Language of document : ECLI:EU:T:2020:227

URTEIL DES GERICHTS (Vierte Kammer)

28. Mai 2020(*)

„Unionsmarke – Widerspruchsverfahren – Anmeldung der Unionsbildmarke AUREA BIOLABS – Ältere Unionswortmarke AUREA – Relatives Eintragungshindernis – Verwechslungsgefahr – Ähnlichkeit der Waren – Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) 2017/1001 – Berichtigung der Entscheidung der Beschwerdekammer – Art. 102 der Verordnung 2017/1001“

In den Rechtssachen T‑724/18 und T‑184/19,

Aurea Biolabs Pte Ltd mit Sitz in Kochi, Indien, Prozessbevollmächtigte: B. Brandreth, QC, und L. Oommen, Solicitor,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch K. Kompari, H. O’Neill und V. Ruzek als Bevollmächtigte,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO und Streithelferin vor dem Gericht:

Avizel SA mit Sitz in Luxemburg (Luxemburg), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin C. De Keersmaeker und Rechtsanwalt W.‑J. Cosemans,

betreffend, in der Rechtssache T‑724/18, eine Klage gegen die Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des EUIPO vom 11. September 2018 (Sache R 814/2018‑2) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen Avizel und Aurea Biolabs und, in der Rechtssache T‑184/19, eine Klage gegen die Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des EUIPO vom 29. Januar 2019 (Sache R 814/2018‑2 [KORR]) zur Berichtigung der Entscheidung vom 11. September 2018

erlässt

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten S. Gervasoni (Berichterstatter) sowie der Richterin R. Frendo und des Richters J. Martín y Pérez de Nanclares,

Kanzler: A. Juhász-Tóth, Verwaltungsrätin,

aufgrund der am 7. Dezember 2018 (Rechtssache T‑724/18) und 27. März 2019 (Rechtssache T‑184/19) bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschriften,

aufgrund der vom EUIPO in der Rechtssache T‑184/19 mit am 28. Mai 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem Schriftsatz erhobenen Unzulässigkeitseinrede,

aufgrund der am 28. Juni 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen schriftlichen Stellungnahmen zur Unzulässigkeitseinrede,

aufgrund des Beschlusses vom 11. Juli 2019 in der Rechtssache T‑184/19, die Entscheidung über die Unzulässigkeitseinrede dem Endurteil vorzubehalten,

aufgrund der am 18. März 2019 (Rechtssache T‑724/18) und 24. September 2019 (Rechtssache T‑184/19) bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortungen des EUIPO,

aufgrund der am 14. März 2019 (Rechtssache T‑724/18) und 3. Juni 2019 (Rechtssache T‑184/19) bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortungen der Streithelferin,

aufgrund der Änderung der Zusammensetzung der Kammern des Gerichts,

aufgrund des Beschlusses vom 12. November 2019, die Rechtssachen T‑724/18 und T‑184/19 zu gemeinsamem mündlichen Verfahren zu verbinden,

auf die mündliche Verhandlung vom 22. Januar 2020, in der die Beteiligten Erklärungen zu einer etwaigen Verbindung der Rechtssachen T‑724/18 und T‑184/19 zu gemeinsamer Entscheidung abgegeben haben,

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 19. September 2016 meldete die Klägerin, die Aurea Biolabs Pte Ltd, nach der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EU] 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke [ABl. 2017, L 154, S. 1]) beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eine Unionsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das folgende Bildzeichen:

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3        Die Eintragung wurde für folgende Waren der Klasse 5 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet: „Nahrungsergänzungsmittel; Nahrungsergänzungsmittel für diätetische Zwecke; Nahrungsergänzungsgetränke; mit Nährstoffen angereicherte diätetische Getränke; Nahrungsergänzungsmittel für diätetische Zwecke, d. h. funktionelle Nahrungsmittel zur Verwendung als Nährmittel oder Nahrungsergänzungsstoffe; Vitamin- und Mineralstoffzusätze“.

