Language of document : ECLI:EU:T:2019:671

URTEIL DES GERICHTS (Dritte erweiterte Kammer)

24. September 2019(*)

„Wettbewerb – Kartelle – Markt für Standardumschläge nach Katalog und bedruckte Spezialumschläge – Beschluss, mit dem eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV festgestellt wird – Teilweise Nichtigerklärung wegen Verstoßes gegen die Begründungspflicht – Änderungsbeschluss – Vergleichsverfahren – Geldbußen – Grundbetrag – Außergewöhnliche Anpassung – Obergrenze von 10 % des Gesamtumsatzes – Art. 23 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 – Grundsatz ne bis in idem – Rechtssicherheit – Vertrauensschutz – Gleichbehandlung – Doppelsanktion – Verhältnismäßigkeit – Billigkeit – Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung“

In der Rechtssache T‑466/17,

Printeos SA mit Sitz in Alcalá de Henares (Spanien),

Printeos Cartera Industrial SL mit Sitz in Alcalá de Henares,

Tompla Scandinavia AB mit Sitz in Stockholm (Schweden),

Tompla France mit Sitz in Fleury-Mérogis (Frankreich),

Tompla Druckerzeugnisse Vertriebs GmbH mit Sitz in Leonberg (Deutschland),

Prozessbevollmächtigte: H. Brokelmann und P. Martínez-Lage Sobredo, Rechtsanwälte,

Klägerinnen,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch F. Castilla Contreras, F. Jimeno Fernández und C. Urraca Caviedes als Bevollmächtigte,

Beklagte,

betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf teilweise Nichtigerklärung des Beschlusses C(2017) 4112 final der Kommission vom 16. Juni 2017 zur Änderung des Beschlusses C(2014) 9295 final vom 10. Dezember 2014 in einem Verfahren nach Artikel 101 [AEUV] und Artikel 53 des EWR-Abkommens (Sache AT.39780 – Umschläge), hilfsweise, auf Herabsetzung der den Klägerinnen auferlegten Geldbuße,

erlässt

DAS GERICHT (Dritte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. van der Woude, der Richter S. Frimodt Nielsen und V. Kreuschitz (Berichterstatter), der Richterin N. Półtorak sowie des Richters E. Perillo,

Kanzler: J. Palacio González, Hauptverwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 3. April 2019

folgendes

Urteil

I.      Vorgeschichte des Rechtsstreits

A.      Verwaltungsverfahren, das zum Erlass des ersten Beschlusses geführt hat

1        In ihrem Beschluss C(2014) 9295 final vom 10. Dezember 2014 in einem Verfahren nach Artikel [101 AEUV] und Artikel 53 des EWR-Abkommens (Sache AT.39780 – Umschläge) (im Folgenden: erster Beschluss) stellte die Europäische Kommission fest, dass u. a. die Klägerinnen – die Gesellschaften Printeos SA, Tompla Sobre Exprés SL (nunmehr Printeos Cartera Industrial SL), Tompla Scandinavia AB, Tompla France und Tompla Druckerzeugnisse Vertriebs GmbH gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) verstoßen hätten, indem sie im Zeitraum vom 8. Oktober 2003 bis 22. April 2008 an der Bildung und Umsetzung eines Kartells auf dem europäischen Markt für Standardumschläge nach Katalog und bedruckte Spezialumschläge in Dänemark, Deutschland, Frankreich, Schweden, dem Vereinigten Königreich und Norwegen mitgewirkt hätten. Ziel dieses Kartells seien Preisabsprachen, Kundenaufteilung und der Austausch vertraulicher Geschäftsinformationen gewesen. Neben den Klägerinnen seien an dem Kartell die Gruppe Bong (im Folgenden: Bong), die Gruppe GPV France SAS and Heritage Envelopes Ltd (im Folgenden: GPV), die Gruppe Holdham SA (im Folgenden: Hamelin) und die Gruppe Mayer-Kuvert (im Folgenden: Mayer-Kuvert) beteiligt gewesen, an die der erste Beschluss ebenfalls gerichtet war.

2        Der erste Beschluss wurde im Rahmen eines Vergleichsverfahrens nach Art. 10a der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 der Kommission vom 7. April 2004 über die Durchführung von Verfahren auf der Grundlage der Artikel [101 und 102 AEUV] durch die Kommission (ABl. 2004, L 123, S. 18) und der Mitteilung der Kommission über die Durchführung von Vergleichsverfahren bei dem Erlass von Entscheidungen nach Artikel 7 und Artikel 23 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates in Kartellfällen (ABl. 2008, C 167, S. 1, im Folgenden: Mitteilung über Vergleichsverfahren) erlassen.

3        Wegen der festgestellten Zuwiderhandlung (Art. 1 Abs. 5 des ersten Beschlusses) verhängte die Kommission gegen die Klägerinnen als Gesamtschuldnerinnen eine Geldbuße in Höhe von 4 729 000 Euro (Art. 2 Abs. 1 Buchst. e des ersten Beschlusses).

4        Das Verwaltungsverfahren, das zum Erlass des ersten Beschlusses führte, war von der Kommission von Amts wegen aufgrund von Informationen und Unterlagen eines anonymen Informanten eröffnet worden. Am 14. September 2010 führte sie bei den Klägerinnen und anderen an dem Kartell beteiligten Unternehmen in Dänemark, Spanien, Frankreich und Schweden Nachprüfungen gemäß Art. 20 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101 und 102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) durch. Am 1. Oktober 2010 und 31. Januar 2011 folgten weitere Nachprüfungen in Deutschland (16. Erwägungsgrund des ersten Beschlusses).

5        Am 22. Oktober 2010 stellten die Klägerinnen bei der Kommission einen Antrag auf Ermäßigung der Geldbuße nach der Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 2006, C 298, S. 17, im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit) (17. Erwägungsgrund des ersten Beschlusses) sowie einen entsprechenden Antrag bei der Comisión Nacional de la Competencia, später umbenannt in Comisión Nacional de los Mercados y la Competencia (Wettbewerbsbehörde, Spanien, im Folgenden: CNC).

6        Am 15. März 2011 eröffnete die CNC ein Verfahren zur Untersuchung eines Verstoßes gegen Art. 101 AEUV und gegen die entsprechenden spanischen Wettbewerbsregeln u. a. durch Tompla Sobre Exprés einschließlich ihrer spanischen Tochtergesellschaften auf dem Markt für Papierumschläge in Spanien (Sache S/0316/10, Sobres de papel [Papierumschläge]). Die Kommission lehnte einen Antrag der Klägerinnen ab, von ihrer Möglichkeit nach Art. 11 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1/2003 Gebrauch zu machen, das Verfahren einzuleiten und die CNC ihrer Zuständigkeit für die Anwendung von Art. 101 AEUV zu entheben. Zum Abschluss des Verfahrens erließ die CNC am 25. März 2013 eine Entscheidung, mit der sie gegen diese Unternehmen eine Geldbuße von insgesamt 10 141 530 Euro verhängte, weil sie im Zeitraum von 1977 bis 2010 auf dem spanischen Markt an Kartellen beteiligt gewesen seien, die die Festsetzung von Preisen und die Zuteilung der von der spanischen Verwaltung ausgeschriebenen Aufträge im Bereich der Lieferung vorbedruckter Umschläge für Wahlen und Referenden auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene, die Aufteilung des Angebots vorbedruckter Umschläge zur geschäftlichen Verwendung für Großkunden, Preisabsprachen für unbedruckte Umschläge und die Beschränkung der Technologie zum Ziel gehabt hätten. Auf Klage u. a. der Klägerin zu 1 hob die Audiencia Nacional, Sala de lo Contencioso (Zentralgericht, Kammer für Streitsachen, Spanien), diese Entscheidung teilweise auf, soweit darin der Betrag der verhängten Geldbuße festgesetzt worden war, und verwies die Sache zur erneuten Bestimmung dieses Betrags gemäß den geltenden rechtlichen Kriterien an die CNC zurück.

7        Nachdem alle beteiligten Parteien ihr Interesse an Vergleichsgesprächen bekundet hatten, leitete die Kommission am 10. Dezember 2013 das Verfahren nach Art. 10a der Verordnung Nr. 773/2004 ein, in dessen Rahmen sie bilaterale Vergleichsgespräche mit jeder Partei führte (Erwägungsgründe 19 und 20 des ersten Beschlusses).

8        In einer Sitzung am 21. Januar 2014 legte die Kommission den Klägerinnen eine Gesamtübersicht über das Kartell einschließlich ihrer Analyse der ihr zur Verfügung stehenden Beweise vor.

9        Am 24. Februar 2014 übermittelten die Klägerinnen ein als „Non-Paper“ bezeichnetes informelles Dokument, in dem sie die Kommission aufforderten, bei der Festlegung der Geldbußen Folgendes zu berücksichtigen: erstens die von der CNC verhängte Geldbuße, weil diese Geldbuße für sich bereits 10 % ihres Gesamtumsatzes im Jahr 2012 ausmache, zweitens die Tatsache, dass die Klägerinnen eine „Monoprodukt“-Gruppe (d. h. eine auf ein einziges Erzeugnis ausgerichtete Gruppe) seien, und drittens Ziff. 37 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung Nr. 1/2003 (ABl. 2006, C 210, S. 2, im Folgenden: Leitlinien), nach der es der Kommission erlaubt sei, in Anbetracht der besonderen Umstände des konkreten Falles von der allgemeinen Methode für die Berechnung der Geldbußen oder der in Ziff. 21 dieser Leitlinien festgelegten Obergrenze abzuweichen.

10      Statt eine zweite Sitzung abzuhalten, legte die Kommission mit Einverständnis der Klägerinnen mit E‑Mail vom 17. Juni 2014 eine Gesamtübersicht über die bei der Festlegung der Geldbuße zu berücksichtigenden wesentlichen Umstände vor, wie den Wert der von den Klägerinnen im Jahr 2007 erzielten Verkaufserlöse, nämlich 143 316 000 Euro, und ihren Umsatz im Jahr 2013, nämlich 121 728 000 Euro, die Dauer ihrer Teilnahme an der Zuwiderhandlung usw. In ihrer Antwort-E‑Mail vom 18. Juni 2014 bestätigten die Klägerinnen den von der Kommission festgelegten Wert der Verkaufserlöse sowie den Umsatz und teilten mit, dass sie hierzu keine substanziellen Anmerkungen hätten.

11      In einer Sitzung am 24. Oktober 2014 informierte die Kommission die Klägerinnen über die Methoden und Kriterien für die Berechnung der Geldbuße, nämlich erstens den Anteil (15 %) des Werts der Verkaufserlöse (143 316 000 Euro im Jahr 2007) für die Ermittlung des Grundbetrags der Geldbuße, zweitens die Dauer der Zuwiderhandlung der Klägerinnen (vier Jahre und sechs Monate), drittens den zusätzlichen Betrag von 15 %, viertens das Fehlen mildernder oder erschwerender Umstände, fünftens die Nichtanwendung eines Multiplikationsfaktors, sechstens die maximal zulässige Geldbuße von 12 171 800 Euro (10 % des Gesamtumsatzes der Klägerinnen im Jahr 2013), siebtens eine außergewöhnliche Ermäßigung der Geldbuße gemäß Ziff. 37 der Leitlinien aufgrund der besonderen Umstände des Falles einschließlich der Tatsache, dass die Grundbeträge aller am Kartell Beteiligten die in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehene Obergrenze von 10 % überstiegen, achtens eine zusätzliche Ermäßigung, weil die Klägerinnen eine „Monoprodukt“-Gruppe seien, neuntens, dass es nicht möglich sei, eine Ermäßigung wegen der von der CNC auferlegten Geldbuße zu gewähren, weil diese ein anderes als das von der Kommission geprüfte Kartell betroffen habe, das unabhängig und nach den insoweit anwendbaren Regeln, die andere als die von der Kommission angewandten seien, zu ahnden sei, zehntens eine geplante Ermäßigung um 50 % gemäß den Ziff. 24 und 25 der Mitteilung über Zusammenarbeit, elftens eine geplante Ermäßigung um 10 % gemäß Ziff. 32 der Mitteilung über Vergleichsverfahren und schließlich den Rahmen der Geldbuße, der von 4 610 000 Euro bis 4 848 000 Euro reiche, innerhalb dessen die Klägerinnen in ihren Vergleichsvorschlägen den Höchstbetrag akzeptieren müssten.

12      Am 7. November 2014 reichten die Klägerinnen ihre Vergleichsausführungen ein, in denen sie den Wert der Verkaufserlöse und die Umsatzzahlen, die die Kommission festgelegt hatte, sowie den Höchstbetrag der Geldbuße von 4 848 000 Euro akzeptierten.

13      Am 18. November 2014 erließ die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte.

14      Am 20. November 2014 bestätigten die Klägerinnen gemäß Ziff. 26 der Mitteilung über Vergleichsverfahren, dass die Mitteilung der Beschwerdepunkte den Inhalt ihrer Vergleichsausführungen zutreffend wiedergebe und dass sie an ihrer Zusage festhielten, das Vergleichsverfahren anzunehmen.

15      Im ersten Beschluss legte die Kommission zur Festsetzung der Geldbußen den Grundbetrag für jedes beteiligte Unternehmen gemäß der folgenden Tabelle fest (Erwägungsgründe 71 bis 84 des ersten Beschlusses):

Unternehmen

Verkäufe (Wert) EUR

Schwere-faktor %

Laufzeit

Zusatz-betrag %

Grundbetrag EUR

Bong

140 000 000

15

4,5

15

115 500 000

[…] GPV

125 086 629

15

4,5

15

103 196 000

Hamelin

185 521 000

15

4,416

15

150 717 000

Mayer-Kuvert

70 023 181

15

4,5

15

57 769 000

Printeos […]

143 316 000

15

4,5

15

118 235 000


16      In den Erwägungsgründen 85 bis 87 des ersten Beschlusses befand die Kommission außerdem, dass die Grundbeträge nicht gemäß den Ziff. 28 und 29 der Leitlinien anzupassen seien, außer für Mayer-Kuvert, der wegen ihrer geringfügigen Beteiligung an den Zuwiderhandlungen eine Ermäßigung von 10 % gewährt werden sollte.

17      Unter dem Titel „Anpassung der Grundbeträge“ stellte die Kommission fest, dass angesichts der Tatsache, dass die Umsätze der Mehrheit der betreffenden Beteiligten auf einem einzigen Markt erzielt worden seien, auf dem sie sich während mehrerer Jahre an einem Kartell beteiligt hätten, praktisch alle Beträge der Geldbußen die Obergrenze von 10 % des Gesamtumsatzes erreichen könnten, und dass die Anwendung dieser Obergrenze eher die Regel als die Ausnahme darstelle (88. Erwägungsgrund des ersten Beschlusses). Hierzu verwies die Kommission auf die Rechtsprechung des Gerichts, wonach ein solcher Ansatz mit Blick auf den Grundsatz der individuellen Zumessung von Strafen und Sanktionen insoweit problematisch sein könne, als er unter Umständen dazu führen könne, dass sich keine Differenzierung nach der Schwere der Zuwiderhandlung oder wegen mildernder Umstände mehr auf die Höhe einer Geldbuße auswirken könne (Urteil vom 16. Juni 2011, Putters International/Kommission, T‑211/08, EU:T:2011:289, Rn. 75). In Anbetracht der besonderen Umstände des vorliegenden Falles hielt es die Kommission für angemessen, ihren Ermessensspielraum auszuüben und Ziff. 37 der Leitlinien anzuwenden, der es ihr erlaubt, von der in den Leitlinien festgelegten Methode abzuweichen (Erwägungsgründe 89 und 90 des ersten Beschlusses).

18      Die Erwägungsgründe 91 und 92 des ersten Beschlusses lauten:

„(91)      Im vorliegenden Fall wird der Grundbetrag unter Berücksichtigung des mit den vom Kartell betroffenen Produkten erzielten Umsatzes im Verhältnis zum Gesamtumsatz sowie der unterschiedlichen Kartellbeteiligung der einzelnen Parteien angepasst. Insgesamt werden die Geldbußen auf ein Niveau festgesetzt, das der Zuwiderhandlung angemessen ist und hinreichend abschreckende Wirkung hat.

(92)      Daher werden die Geldbußen für alle Beteiligten ermäßigt. Unter den besonderen Umständen des Falles wird in Anbetracht dessen, dass alle Beteiligten in unterschiedlichem, aber erheblichem Maß im Verkauf von Standardumschlägen nach Katalog und bedruckten Spezialumschlägen tätig waren, vorgeschlagen, eine Ermäßigung der wegen der Zuwiderhandlung verhängten Geldbuße gegen GPV um 98 %, gegen Tompla um 90 %, gegen Bong und Mayer-Kuvert um 88 % sowie gegen Hamelin um 85 % vorzunehmen.“

19      Das Ergebnis dieser Anpassung lässt sich wie folgt zusammenfassen (vgl. auch die Tabelle im 93. Erwägungsgrund des ersten Beschlusses):

Unternehmen

Grundbetrag vor Anpassung EUR

Ermäßigung %

Grundbetrag nach Anpassung EUR

Bong

115 500 500

88

13 860 000

GPV

103 196 000

98

2 063 920

Hamelin

150 717 000

85

22 607 550

Mayer-Kuvert

57 769 000

88

6 932 280

Printeos

118 235 000

90

11 823 500


20      Außerdem gewährte die Kommission den Klägerinnen zusätzliche Ermäßigungen der Geldbußen um 50 % gemäß der Mitteilung über Zusammenarbeit und um 10 % gemäß Ziff. 32 der Mitteilung über Vergleichsverfahren (Erwägungsgründe 99, 102 und 103 des ersten Beschlusses). Gemäß den entsprechenden einschlägigen Bestimmungen wurde Hamelin und Mayer-Kuvert jeweils eine Ermäßigung ihrer Geldbußen um 25 % bzw. 10 % (Zusammenarbeit) und um 10 % (Vergleich) gewährt (Erwägungsgründe 100 bis 103 des ersten Beschlusses).

21      Schließlich ergibt sich aus den Erwägungsgründen 104 bis 108 des ersten Beschlusses unter der Überschrift „Zahlungsfähigkeit“, dass die Kommission infolge substantiierter Anträge von Bong und Hamelin nach Ziff. 35 der Leitlinien die Beträge ihrer Geldbußen auf 3 118 000 Euro bzw. 4 996 000 Euro ermäßigte. Die Klägerinnen hatten weder einen entsprechenden Antrag bei der Kommission gestellt, noch erhielten sie eine Ermäßigung nach Ziff. 35.

B.      Urteil in der Rechtssache T95/15

22      Nachdem die Klägerinnen mit einer Klage gemäß Art. 263 AEUV die teilweise Nichtigerklärung des ersten Beschlusses begehrt hatten, erklärte das Gericht mit Urteil vom 13. Dezember 2016, Printeos u. a./Kommission (T‑95/15, EU:T:2016:722), Art. 2 Abs. 1 Buchst. e des ersten Beschlusses für nichtig, da er an einem Begründungsmangel im Sinne von Art. 296 Abs. 2 AEUV leide (Urteil vom 13. Dezember 2016, Printeos u. a./Kommission, T‑95/15, EU:T:2016:722, Rn. 57 und 58 sowie Nr. 1 des Tenors).

23      Die Erwägungen, auf die sich diese Nichtigerklärung stützt, sind in den Rn. 45 bis 56 des Urteils vom 13. Dezember 2016, Printeos u. a./Kommission (T‑95/15, EU:T:2016:722), dargelegt.

24      Das Urteil vom 13. Dezember 2016, Printeos u. a./Kommission (T‑95/15, EU:T:2016:722), ist rechtskräftig.

C.      Urteil in der Rechtssache T201/17

25      Auf erneute Klage der Klägerin zu 1 nach Art. 268 AEUV, die am 31. März 2017 bei der Kanzlei des Gerichts einging und mit der sie den Ersatz des Schadens begehrte, der ihr aufgrund der Weigerung der Kommission, ihr Verzugszinsen auf den Hauptbetrag der nach der Nichtigerklärung des ersten Beschlusses erstatteten Geldbuße zu zahlen, entstanden sei, verurteilte das Gericht die Kommission mit Urteil vom 12. Februar 2019, Printeos/Kommission (T‑201/17, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2019:81), den von der Klägerin zu 1 erlittenen Schaden durch Zahlung eines Betrags von 184 592,95 Euro zuzüglich Verzugszinsen zu ersetzen. Die Kommission legte gegen dieses Urteil ein Rechtsmittel ein, das unter der Nummer C‑301/19 P eingetragen wurde.

D.      Wiederaufnahme des Verwaltungsverfahrens und Erlass des angefochtenen Beschlusses

26      Nach Erlass des Urteils vom 13. Dezember 2016, Printeos u. a./Kommission (T‑95/15, EU:T:2016:722), setzte die Kommission die Klägerinnen mit Schreiben vom 29. März 2017 von ihrer Absicht in Kenntnis, einen neuen Beschluss zu erlassen, mit dem gegen sie eine Geldbuße in derselben Höhe wie im ersten Beschluss verhängt werde, und legte die Kriterien für die Berechnung der Geldbußen gegen die betreffenden Unternehmen dar, vor allem die gemäß Ziff. 37 der Leitlinien angewandte Methode. Sie forderte die Klägerinnen außerdem auf, innerhalb von drei Wochen nach Erhalt dieses Schreibens Stellung zu nehmen.

27      Mit Schreiben vom 17. April 2017 reichten die Klägerinnen ihre Stellungnahmen ein. Sie machten geltend, der Erlass eines neuen Beschlusses verstoße gegen den Grundsatz ne bis in idem, da die Nichtigerklärung des ersten Beschlusses durch das Urteil vom 13. Dezember 2016, Printeos u. a./Kommission (T‑95/15, EU:T:2016:722), nicht rein verfahrensrechtlicher Natur gewesen sei und dieser Beschluss auch ihr Grundrecht auf eine gute Verwaltung nach Art. 41 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) verletzt habe. Die Klägerinnen waren zudem der Ansicht, die geplante Geldbuße diskriminiere sie und die Kommission müsse gemäß dem Urteil vom 13. Februar 1969, Wilhelm u. a. (14/68, EU:C:1969:4, Rn. 11), aus Gründen der Billigkeit die gegen sie von der CNC in der Entscheidung vom 25. März 2013 verhängte Geldbuße berücksichtigen.

28      Mit dem Beschluss C(2017) 4112 final vom 16. Juni 2017 zur Änderung des ersten Beschlusses (im Folgenden: angefochtener Beschluss), der nur an die Klägerinnen gerichtet war, verhängte die Kommission gegen sie als Gesamtschuldnerinnen eine Geldbuße in Höhe von 4 729 000 Euro (Art. 1 und 3 sowie Erwägungsgründe 8 und 9 dieses Beschlusses).

