Language of document : ECLI:EU:C:2023:715

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Achte Kammer)

28. September 2023(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Inländische Abgaben – Art. 110 AEUV – Erstattung einer von einem Mitgliedstaat unionsrechtswidrig erhobenen Steuer – Steuer auf die Erstzulassung eines Kraftfahrzeugs – Einbeziehung der Steuer in den Marktwert des Fahrzeugs, für das diese Steuer entrichtet wurde – Übergang des Erstattungsanspruchs auf einen späteren Erwerber dieses Fahrzeugs“

In der Rechtssache C‑508/22

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Curtea de Apel Braşov (Berufungsgericht Braşov [Kronstadt], Rumänien) mit Entscheidung vom 22. Juni 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Juli 2022, in dem Verfahren

KL,

PO

gegen

Administrația Județeană a Finanțelor Publice Brașov

erlässt

DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Safjan sowie der Richter N. Jääskinen (Berichterstatter) und M. Gavalec,

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von KL und PO, vertreten durch D. Târşia, Avocat,

–        der rumänischen Regierung, vertreten durch R. Antonie, E. Gane und O.‑C. Ichim als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Björkland und T. Isacu de Groot als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 110 AEUV.

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen KL und PO als Erben von AX und der Administrația Județeană a Finanțelor Publice Brașov (Kreisverwaltung für öffentliche Finanzen Brașov, Rumänien, im Folgenden: Steuerverwaltung) über die Erstattung einer bei der Erstzulassung eines Fahrzeugs unionsrechtswidrig erhobenen Steuer an einen späteren Erwerber dieses Fahrzeugs.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Art. 110 AEUV bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten erheben auf Waren aus anderen Mitgliedstaaten weder unmittelbar noch mittelbar höhere inländische Abgaben gleich welcher Art, als gleichartige inländische Waren unmittelbar oder mittelbar zu tragen haben.

Die Mitgliedstaaten erheben auf Waren aus anderen Mitgliedstaaten keine inländischen Abgaben, die geeignet sind, andere Produktionen mittelbar zu schützen.“

 Rumänisches Recht

4        Die Ordonanța de urgență a Guvernului nr. 52/2017 privind restituirea sumelor reprezentând taxa specială pentru autoturisme și autovehicule, taxa pe poluare pentru autovehicule, taxa pentru emisiile poluante provenite de la autovehicule și timbrul de mediu pentru autovehicule (Dringlichkeitsverordnung Nr. 52/2017 der Regierung über die Erstattung der Sondersteuer für Pkw und Kraftfahrzeuge, der Steuer auf Schadstoffemissionen von Kraftfahrzeugen und der Umweltgebühr für Kraftfahrzeuge) vom 4. August 2017 (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 644 vom 7. August 2017, im Folgenden: OUG Nr. 52/2017) regelt das Erstattungsverfahren für mehrere Kraftfahrzeugsteuern, die der Gerichtshof für unionsrechtswidrig befunden hat.

5        Art. 1 Abs. 1 der OUG Nr. 52/2017 bestimmt:

„Steuerpflichtige, die die Sondersteuer für Pkw und Kraftfahrzeuge nach den Art. 2141 bis 2143 des Gesetzes Nr. 571/2003 über das Steuergesetzbuch mit späteren Änderungen und Ergänzungen, die Umweltsteuer für Kraftfahrzeuge nach der Dringlichkeitsverordnung Nr. 50/2008 der Regierung zur Einführung einer Umweltsteuer für Kraftfahrzeuge, genehmigt durch das Gesetz Nr. 140/2011, die Steuer auf Schadstoffemissionen von Kraftfahrzeugen nach dem Gesetz Nr. 9/2012 über die Steuer auf Schadstoffemissionen von Kraftfahrzeugen mit späteren Änderungen und die Umweltgebühr für Kraftfahrzeuge nach der Dringlichkeitsverordnung Nr. 9/2013 der Regierung, mit Änderungen und Ergänzungen genehmigt durch das Gesetz Nr. 37/2014 mit späteren Änderungen und Ergänzungen, entrichtet haben und bis zum Inkrafttreten dieser Dringlichkeitsverordnung keine Erstattung erhalten haben, können ihre Erstattung zuzüglich der für den Zeitraum vom Zeitpunkt der Erhebung bis zum Zeitpunkt der Erstattung geschuldeten Zinsen bei der zuständigen zentralen Steuerbehörde beantragen. Die Höhe der Zinsen ergibt sich aus Art. 174 Abs. 5 des Gesetzes Nr. 207/2015 über die Steuerverfahrensordnung mit späteren Änderungen und Ergänzungen.“

 Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

6        Am 3. März 2008 leaste die SC Zilex Corn SRL einen im Jahr 2007 hergestellten Pkw der Marke Toyota. Bei der Erstzulassung dieses Fahrzeugs in Rumänien hatte die Leasinggesellschaft, die BCR Leasing IFN SA, an die rumänischen Behörden eine Sondersteuer für Pkw und Kraftfahrzeuge (im Folgenden: Sonderzulassungsteuer) zuzüglich Mehrwertsteuer in Höhe von 6 378,23 rumänischen Lei (RON) (etwa 1 298 Euro) entrichtet. Dieser Betrag wurde von der Leasinggesellschaft auf Zilex Corn abgewälzt.

7        Das Eigentum am Fahrzeug wurde am 12. November 2012 auf die SC Zaral SRL und am 16. Mai 2016 auf AX übertragen.

8        Am 28. August 2018 stellte AX bei der Steuerverwaltung auf der Grundlage von Art. 1 Abs. 1 der OUG Nr. 52/2017 einen Antrag auf Erstattung der für das in Rede stehende Fahrzeug entrichteten Sonderzulassungsteuer. Die Steuerverwaltung lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 5. März 2019 mit der Begründung ab, dass er nicht von der Person gestellt worden sei, die diese Steuer entrichtet habe. Gegen den Bescheid legte AX Einspruch ein, der mit Bescheid vom 29. Juli 2019 zurückgewiesen wurde.

9        AX erhob beim Tribunalul Brașov (Regionalgericht Brașov, Rumänien) Klage auf Aufhebung der beiden Bescheide, auf Verurteilung der Steuerverwaltung zur Erstattung der Sonderzulassungssteuer und zur Zahlung der entsprechenden Zinsen.

10      Mit Urteil vom 23. Dezember 2020 wies dieses Gericht die Klage mit der Begründung ab, dass der Erstattungsanspruch nach den einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften nur der Person zustehe, die die Sonderzulassungssteuer bei der Erstzulassung des fraglichen Fahrzeugs entrichtet habe, nicht aber den späteren Erwerbern dieses Fahrzeugs.

11      Gegen dieses Urteil legte AX beim vorlegenden Gericht, der Curtea de Apel Braşov (Berufungsgericht Braşov), Rechtsmittel ein.

12      Mit Urteil vom 5. April 2022 wies dieses Gericht das Rechtsmittel mit der Begründung zurück, AX habe nicht nachgewiesen, dass der Erstattungsanspruch gleichzeitig mit dem Eigentum an dem Fahrzeug übertragen worden sei. Außerdem könne der Übergang dieses Anspruchs nicht von Rechts wegen beim Kauf des Fahrzeugs erfolgt sein.

13      AX stellte daraufhin beim vorlegenden Gericht einen Wiederaufnahmeantrag in Bezug auf dieses Urteil, mit dem sie u. a. eine fehlerhafte Auslegung von Art. 110 AEUV und einen Verstoß gegen den Effektivitätsgrundsatz geltend macht.

14      Das vorlegende Gericht fragt sich, ob ein Mitgliedstaat dem späteren Erwerber eines Fahrzeugs die Erstattung einer Steuer verweigern darf, die bei der Erstzulassung dieses Fahrzeugs unionsrechtswidrig erhoben wurde.

15      Es weist darauf hin, dass die OUG Nr. 52/2017 im Anschluss an die Urteile des Gerichtshofs erlassen worden sei, mit denen mehrere von Rumänien eingeführte Kraftfahrzeugsteuern, darunter die in Rede stehende Sonderzulassungsteuer, für unionsrechtswidrig erklärt worden seien. Nach Art. 1 Abs. 1 der OUG Nr. 52/2017 stehe der Anspruch auf Erstattung einer als unionsrechtswidrig geltenden Steuer jedoch nur dem Steuerpflichtigen zu, der sie entrichtet habe.