4        Am 30. Januar 2017 erhob die Streithelferin, die Avizel SA, nach Art. 41 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 46 der Verordnung 2017/1001) Widerspruch gegen die Eintragung der angemeldeten Marke für die oben in Rn. 3 genannten Waren.

5        Der Widerspruch wurde auf die am 12. März 2015 unter der Nr. 13493432 eingetragene ältere Unionswortmarke AUREA gestützt.

6        Die ältere Marke ist für folgende Waren der Klassen 3 und 5 eingetragen:

–        Klasse 3: „Seifen; Ätherische Öle; Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, ausgenommen Parfums und Eaux de Toilette; Haarlotionen“;

–        Klasse 5: „Kühlcremes für medizinische Zwecke; (medizinische) Babycremes; medizinische Körpercremes; Handcremes für medizinische Zwecke; medizinische Gesichtscremes; medizinische Cremes für die Lippen; medizinische Cremes für die Füße; medizinische Hautcremes; arzneimittelhaltige Cremes zum Schutz der Haut; Hautpflegecremes für medizinische Zwecke“.

7        Als Widerspruchsgrund wurde das Eintragungshindernis nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001) geltend gemacht.

8        Am 6. März 2018 gab die Widerspruchsabteilung dem Widerspruch mit der Begründung statt, dass Verwechslungsgefahr bestehe, und wies die Markenanmeldung zurück.

9        Am 3. Mai 2018 legte die Klägerin beim EUIPO gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung Beschwerde nach den Art. 66 bis 71 der Verordnung 2017/1001 ein.

10      Mit Entscheidung vom 11. September 2018 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Zweite Beschwerdekammer des EUIPO die Beschwerde zurück. Sie ging insbesondere davon aus, dass das relevante Gebiet für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr das der Europäischen Union sei und dass sich die maßgeblichen Verkehrskreise teilweise aus medizinischen Fachleuten und teilweise aus der breiten Öffentlichkeit als Endverbrauchern zusammensetze, deren Aufmerksamkeitsgrad hoch sei (Rn. 17 bis 24 der angefochtenen Entscheidung). Die Beschwerdekammer nahm weiter an, dass die von den einander gegenüberstehenden Marken erfassten Waren der Klasse 5 zumindest zu einem geringen Grad ähnlich seien, und folgerte daraus, dass es nicht erforderlich sei, das Vorliegen einer etwaigen Ähnlichkeit zwischen den in der Markenanmeldung bezeichneten Waren und den von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 3 zu beurteilen (Rn. 25 bis 38 der angefochtenen Entscheidung). Hinsichtlich des Zeichenvergleichs stellte die Beschwerdekammer eine zumindest durchschnittliche bildliche Ähnlichkeit, eine zumindest durchschnittliche, wenn nicht gar hochgradige phonetische Ähnlichkeit und für einen Teil der relevanten Verkehrskreise einen zumindest geringen Grad begrifflicher Ähnlichkeit fest (Rn. 39 bis78 der angefochtenen Entscheidung). In ihrer Gesamtbeurteilung der Verwechslungsgefahr wies sie u. a. zum einen darauf hin, dass nach der Rechtsprechung zur Wechselbeziehung zwischen den für diese Beurteilung relevanten Faktoren für den Fall der Identität der betroffenen Waren ein erheblicher Unterschied zwischen den Zeichen bestehen müsse, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen, und führte zum anderen aus, dass sie die im vorliegenden Fall in Rede stehenden Waren als identisch angesehen habe (Rn. 80 der angefochtenen Entscheidung). Im Ergebnis ihrer Gesamtbeurteilung schloss sich die Beschwerdekammer der Auffassung der Widerspruchsabteilung an, dass im vorliegenden Fall Verwechslungsgefahr bestehe (Rn. 92 der angefochtenen Entscheidung).

11      Durch Entscheidung vom 29. Januar 2019 (im Folgenden: Berichtigungsentscheidung) berichtigte die Zweite Beschwerdekammer die angefochtene Entscheidung auf der Grundlage der „Regel 53 UMDV“, indem sie Rn. 80 dieser Entscheidung aufhob.

