Language of document : ECLI:EU:C:2014:18

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

22. Januar 2014(*)

„Verordnung (EU) Nr. 236/2012 − Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps – Art. 28 – Gültigkeit – Rechtsgrundlage – Eingriffsbefugnisse der Europäischen Wertpapier‑ und Marktaufsichtsbehörde in Ausnahmesituationen“

In der Rechtssache C‑270/12

betreffend eine Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV, eingereicht am 31. Mai 2012,

Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch A. Robinson als Bevollmächtigten im Beistand von J. Stratford, QC, und A. Henshaw, Barrister,

Kläger,

gegen

Europäisches Parlament, vertreten durch A. Neergaard, R. Van de Westelaken, D. Gauci und A. Gros-Tchorbadjiyska als Bevollmächtigte,

Rat der Europäischen Union, vertreten durch H. Legal, A. De Elera und E. Dumitriu-Segnana als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Königreich Spanien, vertreten durch A. Rubio González als Bevollmächtigten,

Französische Republik, vertreten durch G. de Bergues, D. Colas und E. Ranaivoson als Bevollmächtigte,

Italienische Republik, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von F. Urbani Neri, avvocato dello Stato,

Europäische Kommission, vertreten durch T. van Rijn, B. Smulders, C. Zadra und R. Vasileva als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, des Vizepräsidenten K. Lenaerts, des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin), der Kammerpräsidenten M. Ilešič, E. Juhász, A. Borg Barthet, C. G. Fernlund und J. L. da Cruz Vilaça, der Richter G. Arestis, J. Malenovský und E. Levits, der Richterinnen M. Berger und A. Prechal sowie des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwalt: N. Jääskinen,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. Juni 2013,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 12. September 2013

folgendes

Urteil

1        Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland begehrt mit seiner Klage die Nichtigerklärung von Art. 28 der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2012 über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps (ABl. L 86, S. 1).

 Rechtlicher Rahmen

2        Die Europäische Wertpapier‑ und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) wurde durch die Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier‑ und Marktaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/77/EG der Kommission (ABl. L 331, S. 84, im Folgenden: ESMA-Verordnung) errichtet.

3        Die ESMA gehört gemäß Art. 1 Abs. 2 und 3 der Verordnung (EU) Nr. 1092/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über die Finanzaufsicht der Europäischen Union auf Makroebene und zur Errichtung eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (ABl. L 331, S. 1) zum Europäischen Finanzaufsichtssystem (European System of Financial Supervision − ESFS), dessen Aufgabe die Sicherstellung der Aufsicht über das Finanzsystem der Europäischen Union ist.

4        Die Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/78/EG der Kommission (ABl. L 331, S. 12) und die Verordnung (EU) Nr. 1094/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/79/EG der Kommission (ABl. L 331, S. 48) haben das ESFS mit einer Europäischen Bankenaufsichtsbehörde und einer Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung versehen. Das ESFS besteht außerdem aus dem Gemeinsamen Ausschuss der Europäischen Aufsichtsbehörden und den zuständigen Behörden oder Aufsichtsbehörden in den Mitgliedstaaten.

5        Art. 1 Abs. 2 der ESMA-Verordnung sieht vor, dass die ESMA „im Rahmen der ihr durch diese Verordnung übertragenen Befugnisse und innerhalb des Anwendungsbereichs … aller … verbindlichen Rechtsakte der Union [handelt], die der [ESMA] Aufgaben übertragen“.

6        In den Art. 8 und 9 dieser Verordnung sind die Aufgaben und Befugnisse der ESMA festgelegt. Dazu gehört der Erlass von Beschlüssen, die an die zuständigen nationalen Behörden und die Finanzmarktteilnehmer gerichtet sind.

7        Art. 9 Abs. 5 der ESMA-Verordnung bestimmt:

„Die [ESMA] kann bestimmte Finanztätigkeiten, durch die das ordnungsgemäße Funktionieren und die Integrität der Finanzmärkte oder die Stabilität des Finanzsystems in der Union als Ganzes oder in Teilen gefährdet wird, in den Fällen und unter den Bedingungen, die in den in Artikel 1 Absatz 2 genannten Gesetzgebungsakten festgelegt sind, beziehungsweise erforderlichenfalls im Krisenfall nach Maßgabe des Artikels 18 und unter den darin festgelegten Bedingungen vorübergehend verbieten oder beschränken.

Die [ESMA] überprüft den in Unterabsatz 1 genannten Beschluss in angemessenen Abständen, mindestens aber alle drei Monate. Wird der Beschluss nach Ablauf von drei Monaten nicht verlängert, so tritt er automatisch außer Kraft.

Ein Mitgliedstaat kann die [ESMA] ersuchen, ihren Beschluss zu überprüfen. In diesem Fall beschließt [sie] im Verfahren des Artikels 44 Absatz 1 Unterabsatz 2, ob sie ihren Beschluss aufrechterhält.

Die [ESMA] kann auch überprüfen, ob es notwendig ist, bestimmte Arten von Finanztätigkeiten zu verbieten oder zu beschränken, und, sollte dies notwendig sein, die Kommission informieren, um den Erlass eines solchen Verbots oder einer solchen Beschränkung zu erleichtern.“

8        Die Verordnung Nr. 236/2012 wurde gestützt auf Art. 114 AEUV erlassen, der das Europäische Parlament und den Rat der Europäischen Union zum Erlass von Maßnahmen zur Angleichung der Rechts‑ und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten ermächtigt, die die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts zum Gegenstand haben.

9        Die Verordnung Nr. 236/2012 gilt gemäß ihrem Art. 1 Abs. 1 für

„a)      Finanzinstrumente im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a, die zum Handel an einem Handelsplatz in der Union zugelassen sind, auch wenn diese Finanzinstrumente außerhalb eines Handelsplatzes gehandelt werden;

b)      Derivate gemäß Anhang I Abschnitt C Nummer 4 bis 10 der Richtlinie 2004/39/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates (ABl. L 145, S. 1, Berichtigung im ABl. 2005, L 45, S. 18)], die sich auf ein unter Buchstabe a genanntes Finanzinstrument oder den Emittenten eines solchen Finanzinstruments beziehen, einschließlich derartiger derivativer Instrumente, wenn diese außerhalb eines Handelsplatzes gehandelt werden;

c)      Schuldinstrumente, die von einem Mitgliedstaat oder von der Union begeben werden, und Derivate gemäß Anhang I Abschnitt C Nummer 4 bis 10 der Richtlinie 2004/39/EG, die mit von einem Mitgliedstaat oder der Union begebenen Schuldinstrumenten verbunden sind oder sich auf solche beziehen“.

10      Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 236/2012 bestimmt:

„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

a)      ‚Finanzinstrument‘ ein Instrument, das in Anhang I Abschnitt C der Richtlinie 2004/39/EG aufgeführt ist;

b)      ‚Leerverkauf‘ im Zusammenhang mit Aktien oder Schuldinstrumenten einen Verkauf von Aktien oder Schuldinstrumenten, die sich zum Zeitpunkt des Eingehens der Verkaufsvereinbarung nicht im Eigentum des Verkäufers befinden, einschließlich eines Verkaufs, bei dem der Verkäufer zum Zeitpunkt des Eingehens der Verkaufsvereinbarung die Aktien oder Schuldinstrumente geliehen hat oder eine Vereinbarung getroffen hat, diese zu leihen, um sie bei der Abwicklung zu liefern; …

…“

11      Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 236/2012 sieht vor:

„Im Sinne dieser Verordnung bedeutet eine Short-Position im ausgegebenen Aktienkapital oder in den ausgegebenen öffentlichen Schuldtiteln eine Position, die resultiert aus

a)      dem Leerverkauf einer von einem Unternehmen begebenen Aktie oder einem von einem öffentlichen Emittenten ausgegebenen Schuldinstrument,

b)      dem Eintritt einer natürlichen oder juristischen Person in eine Transaktion, durch die ein anderes Finanzinstrument als ein unter Buchstabe a genanntes Instrument geschaffen wird oder die sich auf ein solches anderes Finanzinstrument bezieht und deren Wirkung oder eine [von] deren Wirkungen darin besteht, dass diese natürliche oder juristische Person, die diese Transaktion eingeht, im Falle einer Kurs- oder Wertsteigerung der Aktie bzw. des Schuldinstruments einen finanziellen Vorteil erzielt.“

12      Art. 28 („Eingriffsbefugnisse der ESMA in Ausnahmesituationen“) dieser Verordnung lautet:

„(1)      Gemäß Artikel 9 Absatz 5 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 ergreift die ESMA vorbehaltlich des Absatzes 2 folgende Maßnahmen:

a)      Sie fordert natürliche oder juristische Personen, die Netto-Leerverkaufspositionen in einem bestimmten Finanzinstrument oder einer bestimmten Art von Finanzinstrumenten halten, auf, dies einer zuständigen Behörde zu melden oder der Öffentlichkeit die Einzelheiten jeder derartigen Position offenzulegen, oder

b)      sie verhängt ein Verbot oder erlässt Bedingungen für den Eintritt einer natürlichen oder juristischen Person in einen Leerverkauf oder eine Transaktion, durch die ein anderes Finanzinstrument als die in Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe c genannten Finanzinstrumente geschaffen wird oder die sich auf ein anderes Finanzinstrument als die in Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe c genannten Finanzinstrumente bezieht, wenn deren Wirkung oder eine von deren Wirkungen darin besteht, dass diese Person im Falle eines Kurs- oder Wertverlusts eines anderen Finanzinstruments einen finanziellen Vorteil erzielt;

Eine Maßnahme kann auf bestimmte Situationen beschränkt oder Ausnahmen unterworfen werden, die von der ESMA festgelegt werden. Ausnahmen können insbesondere für Market-Making-Tätigkeiten und Primärmarkt-Aktivitäten festgelegt werden.

