Language of document : ECLI:EU:T:2017:252

Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTS (Erste Kammer)

5. April 2017(*)

„Institutionelles Recht – Europäische Bürgerinitiative – Schutz streunender Tiere – Psychologische Auswirkungen auf Erwachsene und Kinder – Verweigerung der Registrierung – Offenkundiges Fehlen von Befugnissen der Kommission – Art. 4 Abs. 2 Buchst. b und Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 211/2011“

In der Rechtssache T‑361/14

HB, wohnhaft in Linz (Österreich), und die weiteren im Anhang namentlich aufgeführten Kläger(1), Prozessbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwältin C. Kolar, dann Rechtsanwalt F. Moyse,

Kläger,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch H. Krämer und J. Vondung als Bevollmächtigte,

Beklagte,

betreffend einen auf Art. 263 AEUV gestützten Antrag auf Nichtigerklärung des Beschlusses C(2014) 2119 final der Kommission vom 26. März 2014, mit dem der Antrag auf Registrierung der Bürgerinitiative „Ethics for Animals and Kids“ abgelehnt wurde,

erlässt

DAS GERICHT (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten H. Kanninen (Berichterstatter), der Richterin I. Pelikánová und des Richters E. Buttigieg,

Kanzler: S. Bukšek Tomac, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. September 2016

folgendes

Urteil

 Sachverhalt

1        Auf die Kläger, HB, Herrn H. Richter, Frau C. Arsene, Herrn R. Coates Smith, Frau M. Kuropatwinska, Frau N. Klinge und Herrn C. Yiapanis geht die geplante Bürgerinitiative „Ethics for Animals and Kids“ (im Folgenden: geplante EBI) zurück, die über den zu diesem Zweck geschaffenen Bürgerausschuss an die Europäische Kommission übermittelt wurde und die laut Angaben der Organisatoren die Annahme eines „Ethik-Pakets“ in Form der Statuierung eines Straftatbestands beim Quälen und Töten von Tieren ohne Nutzung und sonstigem Sinn inklusive deren sexuellen Missbrauchs sowie die Schaffung bewusstseinsbildender Programme bei Kindern zum Gegenstand hatte.

2        Als Grundlage für ihre Initiative führten die Kläger Art. 2 EUV, die Art. 11, 13, 21, 45, 49, 151, 156 und 168 ff. AEUV sowie die Charta der Grundrechte der Europäischen Union an.

3        Mit dem Beschluss C(2014) 2119 final vom 26. März 2014 (im Folgenden: angefochtener Beschluss) verweigerte die Kommission die Registrierung der geplanten EBI auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung (EU) Nr. 211/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 über die Bürgerinitiative (ABl. 2011, L 65, S. 1) mit der Begründung, dass die geplante EBI offenkundig außerhalb des Rahmens liege, in dem sie befugt sei, einen Vorschlag für einen Rechtsakt der Europäischen Union vorzulegen, um die Verträge umzusetzen.

 Verfahren und Anträge der Parteien

4        Mit Schriftsatz, der am 30. Mai 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Kläger beim Gericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach Art. 94 der Verfahrensordnung des Gerichts vom 2. Mai 1991 beantragt.

5        Mit Klageschrift, die am 23. Juli 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Kläger die vorliegende Klage erhoben.

6        Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 15. September 2014 ist der Antrag auf Prozesskostenhilfe zurückgewiesen worden.

7        Am 3. November 2014 hat die Kommission ihre Klagebeantwortung eingereicht. Am 23. Dezember 2014 haben die Kläger eine Erwiderung und am 10. Februar 2015 hat die Kommission eine Gegenerwiderung eingereicht.

8        Im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 89 Abs. 3 seiner Verfahrensordnung hat das Gericht die Kommission zur Vorlage bestimmter Dokumente aufgefordert; die Kommission ist dieser Aufforderung fristgerecht nachgekommen.

