Language of document : ECLI:EU:T:2020:395

URTEIL DES GERICHTS (Erste Kammer)

9. September 2020(*)

„Institutionelles Recht – Schadensersatzklage – Voraussetzungen für den Eintritt der außervertraglichen Haftung der Union – Regelung der Einfuhren von ökologischen/biologischen Erzeugnissen aus Drittländern – Private Kontrollstelle – Begriff der angemessenen Überwachung im Sinne von Art. 33 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 – Verordnung (EG) Nr. 1235/2008 – Zurechenbarkeit des Verhaltens“

In der Rechtssache T‑565/18,

P. Krücken Organic GmbH mit Sitz in Mannheim (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt H. Schmidt,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch B. Eggers, B. Hofstötter und A. Dawes als Bevollmächtigte,

Beklagte,

betreffend eine Klage nach Art. 268 AEUV auf Ersatz des Schadens, der der Klägerin zum einen infolge eines angeblichen Verstoßes der Kommission gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 33 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates vom 28. Juni 2007 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 (ABl. 2007, L 189, S. 1) und zum anderen infolge mehrerer Verhaltensweisen der Ecocert SA, die der Kommission zuzurechnen sein sollen, entstanden sein soll,

erlässt

DAS GERICHT (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten H. Kanninen sowie der Richterinnen N. Półtorak (Berichterstatterin) und M. Stancu,

Kanzler: L. Ramette, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 25. Februar 2020

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Die Klägerin, die P. Krücken Organic GmbH, ist ein Unternehmen deutschen Rechts, das seit 2002 mit Agrarerzeugnissen aus ökologischem Landbau handelt. Sie erwirbt diese Erzeugnisse u. a. aus Drittländern, um sie in der Europäischen Union zur Fütterung in der ökologischen Tierhaltung zu vermarkten.

2        Die Ecocert SA ist seit 2012 als von der Europäischen Kommission anerkannte Kontrollstelle, die ermächtigt ist, in Drittländern, darunter China, Kontrollbescheinigungen zum Zwecke der Einfuhr von ökologischen/biologischen Erzeugnissen, die gleichwertige Garantien bieten, auszustellen, in das in Anhang IV der Verordnung (EG) Nr. 1235/2008 der Kommission vom 8. Dezember 2008 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates hinsichtlich der Regelung der Einfuhren von ökologischen/biologischen Erzeugnissen aus Drittländern (ABl. 2008, L 334, S. 25, im Folgenden: Durchführungsverordnung) aufgeführte Verzeichnis der im Hinblick auf die Gleichwertigkeit anerkannten Kontrollstellen eingetragen. Ecocert wurde vom Comité français d’accréditation (französische Akkreditierungsstelle, im Folgenden: COFRAC) akkreditiert. Für die Zwecke ihrer Kontrolltätigkeit unterhält Ecocert eine Niederlassung in China.

3        Im Mai und Juni 2017 führte das COFRAC eine Evaluierung vor Ort am Sitz von Ecocert und in deren Niederlassung in China durch. In seinem Bewertungsbericht vom 10. August 2017 stufte das COFRAC die Ecocert-Niederlassung in China als „kritischen Standort“ ein, obgleich keine Nichtkonformitäten festgestellt worden waren.

4        Am 17. Oktober 2017 führte die Klägerin 490 960 kg Sesampresskuchen als Bioprodukt zur Verwendung bei der Fütterung in der ökologischen Tierhaltung in der Union aus China ein (im Folgenden: in Rede stehendes Erzeugnis). Für die Einfuhr erteilten die niederländischen Zollbehörden einen Sichtvermerk, und das in Rede stehende Erzeugnis wurde in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt. Zuvor hatte Ecocert am 19. September 2017 für das in Rede stehende Erzeugnis eine „Kontrollbescheinigung für die Einfuhr von Erzeugnissen aus ökologischer/biologischer Produktion in die Europäische Union“ ausgestellt.

5        Vom 14. bis zum 24. November 2017 führte die Kommission ein Audit des Ecocert-Büros in China durch. In ihrem Auditbericht konstatierte die Kommission, dass bei der Ermittlung bestimmter Risiken Mängel festgestellt worden seien, und gab sieben Empfehlungen ab, die sie Ecocert am 2. Mai 2018 übermittelte. Im Anschluss an diesen Bericht legte Ecocert einen Aktionsplan vor. Die Kommission bewertete diesen Aktionsplan, und es fanden Beratungen zwischen Ecocert und der Kommission hinsichtlich der Reaktion auf die Empfehlungen statt.

6        Am 23. März 2018 informierte die Klägerin – über die für sie zuständige Kontrollstelle (die Lacon GmbH) – Ecocert darüber, dass im in Rede stehenden Erzeugnis Pestizide gefunden worden seien, die in der ökologischen/biologischen Produktion nicht erlaubt seien. Daraufhin führte Ecocert eine Untersuchung der Ursache der vermuteten Unregelmäßigkeit bzw. des vermuteten Verstoßes einschließlich einer Inspektion der zur Herstellung des in Rede stehenden Erzeugnisses verwendeten Ölmühle durch und übermittelte die Untersuchungsergebnisse über das Organic Farming Information System, die von der Kommission verwaltete Datenbank (im Folgenden: OFIS).

7        Am 1. Juni 2018 unterrichtete Ecocert Lacon, die für die Klägerin zuständige Kontrollstelle, über die von ihr bei der Ölmühle festgestellten Unregelmäßigkeiten und ihre daraufhin ergriffenen Herabstufungsmaßnahmen, d. h. den Widerruf der Kontrollbescheinigung für das in Rede stehende Erzeugnis und den Widerruf der Zertifizierung der für dessen Verarbeitung verwendeten Ölmühle.

8        Am 19. Juni 2018 übermittelte das Regierungspräsidium Karlsruhe (Deutschland) der Klägerin einen Auszug aus dem OFIS, der die gleichen Angaben bezüglich des Grundes für den Widerruf der Bescheinigung für das in Rede stehende Erzeugnis enthielt.

9        Mit E‑Mails vom 28. und 29. Juni 2018 ersuchte die Klägerin Ecocert, ihre Schlussfolgerungen zu den festgestellten Unregelmäßigkeiten zu überprüfen.