29      Erstens wird im siebten Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, dass die teilweise Nichtigerklärung des ersten Beschlusses durch das Gericht aufgrund eines Begründungsmangels nur verfahrensrechtliche Bedeutung habe. Daher könne diese Nichtigerklärung nicht als Freispruch im Sinne von Art. 50 der Charta eingestuft werden (Urteil vom 15. Oktober 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, C‑238/99 P, C‑244/99 P, C‑245/99 P, C‑247/99 P, C‑250/99 P bis C‑252/99 P und C‑254/99 P, EU:C:2002:582, Rn. 59 bis 63 und 693 bis 695), und die Kommission sei berechtigt gewesen, das Verwaltungsverfahren an dem Punkt wieder aufzunehmen, an dem die Rechtswidrigkeit eingetreten sei (Urteile vom 9. Dezember 2014, Lucchini/Kommission, T‑91/10, EU:T:2014:1033, Rn. 173, und vom 9. Dezember 2014, SP/Kommission, T‑472/09 und T‑55/10, EU:T:2014:1040, Rn. 277).

30      Zweitens heißt es im achten Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, dass dieser Beschluss „zusätzliche Informationen zu der angewandten Methode und den von der Kommission bei der Bestimmung und Anpassung der Grundbeträge der Geldbuße berücksichtigten Fakten [enthält], wie sie in den Erwägungsgründen 88 bis 93 des [ersten] Beschlusses dargelegt sind“.

31      Drittens erklärt die Kommission in den Erwägungsgründen 10 bis 22 des angefochtenen Beschlusses die Methode und die Gründe für die „Anpassungen“ der Grundbeträge der Geldbußen gemäß Ziff. 37 der Leitlinien, die den Erwägungsgründen 88 bis 95 des ersten Beschlusses zugrunde liegen.

32      Im 14. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses stellt die Kommission fest, sie habe die Mindestermäßigung berücksichtigt, die notwendig gewesen sei, um den Grundbetrag der gegen jedes betroffene Unternehmen zu verhängenden Geldbuße jeweils unter die Obergrenze von 10 % zu bringen, und zugleich sichergestellt, dass der angepasste Grundbetrag ihre vergleichbare Beteiligung am Kartell widerspiegle. Zudem weist die Kommission dort darauf hin, dass eine einheitliche Ermäßigung für alle betroffenen Unternehmen dazu geführt hätte, dass jedes von ihnen ungerechtfertigt von der Mindestermäßigung profitiert hätte, die notwendig gewesen sei, um den Grundbetrag unter die 10 %-Obergrenze des Unternehmens zu bringen, dessen Grundbetrag am weitesten über dieser Obergrenze gelegen habe (nämlich GPV), was zu Geldbußen geführt hätte, die nicht die Schwere der Zuwiderhandlung widergespiegelt und keine hinreichend abschreckende Wirkung gehabt hätten.

33      Im 15. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses heißt es, die Kommission habe zunächst den Grundbetrag für jedes Unternehmen angepasst, indem sie den Anteil des Werts der Verkaufserlöse des vom Kartell betroffenen Produkts am Gesamtumsatz berücksichtigt habe (im Folgenden: Produkt-Umsatz-Verhältnis). Mit den im ersten Beschluss vorgenommenen Anpassungen habe auch sichergestellt werden sollen, dass die angepassten Geldbußen stets die Schwere der Zuwiderhandlung insgesamt widerspiegelten, ohne jedoch das relative Gewicht der jeweiligen Grundbeträge der betroffenen Unternehmen zu verfälschen, das ihrer vergleichbaren Beteiligung am Kartell entspreche. Diese methodischen Elemente hätten Auswirkungen auf die jedem Unternehmen gewährten individuellen Ermäßigungen gehabt.

34      Nach dem 16. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses wurde im ersten Beschluss das Produkt-Umsatz-Verhältnis des jeweiligen Unternehmens berücksichtigt, das als das Verhältnis des Gesamtumsatzes mit den Verkäufen von Umschlägen zum weltweiten Gesamtumsatz im Jahr 2012 berechnet worden sei. Ein Unternehmen mit einem höheren Produkt-Umsatz-Verhältnis habe eine höhere bzw. zumindest gleich hohe Ermäßigung erhalten als bzw. wie ein Unternehmen mit einem niedrigeren Produkt-Umsatz-Verhältnis. Aus den in der Tabelle A dargestellten Verhältnissen ergebe sich, dass alle Unternehmen außer Hamelin sehr hohe individuelle Produkt-Umsatz-Verhältnisse aufwiesen. Nach der Veräußerung ihrer Produktionsanlagen für Umschläge habe Hamelin im Jahr 2012 jedoch keine Verkäufe des vom Kartell betroffenen Produkts mehr verzeichnet, weshalb das Produkt-Umsatz-Verhältnis dieses Unternehmens durch Vergleich seines Umsatzes im Jahr 2012 mit den Verkäufen des vom Kartell betroffenen Produkts durch seine ehemalige Tochtergesellschaft geschätzt worden sei.

35      Im 17. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses heißt es, es sei notwendig gewesen, GPV eine Ermäßigung um 98 % zu gewähren, um den Umsatz dieses Unternehmens unter die Obergrenze von 10 % zu bringen. Da GPV das Unternehmen mit dem höchsten Produkt-Umsatz-Verhältnis gewesen sei, seien die Ermäßigungen der anderen Unternehmen, die individuell bestimmt worden seien und sowohl ihre Produkt-Umsatz-Verhältnisse als auch das relative Gewicht ihrer Grundbeträge widerspiegelten, geringer ausgefallen.

36      Im 18. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses heißt es, dass eine bloß lineare Ermäßigung auf der Grundlage der individuellen Produkt-Umsatz-Verhältnisse zu ungerechtfertigten Ergebnissen geführt und das relative Gewicht der Grundbeträge verfälscht hätte. Ein solcher Ansatz hätte beispielsweise dazu geführt, dass der angepasste Grundbetrag von Mayer-Kuvert (mit einem Produkt-Umsatz-Verhältnis von 76 %) höher gewesen wäre als der angepasste Grundbetrag der Klägerinnen (mit einem Produkt-Umsatz-Verhältnis von 90 %), während ihr Grundbetrag vor der Anpassung mehr als doppelt so hoch gewesen sei als der von Mayer-Kuvert. Mit der im ersten Beschluss angewandten Methode sei daher bezweckt worden, aus Gründen der Billigkeit das Gleichgewicht zwischen den angepassten Grundbeträgen durch die Festlegung individueller Ermäßigungen wiederherzustellen, die nicht nur die Produkt-Umsatz-Verhältnisse, sondern auch die vergleichbare individuelle Beteiligung der betreffenden Unternehmen widerspiegelten, wie sie aus den nicht angepassten Grundbeträgen hervorgehe.

37      Im 19. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses weist die Kommission darauf hin, dass sie von der Notwendigkeit ausgegangen sei, auch die für Hamelin bestimmte Geldbuße zu ermäßigen, wenngleich dieses Unternehmen ein erheblich niedrigeres Produkt-Umsatz-Verhältnis als die anderen Unternehmen gehabt habe, um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass es in diesem Kartell eine ähnliche Rolle wie Letztere gespielt habe. Aufgrund ihres Produkt-Umsatz-Verhältnisses sei die Ermäßigung des Grundbetrags von Hamelin die geringste im Vergleich zu den anderen Unternehmen.

38      Aus dem 20. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses geht hervor, dass, wenn die Kommission den zweiten Schritt dieser Methode nicht berücksichtigt und die Ermäßigungen nur auf das Produkt-Umsatz-Verhältnis der betreffenden Unternehmen gestützt hätte, Hamelin keine Ermäßigung erhalten hätte und ihr Grundbetrag ungefähr 1 275 % höher gewesen wäre als der angepasste Grundbetrag der Klägerinnen, während der Wert der Verkaufserlöse von Hamelin nur 30 % höher gewesen sei als jener der Verkaufserlöse der Klägerinnen.

39      Im 21. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses wird der Schluss gezogen, dass die gewählte Methode und die gewährte Ermäßigung dazu geführt hätten, dass der Grundbetrag der gegen Hamelin verhängten Geldbuße ihre vergleichbare Beteiligung am Kartell sowie die Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung widerspiegle und hinreichend abschreckend sei.

40      Die Tabelle A im 22. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses entspricht im Wesentlichen jener in Rn. 50 des Urteils vom 13. Dezember 2016, Printeos u. a./Kommission (T‑95/15, EU:T:2016:722), enthält jedoch eine zusätzliche Spalte mit den Produkt-Umsatz-Verhältnissen der betreffenden Unternehmen für das Jahr 2012 (vgl. oben, Rn. 34).

Unternehmen

Verkäufe (Wert) EUR (2007)

Schwere-faktor

Laufzeit (Jahre)

Zusatz-betrag

Grundbetrag (EUR)

Produkt-Umsatz-Verhältnis

Anpassung/
Ermäßigung

Angepasster Grund-betrag

[…] GPV

125 086 629

15 %

4,5

15 %

103 196 000

93 %

0,98

2 063 920

[Printeos]

143 316 000

15 %

4,5

15 %

118 235 000

90 %

0,90

11 823 500

Bong

140 000 000

15 %

4,5

15 %

115 500 000

80 %

0,88

13 860 000

Mayer-Kuvert

70 023 181

15 %

4,5

15 %

57 769 000

76 %

0,88

6 932 280

Hamelin

185 521 000

15 %

4,416

15 %

150 717 000

17 %

0,85

22 607 550


41      Nach dem 23. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses sind die anderen Schritte der im angefochtenen Beschluss angewandten Methode zur Bestimmung der Geldbußen vom Urteil vom 13. Dezember 2016, Printeos u. a./Kommission (T‑95/15, EU:T:2016:722), nicht betroffen, so dass sie im angefochtenen Beschluss nicht erneut erklärt würden. Angesichts des in ihrem Schreiben vom 17. April 2017 gestellten Antrags der Klägerinnen, die von der CNC verhängte Geldbuße zu berücksichtigen, kündigt die Kommission jedoch an, darauf in den Erwägungsgründen 46 bis 55 dieses Beschlusses einzugehen.

42      Viertens werden in den Erwägungsgründen 46 bis 55 des angefochtenen Beschlusses die Gründe dargelegt, weshalb die Kommission diesen Antrag ablehnt, wobei sie darauf hinweist, dass sie während des Verfahrens, in dem der erste Beschluss erlassen worden sei, die Klägerinnen darüber informiert habe, dass sie es weder als notwendig noch als angemessen erachte, die von der CNC verhängte Geldbuße zu berücksichtigen. Insoweit stützt sich die Kommission insbesondere auf ihre eigene Entscheidungspraxis (Entscheidung 89/515/EWG der Kommission vom 2. August 1989 betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag [IV/31.553 – Betonstahlmatten] [ABl. 1989, L 260, S. 1]) sowie auf das Urteil vom 13. Februar 1969, Wilhelm u. a. (14/68, EU:C:1969:4).

43      Fünftens weist die Kommission im 58. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hinsichtlich der Anpassung der Grundbeträge der Geldbußen gemäß Ziff. 37 der Leitlinien das in ihrem Schreiben vom 17. April 2017 vorgetragene Argument der Klägerinnen zurück, wonach zum einen die Ermäßigungen der Grundbeträge ihnen gegenüber diskriminierend seien und sie zum anderen eine Ermäßigung von 95,3671 % hätten erhalten müssen, damit ihrem Produkt-Umsatz-Verhältnis angemessen Rechnung getragen werde.

44      Im 59. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses weist die Kommission in Beantwortung des Vorbringens der Klägerinnen, wonach in Bezug auf die Obergrenze von 10 % des Gesamtumsatzes offenkundige Diskrepanzen bestünden, im Wesentlichen darauf hin, dass bei der Festsetzung der Höhe der Ermäßigungen nicht darauf abgestellt worden sei, sicherzustellen, dass das Verhältnis zwischen dem angepassten Grundbetrag und dem Gesamtumsatz für alle betroffenen Unternehmen gleich sei. Nach gefestigter Rechtsprechung verstoße es nicht gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit, wenn ein Unternehmen durch die Anwendung der Berechnungsmethode für den Grundbetrag der Geldbußen mit einer Geldbuße belegt werde, die einen höheren Prozentsatz seines Gesamtumsatzes darstelle als die Geldbußen der anderen Unternehmen.

II.    Verfahren und Anträge der Parteien

45      Mit Klageschrift, die am 27. Juli 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Klägerinnen die vorliegende Klage erhoben.

46      Auf Vorschlag der Dritten Kammer hat das Gericht beschlossen, die Rechtssache in Anwendung von Art. 28 seiner Verfahrensordnung an einen erweiterten Spruchkörper zu verweisen.

47      Auf Vorschlag des Berichterstatters hat das Gericht (Dritte erweiterte Kammer) beschlossen, das mündliche Verfahren zu eröffnen, und der Kommission im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 89 der Verfahrensordnung eine schriftliche Frage zur Bestimmung des Produkt-Umsatz-Verhältnisses von GPV gestellt. Die Kommission hat diese Frage innerhalb der gesetzten Frist beantwortet.

48      Die Parteien haben in der Sitzung vom 3. April 2019 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.

49      Die Klägerinnen beantragen,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

–        hilfsweise, die in Art. 1 des angefochtenen Beschlusses verhängte Geldbuße herabzusetzen, indem zum einen der Grundbetrag der Geldbuße nach Ziff. 37 der Leitlinien um 95,3671 % herabgesetzt wird und zum anderen der Betrag der Geldbuße nach Vornahme der Ermäßigungen gemäß den Mitteilungen über Zusammenarbeit und über Vergleichsverfahren um mindestens 33 % herabgesetzt wird;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

50      Die Kommission beantragt,

–        die Klage als unbegründet abzuweisen;

–        den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

III. Rechtliche Würdigung

A.      Erster Klagegrund: Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes sowie gegen den Grundsatz ne bis in idem

51      Die Klägerinnen stellen in Abrede, dass die teilweise Nichtigerklärung des ersten Beschlusses durch das Urteil vom 13. Dezember 2016, Printeos u. a./Kommission (T‑95/15, EU:T:2016:722), entsprechend den Konstellationen in den Rechtssachen, in denen die Urteile vom 15. Oktober 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission (C‑238/99 P, C‑244/99 P, C‑245/99 P, C‑247/99 P, C‑250/99 P bis C‑252/99 P und C‑254/99 P, EU:C:2002:582), und vom 27. Juni 2012, Bolloré/Kommission (T‑372/10, EU:T:2012:325), ergangen seien, verfahrensrechtlichen Charakter habe. Die Rechtsfehler, mit denen dieser Beschluss behaftet sei, seien so schwerwiegend, dass sie nur als wesentlich eingestuft werden könnten. Zudem sei der Begründungsmangel des ersten Beschlusses so schwerwiegend, dass er nicht als bloßer Formfehler angesehen werden könne. Wie aus den Rn. 53 bis 55 des Urteils vom 13. Dezember 2016, Printeos u. a./Kommission (T‑95/15, EU:T:2016:722), hervorgehe, habe sich das Gericht in der mündlichen Verhandlung in der Rechtssache T‑95/15 gezwungen gesehen, auf seine Pflicht hinzuweisen, von Amts wegen zu prüfen, ob die Begründung ausreichend sei, was im Sitzungsprotokoll vermerkt worden sei. Im Übrigen sei die Begründungspflicht in den Rang eines in Art. 41 Abs. 2 Buchst. c der Charta verankerten Grundrechts erhoben worden, so dass seit seinem Inkrafttreten die frühere Rechtsprechung, die den Begründungsmangel als bloßen Formfehler einstufe, überholt sei.

52      Der erste Beschluss sei mit einem materiell-rechtlichen Fehler behaftet, nämlich einem Ermessensmissbrauch, der in der Erwiderung in der Rechtssache T‑95/15 geltend gemacht worden sei, da die Kommission ihr Vorbringen wissentlich auf unrichtige Tatsachen gestützt habe, um die Anpassungen der Grundbeträge der Geldbußen zu rechtfertigen. Während es im 92. Erwägungsgrund des ersten Beschlusses heiße, dass „alle Parteien in unterschiedlichem, jedoch signifikantem Ausmaß im Bereich Briefumschläge“ tätig seien, werde im 16. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses eingeräumt, dass Hamelin kein „Monoprodukt“-Unternehmen sei. Gleichwohl sei Hamelin in der Tabelle A im 22. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ein „Monoprodukt“-Anteil von 17 % zugeschrieben worden, der in Wirklichkeit im Stadium des Erlasses des ersten Beschlusses 0 % betragen habe, weil dieses Unternehmen wegen der Veräußerung der Produktionsanlagen für Umschläge im Jahr 2010 das vom Kartell betroffene Produkt im Jahr 2012, also in dem für die Bestimmung des „Monoprodukt“-Anteils maßgeblichen Jahr, nicht verkauft habe. Dieser Ermessensmissbrauch werde vor allem durch Rn. 54 des Urteils vom 13. Dezember 2016, Printeos u. a./Kommission (T‑95/15, EU:T:2016:722), bestätigt, worin anerkannt werde, dass die im ersten Beschluss dargelegten Erwägungen nicht der Wahrheit entsprochen hätten.

53      Die Schwere dieser materiell-rechtlichen Fehler, mit denen der erste Beschluss behaftet sei und die nicht korrigiert werden könnten, hindere die Kommission daran, die bereits in diesem Beschluss verhängte Sanktion erneut zu verhängen. Dieses Vorgehen stehe im Widerspruch zur Bestandskraft des ersten Beschlusses, dessen Schlussfolgerung zum Vorliegen einer Zuwiderhandlung nicht bestritten worden sei, und verstoße gegen den Grundsatz ne bis in idem im Sinne von Art. 50 der Charta, wie er auf wettbewerbsrechtliche Verfahren anwendbar sei. Der angefochtene Beschluss ergänze den ersten Beschluss, dessen nicht angefochtener Teil bestandskräftig geworden sei, ohne ihn zu ersetzen. Die Bestandskraft stehe dem Erlass eines neuen Beschlusses entgegen, der ohne Rechtsgrundlage einen nicht aufgehobenen, in Kraft befindlichen und bestandskräftigen Beschluss ersetze, abändere oder vervollständige.

54      Der angefochtene Beschluss verstoße auch gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes. Anders als insbesondere in der Rechtssache, in der das Urteil vom 15. Oktober 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission (C‑238/99 P, C‑244/99 P, C‑245/99 P, C‑247/99 P, C‑250/99 P bis C‑252/99 P und C‑254/99 P, EU:C:2002:582), ergangen sei, in der die erste Entscheidung Gegenstand einer vollständigen Nichtigerklärung gewesen sei, habe sich das Urteil vom 13. Dezember 2016, Printeos u. a./Kommission (T‑95/15, EU:T:2016:722), darauf beschränkt, Art. 2 Abs. 1 Buchst. e des ersten Beschlusses für nichtig zu erklären, so dass die anderen Teile desselben bestandskräftig geworden seien. In Ermangelung einer hierfür einschlägigen Rechtsgrundlage in der Verordnung Nr. 1/2003, wie des im vorliegenden Fall nicht anwendbaren Art. 9 Abs. 2, verstoße die Änderung eines bestandskräftigen Beschlusses gegen die oben genannten allgemeinen Grundsätze. Aus dem angefochtenen Beschluss gehe auch nicht klar hervor, ob er auf eine „Änderung“ im eigentlichen Sinne abziele, wie in seiner Überschrift angegeben werde, oder auf einen „Neuerlass“ (siebter Erwägungsgrund) oder auf eine „Ersetzung“ (Art. 1 des verfügenden Teils), während die neue Begründung vielmehr den ersten Beschluss ergänzen anstatt die vorige Begründung ersetzen solle. Jedenfalls dürfe mangels einer Rechtsgrundlage der erste, bestandskräftige Beschluss nicht geändert werden, indem er durch „zusätzliche Informationen“ im angefochtenen Beschluss ergänzt werde. Die Klägerinnen führen aus, im Urteil vom 15. Oktober 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission (C‑238/99 P, C‑244/99 P, C‑245/99 P, C‑247/99 P, C‑250/99 P bis C‑252/99 P und C‑254/99 P, EU:C:2002:582), sei keine „Möglichkeit der Kommission, die Berechnung der Geldbuße detaillierter zu begründen“ oder einen materiell-rechtlichen Fehler „zu beheben“, vorgesehen, sondern nur die Möglichkeit, das Verfahren wieder zu eröffnen, um Formfehler oder verfahrensrechtliche Fehler des für nichtig erklärten Beschlusses zu korrigieren, was im vorliegenden Fall angesichts der Schwere des begangenen Ermessensmissbrauchs nicht zutreffe.

55      Die Kommission beantragt, den ersten Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

56      Erstens ist darauf hinzuweisen, dass die Organe gemäß Art. 266 AEUV die sich aus dem Nichtigkeitsurteil ergebenden Maßnahmen zu ergreifen haben, wenn das Gericht eine ihrer Handlungen für nichtig erklärt. Nach ständiger Rechtsprechung kommen die Organe dieser Verpflichtung nur dann nach, wenn sie nicht nur den Tenor des Nichtigkeitsurteils beachten, sondern auch die Gründe, die zu diesem geführt haben und die ihn in dem Sinne tragen, dass sie zur Bestimmung der genauen Bedeutung des Tenors unerlässlich sind. Diese Gründe benennen nämlich zum einen die Bestimmung, die als rechtswidrig angesehen wird, und lassen zum anderen die Gründe der im Tenor festgestellten Rechtswidrigkeit erkennen, die das betreffende Organ bei der Ersetzung der für nichtig erklärten Handlung zu beachten hat. Die Nichtigerklärung einer Handlung der Union berührt nicht notwendig die sie vorbereitenden Handlungen und hat nicht notwendig und unabhängig von den materiellen oder formellen Gründen des Nichtigkeitsurteils die Nichtigkeit des gesamten Verfahrens zur Folge, auf dem diese Handlung beruht. Außer wenn der festgestellte Fehler zur Nichtigkeit des gesamten Verfahrens geführt hat, können die Organe zum Zweck des Erlasses einer Handlung, durch die eine zuvor für nichtig oder ungültig erklärte Handlung ersetzt werden soll, das Verfahren in dem Stadium wiederaufnehmen, in dem dieser Fehler begangen worden ist, ohne dass es erforderlich ist, dass in der anwendbaren Regelung die Befugnis, das Verfahren wiederaufzunehmen, ausdrücklich vorgesehen ist, damit die Organe, die Urheber einer für nichtig erklärten Handlung sind, von ihr Gebrauch machen können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 7. November 2013, Italien/Kommission, C‑587/12 P, EU:C:2013:721, Rn. 12, und vom 28. Januar 2016, CM Eurologistik und GLS, C‑283/14 und C‑284/14, EU:C:2016:57, Rn. 48 bis 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).

57      Diese Grundsätze gelten entsprechend im Wettbewerbsrecht, wenn der Unionsrichter einen Beschluss wegen eines Rechtsfehlers für nichtig erklärt, ohne selbst über das Vorliegen der Zuwiderhandlung und über die Sanktion zu entscheiden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Oktober 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, C‑238/99 P, C‑244/99 P, C‑245/99 P, C‑247/99 P, C‑250/99 P bis C‑252/99 P und C‑254/99 P, EU:C:2002:582, Rn. 72, 73 und 693).