 Anträge der Parteien

12      Die Klägerin beantragt,

–        in der Rechtssache T‑724/18 die angefochtene Entscheidung und in der Rechtssache T‑184/19 die Berichtigungsentscheidung aufzuheben,

–        in den Rechtssachen T‑724/18 und T‑184/19 dem EUIPO und in der Rechtssache T‑724/18 auch der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen.

13      Das EUIPO beantragt,

–        die Klage in der Rechtssache T‑724/18 als unbegründet abzuweisen,

–        die Klage in der Rechtssache T‑184/19 als unzulässig und hilfsweise als unbegründet abzuweisen,

–        der Klägerin die Kosten in den Rechtssachen T‑724/18 und T‑184/19 aufzuerlegen.

14      Die Streithelferin beantragt,

–        die Klagen in den Rechtssachen T‑724/18 und T‑184/19 abzuweisen,

–        der Klägerin die Kosten in diesen Rechtssachen aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

15      Soweit durch die Berichtigungsentscheidung eine Randnummer der angefochtenen Entscheidung gestrichen wurde, deren Erwägungen mit der Klage in der Rechtssache T‑724/18 in Frage gestellt werden, ist zunächst die Rechtmäßigkeit der durch die Klage in der Rechtssache T‑184/19 angefochtenen Berichtigungsentscheidung zu prüfen.

 Zur Klage in der Rechtssache T184/19

16      Mit ihrer Klage in der Rechtssache T‑184/19 macht die Klägerin drei Klagegründe geltend, auf die sie ihren Antrag auf Nichtigerklärung der Berichtigungsentscheidung stützt. Erstens beruhe die Berichtigungsentscheidung auf einer falschen Rechtsgrundlage, der „Regel 53 UMDV“. Zweitens habe der in Rede stehende Fehler angesichts der in der geltenden Rechtsvorschrift, d. h. in Art. 102 der Verordnung 2017/1001, festgelegten Voraussetzungen nicht berichtigt werden können. Drittens habe die Beschwerdekammer das Recht der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt, indem sie ihr keine Gelegenheit gegeben habe, zu der anzuwendenden Bestimmung und zu der vorgesehenen Berichtigung Stellung zu nehmen.

17      In der Tat ist festzustellen, dass sich die Berichtigungsentscheidung formal auf die „Regel 53 UMDV“ stützt (Rn. 5 der Berichtigungsentscheidung). Da nur die Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1995, L 303, S. 1) eine Regel 53 enthält, ist davon auszugehen, wie das EUIPO in der Klagebeantwortung eingeräumt hat, dass sich die Berichtigungsentscheidung auf die Regel 53 der Verordnung Nr. 2868/95 stützt, auch wenn die Abkürzung „UMDV“ dieser Verordnung nicht entspricht.

18      Wie die Klägerin zu Recht geltend macht, ist Regel 53 der Verordnung Nr. 2868/95 seit dem 1. Oktober 2017 nicht mehr in Kraft. Seit diesem Zeitpunkt wird die Berichtigung von Entscheidungen des EUIPO durch Art. 102 der Verordnung 2017/1001 geregelt.

19      Die für die Berichtigung einer Entscheidung geltende Bestimmung ist diejenige, die am Tag des Erlasses der Berichtigungsentscheidung in Kraft ist (vgl. in diesem Sinne für den Fall der Entscheidung über einen Widerruf Urteil vom 21. Februar 2018, Repower/EUIPO – repowermap.org [REPOWER], T‑727/16, EU:T:2018:88, Rn. 19 bis 29; vgl. entsprechend auch zu der in der Verfahrensordnung des Gerichts vorgesehenen Berichtigung Beschluss vom 21. Juli 2015, Tomana u. a./Rat und Kommission, T‑190/12 REC, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:572, Rn. 3 und 4), d. h. im vorliegenden Fall Art. 102 der Verordnung 2017/1001, der zum Zeitpunkt des Erlasses der Berichtigungsentscheidung, dem 29. Januar 2019, in Kraft war. Nach ständiger Rechtsprechung muss nämlich die Bestimmung, die die Rechtsgrundlage eines Rechtsakts bildet und ein Unionsorgan zum Erlass dieses Rechtsakts ermächtigt, zum Zeitpunkt seines Erlasses in Kraft sein, und die Verfahrensvorschriften sind im Allgemeinen ab dem Zeitpunkt anwendbar, zu dem sie in Kraft treten (vgl. Urteil vom 29. März 2011, ThyssenKrupp Nirosta/Kommission, C‑352/09 P, EU:C:2011:191, Rn. 88 und die dort angeführte Rechtsprechung).