9        Die Kläger beantragen,

–        ihren Antrag auf Registrierung der geplanten EBI für zulässig zu erklären;

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

10      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        den Klägern die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

 Zur Unzulässigkeitseinrede der Kommission

11      Die Kommission erhebt die Einrede der Unzulässigkeit der Klage, weil mit dem Vorbringen der Kläger nicht klar dargelegt werde, gegen welche Bestimmungen der Verordnung Nr. 211/2011 der angefochtene Beschluss verstoßen solle und welche Fehler bei der Auslegung oder der rechtlichen Qualifikation begangen worden sein sollten. Die Klageschrift bestehe aus Ausführungen zur Bedeutung des Tierschutzes und der „Wechselwirkungen zwischen Mensch und Tier“ ohne irgendeinen spezifizierten Bezug zu dem angefochtenen Beschluss. Es werde lediglich punktuell auf die Art. 11 und 13 AEUV sowie auf das „Protokoll Nr. 10 zum Vertrag von Amsterdam“, das inzwischen obsolet sei, Bezug genommen. Die Klageschrift genüge daher nicht den Anforderungen nach Art. 44 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichts vom 2. Mai 1991.

12      Die Kläger entgegnen, dass die Klage zulässig sei. Die Kommission hätte nicht davon ausgehen dürfen, dass die geplante EBI nur auf die Unterbreitung eines Vorschlags für einen Rechtsakt zum Schutz von streunenden Tieren abziele.

13      Dass die Kommission in ihrer Klagebeantwortung die Begründetheit der Klage im Hinblick auf die Art. 11, 13, 43, 114, 191, 192 und 156 AEUV analysiert habe, zeige, dass sich die Kläger zwangsläufig auf diese Artikel bezogen hätten, um den angefochtenen Beschluss zu beanstanden.

14      Zu diesem letztgenannten Punkt bringt die Kommission vor, dass sie die Begründetheit der Klage im Hinblick auf die genannten Artikel nur hilfsweise geprüft habe.

15      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 21 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der gemäß Art. 53 Abs. 1 dieser Satzung auf das Gericht anwendbar ist, und nach Art. 44 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung vom 2. Mai 1991 die Klageschrift eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten muss. Diese Darstellung muss hinreichend klar und deutlich sein, um dem Beklagten die Vorbereitung seiner Verteidigung und dem Gericht gegebenenfalls ohne weitere Informationen die Entscheidung über die Klage zu ermöglichen. In ihr ist deshalb im Einzelnen darzulegen, worin der Klagegrund besteht, auf den die Klage gestützt wird, so dass seine bloß abstrakte Nennung nicht den Erfordernissen der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und der Verfahrensordnung des Gerichts entspricht (vgl. entsprechend Urteile vom 12. Januar 1995, Viho/Kommission, T‑102/92, EU:T:1995:3, Rn. 68, und vom 27. November 1997, Tremblay u. a./Kommission, T‑224/95, EU:T:1997:187, Rn. 79). Das Gericht ist auch nicht verpflichtet, die Klagegründe, auf die sich die Klage möglicherweise stützen lässt, in den Anlagen zu suchen und zu bestimmen, denn die Anlagen haben eine bloße Beweis- und Hilfsfunktion (vgl. Urteil vom 2. Februar 2012, Griechenland/Kommission, T‑469/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:50, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

16      Aus der Klageschrift geht hervor, dass die Kläger sich ausdrücklich auf die Art. 11 und 13 AEUV berufen haben, um die Zuständigkeit der Union in Bezug auf den Gegenstand der geplanten EBI zu begründen.

17      Außerdem haben die Kläger zwar in der Erwiderung den angefochtenen Beschluss eindeutig dahin gerügt, dass dieser den Gegenstand der geplanten EBI auf den Tierschutz begrenzt habe, doch hatten sie auch bereits in der Klageschrift im Wesentlichen vorgetragen, dass die geplante EBI die Verstärkung des Tierschutzes zum Gegenstand habe und ihr Ziel in Zusammenhang mit den „psychologischen Wechselwirkungen von Mensch und Tier“ stehe. Aus diesen Angaben konnte geschlossen werden, dass die Kläger den angefochtenen Beschluss dahin rügen wollten, dass die Kommission in Bezug auf die Tragweite der geplanten EBI diese Wechselwirkungen von Mensch und Tier nicht berücksichtigt habe.

18      Die Klagebeantwortung zeigt im Übrigen, dass die Kommission die Grundlage der Klageschrift sowie die zur Stützung der Klage erhobenen Rügen verstanden hat, da sie u. a. Argumente zu den Art. 11 und 13 AEUV vorgebracht und festgestellt hat, dass die geplante EBI auf Maßnahmen zur Gewährleistung des Schutzes und Wohlbefindens herrenloser Tiere in der Union abziele.