58      Zweitens hat der Gerichtshof auch entschieden, dass in einem Fall wie dem vorliegenden, wenn die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses auf einem Verfahrensfehler wie einem Begründungsmangel beruht und der Unionsrichter nicht von seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung Gebrauch gemacht hat, um die verhängte Geldbuße neu festzusetzen, der Grundsatz ne bis in idem die Kommission nicht daran hindert, einen neuen Beschluss zu erlassen, mit dem gegen den Kläger eine Geldbuße verhängt wird. Die Anwendung dieses Grundsatzes setzt nämlich voraus, dass über das Vorliegen der Zuwiderhandlung entschieden oder die Rechtmäßigkeit ihrer Würdigung geprüft wurde. Der Grundsatz ne bis in idem verbietet daher nur eine neue sachliche Würdigung des Vorliegens der Zuwiderhandlung, die dazu führen würde, dass entweder – falls die Verantwortlichkeit erneut bejaht wird – eine zweite, zur ersten hinzukommende Sanktion oder – falls die im ersten Beschluss verneinte Verantwortlichkeit in der zweiten Entscheidung bejaht wird – eine erste Sanktion verhängt wird. Dagegen steht er einer Wiederaufnahme von Verfolgungsmaßnahmen, die das gleiche wettbewerbswidrige Verhalten betreffen, nicht entgegen, wenn ein erster Beschluss aus formalen Gründen ohne materielle Beurteilung des zur Last gelegten Sachverhalts für nichtig erklärt wurde; die Nichtigerklärung stellt dann keinen „Freispruch“ im strafrechtlichen Sinne dar. In einem solchen Fall kommen die in der neuen Entscheidung verhängten Sanktionen nicht zu denen in der für nichtig erklärten Entscheidung hinzu, sondern ersetzen diese (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Oktober 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, C‑238/99 P, C‑244/99 P, C‑245/99 P, C‑247/99 P, C‑250/99 P bis C‑252/99 P und C‑254/99 P, EU:C:2002:582, Rn. 60 bis 62 und 693 bis 695).

59      Nach Auffassung des Gerichts gibt es keine Gründe, die einen anderen Ansatz rechtfertigen, nur weil ein Beschluss, mit dem eine Geldbuße verhängt wurde und der wegen eines Begründungsmangels für nichtig erklärt wird, in einem Vergleichsverfahren erlassen wurde. Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen sind die oben in den Rn. 56 bis 58 aufgeführten Grundsätze der Rechtsprechung entsprechend auf eine bloß teilweise Nichtigerklärung eines solchen Beschlusses anzuwenden, wenn diese Nichtigerklärung nur den Teil betrifft, mit dem eine Geldbuße verhängt wird, wie im vorliegenden Fall Art. 2 Abs. 1 Buchst. e des ersten Beschlusses, und gleichzeitig der Teil dieses Beschlusses bestehen bleibt, der die Haftung des betreffenden Unternehmens für die begangene Zuwiderhandlung abschließend feststellt. In einem solchen Fall ist eine neue sachliche Würdigung des Vorliegens einer Zuwiderhandlung, die dazu führen würde, gegen dieses Unternehmen erneut eine Sanktion zu verhängen, nämlich erst recht ausgeschlossen. Daher sind die Rügen eines Verstoßes gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vorab als unbegründet zurückzuweisen.

60      Zu prüfen ist folglich, ob die Kommission gemäß Art. 266 Abs. 1 AEUV angesichts des Tenors des Urteils vom 13. Dezember 2016, Printeos u. a./Kommission (T‑95/15, EU:T:2016:722), mit dem der erste Beschluss teilweise für nichtig erklärt wurde, und angesichts der wesentlichen Gründe, die zur Unterstützung des Tenors in diesem Urteil angeführt sind, berechtigt war, den festgestellten und durch diese Nichtigerklärung sanktionierten Begründungsmangel durch den Erlass des angefochtenen Beschlusses zu beheben, der eine geänderte bzw. vervollständigte Begründung enthielt und gegen die Klägerinnen die gleiche Geldbuße verhängte, die ihnen mit dem ersten Beschluss auferlegt worden war.

61      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass sich das Gericht in Nr. 1 des Tenors des Urteils vom 13. Dezember 2016, Printeos u. a./Kommission (T‑95/15, EU:T:2016:722), darauf beschränkt hat, Art. 2 Abs. 1 Buchst. e des ersten Beschlusses mit der Begründung für nichtig zu erklären, dass er mit einem Begründungsmangel im Sinne von Art. 296 Abs. 2 AEUV behaftet sei (Urteil vom 13. Dezember 2016, Printeos u. a./Kommission, T‑95/15, EU:T:2016:722, Rn. 57 und 58).

62      Diese Randnummern lauten wie folgt:

„57      Aus den vorstehenden Erwägungen ist somit zu schließen, dass der [erste] Beschluss an einem Begründungsmangel leidet und dem ersten Klagegrund zu folgen ist, soweit er auf einer Verletzung der Begründungspflicht nach Art. 296 Abs. 2 AEUV beruht.

58      Daher ist Art. 2 Abs. 1 Buchst. e des [ersten] Beschlusses aufzuheben, ohne dass die Rüge eines Ermessensmissbrauchs und der zweite und der dritte Klagegrund sowie die Zulässigkeit des dritten Klagegrundes geprüft zu werden brauchen. Auch über den hilfsweise gestellten zweiten Antrag braucht nicht entschieden zu werden.“

63      Wie die Kommission geltend macht, hat das Gericht demnach darauf verzichtet, über die weiteren in der Rechtssache T‑95/15 vorgetragenen Klagegründe zu entscheiden, mit denen die Begründetheit des ersten Beschlusses in Abrede gestellt wird, einschließlich des von den Klägerinnen in der Erwiderung geltend gemachten Ermessensmissbrauchs. Somit können die Klägerinnen nicht behaupten, der Nichtigkeitstenor beruhe auf der Feststellung eines wesentlichen Fehlers, nämlich eines Ermessensmissbrauchs, der im Wesentlichen darin bestehe, dass die Kommission wahrheitswidrige oder der Realität widersprechende Gründe aufgeführt habe.

64      Was die Rechtsfolgen dieses Nichtigkeitstenors betrifft, bewirkte dieser nach Art. 264 Abs. 1 AEUV nur, dass „die angefochtene Handlung für nichtig“ erklärt wurde – d. h. Art. 2 Abs. 1 Buchst. e des ersten Beschlusses –, ohne dass der Grad der „Schwere“ des festgestellten Verfahrensfehlers oder der Rechtscharakter der verletzten Verfahrensvorschrift berücksichtigt wurde. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass eine Reihe von Verfahrensgarantien als wesentliche Formvorschriften im Sinne von Art. 263 Abs. 2 AEUV, deren Verletzung von Amts wegen beachtet werden und zur Nichtigerklärung eines angefochtenen Rechtsakts führen kann, höherrangige Rechtsnormen darstellen, wie die Verteidigungsrechte im Sinne von Art. 41 Abs. 2 Buchst. a der Charta. Dies gilt auch für den Verstoß gegen die Begründungspflicht nach Art. 41 Abs. 2 Buchst c der Charta und Art. 296 Abs. 2 AEUV, auf den die Nichtigerklärung von Art. 2 Abs. 1 Buchst. e des ersten Beschlusses gestützt ist.

65      Daher ist festzustellen, dass die im Urteil vom 13. Dezember 2016, Printeos u. a./Kommission (T‑95/15, EU:T:2016:722), ausgesprochene teilweise Nichtigerklärung des ersten Beschlusses eine ausschließlich verfahrensrechtliche Bedeutung im Sinne der oben in den Rn. 56 und 58 angeführten Rechtsprechung hatte, indem die Kommission dafür gerügt wurde, eine unzureichende Begründung für die Methode zur Berechnung der Geldbußen angeführt zu haben, die es weder den Klägerinnen erlaubte, sie sachdienlich in Frage zu stellen, noch dem Gericht, die materielle Rechtmäßigkeit zu kontrollieren, vor allem hinsichtlich der Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Urteil vom 13. Dezember 2016, Printeos u. a./Kommission, T‑95/15, EU:T:2016:722, Rn. 49 und 55).

66      Zwar hat das Gericht in Rn. 55 des Urteils vom 13. Dezember 2016, Printeos u. a./Kommission (T‑95/15, EU:T:2016:722), auch festgestellt, dass „[d]ie in Rn. 92 dargelegte summarische Prüfung … den Eindruck erwecken [konnte], dass der Hauptgrund für die horizontale Anpassung der Beträge zugunsten der betreffenden Unternehmen darin lag, dass diese sich alle wegen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit als ‚Monoprodukt‘-Unternehmen zumindest in vergleichbarer Lage befanden“, was „jedoch bei Hamelin nicht der Fall [war], wie die Kommission im Verfahren eingeräumt hat“. Diese Ausführungen beziehen sich jedoch in erster Linie auf eine unvollständige und unverständliche Begründung zu diesem Thema, was einen Kardinalfall einer Unzulänglichkeit der Begründung im Sinne von Art. 296 Abs. 2 AEUV darstellt. Daraus ist somit nicht abzuleiten, dass das Gericht davon ausging, die Kommission habe die Absicht gehabt, die Rechtsunterworfenen oder den Unionsrichter in die Irre zu führen oder wissentlich wahrheitswidrige oder der Realität widersprechende Tatsachen darzulegen, und erst recht nicht, dass das Gericht durch die Nichtigerklärung von Art. 2 Abs. 1 Buchst. e des ersten Beschlusses ein solches Vorgehen rügen wollte.

67      Folglich hat die Kommission die Anforderungen der in den Rn. 56 und 58 angeführten Rechtsprechung beachtet, als sie im siebten Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses darauf hinwies, dass die teilweise Nichtigerklärung des ersten Beschlusses wegen eines Begründungsmangels nur eine verfahrensrechtliche Bedeutung habe, so dass sie nicht als Freispruch im Sinne von Art. 50 der Charta anzusehen sei, und dass sie daher berechtigt sei, das Verwaltungsverfahren an dem Punkt wieder aufzunehmen, an dem die Rechtswidrigkeit eingetreten sei, d. h. im Prinzip zum Zeitpunkt des Erlasses des ersten Beschlusses.

68      Schließlich sind auch die anderen Rügen der Klägerinnen zurückzuweisen, auf die sie den vorliegenden Klagegrund stützen. Erstens sind entgegen ihrem Vorbringen die im angefochtenen Beschluss verwendeten Begriffe zur Beschreibung des Vorgehens der Kommission, nämlich „ändern“, „erneut erlassen“ (siebter Erwägungsgrund) oder „ersetzen“ (Art. 1 des verfügenden Teils, der Art. 2 Abs. 1 Buchst. e des ersten Beschlusses ersetzt), nicht relevant, solange die Kommission die oben in den Rn. 56 bis 59 dargelegten Vorgaben befolgt, was hier der Fall ist. Zweitens können die Klägerinnen nicht mit Erfolg das Fehlen einer hierfür einschlägigen Rechtsgrundlage in der Verordnung Nr. 1/2003 geltend machen, da die oben in den Rn. 56 und 58 angeführte Rechtsprechung auf einer Auslegung der Tragweite von Art. 266 Abs. 1 AEUV beruht (vgl. entsprechend Urteil vom 28. Januar 2016, CM Eurologistik und GLS, C‑283/14 und C‑284/14, EU:C:2016:57, Rn. 52). Drittens können sie auch nicht mit Erfolg geltend machen, dass der abschließende Charakter des ersten Beschlusses dem Erlass eines neuen Beschlusses entgegenstehe, der den ersten Beschluss in seinem für nichtig erklärten Teil ersetze, abändere oder vervollständige, da sie so die oben in Rn. 58 angeführte Rechtsprechung ihres Gehalts berauben würden. Da die Klägerinnen den Teil des ersten Beschlusses, mit dem ihre Haftung für die in Rede stehende Zuwiderhandlung festgestellt wurde, nicht angefochten hatten und da das Gericht im Urteil vom 13. Dezember 2016, Printeos u. a./Kommission (T‑95/15, EU:T:2016:722), darüber folglich nicht zu entscheiden hatte, wurde vielmehr nur dieser Teil bestandskräftig (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. November 2017, British Airways/Kommission, C‑122/16 P, EU:C:2017:861, Rn. 80 bis 85) und ist der Grundsatz ne bis in idem – der nur eine neue sachliche Würdigung des Vorliegens einer Zuwiderhandlung vor allem zum Zweck der Auferlegung einer zweiten Sanktion verbietet – im vorliegenden Fall zwangsläufig unanwendbar (vgl. oben, Rn. 59).

69      Daher ist der vorliegende Klagegrund in seiner Gesamtheit als unbegründet zurückzuweisen.

B.      Zweiter Klagegrund: Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz bei der Bestimmung des Betrags der Geldbuße

1.      Wesentliche Argumente der Parteien

70      Mit dem vorliegenden Klagegrund rügen die Klägerinnen, im Rahmen der Bestimmung des Grundbetrags der gegen sie verhängten Geldbuße, insbesondere im Zusammenhang mit der Anwendung verschiedener Ermäßigungssätze nach Ziff. 37 der Leitlinien, sei zu ihrem Nachteil gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen worden. Da die gewährten Ermäßigungssätze auf dem „Monoprodukt“-Charakter der betreffenden Unternehmen beruhten, seien die Klägerinnen das einzige Unternehmen, bei dem dieser Satz (90 %) genau seinem „Monoprodukt“-Anteil (90 %) entspreche, wobei diese Sätze höher seien als die jeweiligen „Monoprodukt“-Anteile aller anderen Unternehmen. So sei auf Bong mit einem „Monoprodukt“-Anteil von 80 % eine Ermäßigung von 88 % angewandt worden. Wenn die Klägerinnen jedoch vom gleichen „Erhöhungssatz“ profitiert hätten, wäre auf sie ein Ermäßigungssatz von 99 % angewandt worden, da ihr „Monoprodukt“-Anteil zehn Prozentpunkte höher als der von Bong gewesen sei.

71      Erstens machen die Klägerinnen geltend, dieser Ansatz diskriminiere sie hinsichtlich des prozentualen Verhältnisses ihres angepassten Grundbetrags zu ihrem Gesamtumsatz im Vergleich zu Bong und Hamelin. Die gegen die Klägerinnen verhängte Geldbuße – vor den Ermäßigungen gemäß der Mitteilung über Zusammenarbeit, dem Vergleichsverfahren und der Leistungsfähigkeit – betrage 9,7 % ihres Gesamtumsatzes, während die gegen Bong und Hamelin nach „Anpassung“ der Grundbeträge verhängten Geldbußen nur 4,7 % und 4,5 % ihrer jeweiligen Gesamtumsätze ausmachten. Dieses ungleiche Ergebnis hinsichtlich des Abstands zur Obergrenze von 10 % des Gesamtumsatzes gemäß Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 liege nicht an der Anwendung der von den Leitlinien vorgesehenen Berechnungsmethode, die darauf abziele, dass eine „angesichts der Schwere und Dauer“ der Zuwiderhandlung „gerechtfertigte“ Geldbuße verhängt werde, sondern daran, dass die Kommission davon abgewichen sei und ausnahmsweise in Ausübung ihres Ermessens nach Ziff. 37 der Leitlinien eine Anpassung der Grundbeträge in Bezug auf die Obergrenze von 10 % vor jeder späteren Ermäßigung vorgenommen habe.

72      Die Anpassung, die in einer ungleichen Ermäßigung der Grundbeträge der jeweiligen Unternehmen bestehe – 11,8 Mio. Euro bei den Klägerinnen, 13,8 Mio. Euro bei Bong und 22,6 Mio. Euro bei Hamelin – habe zu einer diskriminierenden Behandlung zu ihrem Nachteil geführt, da die sich daraus ergebenden Beträge entgegen den Anforderungen von Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 in keinem Verhältnis zu ihrer jeweils nach ihrem Gesamtumsatz 121 Mio. Euro im Fall der Klägerinnen, 296 Mio. Euro im Fall von Bong und 501 Mio. Euro im Fall von Hamelin – bestimmten Größe und Wirtschaftskraft stünden. Die Geldbuße der Klägerinnen erreiche beinahe ihre Obergrenze von 10 %, während die Geldbußen von Bong und Hamelin nicht einmal die Hälfte ihrer jeweiligen Obergrenzen erreichten. Ohne Anpassung hätten jedoch alle diese Geldbußen diese Obergrenze erreicht, also 12,1 Mio. Euro bei den Klägerinnen, 29,6 Mio. Euro bei Bong und 50,1 Mio. Euro bei Hamelin. Die gegen die Klägerinnen nach Anpassung verhängte Geldbuße hätte daher viel niedriger sein müssen als die Geldbußen von Bong und Hamelin, die doppelt bzw. viermal so hohe Umsätze gehabt hätten wie die Klägerinnen.

73      Die Klägerinnen bestreiten, eine „großzügige Ermäßigung erhalten“ zu haben, da ihre Geldbuße nach Anwendung der Obergrenze von 10 % nur um 0,3 % (auf 9,7 %) reduziert worden sei, verglichen mit viel größeren Ermäßigungen für Bong und Hamelin, wobei im Übrigen die Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlung gleich seien. Zudem hätte die reguläre Anwendung der Obergrenze von 10 % nicht dazu geführt, dass gegen die Klägerinnen eine „beträchtlich“ höhere endgültige Geldbuße verhängt worden wäre, weil diese nur um den Betrag von 140 000 Euro erhöht worden wäre, was gänzlich vernachlässigbar sei angesichts der Ermäßigungen, die Bong und Hamelin aufgrund der Anpassung ihrer Grundbeträge gewährt worden sei. Im vorliegenden Fall seien die Ungleichbehandlungen gerade nicht das Ergebnis einer Anwendung der Obergrenze von 10 % als „Kappungsgrenze“ im Sinne der Rechtsprechung, sondern das Ergebnis einer außergewöhnlichen Anpassung der Grundbeträge nach Ziff. 37 der Leitlinien, die von der dort vorgesehenen Berechnungsmethode abweiche. Zudem sei die Obergrenze von 10 % ein in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 für die Festlegung der Geldbußen „gesetzlich vorgesehenes“ Kriterium, ebenso wie die Kriterien der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung im Sinne von Art. 23 Abs. 3 dieser Verordnung.

74      Die Klägerinnen machen geltend, diese Ungleichbehandlung sei nicht objektiv gerechtfertigt. In seinem Urteil vom 16. Juni 2011, Putters International/Kommission (T‑211/08, EU:T:2011:289, Rn. 80), habe das Gericht selbst anerkannt, dass sich aus der Methodik der Leitlinien ergebe, dass die mildernden Umstände im Fall von Unternehmen mit einem hohen „Monoprodukt“-Anteil keine Auswirkungen hätten, und habe von einer Anpassung der Geldbußen abgesehen. Wenngleich die Kommission im vorliegenden Fall von dieser Methode mit dem erklärten Ziel habe abweichen können, dass sich die Mayer-Kuvert zugestandenen mildernden Umstände auf die gegen sie verhängte Geldbuße auswirkten, könne dieser Ansatz nicht objektiv gerechtfertigt werden, soweit er zu einer diskriminierenden Behandlung der Klägerinnen gegenüber Bong und Hamelin führe, da der einzige Faktor, der die drei Unternehmen unterscheide, ihr Gesamtumsatz gewesen sei. Ohne außergewöhnliche „Anpassung“ der Grundbeträge hätten alle Geldbußen die Obergrenze von 10 % erreicht, gemäß dem Ziel nach Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003, der erlaube, „dass die Geldbußen nach der Größe und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der mit den Sanktionen belegten Unternehmen variieren, so dass die Geldbuße umso höher sein kann, je höher der Umsatz ist“.

75      Nach Ansicht der Klägerinnen können die Unterschiede zwischen den „Monoprodukt“-Anteilen der Klägerinnen (90 %) sowie von Bong (80 %) und Hamelin (17 %) nicht objektiv rechtfertigen, dass sich die gegen die Klägerinnen verhängte Geldbuße nahe bei der Obergrenze von 10% ihres Gesamtumsatzes befinde, während die Geldbußen von Bong und Hamelin nicht einmal die Hälfte ihrer jeweiligen Obergrenzen erreichten. Gegenüber Hamelin seien sie zumal deswegen diskriminiert, weil deren Tätigkeit nicht einmal einen „Monoprodukt“-Charakter aufweise. Im Jahr 2012 habe Hamelin keine Verkäufe des vom Kartell betroffenen Produkts getätigt, so dass deren „Monoprodukt“-Anteil 0 % und nicht 17 % betragen habe. Die Ungleichbehandlung könne auch nicht durch das relative Gewicht der nicht angepassten Grundbeträge der Klägerinnen (118 235 000 Euro) sowie von Bong und Hamelin (115 500 000 und 150 717 000 Euro) objektiv gerechtfertigt werden. Hingegen erreiche der angepasste Grundbetrag der Klägerinnen beinahe die Obergrenze von 10 % ihres Gesamtumsatzes (9,7 %), im Unterschied zu Bong und Hamelin, deren nicht angepasste Grundbeträge nicht einmal die Hälfte ihrer Obergrenze (jeweils 4,7 % und 4,5 %) erreichten.

76      Die Klägerinnen treten dem Vorbringen der Kommission entgegen, wonach der auf sie angewandte Ermäßigungssatz der geringstmögliche sei, der eine Senkung des Grundbetrags unter die Obergrenze von 10 % möglich mache. Auf Bong sei ein Ermäßigungssatz von 88 % angewandt worden, obwohl ein Satz von 75 % ausreichend gewesen wäre, um ihren Grundbetrag (von 115 500 000 Euro) unter diese Obergrenze (von 29 631 227 Euro) zu bringen. Ebenso sei laut denselben Tabellen auf Hamelin ein Ermäßigungssatz von 85 % angewandt worden, obwohl ein Satz von 67 % ausreichend gewesen wäre, um ihren Grundbetrag (von 150 717 000 Euro) unter diese Obergrenze (von 50 170 600 Euro) zu bringen. Die Klägerinnen sind der Ansicht, die Pflicht der Kommission, ihre Geldbuße durch Anwendung eines höheren Satzes proportional zur Differenz zwischen ihrem „Monoprodukt“-Anteil und dem der anderen Unternehmen zu reduzieren, sei direkt aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz ableitbar. Sie seien das einzige mit Sanktionen belegte Unternehmen gewesen, dessen Ermäßigungssatz (90 %) nicht gegenüber seinem „Monoprodukt“-Anteil (90%) erhöht worden sei, während die auf Bong (88 %) und auf GPV (98 %) angewandten Ermäßigungssätze höher gewesen seien als ihre jeweiligen tatsächlichen „Monoprodukt“-Anteile (80 % und 93 %). Im Fall vom Hamelin habe der Ermäßigungssatz sogar 85 % betragen, obwohl ihr „Monoprodukt“-Anteil 0 % betragen habe, da es durch nichts gerechtfertigt sei, den 17%igen Anteil ihrer ehemaligen Tochtergesellschaft zu berücksichtigen, die im Jahr 2010 an Bong veräußert worden sei. Um diese Diskriminierung zu heilen, hätte der auf die Klägerinnen gemäß Ziff. 37 der Leitlinien anzuwendende Ermäßigungssatz 95,3671 % und nicht 90 % betragen müssen, wodurch ihr Grundbetrag nach Anpassung auf 4,5 % ihres Gesamtumsatzes im Jahr 2013 gebracht worden wäre.