20      Dieser Fehler, den die Klägerin im Rahmen des ersten Klagegrundes in gültiger Weise geltend gemacht und den das EUIPO zudem in der Klagebeantwortung eingeräumt hat, kann jedoch nicht zur Aufhebung der Berichtigungsentscheidung führen, wenn die in Art. 102 der Verordnung 2017/1001 vorgesehenen Voraussetzungen für die Berichtigung der Entscheidungen der Beschwerdekammern im vorliegenden Fall erfüllt sind. Eine fehlerhafte Wahl der Rechtsgrundlage zieht nämlich nur dann die Aufhebung des betreffenden Rechtsakts nach sich, wenn sie Auswirkungen auf dessen Inhalt haben kann (vgl. Urteil vom 18. Oktober 2011, Reisenthel/HABM – Dynamic Promotion [Stapelkisten und Körbe], T‑53/10, EU:T:2011:601, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

21      Mit ihrem zweiten Klagegrund beanstandet die Klägerin gerade, dass die in Art. 102 der Verordnung 2017/1001 festgelegten Voraussetzungen für die Berichtigung der Entscheidungen des EUIPO im vorliegenden Fall nicht beachtet worden seien. Sie macht insbesondere geltend, diese Bestimmung sei auf „offensichtliche Fehler“, mit denen die Berichtigungsentscheidung im vorliegenden Fall gerechtfertigt worden sei, nicht anwendbar (Rn. 5 und 6 der Berichtigungsentscheidung), weil derartige Fehler nur in Art. 103 der Verordnung 2017/1001 vorgesehen seien, der den Widerruf von Entscheidungen des EUIPO regele.

22      Aus dem Wortlaut der Art. 102 und 103 der Verordnung 2017/1001 geht in der Tat hervor, dass sich allein Art. 103 auf „offensichtliche Fehler“ bezieht und Art. 102 lediglich „offensichtliche Versehen“ erwähnt.

23      Art. 102 („Berichtigung von Fehlern und offensichtlichen Versehen“) Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 lautet wie folgt:

„(1) Das [EUIPO] berichtigt sprachliche Fehler oder Transkriptionsfehler und offensichtliche Versehen in seinen Entscheidungen oder ihm zuzuschreibende technische Fehler bei der Eintragung einer Unionsmarke oder der Veröffentlichung der Eintragung von Amts wegen oder auf Antrag eines Beteiligten.“

24      Art. 103 („Löschung oder Widerruf“) Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 bestimmt:

„Nimmt das [EUIPO] eine Eintragung ins Register vor oder trifft es eine Entscheidung, so löscht es diese Eintragung oder widerruft diese Entscheidung, wenn die Eintragung oder die Entscheidung offensichtlich mit einem dem [EUIPO] anzulastenden Fehler behaftet ist …“

25      Hierzu ist klarzustellen, dass sich die Bestimmungen über die Berichtigung und den Widerruf der Entscheidungen des EUIPO in ihren zuvor geltenden Fassungen auf „offenbare Unrichtigkeiten“ (Regel 53 der Verordnung Nr. 2868/95) bzw. „offensichtliche Verfahrensfehler“ (Art. 80 der Verordnung Nr. 207/2009) bezogen.