(2)      Die ESMA fasst einen Beschluss gemäß Absatz 1 nur, wenn

a)      die unter Absatz 1 Buchstaben a und b genannten Maßnahmen die ordnungsgemäße Funktionsweise und Integrität der Finanzmärkte oder die Stabilität des gesamten oder eines Teils des Finanzsystems in der Union bedrohen und die Auswirkungen grenzübergreifend sind und

b)      keine zuständige Behörde Maßnahmen ergriffen hat, um der Bedrohung zu begegnen, oder eine oder mehrere der zuständigen Behörden Maßnahmen ergriffen ha[ben], die der Bedrohung nicht in angemessener Weise gerecht werden.

(3)      Ergreift die ESMA Maßnahmen nach Absatz 1, so berücksichtigt sie, inwieweit die Maßnahme

a)      die Bedrohung für die ordnungsgemäße Funktionsweise und Integrität der Finanzmärkte oder die Stabilität des gesamten Finanzsystems oder eines Teils davon in der Union signifikant verringert oder die Möglichkeiten der zuständigen Behörden zur Überwachung der Bedrohung signifikant verbessert;

b)      keine Gefahr der Aufsichtsarbitrage entstehen lässt;

c)      die Effizienz der Finanzmärkte im Vergleich zum Nutzen der Maßnahme nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt, etwa durch Verringerung der Liquidität dieser Märkte oder Schaffung von Unsicherheit für die Marktteilnehmer.

Haben eine oder mehrere zuständige Behörden eine Maßnahme nach Artikel 18, 19, 20 oder 21 ergriffen, so kann die ESMA die in Absatz 1 des vorliegenden Artikels genannten Maßnahmen ergreifen, ohne die in Artikel 27 vorgesehene Stellungnahme abzugeben.

(4)      Bevor die ESMA die Verhängung oder Verlängerung von Maßnahmen nach Absatz 1 beschließt, konsultiert sie den [Europäischen Ausschuss für Systemrisiken (ESRB)] und gegebenenfalls andere zuständige Behörden.

(5)      Bevor die ESMA die Verhängung oder Verlängerung einer Maßnahme nach Absatz 1 beschließt, unterrichtet sie die betreffenden zuständigen Behörden über die von ihr vorgeschlagene Maßnahme. Die Unterrichtung umfasst Einzelheiten der vorgeschlagenen Maßnahmen, die Art der betroffenen Finanzinstrumente und Transaktionen, Belege für die Gründe des Ergreifens dieser Maßnahmen und den Zeitpunkt des geplanten Inkrafttretens.

(6)      Die Unterrichtung erfolgt spätestens 24 Stunden vor dem Inkrafttreten der Maßnahme oder ihrer Verlängerung. Kann die 24-Stunden-Frist nicht eingehalten werden, kann die ESMA die Unterrichtung im Ausnahmefall weniger als 24 Stunden vor dem geplanten Inkrafttreten der Maßnahme vornehmen.

(7)      Die ESMA veröffentlicht auf ihrer Website jeden Beschluss zur Verhängung oder Verlängerung einer Maßnahme nach Absatz 1. Die Bekanntmachung enthält mindestens Folgendes:

a)      die verhängten Maßnahmen einschließlich Instrumenten und Transaktionsarten, für die sie gelten, sowie ihrer Dauer und

b)      die Gründe, warum die ESMA die Verhängung der Maßnahmen für notwendig hält, einschließlich Belegen dafür.

(8)      Nachdem ein Beschluss zur Verhängung oder Verlängerung einer Maßnahme nach Absatz 1 getroffen wurde, unterrichtet die ESMA die zuständigen Behörden unverzüglich über die von ihr ergriffenen Maßnahmen.

(9)      Eine Maßnahme tritt zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Bekanntmachung auf der Website der ESMA oder einem darin genannten späteren Zeitpunkt in Kraft und gilt nur für Transaktionen, die nach Inkrafttreten der Maßnahme eingegangen werden.

(10)      Die ESMA überprüft die gemäß Absatz 1 ergriffenen Maßnahmen in geeigneten Zeitabständen, mindestens aber alle drei Monate. Wird eine Maßnahme am Ende dieses Zeitraums von drei Monaten nicht verlängert, so tritt sie automatisch außer Kraft. Für die Erneuerung von Maßnahmen finden die Absätze 2 bis 9 Anwendung.

(11)      Eine gemäß diesem Artikel beschlossene Maßnahme der ESMA erhält Vorrang vor allen etwaigen früheren Maßnahmen einer zuständigen Behörde nach Abschnitt 1.“

13      Die Kommission ist nach Art. 30 in Verbindung mit Art. 42 der Verordnung Nr. 236/2012 zum Erlass von delegierten Rechtsakten ermächtigt, in denen festgelegt wird, welche Kriterien und Faktoren die ESMA zu berücksichtigen hat, wenn sie u. a. darüber entscheidet, ob Bedrohungen im Sinne von Art. 28 Abs. 2 Buchst. a der genannten Verordnung vorliegen.

14      Art. 24 Abs. 3 der delegierten Verordnung (EU) Nr. 918/2012 der Kommission vom 5. Juli 2012 zur Ergänzung der Verordnung Nr. 236/2012 im Hinblick auf Begriffsbestimmungen, die Berechnung von Netto-Leerverkaufspositionen, gedeckte Credit Default Swaps auf öffentliche Schuldtitel, Meldeschwellen, Liquiditätsschwellen für die vorübergehende Aufhebung von Beschränkungen, signifikante Wertminderungen bei Finanzinstrumenten und ungünstige Ereignisse (ABl. L 274, S. 1) bestimmt:

„Für die Zwecke des Artikels 28 Absatz 2 Buchstabe a [der Verordnung Nr. 236/2012] ist eine Bedrohung der ordnungsgemäßen Funktionsweise und Integrität der Finanzmärkte oder der Stabilität des gesamten oder eines Teils des Finanzsystems in der Union gleichbedeutend mit:

a)      einer drohenden schweren finanziellen, monetären oder budgetären Instabilität eines Mitgliedstaat oder des Finanzsystems eines Mitgliedstaats, wenn dies die ordnungsgemäße Funktionsweise und Integrität der Finanzmärkte oder die Stabilität des gesamten oder eines Teils des Finanzsystems in der Union ernsthaft bedrohen kann;

b)      der Möglichkeit des Ausfalls eines Mitgliedstaats oder supranationalen Emittenten;

c)      einem schweren Schaden an den physischen Strukturen von wichtigen Finanzemittenten, Marktinfrastrukturen, Clearing‑ und Abwicklungssystemen und Aufsichtsbehörden, der insbesondere in Fällen, in denen er auf eine Naturkatastrophe oder einen terroristischen Angriff zurückzuführen ist, grenzübergreifende Märkte schwer beeinträchtigen kann, wenn dies die ordnungsgemäße Funktionsweise und Integrität der Finanzmärkte oder die Stabilität des gesamten oder eines Teils des Finanzsystems in der Union ernsthaft bedrohen kann;

d)      einer schweren Störung bei einem Zahlungssystem oder Abwicklungsprozess − insbesondere wenn diese das Interbankengeschäft betrifft −, die innerhalb der grenzübergreifenden Zahlungssysteme in der Union zu erheblichen Zahlungs- oder Abwicklungsfehlern oder ‑verzögerungen führt oder führen kann, speziell wenn diese im gesamten oder in einem Teil des Finanzsystems der Union zur Ausbreitung einer finanziellen oder wirtschaftlichen Krise führen kann.“

15      Die Kommission hat die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 827/2012 vom 29. Juni 2012 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards in Bezug auf die Verfahren für die Offenlegung von Nettopositionen in Aktien gegenüber der Öffentlichkeit, das Format, in dem der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde Informationen zu Netto-Leerverkaufspositionen zu übermitteln sind, die Arten von Vereinbarungen, Zusagen und Maßnahmen, die angemessen gewährleisten, dass Aktien oder öffentliche Schuldtitel für die Abwicklung des Geschäfts verfügbar sind, und die Daten, zu denen die Ermittlung des Haupthandelsplatzes einer Aktie erfolgt, sowie den Zeitraum, auf den sich die betreffende Berechnung bezieht, gemäß der Verordnung Nr. 236/2012 (ABl. L 251, S. 11) erlassen.

