Language of document : ECLI:EU:T:2013:616

URTEIL DES GERICHTS (Achte Kammer)

28. November 2013(*)

„Gemeinschaftsmarke – Widerspruchsverfahren – Eintragung der Gemeinschaftswortmarke Ganeder – Ältere Gemeinschaftswortmarke Ganter – Relatives Eintragungshindernis – Ähnlichkeit der Zeichen – Verwechslungsgefahr – Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 207/2009“

In der Rechtssache T‑374/09

Lorenz Shoe Group AG mit Sitz in Taufkirchen an der Pram (Österreich), Prozessbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwalt M. Douglas, dann Rechtsanwalt N. Hebeis,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch R. Pethke und A. Schifko als Bevollmächtigte,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des HABM und Streithelferin vor dem Gericht:

Fuzhou Fuan Leather Plastics Clothing Making Co. Ltd mit Sitz in Cangshan Fuzhou (China), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt A. Paschke,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des HABM vom 16. Juli 2009 (Sache R 1289/2008‑1) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen der shoe fashion group Lorenz AG und der Fuzhou Fuan Leather Plastics Clothing Making Co. Ltd

erlässt

DAS GERICHT (Achte Kammer)

unter Mitwirkung der Richterin M. E. Martins Ribeiro in Wahrnehmung der Aufgaben der Präsidentin sowie der Richter A. Popescu (Berichterstatter) und C. Wetter,

Kanzler: T. Weiler, Verwaltungsrätin,

aufgrund der am 28. September 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 12. Januar 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des HABM,

aufgrund der am 12. Februar 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung der Streithelferin,

aufgrund der am 14. Juli 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Erwiderung der Klägerin,

auf die mündliche Verhandlung vom 5. September 2013, an der die Streithelferin nicht teilgenommen hat,

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 31. Mai 2006 meldete die Streithelferin, die Fuzhou Fuan Leather Plastics Clothing Making Co. Ltd, nach der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in ihrer geänderten Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke [ABl. L 78, S. 1]) beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) eine Gemeinschaftsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen Ganeder.

3        Die Marke wurde u. a. für folgende Waren der Klassen 14, 18 und 25 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–        Klasse 14: „Schmuck“;

–        Klasse 18: „Taschen, soweit in Klasse 18 enthalten“;

–        Klasse 25: „Bekleidung, Lederbekleidung, Schuhe“.

4        Die Anmeldung wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 46/2006 vom 13. November 2006 veröffentlicht.

5        Die Klägerin, die Lorenz Shoe Group AG, vormals shoe fashion group Lorenz AG, erhob am 13. Februar 2007 gegen die Eintragung der angemeldeten Marke für einen Teil der oben in Randnr. 3 angeführten Waren, nämlich „Schuhe“ der Klasse 25, einen Widerspruch nach Art. 42 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 41 der Verordnung Nr. 207/2009).

6        Der Widerspruch wurde auf die ältere Gemeinschaftswortmarke Ganter gestützt, die am 16. Dezember 2008 unter der Nr. 469262 für Waren der Klasse 25 („Schuhe, Sandalen, Sandaletten, Pantoletten, Hausschuhe, Stiefel, Wanderschuhe“) eingetragen worden war.

7        Als Widerspruchsgrund wurde das Eintragungshindernis des Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009) angeführt.

8        Die Widerspruchsabteilung wies den Widerspruch am 8. Juli 2008 zurück.

9        Am 8. September 2008 legte die Klägerin beim HABM nach den Art. 57 bis 62 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009) Beschwerde gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung ein.

10      Mit Entscheidung vom 16. Juli 2009 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Erste Beschwerdekammer des HABM die Beschwerde zurück.

11      Insbesondere war die Beschwerdekammer der Ansicht, dass die maßgeblichen Verkehrskreise aus den Durchschnittsverbrauchern im Hoheitsgebiet der Europäischen Gemeinschaft bestünden, deren Aufmerksamkeitsgrad relativ hoch sei, da es sich bei den betreffenden Waren zwar nicht um solche handele, die vom Verbraucher tagtäglich eingekauft würden, jedoch um solche, die im Alltagsleben unabdingbar seien. Die Beschwerdekammer stellte außerdem fest, dass die von den einander gegenüberstehenden Zeichen erfassten Waren identisch seien.