19      Es ist hinzuzufügen, dass die Kläger sich in ihrer Klageschrift auch ausdrücklich auf das „Protokoll Nr. 10 zum Vertrag von Amsterdam“ berufen haben, das dem Protokoll über den Tierschutz und das Wohlergehen der Tiere im Anhang des EG-Vertrags (ABl. 1997, C 340, S. 110, im Folgenden: Protokoll) entspricht und gleichzeitig mit dem Vertrag von Amsterdam angenommen worden ist. Die Bestimmungen des Protokolls wurden im Wesentlichen als Art. 13 AEUV übernommen. Auch wenn somit die Berufung auf dieses Protokoll, wie die Kommission zu Recht festgestellt hat, freilich keinen wirklichen Nutzen hat, wenn Art. 13 AEUV selbst geltend gemacht wird, kann sie doch als Bestätigung dafür genommen werden, dass die Kläger für die Begründung ihrer Klage auf eine Verletzung der Bestimmungen dieses Protokolls in Verbindung mit denen des Art. 13 AEUV abstellen wollten.

20      Somit ist festzustellen, dass die Kläger die Rügen, auf die sie ihre Klage stützen wollten, trotz einer ungeordneten und nicht sehr klaren Darstellung ihrer Argumentation rechtlich hinreichend dargelegt haben. Die von der Kommission erhobene Einrede der Unzulässigkeit ist daher zurückzuweisen.

 Zur Begründetheit

21      Vorab ist daran zu erinnern, dass die Kläger, wie oben in Rn. 16 ausgeführt worden ist, einen Verstoß gegen die Art. 11 und 13 AEUV geltend gemacht haben. In der mündlichen Verhandlung haben sie bestätigt, dass es sich dabei um die beiden einzigen Vorschriften handele, die sie zur Stützung ihrer Klage hätten geltend machen wollen. Somit ist die Begründetheit der Klage nicht im Hinblick auf die anderen in den Schriftsätzen der Kläger angeführten Vorschriften zu prüfen.

22      Diese Klarstellung vorausgeschickt, ist festzustellen, dass die Kläger vortragen, die Kommission habe den Gegenstand der geplanten EBI, die die Auswirkungen von Tierquälerei und Tötungen von Tieren auf den Menschen und seine Gesundheit betreffe, falsch bestimmt. Diese geplante Bürgerinitiative beschränke sich nicht auf den Tierschutz. Die Kommission habe fehlerhaft geschlussfolgert, sie habe keine Rechtsbefugnisse, um Rechtsakte vorzulegen, da die geplante EBI offenkundig außerhalb des Befugnisrahmens der Kommission liege.Die von der Kommission in der Klagebeantwortung angeführte Rechtsprechung des Gerichtshofs betreffe das Wohlergehen der Tiere und sei daher nicht entscheidend. Die geplante EBI gehe nämlich über das Ziel des Wohlergehens der Tiere hinaus, da sie auf die „Wechselwirkung zwischen Mensch und Tier“ abziele. Die Kläger weisen im Wesentlichen darauf hin, dass im Rahmen der in Art. 13 AEUV genannten Politikbereiche mittelbar die psychischen Auswirkungen und die Krankheiten, die bei Menschen aufgrund von Tierquälerei auftreten könnten, zu berücksichtigen seien.

23      Die Kläger stützen sich auf Beispiele von Tötungen von Tieren und Tierquälerei in mehreren Mitgliedstaaten. Sie führen Tierquälerei und Tötungen von Tieren an, bei denen es sich nicht zwangsläufig um streunende Tiere handele, sowie Gewalttaten, die gegenüber bestimmten Tierbesitzern oder Tierärzten in Rumänien verübt worden sein sollen. Sie führen Walschlachtungen oder die Tötung von Zootieren, wie beispielsweise Giraffen, in Dänemark sowie das Fehlen eines Verbots von sexuellem Missbrauch von Tieren in diesem Mitgliedstaat an. Sie machen Misshandlungen von Hunden in Bulgarien, in Spanien, in Griechenland und in Zypern geltend. Ganz allgemein nennen sie Beispiele für Tötungen von Tieren oder das Einschläfern insbesondere von Hunden aufgrund der Tierrasse.