16      Der Begriff „Finanzinstrumente“ ist in Anhang I Abschnitt C der Richtlinie 2004/39 folgendermaßen definiert:

„1.      Übertragbare Wertpapiere

2.      Geldmarktinstrumente

3.      Anteile an Organismen für gemeinsame Anlagen

4.      Optionen, Terminkontrakte (Futures), Swaps, außerbörsliche Zinstermingeschäfte (Forward Rate Agreements) und alle anderen Derivatkontrakte in Bezug auf Wertpapiere, Währungen, Zinssätze oder ‑erträge, oder andere Derivat-Instrumente, finanzielle Indizes oder Messgrößen, die effektiv geliefert oder bar abgerechnet werden können

5.      Optionen, Terminkontrakte (Futures), Swaps, außerbörsliche Zinstermingeschäfte (Forward Rate Agreements) und alle anderen Derivatkontrakte in Bezug auf Waren, die bar abgerechnet werden müssen oder auf Wunsch einer der Parteien (anders als wegen eines vertraglich festgelegten Beendigungsgrunds) bar abgerechnet werden können

6.       Optionen, Terminkontrakte (Futures), Swaps und alle anderen Derivatkontrakte in Bezug auf Waren, die effektiv geliefert werden können, vorausgesetzt, sie werden an einem geregelten Markt und/oder über ein MTF [multilateral trading facility] gehandelt

7.      Optionen, Terminkontrakte (Futures), Swaps, Termingeschäfte (Forwards) und alle anderen Derivatkontrakte in Bezug auf Waren, die effektiv geliefert werden können, die sonst nicht in Abschnitt C Nummer 6 genannt sind und nicht kommerziellen Zwecken dienen, die die Merkmale anderer derivativer Finanzinstrumente aufweisen, wobei unter anderem berücksichtigt wird, ob Clearing und Abwicklung über anerkannte Clearingstellen erfolgen oder ob eine regelmäßige Margin-Einschusspflicht besteht

8.      derivative Instrumente für den Transfer von Kreditrisiken

9.      Finanzielle Differenzgeschäfte …

10.      Optionen, Terminkontrakte (Futures), Swaps, außerbörsliche Zinstermingeschäfte (Forward Rate Agreements) und alle anderen Derivatkontrakte in Bezug auf Klimavariablen, Frachtsätze, Emissionsberechtigungen, Inflationsraten oder andere offizielle Wirtschaftsstatistiken, die bar abgerechnet werden müssen oder auf Wunsch einer der Parteien (anders als wegen eines vertraglich festgelegten Beendigungsgrunds) bar abgerechnet werden können, sowie alle anderen Derivatkontrakte in Bezug auf Vermögenswerte, Rechte, Obligationen, Indizes und Messwerte, die sonst nicht im vorliegenden Abschnitt C genannt sind und die die Merkmale anderer derivativer Finanzinstrumente aufweisen, wobei unter anderem berücksichtigt wird, ob sie auf einem geregelten Markt oder einem MTF gehandelt werden, ob Clearing und Abwicklung über anerkannte Clearingstellen erfolgen oder ob eine regelmäßige Margin-Einschusspflicht besteht.“

17      Um das reibungslose Funktionieren des ESFS zu gewährleisten, wurden durch die Richtlinie 2010/78/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 (ABl. L 331, S. 120) die Richtlinien 98/26/EG, 2002/87/EG, 2003/6/EG, 2003/41/EG, 2003/71/EG, 2004/39/EG, 2004/109/EG, 2005/60/EG, 2006/48/EG, 2006/49/EG und 2009/65/EG im Hinblick auf die Befugnisse der Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), der Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung) und der Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde) geändert.

 Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge der Parteien

18      Das Vereinigte Königreich beantragt,

–        Art. 28 der Verordnung Nr. 236/2012 für nichtig zu erklären und

–        den Beklagten die Kosten aufzuerlegen.

19      Das Parlament beantragt,

–        die Klage abzuweisen und

–        dem Vereinigten Königreich die Kosten aufzuerlegen.

20      Der Rat beantragt,

–        die Klage insgesamt als unbegründet abzuweisen und

–        dem Vereinigten Königreich die Kosten aufzuerlegen.

21      Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 16. November 2013 sind das Königreich Spanien, die Französische Republik, die Italienische Republik und die Kommission als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Parlaments und des Rates zugelassen worden.

 Zur eventuellen Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens

22      Mit Schreiben vom 24. September 2013 haben das Parlament, der Rat und die Kommission auf die Möglichkeit hingewiesen, gemäß Art. 83 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs das mündliche Verfahren wieder zu eröffnen.

23      Diese drei Organe haben hierzu vorgetragen, das vom Generalanwalt in seinen Schlussanträgen angeführte Hauptargument, wonach der ESMA gemäß Art. 114 AEUV bestimmte Entscheidungsbefugnisse eingeräumt seien, sei „von keiner der Parteien geltend gemacht worden“ und stelle deshalb ein „neues Argument“ dar, zu dem die Parteien sich nicht hätten äußern können.

24      Mit seinem vierten Klagegrund macht der Kläger jedoch einen Verstoß gegen Art. 114 AEUV geltend, und das vorgenannte Argument ist in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof erörtert worden.

25      Unter diesen Umständen und in Anbetracht der Voraussetzungen des Art. 83 der Verfahrensordnung ist der Anregung, das mündliche Verfahren wiederzueröffnen, nicht stattzugeben.

 Zur Klage

 Vorbemerkung

26      Zum Klagegegenstand ist festzustellen, dass der Kläger lediglich die Nichtigerklärung von Art. 28 der Verordnung Nr. 236/2012 begehrt und nicht die Errichtung der ESMA in Frage stellt.

 Erster Klagegrund: Verstoß gegen die im Urteil Meroni/Hohe Behörde genannten Grundsätze für die Übertragung von Befugnissen

 Vorbringen der Parteien

27      Das Vereinigte Königreich untermauert seinen ersten Klagegrund mit fünf Argumenten.

28      Erstens beruhe ein Beschluss der ESMA hinsichtlich der Frage, ob die Kriterien nach Art. 28 Abs. 2 der Verordnung Nr. 236/2012 erfüllt seien, auf einem „sehr weiten Ermessen“. Insbesondere sei die Beurteilung, ob eine Bedrohung für die ordnungsgemäße Funktionsweise und die Integrität der Finanzmärkte oder die Stabilität des gesamten oder eines Teils des Finanzsystems bestehe, als solche „überaus subjektiv“. Die Tatsache, dass die Mitgliedstaaten in Bezug auf Leerverkäufe unterschiedlichen Ansätzen gefolgt seien, zeige, dass hinsichtlich der zur Wahl stehenden Alternativen ein Ermessen bestehe.

29      Um feststellen zu können, ob die zuständigen Behörden Maßnahmen ergriffen hätten, um einer solchen Bedrohung zu begegnen, oder ob sie Maßnahmen ergriffen hätten, die der Bedrohung nicht in angemessener Weise gerecht würden, müsse die ESMA Beschlüsse treffen, die strittig sein könnten. Sie würde durch den Erlass derartiger Beschlüsse in die Durchführung einer echten Wirtschaftspolitik eingebunden und müsste in Konflikten zwischen kollidierenden öffentlichen Interessen vermitteln, Werturteile abgeben oder komplexe finanzielle Bewertungen vornehmen.

30      Zweitens habe die ESMA nach Art. 28 Abs. 1 der Verordnung Nr. 236/2012 bezüglich der zu verhängenden Maßnahmen und der möglicherweise vorzusehenden Ausnahmen eine breite Auswahl an Alternativen, die in wirtschafts‑ und finanzpolitischer Hinsicht ganz erhebliche Auswirkungen hätten.

31      Die ESMA habe ein außerordentlich weites Ermessen, wenn sie darüber entscheide, wie den in Art. 28 Abs. 3 der Verordnung Nr. 236/2012 genannten Faktoren Rechnung getragen werden müsse. Bei dieser Art von Beschlüssen müssten die erheblichen wirtschaftspolitischen Auswirkungen, z. B. auf die Liquidität und das Ausmaß der auf den Finanzmärkten hervorgerufenen Unsicherheit, analysiert werden, und diese Gesichtspunkte hätten langfristige Konsequenzen für das allgemeine Vertrauen auf den Märkten. Es handele sich dabei um „unbestimmbare Sachentscheidungen“, die nicht als Beschlüsse eingestuft werden könnten, die anhand fester Kriterien erlassen und objektiv geprüft werden könnten.

32      Drittens habe sich die ESMA bei der Auswahl der zu ergreifenden Maßnahmen an den in Art. 28 Abs. 3 der Verordnung Nr. 236/2012 genannten Faktoren zu orientieren. Diese Faktoren umfassten „sehr subjektive Kriterien“. Im Übrigen besitze die ESMA ein weites Ermessen hinsichtlich der Berücksichtigung der in der genannten Vorschrift aufgeführten Kriterien. Diese Vorschrift bestimme nämlich nicht, wie sich die ESMA zu verhalten habe, wenn sie z. B. der Ansicht sei, dass eine Maßnahme, die sie zu ergreifen beabsichtige, die Effizienz der Finanzmärkte in einer im Vergleich zum erwarteten Nutzen der Maßnahme unverhältnismäßigen Weise beeinträchtigen könnte.