10      Am 23. Juli 2018 untersagte das Regierungspräsidium Freiburg (Deutschland) der Klägerin infolge der Herabstufungsentscheidung von Ecocert, das in Rede stehende Erzeugnis als Erzeugnis aus ökologischer/biologischer Produktion zu vermarkten.

 Verfahren und Anträge der Parteien

11      Mit Klageschrift, die am 24. September 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

12      Die Klägerin beantragt,

–        die Kommission zur Zahlung von 216 749,02 Euro zuzüglich Verzugszinsen ab dem Tag der Zustellung der Klage in Höhe von acht Prozentpunkten Jahreszinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank (EZB) zu verurteilen;

–        die Kommission zu verurteilen, ihr jene Dokumente, die im Zuge der Tätigkeit von Ecocert bei der Ökokontrolle des Unternehmens, das das in Rede stehende Erzeugnis hergestellt hat, entstanden sind, im Wege der Akteneinsicht zur Verfügung zu stellen, insbesondere die Inspektionsberichte und dazugehörigen Auswertungsschreiben aus den Jahren 2016, 2017 und 2018, die mit Feststellungen, Bewertungen und Entscheidungen von Ecocert im Zusammenhang stehen, welche die Grundlage für die Ausstellung der Kontrollbescheinigung für das in Rede stehende Erzeugnis und für die nachträgliche Aufhebung dieser Kontrollbescheinigung durch Ecocert waren;

–        die Kommission zu verpflichten,

–        die Ökokontrollstellen, die sie in Drittländern mit der Wahrnehmung von Aufgaben im Kontrollsystem der Union für den ökologischen Landbau betraut, ihrerseits dazu zu verpflichten, dem betreffenden Importeur ihre Entscheidungen bezüglich der Aufhebung, des Widerrufs oder der Ungültigerklärung der erteilten Kontrollbescheinigungen zuzustellen und dessen Widersprüche entgegenzunehmen und zu entscheiden;

–        die von ihr in Drittländern beauftragten Ökokontrollstellen dazu anzuhalten, den Importeuren die solchen Entscheidungen zugrunde liegenden Dokumente des Ökokontrollverfahrens, insbesondere die Inspektionsberichte und Auswertungsschreiben, zur Verfügung zu stellen, wobei Teile, die dem Datenschutz zugunsten Dritter unterliegen, geschwärzt werden.

13      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

 Zur Zulässigkeit

 Zur fehlenden Klarheit der Klageschrift

14      Ohne förmlich eine Einrede der Unzulässigkeit zu erheben, bestreitet die Kommission die Zulässigkeit der Klage mit der Begründung, dass sich die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf die sich die Klage stütze, entgegen Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung des Gerichts nicht zusammenhängend und verständlich aus der Klageschrift ergäben.

15      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung jede Klageschrift den Streitgegenstand und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten muss. Diese Darstellung muss hinreichend klar und deutlich sein, um dem Beklagten die Vorbereitung seiner Verteidigung und dem Gericht gegebenenfalls ohne weitere Informationen die Wahrnehmung seiner Kontrollaufgabe zu ermöglichen. Um die Rechtssicherheit und eine ordnungsgemäße Rechtspflege zu gewährleisten, ist es für die Zulässigkeit einer Klage erforderlich, dass sich die tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf die sich die Klage stützt, zumindest in gedrängter Form, aber zusammenhängend und verständlich, unmittelbar aus der Klageschrift ergeben (vgl. Beschluss vom 9. Juni 2016, IREPA/Kommission und Rechnungshof, T‑825/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:345, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

16      Um den Anforderungen der Klarheit und Deutlichkeit zu genügen, die Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung in seiner Auslegung durch die Rechtsprechung aufstellt, muss eine Klageschrift, die auf Ersatz von Schäden abzielt, die ein Unionsorgan verursacht haben soll, Angaben enthalten, anhand deren sich das dem Organ vom Kläger vorgeworfene Verhalten bestimmen lässt, die Gründe angeben, aus denen nach seiner Auffassung ein Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten und dem angeblich erlittenen Schaden besteht, sowie Art und Umfang dieses Schadens bezeichnen (Urteil vom 19. Juli 2007, FG Marine/Kommission, T‑360/04, nicht veröffentlicht, EU:T:2007:235, Rn. 34).

17      Im vorliegenden Fall geht aus der Klageschrift hinreichend deutlich hervor, dass die Klägerin der Kommission im Wesentlichen zum einen vorwirft, es unterlassen zu haben, eine angemessene Überwachung der Kontrollstelle Ecocert im Sinne von Art. 33 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates vom 28. Juni 2007 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 (ABl. 2007, L 189, S. 1, im Folgenden: Grundverordnung) zu gewährleisten und ihr zum anderen bestimmte Verhaltensweisen zum Vorwurf macht, die Ecocert im Rahmen ihrer Kontrolltätigkeiten in China an den Tag gelegt habe und die ihrer Ansicht nach der Kommission zuzurechnen sind. Diese Verhaltensweisen hätten zum Widerruf der von Ecocert am 19. September 2017 ausgestellten Kontrollbescheinigung geführt und für die Klägerin die Unmöglichkeit zur Folge gehabt, das in Rede stehende Erzeugnis als Erzeugnis aus ökologischer/biologischer Produktion zu vermarkten. Diese Unmöglichkeit habe für die Klägerin einen entgangenen Gewinn in Höhe von 216 749,02 Euro zur Folge gehabt.

18      Infolgedessen sind die Anforderungen von Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung im vorliegenden Fall erfüllt. Im Übrigen hat die Kommission in ihrer Klagebeantwortung auf alle Rügen der Klägerin geantwortet, so dass sie, wie sie in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, in der Lage war, die Argumente der Klägerin zu erkennen.

19      Die Behauptungen der Kommission in Bezug auf die Unzulässigkeit der Klage wegen fehlender Klarheit der Klageschrift sind somit zurückzuweisen.

 Zur Zulässigkeit des zweiten und des dritten Klageantrags

20      Mit ihrem zweiten Klageantrag begehrt die Klägerin, die Kommission zu verpflichten, ihr Zugang zu Dokumenten zu gewähren, die im Rahmen der Tätigkeit der Kontrollstelle Ecocert erstellt wurden. Die Klägerin macht insoweit geltend, dass sie Ecocert um Zugang zum Inspektionsbericht und zum dazugehörigen Auswertungsschreiben betreffend die Ölmühle aus den Jahren 2017 und 2018 gebeten habe und dass ihr der Zugang verweigert worden sei. Sie stützt diesen Klageantrag auf den Anspruch auf Akteneinsicht, den das Unionsrecht betroffenen Unternehmen in Bezug auf die Verwaltungsvorgänge der Kommission gewähre.