24      Erstens rügen die Kläger eine „willkürliche Selektion der Antragsgegenstände“ der geplanten EBI durch die Kommission. Die mit dieser Bürgerinitiative geforderten Maßnahmen beträfen die Strafbarkeit und die Verfolgung von Tierquälerei auf Europaebene. Die Maßnahmen beträfen Praktiken der „direkten und indirekten“ Tötungen von Tieren in Ost- und Südeuropa sowie in Dänemark, ohne Praktiken zu erfassen, die der Nutzung von Tieren zuzurechnen seien oder durch die Tradition gerechtfertigt seien. Die Kläger tragen vor, dass die Kommission durch die Einschränkung der Problematik auf den bloßen Begriff des Schutzes von Straßentieren einige relevante Aspekte der geplanten EBI ausgeblendet habe. Sie erachten einen ethischen Mindeststandard im Kontext der Union für erforderlich und rechtfertigen deren Zuständigkeit damit, dass Tierquälerei psychologische Auswirkungen auf die Menschen habe. Im Übrigen berufen sie sich auf eine von der Kommission im Jahr 2010 in Auftrag gegebene Studie zum Tierschutz.

25      Zweitens berufen sich die Kläger auf „Volksgesundheit, psychische Integrität und den Bezug zum Tier“. Die geplante EBI stelle sogar im Wesentlichen auf die Gesundheit der Bevölkerung ab. Die Kläger bringen im Grunde vor, dass die Union Zuständigkeiten im Bereich der Gesundheit der Bevölkerung habe und ein gemeinsames Vorgehen zur Ahndung von Tierquälerei, insbesondere der Quälerei von streunenden Tieren, geboten sei, da diese Quälerei verstörende, ja traumatisierende Auswirkungen auf die menschliche und mehr noch auf die kindliche Psyche habe und zu psychiatrischen Störungen bei Menschen führen könne. Zudem bestehe die Gefahr der Übertragung von Krankheiten zwischen Tieren und Menschen.

26      Drittens berufen sich die Kläger auf die „Menschenrechte, Integration und Friedenssicherung“. Im Wesentlichen sind sie der Auffassung, dass eine bessere Behandlung der Tiere die Empathie und den Gerechtigkeitssinn der Menschen untereinander fördern würde. Umgekehrt bringe Tierquälerei den Menschen dazu, gewalttätiger gegenüber anderen Menschen zu sein.

27      Viertens stellen die Kläger im Wesentlichen auf Auswirkungen der Quälerei von streunenden Tieren und des Tötens aufgrund der Tierrasse auf den Binnenmarkt ab. Sie führen Probleme der Versicherungsunternehmen in Rumänien an, die keine Hundehaftpflichtversicherungen anböten. Darüber hinaus sprechen sie von einer Beeinträchtigung der Freizügigkeit von Personen, die aufgrund der Kenntnis oder des Anblicks von Tierquälerei in einigen Mitgliedstaaten einen psychischen Schaden erleiden könnten. Es gebe Auswirkungen auf den Tourismus oder auf die Ausübung bestimmter Berufe wie etwa der Tierarzttätigkeit. Zudem habe die Selektion bestimmter Tiere aufgrund der Rasse Auswirkungen auf bestimmte Personen, die Tiere einer nicht geschützten Art hielten. Die Kläger nehmen auch auf die Verordnung (EG) Nr. 1523/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2007 über ein Verbot des Inverkehrbringens sowie der Ein- und Ausfuhr von Katzen- und Hundefellen sowie von Produkten, die solche Felle enthalten, in die bzw. aus der Gemeinschaft (ABl. 2007, L 343, S. 1) Bezug, die ein Beleg für die Zuständigkeit der Union sei, wenn es um die „Wechselwirkung zwischen Mensch und Tier“ gehe.