33      Viertens meint das Vereinigte Königreich, auch wenn die von der ESMA ergriffenen Maßnahmen theoretisch vorübergehender Art seien, ändere das nichts daran, dass es sich um grundlegende Maßnahmen handele. Selbst ein vorübergehendes Verbot von Transaktionen auf den Finanzmärkten könne langfristig erhebliche Konsequenzen − insbesondere für die Liquidität der Märkte − und eine potenziell nachhaltige Wirkung auf das allgemeine Vertrauen auf diesen Märkten haben. Die im Urteil vom 13. Juni 1958, Meroni/Hohe Behörde (9/56, Slg. 1958, 9), aufgestellten Grundsätze gälten nämlich sowohl für dauerhafte als auch für vorübergehende Maßnahmen.

34      Fünftens macht das Vereinigte Königreich geltend, selbst wenn Art. 28 der Verordnung Nr. 236/2012 dahin auszulegen sein sollte, dass er die ESMA nicht dazu verpflichte, politische Entscheidungen in Form von makroökonomischen Beschlüssen zu treffen, verstoße er gegen den im Urteil Meroni/Hohe Behörde aufgestellten Grundsatz. Die ESMA besitze nämlich genauso wie die Einrichtungen, um die es in jenem Urteil gegangen sei, im Hinblick auf die Anwendung der betreffenden Politik ein weites Ermessen.

35      Das Parlament vertritt die Auffassung, dass für die zu erlassenden Beschlüsse keine politischen Erwägungen, sondern komplexe fachliche Analysen maßgeblich seien. Art. 28 Abs. 2 der Verordnung Nr. 236/2012 sei zu entnehmen, dass eine Maßnahme lediglich dann zulässig sei, wenn sie sich gegen ganz bestimmte Bedrohungen richte. Diese zu ergreifenden Maßnahmen setzten einen hohen Informationsstand und hohe technische und wirtschaftliche Kompetenz voraus. Außerdem seien die der ESMA eingeräumten Befugnisse so gestaltet, dass die ESMA rasch eingreifen und auf eine unmittelbare Bedrohung reagieren könne.

36      Die gemäß Art. 28 der Verordnung Nr. 236/2012 eingeräumten Befugnisse unterlägen ganz bestimmten Kriterien und Beschränkungen. Sie würden nach einer Methode und einer Praxis der fachlichen Aufsicht ausgeübt, deren rechtlicher Rahmen mit dem, der Gegenstand des Urteils Meroni/Hohe Behörde gewesen sei, nicht zu vergleichen sei.

37      Der Rat hebt hervor, die ESMA habe im Hinblick auf den Erlass von Maßnahmen nach Art. 28 der Verordnung Nr. 236/2012 kein Ermessen, sondern sei unter bestimmten Umständen verpflichtet, sie zu ergreifen, nämlich wenn eine Bedrohung für die ordnungsgemäße Funktionsweise und die Integrität der Finanzmärkte oder der Stabilität des Finanzsystems der Union bestehe.

38      Die ESMA müsse im Rahmen ihrer Tätigkeiten, einschließlich der nach Art. 28 der Verordnung Nr. 236/2012, ein gewisses Ermessen ausüben, um Sachverhalte rechtlich zu beurteilen. Diese Befugnis stehe jedoch im Einklang mit dem Urteil Meroni/Hohe Behörde. Es bestehe nämlich ein Unterschied zwischen dem weiten Ermessen im Sinne jenes Urteils und der Befugnis zum Erlass von Durchführungsbeschlüssen im Rahmen eines bestimmten Sachverhalts.

39      Nach Ansicht der Kommission stehen die der ESMA nach Art. 28 der Verordnung Nr. 236/2012 eingeräumten Befugnisse mit dem in den Verträgen festgelegten Gleichgewicht der Gewalten in der Auslegung durch den Gerichtshof im Einklang. Aus dem Urteil Meroni/Hohe Behörde ergebe sich insbesondere, dass − obwohl der EGKS-Vertrag keinen Hinweis auf eine Übertragung von Befugnissen enthalte − eine Einrichtung unter den in jenem Urteil genannten Voraussetzungen einer anderen Einrichtung begrenzte Befugnisse zum Erlass von Durchführungsbeschlüssen übertragen könne, denn eine derartige Übertragung stelle keine tatsächliche Verlagerung der Verantwortung dar, bei der anstelle der die Verantwortung übertragenden Behörde die beauftragte Behörde die Entscheidungen treffe.

40      Es sei Einrichtungen der Union wie der ESMA, denen Befugnisse zum Erlass von Durchführungsbeschlüssen eingeräumt seien, nicht verwehrt, in den einschlägigen Rechtsvorschriften angeführte tatsächliche Umstände zu beurteilen, was nicht mit einer wirtschaftspolitischen Entscheidung verbunden sei, sondern lediglich mit einer technischen Beurteilung auf ihrem Fachgebiet. Eine von der ESMA gewählte Maßnahme müsse die ordnungsgemäße Funktionsweise und die Integrität der Finanzmärkte oder die Stabilität des gesamten oder eines Teils des Finanzsystems der Union gewährleisten.

 Würdigung durch den Gerichtshof

41      Der Gerichtshof hat im Urteil Meroni/Hohe Behörde (S. 43, 44 und 47) im Kern ausgeführt, dass sich eine Übertragung von Befugnissen sehr verschieden auswirken kann. Handelt es sich dabei um genau umgrenzte Ausführungsbefugnisse, so unterliegt deren Ausübung einer strengen Kontrolle im Hinblick auf die Beachtung objektiver Tatbestandsmerkmale, die von der übertragenden Behörde festgesetzt werden; „handelt es sich dagegen um Befugnisse, die nach freiem Ermessen auszuüben sind und die einen weiten Ermessensspielraum voraussetzen, so ermöglichen sie, je nach der Art ihrer Ausübung, die Verwirklichung einer ausgesprochenen Wirtschaftspolitik“.

42      Ferner hat der Gerichtshof festgestellt, dass die erste Art der Delegation nicht geeignet ist, die Ausübung der übertragenen Befugnisse wesentlich zu beeinflussen, während eine Delegation der zweiten Art eine „tatsächliche Verlagerung der Verantwortung“ mit sich bringt; an die Stelle des Ermessens der übertragenden Behörde tritt dann nämlich das Ermessen derjenigen Stelle, der die Befugnisse übertragen worden sind. In der Rechtssache, in der das Urteil Meroni/Hohe Behörde ergangen ist, kam der Gerichtshof deshalb zu dem Ergebnis, dass die von der Hohen Behörde mit ihrer Entscheidung Nr. 14/55 vom 26. März 1955 über die Schaffung einer finanziellen Einrichtung zur Sicherstellung einer gleichmäßigen Schrottversorgung des Gemeinsamen Marktes (ABl. 1955, Nr. 8, S. 685) vorgenommene Übertragung von Befugnissen an die fraglichen Einrichtungen nicht als mit dem Vertrag vereinbar angesehen werden kann, weil diesen Einrichtungen „eine Ermessensfreiheit eingeräumt wurde, die weitreichende Ermessensentscheidungen ermöglicht“.

43      Zu berücksichtigen ist, dass es sich im Urteil Meroni/Hohe Behörde bei den fraglichen Einrichtungen um privatrechtliche Verbände handelte, während die ESMA eine vom Unionsgesetzgeber geschaffene Einrichtung der Union ist.

44      Hinsichtlich der Befugnisse, die der ESMA nach Art. 28 der Verordnung Nr. 236/2012 eingeräumt sind, ist zunächst festzustellen, dass diese Vorschrift ihr keine eigenständigen Zuständigkeiten verleiht, die über den in der ESMA-Verordnung festgelegten rechtlichen Rahmen hinausgehen.

45      Außerdem ist die Ausübung der Befugnisse nach Art. 28 der Verordnung Nr. 236/2012 − im Gegensatz zu den Befugnissen, die den im Urteil Meroni/Hohe Behörde in Rede stehenden Einrichtungen übertragen worden waren − an verschiedene Kriterien und Bedingungen geknüpft, die den Handlungsspielraum der ESMA begrenzen.

46      Erstens ist die ESMA nämlich nur dann zum Erlass von Maßnahmen nach Art. 28 Abs. 1 der Verordnung Nr. 236/2012 befugt, wenn gemäß Art. 28 Abs. 2 eine Bedrohung für die ordnungsgemäße Funktionsweise und die Integrität der Finanzmärkte oder die Stabilität des gesamten Finanzsystems oder eines Teils davon in der Union mit grenzübergreifenden Auswirkungen besteht. Außerdem steht jede Maßnahme der ESMA unter dem Vorbehalt, dass keine zuständige nationale Behörde Maßnahmen ergriffen hat, um der Bedrohung zu begegnen, oder dass eine oder mehrere dieser Behörden Maßnahmen ergriffen haben, die der Bedrohung nicht in angemessener Weise gerecht werden.