21      Mit ihrem dritten Klageantrag begehrt die Klägerin, der Kommission bestimmte Anordnungen zu erteilen, mit denen die Kontrollstellen zur Vornahme bestimmter Handlungen verpflichtet werden sollen. Sie stützt diesen dritten Klageantrag auf das Recht auf Gewähr rechtlichen Gehörs und das Recht auf einen wirksamen Rechtsschutz.

22      Die Kommission hält den zweiten und den dritten Klageantrag für offensichtlich unzulässig und macht u. a. geltend, dass das Gericht bei der Wahrnehmung seiner Befugnisse den Unionsorganen keine Anordnungen erteilen könne.

23      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass der Unionsrichter nach gefestigter Rechtsprechung einem Organ oder einer Einrichtung der Union keine Anordnungen erteilen kann, weil er damit in die Befugnisse der Verwaltung eingreifen würde (vgl. Beschluss vom 26. Januar 2007, Theofilopoulos/Kommission, T‑91/06, nicht veröffentlicht, EU:T:2007:18, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).

24      Somit sind der zweite und der dritte Klageantrag der Klägerin, da diese Anträge dahin zu verstehen sind, dass sie darauf gerichtet sind, der Kommission Anordnungen zu erteilen, als unzulässig zurückzuweisen.

25      Allerdings ist hinzuzufügen, dass die Klägerin in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, dass der zweite Klageantrag, der auf Vorlage bestimmter Dokumente gerichtet ist, die im Rahmen der Tätigkeit von Ecocert erstellt worden sind, als Antrag auf prozessleitende Maßnahme oder eine Beweisaufnahme im Sinne von Art. 88 der Verfahrensordnung ausgelegt werden könne. Da die Prüfung der Erheblichkeit dieses Antrags zur Beurteilung der Begründetheit gehört, ist sie in deren Rahmen vorzunehmen.

 Zur Begründetheit

 Zu den Voraussetzungen für den Eintritt der außervertraglichen Haftung der Union

26      Nach Art. 340 Abs. 2 AEUV ersetzt die Union im Bereich der außervertraglichen Haftung den durch ihre Organe oder Bediensteten in Ausübung ihrer Amtstätigkeit verursachten Schaden nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind.

27      Nach ständiger Rechtsprechung hängt der Eintritt der außervertraglichen Haftung der Union im Sinne der in der vorstehenden Randnummer genannten Vorschrift wegen rechtswidrigen Verhaltens ihrer Organe von drei Voraussetzungen ab, nämlich der Rechtswidrigkeit des dem Organ vorgeworfenen Verhaltens, dem tatsächlichen Vorliegen eines Schadens sowie dem Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen dem behaupteten Verhalten und dem geltend gemachten Schaden (vgl. Urteil vom 28. Februar 2018, Vakakis kai Synergates/Kommission, T‑292/15, EU:T:2018:103, Rn. 62; vgl. in diesem Sinne Urteile vom 4. Juli 2000, Bergaderm und Goupil/Kommission, C‑352/98 P, EU:C:2000:361, Rn. 39 bis 42, sowie vom 9. September 2008, FIAMM u. a./Rat und Kommission, C‑120/06 P und C‑121/06 P, EU:C:2008:476, Rn. 106 und 164 bis 166).

28      Insoweit können nur Handlungen oder Verhaltensweisen, die einem Organ oder einer Einrichtung der Union zuzurechnen sind, die Haftung der Union auslösen (vgl. Urteil vom 30. November 2005, Autosalone Ispra/Kommission, T‑250/02, EU:T:2005:432, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29      Fehlt es an einer der drei Voraussetzungen für den Eintritt der außervertraglichen Haftung der Union, so ist die Klage insgesamt abzuweisen, ohne dass die übrigen Haftungsvoraussetzungen geprüft werden müssten (vgl. Urteil vom 17. Februar 2017, ASPLA und Armando Álvarez/Europäische Union, T‑40/15, EU:T:2017:105, Rn. 55). Außerdem ist der Unionsrichter nicht verpflichtet, diese Voraussetzungen in einer bestimmten Reihenfolge zu prüfen (Urteil vom 18. März 2010, Trubowest Handel und Makarov/Rat und Kommission, C‑419/08 P, EU:C:2010:147, Rn. 42).

 Zur Rechtswidrigkeit der vorgeworfenen Verhaltensweisen

30      Die Klägerin macht zwei verschiedene Rechtsverstöße geltend, nämlich zum einen einen Verstoß der Kommission gegen die Verpflichtung, eine angemessene Überwachung der Kontrollstelle Ecocert nach Art. 33 Abs. 3 der Grundverordnung zu gewährleisten, und zum anderen mehrere rechtswidrige Verhaltensweisen dieser Stelle, die der Kommission zuzurechnen seien.

31      Die Voraussetzung der Rechtswidrigkeit des vorgeworfenen Verhaltens ist nach der Rechtsprechung nur erfüllt, wenn ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen eine Rechtsnorm nachgewiesen wird, die bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das von der Rechtsprechung zur außervertraglichen Haftung entwickelte System u. a. der Komplexität der zu regelnden Sachverhalte, den Schwierigkeiten bei der Anwendung oder Auslegung der Vorschriften und insbesondere dem Ermessensspielraum, über den der Urheber des betreffenden Aktes verfügt, Rechnung trägt. Das entscheidende Kriterium für die Beurteilung der Frage, ob ein Verstoß gegen das Unionsrecht als hinreichend qualifiziert angesehen werden kann, ist, ob das betreffende Organ die Grenzen, die seinem Ermessen gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat (Urteile vom 4. Juli 2000, Bergaderm und Goupil/Kommission, C‑352/98 P, EU:C:2000:361, Rn. 43, und vom 18. September 2014, Holcim [Romania]/Kommission, T‑317/12, EU:T:2014:782, Rn. 87). Nur dann, wenn dieses Organ nur über einen erheblich verringerten oder gar auf null reduzierten Ermessensspielraum verfügt, kann die bloße Verletzung des Unionsrechts für die Annahme eines hinreichend qualifizierten Verstoßes genügen (Urteil vom 31. Mai 2018, Consorzio di garanzia dell’olio extra vergine di oliva di qualità/Kommission, T‑163/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:318, Rn. 37).

