche praktische Schwierigkeiten mit sich bringen; sie wäre bei der Personalverwaltung allzu hohen Zwängen ausgesetzt, zumal die Prüfungsausschüsse für Auswahlverfahren nach Art. 3 Abs. 2 des Anhangs III des Statuts auch noch sowohl aus Mitgliedern, die von der Anstellungsbehörde bestellt werden, als auch aus Mitgliedern, die von der oder den Personalvertretungen bestellt werden, bestehen müssen.

40      Was die Frage angeht, ob bei der Prüfung der Beachtung von Art. 3 Abs. 5 des Anhangs III des Statuts nur die ordentlichen Mitglieder des Prüfungsausschusses oder auch die stellvertretenden Mitglieder zu berücksichtigen sind, so ist zunächst festzustellen, dass es nach der Rechtsprechung zulässig ist, dass eine Behörde, die einen Prüfungsausschuss für ein Auswahlverfahren bildet, nicht nur ordentliche Mitglieder, sondern auch stellvertretende Mitglieder bestellt, auch wenn diese Möglichkeit im Statut nicht ausdrücklich vorgesehen ist. Durch die Bestellung von stellvertretenden Mitgliedern eines Prüfungsausschusses für ein Auswahlverfahren soll nämlich ermöglicht werden, dass die ordentlichen Mitglieder im Fall ihrer Verhinderung ersetzt werden können, so dass der Prüfungsausschuss seine Aufgabe in angemessener Zeit erfüllen kann – bei gleichbleibender Zusammensetzung während der gesamten Dauer der mündlichen Prüfungen (Urteil des Gerichts erster Instanz vom 12. März 2008, Giannini/Kommission, T‑100/04, Slg. ÖD 2008, I‑A‑2‑9 und II‑A‑2‑37, Randnr. 207).

41      Allerdings sind bei der Prüfung der Einhaltung der Regel in Art. 3 Abs. 5 des Anhangs III des Statuts grundsätzlich nur die ordentlichen Mitglieder des Prüfungsausschusses zu berücksichtigen, denn nur sie sind unter normalen Umständen dazu berufen, an der tatsächlichen Durchführung der Prüfungen teilzunehmen.

42      Außerdem würde Art. 3 Abs. 5 des Anhangs III des Statuts, wenn er dahin auszulegen wäre, dass bei der Beurteilung der ordnungsgemäßen Zusammensetzung des Prüfungsausschusses sämtliche Mitglieder des Prüfungsausschusses, ordentliche und stellvertretende, zu berücksichtigen wären, ein großer Teil seiner Tragweite genommen. Das Erfordernis, dass einem Prüfungsausschuss, wenn er mehr als vier Mitglieder zählt, mindestens zwei Mitglieder jedes Geschlechts angehören müssen, ist vom Gesetzgeber nämlich aufgestellt worden, damit bei der Zusammensetzung des Prüfungsausschusses annähernd ein ausgewogenes Verhältnis der beiden Geschlechter besteht. Dieses Ziel würde aber verfehlt, wenn es bei einem Prüfungsausschuss, der einschließlich der stellvertretenden Mitglieder mindestens acht Mitglieder zählt, genügte, wenn das eine oder andere Geschlecht nur durch zwei stellvertretende Mitglieder vertreten wäre.

43      Folglich kann bei einem Prüfungsausschuss, der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Liste seiner Mitglieder mehr als vier ordentliche Mitglieder zählt, nur dann angenommen werden, dass er den Anforderungen von Art. 3 Abs. 5 des Anhangs III des Statuts entspricht, wenn zu diesen ordentlichen Mitgliedern zumindest zwei Mitglieder jedes Geschlechts zählen.

44      Allerdings kann der Grundsatz, dass nur die ordentlichen Mitglieder des Prüfungsausschusses zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Liste seiner Mitglieder zu berücksichtigen sind, in dem besonderen Fall eine Abschwächung erfahren, in dem die Zusammensetzung des Prüfungsausschusses zwar nicht zu diesem Zeitpunkt den Anforderungen von Art. 3 Abs. 5 des Anhangs III des Statuts gemäß der Auslegung in der vorstehenden Randnummer genügt, wohl aber bei der tatsächlichen Durchführung der Prüfungen. Denn in einem solchen Fall wird das mit Art. 3 Abs. 5 des Anhangs III des Statuts verfolgte Ziel, nämlich dafür zu sorgen, dass die Leistungen der Bewerber eines Auswahlverfahrens von einem Prüfungsausschuss bewertet werden, in dem ein ausgewogenes Verhältnis von Frauen und Männern gewährleistet ist, letztlich in vollem Umfang verwirklicht.