16      Seit der Einführung der in der OUG Nr. 52/2017 genannten Kraftfahrzeugsteuern seien die betroffenen Fahrzeuge Gegenstand von Geschäftsvorgängen gewesen, und der Gerichtshof habe mit Urteil vom 7. April 2011, Tatu (C‑402/09, EU:C:2011:219), entschieden, dass eine solche Steuer nach ihrer Entrichtung Teil des Marktwerts des Fahrzeugs sei.

17      Daher stellt sich dem vorlegenden Gericht die Frage, ob die in Art. 1 Abs. 1 der OUG Nr. 52/2017 vorgesehene Beschränkung des Anspruchs auf Erstattung unionsrechtswidrig erhobener Steuern mit der Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Erstattung solcher Steuern im Einklang stehe.

18      Unter diesen Umständen hat die Curtea de Apel Braşov (Berufungsgericht Braşov) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Kann das Unionsrecht (Art. 110 AEUV) dahin ausgelegt werden, dass eine nach dem Unionsrecht verbotene Abgabe Teil des Fahrzeugwerts ist und der entsprechende Erstattungsanspruch zusammen mit dem Eigentum am Fahrzeug auf Drittkäufer übertragen werden kann?

2.      Steht die Auslegung von Art. 110 AEUV einer nationalen Regelung wie der in Art. 1 der OUG Nr. 52/2017 entgegen, wonach die Erstattung einer nach dem Unionsrecht verbotenen Steuer nur an den Steuerpflichtigen erfolgen kann, der sie entrichtet hat, nicht aber, sofern die Steuer demjenigen, der sie entrichtet hat, nicht erstattet wurde, an nachfolgende Käufer des Fahrzeugs, für das die Steuer entrichtet wurde?

 Zu den Vorlagefragen

 Vorbemerkungen

19      Art. 110 AEUV gilt für alle Waren aus anderen Mitgliedstaaten einschließlich der Waren aus Drittländern, die sich in der Union im freien Verkehr befinden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Mai 1987, Cooperativa Co-Frutta, 193/85, EU:C:1987:210, Rn. 29).

20      Hierzu hat die Europäische Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen ausgeführt, dass aus der Vorlageentscheidung nicht hervorgehe, ob das im Ausgangsrechtsstreit in Rede stehende, in Rumänien erworbene Fahrzeug aus einem anderen Mitgliedstaat eingeführt worden sei. Es sei daher zweifelhaft, dass dieses Fahrzeug in den Anwendungsbereich von Art. 110 AEUV falle.

21      Aus der Vorlageentscheidung ergibt sich jedoch, dass es sich um ein Fahrzeug der Marke Toyota handelt. Nach den dem Gerichtshof vorliegenden Informationen werden Fahrzeuge dieser Marke nicht in Rumänien hergestellt. Es darf also angenommen werden, dass das betreffende Fahrzeug aus einem anderen Mitgliedstaat oder aus einem Drittland stammt und sich in der Europäischen Union im freien Verkehr befindet.

22      Die Vorlagefragen sind vor diesem Hintergrund zu prüfen.

 Zur ersten Frage

23      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 110 AEUV dahin auszulegen ist, dass der Betrag der Steuer, die ein Mitgliedstaat unionsrechtswidrig auf Kraftfahrzeuge bei deren Erstzulassung erhoben hat, Teil des Werts dieser Fahrzeuge sein kann, so dass davon auszugehen ist, dass die Forderung gegen den Staat wegen der rechtswidrigen Erhebung dieser Steuer beim Verkauf der Fahrzeuge auf deren spätere Erwerber übertragen wird.

24      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Art. 110 Abs. 1 AEUV es den Mitgliedstaaten verbietet, auf Waren aus anderen Mitgliedstaaten unmittelbar oder mittelbar höhere inländische Abgaben gleich welcher Art zu erheben, als gleichartige inländische Waren unmittelbar oder mittelbar zu tragen haben.