32      Im Licht dieser Erwägungen ist die Rechtmäßigkeit der zwei unterschiedlichen Verhaltensweisen zu prüfen, die die Klägerin der Kommission, wie oben in Rn. 30 ausgeführt, vorwirft.

–       Klarstellende Ausführungen zum System der Kontrolle der Einfuhr von Erzeugnissen mit gleichwertigen Garantien

33      Der rechtliche Rahmen, der für die Einfuhren ökologischer/biologischer Erzeugnisse aus Drittländern in die Union gilt, ist in erster Linie durch die Grundverordnung und die Durchführungsverordnung (im Folgenden zusammen: in Rede stehende Verordnungen) geregelt.

34      Nach Titel VI der Grundverordnung, der den Handel mit Drittländern betrifft, muss ein aus einem Drittland eingeführtes Erzeugnis, damit es als Erzeugnis aus ökologischer/biologischer Produktion in Verkehr gebracht werden darf, entweder als konformes Erzeugnis im Sinne von Art. 32 dieser Verordnung oder als Erzeugnis mit gleichwertigen Garantien im Sinne von Art. 33 der Verordnung zertifiziert sein.

35      Das in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehende Erzeugnis wurde als Erzeugnis mit gleichwertigen Garantien eingeführt. Innerhalb dieser Erzeugniskategorie gelten einige Erzeugnisse als solche, weil sie aus einem Drittland stammen, das die Kommission gemäß Art. 33 Abs. 2 der Grundverordnung als gleichwertiges Land anerkannt hat. Im vorliegenden Fall stammt das in Rede stehende Erzeugnis jedoch aus China, einem Drittstaat, der diese Anerkennung nicht genießt.

36      Für Erzeugnisse, die nicht aus einem als gleichwertiges Land anerkannten Drittland eingeführt werden, bestimmt Art. 33 Abs. 3 Unterabs. 1 der Grundverordnung, dass die Kommission nach dem in Art. 37 Abs. 2 der Grundverordnung genannten Verfahren die Kontrollbehörden und Kontrollstellen, einschließlich der Kontrollbehörden und Kontrollstellen nach Art. 27 dieser Verordnung, die in Drittländern für die Durchführung von Kontrollen und die Erteilung von Bescheinigungen zuständig sind, anerkennen und zu diesem Zweck ein Verzeichnis dieser Kontrollbehörden und Kontrollstellen erstellen kann.

37      Um die Einhaltung gleichwertiger Produktionsvorschriften zu gewährleisten, wurden im vorliegenden Fall die Stufen der Produktion und des Vertriebs des in Rede stehenden Erzeugnisses einer Kontrolle durch Ecocert unterzogen, die von der Kommission als eine der Stellen im Sinne von Art. 27 der Grundverordnung anerkannt ist. Ecocert ist daher in dem von der Kommission gemäß Art. 33 Abs. 3 Unterabs. 1 der Grundverordnung erstellten Verzeichnis aufgeführt. Ecocert ist nach Art. 27 der Grundverordnung vom COFRAC akkreditiert, das seinerseits damit betraut ist, Ecocert zu bewerten und ihr die entsprechenden Bewertungsberichte zu übermitteln.

–       Zur angeblichen Rechtswidrigkeit wegen fehlender Überwachung durch die Kommission

38      Was den ersten geltend gemachten Rechtsverstoß anbelangt, wirft die Klägerin der Kommission vor, gegen ihre Verpflichtung verstoßen zu haben, die Tätigkeit von Ecocert in China angemessen zu überwachen. Insoweit hat die Klägerin in Beantwortung einer in der mündlichen Verhandlung gestellten Frage des Gerichts bestätigt, dass es sich bei der Rechtsvorschrift, deren Verletzung sie geltend mache, um Art. 33 Abs. 3 der Grundverordnung handele.

39      Nach Ansicht der Klägerin hat die Grundverordnung u. a. das Ziel, die Gleichwertigkeit der ökologischen Produktion und die Kontrolle der Einfuhren aus Drittländern zentral und einheitlich sicherstellen zu lassen, und zwar durch die Überwachung der mit der Kontrolle der Bioprodukte in Drittländern betrauten Stellen durch die Kommission. Die Kommission sei damit betraut, diese Kontrollstellen laufend zu überwachen, und sei daher verpflichtet, sich laufend durch eigene Audits vom tatsächlich gegebenen Sachverhalt Kenntnis zu verschaffen und sich nicht auf eine Überwachungstätigkeit zu beschränken, die allein auf dem beruhe, was sich aus dem Inhalt von Dokumenten ergebe.

40      Die Kommission nehme diese Aufgabe jedoch systematisch nicht wahr, und es gebe keine laufende Überwachung der Tätigkeit von Ecocert in China. So hätten weder die Kommission noch die Akkreditierungsstelle vor dem Jahr 2017 ein Audit durchgeführt, obwohl ein erhöhtes Korruptionsrisiko dies erforderlich gemacht habe.

41      Außerdem sei die Kontrolle der Kontrollstellen durch die Kommission gegenüber der Kontrolle, die vor der Reform von 2007 ausschließlich von den Mitgliedstaaten durchgeführt worden sei, wirkungslos. Insbesondere weise das von der Kommission im November 2017 durchgeführte Audit Mängel auf. Insoweit wirft die Klägerin den Auditoren der Kommission vor, sich nicht vor Ort in die Ölmühle in China begeben zu haben.

42      Was die Frage anbelangt, ob der der Kommission vorgeworfene Verstoß hinreichend qualifiziert ist, trägt die Klägerin vor, dass die Kommission hinsichtlich der ihr obliegenden Pflicht zur Überwachung der Kontrollstellen über keinen Ermessensspielraum verfüge. Durch das Unterlassen von Audits habe die Kommission offenkundig und erheblich ihre Pflicht zur Überwachung verletzt. Außerdem sei es nicht Sache der Kommission, durch ihre Verwaltungspraxis festzulegen, was angemessen sei, wenn sie eine angemessene Überwachung sicherzustellen habe. Diese Befugnis unterliege vielmehr der vollständigen richterlichen Kontrolle.