77      Zweitens machen die Klägerinnen hilfsweise geltend, sie seien auch in Bezug auf die Grundbeträge, so wie sie angepasst worden seien, diskriminiert worden. Der angefochtene Beschluss messe dem „relativen Gewicht“ der nicht angepassten Grundbeträge als Kriterium für die Bestimmung des auf jedes Unternehmen nach Ziff. 37 der Leitlinien angewandten Ermäßigungssatzes große Bedeutung bei. Unter Berücksichtigung der nicht angepassten Grundbeträge seien die Klägerinnen jedoch auch gegenüber GPV diskriminiert worden. Dieses Unternehmen habe im Unterschied zu den Klägerinnen, denen ein Ermäßigungssatz von 90 % gewährt worden sei, von einem Ermäßigungssatz von 98 % profitiert, so dass sein angepasster Grundbetrag nur 2 % seines nicht angepassten Grundbetrags ausgemacht habe. Hingegen habe der angepasste Grundbetrag der Klägerinnen 10 % ihres nicht angepassten Grundbetrags, also fünf Mal so viel wie im Fall von GPV, ausgemacht.

78      Diese Ungleichbehandlung entbehre jeglicher objektiven Rechtfertigung. Die Differenz zwischen den „Monoprodukt“-Anteilen der Klägerinnen und von GPV sei dafür nicht groß genug, da der „Monoprodukt“-Anteil von GPV (93 %) nur um drei Prozentpunkte höher gewesen sei als derjenige der Klägerinnen (90 %). Berücksichtige man den GPV gewährten Ermäßigungssatz von 98 %, so hätte auf die Klägerinnen ein Ermäßigungssatz von 94,84% angewandt werden müssen, der ihren angepassten Grundbetrag auf 6 100 926 Euro anstatt 11 823 500 Euro gebracht hätte. Dieser Ansatz gelte auch für das relative Gewicht der nicht angepassten Grundbeträge, da der nicht angepasste Grundbetrag der Klägerinnen nur um 14,5 % höher gewesen sei als der von GPV (118 235 000 Euro gegenüber 103 196 000 Euro), ihr angepasster Grundbetrag aber um 472,8 % höher als jener von GPV (11 823 500 Euro gegenüber 2 063 920 Euro). Die Anwendung eines Ermäßigungssatzes von 94,84 % auf die Klägerinnen habe dazu geführt, dass ihr angepasster Grundbetrag 5,16 % ihres nicht angepassten Grundbetrages gegenüber 2 % im Fall von GPV betragen habe. Indem die Kommission feststelle, dass der angepasste Grundbetrag von GPV 17,45 % von jenem der Klägerinnen betrage, gestehe sie im Übrigen selbst ein, dass kein Gleichgewicht zwischen den gegen die Klägerinnen und gegen GPV verhängten Geldbußen hergestellt worden sei.

79      Die Kommission beantragt die Zurückweisung des vorliegenden Klagegrundes in seiner Gesamtheit.

80      Sie bestreitet, dass die Obergrenze von 10 % des Gesamtumsatzes im Sinne von Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 ein Kriterium für die Abstufung von Geldbußen sei. Es handle sich um eine extrinsische Grenze, eine gesetzliche Obergrenze, die die Sanktion unabhängig von der verwendeten Berechnungsmethode nicht übersteigen dürfe und deren Ziel und Zweck es sei, zu verhindern, dass unverhältnismäßige und übermäßig hohe Geldbußen verhängt würden, die das betreffende Unternehmen nicht zahlen könne. Dieses Ziel müsse mit der Notwendigkeit in Ausgleich gebracht werden, sicherzustellen, dass die Geldbuße hinreichend abschreckend sei. Zu diesem Zweck werde die Obergrenze von 10 % auf der Grundlage der Größe und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des betreffenden Unternehmens berechnet, wie sie sich aus seinem Gesamtumsatz im Geschäftsjahr vor der Verhängung der Geldbuße ergäben. Zudem habe eine so bezifferte Obergrenze den Vorteil, im Einklang mit den Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Gesetzmäßigkeit von Sanktionen vorhersehbar zu sein. Diese Vorhersehbarkeit werde im Vergleichsverfahren verstärkt, in dessen Rahmen das betreffende Unternehmen dem Höchstbetrag der Geldbuße zustimmen müsse, die gegen es verhängt werden könne. So sei die Obergrenze von 10 % im Unterschied zu den Kriterien der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung gemäß Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003, bei deren Anwendung die Kommission über ein weites Ermessen verfüge, kein für die Berechnung der Geldbußen bestimmtes Kriterium, sondern habe einen gesonderten und eigenständigen Zweck. Es handle sich auch nicht um eine maximale Geldbuße, die nur bei den schwersten Zuwiderhandlungen zu verhängen sei, sondern um eine Kappungsgrenze, deren Anwendung allein zur Folge habe, dass der Betrag der nur gemäß den Kriterien der Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung berechneten Geldbuße bis auf eine maximal zulässige Höhe reduziert werde.

81      Zudem bestreitet die Kommission, im vorliegenden Fall gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen zu haben. Da die Obergrenze von 10 % des Gesamtumsatzes eine Kappungsgrenze und nicht ein Kriterium für die Abstufung der Geldbußen sei, könne die bloße Tatsache, dass die gegen ein Unternehmen verhängte Geldbuße im Unterschied zu anderen Teilnehmern am Kartell nahe an dieser Obergrenze liege, keinen Verstoß gegen diesen Grundsatz darstellen. Zudem seien die Unterschiede zwischen den Geldbußen in Bezug auf den Anteil des Gesamtumsatzes der in Ziff. 13 der Leitlinien vorgesehenen Berechnungsmethode „immanent“, die nicht auf dem Gesamtumsatz der betreffenden Unternehmen beruhe. Daher seien Vergleiche, die auf dem Anteil des Gesamtumsatzes, den die Geldbußen ausmachten, oder auf den Abständen zwischen diesen Anteilen und der Obergrenze von 10 % beruhten, irrelevant und könnten keine Ungleichbehandlung der Klägerinnen belegen. Um den Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten, sei die Kommission nicht verpflichtet, sicherzustellen, dass der endgültige Betrag der Geldbußen der an derselben Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen eine Differenzierung hinsichtlich ihres Gesamtumsatzes erkennen lasse. Soweit die Kommission gegen sie Geldbußen verhänge, die bei jedem Unternehmen nach der Schwere und der Dauer der begangenen Zuwiderhandlung gerechtfertigt seien, könne ihr nicht vorgeworfen werden, dass der Betrag bei bestimmten Unternehmen im Verhältnis zu ihrem Umsatz höher sei als bei anderen Unternehmen. Erst recht sei es nicht möglich, auf das Vorliegen einer Ungleichbehandlung zu schließen, indem man das Verhältnis zwischen den Beträgen im Zwischenstadium der Berechnung der Geldbußen und der Obergrenze von 10 % jedes Unternehmens vergleiche.

82      Der Gleichbehandlungsgrundsatz unterliege Beschränkungen aufgrund der Notwendigkeit, ihn zusammen mit anderen allgemeinen Rechtsgrundsätzen anzuwenden, wie dem Grundsatz der Rechtmäßigkeit, dem Grundsatz der individuellen Ahndung oder dem Erfordernis, dass die Geldbuße eine hinreichend abschreckende Wirkung haben müsse. Um eine Ermäßigung der gegen ein Unternehmen verhängten Geldbuße zu erwirken, könne sich dieses Unternehmen daher nicht mit Erfolg auf einen Fehler bei der Bestimmung des Betrags der gegen ein anderes Unternehmen verhängten Geldbuße berufen. Auch wenn man davon ausgehe, dass die Kommission bei der Bestimmung der gegen Bong, Hamelin oder GPV verhängten Geldbußen einen Fehler begangen habe und dass diese Geldbußen hätten höher sein müssen, würde dieser Fehler keine weitere Ermäßigung der gegen die Klägerinnen verhängten Geldbuße rechtfertigen. Im vorliegenden Fall habe sie auf alle Unternehmen dieselbe Berechnungsmethode für die Geldbußen angewandt, und der einzige Unterschied habe in leicht unterschiedlichen Ermäßigungssätzen für jedes Unternehmen bestanden. Diese Diskrepanzen hätten auf objektiven Gründen beruht, die mit der Lage jedes Unternehmens und der Notwendigkeit zusammenhingen, sicherzustellen, dass die Geldbußen hinreichend abschreckend seien, was somit ein objektiv gerechtfertigter Unterscheidungsfaktor sei. Es verstoße auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, Ermäßigungssätze so anzuwenden, dass ein Zusammenhang zwischen den nicht angepassten Grundbeträgen der verschiedenen Geldbußen erhalten bleibe.

83      Die Kommission bestreitet, gegenüber den Klägerinnen dadurch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen zu haben, dass sie die Grundbeträge der Geldbußen angepasst habe und von der in den Leitlinien vorgesehenen Methode abgewichen sei. Sie weist darauf hin, dass die Klägerinnen selbst im Vergleichsverfahren diese außergewöhnliche Anpassung beantragt hätten und in den Genuss eines großzügigen Ermäßigungssatzes von 90 % gekommen seien, der ihrem „Monoprodukt“-Anteil entsprochen und ihre Geldbuße an die Schwere und Dauer ihrer Zuwiderhandlung angepasst habe. Nach Ansicht der Kommission wäre diese Geldbuße viel höher gewesen, wenn sie die Obergrenze von 10 % angewandt hätte, und hätte sich auf der Grundlage des Gesamtumsatzes im Jahr 2013 auf 12 173 000 Euro, des Gesamtumsatzes im Jahr 2015 auf 13 166 700 Euro und des Gesamtumsatzes im Jahr 2016 auf 16 282 000 Euro belaufen. Hingegen hätte die von den Klägerinnen verlangte Berechnungsmethode nicht zu einer besseren Angleichung der Geldbußen an die Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlung jedes Unternehmens geführt, sondern wäre dieses Ergebnis möglicherweise nur durch die Obergrenze von 10 % bestimmt worden. Zudem hätte die geringere Beteiligung von Mayer-Kuvert keine Auswirkung gehabt und wären die Beträge der Geldbußen jedenfalls unterschiedlich gewesen. Man könne der Kommission daher nicht vorwerfen, sie habe gegen die Klägerinnen eine Geldbuße verhängt, die weder auf die Schwere noch auf die Dauer ihrer Zuwiderhandlung gestützt sei.

84      Auf den ersten Teil des vorliegenden Klagegrundes erwidert die Kommission, sie habe die „Monoprodukt“-Anteile nicht linear und damit nicht auf jedes Unternehmen einen gleichen oder zu seinem „Monoprodukt“-Anteil proportionalen Ermäßigungssatz angewandt, da sie durch keine Vorschrift des Unionsrechts dazu gezwungen gewesen sei. Durch die Berücksichtigung des „Monoprodukt“-Anteils habe sie auch versucht, den Zusammenhang zwischen den nicht angepassten Grundbeträgen beizubehalten, die die Beteiligung jedes Unternehmens am Kartell widerspiegelten. Außerdem müsse, damit die Geldbuße abschreckend sei, die angewandte Ermäßigung das geringstmögliche Ausmaß haben, das es erlaube, den Grundbetrag unter die Obergrenze von 10 % zu bringen. Die Anpassung des Grundbetrags der Geldbuße der Klägerinnen entsprechend einem höheren Satz proportional zur Differenz zwischen ihrem „Monoprodukt“-Anteil und dem der anderen Unternehmen hätte dazu geführt, dass ihnen eine nicht hinreichend abschreckende Geldbuße auferlegt worden wäre. Im Übrigen hätten die Klägerinnen eine höhere Ermäßigung erhalten als Bong und Hamelin, da die angepassten Grundbeträge 11 823 500 Euro, 13 860 000 Euro und 22 607 550 Euro ausgemacht hätten. Auf Bong sei zwar ein Ermäßigungssatz (88 %) angewandt worden, der höher als ihr „Monoprodukt“-Anteil (80 %) sei, ihr angepasster Grundbetrag (13 860 000 Euro) sei jedoch in absoluten Zahlen höher als der der Klägerinnen (11 823 500 Euro), obwohl der Wert der Verkaufserlöse und der nicht angepasste Grundbetrag der Klägerinnen (143 316 000 und 118 235 000 Euro) höher als bei Bong gewesen seien (140 000 000 und 115 500 000 Euro). Auf Hamelin habe die Kommission den niedrigsten Ermäßigungssatz von allen Unternehmen (85 %) angewandt. Nur auf GPV sei ein höherer Ermäßigungssatz als auf die Klägerinnen angewandt worden, weil zum einen ihr „Monoprodukt“-Anteil (93 %) höher, ja am höchsten, gewesen sei und zum anderen die Notwendigkeit bestanden habe, ihr einen Mindestermäßigungssatz von 98 % zu gewähren, um sicherzustellen, dass der angepasste Grundbetrag unter der Obergrenze von 10 % ihres Gesamtumsatzes liege. Die Situation der Klägerinnen sei jedoch anders gelagert gewesen, da ihr „Monoprodukt“-Anteil 90 % betragen habe und der notwendige Mindestermäßigungssatz, damit ihr angepasster Grundbetrag im Jahr 2013 unter die Obergrenze von 10 % ihres Gesamtumsatzes falle, 89,9 % (88,9 % in Bezug auf den Gesamtumsatz von 2015 und 86,2 % in Bezug auf jenen von 2016) betragen habe. Schließlich hätte eine lineare Berücksichtigung des „Monoprodukt“-Anteils bedeutet, dass ihm eine übermäßige Bedeutung zuerkannt worden wäre, und ungerechte Auswirkungen gehabt. So sei der angepasste Grundbetrag von Mayer-Kuvert, deren „Monoprodukt“-Anteil 76 % betragen habe, höher gewesen (57 769 000 – 70 % = 13 864 560 Euro) als der angepasste Grundbetrag der Klägerinnen (118 235 000 – 90 % = 11 823 500 Euro), während der nicht angepasste Grundbetrag der Klägerinnen doppelt so hoch wie jener von Mayer-Kuvert gewesen sei (118 235 000 Euro bei der Klägerin im Vergleich zu 57 769 000 Euro bei Mayer-Kuvert). Der Ermäßigungssatz für jedes Unternehmen habe sich somit aus einer Gesamtbeurteilung mehrerer Faktoren ergeben und nicht nur aus dem „Monoprodukt“-Anteil. Die Klägerinnen wollten in Wirklichkeit in den Genuss der auf die anderen Unternehmen angewandten Ermäßigungssätze kommen, und nicht die Bereinigung einer Rechtswidrigkeit erwirken. Jedenfalls betrage der angepasste Grundbetrag ihrer Geldbuße in Bezug auf ihren Gesamtumsatz im Jahr 2015 nicht 9,7 %, sondern 8,97 % dieses Umsatzes.

85      Daraus schließt die Kommission, dass die Rügen der Klägerinnen insoweit ins Leere gingen, als sie darauf abzielten, die Obergrenze von 10 % in ein Kriterium für die Berechnung der Geldbußen umzuwandeln. Nach ständiger Rechtsprechung könnten jedoch die Beträge der Zwischenberechnungen diese Obergrenze übersteigen. Hinsichtlich der endgültigen Beträge der Geldbußen weist die Kommission darauf hin, dass sich die Klägerinnen nicht mit GPV verglichen, für die mit einem höheren „Monoprodukt“-Anteil als sie (98 %) und einem leicht niedrigeren nicht angepassten Grundbetrag (103 196 000 Euro) ein angepasster Grundbetrag von 9,6 % ihres Gesamtumsatzes ermittelt worden sei, also nur 0,1 % weniger als der angepasste Grundbetrag der Klägerinnen, nämlich 9,7 %, und eine endgültige Geldbuße, die einem höheren Satz (7,07 %) ihres Gesamtumsatzes entspreche als die endgültige Geldbuße der Klägerinnen (3,88 % bzw. 2,9 % in Bezug auf die Gesamtumsätze von 2015 bzw. 2016). Die Klägerinnen verglichen sich auch nicht mit Mayer-Kuvert, deren endgültige Geldbuße in absoluten Zahlen höher als ihre sei (4 991 000 gegenüber 4 729 000 Euro), obwohl die Teilnahme von Mayer-Kuvert an der Zuwiderhandlung weniger bedeutsam gewesen sei und der Wert ihrer Verkaufserlöse weniger als die Hälfte des Werts der Verkaufserlöse der Klägerinnen ausgemacht habe (70 023 181 gegenüber 143 316 000 Euro).

86      Hinsichtlich des zweiten Teils des vorliegenden Klagegrundes weist die Kommission darauf hin, dass die Anpassungen der Grundbeträge nicht darauf abzielten, automatisch den „Monoprodukt“-Anteil jedes Unternehmens anzuwenden, sondern darauf, in einem ersten Schritt unter Berücksichtigung dieses Anteils die Geldbuße um den notwendigen Prozentsatz zu reduzieren, damit der nicht angepasste Grundbetrag der Geldbuße jedes Unternehmens unterhalb der Obergrenze von 10 % liege, und in einem zweiten Schritt darauf, das Gleichgewicht zwischen den verhängten Geldbußen nach diesen Anpassungen zu wahren. Bei GPV belaufe sich der nicht angepasste Grundbetrag (103 196 000 Euro) auf 87,2 % des nicht angepassten Grundbetrags der Klägerinnen (118 235 000 Euro), der somit jenen von GPV um 12,7 % übersteige. Zudem sei der „Monoprodukt“-Anteil von GPV (93 %) höher als jener der Klägerinnen (90 %) gewesen. Der angepasste Grundbetrag von GPV (2 063 920 Euro) belaufe sich auf 17,45 % des angepassten Grundbetrags der Klägerinnen (11 823 500 Euro), doch dies beruhe auf einer Gesamtbeurteilung aller objektiven Umstände, die mit der Situation jedes Unternehmens zusammenhingen. Bei der Berechnung der Geldbuße der Klägerinnen habe die Kommission keinen Grund gehabt, eine Anpassung nur im Verhältnis zu GPV vorzunehmen. So sei der nicht angepasste Grundbetrag der Klägerinnen auch um 2,32 % höher gewesen als bei Bong, um 204 % höher als bei Mayer-Kuvert und um 21,56 % höher als bei Hamelin. Zum einen habe der „Monoprodukt“-Anteil von GPV (93 %), der höher gewesen sei als jener der Klägerinnen, eine größere Ermäßigung als bei den anderen Unternehmen gerechtfertigt und zum anderen habe im Unterschied zur Situation der Klägerinnen die notwendige Mindestermäßigung, um den angepassten Grundbetrag von GPV unter die Obergrenze von 10% zu bringen, 98 % betragen. Daher sei eine mögliche Ungleichbehandlung objektiv gerechtfertigt gewesen. In Wirklichkeit seien die Klägerinnen durch die Anwendung eines Ermäßigungssatzes von 90 % bevorzugt worden, auch wenn angesichts ihres Gesamtumsatzes im Jahr 2015 (bzw. 2016) die notwendige Mindestermäßigung, um ihren angepassten Grundbetrag unter die Obergrenze von 10 % zu bringen, 88,9 % (2015) bzw. 86,2 % (2016) betragen habe.

2.      Vorbemerkungen

87      Mit dem vorliegenden Klagegrund machen die Klägerinnen geltend, bei der Anwendung der Methode für die Berechnung der Geldbußen und insbesondere der Methode für die Anpassung der Grundbeträge gemäß Ziff. 37 der Leitlinien, wie sie in Tabelle A im 22. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses wiedergegeben sei, sei ihnen gegenüber der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt worden.

88      Die Klägerinnen werfen der Kommission in erster Linie vor, auf sie einen diskriminierenden Ermäßigungssatz von 90 % angewandt zu haben, der genau ihrem „Monoprodukt“-Anteil entspreche, aber von jenem abweiche, von dem die anderen Unternehmen, vor allem Bong und Hamelin profitiert hätten. Diese diskriminierende Anpassung der Grundbeträge habe dazu geführt, dass sich der angepasste Grundbetrag der Klägerinnen auf 9,7 % ihres Gesamtumsatzes belaufe, während die angepassten Grundbeträge von Bong und Hamelin nur 4,7 % bzw. 4,5 % ihres jeweiligen Gesamtumsatzes ausmachten. Diese unterschiedlichen Abweichungen von der Obergrenze von 10 % des Gesamtumsatzes seien das Ergebnis einer ungleichen Gewichtung der jeweiligen Größe und Wirtschaftskraft dieser Unternehmen, die anhand ihres jeweiligen Gesamtumsatzes – 121 Mio. Euro bei den Klägerinnen, 296 Mio. Euro bei Bong und 501 Mio. Euro bei Hamelin – bestimmt worden seien, was gegen Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 verstoße und vor allem weder durch das relative Gewicht der nicht angepassten Grundbeträge der Klägerinnen, von Bong und von Hamelin noch durch die Notwendigkeit, diese Grundbeträge genau unter die Obergrenze von 10 % zu bringen, objektiv gerechtfertigt sei, da dies nur eine Ermäßigung von 75 % bei Bong und von 67 % bei Hamelin gerechtfertigt hätte.

89      Hilfsweise machen die Klägerinnen geltend, die gegen sie verhängte Geldbuße sei auch angesichts der gemäß Ziff. 37 der Leitlinien angepassten Grundbeträge, vor allem im Vergleich zu dem von GPV, diskriminierend, auf deren Grundbetrag ein Ermäßigungssatz von 98 % gegenüber nur 90 % im Fall der Klägerinnen angewandt worden sei, so dass ihr angepasster Grundbetrag nur 2 % ihres nicht angepassten Grundbetrags ausmache. Der angepasste Grundbetrag der Klägerinnen habe jedoch 10 % ihres nicht angepassten Grundbetrags ausgemacht, also fünf Mal mehr als im Fall von GPV, obwohl die nicht angepassten Grundbeträge der Klägerinnen und von GPV sehr nahe beieinandergelegen hätten.

90      Das Gericht hält es für angemessen, zunächst die Richtigkeit der rechtlichen Prämissen für die Rügen der Klägerinnen anhand der von der Rechtsprechung anerkannten Kriterien vor allem in Bezug auf die Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes und die Anwendung der in Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehenen Obergrenze von 10 % des Gesamtumsatzes zu prüfen. In einem zweiten Schritt wird geprüft, ob die im angefochtenen Beschluss dargelegte Methode der Anpassung der Grundbeträge der Geldbußen diese Kriterien, vor allem die für den Gleichbehandlungsgrundsatz geltenden, erfüllt.