12      In Bezug auf den Zeichenvergleich vertrat die Beschwerdekammer die Auffassung, dass sich die Zeichen in visueller Hinsicht aufgrund ihrer unterschiedlichen Zentren, ihrer „Kürze“ und des Fehlens dominierender oder besonders unterscheidungskräftiger Bestandteile deutlich unterschieden. In klanglicher Hinsicht gebe es auch bei der Aussprache Unterschiede. Die ältere Marke sei zweisilbig, die angemeldete Marke hingegen dreisilbig. Aber auch unabhängig von der Beachtung dieser Silbenaufteilung sorge die andersartige Gestaltung der Zeichenzentren für einen klanglichen Unterschied. Zu diesem Ergebnis komme man auch ungeachtet der Tatsache, dass die Zeichen in ihrer Mitte die verschiedenen Konsonanten „d“ und „t“ beinhalteten. In begrifflicher Hinsicht biete die semantische Deutung keinen nützlichen Anhaltspunkt für einen Vergleich der Zeichen.

13      Die Beschwerdekammer kam daher zu dem Ergebnis, dass aufgrund der klaren visuellen und klanglichen Unterschiede zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen eine Verwechslungsgefahr für die maßgebenden Verkehrskreise zu verneinen sei.

 Verfahren und Anträge der Parteien

14      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem HABM die Kosten aufzuerlegen.

15      Das HABM beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

16      Die Streithelferin beantragt, die Klage abzuweisen.

 Rechtliche Würdigung

 Zur Zulässigkeit der Klagebeantwortung der Streithelferin

17      In ihrer Erwiderung erhebt die Klägerin gegen die Erklärungen der Streithelferin im vorliegenden Verfahren den Verspätungseinwand. Denn die Streithelferin habe sich weder im Widerspruchsverfahren noch im Beschwerdeverfahren vor dem HABM geäußert.

18      Hierzu genügt die Feststellung, dass sich nach Art. 134 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts die Parteien des Verfahrens vor der Beschwerdekammer mit Ausnahme des Klägers als Streithelfer am Verfahren vor dem Gericht beteiligen können, indem sie form- und fristgerecht eine Klagebeantwortung einreichen. Nach Art. 134 § 2 der Verfahrensordnung verfügen die in § 1 bezeichneten Streithelfer über dieselben prozessualen Rechte wie die Parteien.

19      Im vorliegenden Fall geht aus den Akten des HABM hervor, dass die Streithelferin vor dem Gericht als Anmelderin der Wortmarke Ganeder Partei des Verfahrens vor dem HABM war. Somit kann sie sich gemäß Art. 134 §§ 1 und 2 der Verfahrensordnung am Verfahren vor dem Gericht beteiligen und verfügt über dieselben prozessualen Rechte wie die Parteien. Der Umstand, dass sie in den Verfahren vor dem HABM keine Erklärungen abgegeben hat, kann ihr daher nicht ihre prozessualen Rechte vor dem Gericht nehmen.

20      Folglich ist diese Rüge der Klägerin zurückzuweisen.

 Zur Begründetheit

21      Die Klägerin stützt ihre Klage auf einen einzigen Klagegrund, mit dem sie einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 geltend macht.

22      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin in ihrer Erwiderung einen Verstoß gegen Art. 76 der Verordnung Nr. 207/2009 gerügt hatte. In der mündlichen Verhandlung hat sie jedoch erklärt, dass sie diese Rüge zurücknehme, was im Sitzungsprotokoll vermerkt worden ist.

23      Die Klägerin wendet sich im Wesentlichen dagegen, wie die Beschwerdekammer den Aufmerksamkeitsgrad der maßgeblichen Verkehrskreise sowie die visuelle und klangliche Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen beurteilt hat, und macht geltend, dass diese die Verwechslungsgefahr zu Unrecht verneint habe.

24      Nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 ist die angemeldete Marke auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke von der Eintragung ausgeschlossen, wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit der älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere Marke Schutz genießt. Dabei schließt die Gefahr von Verwechslungen die Gefahr ein, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.