43      Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

44      Bei der Beurteilung der Frage, ob ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen eine Rechtsnorm vorliegt, ist der Ermessensspielraum zu berücksichtigen, über den das Organ verfügt (vgl. die oben in Rn. 31 angeführte Rechtsprechung). Soweit die Klägerin geltend macht, die Rechtswidrigkeit des der Kommission vorgeworfenen Verhaltens liege in einem Verstoß gegen die Pflicht zur Überwachung der Kontrollstelle im Sinne von Art. 33 Abs. 3 der Grundverordnung, ist in einem ersten Schritt der Ermessensspielraum zu bestimmen, über den die Kommission nach den maßgeblichen Bestimmungen verfügte, um eine angemessene Überwachung sicherzustellen, und in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob die Kommission einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen diese Bestimmungen begangen hat.

45      Art. 33 Abs. 3 der Grundverordnung bestimmt in den Unterabs. 3, 4 und 5:

„Bei der Prüfung der Anträge auf Anerkennung fordert die Kommission bei der Kontrollbehörde oder Kontrollstelle alle erforderlichen Informationen an. Die Tätigkeit der Kontrollstelle oder Kontrollbehörde wird von einer Akkreditierungsstelle oder gegebenenfalls einer dafür zuständigen Behörde einer regelmäßigen Evaluierung vor Ort, Überwachung und mehrjährigen Wiederbewertung unterzogen. Die Kommission kann auch Sachverständige beauftragen, vor Ort eine Prüfung der Produktionsvorschriften und der von der betreffenden Kontrollbehörde oder Kontrollstelle in dem Drittland durchgeführten Kontrolltätigkeiten vorzunehmen.

Die anerkannten Kontrollstellen oder Kontrollbehörden stellen die Bewertungsberichte der Akkreditierungsstelle oder gegebenenfalls der zuständigen Behörde über die regelmäßige Evaluierung vor Ort, Überwachung und mehrjährige Wiederbewertung ihrer Tätigkeiten zur Verfügung.

Auf der Grundlage dieser Bewertungsberichte stellt die Kommission mit Unterstützung der Mitgliedstaaten eine angemessene Überwachung der anerkannten Kontrollbehörden und Kontrollstellen sicher, indem sie eine regelmäßige Überprüfung der Anerkennung vornimmt. Die Art der Überwachung wird anhand einer Bewertung des Risikos von Unregelmäßigkeiten oder Verstößen gegen die Bestimmungen dieser Verordnung festgelegt.“

46      Zum einen ergibt sich aus den zitierten Bestimmungen der Grundverordnung, dass die Überwachung der Kontrollstellen durch die Kommission durch eine regelmäßige Überprüfung ihrer Anerkennung erfolgt. Insoweit stellt Art. 33 Abs. 3 Unterabs. 5 der Grundverordnung klar, dass die Art der Überwachung durch die Kommission sich nach den Schlussfolgerungen richtet, die sie aus ihrer Bewertung des Risikos von Unregelmäßigkeiten oder Verstößen gegen die Bestimmungen der Grundverordnung zieht. Somit hängt die Intensität der Überwachung durch die Kommission von der Feststellung eines Risikos und von dessen Art ab. Allerdings verfügt die Kommission bei der Feststellung, ob ein Risiko besteht, über eine gewisse Freiheit bei der Wahl der tatsächlichen Umstände, die sie berücksichtigen kann. Zwar sieht Art. 33 Abs. 3 Unterabs. 5 der Grundverordnung vor, dass die Überwachung durch die Kommission auf der Grundlage der Bewertungsberichte der Akkreditierungsstellen erfolgt. Diese Berichte stellen jedoch nur eine Grundlage, nicht aber die ausschließliche Grundlage für die Beurteilung der Kommission dar. Hierzu hat die Kommission in ihrer Gegenerwiderung u. a. ausgeführt, dass ihre jährliche Risikobewertung u. a. relevante Informationen im jeweils letzten von der Kontrollstelle vorgelegten Jahresbericht, die im OFIS notifizierten Unregelmäßigkeiten sowie andere ihr vorliegende Informationen berücksichtige.

47      Zum anderen ist die Vielfalt der Mittel hervorzuheben, über die die Kommission verfügt, um eine angemessene Überwachung der Kontrollstellen zu gewährleisten. Je nach dem Ergebnis ihrer jährlichen Risikobewertung kann sie entweder die Aufnahme der Kontrollstelle in das Verzeichnis in Anhang IV der Durchführungsverordnung aussetzen (Art. 12 Abs. 1 Buchst. c der Durchführungsverordnung) oder die Kontrollstelle aus diesem Verzeichnis streichen (Art. 12 Abs. 2 der Durchführungsverordnung). Außerdem verfügt die Kommission nach Art. 33 Abs. 3 Unterabs. 3 der Grundverordnung, wenn die Kontrollstelle einer regelmäßigen Überwachung durch eine Akkreditierungsstelle oder eine dafür zuständige Behörde unterliegt, auch über eine Initiativbefugnis im Bereich der Kontrolle der Tätigkeit der Kontrollstelle, da sie Sachverständige mit der Durchführung einer Kontrolle dieser Tätigkeit im Drittland beauftragen kann. Insoweit stellt Art. 11 Abs. 4 der Durchführungsverordnung klar, dass die Kommission „[b]ei der Prüfung eines Antrags auf Aufnahme in das Verzeichnis der Kontrollstellen oder Kontrollbehörden sowie jederzeit nach der Aufnahme … jegliche weiteren Informationen einschließlich der Vorlage eines oder mehrerer durch unabhängige Sachverständige erstellter Berichte über Prüfungen vor Ort anfordern [kann und dass] die Kommission [außerdem] auf der Grundlage einer Risikoanalyse und im Falle des Verdachts einer Unregelmäßigkeit eine Prüfung vor Ort durch von ihr bezeichnete Sachverständige durchführen lassen [kann]“. Ferner ist im Hinblick auf die genannten Bestimmungen darauf hinzuweisen, dass die Umsetzung eines der Mittel zur Gewährleistung einer angemessenen Überwachung Teil einer Befugnis ist, deren Ausübung sich nach dem Ergebnis der Risikobewertung richtet.