3.      Rechtsprechung

91      Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts, der in den Art. 20 und 21 der Charta verankert ist. Nach ständiger Rechtsprechung, die auch im Wettbewerbsrecht anwendbar ist, verlangt dieser Grundsatz, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleichbehandelt werden, es sei denn, eine solche Behandlung ist objektiv gerechtfertigt (vgl. Urteile vom 11. Juli 2013, Team Relocations u. a./Kommission, C‑444/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:464, Rn. 186 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 12. November 2014, Guardian Industries und Guardian Europe/Kommission, C‑580/12 P, EU:C:2014:2363, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).

92      Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz durch eine unterschiedliche Behandlung setzt somit voraus, dass die betreffenden Sachverhalte in Anbetracht aller sie kennzeichnenden Merkmale vergleichbar sind. Die Merkmale unterschiedlicher Sachverhalte und somit deren Vergleichbarkeit sind u. a. im Licht des Gegenstands und des Ziels der Unionsmaßnahme, die die fragliche Unterscheidung einführt, zu bestimmen und zu beurteilen. Außerdem sind die Grundsätze und Ziele des Regelungsbereichs zu berücksichtigen, in den die Maßnahme fällt (vgl. Urteil vom 11. Juli 2013, Team Relocations u. a./Kommission, C‑444/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:464, Rn. 187 und die dort angeführte Rechtsprechung). Nach der einschlägigen Rechtsprechung muss die Kommission in jedem Einzelfall und in Anbetracht des Zusammenhangs und der Ziele, die mit der Sanktionsregelung der Verordnung Nr. 1/2003 verfolgt werden, die beabsichtigte Wirkung auf das betreffende Unternehmen beurteilen und dabei insbesondere einen Umsatz berücksichtigen, der die tatsächliche wirtschaftliche Situation des Unternehmens in dem Zeitraum wiedergibt, in dem die Zuwiderhandlung begangen wurde (Urteile vom 12. November 2014, Guardian Industries und Guardian Europe/Kommission, C‑580/12 P, EU:C:2014:2363, Rn. 53, und vom 19. März 2015, Dole Food und Dole Fresh Fruit Europe/Kommission, C‑286/13 P, EU:C:2015:184, Rn. 144 und die dort angeführte Rechtsprechung).

93      Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße darf nach der Rechtsprechung sowohl der Gesamtumsatz des Unternehmens, der – wenn auch nur annähernd und unvollständig – etwas über dessen Größe und Wirtschaftskraft aussagt, als auch der Teil dieses Umsatzes berücksichtigt werden, der mit den Waren erzielt worden ist, hinsichtlich deren die Zuwiderhandlung begangen wurde, und der somit einen Anhaltspunkt für das Ausmaß dieser Zuwiderhandlung liefern kann. So ist der Teil des Gesamtumsatzes, der aus dem Verkauf der Produkte stammt, die den Gegenstand der Zuwiderhandlung bilden, besser geeignet, die wirtschaftliche Bedeutung dieser Zuwiderhandlung wiederzugeben (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. November 2014, Guardian Industries und Guardian Europe/Kommission, C‑580/12 P, EU:C:2014:2363, Rn. 54 und 59, vom 19. März 2015, Dole Food und Dole Fresh Fruit Europe/Kommission, C‑286/13 P, EU:C:2015:184, Rn. 145 und 149, und vom 1. Februar 2018, Kühne + Nagel International u. a./Kommission, C‑261/16 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:56, Rn. 81).

94      Im Einklang mit dieser Rechtsprechung sieht Ziff. 13 der Leitlinien vor, dass „[die Kommission z]ur Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße … den Wert der von dem betreffenden Unternehmen im relevanten räumlichen Markt innerhalb des EWR verkauften Waren oder Dienstleistungen [verwendet], die mit dem Verstoß in einem unmittelbaren oder mittelbaren … Zusammenhang stehen“. In Ziff. 6 bestimmen die Leitlinien, dass „[d]ie Verbindung des Umsatzes auf den vom Verstoß betroffenen Märkten mit der Dauer [des Verstoßes] … eine Formel dar[stellt], die die wirtschaftliche Bedeutung der Zuwiderhandlung und das jeweilige Gewicht des einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmens angemessen wiedergibt“ (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. November 2014, Guardian Industries und Guardian Europe/Kommission, C‑580/12 P, EU:C:2014:2363, Rn. 56, vom 19. März 2015, Dole Food und Dole Fresh Fruit Europe/Kommission, C‑286/13 P, EU:C:2015:184, Rn. 147, und vom 1. Februar 2018, Kühne + Nagel International u. a./Kommission, C‑261/16 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:56, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).

95      Im Übrigen ist entschieden worden, dass Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 der Kommission zwar ein Ermessen belässt, dessen Ausübung jedoch durch die Einführung objektiver Kriterien, an die sie sich halten muss, beschränkt. Infolgedessen hat zum einen die Geldbuße, die einem Unternehmen auferlegt werden kann, eine bezifferbare und absolute Obergrenze, so dass der Höchstbetrag der möglichen Geldbuße für ein konkretes Unternehmen im Voraus bestimmbar ist. Zum anderen ist die Ausübung des Ermessens der Kommission auch durch die Verhaltensregeln begrenzt, die sie sich selbst vor allem in den Leitlinien auferlegt hat (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. Juli 2013, Schindler Holding u. a./Kommission, C‑501/11 P, EU:C:2013:522, Rn. 58, vom 19. März 2015, Dole Food und Dole Fresh Fruit Europe/Kommission, C‑286/13 P, EU:C:2015:184, Rn. 146, und vom 7. September 2016, Pilkington Group u. a./Kommission, C‑101/15 P, EU:C:2016:631, Rn. 37).

96      Was die Anwendung von Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 betrifft, gilt nach ständiger Rechtsprechung die in dieser Bestimmung vorgesehene Obergrenze von 10 % des Umsatzes nur für den Endbetrag der verhängten Geldbuße, während die Bestimmung es der Kommission nicht verbietet, bei den verschiedenen Schritten zur Berechnung der Geldbuße zu einem Zwischenbetrag zu gelangen, der über der genannten Grenze liegt, sofern der Endbetrag der Geldbuße sie nicht übersteigt. Stellt sich heraus, dass am Ende der Berechnung der Endbetrag der Geldbuße in dem Umfang zu senken ist, in dem er die genannte Obergrenze übersteigt, ist somit die Tatsache, dass sich einige Faktoren wie die Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlung nicht effektiv auf den Betrag der verhängten Geldbuße auswirken, eine bloße Folge der Anwendung dieser Obergrenze auf den Endbetrag. Durch diese Obergrenze soll die Verhängung von Geldbußen verhindert werden, die die Unternehmen aufgrund ihrer Größe, wie sie, wenn auch nur annähernd und unvollständig, anhand ihres Gesamtumsatzes ermittelt wird, voraussichtlich nicht werden zahlen können. Es handelt sich somit um eine Grenze, die einheitlich für alle Unternehmen gilt, von deren jeweiliger Größe abhängt und überhöhte und unverhältnismäßige Geldbußen verhindern soll. Diese Obergrenze dient folglich einem gegenüber dem Zweck der Kriterien der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung gesonderten und eigenständigen Zweck. Ihre einzig mögliche Folge ist, dass die anhand dieser Kriterien berechnete Geldbuße auf den zulässigen Höchstbetrag gesenkt wird. Ihre Anwendung führt dazu, dass das betreffende Unternehmen nicht die Geldbuße zahlt, die an sich bei einer auf diese Kriterien gestützten Beurteilung verhängt werden müsste (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. Juli 2012, Cetarsa/Kommission, C‑181/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2012:455, Rn. 80 bis 84, vom 7. September 2016, Pilkington Group u. a./Kommission, C‑101/15 P, EU:C:2016:631, Rn. 36, und vom 26. Januar 2017, Mamoli Robinetteria/Kommission, C‑619/13 P, EU:C:2017:50, Rn. 83 und 84 und die dort angeführte Rechtsprechung).

97      Daraus hat der Gerichtshof abgeleitet, dass es keinen Verstoß gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung darstellen kann, wenn für alle mit einer Sanktion belegten Unternehmen, die an derselben Zuwiderhandlung beteiligt waren, Geldbußen in Höhe von 10 % ihres jeweiligen Umsatzes festgesetzt werden, da dies nur Folge der Anwendung der in Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehenen Obergrenze ist. Ebenso kann der Umstand, dass die Anwendung der Leitlinien durch die Kommission oft oder regelmäßig darauf hinausläuft, dass die verhängte Geldbuße 10 % des Umsatzes beträgt, in Anbetracht des mit dieser Obergrenze verfolgten Ziels die Rechtmäßigkeit der Anwendung dieser Obergrenze nicht in Frage stellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Januar 2017, Mamoli Robinetteria/Kommission, C‑619/13 P, EU:C:2017:50, Rn. 85 und 86). In diesem Sinne hat das Gericht zum einen entschieden, dass die Obergrenze von 10 % des Gesamtumsatzes eines Unternehmens, das gegen die Wettbewerbsregeln verstoßen hat, nur eine Kappungsgrenze darstellt, und zum anderen, dass es für sich allein genommen keinen Verstoß gegen den Gleichbehandlungs- oder den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz darstellen kann, wenn die gegen ein solches Unternehmen verhängte Geldbuße dieser Obergrenze sehr nahekommt, während dieser Prozentsatz für andere Kartellbeteiligte niedriger ausfällt, weil sich diese Folge notwendigerweise aus der Auslegung der Obergrenze von 10 % als bloße Kappungsgrenze ergibt, die nach einer etwaigen Herabsetzung der Geldbuße wegen mildernder Umstände oder aufgrund des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zur Anwendung kommt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Dezember 2012, Novácke chemické závody/Kommission, T‑352/09, EU:T:2012:673, Rn. 161 bis 163 und die dort angeführte Rechtsprechung).

98      Der Gerichtshof hat weiter entschieden, dass Unternehmen, die an einer gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstoßenden Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise beteiligt waren, bei der Bemessung der Geldbuße nicht durch die Anwendung verschiedener Berechnungsmethoden ungleich behandelt werden dürfen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 19. Juli 2012, Alliance One International und Standard Commercial Tobacco/Kommission, C‑628/10 P und C‑14/11 P, EU:C:2012:479, Rn. 58, und vom 11. Juli 2013, Ziegler/Kommission, C‑439/11 P, EU:C:2013:513, Rn. 133 und die dort angeführte Rechtsprechung).

99      Wie das Gericht in seinem Urteil vom 20. Mai 2015, Timab Industries und CFPR/Kommission (T‑456/10, EU:T:2015:296, Rn. 74), festgestellt hat, das durch das Urteil vom 12. Januar 2017, Timab Industries und CFPR/Kommission (C‑411/15 P, EU:C:2017:11), bestätigt wurde, gelten diese Grundsätze der Rechtsprechung entsprechend für die Berechnung der in einem Vergleichsverfahren verhängten Geldbußen.

4.      Zur Begründetheit der rechtlichen Prämissen für die vorgetragenen Rügen

100    Aus den oben in den Rn. 91 bis 99 dargelegten Grundsätzen der Rechtsprechung ergibt sich, dass zur Kontrolle der Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes im vorliegenden Fall zu unterscheiden ist zwischen der zwingend egalitären Bestimmung des Grundbetrags der gegen die betreffenden Unternehmen zu verhängenden Geldbußen und der Anwendung der Obergrenze von 10 % gemäß Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 auf diese Unternehmen, die je nach ihren jeweiligen Gesamtumsätzen variieren kann.

101    Zwar kann die Kommission, wie sie es im vorliegenden Fall getan hat, rechtsgültig eine Berechnungsmethode für den Grundbetrag wählen, die auf dem Wert der Verkaufserlöse eines ganzen von der Zuwiderhandlung betroffenen Jahres beruht, nämlich des Jahres 2007 im ersten Beschluss, um die wirtschaftliche Bedeutung der Zuwiderhandlung sowie das relative Gewicht jedes Unternehmens, das daran teilgenommen hat, zu charakterisieren (vgl. die oben in den Rn. 93 und 94 angeführte Rechtsprechung). Sie ist aber verpflichtet, in diesem Zusammenhang den Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten. Die Anwendung der Obergrenze von 10 % bei der Bestimmung des endgültigen Betrags der Geldbußen ist jedoch grundsätzlich weder von dieser wirtschaftlichen Bedeutung der Zuwiderhandlung noch vom relativen Gewicht jedes teilnehmenden Unternehmens, noch von der Schwere oder Dauer der von diesem begangenen Zuwiderhandlung abhängig, sondern erfolgt rein automatisch und ist ausschließlich an den Gesamtumsatz des Unternehmens gebunden. Deshalb kann diese Anwendung nach der Rechtsprechung insbesondere keinen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz zur Folge haben. Angesichts des – gegenüber dem Zweck der Kriterien der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung gesonderten und eigenständigen – Zwecks der Obergrenze als vorhersehbare und einheitlich anwendbare oberste Schwelle, mit der sichergestellt werden soll, dass gegen die Unternehmen keine in Bezug auf ihre Größe und Leistungsfähigkeit überhöhten und unverhältnismäßigen Geldbußen verhängt werden, steht vielmehr ihre automatische Anwendung ipso facto im Einklang mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz (vgl. die oben in den Rn. 96 und 97 angeführte Rechtsprechung).

102    Es ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerinnen im vorliegenden Fall nicht der Anwendung der Obergrenze von 10 % an sich entgegentreten, und zwar weder als Kappungsgrenze für die letztlich gegen die betreffenden Unternehmen verhängten Geldbußen noch als außerordentlicher Korrekturfaktor in einem Zwischenstadium ihrer Berechnung, nämlich im Rahmen der Bestimmung der Grundbeträge, um sie unter diese Schwelle zu bringen. Wie die Kommission zu Recht geltend macht, hatten die Klägerinnen im Laufe des Verwaltungsverfahrens sogar ausdrücklich eine außergewöhnliche Anpassung ihres Grundbetrags nach Ziff. 37 der Leitlinien beantragt, um ihren „Monoprodukt“-Charakter zu berücksichtigen (vgl. oben, Rn. 9). Insoweit stellen die Klägerinnen auch den Umstand nicht in Frage, dass sich die Kommission an die im Urteil vom 16. Juni 2011, Putters International/Kommission (T‑211/08, EU:T:2011:289, Rn. 80), dargelegte Methode angelehnt hat, um vor allem den „Monoprodukt“-Charakter der betreffenden Unternehmen – wenngleich mit Ausnahme von Hamelin – sowie die untergeordnete Beteiligung von Mayer-Kuvert an der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen und dadurch sicherzustellen, dass sich der daraus resultierende mildernde Umstand auf den endgültigen Betrag der gegen dieses Unternehmen zu verhängenden Geldbuße auswirkt (Erwägungsgründe 11 bis 13 des angefochtenen Beschlusses).

103    Was die Klägerinnen hingegen im Rahmen des ersten Teils des vorliegenden Klagegrundes vor allem beanstanden, sind sowohl die Art und Weise, in der die Kommission diese Anpassung der Grundbeträge vorgenommen hat, als auch ihre Ergebnisse – in Bezug auf die Abstände von der Obergrenze von 10 % –, die sie diskriminierten.

104    Hierzu ist vorab festzustellen, dass die Kommission nicht geltend machen kann, dass das Ergebnis der Anwendung der Obergrenze von 10 % in diesem Zwischenstadium der Berechnung der zu verhängenden Geldbußen ispo facto zu Ergebnissen führe, die im Einklang mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz stünden, da sie die Unterschiede zwischen den Gesamtumsätzen aller betroffenen Unternehmen berücksichtige. Wenn die Kommission, wie im vorliegenden Fall, im Rahmen ihres Ermessens nach Ziff. 37 der Leitlinien beschließt, die Obergrenze von 10 % ausnahmsweise bereits in einem Zwischenstadium der Berechnung anzuwenden, um die Grundbeträge der Unternehmen anzupassen, tut sie dies außerhalb des eigentlichen Anwendungsbereichs von Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003, so dass die oben in den Rn. 96 und 97 angeführten Grundsätze der Rechtsprechung nicht als solche anwendbar sein können. So kann der Ansatz der Kommission, die Obergrenze von 10 % außerhalb ihres formalen Rechtsrahmens als Kriterium zur Differenzierung, ja Abstufung der Geldbußen in einem Zwischenstadium anzuwenden, entgegen ihrem Vorbringen zu Ergebnissen führen, die gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen, vor allem angesichts der mit den Kriterien der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung in Zusammenhang stehenden Ziele der Ahndung und Abschreckung.

105    Es ist daher zu prüfen, ob die Kommission im Zusammenhang mit der Anpassung der Grundbeträge der Geldbußen den Gleichbehandlungsgrundsatz beachtet hat, als sie die im Urteil vom 16. Juni 2011, Putters International/Kommission (T‑211/08, EU:T:2011:289, Rn. 80), dargelegte Methode angewandt hat. Zu diesem Zweck ist unter Berücksichtigung der oben in Rn. 92 angeführten Rechtsprechung zu prüfen, ob sich die betreffenden Unternehmen, insbesondere zum einen die Klägerinnen und zum anderen Bong, Hamelin (erster Teil) und GPV (zweiter Teil), in gleichen oder vergleichbaren Situationen befanden, ob diese Situationen gleich oder ungleich behandelt wurden und ob eine etwaige Ungleichbehandlung objektiv gerechtfertigt war.

5.      Zu Vergleichbarkeit der in Rede stehenden Situationen, zur Gleich- oder Ungleichbehandlung und zur objektiven Rechtfertigung dieser Behandlung

a)      Vorbemerkungen

106    Um festzustellen, ob die individuellen Situationen der betreffenden Unternehmen vergleichbar sind, sind die einschlägigen Daten sowie die Rechenoperationen zu berücksichtigen, die die Kommission im ersten und im angefochtenen Beschluss durchführte, um die Grundbeträge der Geldbußen zu bestimmen und anzupassen. Sie sind in der folgenden Tabelle dargestellt:

Unter-nehmen

Verkäufe (Wert) EUR im Jahr 2007

Schwere-faktor

Lauf-zeit (Jahre)

Zusatz-betrag

Grundbetrag EUR

Produkt-Umsatz-Verhältnis

Anpassung/Ermäßigung

Angepasster Grundbetrag

15 %

115 500 000

15 %

4,5



80 %

88 %

13 860 000

[…] GPV

125 086 629

15 %

4,5

15 %

103 196 000

93 %

98 %

2 063 920

Hamelin

185 521 000

15 %

4,416

15 %

150 717 000

17 %

85 %

22 607 550

Mayer-Kuvert

70 023 181

15 %

4,5

15 %

57 769 000

76 %

88 %

6 932 280

Printeos […]

143 316 000

15 %

4,5

15 %

118 235 000

90 %

90 %

11 823 500


107    Aus dieser Tabelle geht hervor, dass die Kommission zur Bestimmung der Grundbeträge der Geldbußen vor ihrer Anpassung (im Folgenden: nicht angepasste Grundbeträge) die Unterschiede zwischen den Werten der durch die betreffenden Unternehmen getätigten Verkäufe sowie die Unterschiede hinsichtlich der Dauer ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung (4,5 Jahre, außer Hamelin mit 4,416 Jahren) angemessen berücksichtigte und sodann dieselbe Berechnungsmethode anwendete, indem sie diese Beträge mit demselben Schwerefaktor (15 %) multiplizierte und ihnen gemäß den Ziff. 13, 21 und 25 der Leitlinien einen Zusatzbetrag hinzurechnete, der durch denselben Prozentsatz (15 %) bestimmt wurde.

108    Angesichts des mit Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 und den Leitlinien verfolgten Ziels der Ahndung und des Umstands, dass in diesem Stadium dieselbe Berechnungsmethode angewandt wurde, befanden sich die Klägerinnen und die anderen Unternehmen daher für die Zwecke der Berechnung der jeweiligen Geldbußen in vergleichbaren Situationen. In Bezug auf dieses Ziel der Ahndung und vor allem Abschreckung, das von der Größe und Wirtschaftskraft der betreffenden Unternehmen abhängt, sind die Unterschiede zwischen den Werten der Verkaufserlöse grundsätzlich ein geeignetes Unterscheidungskriterium, da sie die wirtschaftliche Bedeutung der betreffenden Zuwiderhandlung sowie das relative Gewicht jedes an dieser Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmens widerspiegeln und daher eine wichtige Voraussetzung für die richtige Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes bei der Berechnung der Grundbeträge sind (vgl. die oben in den Rn. 93 und 94 angeführte Rechtsprechung).

109    Folglich wurden im vorliegenden Fall die nicht angepassten Grundbeträge im Einklang mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz bestimmt.

110    Es ist jedoch zu prüfen, ob die Kommission durch die Art und Weise, in der sie ausnahmsweise die Grundbeträge auf der Grundlage von Ziff. 37 der Leitlinien anpasste, nicht vergleichbare Situationen gleich oder gleiche bzw. vergleichbare Situationen ungleich behandelt hat.

b)      Zur egalitären Anpassung der Grundbeträge der Geldbußen

1)      Zu der im angefochtenen Beschluss dargelegten Anpassungsmethode

111    Es ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission verschiedene Ermäßigungssätze auf die Klägerinnen (90 %), Bong (88 %), Hamelin (85 %) und GPV (98 %) angewandt hat, die außer im Fall der Klägerinnen nicht den Produkt-Umsatz-Verhältnissen dieser Unternehmen, nämlich 90 % bei der Klägerin, 80 % bei Bong, 17 % bei Hamelin und 93 % bei GPV, entsprachen (vgl. Erwägungsgründe 15 bis 17 des angefochtenen Beschlusses).

112    Die Ziele, die Gründe und die Berechnungsmethode, auf denen die von der Kommission vorgenommene Anpassung der Grundbeträge beruht, sind in den Erwägungsgründen 10 bis 22 und 57 bis 62 des angefochtenen Beschlusses aufgeführt (vgl. oben, Rn. 31 ff.). Dieser enthält eine geänderte und vervollständigte Begründung, die gegenüber der Begründung des ersten Beschlusses, die zu seiner Nichtigerklärung im Urteil vom 13. Dezember 2016, Printeos u. a./Kommission (T‑95/15, EU:T:2016:722), geführt hatte, neu ist.