28      Als letzten Punkt führen die Kläger im Wesentlichen aus, dass die Kommission bereits selbst ihre Zuständigkeit im Bereich des Schutzes von Straßentieren ausgeübt habe. Sie machen geltend, dass der Ausschuss für Landwirtschaft des Europäischen Parlaments die Kommission aufgefordert habe, einen Vorschlag für eine Regelung für Straßentiere, die nicht mehr unter die Regelung für freilebende Tiere fallen sollten, zu unterbreiten. Der Wortlaut und der Sinn des Art. 13 AEUV begründeten eine Zuständigkeit für die Entscheidung über das Schicksal der Straßentiere, die als Tiere im Besitz behandelt werden müssten. Das Unionsrecht sehe ab 2018 eine Verpflichtung zur Registrierung von Straßentieren vor, die jedoch nicht gewährleistet sei, und am 15. April 2014 habe es eine Abstimmung im Parlament gegeben. Die Kläger nehmen auf einen Besuch eines Mitglieds des Europäischen Parlaments und dessen Ausschusses für Landwirtschaft in einigen Tierheimen in Rumänien Bezug und berichten, dass dieser dort Spuren von Tiertötungen festgestellt habe. Im Übrigen stellten zahlreiche Parlamentsmitglieder häufig Anfragen zum Tierschutz und zu den Straßentieren. Es sei erforderlich, nach Art. 13 AEUV Mindestnormen aufzustellen. Die Kommission habe eine externe Beratungsfirma mit einem Bericht zur Evaluation der Europäischen Tierschutzpolitik bezüglich landwirtschaftlicher Nutztiere, Versuchstiere, Haustiere und Wildtiere, die in Gefangenschaft gehalten würden oder von Menschen gehandhabt würden, beauftragt. Diese Evaluation sei im Dezember 2010 abgeschlossen worden und werde als Basis für den zukünftigen EU-Aktionsplan dienen. Die Studie umfasse auch Straßentiere, und es sei ihr zu entnehmen, dass die rechtliche Grundlage für einen allgemeinen Tierschutz nicht prinzipiell auszuschließen sei, was belege, dass die geplante EBI nicht offenkundig außerhalb der Befugnisse der Kommission liege. Die Kläger erwähnen auch einen „Tierschutzaktionsplan der Kommission für die Jahre 2006–2010“, der die Einführung eines Tierschutz-Labels auf Produkte, ein einheitliches Tierschutzgesetz ebenso wie die Einschränkung von Tierversuchen vorsehe.

29      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Kläger entgegen.

30      Die Rüge der Kläger, wonach die Kommission den Gegenstand der geplanten EBI zu Unrecht allein auf den Schutz von streunenden Tieren beschränkt habe, ist zu prüfen. Insoweit sind die Informationen zu berücksichtigen, die die Kläger der Kommission im Hinblick auf die Registrierung der geplanten EBI bereitgestellt haben. Dabei handelt es sich im vorliegenden Fall um das Formular für den Antrag auf Registrierung mit den in Anhang II der Verordnung Nr. 211/2011 genannten Angaben und das dem Formular als Anhang beigefügte Konzept des Antrags (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Mai 2016, Izsák und Dabis/Kommission, T‑529/13, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:282, Rn. 47 bis 49).

31      Im Formular für den Antrag auf Registrierung haben die Kläger unter der Rubrik „Gegenstand“ angegeben: „Minimum an Ethik im Umgang mit schwächsten Individuen bei volkswirtschaftlichem Vorteil, der unterschiedlichen Religionen und Kulturen gerecht wird, alle Kinder Europas gewaltfrei prägt und aufrichtige Integration ermöglicht“. Unter der Rubrik „Beschreibung“ haben sie hinzugefügt, dass, soweit keine Möglichkeit zur Schaffung eines Rechtsakts insbesondere über Straßentiere in Europa oder ein Verbot des Verzehrs von Katzen und Hunden möglich sei, hilfsweise die Einholung von Studien im Sinne von Art. 156 AEUV humanmedizinischer, tiermedizinischer, psychologischer, volkswirtschaftlicher, rechtswissenschaftlicher und ethischer Natur zur Behandlung der Inhalte des ihrem Antrag beiliegenden Konzepts gefordert werde. Hierzu haben sie in Abschnitt I Nr. 1 dieses Konzepts näher ausgeführt, dass sie „eine … Regelung für herrenlose Tiere … in Form von praktisch bewährtem Populationsmanagement“ forderten.

32      Der Wortlaut dieses Konzepts zeigt, dass die Sorge der Kläger die Behandlung streunender Tiere betraf und dass sie von der Kommission verlangten, Maßnahmen in dieser Hinsicht zu treffen. Das Konzept enthält zwar auch Erwägungen in Bezug auf die Gesundheit von Menschen im Zusammenhang mit der Behandlung von Tieren, aber etwaige andere Gegenstände der geplanten EBI als der des Schutzes und Wohlergehens streunender Tiere sind nicht hinreichend präzise und klar beschrieben, um eine Bestimmung der Vorschläge für Rechtsakte zu erlauben, zu deren Vorlage die Kommission insoweit aufgefordert worden sein sollte.