25      Nach ständiger Rechtsprechung liegt ein Verstoß gegen diese Bestimmung vor, wenn der Betrag der Steuer, die auf ein eingeführtes Gebrauchtfahrzeug erhoben wird, den Restwert der Steuer übersteigt, der noch im Wert im Inland bereits zugelassener gleichartiger Gebrauchtfahrzeuge enthalten ist (Urteil vom 7. April 2011, Tatu, C‑402/09, EU:C:2011:219, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26      Im Zusammenhang mit der Prüfung, ob eine von einem Mitgliedstaat eingeführte Zulassungssteuer, die auf ein eingeführtes Gebrauchtfahrzeug erhoben wird, mit Art. 110 AEUV vereinbar ist, hat der Gerichtshof klargestellt, dass der Betrag einer solchen Steuer mit deren Entrichtung Teil des Fahrzeugwerts wird. Wenn also ein in dem betreffenden Mitgliedstaat zugelassenes Fahrzeug anschließend in demselben Mitgliedstaat als Gebrauchtfahrzeug veräußert wird, entspricht dessen Marktwert, in dem der Restwert der Zulassungssteuer enthalten ist, einem durch die Wertminderung des Fahrzeugs bestimmten Prozentsatz seines ursprünglichen Werts (vgl. insbesondere Urteil vom 7. April 2011, Tatu, C‑402/09, EU:C:2011:219, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung). Allerdings kann es in bestimmten Fällen sein, dass der Restwert einer Steuer nicht mehr Teil des Marktwerts der in Rede stehenden Fahrzeuge ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. Juni 2016, Budişan, C‑586/14, EU:C:2016:421, Rn. 41).

27      Diese Urteile betreffen jedoch die Prüfung der Neutralität von Steuern, bei denen der Gerichtshof die Vereinbarkeit mit Art. 110 AEUV zu beurteilen hatte. Diese Rechtsprechung lässt sich nicht auf den Fall des Ausgangsverfahrens übertragen, in dem es nicht um die Neutralität der in Rede stehenden Sonderzulassungssteuer geht, sondern um die Frage, ob im Zusammenhang mit der Erstattung einer unionsrechtswidrig erhobenen Steuer davon ausgegangen werden kann, dass eine solche Steuer generell und in jedem Fall auf den oder die späteren Erwerber des betreffenden Fahrzeugs abgewälzt wird.

28      Wie der Gerichtshof im Bereich der indirekten Abgaben in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, kann auch dann, wenn solche Abgaben im Handel gewöhnlich ganz oder zum Teil auf den Endverbraucher abgewälzt werden, nicht generell davon ausgegangen werden, dass die Abgabe tatsächlich in jedem Fall abgewälzt wird. Die tatsächliche völlige oder teilweise Abwälzung hängt bei jedem Geschäftsvorgang von mehreren Faktoren ab, die ihn von anderen Fallkonstellationen unterscheiden. Somit ist die Frage der Abwälzung oder Nichtabwälzung einer indirekten Abgabe in jedem Einzelfall eine Sachverhaltsfrage, die in die Zuständigkeit des nationalen Gerichts fällt, das in der Würdigung der ihm vorgelegten Beweise frei ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Februar 1988, Les Fils de Jules Bianco und Girard, 331/85, 376/85 und 378/85, EU:C:1988:97, Rn. 17, und Beschluss vom 7. Februar 2022, Vapo Atlantic, C‑460/21, EU:C:2022:83, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29      Dies gilt auch für Steuern wie die in Rede stehende Sonderzulassungssteuer, die in einem Mitgliedstaat bei der Erstzulassung von Kraftfahrzeugen erhoben wird. Die tatsächliche völlige oder teilweise Abwälzung auf den späteren Erwerber eines Fahrzeugs, für das eine solche Steuer entrichtet wurde, hängt nämlich letztlich von verschiedenen Faktoren ab, die mit den tatsächlichen Umständen der Geschäftsvorgänge zusammenhängen, in deren Rahmen das Eigentum an einem solchen Fahrzeug übertragen wird.