25      Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine Verwechslungsgefahr dann vor, wenn das Publikum glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Nach dieser Rechtsprechung ist das Vorliegen von Verwechslungsgefahr umfassend, gemäß der Wahrnehmung der betreffenden Zeichen sowie der Waren oder Dienstleistungen durch die maßgeblichen Verkehrskreise und unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Wechselbeziehung zwischen der Ähnlichkeit der Zeichen und der der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen, zu beurteilen (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 3. September 2009, Aceites del Sur-Coosur/Koipe, C‑498/07 P, Slg. 2009, I‑7371, Randnr. 59; vgl. auch Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2003, Laboratorios RTB/HABM – Giorgio Beverly Hills [GIORGIO BEVERLY HILLS], T‑162/01, Slg. 2003, II‑2821, Randnrn. 30 bis 33 und die dort angeführte Rechtsprechung, Urteil des Gerichts vom 8. September 2010, Quinta do Portal/HABM – Vallegre [PORTO ALEGRE], T‑369/09, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 18).

26      Bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist auf einen normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren abzustellen. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass sich dem Durchschnittsverbraucher nur selten die Möglichkeit bietet, verschiedene Marken unmittelbar miteinander zu vergleichen, sondern er sich auf das unvollkommene Bild verlassen muss, das er von ihnen im Gedächtnis behalten hat. Zu bedenken ist auch, dass die Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers je nach Art der betreffenden Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann (Urteile des Gerichts vom 23. Oktober 2002, Oberhauser/HABM – Petit Liberto [Fifties], T‑104/01, Slg. 2002, II‑4359, Randnr. 28, vom 30. Juni 2004, BMI Bertollo/HABM – Diesel [DIESELIT], T‑186/02, Slg. 2004, II‑1887, Randnr. 38, und vom 21. April 2010, Peek & Cloppenburg und van Graaf/HABM – Queen Sirikit Institute of Sericulture [Thai Silk], T‑361/08, Slg. 2010, II‑1207, Randnr. 51).

27      Die von der Beschwerdekammer vorgenommene Beurteilung der Gefahr von Verwechslungen zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen ist im Licht der vorstehenden Erwägungen zu prüfen.

 Zu den maßgeblichen Verkehrskreisen

28      Die Definition der maßgeblichen Verkehrskreise wird nicht in Zweifel gezogen. Es ist unstreitig, dass die maßgeblichen Verkehrskreise, wie die Beschwerdekammer in Randnr. 12 der angefochtenen Entscheidung zutreffend festgestellt hat, aus den Durchschnittsverbrauchern im Hoheitsgebiet der Europäischen Union bestehen.

29      Die Verfahrensbeteiligten sind sich jedoch uneinig darüber, welcher Aufmerksamkeitsgrad der maßgeblichen Verkehrskreise bei Erwerb der fraglichen Waren anzunehmen ist.

30      Wie sie in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat, wirft die Klägerin der Beschwerdekammer vor, zu Unrecht einen erhöhten Aufmerksamkeitsgrad der maßgeblichen Verkehrskreise angenommen zu haben.

31      Zum Aufmerksamkeitsgrad der maßgeblichen Verkehrskreise ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer in Randnr. 12 der angefochtenen Entscheidung zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass der Aufmerksamkeitsgrad der maßgeblichen Verkehrskreise relativ hoch sei, da es sich bei den fraglichen Waren zwar nicht um solche handele, die vom Verbraucher tagtäglich eingekauft würden, jedoch um solche, die im Alltagsleben unabdingbar seien.

32      Entgegen der Ansicht des HABM sind Schuhe nämlich Massenkonsumgüter, die vom Durchschnittsverbraucher, dessen Aufmerksamkeitsgrad beim Kauf dieser Waren nicht höher als durchschnittlich sein wird, häufig gekauft und verwendet werden. Der Aufmerksamkeitsgrad in Bezug auf diese Waren wird nicht höher als durchschnittlich sein, weil diese Waren weder teuer noch selten sind, ihr Erwerb und ihre Verwendung keine speziellen Kenntnisse erfordern und sie keine schwerwiegenden Auswirkungen auf die Gesundheit, das Budget oder das Leben des Verbrauchers haben (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 25. Mai 2012, Nike International/HABM – Intermar Simanto Nahmias [JUMPMAN], T‑233/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 22, und vom 19. April 2013, Hultafors Group/HABM – Società Italiana Calzature [Snickers], T‑537/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 23).