113    Aus dem 15. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses geht hervor, dass die Kommission in einem ersten Schritt die Grundbeträge dadurch anpasste, dass sie den Anteil des Werts der Verkaufserlöse des vom Kartell betroffenen Produkts am Gesamtumsatz jedes betroffenen Unternehmens berücksichtigte, was sie das Produkt-Umsatz-Verhältnis nennt. Nach den Angaben der Kommission soll mit diesen Anpassungen gleichzeitig sichergestellt werden, dass die angepassten Geldbußen stets die Schwere der Gesamtheit der Zuwiderhandlung widerspiegeln, ohne jedoch das relative Gewicht der jeweiligen Grundbeträge dieser Unternehmen entsprechend ihrer vergleichbaren Beteiligung am Kartell zu verfälschen. Dieses Produkt-Umsatz-Verhältnis wurde auf der Grundlage des Gesamtumsatzes aus dem Verkauf des vom Kartell betroffenen Produkts (Umschläge) im Verhältnis zum weltweiten Umsatz jedes Unternehmens im Jahr 2012 berechnet. Wie aus der Tabelle A im 22. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, wurde auf ein Unternehmen mit einem höheren Produkt-Umsatz-Verhältnis ein höherer oder gleich hoher Ermäßigungssatz angewandt als/wie auf ein Unternehmen mit einem niedrigeren Produkt-Umsatz-Verhältnis (16. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

114    Es wird darauf hingewiesen, dass nur Hamelin nach der Veräußerung ihrer Produktionsanlagen für Umschläge im Jahr 2012 keine Verkäufe des vom Kartell betroffenen Produkts mehr verzeichnete, weshalb ihr Produkt-Umsatz-Verhältnis durch einen Vergleich ihres Umsatzes im Jahr 2012 mit den Verkäufen des vom Kartell betroffenen Produkts in diesem Jahr durch ihre ehemalige Tochtergesellschaft geschätzt wurde. Zudem wird darauf hingewiesen, dass auf GPV, das Unternehmen mit dem höchsten Produkt-Umsatz-Verhältnis, eine Ermäßigung von 98 % angewandt worden sei, die nötig gewesen sei, um ihren Umsatz unter die Obergrenze von 10 % zu bringen. Daher seien auf die anderen Unternehmen geringere Ermäßigungen angewandt worden, die individuell bestimmt worden seien und ihre jeweiligen Produkt-Umsatz-Verhältnisse ebenso wie das relative Gewicht der ihnen zugewiesenen Grundbeträge widerspiegelten (17. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

115    Nach Ansicht der Kommission hätte eine lineare Ermäßigung anhand der individuellen Produkt-Umsatz-Verhältnisse zu ungerechtfertigten Ergebnissen geführt und das relative Gewicht der Grundbeträge verfälscht. Ein solcher Ansatz hätte beispielsweise dazu geführt, dass der angepasste Grundbetrag von Mayer-Kuvert mit einem Produkt-Umsatz-Verhältnis von 76 % höher gewesen wäre als der angepasste Grundbetrag der Klägerinnen mit einem Produkt-Umsatz-Verhältnis von 90 %, während deren Grundbetrag vor der Anpassung mehr als doppelt so hoch gewesen sei wie der von Mayer-Kuvert. Mit der angewandten Methode sollte daher aus Gründen der Billigkeit das Gleichgewicht zwischen den angepassten Grundbeträgen dadurch wiederhergestellt werden, dass individuelle Ermäßigungen gewährt worden seien, die nicht nur die Produkt-Umsatz-Verhältnisse, sondern auch die vergleichbare Beteiligung der betreffenden Unternehmen am Kartell, wie sie sich aus den nicht angepassten Grundbeträgen ergebe, widerspiegelten (18. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

116    Obwohl Hamelin ein wesentlich niedrigeres Produkt-Umsatz-Verhältnis gehabt habe als die anderen Unternehmen, sei es nötig gewesen, auch ihre Geldbuße zu reduzieren, um die Tatsache zu berücksichtigen, dass ihre Rolle im Kartell jener dieser Unternehmen ähnlich gewesen sei. Unter Berücksichtigung ihres Produkt-Umsatz-Verhältnisses sei die Ermäßigung des Grundbetrags von Hamelin die geringste im Vergleich zu den Ermäßigungen der anderen Unternehmen (19. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Wenn die Kommission die Ermäßigungen nur auf das Produkt-Umsatz-Verhältnis der betreffenden Unternehmen gestützt hätte, hätte Hamelin keine Ermäßigung erhalten und ihr Grundbetrag wäre ungefähr 1 275 % höher gewesen als der angepasste Grundbetrag der Klägerinnen, während der Wert der Verkaufserlöse von Hamelin nur 30 % höher als jener der Klägerinnen gewesen sei (20. Erwägungsrund des angefochtenen Beschlusses). Daraus folge, dass die Festlegung des Grundbetrags der für Hamelin bestimmten Geldbuße ihre vergleichbare Beteiligung am Kartell sowie die Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung widerspiegle und hinreichend abschreckend sei (21. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

117    Nach alledem ist festzuhalten, dass folgende Faktoren die Kommission veranlasst haben, die Grundbeträge der gegen die betreffenden Unternehmen zu verhängenden Geldbußen im ersten und im angefochtenen Beschluss ausnahmsweise anzupassen:

–        die Notwendigkeit, einen Ermäßigungssatz festzusetzen, der den Grundbetrag unter die Obergrenze von 10 % des Gesamtumsatzes bringt;

–        die Bestimmung eines Ermäßigungssatzes insbesondere anhand des Produkt-Umsatz-Verhältnisses der betreffenden Unternehmen im Jahr 2012, jedoch auf nicht lineare Weise (ein höheres Produkt-Umsatz-Verhältnis führt zu einem höheren Ermäßigungssatz, und den Bezugspunkt bildet GPV mit einem Produkt-Umsatz-Verhältnis von 93 % und einer Ermäßigung von 98 %);

–        die Wiederherstellung eines Gleichgewichts zwischen den angepassten Grundbeträgen durch Gewährung individueller Ermäßigungssätze, die nicht nur die Produkt-Umsatz-Verhältnisse, sondern auch die vergleichbare Beteiligung der betreffenden Unternehmen am Kartell widerspiegeln, wie sie sich aus den nicht angepassten Grundbeträgen ergibt;

–        im Fall von Hamelin die Bestimmung des niedrigsten Ermäßigungssatzes von 85 % ausgehend von einem Produkt-Umsatz-Verhältnis von nur 17 %, geschätzt unter Berücksichtigung der Verkäufe ihrer ehemaligen Tochtergesellschaft im Jahr 2012, und aufgrund der Notwendigkeit, aus Gründen der Billigkeit das Gleichgewicht zwischen ihrem angepassten Grundbetrag und dem der anderen Unternehmen wiederherzustellen (da eine Ermäßigung unter ausschließlicher Zugrundelegung des Produkt-Umsatz-Verhältnisses zu einem Grundbetrag führen würde, der ungefähr 1 275 % höher als der angepasste Grundbetrag der Klägerinnen wäre, während der Wert der Verkaufserlöse von Hamelin nur 30 % höher als jener der Klägerinnen war).

2)      Zur Rechtmäßigkeit der Grundsätze und Ziele, die der Anpassung der Grundbeträge zugrunde liegen

118    Hinsichtlich der nicht linearen Ermäßigung der Grundbeträge der gegen die betreffenden Unternehmen zu verhängenden Grundbeträge, die auf den verschiedenen Produkt-Umsatz-Verhältnissen beruht, werfen die Klägerinnen der Kommission im Wesentlichen vor, insbesondere Bong einen Ermäßigungssatz von 88 % gewährt zu haben, der beinahe so hoch wie ihrer sei (90 %), obwohl das Produkt-Umsatz-Verhältnis von Bong (80 %) um 10 % niedriger als ihres sei (90 %). Daraus ziehen sie den Schluss, dass ihnen ein höherer Ermäßigungssatz hätte gewährt werden müssen, um den Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten. Einen weiteren Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz stelle die Tatsache dar, dass der insbesondere im Fall von Bong solcherart angepasste Grundbetrag nur 4,7 % ihres Gesamtumsatzes ausmache, während der angepasste Grundbetrag der Klägerinnen 9,7 % ihres Gesamtumsatzes ausmache.

119    Da die Kommission jedoch die Ermäßigungssätze nicht ausschließlich oder schematisch auf der Grundlage dieser verschiedenen Produkt-Umsatz-Verhältnisse bestimmte, können die Klägerinnen nicht mit Erfolg geltend machen, daraus ergebe sich notwendigerweise eine falsche vergleichende Beurteilung, ja eine Ungleichbehandlung zu ihrem Nachteil. Gleichwohl ist es für einen Vergleich der in Rede stehenden Situationen notwendig, von den verschiedenen nicht angepassten Grundbeträgen auszugehen, die unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes bestimmt wurden und gleichzeitig die Schwere der begangenen Zuwiderhandlung und das Ziel der Ahndung und der Abschreckung angemessen berücksichtigten (vgl. oben, Rn. 107 und 108). Zu diesem Zweck ist zu prüfen, ob die Ergebnisse der jeweiligen Anpassung dieser Grundbeträge anhand der Produkt-Umsatz-Verhältnisse weiterhin einen ausreichenden Bezug zu den einschlägigen Kriterien des Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 und der Leitlinien, vor allem zur Schwere der Zuwiderhandlung und zum Ziel der Ahndung und der Abschreckung, aufweisen, deren Beurteilung insbesondere von der Größe und Wirtschaftskraft der betreffenden Unternehmen abhängt.

120    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerinnen keinen Einwand dagegen erheben, dass die Produkt-Umsatz-Verhältnisse bei allen betroffenen Unternehmen berücksichtigt wurden, um ihre Grundbeträge unterhalb der Obergrenze von 10 % ihrer Gesamtumsätze anzupassen. Sie beanstanden nur, die nicht lineare, die Klägerinnen angeblich benachteiligende Bestimmung der Ermäßigungssätze, die auf der Grundlage dieser Verhältnisse und mit dem Ziel erfolgte, ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Geldbußen je nach der Schwere der Beteiligung der einzelnen Unternehmen herzustellen und gleichzeitig sicherzustellen, dass sich die angepassten Grundbeträge unterhalb der Schwelle von 10 % des Gesamtumsatzes befinden (vgl. oben, Rn. 117 zweiter und dritter Gedankenstrich). Die Anwendung dieser Methode bewirkte aber zum einen, dass die Klägerinnen eine höhere Ermäßigung in Bezug auf den Prozentsatz des Grundbetrags (90 %) erhielten als Bong (88 %) und Hamelin (85 %), mit denen sie sich vergleichen, und zum anderen, dass das relative Gewicht der letztlich gegen die Klägerinnen verhängten Geldbuße leicht verringert wurde und dass sich ihre relative Position bei der Klassifizierung der betreffenden Unternehmen in absteigender Reihenfolge der Beträge der verhängten Geldbußen verbesserte, da sie nach Anpassung der Grundbeträge vom zweiten auf den dritten Platz kamen. Wenn sich die Kommission im Übrigen, wie sie zu Recht geltend macht, darauf beschränkt hätte, die Obergrenze von 10 %, wie in Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehen, als Kappungsgrenze für das Verfahren der Berechnung der Geldbußen anzuwenden, also ohne Zwischenanpassung der Grundbeträge vor allem anhand der Produkt-Umsatz-Verhältnisse, wäre die gegen die Klägerinnen zu verhängende Geldbuße höher gewesen, genauer gesagt, die zweithöchste anstatt der dritthöchsten unter den gegen alle betroffenen Unternehmen verhängten Geldbußen.

121    Ebenso konnte die Kommission im Rahmen der von den Klägerinnen selbst beantragten Ausübung ihres Ermessens nach Ziff. 37 der Leitlinien grundsätzlich auf dieser Grundlage eine nicht lineare Methode der Anpassung der Grundbeträge rechtsgültig anwenden, um der Notwendigkeit Rechnung zu tragen, dass diese Beträge weiterhin die vergleichbare Beteiligung der betreffenden Unternehmen am Kartell sowie das relative Gewicht der ihnen zugewiesenen nicht angepassten Grundbeträge widerspiegeln. Wie sinngemäß in den Erwägungsgründen 17 bis 19 des angefochtenen Beschlusses dargelegt wird, war es angesichts der wesentlichen Kriterien für die Bestimmung der Beträge der Geldbußen, nämlich nach Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung, unabdingbar, einen ausreichenden Bezug zwischen den angepassten Grundbeträgen und den nicht angepassten Grundbeträgen herzustellen, wobei Letztere unter Berücksichtigung dieser Kriterien und insbesondere der Größe und der Wirtschaftskraft der betreffenden Unternehmen bestimmt wurden, um eine hinreichend abschreckende Wirkung der Sanktionen sicherzustellen (vgl. oben, Rn. 119). Hingegen wäre ein solches Ergebnis durch eine lineare und schematische Ermäßigung der Grundbeträge ausschließlich auf der Grundlage der Produkt-Umsatz-Verhältnisse nicht sichergestellt worden, sondern wären dadurch vor allem im Fall von Bong und Mayer-Kuvert weit höhere angepasste Grundbeträge festgelegt worden als die der Klägerinnen, obwohl die nicht angepassten Grundbeträge dieser Unternehmen unter jenen der Klägerinnen lagen.

122    Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen ist das Produkt-Umsatz-Verhältnis an sich, als eher ungewöhnlicher Berechnungskoeffizient, der den Wert der Verkaufserlöse und den Gesamtumsatz kombiniert, anders als das Kriterium des Wertes der Verkaufserlöse als solches weder ein geeignetes Kriterium zur Abbildung der Größe und Wirtschaftskraft eines Unternehmens und damit der wirtschaftlichen Bedeutung seiner Beteiligung an der Zuwiderhandlung (vgl. entsprechend die oben in Rn. 93 angeführt Rechtsprechung) noch ein maßgebliches Kriterium für die Festlegung einer Geldbuße. Wäre dies der Fall, könnte ein höheres Produkt-Umsatz-Verhältnis auch eine entsprechende Erhöhung des Grundbetrags einer Geldbuße rechtfertigen, um diese Größe und Wirtschaftskraft besser widerzuspiegeln und dem Ziel der Ahndung und Abschreckung Genüge zu tun. Im vorliegenden Fall beschränkte sich die Kommission jedoch darauf, das Produkt-Umsatz-Verhältnis als Hilfsmittel zu verwenden, um eine Korrektur nach unten durchzuführen; sie wählte sogar den umgekehrten Ansatz, indem sie den Unternehmen mit einem höheren Produkt-Umsatz-Verhältnis, wenngleich nicht linear, einen höheren Ermäßigungssatz gewährte und gleichzeitig die Notwendigkeit berücksichtigte, ein Gleichgewicht zwischen den angepassten Grundbeträgen je nach dem relativen Gewicht der betreffenden Unternehmen bei der Begehung der Zuwiderhandlung sicherzustellen. In diesem Zusammenhang verkennen die Klägerinnen auch die Relevanz des Gesamtumsatzes als repräsentatives Kriterium für die Größe und Wirtschaftskraft eines Unternehmens (vgl. oben, Rn. 88), wobei aus der oben in Rn. 93 angeführten Rechtsprechung klar hervorgeht, dass der Wert der Verkaufserlöse des vom Kartell betroffenen Produkts diesbezüglich ein geeigneteres Kriterium darstellt, das zudem aus den oben in den Rn. 119 und 121 dargelegten Gründen einen Niederschlag in den Grundbeträgen der zu verhängenden Geldbußen finden muss. Schon allein deshalb kann daher das Vorbringen der Klägerinnen nicht greifen, wonach die von der Kommission gewählte Methode der Anpassung zu Ergebnissen geführt habe, die in keiner Beziehung zur Größe und Wirtschaftskraft stünden (vgl. oben, Rn. 72) und diskriminierend seien, da die Abstände zur Obergrenze von 10 % des Gesamtumsatzes verschieden seien.

123    Vielmehr versuchte die Kommission im vorliegenden Fall, zwischen zum einen den angepassten Grundbeträgen und zum anderen dem relativen Gewicht der Beteiligung der betreffenden Unternehmen an der Zuwiderhandlung sowie der Notwendigkeit, eine hinreichend abschreckende Wirkung der Geldbußen sicherzustellen, dadurch ein Gleichgewicht herzustellen, dass sie auf nicht lineare Weise individuelle Ermäßigungssätze bestimmte, um zu gewährleisten, dass diese Beträge nicht die Obergrenze von 10 % übersteigen, sondern stets die vergleichbare Beteiligung dieser Unternehmen an dieser Zuwiderhandlung widerspiegeln, gemessen an ihrer Größe und an ihrer Wirtschaftskraft.

124    Daraus folgt, dass die Berücksichtigung individueller Ermäßigungssätze durch die Kommission, die nicht nur auf den jeweiligen Produkt-Umsatz-Verhältnissen der betreffenden Unternehmen beruhten, sondern auch auf der Notwendigkeit, zwischen zum einen den angepassten Grundbeträgen und zum anderen dem in den nicht angepassten Grundbeträgen zum Ausdruck kommenden relativen Gewicht ihrer Beteiligung am Kartell sowie der Notwendigkeit, eine hinreichend abschreckende Wirkung der Geldbußen sicherzustellen, einen ausreichenden Bezug herzustellen, unter Berücksichtigung der Kriterien und Ziele nach Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 eine Gleichbehandlung vergleichbarer Situationen im Sinne des Gleichbehandlungsgrundsatzes darstellt. Abgesehen von dem Ziel, die Grundbeträge unter die Obergrenze von 10 % zu bringen, zielte dieser Ansatz darauf ab, in den angepassten Grundbeträgen sowohl die anhand der Größe und Wirtschaftskraft der betreffenden Unternehmen gemessene Schwere der Zuwiderhandlung als auch den abschreckenden Charakter der Sanktion abzubilden, der sich in den nicht angepassten Grundbeträgen widerspiegelte, die auf den Werten der Verkaufserlöse des vom Kartell betroffenen Produkts beruhten. Dagegen hätte eine lineare und schematische Ermäßigung der Grundbeträge ausschließlich anhand des Produkt-Umsatz-Verhältnisses, das gerade kein geeignetes Kriterium für die Darstellung der Größe und Wirtschaftskraft der betreffenden Unternehmen darstellt, nicht die Herstellung eines solchen Bezugs sichergestellt, sondern im Gegenteil zu einer Verfälschung, ja gänzlichen Entkoppelung führen können (vgl. oben, Rn. 122).

125    Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze und Ziele, anhand deren die Anpassung der Grundbeträge der gegen die betreffenden Unternehmen zu verhängenden Geldbußen vorgenommen wurde, ist genauer zu prüfen, ob sich die Klägerinnen in vergleichbaren Situationen zum einen wie Bong und Hamelin (erster Teil) und zum anderen wie GPV (hilfsweise zweiter Teil) befanden und ob diese Situationen eine gleiche oder eine ungleiche Behandlung erfuhren, für die es gegebenenfalls eine objektive Rechtfertigung gab.

c)      Vergleich mit der Situation von Bong

126    Angesicht der vorstehenden Erwägungen ist festzustellen, dass die Kommission in der Sache völlig zu Recht vorträgt (vgl. oben, Rn. 84), man müsse berücksichtigen, dass zwar das Produkt-Umsatz-Verhältnis von Bong um 10 % niedriger als das der Klägerinnen gewesen sei, ihr nicht angepasster Grundbetrag aber nur leicht unter dem der Klägerinnen gelegen habe. Unabhängig von dieser Differenz zwischen den Produkt-Umsatz-Verhältnissen durfte die Kommission es daher als nicht gerechtfertigt ansehen, erheblich voneinander abweichende angepasste Grundbeträge festzusetzen. Nach seiner Anpassung war der Grundbetrag von Bong (13 860 000 Euro) sogar höher als der der Klägerinnen (11 823 500 Euro), was zeigt, dass der auf die Klägerinnen angewandte Ermäßigungssatz von 90 % – der höher ist als jener von 88 %, der auf Bong angewandt wurde – ihnen einen vergleichsweisen Vorteil verschaffte. Die Kommission beging daher keinen Beurteilungsfehler, als sie die Auffassung vertrat, die von den Klägerinnen geforderte zusätzliche Ermäßigung ihres angepassten Grundbetrags würde bewirken, dass ihnen ein unverhältnismäßiger Vorteil gewährt würde und gegen sie angesichts der vergleichbaren Ausgangssituation hinsichtlich der nicht angepassten Grundbeträge, die nach dem Wert der Verkaufserlöse des vom Kartell betroffenen Produkts bestimmt worden seien, eine nicht hinreichend abschreckende Geldbuße verhängt würde.

127    Daraus ergibt sich auch, dass das angebliche Vorhandensein eines signifikanten Unterschieds zwischen den angepassten Grundbeträgen in Bezug auf die Obergrenze von 10 % des Gesamtumsatzes, nämlich 4,7 % bei Bong und 9,7 % bei den Klägerinnen, nur das Ergebnis der oben in den Rn. 120 bis 125 geprüften und bestätigten egalitären Anpassung ist, so dass die insoweit geltend gemachte Rüge als unbegründet zurückzuweisen ist.

128    Selbst wenn man davon ausginge, dass die nicht lineare Anpassung des Grundbetrags von Bong als Ungleichbehandlung vergleichbarer Situationen, die nur durch die Produkt-Umsatz-Verhältnisse bestimmt würden, einzustufen sei, was nicht der Fall ist, wäre eine solche Ungleichbehandlung außerdem jedenfalls aus den oben in den Rn. 121 bis 124 dargelegten Gründen objektiv gerechtfertigt, um das Gleichgewicht der Geldbußen gemäß dem Ziel der Ahndung und Abschreckung wiederherzustellen, und könnte daher keinen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gegenüber den Klägerinnen darstellen.

129    Daher ist die Rüge einer Ungleichbehandlung der Klägerinnen gegenüber Bong als unbegründet zurückzuweisen.

d)      Vergleich mit der Situation von Hamelin

130    Zum Vergleich mit der Situation von Hamelin geht aus den Erwägungsgründen 16, 17, 19 und 20 des angefochtenen Beschlusses hervor, dass sich Hamelin nach den Daten des Referenzjahres 2012, die zur Bestimmung und Anpassung der Grundbeträge dienten, in einer besonderen Lage befand, die sich folglich von jener der anderen Unternehmen einschließlich der Klägerinnen unterschied. Dies liegt zum einen am fehlenden „Monoprodukt“-Charakter ihrer Wirtschaftstätigkeit und zum anderen an ihrem Produkt-Umsatz-Verhältnis von nur 17 %, das zudem unter Berücksichtigung der Verkäufe ihrer ehemaligen Tochtergesellschaft im Jahr 2012 geschätzt wurde, die im Jahr 2010 an Bong verkauft worden war.

131    Wie sich der Sache nach aus dem 19. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ergibt, konnte die Anpassung des Grundbetrags von Hamelin nach Ziff. 37 der Leitlinien durch Anwendung eines Ermäßigungssatzes von 85 %, also des niedrigsten im Vergleich zu den anderen Unternehmen, weder durch ihren „Monoprodukt“-Charakter noch durch ihr Produkt-Umsatz-Verhältnis von 17 % gerechtfertigt sein, sondern beruhte im Wesentlichen auf Gründen der Billigkeit im Zusammenhang mit ihrer vergleichbaren Beteiligung am Kartell und der Notwendigkeit, das Gleichgewicht zwischen den verhängten Geldbußen wiederherzustellen. Im gleichen Sinne wird im 20. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass der Grundbetrag von Hamelin, wäre er nicht um 85 % ermäßigt worden, um 1 275 % höher gewesen wäre als der der Klägerinnen, während der Wert ihrer Verkaufserlöse aus dem vom Kartell betroffenen Produkt im Jahr 2007 nur um 30 % höher als der Wert der Verkaufserlöse der Klägerinnen gewesen sei. Wie die Kommission betont hat, wäre ein solches Ergebnis jedoch unverhältnismäßig und mit der Notwendigkeit unvereinbar gewesen, das Gleichgewicht zwischen den Geldbußen wiederherzustellen, die die vergleichbare Bedeutung der Beteiligung der betreffenden Unternehmen an der Zuwiderhandlung widerspiegeln und eine im Vergleich hinreichend abschreckende Wirkung sicherstellen sollen, wie jene, die durch die nicht angepassten Grundbeträge vermittelt wird, die auf der Grundlage des Werts der Verkaufserlöse des vom Kartell betroffenen Produkts im Jahr 2007 bestimmt worden waren, um die jeweilige Größe und Wirtschaftskraft dieser Unternehmen zu berücksichtigen.