30      Es ist daher Sache des nationalen Gerichts, anhand der Umstände der bei ihm anhängigen Rechtssache zu beurteilen, ob diese Steuer tatsächlich ganz oder zum Teil auf einen der späteren Erwerber abgewälzt worden ist.

31      Sollte das nationale Gericht in freier Würdigung der ihm vorgelegten Beweise feststellen, dass eine Sonderzulassungssteuer, die bei der Erstzulassung eines Fahrzeugs entrichtet wurde, tatsächlich auf den späteren Erwerber dieses Fahrzeugs abgewälzt wurde, spricht grundsätzlich nichts gegen die Annahme, dass die Forderung gegen den Staat wegen der rechtswidrigen Erhebung dieser Steuer gleichzeitig mit dem Eigentum an dem Fahrzeug auf den Erwerber übergegangen ist.

32      Folglich ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 110 AEUV dahin auszulegen ist, dass der Betrag der Steuer, die ein Mitgliedstaat unionsrechtswidrig auf Kraftfahrzeuge bei deren Erstzulassung erhoben hat, Teil des Werts dieser Fahrzeuge sein kann, so dass davon auszugehen ist, dass die Forderung gegen den Staat wegen der rechtswidrigen Erhebung dieser Steuer beim Verkauf der Fahrzeuge auf deren spätere Erwerber übertragen wird.

 Zur zweiten Frage

33      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 110 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der eine Steuer, die ein Mitgliedstaat unionsrechtswidrig auf Kraftfahrzeuge bei deren Erstzulassung erhoben hat, nur dem Steuerpflichtigen, der diese Steuer entrichtet hat, nicht aber einem späteren Erwerber des betreffenden Fahrzeugs erstattet werden kann.

34      Insoweit ergibt sich erstens aus der ständigen Rechtsprechung, dass der Anspruch auf Erstattung von Abgaben, die ein Mitgliedstaat unionsrechtswidrig erhoben hat, eine Folge und eine Ergänzung der Rechte darstellt, die dem Einzelnen aus den diesen Abgaben entgegenstehenden Bestimmungen des Unionsrechts in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof erwachsen. Die Mitgliedstaaten sind also grundsätzlich verpflichtet, unionsrechtswidrig erhobene Abgaben zu erstatten (vgl. insbesondere Urteile vom 19. Juli 2012, Littlewoods Retail u. a., C‑591/10, EU:C:2012:478, Rn. 24, und vom 15. Oktober 2014, Nicula, C‑331/13, EU:C:2014:2285, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35      Hat ein Mitgliedstaat unter Verstoß gegen die Vorschriften des Unionsrechts Steuern erhoben, hat der Einzelne Anspruch auf Erstattung nicht nur der zu Unrecht erhobenen Steuer, sondern auch der Beträge, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dieser Steuer an diesen Staat gezahlt oder von diesem einbehalten worden sind (vgl. insbesondere Urteile vom 19. Juli 2012, Littlewoods Retail u. a., C‑591/10, EU:C:2012:478, Rn. 25, und vom 15. Oktober 2014, Nicula, C‑331/13, EU:C:2014:2285, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36      Zweitens ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die Rückzahlung zu Unrecht erhobener Abgaben als Ausnahme vom Grundsatz der Erstattung abgelehnt werden kann, wenn sie zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Berechtigten führt, also wenn feststeht, dass die zur Zahlung dieser Abgaben herangezogene Person sie tatsächlich unmittelbar auf den Abnehmer abgewälzt hat (Urteil vom 20. Oktober 2011, Danfoss und Sauer-Danfoss, C‑94/10, EU:C:2011:674, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37      Der Schutz der in diesem Bereich durch die Unionsrechtsordnung garantierten Rechte verlangt nämlich dann nicht die Erstattung von unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobenen Steuern, Gebühren oder Abgaben, wenn die zur Zahlung dieser Abgaben herangezogene Person sie nachweislich tatsächlich auf andere wie z. B. den Abnehmer abgewälzt hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Mai 2013, Alakor Gabonatermelő és Forgalmazó, C‑191/12, EU:C:2013:315, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