33      Daher ist der Klägerin darin zuzustimmen, dass der Beschwerdekammer ein Fehler unterlaufen ist, als sie den Aufmerksamkeitsgrad der maßgeblichen Verkehrskreise hinsichtlich der fraglichen Waren und ihrer Marken als relativ hoch eingestuft hat.

 Zum Warenvergleich

34      Zum Warenvergleich genügt der Hinweis, dass die von der Beschwerdekammer in Randnr. 13 der angefochtenen Entscheidung getroffene Feststellung, dass die fraglichen Waren, nämlich Schuhe der Klasse 25, identisch seien, von der Klägerin nicht bestritten worden ist. Dieser Feststellung ist zuzustimmen.

 Zum Zeichenvergleich

35      Bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr hinsichtlich der Ähnlichkeit der betreffenden Marken in Bild, Klang oder Bedeutung ist auf den von ihnen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr kommt es entscheidend darauf an, wie die Marke vom Durchschnittsverbraucher dieser Waren oder Dienstleistungen wahrgenommen wird. Der Durchschnittsverbraucher nimmt eine Marke regelmäßig als Ganzes wahr und achtet nicht auf die verschiedenen Einzelheiten (vgl. u. a. Urteile des Gerichtshofs vom 11. November 1997, SABEL, C‑251/95, Slg. 1997, I‑6191, Randnr. 23, und vom 22. Juni 1999, Lloyd Schuhfabrik Meyer, C‑342/97, Slg. 1999, I‑3819, Randnr. 25, sowie Beschluss des Gerichtshofs vom 28. April 2004, Matratzen Concord/HABM, C‑3/03 P, Slg. 2004, I‑3657, Randnr. 29).

36      Die Klägerin hält den von der Beschwerdekammer vorgenommenen visuellen Zeichenvergleich für fehlerhaft.

37      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass in beiden Zeichen die Buchstaben „G“, „a“, „n“, „e“ und „r“ in derselben Reihenfolge vorkommen. Der einzige visuelle Unterschied zwischen den Zeichen besteht in den Buchstaben „e“ und „d“ in der Mitte der angemeldeten Marke und dem Buchstaben „t“ in der Mitte der älteren Marke.

38      Obwohl die beiden Buchstaben „e“ und „d“ nur in der angemeldeten Marke vorhanden sind und in der älteren Marke durch den Buchstaben „t“ ersetzt werden, heißt das entgegen der Annahme der Beschwerdekammer in Randnr. 16 der angefochtenen Entscheidung nicht, dass dieser geringe Unterschied ausreichte, um jede visuelle Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen auszuschließen.

39      Der Verbraucher schenkt nämlich normalerweise den Wortanfängen größere Aufmerksamkeit, so dass der in beiden Zeichen gleiche Wortstamm „Gan“ eine visuelle Ähnlichkeit hervorruft, die noch durch die Endung „er“ am Ende dieser Zeichen verstärkt wird (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 17. März 2004, El Corte Inglés/HABM – González Cabello und Iberia, Líneas Aéras de España [MUNDICOR], T‑183/02 und T‑184/02, Slg. 2004, II‑965, Randnr. 81, und vom 7. September 2006, Meric/HABM – Arbora & Ausonia [PAM-PIM’S BABY‑PROP], T‑133/05, Slg. 2006, II‑2737, Randnr. 51).