47      Zweitens muss die ESMA, wenn sie Maßnahmen nach Art. 28 Abs. 1 der Verordnung Nr. 236/2012 ergreift, gemäß Art. 28 Abs. 3 berücksichtigen, inwieweit die Maßnahme zum einen die Bedrohung für die ordnungsgemäße Funktionsweise und die Integrität der Finanzmärkte oder die Stabilität des gesamten Finanzsystems oder eines Teils davon in der Union signifikant verringert oder die Möglichkeiten der zuständigen Behörden zur Überwachung der Bedrohung signifikant verbessert und zum anderen keine Gefahr der Aufsichtsarbitrage entstehen lässt und die Effizienz der Finanzmärkte im Vergleich zum Nutzen der Maßnahme nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt, etwa durch Verringerung der Liquidität dieser Märkte oder Schaffung von Unsicherheit für die Marktteilnehmer.

48      Bevor die ESMA daher irgendeinen Beschluss fasst, muss sie eine ganze Reihe von Faktoren prüfen, die in Art. 28 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 236/2012 genannt sind, wobei diese Voraussetzungen kumulativ zu erfüllen sind.

49      Im Übrigen sind die beiden Arten von Maßnahmen, die die ESMA gemäß Art. 28 Abs. 1 der Verordnung Nr. 236/2012 ergreifen kann, streng auf die in Art. 9 Abs. 5 der ESMA-Verordnung genannten Maßnahmen beschränkt.

50      Schließlich ist die ESMA gemäß Art. 28 Abs. 4 und 5 der Verordnung Nr. 236/2012 verpflichtet, den ESRB und gegebenenfalls andere zuständige Behörden zu konsultieren und die betreffenden zuständigen Behörden über die von ihr vorgeschlagene Maßnahme zu unterrichten; die Unterrichtung umfasst insbesondere die Einzelheiten der vorgeschlagenen Maßnahmen und Belege für die Gründe des Ergreifens dieser Maßnahmen. Darüber hinaus muss die ESMA die Maßnahmen in geeigneten Zeitabständen, mindestens alle drei Monate, überprüfen. Der Ermessensspielraum der ESMA wird daher sowohl durch die genannte Konsultationspflicht als auch durch die Vorläufigkeit der zulässigen Maßnahmen beschränkt, deren Festlegung auf der Grundlage der bewährten Überwachungspraktiken und unter Berücksichtigung ausreichender Gesichtspunkte erfolgt und die gegen eine Bedrohung ergriffen werden, die ein Eingreifen auf Unionsebene gebietet.

51      Die detaillierte Regelung der Eingriffsbefugnisse der ESMA kommt auch in Art. 30 der Verordnung Nr. 236/2012 zum Ausdruck, wonach die Kommission zum Erlass von delegierten Rechtsakten gemäß Art. 42 dieser Verordnung ermächtigt ist, in denen die Kriterien und Faktoren festgelegt sind, die die zuständigen Behörden und die ESMA zu berücksichtigen haben, wenn sie darüber entscheiden, ob ungünstige Ereignisse oder Entwicklungen und Bedrohungen im Sinne von Art. 28 Abs. 2 Buchst. a der genannten Verordnung vorliegen.

52      Art. 24 der Verordnung Nr. 918/2012 macht in diesem Zusammenhang noch deutlicher, dass die ESMA eine Tatsachenbeurteilung technischer Art vorzunehmen hat. Art. 24 Abs. 3 beschränkt nämlich die Eingriffsbefugnisse der ESMA in Ausnahmesituationen, indem er u. a. detailliert anführt, welche Art der Bedrohung Anlass für einen Eingriff der ESMA in die Finanzmärkte sein kann.

53      Nach alledem sind die der ESMA nach Art. 28 der Verordnung Nr. 236/2012 zustehenden Befugnisse genau eingegrenzt und können gerichtlich im Hinblick auf die von der übertragenden Behörde festgelegten Ziele überprüft werden. Diese Befugnisse stehen daher im Einklang mit den im Urteil Meroni/Hohe Behörde dargelegten Erfordernissen.

54      Die betreffenden Befugnisse bedeuten daher entgegen dem Vorbringen des Klägers nicht, dass die ESMA „ein weites Ermessen“ besitzt, das nach dem genannten Urteil mit dem AEU-Vertrag unvereinbar wäre.

55      Folglich kann der erste Klagegrund nicht durchgreifen.

 Zweiter Klagegrund: Verstoß gegen einen im Urteil Romano aufgestellten Grundsatz

 Vorbringen der Parteien

56      Nach Ansicht des Vereinigten Königreichs ermächtigt Art. 28 der Verordnung Nr. 236/2012 die ESMA zum Erlass „quasilegislativer Rechtsakte“ mit allgemeiner Geltung; eine solche Befugnis verstoße gegen den im Urteil vom 14. Mai 1981, Romano (98/80, Slg. 1981, 1241), aufgestellten Grundsatz.

57      Ein Verbot von Leerverkäufen beeinträchtige alle Personen, die Transaktionen mittels dieses Finanzinstruments oder dieser Kategorie von Finanzinstrumenten tätigten. Obwohl sich eine derartige Maßnahme auf eine sehr kleine Gruppe von Wertpapieren beschränke, handele es sich daher nicht um einen Einzelfallbeschluss oder eine Reihe von Einzelfallbeschlüssen, sondern um eine „normative Maßnahme mit allgemeiner Geltung“.

58      Das Parlament macht geltend, die Befugnis zum Erlass von Verboten gemäß der genannten Vorschrift beschränke sich auf die Zulassung von Eingriffen im Zusammenhang mit bestimmten Finanzinstrumenten. Die Maßnahmen, die erlassen werden könnten, hätten daher stets Durchführungscharakter. Sie seien in Anbetracht ihrer technischen Natur und da sie eine vorübergehende Lösung darstellten, Durchführungsbeschlüsse, selbst wenn sie einige allgemeine Gesichtspunkte enthalten sollten.

59      Die Maßnahmen, die die ESMA gemäß Art. 28 der Verordnung Nr. 236/2012 ergreifen könne, seien nicht als „quasilegislative“ Bestimmungen oder als „normativ“ im Sinne des Urteils Romano anzusehen. Bei allen Maßnahmen, die gestützt auf diesen Artikel erlassen werden könnten, machten drei weitere Gesichtspunkte – die technische Komponente, die Absicht, durch die fragliche Maßnahme einer bestimmten Situation abzuhelfen, und die Vorläufigkeit des Eingriffs − deutlich, dass die Beschlüsse der ESMA Durchführungscharakter hätten.

60      Der Rat trägt vor, der Gerichtshof habe weder im Urteil Romano noch in späteren Urteilen den Begriff „quasilegislative Rechtsakte“ oder den Begriff „Rechtsakte mit allgemeiner Geltung“ benutzt. Deshalb sei das Urteil Romano so zu verstehen, dass es die Übertragung von Rechtsetzungsbefugnissen an andere Einrichtungen als den Unionsgesetzgeber untersage.

61      Die ESMA sei nach Art. 28 der Verordnung Nr. 236/2012 zum Erlass eines Beschlusses verpflichtet, wenn bestimmte Umstände einträten, die in dieser Vorschrift ebenso definiert seien wie die Kriterien für den Inhalt dieser Maßnahmen. Die ESMA setze somit lediglich die Unionsgesetzgebung um, so dass die Beschlüsse im Sinne der genannten Vorschrift keinen Rechtsetzungs‑ sondern Durchführungscharakter hätten.

62      Die Kommission macht geltend, in der Rechtssache, in der das Urteil Romano ergangen sei, hätten die von der fragliche Einrichtung erlassenen Rechtsakte, selbst wenn sie allgemeine Geltung gehabt hätten, keiner gerichtlichen Kontrolle unterzogen werden können. Der Gerichtshof habe daher zu Recht entschieden, dass diese Ermächtigung zum Erlass von Rechtsakten mit normativem Charakter gegen den AEU-Vertrag verstoße.

 Würdigung durch den Gerichtshof

63      Um über den zweiten Klagegrund zu entscheiden, ist an die Feststellung des Gerichtshofs in Rn. 20 des Urteils Romano zu erinnern, wonach sich sowohl aus den primärrechtlichen Bestimmungen über die Befugnisse, die der Rat der Kommission zur Durchführung der von ihm erlassenen Vorschriften überträgt, als auch aus dem durch den EWG-Vertrag geschaffenen Rechtsschutzsystem ergibt, dass eine Stelle wie die, um die es in jener Rechtssache ging, und zwar eine Verwaltungskommission, vom Rat nicht ermächtigt werden kann, „Rechtsakte mit normativem Charakter“ zu erlassen. Nach Auffassung des Gerichtshofs kann der Beschluss einer derartigen Stelle für die Einrichtungen, denen die Durchführung des Unionsrechts übertragen ist, zwar ein Hilfsmittel darstellen, er ist jedoch nicht geeignet, sie zu verpflichten, bei der Anwendung des Unionsrechts bestimmte Methoden anzuwenden oder von einer bestimmten Auslegung auszugehen. Daraus hat der Gerichtshof geschlossen, dass der von dieser Verwaltungskommission erlassene streitige Beschluss das vorlegende Gericht „nicht bindet“.