38      Unter diesen Umständen hat nämlich nicht der Abgabenpflichtige die Last der ohne Rechtsgrund erhobenen Abgabe getragen, sondern der Abnehmer, auf den die Last abgewälzt worden ist. Würde man daher dem Abgabenpflichtigen den Abgabenbetrag erstatten, den er bereits auf den Abnehmer abgewälzt hat, käme dies einer Doppelzahlung an ihn gleich, die als ungerechtfertigte Bereicherung angesehen werden kann, ohne dass damit die Folgen der Rechtswidrigkeit der Abgabe für den Abnehmer beseitigt wären (Urteil vom 20. Oktober 2011, Danfoss und Sauer-Danfoss, C‑94/10, EU:C:2011:674, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).

39      Eine solche Auslegung entspricht dem Zweck des Anspruchs auf Rückzahlung der rechtsgrundlos gezahlten Beträge, der die Folgen der Unvereinbarkeit der Abgabe mit dem Unionsrecht dadurch beheben soll, dass die mit ihr zu Unrecht auferlegte wirtschaftliche Belastung des Wirtschaftsteilnehmers, der sie letztlich tatsächlich getragen hat, neutralisiert wird (Urteile vom 20. Oktober 2011, Danfoss und Sauer-Danfoss, C‑94/10, EU:C:2011:674, Rn. 23, und vom 16. Mai 2013, Alakor Gabonatermelő és Forgalmazó, C‑191/12, EU:C:2013:315, Rn. 24).

40      Drittens ist es in Ermangelung einer einschlägigen Unionsregelung Sache der einzelnen Mitgliedstaaten, die Modalitäten für die Erstattung zu Unrecht erhobener nationaler Steuern zu regeln, vorausgesetzt allerdings, dass diese Modalitäten sowohl dem Grundsatz der Äquivalenz als auch dem Grundsatz der Effektivität entsprechen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Oktober 2020, Valoris, C‑677/19, EU:C:2020:825, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).

41      Insoweit gebietet die Beachtung des Grundsatzes der Effektivität unter Berücksichtigung des in Rn. 39 des vorliegenden Urteils angeführten Zwecks des Anspruchs auf Rückzahlung rechtsgrundlos gezahlter Beträge, dass die Voraussetzungen für die Geltendmachung dieses Anspruchs von den Mitgliedstaaten nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie so festgelegt werden, dass die wirtschaftliche Belastung, zu der die nicht geschuldete Abgabe geführt hat, neutralisiert werden kann (Urteile vom 20. Oktober 2011, Danfoss und Sauer-Danfoss, C‑94/10, EU:C:2011:674, Rn. 25, sowie vom 16. Mai 2013, Alakor Gabonatermelő és Forgalmazó, C‑191/12, EU:C:2013:315, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

42      Der Gerichtshof hat auch klargestellt, dass der Abgabenpflichtige dann Anspruch auf Erstattung der Abgabe durch die innerstaatlichen Behörden haben muss, wenn er nach dem nationalen Recht dem Endabnehmer den auf diesen abgewälzten Abgabenbetrag erstatten muss (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Oktober 2011, Danfoss und Sauer-Danfoss, C‑94/10, EU:C:2011:674, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

43      Folglich kann ein Mitgliedstaat die von einem Endabnehmer, auf den eine nicht geschuldete Abgabe abgewälzt worden ist, erhobene Forderung, ihm diese Abgabe zu erstatten, grundsätzlich mit der Begründung, dass nicht der Endabnehmer sie an die Steuerbehörden gezahlt hat, zurückweisen, allerdings nur dann, wenn dieser Abnehmer nach dem nationalem Recht eine zivilrechtliche Klage auf Rückzahlung der nicht geschuldeten Leistung gegen den Abgabenpflichtigen erheben kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Oktober 2011, Danfoss und Sauer-Danfoss, C‑94/10, EU:C:2011:674, Rn. 27).