26      Aus der Rechtsprechung zur Auslegung der letztgenannten Bestimmungen geht hervor, dass angesichts der Bedeutung des zwingenden Charakters des verfügenden Teils einer von einer zuständigen Behörde erlassenen endgültigen Entscheidung und zur Wahrung des Grundsatzes der Rechtssicherheit die Bestimmung, nach der es ausnahmsweise erlaubt ist, solche Entscheidungen nachträglich im Wege der Berichtigung oder des Widerrufs zu ändern, eng auszulegen und daher auf offensichtliche Fehler zu beschränken ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 9. September 2011, dm‑drogerie markt/HABM – Distribuciones Mylar [dm], T‑36/09, EU:T:2011:449, Rn. 73, 76 und 78, und, soweit es allein um Berichtigungen geht, vom 14. Dezember 2006, Gagliardi/HABM – Norma Lebensmittelfilialbetrieb [MANŪ MANU MANU], T‑392/04, nicht veröffentlicht, EU:T:2006:400, Rn. 55).

27      Nach der oben in Rn. 26 angeführten Rechtsprechung sind die Fehler, die zu einer Berichtigung oder zu einem Widerruf führen können, jedoch ihrer Art nach unterschiedlich, und zwar wegen der Unterscheidung zwischen dem Berichtigungsverfahren und dem Widerrufsverfahren.

28      Das Berichtigungsverfahren führt nämlich nicht zur Aufhebung der berichtigten Entscheidung, sondern lediglich zur Korrektur der darin enthaltenen Fehler durch eine Berichtigungsentscheidung. Dagegen führt das Widerrufsverfahren zur Aufhebung der fehlerhaften Entscheidung und versetzt die Sache in den Abschnitt des Verfahrens vor dem EUIPO zurück, in dem sie sich vor dem Erlass dieser Entscheidung befand, ohne dass der festgestellte Fehler in der Entscheidung über den Widerruf selbst berichtigt wird.

29      Somit beschränken sich Berichtigungen auf offensichtliche Fehler formaler Art, die nicht die Tragweite und den Inhalt der getroffenen Entscheidung, sondern nur ihre Form betreffen (Urteil vom 14. Dezember 2006, MANŪ MANU MANU, T‑392/04, nicht veröffentlicht, EU:T:2006:400‚ Rn. 55). Hierzu zählen Fehler, die einen solchen Grad an Offensichtlichkeit aufweisen, dass keine andere Fassung beabsichtigt gewesen sein konnte als die, die aus der Berichtigung hervorgeht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. September 2011, dm, T‑36/09, EU:T:2011:449, Rn. 73 und 75), und die es nicht rechtfertigen, die mit dem Fehler behaftete Entscheidung für ungültig zu erklären oder zu widerrufen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. März 2011, Ifemy’s/HABM – Dada & Co Kids [Dada & Co. kids], T‑50/09, EU:T:2011:90, Rn. 32) und die Parteien anzuhören.

30      Dagegen rechtfertigen Fehler, die es nicht erlauben, den verfügenden Teil der betroffenen Entscheidung aufrechtzuerhalten, ohne dass das Organ, das diese Entscheidung getroffen hat, eine neue Prüfung durchführt, den Widerruf der Entscheidung. Hierzu zählen Fehler, die die Kostenverteilung betreffen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Juli 2009, Okalux/HABM – Messe Düsseldorf [OKATECH], T‑419/07, EU:T:2009:238, Rn. 33 und 40), solche, die den Anspruch auf rechtliches Gehör betreffen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 18. Oktober 2011, Stapelkisten und Körbe, T‑53/10, EU:T:2011:601, Rn. 37 bis 39), oder auch solche, die die Begründungspflicht betreffen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 31. Oktober 2019, Repower/EUIPO, C‑281/18 P, EU:C:2019:916, Rn. 34).

31      Der von der Rechtsprechung zu den früheren Bestimmungen herausgearbeitete und oben in den Rn. 29 und 30 dargelegte Unterschied zwischen den Fällen der Berichtigung und denen des Widerrufs wird durch die Änderung der in den hier maßgeblichen Bestimmungen verwendeten Begriffe nicht in Frage gestellt.