64      Zwar ergibt sich aus Art. 28 der Verordnung Nr. 236/2012, dass die ESMA gemäß dieser Vorschrift in eng umgrenzten Fällen Rechtsakte mit allgemeiner Geltung erlassen soll. Diese Rechtsakte können auch Vorschriften enthalten, die für jede natürliche oder juristische Person gelten, die im Besitz eines bestimmten Finanzinstruments oder einer bestimmten Art von Finanzinstrumenten ist oder bestimmte finanzielle Transaktionen tätigt.

65      Diese Feststellung bedeutet allerdings nicht, dass Art. 28 der Verordnung Nr. 236/2012 dem im Urteil Romano aufgestellten Grundsatz zuwiderläuft. Der durch den AEU-Vertrag, insbesondere Art. 263 Abs. 1 AEUV und Art. 277 AEUV, geschaffene institutionelle Rahmen erlaubt es den Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union nämlich ausdrücklich, Rechtsakte mit allgemeiner Geltung zu erlassen.

66      Unter diesen Umständen kann aus dem Urteil Romano nicht abgeleitet werden, dass für die Übertragung von Befugnissen auf eine Einrichtung wie die ESMA andere Voraussetzungen als die im Urteil Meroni/Hohe Behörde genannten (siehe oben, Rn. 41 und 42 des vorliegenden Urteils) gelten.

67      Wie aus der Prüfung des ersten Klagegrundes hervorgeht, hat das Vereinigte Königreich aber nicht bewiesen, dass die sich aus Art. 28 der Verordnung Nr. 236/2012 ergebende Übertragung von Befugnissen auf die ESMA gegen die genannten Voraussetzungen verstößt, insbesondere gegen diejenige, dass sich die Übertragung nur auf genau umgrenzte Durchführungsbefugnisse beziehen darf.

68      Folglich greift der zweite Klagegrund nicht durch.

 Dritter Klagegrund: Unvereinbarkeit der Übertragung von Befugnissen mit den Art. 290 AEUV und 291 AEUV

 Vorbringen der Parteien

69      Das Vereinigte Königreich macht geltend, der Rat sei nach den Verträgen nicht berechtigt, Befugnisse wie die nach Art. 28 Abs. 1 der Verordnung Nr. 236/2012 auf eine Einrichtung der Union zu übertragen, denn die Fälle, in denen der Kommission bestimmte Befugnisse übertragen werden könnten, seien in den Art. 290 AEUV und 291 AEUV abschließend geregelt.

70      Ein auf Art. 28 Abs. 1 der Verordnung Nr. 236/2012 gestütztes Verbot von Leerverkäufen gelte für sämtliche Personen, die Transaktionen mittels dieses Finanzinstruments oder dieser Kategorie von Finanzinstrumenten tätigten. Deshalb handele es sich um eine Maßnahme mit allgemeiner Geltung, mit der eine derartige Einrichtung nicht betraut werden dürfe.

71      Das Parlament macht geltend, die Art. 290 AEUV und 291 AEUV sähen zwar nicht die Übertragung von Befugnissen auf eine Einrichtung der Union vor, doch sei ihnen nicht zu entnehmen, dass die Befugnisse, die einer solchen Einrichtung verliehen werden könnten, enger sein müssten, als sie es vor Inkrafttreten des AEU-Vertrags gewesen seien. Die Tatsache, dass die Kommission gemäß diesen Artikeln Befugnisse ausüben könne, schließe daher die Möglichkeit nicht aus, einer solchen Stelle weitere Befugnisse einzuräumen.

72      Der Unionsgesetzgeber könne einer Einrichtung der Union Befugnisse zum Erlass von Durchführungsmaßnahmen auf Gebieten verleihen, die besonderes technisches Fachwissen voraussetzen. Diese Befugnisse dürften jedoch nicht den Erlass von allgemeinen Regulierungsmaßnahmen ermöglichen, die als „normativ“ eingestuft werden könnten oder ein tatsächliches Ermessen voraussetzten. Soweit die Befugnisse vom Unionsgesetzgeber festgelegt seien und es sich um Durchführungsbefugnisse handele, die von fachlichen, technischen oder wissenschaftlichen Erwägungen geleitet seien, werde das institutionelle Gleichgewicht durch diese Befugnisse nicht beeinträchtigt.

73      Der Rat trägt vor, die Übertragung von Befugnissen auf Einrichtungen der Union sei in keiner Vorschrift der Verträge ausdrücklich geregelt. Das bedeute jedoch nicht, dass jede derartige Übertragung durch den Unionsgesetzgeber gegen die Art. 290 AEUV und 291 AEUV verstoße. Die Maßnahmen, die die ESMA gemäß Art. 28 der Verordnung Nr. 236/2012 erlassen könne, hätten nämlich eine völlig andere Natur als die Rechtsakte, die nach den genannten Vorschriften des AEU-Vertrags erlassen würden.

74      Art. 290 AEUV enthalte lediglich verfahrensmäßige Erfordernisse im Hinblick auf die Kontrolle der Befugnisse, die der Kommission für den Erlass von delegierten Rechtsakten übertragen würden, die eine „Ergänzung oder Änderung bestimmter nicht wesentlicher Vorschriften des … Gesetzgebungsaktes“ zum Zweck hätten.

75      Art. 291 AEUV enthalte hinsichtlich der Durchführungsvorschriften, die nach dieser Vorschrift erlassen werden könnten, keine verfahrensmäßigen Zwänge, mit Ausnahme der Verpflichtung des Unionsgesetzgebers, Vorschriften über die Wahrnehmung der in dieser Vorschrift genannten Befugnisse zu erlassen.

76      Die Kommission weist darauf hin, dass in den Verträgen im Gegensatz zu der in Art. 290 AEUV vorgesehenen Übertragung von quasilegislativen Befugnissen weder geregelt sei, ob Durchführungsbefugnisse übertragen werden könnten, noch, inwieweit dies möglich sei. Es sei dem Unionsgesetzgeber und der Kommission nach Art. 17 EUV und Art. 291 AEUV grundsätzlich nicht verwehrt, Durchführungsbefugnisse auf eine nichtinstitutionelle Einrichtung zu übertragen.

 Würdigung durch den Gerichtshof

77      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass Art. 28 der Verordnung Nr. 236/2012 eine Übertragung von Befugnissen auf eine Einrichtung bzw. sonstige Stelle der Union und nicht auf die Kommission vorsieht.

78      Um über den dritten Klagegrund zu entscheiden, ist daher zu klären, ob die Verfasser des AEU-Vertrags mit den Art. 290 AEUV und 291 AEUV einen einheitlichen rechtlichen Rahmen festlegen wollten, wonach ausschließlich der Kommission bestimmte delegierte Befugnisse und Durchführungsbefugnisse zugewiesen werden dürfen, oder ob der Unionsgesetzgeber andere Regelungen zur Übertragung derartiger Befugnisse auf Einrichtungen oder sonstige Stellen der Union in Betracht ziehen darf.

79      Dazu ist festzustellen, dass die Verträge zwar keine Vorschrift enthalten, die die Übertragung von Zuständigkeiten auf eine Einrichtung oder sonstige Stelle der Union vorsieht, dass aber mehrere Vorschriften des AEU-Vertrags vom Bestehen einer solchen Möglichkeit ausgehen.

80      Nach Art. 263 AEUV unterliegen nämlich neben den Organen der Union auch die „Einrichtungen“ und „sonstigen Stellen“ der gerichtlichen Kontrolle durch den Gerichtshof. Nach Art. 265 AEUV finden die Bestimmungen über die Untätigkeitsklage auf sie Anwendung. Nach Art. 267 AEUV können die Gerichte eines Mitgliedstaats dem Gerichtshof Fragen nach der Gültigkeit und der Auslegung von Handlungen der Einrichtungen und sonstigen Stellen zur Vorabentscheidung vorlegen. Diese Handlungen können auch mit der Rechtswidrigkeitseinrede nach Art. 277 AEUV angegriffen werden.

81      Diese Mechanismen einer gerichtlichen Kontrolle gelten für die vom Unionsgesetzgeber geschaffenen Einrichtungen und sonstigen Stellen, denen Befugnisse zum Erlass von für natürliche und für juristische Personen verbindlichen Rechtsakten auf spezifischen Gebieten eingeräumt wurden, z. B. für die Europäische Chemikalienagentur, die Europäische Arzneimittel-Agentur, das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle), das Gemeinschaftliche Sortenamt oder die Europäische Agentur für Flugsicherheit.

82      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass Art. 28 der Verordnung Nr. 236/2012 der ESMA bestimmte Entscheidungsbefugnisse auf einem Gebiet einräumt, das ein spezifisches technisches Fachwissen erfordert.

83      Diese Übertragung von Befugnissen entspricht jedoch keinem der in den Art. 290 AEUV und 291 AEUV genannten Fälle.