33      Hiernach ist festzustellen, dass die Kommission zu Recht davon ausgegangen ist, dass der Gegenstand der geplanten EBI die Gewährleistung des Schutzes und des Wohlergehens streunender Tiere in der Union sei.

34      Daher ist zu prüfen, ob die Kommission feststellen durfte, dass die Art. 11 und 13 AEUV offensichtlich keine adäquate Rechtsgrundlage für den Erlass eines Rechtsakts in der Unionsgesetzgebung darstellten, der den Schutz und das Wohlergehen streunender Tiere in der Union zum Gegenstand hat.

35      Nach Art. 13 AEUV „[tragen die Union und die Mitgliedstaaten b]ei der Festlegung und Durchführung der Politik der Union in den Bereichen Landwirtschaft, Fischerei, Verkehr, Binnenmarkt, Forschung, technologische Entwicklung und Raumfahrt … den Erfordernissen des Wohlergehens der Tiere als fühlende Wesen in vollem Umfang Rechnung; sie berücksichtigen hierbei die Rechts- und Verwaltungsvorschriften und die Gepflogenheiten der Mitgliedstaaten insbesondere in Bezug auf religiöse Riten, kulturelle Traditionen und das regionale Erbe“.

36      So hat, wie die Kommission angemerkt hat, der Gerichtshof im Rahmen des EG-Vertrags und des Protokolls bereits entschieden, dass die Gewährleistung des Wohlergehens der Tiere nicht zu den Zielen dieses Vertrags gehört und dass das Protokoll die Verpflichtung, bei der Festlegung und Durchführung der Politik der Gemeinschaft den Erfordernissen des Wohlergehens der Tiere in vollem Umfang Rechnung zu tragen, auf vier spezifische Bereiche der Tätigkeit der Gemeinschaft beschränkt und die Berücksichtigung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften und der Gepflogenheiten der Mitgliedstaaten insbesondere in Bezug auf religiöse Riten, kulturelle Traditionen und das regionale Erbe vorsieht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Juli 2001, Jippes u. a., C‑189/01, EU:C:2001:420, Rn. 71 und 73).

37      Da die Bestimmungen des Protokolls im Wesentlichen als Art. 13 AEUV übernommen wurden, ist festzustellen, dass nach dieser Vorschrift die Gewährleistung des Wohlergehens der Tiere als solche auch nicht zu den Zielen des AEU-Vertrags gehört. Vielmehr wird diesem Wohlergehen im Rahmen der Festlegung und Durchführung der Politik der Union in den Bereichen Landwirtschaft, Fischerei, Verkehr, Binnenmarkt, Forschung, technologische Entwicklung und Raumfahrt sowie unter Berücksichtigung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften und der Gepflogenheiten der Mitgliedstaaten insbesondere in Bezug auf religiöse Riten, kulturelle Traditionen und das regionale Erbe Rechnung getragen.

38      Die Kommission hat somit zutreffend festgestellt, dass sich die Befugnis der Union, den Tierschutz durch Rechtsetzung und ‑durchsetzung zu verbessern, auf die in Art. 13 AEUV aufgezählten Politikbereiche der Union beschränke, und zu Recht das Urteil vom 12. Juli 2001, Jippes u. a. (C‑189/01, EU:C:2001:420), angeführt sowie darauf hingewiesen, dass das Protokoll im Wesentlichen als Art. 13 AEUV übernommen worden sei.

39      Die Kläger haben nicht hinreichend dargetan, dass die geplante EBI auf den Erlass von Maßnahmen gerichtet war, die in einen der in Art. 13 AEUV genannten Bereiche, nämlich Landwirtschaft, Fischerei, Verkehr, Binnenmarkt, Forschung, technologische Entwicklung und Raumfahrt, fallen.

40      Sie haben nämlich den Schwerpunkt auf Beispiele von Misshandlungen von Tieren und auf die „Wechselwirkungen zwischen Mensch und Tier“ gelegt, die nur in sehr entferntem Zusammenhang mit einem der in Art. 13 AEUV genannten Bereiche stehen.