45      Im vorliegenden Fall hatte das EPSO die Organe und die Personalvertretungen mit Schreiben vom 23. August 2006 zwar darum gebeten, für den Prüfungsausschuss in Frage kommende Personen vorzuschlagen, und dabei insbesondere darauf hingewiesen, dass einem Prüfungsausschuss, der mehr als vier Mitglieder zähle, mindestens zwei Mitglieder jedes Geschlechts angehören müssten; aus den Akten geht aber hervor, dass das EPSO kurz vor Durchführung der mündlichen Prüfungen auf seiner Website die Liste der – ordentlichen und stellvertretenden – Mitglieder des Prüfungsausschusses für das allgemeine Auswahlverfahren EPSO/AD/56/06 veröffentlichte, aus der hervorgeht, dass dem Prüfungsausschuss ein Vorsitzender männlichen Geschlechts und vier ordentliche Mitglieder ebenfalls männlichen Geschlechts, aber keine Person weiblichen Geschlechts angehörte, was einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 5 des Anhangs III des Statuts darstellt.

46      Zwar waren in der vom EPSO veröffentlichten Liste auch eine stellvertretende Vorsitzende und ein stellvertretendes Mitglied weiblichen Geschlechts aufgeführt; und insbesondere kam bei der mündlichen Prüfung des Klägers dieses stellvertretende Mitglied zum Einsatz.

47      Dadurch kann aber nicht der Nachweis erbracht werden, dass der Prüfungsausschuss für das Auswahlverfahren den Anforderungen von Art. 3 Abs. 5 des Anhangs III des Statuts genügt hätte, da nicht erwiesen ist, ja nicht einmal behauptet wird, dass die stellvertretende Vorsitzende neben dem stellvertretenden Mitglied weiblichen Geschlechts tatsächlich dem beständigen Prüfungsausschuss angehört hätte, der bei der Durchführung der Prüfungen die Fähigkeiten der Bewerber prüfte.

48      Somit ist festzustellen, dass im vorliegenden Fall die Zusammensetzung des Prüfungsausschusses für das Auswahlverfahren nicht mit Art. 3 Abs. 5 des Anhangs III des Statuts in Einklang stand.

49      Da nicht erwiesen ist, dass die streitige Entscheidung ohne einen solchen Verfahrensfehler denselben Inhalt gehabt hätte, ist die streitige Entscheidung aufzuheben, ohne dass die anderen Klagegründe geprüft zu werden brauchen.

B –  Zum Antrag auf Verpflichtung des EPSO, eine neue Entscheidung zu erlassen, die die Entscheidung vom 19. November 2007 ersetzt

50      Nach ständiger Rechtsprechung steht es dem Unionsrichter im Rahmen der Rechtmäßigkeitskontrolle nach Art. 91 des Statuts nicht zu, der Verwaltung Anordnungen zu erteilen (Urteil des Gerichts erster Instanz vom 2. März 2004, Di Marzio/Kommission, T‑14/03, Slg. ÖD 2004, I‑A‑43 und II‑167, Randnr. 63). Der genannte Antrag ist folglich als unzulässig zurückzuweisen.

C –  Zu den Schadensersatzanträgen

1.     Vorbringen der Parteien

51      Der Kläger beantragt Ersatz sowohl des materiellen als auch des immateriellen Schadens, der ihm durch die streitige Entscheidung entstanden sein soll. Sein materieller Schaden bestehe in der Differenz zwischen dem Gehalt eines Beamten der Besoldungsgruppe AD 5, Dienstaltersstufe 2, und dem Gehalt, das er derzeit erhalte, sowie in dem Anspruch auf soziale Sicherheit und dem Ruhegehaltsanspruch der Europäischen Union, die ihm entgingen.

52      Die Kommission beantragt, diese Anträge zurückzuweisen.

2.     Würdigung durch das Gericht

53      Nach ständiger Rechtsprechung ist die Haftung der Verwaltung an das Zusammentreffen mehrerer Voraussetzungen geknüpft: Die den Organen vorgeworfene Handlung muss rechtswidrig sein, es muss ein tatsächlicher Schaden eingetreten sein, und zwischen der Handlung und dem behaupteten Schaden muss ein Kausalzusammenhang bestehen (Urteile des Gerichtshofs vom 1. Juni 1994, Kommission/Brazzelli Lualdi u. a., C‑136/92 P, Slg. 1994, I‑1981, Randnr. 42, und vom 21. Februar 2008, Kommission/Girardot, C‑348/06 P, Slg. 2008, I‑833, Randnr. 52). Diese drei Voraussetzungen sind kumulativ. Für die Abweisung einer Schadensersatzklage genügt es, dass eine von ihnen nicht vorliegt.

54      Was den Kausalzusammenhang angeht, so muss der Kläger grundsätzlich den Beweis für einen unmittelbaren ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Fehler des Organs und dem geltend gemachten Schaden erbringen (Urteil des Gerichts erster Instanz vom 28. September 1999, Hautem/EIB, T‑140/97, Slg. ÖD 1999, I‑A‑171 und II‑897, Randnr. 85).