32      Wie das EUIPO in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, wurde die Unterscheidung zwischen Fehlern, die eine Berichtigung rechtfertigen, und solchen, die einen Widerruf rechtfertigen, nämlich aufrechterhalten, und die Ersetzung des Begriffs „offenbare Unrichtigkeiten“ durch „offensichtliche Versehen“ in Art. 102 der Verordnung 2017/1001 ist gerade mit der Notwendigkeit zu erklären, den Unterschied zu den in Art. 103 der Verordnung 2017/1001 genannten Fehlern beizubehalten, die nunmehr als „offensichtliche Fehler“ und nicht mehr als „offensichtliche Verfahrensfehler“ bezeichnet werden. Da sich jedoch die in mehreren Sprachfassungen von Art. 102 der Verordnung 2017/1001 verwendeten Begriffe (insbesondere „oversights“ im Englischen, „Versehen“ im Deutschen, „sviste“ im Italienischen oder „equivocaciones“ im Spanischen) auf „Versehen“ in der weiteren Bedeutung von „Fehlern“ beziehen, ist davon auszugehen, dass das EUIPO weiterhin in der Lage ist, bestimmte Fehler auf der Grundlage von Art. 102 der Verordnung 2017/1001 zu berichtigen, ohne auf das Widerrufsverfahren nach Art. 103 dieser Verordnung zurückgreifen zu müssen. Was die Fehler anbelangt, die nach Art. 102 der Verordnung 2017/1001 berichtigt werden können, ergibt sich aus der Rechtsprechung zur Auslegung dieser neuen Bestimmung (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. Oktober 2019, ZPC Flis/EUIPO – Aldi Einkauf [FLIS Happy Moreno choco], T‑708/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:762, Rn. 38 bis 41, und vom 24. Oktober 2019, ZPC Flis/EUIPO – Aldi Einkauf [Happy Moreno choco], T‑498/18, EU:T:2019:763, Rn. 37 bis 40), dass eine Berichtigung von Fehlern ausgeschlossen bleibt, die den Inhalt der getroffenen Entscheidung betreffen, wie z. B. solche, die sich auf das Verzeichnis der von der älteren Marke erfassten Waren beziehen und eine erneute Beurteilung des Vorliegens einer Verwechslungsgefahr erfordern.

33      Daraus folgt, dass ein in einer Entscheidung festgestellter Fehler nach Art. 102 der Verordnung 2017/1001 berichtigt werden kann, wenn es sich um eine Inkongruenz in einer ansonsten kohärenten und unzweideutigen Entscheidung handelt, d. h., wenn offensichtlich ist, dass der Fehler auf einem Versehen oder Missgriff beruht, der eindeutig in dem vorgesehenen Sinne berichtigt werden muss, weil kein anderer als der sich aus der Berichtigung ergebende Wortlaut beabsichtigt gewesen sein kann.

34      Im vorliegenden Fall bestand die Berichtigung in der Streichung einer Randnummer der angefochtenen Entscheidung, nämlich Rn. 80, aus dem vom EUIPO angeführten Grund, sie enthalte eine offenbare Unrichtigkeit. Diese Randnummer sei eine fehlerhafte Bezugnahme auf das, was die Beschwerdekammer in einer früheren Passage der angefochtenen Entscheidung ausgeführt habe. Es sei offensichtlich, dass die Beschwerdekammer, wie sich aus den Rn. 31 bis 36 der angefochtenen Entscheidung ergebe, zu dem Schluss gekommen sei, dass die in Rede stehenden Waren lediglich -zumindest in geringem Maße – ähnlich seien, so dass die Feststellung in Rn. 80 der angefochtenen Entscheidung, diese Waren seien identisch, das Ergebnis einer offenkundigen Unachtsamkeit sei.