41      Darüber hinaus sind die Ausführungen der Kläger in Bezug auf einen Zusammenhang der geplanten EBI mit der Freizügigkeit und dem Wettbewerb zu unpräzise. So behaupten die Kläger, dass Tierquälereien dem Tourismus schadeten, weil Personen, die für die Belange von Tieren sensibel seien, schockiert werden könnten, wenn sie sich in bestimmte Mitgliedstaaten begäben, in denen Tiere misshandelt würden. Sie machen ferner, ohne ins Detail zu gehen, eine Verzerrung des Wettbewerbs zwischen den Tierärzten der Union geltend, da Tierärzte, die in Ländern praktizierten, in denen es einen starken Tierschutz gebe, sich in einer anderen Situation befänden als diejenigen, die ihre Tätigkeit in Staaten ausübten, in denen Tiere misshandelt würden. Diese Beispiele beruhen auf unzureichend gestützten Behauptungen; die Kläger bringen keinerlei Anhaltspunkt vor, der die Feststellung zuließe, dass die mit der geplanten EBI angestrebten Maßnahmen in die in Art. 13 AEUV genannten Politikbereiche der Union fallen könnten.

42      Für die Herleitung der Zuständigkeit der Union haben die Kläger außerdem verschiedene Studien oder Rechtsakte der Union angeführt, um im Wesentlichen geltend zu machen, dass die Kommission ihre Zuständigkeit im Bereich des Tierschutzes bereits ausgeübt habe.

43      Wie jedoch im angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt worden ist, müssen die Regelungen, die auf den Tierschutz als im Allgemeininteresse liegendes Ziel gerichtet sind, in zumindest einen der in Art. 13 AEUV genannten Bereiche fallen.

44      Genauso verhält es sich bei der von den Klägern angeführten Verordnung Nr. 1523/2007. Die Bezugsvermerke dieser Verordnung nennen die Art. 95 und 133 EG (jetzt Art. 114 und 207 AEUV), die den Binnenmarkt betreffen. Aus den Erwägungsgründen dieser Verordnung ergibt sich ferner, dass der Rat (Landwirtschaft und Fischerei) die Notwendigkeit hervorgehoben hat, so bald wie möglich Vorschriften über den Handel mit Katzen- und Hundefellen sowie Produkten, die solche Felle enthalten, zu erlassen.

45      Was das Vorbringen der Kläger zu auf den Tierschutz gerichteten Initiativen der Union betrifft, so ist dieses zu ungenau; es ist nicht Sache des Gerichts, in den Akten die Gesichtspunkte zu suchen und zu bestimmen, auf die sich das Vorbringen der Kläger möglicherweise stützen lässt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 30. Januar 2007, France Télécom/Kommission, T‑340/03, EU:T:2007:22, Rn. 30, und vom 5. Mai 2015, Skype/HABM – Sky und Sky IP International [SKYPE], T‑184/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:258, Rn. 54).

46      Gemäß Art. 11 AEUV müssen „[d]ie Erfordernisse des Umweltschutzes … bei der Festlegung und Durchführung der Unionspolitiken und ‑maßnahmen insbesondere zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung einbezogen werden“.

47      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Kläger in ihren Schriftsätzen nichts Konkretes vorgetragen haben, was hätte belegen können, dass die geplante EBI unter diesen Artikel hätte fallen können. In ihrer Erwiderung haben sie sogar behauptet, dass die geplante EBI im Wesentlichen auf die öffentliche Gesundheit abziele. Im Übrigen berühren die von den Klägern in ihren Schriftsätzen angeführten Beispiele den Umweltschutz nur beiläufig und sehr am Rande und zeigen, dass die geplante EBI Maßnahmen des Umweltschutzes als solche nicht zum Gegenstand hat.

48      Die Kommission hat somit keinen Beurteilungsfehler begangen, indem sie festgestellt hat, dass die geplante EBI offenkundig außerhalb des Rahmens liege, in dem sie befugt sei, einen Vorschlag für einen Rechtsakt der Union vorzulegen, um die Verträge umzusetzen.

49      Nach alledem ist die Klage vollständig abzuweisen.

 Kosten

50      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kläger mit ihrem Vorbringen unterlegen sind, sind ihnen entsprechend dem Antrag der Kommission neben ihren eigenen Kosten die Kosten der Kommission aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      HB und die weiteren im Anhang namentlich aufgeführten Kläger tragen die Kosten.



Kanninen

Pelikánová

Buttigieg

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 5. April 2017.

Der Kanzler

 

      Der Präsident

E. Coulon

 

      H. Kanninen


*      Verfahrenssprache: Deutsch.


1      Die Namen der anderen Kläger werden nur im Anhang der den Parteien zugestellten Fassung aufgeführt.