55      Der für die Feststellung des ursächlichen Zusammenhangs erforderliche Grad an Sicherheit ist jedoch erreicht, wenn das rechtswidrige Verhalten eines Unionsorgans den Betroffenen zwar nicht unbedingt um die Einstellung, auf die einen Anspruch gehabt zu haben er kaum je wird nachweisen können, aber mit Sicherheit um eine ernsthafte Chance auf Einstellung als Beamter oder sonstiger Bediensteter gebracht hat, so dass der Betroffene als Folge hiervon einen materiellen Schaden in Form eines Einkommensverlusts erlitten hat (Urteil des Gerichts erster Instanz vom 5. Oktober 2004, Sanders u. a./Kommission, T‑45/01, Slg. 2004, II‑3315, Randnr. 150; Urteil des Gerichts vom 22. Oktober 2008, Tzirani/Kommission, F‑46/07, Slg. ÖD 2008, I‑A‑1‑323 und II‑A‑1‑1773, Randnr. 218).

56      Der Kläger begehrt den Ersatz des materiellen Schadens, der zum einen durch die entgangenen Dienstbezüge entstanden sei, im vorliegenden Fall die Differenz zwischen dem Gehalt eines Beamten der Besoldungsgruppe AD 5, Dienstaltersstufe 2, und dem Gehalt, das er derzeit erhält, und zum anderen dadurch, dass er um den Anspruch auf soziale Sicherheit und den Ruhegehaltsanspruch, die mit dem Beamtenverhältnis einhergehen, gebracht worden sei. Im vorliegenden Fall ist aber nicht erwiesen, dass der Kläger, wenn der Verfahrensfehler bei der Zusammensetzung des Prüfungsausschusses nicht vorgekommen wäre, als Beamter eingestellt worden wäre oder zumindest eine ernsthafte Chance auf Einstellung gehabt hätte. Da die Voraussetzung eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Fehler des Organs und dem geltend gemachten Schaden nicht erfüllt ist, ist der Antrag auf Ersatz des materiellen Schadens folglich zurückzuweisen. Jedenfalls wird die Verwaltung, der das aufgehobene Handeln zur Last fällt, die sich aus dem vorliegenden Urteil ergebenden Maßnahmen zu ergreifen haben, insbesondere wird sie unter Beachtung der Grundsätze der anwendbaren unionsrechtlichen Regelung alle Maßnahmen zu erlassen haben, die geeignet sind, den Nachteil, der dem Kläger aus der aufgehobenen Handlung entstanden ist, in angemessener Weise auszugleichen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts erster Instanz vom 15. September 2005, Casini/Kommission, T‑132/03, Slg. ÖD 2005, I‑A‑253 und II‑1169, Randnr. 98).

57      Was den immateriellen Schaden angeht, so ist festzustellen, dass der Kläger nicht nachweist, dass er einen immateriellen Schaden erlitten hätte, der losgelöst von der Rechtswidrigkeit betrachtet werden könnte, auf der die Aufhebung der streitigen Entscheidung beruht, und der durch diese Aufhebung nicht in vollem Umfang wiedergutgemacht werden könnte (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts erster Instanz vom 19. November 2008, Michail/Kommission, T‑49/08 P, Slg. ÖD 2008, I‑B‑1‑121 und II‑B‑1‑739, Randnr. 88).

58      Mithin sind die Schadensersatzanträge zurückzuweisen.

 Kosten

59      Nach Art. 87 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist vorbehaltlich der übrigen Bestimmungen des Kapitels über die Kosten die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Gemäß Art. 87 Abs. 2 der Verfahrensordnung kann das Gericht aus Gründen der Billigkeit entscheiden, dass eine unterliegende Partei zur Tragung nur eines Teils der Kosten oder gar nicht zur Tragung der Kosten zu verurteilen ist.

60      Aus den oben ausgeführten Gründen ergibt sich, dass die Kommission im Wesentlichen mit ihrem Vorbringen unterlegen ist. Zudem hat der Kläger ausdrücklich beantragt, sie zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Umstände des vorliegenden Falles die Anwendung von Art. 87 Abs. 2 der Verfahrensordnung nicht rechtfertigen, ist die Kommission zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT für den öffentlichen Dienst (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung vom 23. Januar 2008, mit der der Prüfungsausschuss für das Auswahlverfahren EPSO/AD/56/06 den Antrag von Herrn Bartha auf Überprüfung der Entscheidung dieses Prüfungsausschusses über die Ablehnung seiner Bewerbung zurückgewiesen hat, wird aufgehoben.

2.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.      Die Europäische Kommission trägt die Kosten.

Gervasoni

Kreppel

Tagaras

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 23. November 2010.

Die Kanzlerin

 

      Der Präsident

W. Hakenberg

 

      S. Gervasoni


* Verfahrenssprache: Ungarisch.