35      In dieser Hinsicht ist nach den vorstehenden Ausführungen (siehe oben, Rn. 32 und 33) davon auszugehen, dass der Umstand, dass die Berichtigung im vorliegenden Fall nicht in der Hinzufügung eines etwa ausgelassenen Punktes, sondern in der Streichung einer Randnummer der angefochtenen Entscheidung bestand, als solcher nicht den Schluss zulässt, dass diese Berichtigung unter Verstoß gegen Art. 102 der Verordnung 2017/1001 erfolgt sei.

36      Ferner ist festzustellen, dass der Widerspruch zwischen der Prüfung der Ähnlichkeit der in Rede stehenden Waren, die mit der Feststellung einer zumindest geringen Ähnlichkeit abschließt (Rn. 6, 31, 36 und 38 der angefochtenen Entscheidung), und der in der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr enthaltenen Bezugnahme auf das Ergebnis des Vergleichs dieser Waren, das in der Feststellung ihrer Identität bestanden haben soll (Rn. 80 der angefochtenen Entscheidung), der durch die Streichung dieser Bezugnahme beseitigt wurde, nur in dieser Weise behoben werden konnte.

37      Aus dem letzten Satz der gestrichenen Randnummer der angefochtenen Entscheidung, insbesondere aus den Worten „[d]ie angefochten Waren wurden für … befunden“, geht nämlich klar hervor, dass diese Randnummer auf die zuvor durchgeführte vergleichende Analyse hinweisen sollte. Daraus folgt, dass die Bezugnahme auf das Ergebnis einer früheren Analyse im Rahmen einer umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr, bei der verschiedene Faktoren, darunter die Ähnlichkeit der Waren, zu berücksichtigen sind (Urteil vom 14. Dezember 2006, Mast-Jägermeister/HABM – Licorera Zacapaneca [VENADO mit Rahmen u. a.], T‑81/03, T‑82/03 und T‑103/03, EU:T:2006:397, Rn. 74; vgl. entsprechend auch Urteil vom 29. September 1998, Canon, C‑39/97, EU:C:1998:442, Rn. 17), notwendigerweise mit der wiedergegebenen Analyse übereinstimmen und somit auf eine zumindest geringe Ähnlichkeit der in Rede stehenden Waren statt auf ihre Identität hinweisen musste. Dieser Fehler konnte daher offenkundig nur im Sinne der von der Beschwerdekammer tatsächlich vorgenommenen Analyse – die zu dem Ergebnis gekommen war, dass die Waren ähnlich seien – berichtigt werden, nicht aber alternativ in diesem Sinne oder im Sinne einer Feststellung der Identität dieser Waren (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. September 2011, dm, T‑36/09, EU:T:2011:449, Rn. 75).

38      Für die Offenkundigkeit dieses Fehlers spricht auch, dass die Beschwerdekammer die Rechtsprechung zur Beurteilung der Verwechslungsgefahr im Fall der Warenidentität, auf die in Rn. 80 der angefochtenen Entscheidung ebenfalls Bezug genommen wurde, in den nachfolgenden Randnummern bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr nicht angewandt hat. Davon zeugt der Hinweis der Beschwerdekammer in Rn. 91 der angefochtenen Entscheidung, dass die in Rede stehenden Waren einander ergänzen, was im Einklang mit ihrer Beurteilung der Ähnlichkeit dieser Waren in den Rn. 31 bis 38 der angefochtenen Entscheidung und insbesondere in den Rn. 32 und 33 dieser Entscheidung steht.

39      Die Streichung der Rn. 80 der angefochtenen Entscheidung war somit offensichtlich geboten, so dass sie als rechtsgültig nach Art. 102 der Verordnung 2017/1001 vorgenommene Berichtigung eines Fehlers eingestuft werden kann.