44      Sollte jedoch die Erstattung durch den Abgabenpflichtigen unmöglich oder übermäßig erschwert sein, gebietet es der Grundsatz der Effektivität, dass der Abnehmer seine Erstattungsforderung unmittelbar an die Steuerbehörden richten kann und dass der Mitgliedstaat zu diesem Zweck die erforderlichen Mittel und Verfahrensmodalitäten vorsieht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Oktober 2011, Danfoss und Sauer-Danfoss, C‑94/10, EU:C:2011:674, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

45      Daraus folgt, dass der Erwerber eines Fahrzeugs, für das eine von einem Mitgliedstaat unionsrechtswidrig erhobene Steuer entrichtet wurde, die auf ihn abgewälzt worden ist, die Möglichkeit haben muss, nach den nationalen Verfahrensmodalitäten von dem Steuerpflichtigen, der die Steuer entrichtet hat, oder gegebenenfalls von den Steuerbehörden Erstattung zu erlangen.

46      Insoweit ist jedoch darauf hinzuweisen, dass sich, wenn ein Fahrzeug, für das bei seiner Erstzulassung eine Steuer entrichtet wurde, einen Teil seines Marktwerts verliert, der im Wert dieses Fahrzeugs enthaltene Steuerbetrag in demselben Verhältnis verringert wie dieser Marktwert. Wird der Restwert der Steuer auf den späteren Erwerber des Fahrzeugs abgewälzt, darf die ihm zu erstattende Steuer nach der in Rn. 36 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung, wonach die Mitgliedstaaten die Erstattung einer unionsrechtswidrig erhobenen Steuer verweigern können, wenn sie zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Berechtigten führt, jedenfalls nicht über diesen Restwert hinausgehen.

47      Daher muss das vorlegende Gericht, sollte es auf der Grundlage einer Würdigung der ihm vorgelegten Beweise feststellen, dass ein Rest der bei der Erstzulassung des in Rede stehenden Fahrzeugs entrichteten Sonderzulassungssteuer tatsächlich auf einen späteren Erwerber dieses Fahrzeugs abgewälzt worden ist, hier insbesondere prüfen, ob die Steuererstattung an einen solchen Erwerber nicht zu dessen ungerechtfertigter Bereicherung führt.

48      Folglich ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 110 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung, nach der eine Steuer, die ein Mitgliedstaat unionsrechtswidrig auf Kraftfahrzeuge bei deren Erstzulassung erhoben hat, nur dem Steuerpflichtigen, der diese Steuer entrichtet hat, nicht aber einem späteren Erwerber des betreffenden Fahrzeugs erstattet werden kann, dann nicht entgegensteht, wenn der Erwerber, der durch die Steuer tatsächlich belastet ist, nach den nationalen Verfahrensmodalitäten von dem Steuerpflichtigen, der die Steuer entrichtet hat, oder gegebenenfalls, insbesondere wenn eine Erstattung durch den Steuerpflichtigen unmöglich oder übermäßig erschwert ist, von den Steuerbehörden Erstattung erlangen kann.

 Kosten

49      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) für Recht erkannt:

1.      Art. 110 AEUV ist dahin auszulegen, dass der Betrag der Steuer, die ein Mitgliedstaat unionsrechtswidrig auf Kraftfahrzeuge bei deren Erstzulassung erhoben hat, Teil des Werts dieser Fahrzeuge sein kann, so dass davon auszugehen ist, dass die Forderung gegen den Staat wegen der rechtswidrigen Erhebung dieser Steuer beim Verkauf der Fahrzeuge auf deren spätere Erwerber übertragen wird.

2.      Art. 110 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung, nach der eine Steuer, die ein Mitgliedstaat unionsrechtswidrig auf Kraftfahrzeuge bei deren Erstzulassung erhoben hat, nur dem Steuerpflichtigen, der diese Steuer entrichtet hat, nicht aber einem späteren Erwerber des betreffenden Fahrzeugs erstattet werden kann, dann nicht entgegensteht, wenn der Erwerber, der durch die Steuer tatsächlich belastet ist, nach den nationalen Verfahrensmodalitäten von dem Steuerpflichtigen, der die Steuer entrichtet hat, oder gegebenenfalls, insbesondere wenn eine Erstattung durch den Steuerpflichtigen unmöglich oder übermäßig erschwert ist, von den Steuerbehörden Erstattung erlangen kann.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Rumänisch.