84      Wie in den Rn. 2 bis 4 des vorliegenden Urteils aufgezeigt, ist der rechtliche Rahmen von Art. 28 der Verordnung Nr. 236/2012 insbesondere durch die Verordnung Nr. 1092/2010, die ESMA-Verordnung und die Verordnung Nr. 236/2012 gekennzeichnet. Diese Verordnungen gehören zu einer Reihe von Regulierungsinstrumenten, die der Unionsgesetzgeber erlassen hat, damit die Union, wie im siebten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1092/2010 ausgeführt, angesichts der Integration der internationalen Finanzmärkte und der Gefahr des Übergreifens von Finanzkrisen zur Förderung der Stabilität des internationalen Finanzsystems tätig werden kann.

85      Deshalb darf Art. 28 der Verordnung Nr. 236/2012 nicht isoliert betrachtet werden. Er ist vielmehr Teil eines Regelwerks, mit dem den zuständigen nationalen Behörden und der ESMA Eingriffsbefugnisse verliehen werden sollen, um schädlichen Entwicklungen, die die finanzielle Stabilität in der Union und das Marktvertrauen bedrohen, entgegenzutreten. Dazu müssen diese Stellen in der Lage sein, Leerverkäufe bestimmter Finanzwerte, Transaktionen mit Credit Default Swaps oder andere Transaktionen zeitweise zu beschränken und auf diese Weise einen ungeordneten Kursverfall dieser Instrumente zu verhindern. Diese Stellen besitzen ein umfangreiches Fachwissen und arbeiten zur Erreichung des Ziels der finanziellen Stabilität in der Union eng miteinander zusammen.

86      Demzufolge ist Art. 28 der Verordnung Nr. 236/2012 in Verbindung mit den anderen vorstehend erwähnten Regulierungsinstrumenten, die auf diesem Gebiet erlassen wurden, nicht dahin auszulegen, dass er die in den Art. 290 AEUV und 291 AEUV vorgesehene Regelung für die Übertragung von Befugnissen in Frage stellt.

87      Daraus folgt, dass der dritte Klagegrund zurückzuweisen ist.

 Vierter Klagegrund: Verstoß gegen Art. 114 AEUV

 Vorbringen der Parteien

88      Das Vereinigte Königreich trägt vor, Art. 28 der Verordnung Nr. 236/2012 solle es der ESMA nicht erlauben, Einzelmaßnahmen gegenüber natürlichen oder juristischen Personen zu ergreifen. Die Maßnahmen, die gemäß dieser Vorschrift erlassen werden könnten, hätten vielmehr allgemeine Geltung.

89      Sollte Art. 28 der genannten Verordnung jedoch dahin auszulegen sein, dass er es der ESMA erlaube, Beschlüsse zu erlassen, die an natürliche oder juristische Personen gerichtet seien, so überschreite dieser Artikel die in Art. 114 AEUV festgelegten Befugnisse. Diese Vorschrift ermächtige den Unionsgesetzgeber weder zum Erlass von Einzelfallbeschlüssen ohne allgemeine Geltung, noch dazu, der Kommission oder einer Einrichtung der Union die Befugnis zum Erlass derartiger Beschlüsse zu übertragen.

90      Beschlüsse, die an die Finanzinstitutionen gerichtet seien und Vorrang vor den von den zuständigen nationalen Behörden erlassenen Beschlüssen hätten, seien nicht als Harmonisierungsmaßnahmen im Sinne von Art. 114 AEUV anzusehen. Derartige Einzelfallbeschlüsse stellten vielmehr eine von einer Einrichtung der Union erlassene, an die Bürger der Mitgliedstaaten gerichtete unmittelbare Regelung dar.

91      Das Parlament macht geltend, der Begriff „Harmonisierung“ im Sinne von Art. 114 AEUV umfasse die Befugnis, gegebenenfalls Einzelmaßnahmen zu erlassen. Außerdem sei die Union berechtigt, Einrichtungen zu schaffen und sie an der Durchführung dieser Vorschrift zu beteiligen, sofern sie sich in einen Regelungskomplex einfügten, der den Binnenmarkt betreffende Rechtsvorschriften angleiche.

92      Die der ESMA eingeräumte Möglichkeit, gegebenenfalls in den Finanzmarkt der Union einzugreifen, gelte für den Fall, dass eine nationale Maßnahme unzureichend oder ungeeignet sei. Auf Art. 28 der Verordnung Nr. 236/2012 gestützte Maßnahmen hätten daher den Zweck, den mit Leerverkäufen verbundenen Risiken in harmonisierter Weise vorzubeugen und das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten.

93      Der Rat trägt vor, Art. 114 AEUV könne als Rechtsgrundlage dienen, um die ESMA zum Erlass von Einzelmaßnahmen zu ermächtigen. Dieser Artikel räume dem Unionsgesetzgeber nämlich nach Maßgabe des allgemeinen Kontexts und der speziellen Umstände der zu harmonisierenden Materie einen Ermessensspielraum hinsichtlich der zur Erreichung des angestrebten Ergebnisses am besten geeigneten Angleichungstechnik insbesondere in den Bereichen ein, die durch komplexe technische Besonderheiten gekennzeichnet seien.

94      Durch die Maßnahmen, die die ESMA im Rahmen von Art. 28 der Verordnung Nr. 236/2012 erlassen könne, solle Bedrohungen für die ordnungsgemäße Funktionsweise und die Integrität der Finanzmärkte oder die Stabilität des gesamten oder eines Teils des Finanzsystems in der Union begegnet werden. Die genannte Vorschrift sehe vor, dass die ESMA lediglich dann Interventionsmaßnahmen ergreifen könne, wenn die Auswirkungen grenzübergreifend seien und keine nationale Maßnahme ergriffen worden oder ausreichend gewesen sei.

95      Die Kommission hebt hervor, dass Art. 28 Abs. 1 der Verordnung Nr. 236/2012 auf Art. 9 Abs. 5 der ESMA-Verordnung verweise, der es der ESMA erlaube, einige Finanztätigkeiten unter bestimmten Bedingungen zu verbieten oder zu beschränken. Auch die letztgenannte Verordnung sei gestützt auf Art. 114 AEUV erlassen worden. Es sei daher schwer nachvollziehbar, wie Art. 28 der Verordnung Nr. 236/2012 dahin ausgelegt werden könne, dass er die Befugnisse überschreite, die dem Unionsgesetzgeber nach Art. 114 AEUV eingeräumt seien.

96      Die in Art. 28 Abs. 1 der Verordnung Nr. 236/2012 genannten Maßnahmen dürften nicht isoliert geprüft werden, sondern müssten in Verbindung mit anderen Vorschriften für die Kontrolle von Leerverkäufen betrachtet werden. Die Aufgaben der ESMA stünden somit in engem Zusammenhang mit den Regeln zur Angleichung der unterschiedlichen nationalen Vorschriften auf diesem Gebiet.

 Würdigung durch den Gerichtshof

97      Zunächst ist festzustellen, dass der Kläger den vierten Klagegrund nur für den Fall vorgetragen hat, dass Art. 28 der Verordnung Nr. 236/2012 dahin auszulegen ist, dass er die ESMA zum Erlass von Einzelfallbeschlüssen ermächtigt, die an natürliche oder juristische Personen gerichtet sind.

98      Wie aus Rn. 64 des vorliegenden Urteils hervorgeht, ermächtigt zwar Art. 28 der Verordnung Nr. 236/2012 die ESMA, unter eng umgrenzten Umständen Rechtsakte mit allgemeiner Geltung zu erlassen, doch ist nicht auszuschließen, dass sie gestützt auf ihre Befugnisse aus diesem Artikel Anlass haben kann, auch Beschlüsse zu erlassen, die an bestimmte natürliche oder juristische Personen gerichtet sind.

99      Um über diesen vierten Klagegrund zu entscheiden, ist zu klären, ob die in Art. 28 der Verordnung Nr. 236/2012 vorgesehene Interventionsregelung in den Anwendungsbereich des Art. 114 AEUV fallen kann.

100    Was den Anwendungsbereich von Art. 114 AEUV angeht, ist daran zu erinnern, dass ein auf diese Rechtsgrundlage gestützter Rechtsakt zum einen Maßnahmen zur Angleichung der Rechts‑ und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten umfassen und zum anderen die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts zum Gegenstand haben muss.

101    Deshalb ist zu prüfen, ob Art. 28 der Verordnung Nr. 236/2012 diese beiden Voraussetzungen erfüllt.

102    Erstens ist darauf hinzuweisen, dass die Verfasser des AEU-Vertrags dem Unionsgesetzgeber mit dem Ausdruck „Maßnahmen zur Angleichung“ nach Maßgabe des allgemeinen Kontexts und der speziellen Umstände der zu harmonisierenden Materie einen Ermessensspielraum hinsichtlich der zur Erreichung des angestrebten Ergebnisses am besten geeigneten Angleichungstechnik, insbesondere in den Bereichen einräumen wollten, die durch komplexe technische Besonderheiten gekennzeichnet sind, (vgl. Urteil vom 6. Dezember 2005, Vereinigtes Königreich/Parlament und Rat, C‑66/04, Slg. 2005, I‑10553, Rn. 45).