48      Um eine angemessene Überwachung der Kontrollstellen zu gewährleisten, räumt Art. 33 Abs. 3 der Grundverordnung der Kommission deshalb zum einen hinsichtlich der Bewertung des Risikos und zum anderen hinsichtlich der Wahl der infolge der Feststellung des Risikos einzusetzenden Mittel einen weiten Ermessensspielraum ein.

49      Um die Haftung der Union auszulösen, muss die Klägerin daher eine offenkundige und erhebliche Überschreitung der Grenzen nachweisen, die dem Ermessen der Kommission gesetzt sind.

50      Erstens wirft die Klägerin der Kommission im Wesentlichen vor, keine Maßnahmen ergriffen zu haben, die geeignet gewesen wären, eine angemessene Überwachung von Ecocert vor dem im Jahr 2017 durchgeführten Audit zu gewährleisten. Sie stützt sich jedoch weder auf einen Bericht aus der Zeit vor 2017, noch bringt sie Umstände vor, von denen die Kommission Kenntnis gehabt hätte und die den Nachweis ermöglichen könnten, dass diese das Vorliegen eines Risikos vor 2017 hätte feststellen müssen. Außerdem stellt die Klägerin nicht in Abrede, dass die Kommission die von Ecocert jährlich vorgelegten Bewertungsberichte analysiert hat. Wie sich oben aus Rn. 47 ergibt, verpflichtet die Grundverordnung die Kommission aber nicht, bei fehlender Feststellung eines Risikos ein Audit auf dem Gelände von Ecocert in China durchzuführen oder bestimmte andere Maßnahmen zu ergreifen.

51      Zweitens ist, soweit das Vorbringen der Klägerin zum Fehlen von Überwachungsmaßnahmen dahin zu verstehen sein sollte, dass es sich auch auf das Jahr 2017 bezieht, festzustellen, dass im vorliegenden Fall das COFRAC in den Monaten Mai und Juni 2017 am Sitz von Ecocert sowie bei deren Niederlassung in China eine Evaluierung vor Ort vorgenommen hat. Im Überwachungsbericht der Akkreditierungsstelle wurde die Ecocert-Niederlassung in China als „kritischer Standort“ eingestuft, obwohl keine Nichtkonformitäten festgestellt wurden. Nach dieser Vor-Ort-Evaluierung und ihrer jährlichen Risikobewertung nahm die Kommission aber die ihr nach Art. 33 Abs. 3 der Grundverordnung zustehende Befugnis wahr, indem sie im November 2017 eine Kontrolle von Ecocert in China durchführte.

52      Des Weiteren ist zum Vorbringen der Klägerin, die Kommission hätte auch die Ölmühle einer Vor-Ort-Kontrolle unterziehen müssen, darauf hinzuweisen, dass zwar Art. 33 Abs. 3 Unterabs. 3 der Grundverordnung vorsieht, dass die Kommission Sachverständige beauftragen kann, vor Ort eine Prüfung der Produktionsvorschriften und der von der betreffenden Kontrollbehörde oder Kontrollstelle in dem Drittland durchgeführten Kontrolltätigkeiten vorzunehmen, und dass sie folglich beschließen kann, ein Audit der Kontrollstelle durchzuführen, die Kommission aber nicht verpflichtet sein kann, im Rahmen dieses Audits sämtliche Produzenten einzuschließen, deren Erzeugnisse von Ecocert in China zertifiziert sind. Im Übrigen lagen der Kommission, wie sie in ihrer Gegenerwiderung ausführt, keine Angaben vor, die über das Audit hinaus eine Prüfung vor Ort der Produktionsvorschriften in der betreffenden Ölmühle gerechtfertigt hätten.

53      In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen ist somit festzustellen, dass die Klägerin nicht nachgewiesen hat, dass die Kommission die Grenzen ihres Ermessens bei der Überwachung von Ecocert im Sinne von Art. 33 Abs. 3 der Grundverordnung offenkundig und erheblich überschritten hätte.

54      Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass diese Feststellung nicht durch die Argumente der Klägerin in Frage gestellt wird, die zum einen auf einen Verstoß gegen die Verordnung (EU) 2017/625 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2017 über amtliche Kontrollen und andere amtliche Tätigkeiten zur Gewährleistung der Anwendung des Lebens- und Futtermittelrechts und der Vorschriften über Tiergesundheit und Tierschutz, Pflanzengesundheit und Pflanzenschutzmittel, zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 999/2001, (EG) Nr. 396/2005, (EG) Nr. 1069/2009, (EG) Nr. 1107/2009, (EU) Nr. 1151/2012 und (EU) Nr. 652/2014, (EU) 2016/429 und (EU) 2016/2031 des Europäischen Parlaments und des Rates, der Verordnungen (EG) Nr. 1/2005 und (EG) Nr. 1099/2009 des Rates sowie der Richtlinien 98/58/EG, 1999/74/EG, 2007/43/EG, 2008/119/EG und 2008/120/EG des Rates und zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 854/2004 und (EG) Nr. 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinien 89/608/EWG, 89/662/EWG, 90/425/EWG, 91/496/EEG, 96/23/EG, 96/93/EG und 97/78/EG des Rates und des Beschlusses 92/438/EWG des Rates (Verordnung über amtliche Kontrollen) (ABl. 2017, L 95, S. 1) und zum anderen auf die Schlussfolgerungen gestützt werden, die der Europäische Rechnungshof in seinem Sonderbericht Nr. 4/2019 mit dem Titel „Das Kontrollsystem für ökologische/biologische Erzeugnisse hat sich zwar verbessert, einige Herausforderungen bleiben jedoch bestehen“ (im Folgenden: Sonderbericht) formuliert hat.

55      Zum ersten Argument ist, ohne dass über die von der Kommission in der mündlichen Verhandlung erhobene Einrede der Unzulässigkeit entschieden zu werden braucht, zum einen festzustellen, dass sich die Klägerin abstrakt auf die Verordnung 2017/625 beruft und weder angibt, gegen welche Bestimmungen dieser Verordnung verstoßen worden sein soll, noch, worin der Verstoß bestehen soll, und zum anderen, dass diese Verordnung im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, da deren Art. 167 vorsieht, dass ihre Bestimmungen erst zum 14. Dezember 2019 in Kraft treten, d. h. nach Eintritt des Sachverhalts, der der vorliegenden Klage zugrunde liegt.