40      Zwar trifft es zu, dass, wie das HABM geltend macht, im Allgemeinen bei relativ kurzen Wortzeichen die Bestandteile in der Mitte ebenso wichtig sind wie die am Anfang und am Ende des Zeichens (vgl. Urteil des Gerichts vom 20. April 2005, Krüger/HABM – Calpis [CALPICO], T‑273/02, Slg. 2005, II‑1271, Randnr. 39). Jedoch ändert das nichts daran, dass die Beschwerdekammer, obwohl sie in Randnr. 16 der angefochtenen Entscheidung darauf hinweist, dass die Zeichen in ihrer Gesamtheit miteinander zu vergleichen seien, sich nur auf die geringen Unterschiede in der Mitte der beiden Zeichen konzentriert und die Identität ihres Anfangs und ihres Endes vernachlässigt hat.

41      Schließlich ist in Übereinstimmung mit der Klägerin festzustellen, dass die in Randnr. 17 der angefochtenen Entscheidung angestellten Erwägungen der Beschwerdekammer, wonach die einander gegenüberstehenden Zeichen keine Besonderheiten in Form eines dominierenden oder besonders unterscheidungskräftigen Elements aufwiesen, nur bestätigen können, dass die geringen Unterschiede in ihren Zentren die Aufmerksamkeit des Verbrauchers nicht mehr auf sich ziehen als ihre Anfänge und Enden.

42      Die Unterschiede zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen reichen somit nicht für eine Verneinung ihrer visuellen Ähnlichkeit aus. Demnach ist der Beschwerdekammer ein Beurteilungsfehler unterlaufen, als sie einen klaren visuellen Unterschied zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen angenommen hat.

43      Was den klanglichen Vergleich anbelangt, wirft die Klägerin der Beschwerdekammer im Wesentlichen vor, diesen fehlerhaft ohne Gesamtbetrachtung der Zeichen vorgenommen zu haben. Die angefochtene Entscheidung verweile bei den Unterschieden und bewerte diese über.

44      Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass mit Ausnahme des Buchstabens „t“ alle Buchstaben, die das Zeichen Ganter bilden, im Zeichen Ganeder enthalten sind. Zudem stehen diese Buchstaben in beiden Zeichen in derselben Reihenfolge, wobei die Buchstaben „g“, „a“ und „n“ sowie die beiden letzten Buchstaben „e“ und „r“ identisch sind.

45      Zwar sind die Silbenstrukturen der einander gegenüberstehenden Zeichen, wie die Beschwerdekammer in Randnr. 18 der angefochtenen Entscheidung ausführt, unterschiedlich, denn die angemeldete Marke ist mit den Silben „Ga“, „ne“ und „der“ dreisilbig und die ältere Marke mit den Silben „Gan“ und „ter“ nur zweisilbig. Jedoch sind die ersten Silben der beiden Zeichen sehr ähnlich. Wie schon oben in Randnr. 39 ausgeführt, richtet sich die Aufmerksamkeit des Verbrauchers normalerweise vor allem auf den Wortanfang. Ferner enthalten sowohl die letzte Silbe der angemeldeten Marke als auch die letzte Silbe der älteren Marke den Vokal „e“ und den Endkonsonanten „r“. Dies führt bei Aussprache zu einem ähnlichen Klang.

46      In Anbetracht dieser Erwägungen kann entgegen den Ausführungen der Beschwerdekammer in Randnr. 18 der angefochtenen Entscheidung nicht wegen einer zusätzlichen Silbe in der älteren Marke jede klangliche Ähnlichkeit zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen ausgeschlossen werden, da eine solche Ähnlichkeit anhand des Gesamteindrucks zu beurteilen ist, den die Zeichen hervorrufen, wenn sie vollständig ausgesprochen werden (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 13. Juni 2012, XXXLutz Marken/HABM – Meyer Manufacturing [CIRCON], T‑542/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 50).

47      Was außerdem die Betonung der beiden Zeichen anbelangt, ist, wie die Klägerin und das HABM in der mündlichen Verhandlung bestätigt haben, nicht auszuschließen, dass ein deutschsprachiger Verbraucher sowohl das Wort „Ganter“ als auch das Wort „Ganeder“ auf der ersten Silbe betonen wird, was die klangliche Ähnlichkeit der beiden Zeichen verstärkt.