103    Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang festgestellt, dass dieser Ermessensspielraum insbesondere dann zur Auswahl der am besten geeigneten Angleichungstechnik genutzt werden kann, wenn die in Aussicht genommene Angleichung sehr technische und spezielle Untersuchungen sowie die Berücksichtigung von Entwicklungen auf einem bestimmten Gebiet erfordert (vgl. in diesem Sinne Urteil Vereinigtes Königreich/Parlament und Rat, Rn. 46).

104    Außerdem hat der Gerichtshof in seinem Urteil vom 2. Mai 2006, Vereinigtes Königreich/Parlament und Rat (C‑217/04, Slg. 2006, I‑3771, Rn. 44), u. a. darauf hingewiesen, dass der Unionsgesetzgeber aufgrund seiner Sachwürdigung die Schaffung einer Unionseinrichtung für notwendig erachten kann, deren Aufgabe es ist, zur Verwirklichung des Harmonisierungsprozesses beizutragen.

105    Demzufolge kann der Unionsgesetzgeber im Rahmen der Auswahl der Angleichungstechnik angesichts des ihm für Maßnahmen im Sinne von Art. 114 AEUV eingeräumten Ermessens Befugnisse auf eine Einrichtung oder sonstige Stelle der Union übertragen, die der Verwirklichung der angestrebten Harmonisierung dienen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die zu ergreifenden Maßnahmen ein spezifisches technisches Fachwissen und die Reaktionsfähigkeit einer solchen Stelle voraussetzen.

106    Der Kläger macht insbesondere geltend, Art. 114 AEUV könne nicht als Rechtsgrundlage für Rechtsakte dienen, die gegenüber Einzelpersonen verbindlich seien. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass der Gerichtshof in seinem Urteil vom 9. August 1994, Deutschland/Rat (C‑359/92, Slg. 1994, I‑3681, Rn. 37), entschieden hat, dass es auf bestimmten Gebieten möglich ist, dass die Angleichung nur der allgemeinen Vorschriften nicht ausreicht, um die Einheit des Marktes zu gewährleisten. Daher ist der Begriff der „Maßnahmen zur Angleichung“ so auszulegen, dass er auch die Befugnis des Unionsgesetzgebers umfasst, Maßnahmen hinsichtlich eines bestimmten Produkts oder einer bestimmten Produktkategorie und gegebenenfalls auch Einzelmaßnahmen hinsichtlich dieser Produkte vorzuschreiben.

107    Der Gerichtshof hat in Rn. 44 seines Urteils vom 2. Mai 2006, Vereinigtes Königreich/Parlament und Rat, darauf hingewiesen, dass der Wortlaut des Art. 114 AEUV nicht den Schluss erlaubt, dass die vom Unionsgesetzgeber auf der Grundlage dieser Vorschrift erlassenen Maßnahmen nur an die Mitgliedstaaten gerichtet sein dürften.

108    Der Unionsgesetzgeber wollte mit Art. 28 der Verordnung Nr. 236/2012 angesichts ernsthafter Bedrohungen für die ordnungsgemäße Funktionsweise und die Integrität der Finanzmärkte oder die Stabilität des Finanzsystems in der Union einen geeigneten Mechanismus schaffen, der die Möglichkeit bietet, als letztes Mittel und unter ganz bestimmten Voraussetzungen Maßnahmen zu erlassen, die in der gesamten Union anwendbar sind und die gegebenenfalls in Form von an bestimmte Teilnehmer der betreffenden Märkte gerichteten Beschlüssen ergehen können.

109    In diesem Zusammenhang ergibt sich aus dem ersten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 236/2012, dass die zuständigen Behörden in mehreren Mitgliedstaaten außerordentliche Maßnahmen ergriffen hatten, um aufgrund von Bedrohungen für die Lebensfähigkeit der Finanzinstitute und daraus resultierender systemischer Risiken den Leerverkauf bestimmter oder sämtlicher Wertpapiere zu beschränken oder zu verbieten. Außerdem heißt es dort, dass die von den Mitgliedstaaten ergriffenen Maßnahmen unterschiedlich ausfielen, weil in der Union kein spezifischer gemeinsamer Regelungsrahmen für die Kontrolle von Leerverkäufen besteht.

110    Des Weiteren hat der Unionsgesetzgeber im dritten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 236/2012 klargestellt, dass es zweckmäßig und notwendig ist, für die in dieser Verordnung enthaltenen Vorschriften die Form einer Verordnung zu wählen, um sicherzustellen, dass Vorschriften, mit denen private Akteure direkt verpflichtet werden, mit bestimmten Instrumenten verbundene Netto-Leerverkaufspositionen und ungedeckte Leerverkäufe zu melden und offenzulegen, in der gesamten Union einheitlich angewandt werden. Die Form einer Verordnung wurde für notwendig erachtet, um der ESMA Befugnisse zur Koordinierung der von den zuständigen Behörden ergriffenen Maßnahmen und zur Verhängung eigener Maßnahmen auf dem betreffenden Gebiet zu übertragen.

111    Ferner hat der Unionsgesetzgeber im fünften Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 236/2012 unterstrichen, dass, um die derzeitige Fragmentierung zu überwinden, vor deren Hintergrund einige Mitgliedstaaten divergierende Maßnahmen ergriffen haben, und um die Möglichkeit, dass zuständige Behörden divergierende Maßnahmen ergreifen, einzuschränken, zur Bewältigung der potenziellen Risiken von Leerverkäufen und Credit Default Swaps ein harmonisiertes Vorgehen erforderlich ist.

112    Art. 28 der Verordnung Nr. 236/2012 sieht tatsächlich eine Angleichung der Rechts‑ und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für die Überwachung einer Reihe von Wertpapieren und, in bestimmten Fällen, die Kontrolle bestimmter Handelsgeschäfte mit diesen Wertpapieren vor, nämlich das Halten von Netto-Leerverkaufspositionen in einem Finanzinstrument oder einer bestimmten Art von Finanzinstrumenten.

113    Zweitens hat der Gerichtshof zu der in Art. 114 AEUV genannten Voraussetzung, dass die Harmonisierungsmaßnahmen des Unionsgesetzgebers die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts zum Gegenstand haben müssen, in Rn. 42 seines Urteils vom 2. Mai 2006, Vereinigtes Königreich/Parlament und Rat, hervorgehoben, dass dieser Artikel nur dann als Rechtsgrundlage herangezogen werden kann, wenn aus dem Rechtsakt objektiv und tatsächlich hervorgeht, dass er den Zweck hat, die Voraussetzungen für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts zu verbessern.

114    In diesem Zusammenhang heißt es im zweiten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 236/2012, dass der Zweck dieser Verordnung darin besteht, das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarkts sicherzustellen und die Voraussetzungen für sein Funktionieren, insbesondere in Bezug auf die Finanzmärkte, zu verbessern. Der Unionsgesetzgeber hielt es daher für zweckmäßig, einen gemeinsamen Regelungsrahmen für Vorschriften und Befugnisse im Zusammenhang mit Leerverkäufen und Credit Default Swaps zu schaffen und im Hinblick auf Ausnahmesituationen, in denen Maßnahmen ergriffen werden müssen, ein höheres Maß an Koordinierung und Kohärenz zwischen den Mitgliedstaaten sicherzustellen. Die Harmonisierung der Regeln für derartige Transaktionen soll also verhindern, dass für das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarkts Hindernisse entstehen und die Mitgliedstaaten weiterhin divergierende Maßnahmen ergreifen.

115    Darüber hinaus wird im 33. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 236/2012 festgestellt, dass die zuständigen nationalen Behörden zwar oftmals am besten in der Lage sind, ungünstige Entwicklungen zu überwachen und rasch darauf zu reagieren, dass aber auch die ESMA befugt sein sollte, Maßnahmen zu ergreifen, wenn Leerverkäufe und andere verwandte Tätigkeiten das ordnungsgemäße Funktionieren und die Integrität der Finanzmärkte oder die Stabilität eines Teils oder des gesamten Finanzsystems in der Union bedrohen, grenzüberschreitende Auswirkungen vorliegen und die zuständigen Behörden keine ausreichenden Maßnahmen zur Bewältigung der Bedrohung ergriffen haben.

116    Daraus folgt, dass die in Art. 28 der Verordnung Nr. 236/2012 vorgesehenen Befugnisse tatsächlich den Zweck haben, die Voraussetzungen für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts im Finanzsektor zu verbessern.

117    Nach alledem erfüllt Art. 28 der genannten Verordnung die beiden in Art. 114 AEUV genannten Voraussetzungen. Die letztgenannte Vorschrift bildet deshalb eine geeignete Rechtsgrundlage für den Erlass von Art. 28.

118    Folglich ist der vierte Klagegrund zurückzuweisen.

119    Nach alledem ist die Klage insgesamt abzuweisen.

 Kosten

120    Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das Vereinigte Königreich mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag der Beklagten die Kosten aufzuerlegen. Das Königreich Spanien, die Französische Republik, die Italienische Republik und die Kommission, die dem Rechtsstreit als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Beklagten beigetreten sind, tragen nach Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland trägt die Kosten.

3.      Das Königreich Spanien, die Französische Republik, die Italienische Republik und die Europäische Kommission tragen ihre eigenen Kosten.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Englisch.