56      Zum zweiten Argument ist festzustellen, dass die Klägerin auch insoweit nicht genau angibt, welche Schlussfolgerung aus dem Sonderbericht für den Nachweis eines Verstoßes der Kommission gegen ihre Überwachungspflicht aus der Grundverordnung geeignet sein soll. Außerdem enthält der Sonderbericht zwar verschiedene Empfehlungen, um die Überwachung der Systeme für die Kontrolle der ökologischen/biologischen Erzeugung innerhalb und außerhalb der Union zu optimieren, doch werden diese Empfehlungen nur im Rahmen einer Gesamtanalyse der Funktionsweise der Kontrollsysteme erstellt. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass mit dem Sonderbericht dargetan werden kann, dass die Kommission die Grenzen ihres Ermessens bei der Überwachung von Ecocert im Sinne von Art. 33 Abs. 3 der Grundverordnung offenkundig und erheblich überschritten hätte.

57      Die erste Rüge ist daher zurückzuweisen.

–       Zur außervertraglichen Haftung der Union, die damit begründet wird, dass angeblich rechtswidrige Verhaltensweisen von Ecocert der Kommission zuzurechnen seien

58      Nach Ansicht der Klägerin liegt ein Strang von Fehlverhalten vor, das Ecocert begangen habe und das der Kommission zuzurechnen sei. Zum einen lägen einige dieser Verhaltensweisen zeitlich vor dem Widerruf der Kontrollbescheinigung. Die Klägerin behauptet im Wesentlichen, Ecocert habe gegen ihre Verpflichtung verstoßen, im Jahr 2017 eine ordnungsgemäße Kontrolle der ökologischen/biologischen Produktion durchzuführen. Insbesondere habe Ecocert bei ihrer jährlichen Vor-Ort-Kontrolle im Juni 2017 nicht die wichtigsten Risikopunkte der ökologischen/biologischen Produktion geprüft und die Ölmühle, in der das in Rede stehende Erzeugnis bearbeitet worden sei, in grob fahrlässiger oder gar vorsätzlicher Weise gesetzeswidrig zertifiziert. Zum anderen macht die Klägerin geltend, dass es sich auch bei der Ausstellung und dem Widerruf der Kontrollbescheinigung für das in Rede stehende Erzeugnis um Fehlverhalten handele.

59      Die Klägerin trägt vor, der Verstoß von Ecocert gegen ihre Verpflichtungen im Rahmen ihres Kontrollbesuchs in China sei unmittelbar der Kommission zuzurechnen. Nach dem durch die in Rede stehenden Verordnungen eingeführten System der Kontrolle der ökologischen/biologischen Produktion handele Ecocert als Beauftragte der Kommission.

60      Die Kommission sei aber durch die Grundverordnung mit einer Staatsaufgabe in Bezug auf die Kontrolle der Einhaltung der Gleichwertigkeit im Bereich der ökologischen/biologischen Produktion in Drittstaaten betraut. Die Anerkennung der Kontrollstelle durch die Kommission bedeute, da sie Rechtswirkung gegenüber Dritten entfalte, dass die anerkannten Stellen für die Kommission und die Union eine solche Staatsaufgabe wahrnähmen. Da Ecocert von der Kommission anerkannt worden sei, sei davon auszugehen, dass sie eine unter das Unionsrecht fallende hoheitlich beliehene Stelle sei.

61      Die Klägerin stützt ihr Vorbringen auf eine Analogie zwischen der Beziehung zwischen den Kontrollstellen und den Mitgliedstaaten im Rahmen der Kontrolle der ökologischen/biologischen Produktion im Unionsgebiet auf der einen und der Beziehung zwischen den Kontrollstellen und der Kommission im Rahmen der Kontrolle der ökologischen/biologischen Produktion in Drittstaaten auf der anderen Seite. Diese Beziehungen seien von gleicher Art, da der „Kontrollvertrag“ in beiden Fällen nicht privatrechtlicher, sondern öffentlich-rechtlicher Natur sei. In diesem Zusammenhang stellten sowohl die Ausstellung als auch der Widerruf der Kontrollbescheinigung individuelle Verwaltungsakte dar, so dass diese Handlungen der Kommission unmittelbar zuzurechnen seien.

62      Dass das Verhalten von Ecocert der Kommission zuzurechnen sei, folge auch daraus, dass die Kommission in konkreten Fällen einer Zertifizierung in Drittländern tätig werde und anlässlich dieser Praxis die Entscheidungsbefugnis tatsächlich ausübe. Allgemein seien die Kontrollstellen in keiner Weise „unabhängig“, sondern vielmehr den Weisungen der Kommission unterworfen.

63      Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

64      Es ist zu prüfen, ob nach der oben in Rn. 28 angeführten Rechtsprechung die Ecocert im Rahmen ihrer Tätigkeit der Kontrolle der ökologischen/biologischen Produktion in China vorgeworfenen Verhaltensweisen, wie die Klägerin behauptet, einem Organ oder einer Einrichtung der Union zuzurechnen sind.

65      Als Erstes ist festzustellen, dass sich die Klägerin auf das Vorbringen beschränkt, dass die Handlungen von Ecocert der Kommission zuzurechnen seien, ohne sich insoweit auf eine konkrete Bestimmung zu stützen. Die Analyse des durch die in Rede stehenden Verordnungen eingeführten Kontrollsystems lässt jedoch keine Grundlage für eine solche Zurechenbarkeit erkennen.

66      Erstens ist, soweit die Klägerin der Ansicht ist, Ecocert sei eine private Stelle, der die Kommission die hoheitliche Aufgabe der Kontrolle der ökologischen/biologischen Produktion in China übertragen habe, festzustellen, dass diese Behauptung auf der Prämisse beruht, dass der Kommission selbst mit der Grundverordnung eine solche hoheitliche Aufgabe übertragen worden ist.

67      Die Klägerin bezieht sich jedoch auf keine konkrete Bestimmung der Grundverordnung, aus der sich ergäbe, dass der Kommission eine solche Aufgabe übertragen worden wäre. Im Übrigen geht aus Art. 33 Abs. 3 der Grundverordnung nicht hervor, dass die Kommission über eine allgemeine Befugnis zur Kontrolle der ökologischen/biologischen Produktion von Erzeugnissen aus Drittländern verfügt. Die einzige Kontrollbefugnis, die der Kommission durch Art. 33 Abs. 3 der Grundverordnung übertragen wird, ist auf die Kontrolle der Kontrollstellen selbst beschränkt. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass die Kommission den Kontrollstellen in jedem Fall eine Befugnis übertragen kann, die ihr nicht durch die Grundverordnung übertragen wird.