48      Daher ist selbst dann, wenn man unterstellt, dass die Buchstaben „t“ und „d“, wie das HABM geltend macht, nicht als ähnlich anzusehen sind, von einer klanglichen Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen auszugehen. Die Beschwerdekammer hat deshalb in den Randnrn. 18 und 19 der angefochtenen Entscheidung zu Unrecht angenommen, dass sich die beiden Zeichen klanglich unterschieden.

49      Zum begrifflichen Vergleich genügt die Feststellung, dass der in Randnr. 20 der angefochtenen Entscheidung wiedergegebene Standpunkt der Beschwerdekammer, eine semantische Deutung liefere keinen Anhaltspunkt für den Zeichenvergleich, von der Klägerin nicht in Frage gestellt worden ist und zu bestätigen ist.

50      Nach alledem sind die beiden fraglichen Zeichen in Anbetracht ihrer festgestellten visuellen und klanglichen Ähnlichkeit einander insgesamt ähnlich.

 Zur Verwechslungsgefahr

51      Die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr impliziert eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen. So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (Urteil des Gerichtshofs vom 29. September 1998, Canon, C‑39/97, Slg. 1998, I‑5507, Randnr. 17, und Urteil des Gerichts vom 14. Dezember 2006, Mast-Jägermeister/HABM – Licorera Zacapaneca [VENADO mit Rahmen u. a.], T‑81/03, T‑82/03 und T‑103/03, Slg. 2006, II‑5409, Randnr. 74).

52      Die Klägerin wirft der Beschwerdekammer vor, dass sie nicht den Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Zeichen geprüft habe. Vielmehr habe sie nur die visuellen und klanglichen Unterschiede der Zeichen hervorgehoben und auf dieser Grundlage eine Verwechslungsgefahr verneint.

53      Die Klägerin rügt zudem, dass die von der Beschwerdekammer vorgenommene umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr widersprüchlich sei, da sie einerseits eine mittlere Zeichenähnlichkeit feststelle, dann aber ausführe, dass trotz der Warenidentität „aufgrund der klaren visuellen und klanglichen Unterschiede“ eine Verwechslungsgefahr ausgeschlossen sei.

54      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Waren, wie oben in Randnr. 34 festgestellt, identisch und die einander gegenüberstehenden Zeichen, wie oben in Randnr. 50 ausgeführt, sowohl in visueller als auch in klanglicher Hinsicht ähnlich sind.

55      Zudem werden die maßgeblichen Verkehrskreise, die aus den Durchschnittsverbrauchern im Hoheitsgebiet der Union bestehen, nach den Erwägungen in den Randnrn. 28 bis 33 des vorliegenden Urteils beim Kauf der fraglichen Waren einen mittleren Aufmerksamkeitsgrad aufbringen.

56      Unter diesen Umständen erweisen sich die Identität der von den einander gegenüberstehenden Zeichen erfassten Waren und der Grad der Ähnlichkeit dieser Zeichen als ausreichend hoch, um eine Verwechslungsgefahr bejahen zu können.

57      Entgegen der Auffassung der Beschwerdekammer in Randnr. 23 der angefochtenen Entscheidung ist im Ergebnis damit eine Gefahr von Verwechslungen zwischen den Zeichen zu bejahen, ohne dass auf eine etwaige Widersprüchlichkeit bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr in der angefochtenen Entscheidung einzugehen wäre.

58      Nach alledem ist dem einzigen Klagegrund der Klägerin stattzugeben und die angefochtene Entscheidung aufzuheben.

 Kosten

59      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das HABM unterlegen ist, sind ihm, wie von der Klägerin beantragt, seine eigenen Kosten und die der Klägerin aufzuerlegen.

60      Nach Art. 87 § 4 Abs. 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht entscheiden, dass ein Streithelfer seine eigenen Kosten trägt. Da die Streithelferin mit ihren Anträgen unterlegen ist, trägt sie ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Achte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) vom 16. Juli 2009 (Sache R 1289/2008‑1) wird aufgehoben.

2.      Das HABM trägt seine eigenen Kosten und die Kosten der Lorenz Shoe Group AG.

3.      Die Fuzhou Fuan Leather Plastics Clothing Making Co. Ltd trägt ihre eigenen Kosten.

Martins Ribeiro

Popescu

Wetter

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 28. November 2013.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.