132    Selbst wenn der Ansatz der Kommission in Bezug auf Hamelin als Gleichbehandlung unterschiedlicher Situationen eingestuft werden kann – soweit er darin besteht, ihr einen Ermäßigungssatz von 85 % zuzugestehen, der in erster Linie auf dem Produkt-Umsatz-Verhältnis beruht, das den „Monoprodukt“-Charakter der anderen Unternehmen berücksichtigen soll, obwohl sie kein solches Unternehmen war und nur über ein sehr niedriges Produkt-Umsatz-Verhältnis verfügte –, war somit die Anpassung ihres Grundbetrags objektiv gerechtfertigt, wenn man die in den Rn. 120 bis 124 oben genannten Kriterien und die Tatsache berücksichtigt, dass die Beteiligung von Hamelin an der Zuwiderhandlung, die zur Bestimmung ihres nicht angepassten Grundbetrags geführt hatte, im Großen und Ganzen mit der der anderen Unternehmen vergleichbar war (vgl. oben, Rn. 107 und 108). Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der angepasste Grundbetrag der Geldbuße von Hamelin im Vergleich zu den anderen Unternehmen am höchsten bleibt, wodurch berücksichtigt wird, dass ihr im Jahr 2007 der höchste Wert der Verkaufserlöse zugeschrieben werden konnte und dass ihr nicht angepasster Grundbetrag am höchsten ist und ihr Produkt-Umsatz-Verhältnis am niedrigsten. Diesen Faktoren zusammen wird durch die Gewährung eines Ermäßigungssatzes von 85 % Rechnung getragen, der niedriger ist als jener aller anderen Unternehmen und zur Festlegung eines angepassten Grundbetrags führt, der beinahe doppelt so hoch ist wie der der Klägerinnen (22 607 550 Euro gegenüber 11 823 500 Euro), den die Kommission als verhältnismäßig und hinreichend abschreckend einstufen durfte. In diesem Zusammenhang ist auch die Tatsache zu berücksichtigen, dass der nicht angepasste Grundbetrag von Hamelin zwar bereits der höchste war (150 717 000 Euro), jedoch jenen der Klägerinnen (118 235 000 Euro) nur um ungefähr ein Viertel überstieg. Unter diesen Umständen durfte die Kommission die Tatsache, dass der Grundbetrag von Hamelin möglicherweise überhöht war, als weiteren besonderen Umstand im Sinne von Ziff. 37 der Leitlinien berücksichtigen, um eine beträchtliche Anpassung dieses Betrags zu rechtfertigen und zu gewährleisten, dass er sich so wie die anderen Grundbeträge nicht nur unterhalb der Obergrenze von 10 %, sondern auch in einem Gleichgewicht mit ihnen befindet.

133    Daraus folgt, dass das Vorhandensein eines signifikanten Unterschieds zwischen den angepassten Grundbeträgen in Bezug auf die Obergrenze von 10 % des Gesamtumsatzes, nämlich 4,5 % bei Hamelin und 9,7 % bei den Klägerinnen, nur das Ergebnis der objektiv gerechtfertigten Anpassung ist, die oben in den Rn. 130 bis 132 gewürdigt und bestätigt wurde, so dass die insoweit erhobene Rüge als unbegründet zurückzuweisen ist.

134    Auch die Rüge, die Kommission sei nicht berechtigt gewesen, Hamelin ein Produkt-Umsatz-Verhältnis von 17 % zuzuschreiben, kann nicht greifen. Da die Kommission die nicht angepassten Grundbeträge aller betroffenen Unternehmen einschließlich Hamelins auf der Grundlage des Wertes der Verkaufserlöse des vom Kartell betroffenen Produkts im Jahr 2007, also zu einem Zeitpunkt, als Hamelin noch in der Herstellung und Vermarktung dieses Produkts tätig war, bestimmt hatte, war es sogar zwingend erforderlich, dass sie eine Schätzung eines fiktiven und dennoch hinreichend zuverlässigen Produkt-Umsatz-Verhältnisses für Hamelin für das Jahr 2012 vornahm, um eine egalitäre Anpassung dieser Grundbeträge vornehmen zu können.

135    Folglich ist die Rüge einer Ungleichbehandlung der Klägerinnen gegenüber Hamelin und somit der erste Teil des vorliegenden Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen.

e)      Vergleich mit der Situation von GPV

136    Im Rahmen des zweiten, hilfsweise geltend gemachten Teils des vorliegenden Klagegrundes werfen die Klägerinnen der Kommission im Wesentlichen vor, sie dadurch gegenüber GPV diskriminiert zu haben, dass sie für dieses Unternehmen einen wesentlich niedrigeren angepassten Grundbetrag als für sie festgelegt habe.

137    Was den Vergleich mit der Situation von GPV angeht, ist darauf hinzuweisen, dass auf GPV im Unterschied zu den Klägerinnen, auf die zur Anpassung ihrer Grundbeträge ein Ermäßigungssatz von 90 % angewandt wurde, der genau ihrem Produkt-Umsatz-Verhältnis entsprach, ein Ermäßigungssatz von 98 % angewandt wurde, der somit um fünf Prozentpunkte höher war als ihr Produkt-Umsatz-Verhältnis von 93 %. Folglich war ihr angepasster Grundbetrag deutlich niedriger als der der anderen betroffenen Unternehmen, nämlich von Bong und den Klägerinnen (2 063 920 gegenüber 13 860 000 und 11 823 500 Euro), obwohl die nicht angepassten Grundbeträge von GPV, Bong und den Klägerinnen sehr nahe beieinanderlagen (103 196 000, 115 500 000 und 118 235 000 Euro).

138    Wie aus dem 17. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, war diese Vorgangsweise nach Ansicht der Kommission vor allem notwendig, um den nicht angepassten Grundbetrag gerade unter die Obergrenze von 10 % des Gesamtumsatzes von GPV im Jahr 2013 zu bringen, und stellte der Ermäßigungssatz von 98 % den höchsten Referenzwert dar, in Bezug auf den die anderen Ermäßigungssätze bestimmt wurden. In Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichts hat die Kommission bestätigt, dass der Gesamtumsatz von GPV im Jahr 2012 (als er dazu gedient hatte, ihr Produkt-Umsatz-Verhältnis zu bestimmen) 23 460 596 Euro betrug und sich im Jahr 2013 (als er zur Zwischenanwendung der Obergrenze von 10% gedient hatte) auf 23 356 449 Euro belief. Im Laufe des Verfahrens hat die Kommission auch erklärt, dass der GPV gewährte Ermäßigungssatz von 98 % hauptsächlich der Notwendigkeit geschuldet gewesen sei, ihren Grundbetrag unter die Obergrenze von 10 % zu bringen, sowie der Tatsache, dass ihr Produkt-Umsatz-Verhältnis das vergleichsweise höchste gewesen sei und dass ihr Gesamtumsatz in den Jahren 2012 und 2013 beträchtlich zurückgegangen sei (vgl. oben, Rn. 86).

139    Berücksichtigt man erstens den relativ hohen Wert der Verkäufe des vom Kartell betroffenen Produkts durch GPV im Jahr 2007, der der Bestimmung ihres nicht angepassten Grundbetrags zugrunde lag, zweitens ihren im Vergleich zu den Gesamtumsätzen der anderen betroffenen Unternehmen besonders niedrigen Gesamtumsatz in den Jahren 2012 und 2013 und drittens die Tatsache, dass im Fall von GPV die Berücksichtigung des Produkt-Umsatz-Verhältnisses und der Obergrenze von 10 % für die Anpassung ihres Grundbetrags notwendigerweise zu einer beträchtlichen, ja unverhältnismäßigen Ermäßigung dieses Betrags führen musste, ist festzustellen, dass sich GPV in einer anderen Lage als die anderen betroffenen Unternehmen einschließlich der Klägerinnen befand. Daher stellte es eine Ungleichbehandlung zugunsten von GPV dar, dieselbe Methode für die Anpassung des Grundbetrags auf sie vor allem mittels Anwendung des Produkt-Umsatz-Verhältnisses anzuwenden, um diesen Betrag unter die Obergrenze von 10 % zu bringen.

140    Selbst wenn die Kommission dadurch beabsichtigte, den Geist des Urteils vom 16. Juni 2011, Putters International/Kommission (T‑211/08, EU:T:2011:289, Rn. 80), umzusetzen, wurde durch dieses Vorgehen für GPV ein angepasster Grundbetrag festgelegt, der beträchtlich niedriger war als die Grundbeträge aller anderen Unternehmen. Vor allem stand die Höhe dieses Betrages anders als bei Bong, Hamelin und den Klägerinnen und entgegen den oben in Rn. 123 aufgeführten Anforderungen in keinem ausreichenden Bezug mehr zum nicht angepassten Grundbetrag von GPV, obwohl dieser vor allem die reale Größe und Wirtschaftskraft dieses Unternehmens widerspiegeln sollte, die die relative Bedeutung ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung charakterisierten. Daraus folgt, dass die Kommission im Fall von GPV eine zu schematische und starre Anpassung des Grundbetrags in Bezug auf die Obergrenze von 10 % vornahm und ihre besondere Situation nicht berücksichtigte, die darin bestand, dass es einen beträchtlichen Unterschied zwischen dem Wert ihrer Verkäufe im Jahr 2007, also dem wesentlichen Kriterium für ihre Größe und Wirtschaftskraft, und ihrem Gesamtumsatz in den Jahren 2012 und 2013 gab. Dieser Ansatz bewirkte daher eine Abkopplung des angepassten Grundbetrags von GPV von den Kriterien und Zielen der Ahndung und Abschreckung im Sinne von Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003, indem er in diesem Zwischenstadium der Berechnung der Geldbußen zu einem Ergebnis führte, das normalerweise erst am Ende dieses Vorgangs steht, also bei Anwendung der Kappungsgrenze von 10 % gemäß Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 2 dieser Verordnung.

141    Nach dieser Methode musste die zugunsten von GPV erfolgte Berücksichtigung ihres Produkt-Umsatz-Verhältnisses und der Obergrenze von 10 % ungeachtet der großen Diskrepanz zwischen dem Wert ihrer Verkäufe und ihrem Gesamtumsatz dazu führen, dass der notwendige Bezug zwischen den nicht angepassten und den angepassten Grundbeträgen nicht mehr bestand. Daraus folgte, dass entgegen dem von der Kommission selbst im Rahmen des Vergleichs der Situationen von Bong, Hamelin und den Klägerinnen betonten Ziel mit dem angepassten Grundbetrag nicht mehr die Größe und Wirtschaftskraft von GPV abgebildet und eine für sie hinreichend abschreckende Wirkung erzielt und auch kein Gleichgewicht zwischen diesem Betrag und den Geldbußen der anderen Unternehmen hergestellt werden konnte, so dass diese Ungleichbehandlung nicht objektiv gerechtfertigt werden konnte. Insoweit konnte sich die Kommission nicht auf die oben in den Rn. 96 und 97 angeführte Rechtsprechung berufen, deren Anwendung gerade davon abhängt, dass die Obergrenze von 10 % als Kappungsgrenze am Ende der Berechnung der Geldbuße und nicht in einem Zwischenstadium der Anpassung der Grundbeträge der Geldbußen angewandt wird (vgl. oben, Rn. 104). Ohne Anpassung des Grundbetrags von GPV wäre ihre letztlich nach Anwendung dieser Obergrenze zu verhängende Geldbuße viel höher gewesen, nämlich ungefähr 2,34 anstatt der im ersten Beschluss verhängten 1,651 Mio. Euro.

142    Folglich stellt die Anwendung der Methode für die Anpassung der Grundbeträge auf GPV eine nicht objektiv gerechtfertigte Ungleichbehandlung der anderen betroffenen Unternehmen, insbesondere von Bong und den Klägerinnen, dar.

143    Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass der zweite, hilfsweise geltend gemachte Teil des vorliegenden Klagegrundes greifen muss.

144    Insoweit ist festzustellen, dass die Klägerinnen zum einen in der mündlichen Verhandlung wiederholt bestätigt haben, dass sie die Rechtmäßigkeit der nunmehr bestandskräftigen Geldbußen der anderen betroffenen Unternehmen, einschließlich von GPV, nicht in Abrede stellen. Auch wenn die günstigere und nicht objektiv gerechtfertigte Behandlung von GPV rechtswidrig ist, ist zum anderen darauf hinzuweisen, dass die Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes mit der Beachtung des Gebots rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden muss, wonach sich niemand zu seinem Vorteil auf eine zugunsten eines anderen begangene Rechtsverletzung berufen kann (Urteile vom 5. Dezember 2013, Solvay/Kommission, C‑455/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:796, Rn. 109, vom 16. Juni 2016, Evonik Degussa und AlzChem/Kommission, C‑155/14 P, EU:C:2016:446, Rn. 58, und vom 14. September 2017, LG Electronics und Koninklijke Philips Electronics/Kommission, C‑588/15 P und C‑622/15 P, EU:C:2017:679, Rn. 91).

145    Daraus folgt, dass sich die Klägerinnen nicht zu ihren Gunsten auf den nur zugunsten des Unternehmens GPV begangenen Rechtsverstoß berufen können. Im vorliegenden Fall ist das umso weniger möglich, als zum einen der erste Beschluss GPV gegenüber bestandskräftig geworden ist und der Betrag der gegen sie verhängten Geldbuße nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist und zum anderen alle anderen betroffenen Unternehmen außer GPV auf der Grundlage der gleichen Methode der Anpassung der Grundbeträge der Geldbußen auf die gleiche Weise behandelt wurden. Würde dem Antrag der Klägerinnen, ihnen einen höheren Ermäßigungssatz zuzugestehen, stattgegeben, könnte das die Beurteilung der Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ihnen gegenüber im Rahmen der Anpassung der Grundbeträge in Bezug auf Bong, Mayer-Kuvert und Hamelin in Frage stellen, deren Geldbußen ebenfalls bestandskräftig geworden sind, und denen gegenüber die Klägerinnen bereits begünstigt wurden (vgl. oben, Rn. 118 bis 135). Jedenfalls haben die Klägerinnen nicht nachgewiesen, dass der in Bezug auf GPV begangene Rechtsverstoß auf der Anwendung eines anderen rechtlichen Kriteriums zur Festsetzung der Geldbuße beruht oder eine Verringerung des relativen Gewichts von GPV bei der Zuwiderhandlung zum Nachteil der Klägerinnen zur Folge hatte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. September 2017, LG Electronics und Koninklijke Philips Electronics/Kommission, C‑588/15 P und C‑622/15 P, EU:C:2017:679, Rn. 95 und 96).

146    Daher ist der zweite Teil des vorliegenden Klagegrundes und somit dieser Klagegrund insgesamt als unbegründet zurückzuweisen.

C.      Dritter Klagegrund: Verstoß gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Nichtdiskriminierung bzw. Billigkeit

147    Die Klägerinnen halten es für rechtswidrig, dass die Kommission die bereits von der CNC in der Entscheidung vom 25. März 2013 verhängte Geldbuße nicht berücksichtigt hat (Erwägungsgründe 46 und 56 des angefochtenen Beschlusses). Sie machen keinen Verstoß gegen den Grundsatz ne bis in idem geltend, sondern einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in seiner Auslegung durch das Urteil vom 13. Februar 1969, Wilhelm u. a. (14/68, EU:C:1969:4, Rn. 11), der auch dann einschlägig sei, wenn der Grundsatz ne bis in idem unanwendbar sei, und in der deutschen Lehre unter der Bezeichnung „Anrechnungsprinzip“ oder als allgemeiner Billigkeitsgedanke bekannt sei, den die Kommission bereits selbst in ihrer früheren Entscheidungspraxis beachtet habe.

148    Im 50. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses habe die Kommission zu Unrecht die Vergleichbarkeit zwischen ihrer früheren Entscheidungspraxis und dem vorliegenden Fall verneint, indem sie behauptet habe, es sei nicht nachgewiesen, dass sich die Klägerinnen in einer wirtschaftlich schwierigen Situation befunden hätten oder dass die kombinierten Auswirkungen von zwei Sanktionen so erheblich sei, dass daraus auf eine übermäßig abschreckende Wirkung zu schließen sei. Wie die Kommission bereits im Laufe des Verwaltungsverfahrens festgestellt habe, habe sich die wirtschaftliche Situation der Klägerinnen aufgrund der Wirtschafts- und Finanzkrise sowie des allgemeinen Rückgangs der Nachfrage nach Papierumschlägen in einem immer digitaler werdenden Umfeld deutlich verschlechtert und seien aus diesen Gründen Verluste in Höhe von 2 900 000 Euro im Jahr 2013 entstanden, die zu den im Jahr 2012 entstandenen Verlusten von 18 855 000 Euro, darunter 12 002 000 Euro aufgrund der durch die CNC verhängten Geldbußen, hinzugekommen seien. So seien sie im Februar 2014 gezwungen gewesen, 132 Mitarbeiter des Hauptproduktionszentrums in Alcalá de Henares (Spanien), also 28 % der Mitarbeiter, zu entlassen, und die Nettoeinkünfte im Jahr 2013 seien im Vergleich zu 2012 um 8,5 % zurückgegangen. Im Zusammenhang mit dem übermäßig abschreckenden Charakter weisen die Klägerinnen darauf hin, dass die von der CNC verhängte Geldbuße 10 % ihres Gesamtumsatzes ausgemacht habe, während die im angefochtenen Beschluss verhängte Geldbuße 9,7 % dieses Gesamtumsatzes betragen habe. Daher sei ihre kombinierte Auswirkung beinahe doppelt so hoch gewesen wie die Obergrenze von 10 %.

149    Die Klägerinnen betonen, sie hätten detaillierte Angaben gemacht, die den Zusammenhang, die „teilweise Überlappung“ bzw. die offensichtliche Komplementarität und Interaktion zwischen dem letztlich durch die CNC geahndeten Sachverhalt und dem im angefochtenen Beschluss geahndeten Sachverhalt nachwiesen. Das durch letzteren Beschluss geahndete Kartell sei nur auf der Grundlage und im allgemeinen oder organisatorischen Rahmen der Vereinbarungen zu erklären, die zwischen den Unternehmen geschlossen worden seien, die nach dem Beitritt von Spanien zu den Europäischen Gemeinschaften im Jahr 1986 Gegenstand einer Untersuchung gewesen seien. Bis zu diesem Zeitpunkt seien die wettbewerbswidrigen Vereinbarungen auf dem spanischen Markt von 1978 auf nationaler Ebene geschlossen worden, da dieser Markt vor Einfuhren durch einen Zoll von 36 % auf Umschläge geschützt gewesen sei. Nach dem Beitritt und dem Abbau der Zölle sei den spanischen Herstellern bewusst geworden, dass die Nachhaltigkeit ihrer Vereinbarungen vom Schutz des spanischen Marktes vor dem Eintritt ausländischer Hersteller abhänge. Daher seien diese Vereinbarungen durch eine in Paris (Frankreich) am 16. Juli 1986 zwischen den wichtigsten spanischen und französischen Herstellern geschlossene Vereinbarung und durch eine ähnliche zuvor mit den wichtigsten portugiesischen Herstellern geschlossene Vereinbarung auf Frankreich und Portugal ausgedehnt worden. Diese Vereinbarungen seien in einer Sitzung vom 16. Oktober 1986 allen spanischen Herstellern zur Kenntnis gebracht worden, die der Asociación Española de Fabricantes de Sobres y Manipulados de Papel y Cartón para la Enseñanza y la Oficina (ASSOMA) angehörten. Sie seien später im Jahr 1995 auf Hamelin und im Jahr 1999 auf den schwedischen Hersteller Bong ausgedehnt worden, um auch die nordischen Länder, das Vereinigte Königreich und Frankreich einzubeziehen. Folglich sei das Funktionieren der Vereinbarungen in Spanien vom Vorhandensein europäischer Vereinbarungen abhängig gewesen, die den spanischen Markt vor ausländischen Herstellern geschützt hätten.

150    Nach Ansicht der Klägerinnen ist die fehlende Berücksichtigung der durch die CNC verhängten Geldbuße ihnen gegenüber auch diskriminierend. Sie seien das einzige der im ersten Beschluss für die Zuwiderhandlung für verantwortlich erklärten Unternehmen, das von einer nationalen Wettbewerbsbehörde wegen eines Sachverhalts mit einer Sanktion belegt worden sei, der mit einem von der Kommission geahndeten Sachverhalt in Zusammenhang stehe. Entgegen den Ausführungen im 55. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hätten sie durch den auf das Urteil vom 13. Februar 1969, Wilhelm u. a. (14/68, EU:C:1969:4), gestützten Antrag auf Ermäßigung nicht de facto einen Vorteil. Vielmehr ziele dieser auf die Anerkennung eines tatsächlichen Umstands ab, der bei den anderen durch den ersten Beschluss mit Sanktionen belegten Unternehmen nicht vorliege. Daher beantragen die Klägerinnen beim Gericht – hilfsweise in Bezug auf den ersten Klagegrund und ergänzend zum zweiten Klagegrund –, den angefochtenen Beschluss abzuändern und die gegen sie verhängte Geldbuße zusätzlich um 33 % herabzusetzen, um die von der CNC in ihrer Entscheidung vom 25. März 2013 verhängte Geldbuße zu berücksichtigen, deren Rechtmäßigkeit von der Audiencia Nacional, Sala de lo Contencioso (Zentralgericht, Kammer für Streitsachen) in ihrem Urteil vom 29. März 2017 bestätigt worden sei. Die Klägerinnen fügen im Wesentlichen hinzu, in diesem Urteil werde anerkannt, dass sich der „Zeitraum [der von der Kommission geahndeten Ereignisse mit dem Zeitraum der von der CNC geahndeten Ereignisse] überschneidet“ und dass es eine Überschneidung hinsichtlich des Erzeugnisses (Papierumschläge) gebe. Dies bestätige, dass hinsichtlich des organisatorischen Rahmens der von der CNC und der durch den angefochtenen Beschluss geahndeten Praktiken eine teilweise Überschneidung oder eine Übereinstimmung vorliege.

151    Die Kommission beantragt die Zurückweisung dieses Klagegrundes.

152    Mit dem vorliegenden Klagegrund machen die Klägerinnen einen Verstoß gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Nichtdiskriminierung, genauer gesagt, den Billigkeitsgrundsatz, geltend und begründen dies im Wesentlichen damit, dass die Kommission entgegen ihrer früheren Entscheidungspraxis im Rahmen der Berechnung der durch den ersten und den angefochtenen Beschluss verhängten Geldbuße die Geldbuße nicht berücksichtigt habe, die die CNC gegen sie in der Entscheidung vom 25. März 2013 als einziges Unternehmen unter den Adressaten des ersten Beschlusses verhängt habe, obwohl der Betrag dieser Geldbuße bereits mehr als 10 % ihres Gesamtumsatzes ausgemacht habe (vgl. Erwägungsgründe 46 bis 55 des angefochtenen Beschlusses).