68      Zweitens ist, was das Vorbringen der Klägerin betrifft, die Grundlage für eine solche Zurechenbarkeit könne in der Anerkennung der Kontrollstelle durch die Kommission gemäß Art. 33 Abs. 3 Unterabs. 1 der Grundverordnung liegen, darauf hinzuweisen, dass zwar Art. 27 Abs. 4 Buchst. b der Grundverordnung, der das von den Mitgliedstaaten eingeführte Kontrollsystem betrifft, vorsieht, dass die zuständige Behörde, d. h. die für die Durchführung amtlicher Kontrollen im Bereich der ökologischen/biologischen Produktion zuständige zentrale Behörde eines Mitgliedstaats (Art. 2 Buchst. n der Grundverordnung), Kontrollaufgaben einer oder mehreren Kontrollstellen „übertragen“ kann, eine solche Übertragung aber nicht mit dem Rechtsakt der Anerkennung von Kontrollstellen für aus Drittländern eingeführte Erzeugnisse durch die Kommission verwechselt werden darf. Nach Art. 33 Abs. 3 Unterabs. 1 der Grundverordnung ist die Kommission nämlich lediglich befugt, eine Kontrollstelle anzuerkennen bzw. deren Aufnahme in das Verzeichnis auszusetzen oder sie aus dem Verzeichnis zu streichen, wenn sie die Voraussetzungen des Art. 12 der Durchführungsverordnung nicht mehr erfüllt. Die der Kommission übertragenen Befugnisse, darunter die Möglichkeit, eine gezielte Kontrolle einer Kontrollstelle durchzuführen, sind nur festgelegt, um eine regelmäßige Überprüfung der Rechtmäßigkeit der gewährten Anerkennung zu gewährleisten.

69      Daher kann das Vorbringen der Klägerin, mit dem dargetan werden soll, dass die von Ecocert getroffenen Entscheidungen der Kommission im Wege einer Analogie zur rechtlichen Lage bezüglich der in Art. 27 Abs. 4 bis 14 der Grundverordnung vorgesehenen Übertragung der Kontrollbefugnisse der Mitgliedstaaten auf eine Kontrollstelle zugerechnet werden könnten, nicht durchgreifen.

70      Als Zweites ist, was das Vorbringen der Klägerin betrifft, die Zurechenbarkeit der Entscheidungen von Ecocert könne auf eine hypothetische Befugnis der Kommission zum Eingreifen in den Entscheidungsprozess der Kontrollstelle gestützt werden, zum einen festzustellen, dass die institutionelle und funktionelle Unabhängigkeit der Kontrollstellen in Art. 2 Buchst. p der Grundverordnung verankert ist, wonach diese Kontrollstellen „unabhängig[e] privat[e] Dritt[e] [sind], [die] die Inspektion und die Zertifizierung … wahr[nehmen]“.

71      Zum anderen ist die Kommission zwar für die Erstellung und Überprüfung des Verzeichnisses der im Hinblick auf die Gleichwertigkeit anerkannten Kontrollstellen zuständig, doch verschaffen die Anerkennung von Ecocert und ihre Aufnahme in das Verzeichnis der Kommission keine rechtliche Möglichkeit, sich an ihren Entscheidungen zu beteiligen, insbesondere, was die Erteilung einer Kontrollbescheinigung nach Art. 33 Abs. 1 Buchst. d der Grundverordnung anbelangt. Daher können ihr die Entscheidungen von Ecocert nicht zugerechnet werden (vgl. in diesem Sinne Beschlüsse vom 22. Februar 2001, Lamberts/Bürgerbeauftragter und Parlament, T‑209/00, EU:T:2001:66, Rn. 17 und 18, und vom 16. Dezember 2008, Italien/Kommission und EWSA, T‑117/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2008:582, Rn. 18).

72      Nach alledem sind die angeblich rechtswidrigen Verhaltensweisen von Ecocert im Rahmen ihrer Kontrolltätigkeit in China nicht einem Organ oder einer Einrichtung der Union zuzurechnen. Die zweite Rüge ist daher zurückzuweisen.

73      Unter diesen Umständen ist die Klage als unbegründet abzuweisen, ohne dass nach der oben in Rn. 29 angeführten Rechtsprechung geprüft zu werden braucht, ob die weiteren Voraussetzungen für den Eintritt der außervertraglichen Haftung der Union im vorliegenden Fall erfüllt sind.

 Zum Antrag auf prozessleitende Maßnahme bzw. Beweisaufnahme

74      Soweit der zweite Klageantrag, der auf Vorlage bestimmter Dokumente gerichtet ist, die im Rahmen der Tätigkeit von Ecocert erstellt worden sind, als Antrag auf prozessleitende Maßnahme oder eine Beweisaufnahme ausgelegt werden kann (vgl. oben, Rn. 25), ist einem solchen Antrag jedenfalls nicht stattzugeben.

75      Die Klägerin bezeichnet nämlich die Gründe, die diesen Antrag rechtfertigen könnten, nicht genau, wie dies nach Art. 88 Abs. 2 der Verfahrensordnung erforderlich ist. Im Übrigen gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Vorlage dieser Dokumente für die Entscheidung über die vorliegende Klage relevant oder sachdienlich wäre.

76      Die in den Akten enthaltenen Angaben genügen jedenfalls, um dem Gericht eine Entscheidung zu ermöglichen, da es auf der Grundlage der Anträge, der Klagegründe und der im Lauf des Verfahrens vorgebrachten Argumente sowie unter Berücksichtigung der von den Parteien eingereichten Unterlagen sachgerecht entscheiden konnte.

77      Nach alledem ist die Klage insgesamt abzuweisen.

 Kosten

78      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

79      Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die P. Krücken Organic GmbH trägt die Kosten.

Kanninen

Półtorak

Stancu

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 9. September 2020.

Der Kanzler

 

Der Präsident

E. Coulon


*Verfahrenssprache: Deutsch.