153    Die Kommission hingegen macht geltend, dass der als solcher im Urteil vom 13. Februar 1969, Wilhelm u. a. (14/68, EU:C:1969:4, Rn. 11), anerkannte Billigkeitsgrundsatz im vorliegenden Fall nicht anwendbar sei.

154    Vorab ist darauf hinzuweisen, dass bei der Verkündung des Urteils vom 13. Februar 1969, Wilhelm u. a. (14/68, EU:C:1969:4), erstens das System der parallelen Zuständigkeiten der Kommission und der nationalen Wettbewerbsbehörden, das auf der Verordnung Nr. 1/2003 zur Durchführung der Art. 101 und 102 AEUV beruht, noch nicht bestand, zweitens die Zuständigkeiten der nationalen Behörden für die Anwendung insbesondere von Art. 101 AEUV – und nur von dessen Abs. 1 – beschränkter waren und drittens der Modus seiner Anwendung parallel zu der des nationalen Wettbewerbsrechts noch nicht durch eine Regelung im Sinne von Art. 103 AEUV klargestellt war (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. Februar 1969, Wilhelm u. a., 14/68, EU:C:1969:4, Rn. 2 bis 9, und vom 21. März 1974, BRT und Société belge des auteurs, compositeurs et éditeurs, 127/73, EU:C:1974:25, Rn. 7 ff.). Zudem ging es beim Urteil vom 13. Februar 1969, Wilhelm u. a. (14/68, EU:C:1969:4), um die alleinige Anwendung des deutschen Wettbewerbsrechts durch das Bundeskartellamt auf ein Kartell, gegen das die Kommission parallel ein Verfahren zur Anwendung von Art. 85 EWG eingeleitet hatte. Der Gerichtshof hat dort also die Möglichkeit berücksichtigt, dass die nationalen Wettbewerbsbehörden und die Kommission getrennt und kumulativ Geldbußen verhängen, um im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten das „gleiche Kartell“ zu ahnden, was die Notwendigkeit nach sich sieht, gemäß dem allgemeinen Billigkeitsgrundsatz eine „Doppelsanktion“ zu vermeiden.

155    Im vorliegenden Fall hat die CNC sowohl Art. 101 AEUV als auch das spanische Wettbewerbsrecht angewandt, im Einklang mit Art. 3 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 1/2003, die gerade die Verordnung im Sinne von Art. 103 Abs. 1 und 2 Buchst. e AEUV (früher Art. 87 Abs. 2 Buchst. e EWG) ist, mit der die in den Art. 101 und 102 AEUV niedergelegten Grundsätze verwirklicht werden sollen und das Verhältnis zwischen den innerstaatlichen Rechtsvorschriften und den Vorschriften des Unionsrechts festgelegt werden soll (im Sinne des Urteils vom 13. Februar 1969, Wilhelm u. a., 14/68, EU:C:1969:4, Rn. 4). Diese Verordnung sieht nicht nur vor, dass die Durchführung der Art. 101 und 102 AEUV auf der Grundlage der unmittelbaren Anwendbarkeit der Bestimmungen dieser Artikel einschließlich von Art. 101 Abs. 3 AEUV weitgehend den nationalen Wettbewerbsbehörden zugewiesen wird (vgl. vierter Erwägungsgrund dieser Verordnung, der auf das Legalausnahmesystem Bezug nimmt), sondern zielt auch darauf ab, gemäß der in ihrem Art. 3 vorgesehenen Konvergenzregel und dem Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts (Urteil vom 13. Februar 1969, Wilhelm u. a., 14/68, EU:C:1969:4, Rn. 6) die Kohärenz, ja sogar Einheitlichkeit der Anwendung des Wettbewerbsrechts der Union, vor allem von Art. 101 AEUV, und des entsprechenden nationalen Wettbewerbsrechts hinsichtlich des zu erreichenden Ziels zu wahren, wenn das Kriterium der Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten erfüllt ist.

156    Folglich kann man nicht mehr davon ausgehen, dass die von den nationalen Behörden und die von der Kommission eingeleiteten Verfahren im Sinne des Urteils vom 13. Februar 1969, Wilhelm u. a. (14/68, EU:C:1969:4, Rn. 11), „verschiedenen Zielen“ dienen, wenn, wie im vorliegenden Fall, der Anwendungsbereich von Art. 101 AEUV eröffnet ist. Dies liegt daran, dass zum einen diese Verfahren, da sie der Durchführung von Art. 101 AEUV dienen, unabhängig von der sie durchführenden Wettbewerbsbehörde den gleichen Zweck verfolgen, nämlich den Schutz des Wettbewerbs auf dem Binnenmarkt (vgl. in diesem Sinne Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Toshiba Corporation u. a., C‑17/10, EU:C:2011:552, Rn. 81), und dass zum anderen, soweit das nationale Wettbewerbsrecht anwendbar bleibt, seine Durchführung nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung Nr. 1/2003 zum gleichen Ergebnis führen muss wie die Anwendung des Wettbewerbsrechts der Union. Daraus folgt, dass im System der parallelen Zuständigkeiten gemäß dieser Verordnung eine „Doppelsanktion“ im Sinne des Urteils vom 13. Februar 1969, Wilhelm u. a. (14/68, EU:C:1969:4), nur im Fall einer parallelen Anwendung von Art. 102 AEUV und den entsprechenden, jedoch strengeren nationalen Rechtsvorschriften möglich ist, die ein einseitiges Verhalten eines Unternehmens untersagen oder ahnden, was im vorliegenden Fall nicht zutrifft.

157    Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen kann eine solche „Doppelsanktion“ auch nicht mit einer angeblichen Überschneidung der in Rede stehenden Zuwiderhandlungen begründet werden, zumal wegen deren jeweiligen territorialen Auswirkungen. Insoweit hat der Gerichtshof in einer vergleichbaren Situation, als parallel Wettbewerbsvorschriften des nationalen und des Unionsrechts durchgeführt wurden und die Anwendung des nationalen Rechts durch die nationale Wettbewerbsbehörde nur das wettbewerbswidrige Verhalten im nationalen Hoheitsgebiet betraf, während es bei dem von der Kommission eingeleiteten Verfahren zur Anwendung von Art. 101 AEUV um den wettbewerbswidrigen Charakter des gleichen Verhaltens im einheitlichen Markt mit Ausnahme des betreffenden nationalen Hoheitsgebiets ging, bereits entschieden, dass der Grundsatz ne bis in idem – der allerdings von den Klägerinnen nicht zur Stützung des vorliegenden Klagegrundes geltend gemacht wird – deshalb unanwendbar war, weil das Kriterium der Übereinstimmung der Sachverhalte nicht erfüllt war (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Februar 2012, Toshiba Corporation u. a., C‑17/10, EU:C:2012:72, Rn. 96 bis 103). Zudem war in der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen ist, die Frage der Anwendbarkeit des Billigkeitsgrundsatzes nicht aufgeworfen worden und stellte sich nicht so wie im Urteil vom 13. Februar 1969, Wilhelm u. a. (14/68, EU:C:1969:4, Rn. 11), in dem eine echte Doppelsanktion desselben Kartells in Gebieten bestand, die sich überschnitten, nämlich zum einen in Deutschland und zum anderen im Gemeinsamen Markt einschließlich Deutschlands. Hingegen sind im vorliegenden Fall ebenso wie bei dem Sachverhalt in der Rechtssache, in der das Urteil vom 14. Februar 2012, Toshiba Corporation u. a. (C‑17/10, EU:C:2012:72), ergangen ist, sowohl eine solche territoriale Überschneidung als auch eine solche Doppelsanktion von vornherein ausgeschlossen.

158    Es erübrigt sich, endgültig drüber zu entscheiden, ob der Billigkeitsgrundsatz auf Situationen angewandt werden kann, in denen Art. 101 AEUV und das entsprechende nationale Wettbewerbsrecht parallel zur Anwendung kommen. Festzustellen ist nämlich, dass im vorliegenden Fall die Sachverhalte, die dem ersten und dem angefochtenen Beschluss sowie der Entscheidung der CNC vom 25. März 2013 zugrunde liegen, weder das „gleiche Kartell“ noch eine „Doppelsanktion“ im Sinne des Urteils vom 13. Februar 1969, Wilhelm u. a. (14/68, EU:C:1969:4, Rn. 3 und 11), und aufgrund der Verschiedenheit der von den Zuwiderhandlungen betroffenen Gebiete und der unterschiedlichen Dauer der Zuwiderhandlungen schon gar keine identischen Sachverhalte betrafen. Wie die Kommission zu Recht betont hat, erstreckte sich die von ihr im Rahmen des ersten und des angefochtenen Beschlusses geprüfte und geahndete Zuwiderhandlung auf den Zeitraum vom 8. Oktober 2003 bis 22. April 2008, während die CNC wettbewerbswidriges Verhalten von 1977 bis 2010 (hinsichtlich der Wahlumschläge), von 1990 bis 2010 (hinsichtlich vorbedruckter Umschläge) und von 1994 bis 2010 (hinsichtlich der Standardumschläge und der Einschränkung des technologischen Fortschritts) untersuchte. Zudem ergibt sich aus dem Vorstehenden, dass die von diesem wettbewerbswidrigen Verhalten betroffenen Produkte nicht genau die gleichen waren wie diejenigen, die Gegenstand des von der Kommission geahndeten Kartells waren. Somit berufen sich die Klägerinnen zu Unrecht darauf, dass die durch diese Entscheidungen geahndeten wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen gemeinsame Elemente hätten. Da zum einen die CNC das Verhalten der Klägerinnen nur hinsichtlich seiner Auswirkungen auf das spanische Hoheitsgebiet und für einen anderen Zeitraum geahndet hat und zum anderen die Kommission dieses Hoheitsgebiet von ihrer sanktionsrechtlichen Verfolgung und dem Anwendungsbereich des ersten und des angefochtenen Beschlusses ausgeschlossen hat, können die Klägerinnen nicht behaupten, dass eine „Doppelsanktion“ im Sinne des Urteils vom 13. Februar 1969, Wilhelm u. a. (14/68, EU:C:1969:4, Rn. 11), bestand. Vielmehr erfordert unter diesen Umständen eine vollständige und hinreichend abschreckende Ahndung des wettbewerbswidrigen Verhaltens der Klägerinnen gerade die Berücksichtigung der Gesamtheit seiner Auswirkungen auf diese verschiedenen Gebiete, einschließlich der zeitlichen, so dass der Kommission nicht vorgeworfen werden kann, die gegen die Klägerinnen verhängte Geldbuße im ersten und im angefochtenen Beschluss aus denselben Gründen nicht ermäßigt zu haben.

159    Diese Beurteilung wird durch die frühere Entscheidungspraxis der Kommission zu anderen Sachverhalten nicht in Frage gestellt, unabhängig davon, ob sie mit dem Sachverhalt im vorliegenden Fall vergleichbar sind oder nicht. Insoweit genügt die Feststellung, dass nach gefestigter Rechtsprechung die frühere Entscheidungspraxis nicht den rechtlichen Rahmen für Geldbußen in Wettbewerbssachen bildet und Entscheidungen in anderen Fällen lediglich Hinweischarakter vor allem in Bezug auf das Vorliegen von Diskriminierungen oder einer Unverhältnismäßigkeit einer Geldbuße haben (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. Juli 2013, Team Relocations u. a./Kommission, C‑444/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:464, Rn. 82 und die dort angeführte Rechtsprechung, vom 10. Juli 2014, Telefónica und Telefónica de España/Kommission, C‑295/12 P, EU:C:2014:2062, Rn. 189, und vom 7. September 2016, Pilkington Group u. a./Kommission, C‑101/15 P, EU:C:2016:631, Rn. 68). Wie jedoch vor allem in Rn. 158 oben dargelegt worden ist, können die im vorliegenden Fall von den Klägerinnen vorgetragenen Rügen nicht untermauern, dass die gegen sie verhängte Geldbuße unverhältnismäßig ist.

160    Wie die Kommission feststellt, können die Klägerinnen schließlich nicht mit Erfolg behaupten, deshalb diskriminiert worden zu sein, weil sie das einzige Unternehmen gewesen seien, gegen das die CNC wegen der Teilnahme an dem entsprechenden Kartell in Spanien eine Geldbuße verhängt habe, da die CNC gegen eine Tochtergesellschaft Hamelin, Envel Europa, in derselben Entscheidung vom 25. März 2013 eine Geldbuße von 637 464 Euro verhängt habe, was von den Klägerinnen nicht bestritten wurde. In diesem Zusammenhang können sich die Klägerinnen auch nicht auf die angebliche Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Lage berufen, die Gegenstand einer Ermäßigung der Geldbuße im Sinne von Ziff. 35 der Leitlinien wegen fehlender Leistungsfähigkeit hätte sein können. Zum einen bestreiten sie nicht, es im Unterschied zu Bong und Hamelin im Verwaltungsverfahren auch nach dessen Wiedereröffnung verabsäumt zu haben, einen solchen Antrag an die Kommission zu stellen, und zum anderen haben sie keinen entsprechenden Antrag vor dem Gericht gestellt, vor allem zur Unterstützung ihres zweiten, hilfsweise gestellten Klageantrags auf Ermäßigung der verhängten Geldbuße.

161    Folglich ist der vorliegende Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

D.      Schlussfolgerungen

162    Nach alledem ist der Hauptantrag auf Nichtigerklärung zurückzuweisen.

163    Was den hilfsweise gestellten Antrag auf Herabsetzung der Geldbuße betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 261 EUV in Verbindung mit Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 der Unionsrichter eine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung besitzt, die ihn ermächtigt, über die reine Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Zwangsmaßnahme hinaus die Beurteilung der Kommission, der Urheberin des Rechtsakts, in dem der Betrag der Zwangsmaßnahme ursprünglich festgelegt wurde, im Hinblick auf die Festsetzung dieses Betrags durch seine eigene Beurteilung zu ersetzen. Der Unionsrichter kann daher den angefochtenen Rechtsakt, auch ohne ihn für nichtig zu erklären, unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände abändern und so die verhängte Geldbuße aufheben, herabsetzen oder erhöhen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Juli 2018, Orange Polska/Kommission, C‑123/16 P, EU:C:2018:590, Rn. 106 und die dort angeführte Rechtsprechung).

164    Dies setzt nach Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 für jedes sanktionierte Unternehmen die Berücksichtigung der Schwere und der Dauer der betreffenden Zuwiderhandlung unter Wahrung der Grundsätze u. a. der Begründungspflicht, der Verhältnismäßigkeit, der individuellen Sanktionsfestsetzung und der Gleichbehandlung voraus, ohne dass der Unionsrichter durch die von der Kommission in ihren Leitlinien definierten Richtlinien gebunden wäre (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Januar 2016, Galp Energía España u. a./Kommission, C‑603/13 P, EU:C:2016:38, Rn. 90).

165    Insoweit sind die Dauer der Zuwiderhandlungen sowie sämtliche Faktoren zu berücksichtigen, die für die Beurteilung der Schwere dieser Zuwiderhandlungen eine Rolle spielen, wie das Verhalten jedes einzelnen Unternehmens, die Rolle, die jedes Unternehmen bei der Abstimmung der Verhaltensweisen gespielt hat, der Gewinn, den die Unternehmen aus diesen Verhaltensweisen ziehen konnten, ihre Größe und der Wert der betreffenden Waren sowie die Gefahr, die derartige Zuwiderhandlungen für die Ziele der Union bedeuten. Ferner sind objektive Gesichtspunkte wie Inhalt und Dauer der wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen, deren Zahl und Intensität, der Umfang des betroffenen Marktes und die Schädigung der öffentlichen Wirtschaftsordnung einzubeziehen. Schließlich sind bei der Analyse auch die relative Bedeutung und der Marktanteil der verantwortlichen Unternehmen sowie ein etwaiger Wiederholungsfall zu berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Dezember 2011, Chalkor/Kommission, C‑386/10 P, EU:C:2011:815, Rn. 56 und 57).

166    Im vorliegenden Fall ist es Sache des Gerichts, in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung unter Bezugnahme auf die von den Klägerinnen zur Stützung ihres Antrags auf Neufestsetzung vorgetragenen Argumente den von ihm als am angemessensten erachteten Geldbußenbetrag festzusetzen und dabei vor allem auf die im Rahmen der Prüfung des zweiten Klagegrundes erfolgten Feststellungen Bezug zu nehmen (vgl. oben, insbesondere Rn. 136 bis 146) und alle tatsächlichen Umstände zu berücksichtigen.

167    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich der Wert der Verkaufserlöse der Klägerinnen im Jahr 2007 auf 143 316 000 Euro und ihr Umsatz im Jahr 2013 auf 121 728 000 Euro belief, was von den Klägerinnen nicht bestritten wurde.

168    Sodann weist die Zuwiderhandlung eine gewisse Schwere auf, da die Klägerinnen in vollem Umfang an einem Kartell beteiligt waren, mit dem bezweckt wurde, auf dem europäischen Markt für Standardumschläge nach Katalog und bedruckte Spezialumschläge, u. a. in Dänemark, Deutschland, Frankreich, Schweden, dem Vereinigten Königreich und Norwegen, die Verkaufspreise zu koordinieren, die Kundschaft aufzuteilen und vertrauliche Geschäftsinformationen auszutauschen.

169    Im Übrigen steht fest, dass die Klägerinnen vom 8. Oktober 2003 bis 22. April 2008 an der Zuwiderhandlung teilnahmen.

170    Was die Fehler der Kommission im Rahmen der Festsetzung der Beträge der Geldbuße betrifft, hat das Gericht im Wesentlichen festgestellt, dass im Rahmen der von der Kommission angewandten Methode der Gleichbehandlungsgrundsatz zwar auf die Klägerinnen, auf Bong, Hamelin und Mayer-Kuvert beachtet wurde, gegen diesen Grundsatz jedoch zugunsten von GPV verstoßen wurde (vgl. oben, Rn. 139 bis 142).

171    GPV befand sich zum einen wegen des relativ großen Werts ihrer Verkäufe des vom Kartell betroffenen Produkts im Jahr 2007, der der Bestimmung ihres nicht angepassten Grundbetrags zugrunde lag, und zum anderen wegen ihres im Vergleich zu den Gesamtumsätzen der anderen betroffenen Unternehmen besonders niedrigen Gesamtumsatzes in den Jahren 2012 und 2013 in einer besonderen Lage, so dass in ihrem Fall die Berücksichtigung des Produkt-Umsatz-Verhältnisses und der Obergrenze von 10 % bei der Anpassung ihres Grundbetrags notwendigerweise zu einer wesentlichen Ermäßigung dieses Betrags führen musste. Angesichts dieser besonderen, anders gelagerten Situation von GPV und der Ungeeignetheit der von der Kommission auf sie angewandten Methode für die Anpassung der Grundbeträge ist daher festzustellen, dass die anderen betroffenen Unternehmen, einschließlich der Klägerinnen, deren Situation mit der von GPV nicht vergleichbar war, da ihre Gesamtumsätze viel höher waren, nicht in den Genuss einer Ermäßigung kommen dürfen, die jener von GPV entspricht.

172    Aufgrund der vorstehenden Erwägungen, einschließlich der oben in den Rn. 158 bis 160 dargelegten, und der Notwendigkeit, die verschiedenen bei der Festsetzung des Betrags der Geldbuße zu berücksichtigenden Faktoren gegeneinander abzuwägen (vgl. oben, Rn. 164 und 165), ist das Gericht der Auffassung, dass der Betrag der gegen die Klägerinnen verhängten Geldbuße insbesondere angesichts der Schwere der Zuwiderhandlung und der Dauer ihrer Beteiligung angemessen und nicht herabzusetzen ist.

173    Daher ist der von den Klägerinnen hilfsweise gestellte Antrag auf Neufestsetzung zurückzuweisen, soweit er auf eine Herabsetzung des Betrags der gegen sie verhängten Geldbuße von 4 729 000 Euro abzielt.

174    Somit ist die Klage insgesamt abzuweisen.

IV.    Kosten

175    Gemäß Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Gemäß Art. 135 Abs. 1 der Verfahrensordnung kann das Gericht aus Gründen der Billigkeit jedoch ausnahmsweise entscheiden, dass eine unterliegende Partei neben ihren eigenen Kosten nur einen Teil der Kosten der Gegenpartei trägt. Außerdem kann das Gericht nach Art. 135 Abs. 2 der Verfahrensordnung auch eine obsiegende Partei zur Tragung eines Teils der Kosten oder sämtlicher Kosten verurteilen, wenn dies wegen ihres Verhaltens, auch vor Klageerhebung, gerechtfertigt erscheint. Insbesondere ist es dem Gericht möglich, ein Organ, dessen Entscheidung nicht für nichtig erklärt worden ist, zur Tragung der Kosten zu verurteilen, wenn diese Entscheidung aufgrund ihrer Unzulänglichkeit einen Kläger möglicherweise zur Erhebung einer Klage veranlasst hat (vgl. entsprechend Urteil vom 22. April 2016, Italien und Eurallumina/Kommission, T‑60/06 RENV II und T‑62/06 RENV II, EU:T:2016:233, Rn. 245 und die dort angeführte Rechtsprechung).

176    Zwar sind die Klägerinnen im vorliegenden Fall mit ihrem ersten und ihrem zweiten Klageantrag unterlegen. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass sich bei der Prüfung der Klage in der vorliegenden Rechtssache gezeigt hat, dass die Kommission sowohl bei der Festlegung der Methode für die Anpassung der Grundbeträge der Geldbußen als auch hinsichtlich der Art und Weise, in der sie sie anwandte und ihren Beschluss begründete (vgl. oben, Rn. 139 bis 142), nicht sorgfältig genug war, ohne dass diese Gründe jedoch ausreichen, um den Klageanträgen stattzugeben. Diese mangelnde Sorgfalt ist umso bedauerlicher, als der angefochtene Beschluss der zweite ist, mit dem gegen die Klägerinnen wegen der in Rede stehenden Zuwiderhandlung eine Geldbuße verhängt wurde, nachdem sie bereits die Nichtigerklärung des ersten Beschlusses wegen eines Begründungsmangels im Urteil vom 13. Dezember 2016, Printeos u. a./Kommission (T‑95/15, EU:T:2016:722), erwirkt hatten. Das Gericht ist der Ansicht, dass diese Gründe die Klägerinnen möglicherweise zur Erhebung ihrer Klagen veranlasst haben.

177    Unter diesen Umständen hält das Gericht es für recht und billig, die Kommission dazu zu verurteilen, ihre eigenen Kosten und die den Klägerinnen entstandenen Kosten zu tragen.

Aus diesen Gründen hat das

DAS GERICHT (Dritte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Europäische Kommission trägt die Kosten.

Van der Woude

Frimodt Nielsen

Kreuschitz

Półtorak

 

      Perillo

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 24. September 2019.

Unterschriften


Inhaltsverzeichnis



*      Verfahrenssprache: Spanisch.