40      Daraus folgt zudem, dass der Beschwerdekammer nicht vorgeworfen werden kann, die Klägerin vor Erlass der Berichtigungsentscheidung nicht angehört zu haben, wie diese im Rahmen ihres dritten Klagegrundes geltend macht. Im Gegensatz zu Art. 103 der Verordnung 2017/1001 über das Widerrufsverfahren, der vorsieht, dass die Verfahrensbeteiligten vor dem Erlass einer Entscheidung über den Widerruf angehört werden, verlangt Art. 102 dieser Verordnung nämlich nicht, die im Verfahren vor der Beschwerdekammer Beteiligten vor der Berichtigung anzuhören. Außerdem ist in Anbetracht der besonderen Bestimmungen dieser Verordnung, die regeln, in welchen Fällen die Parteien angehört werden müssen, Art. 94 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung 2017/1001, der im Rahmen des Markenrechts der Europäischen Union den allgemeinen Grundsatz des Schutzes der Verteidigungsrechte aufstellt, im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Dies gilt umso mehr, als die im vorliegenden Fall rechtsgültig vorgenommene Berichtigung den Inhalt der angefochtenen Entscheidung nicht geändert hat (siehe oben, Rn. 29 und 32) und daher eine vorherige Anhörung der Klägerin nicht rechtfertigte.

41      Aus demselben Grund, nämlich wegen des unangetastet gebliebenen Inhalts der angefochtenen Entscheidung, ist auch die Rüge zurückzuweisen, dass der Grundsatz des fairen Verfahrens verletzt sei, weil der materielle Inhalt der angefochtenen Entscheidung trotz einer gegen sie erhobenen Klage geändert worden sei.

42      Nach alledem gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass sich der fehlerhafte Verweis auf „Regel 53 UMDV“ – statt auf Art. 102 der Verordnung 2017/1001 – auf den Inhalt der Berichtigungsentscheidung ausgewirkt haben könnte. Unter diesen Umständen hätte die Aufhebung dieser Entscheidung wegen dieses Fehlers keinerlei praktische Wirksamkeit, weil die von der Beschwerdekammer nach der Aufhebung zu treffende Entscheidung unter den gleichen Voraussetzungen und auf der Grundlage derselben Gesichtspunkte hätte erlassen werden müssen wie die aufgehobene Entscheidung.

43      Folglich ist festzustellen, dass der Fehler der Beschwerdekammer hinsichtlich der angeführten Rechtsgrundlage die Aufhebung der Berichtigungsentscheidung nicht rechtfertigt. Daher ist die Klage in der Rechtssache T‑184/19 als unbegründet abzuweisen, ohne dass es einer Entscheidung über die vom EUIPO erhobene Einrede der Unzulässigkeit bedarf.

 Zur Klage in der Rechtssache T724/18

44      In der Klageschrift in der Rechtssache T‑724/18 macht die Klägerin zur Stützung ihres Antrags auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung als einzigen Klagegrund einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 geltend.

45      Da der Antrag auf Nichtigerklärung der Berichtigungsentscheidung zurückgewiesen wurde (siehe oben, Rn. 43), ist die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung in der berichtigten Fassung zu prüfen. Folglich ist die zur Stützung dieses einzigen Klagegrundes vorgebrachte Rüge, die sich gegen die durch die Berichtigungsentscheidung gestrichene Rn. 80 der angefochtenen Entscheidung richtet, in jedem Fall zurückzuweisen, ohne dass ihre Begründetheit geprüft zu werden braucht.

46      Nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 ist die angemeldete Marke auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke von der Eintragung ausgeschlossen, wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit einer älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere Marke Schutz genießt. Ferner sind nach Art. 8 Abs. 2 Buchst. a Ziff. i der Verordnung 2017/1001 unter älteren Marken Unionsmarken mit einem früheren Anmeldetag als dem Tag der Anmeldung der Unionsmarke zu verstehen.

47      Nach ständiger Rechtsprechung liegt Verwechslungsgefahr dann vor, wenn das Publikum glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Das Vorliegen von Verwechslungsgefahr ist nach dieser Rechtsprechung umfassend, gemäß der Wahrnehmung der in Rede stehenden Zeichen und Waren oder Dienstleistungen durch die maßgeblichen Verkehrskreise und unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Wechselbeziehung zwischen der Ähnlichkeit der Zeichen und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen, zu beurteilen (vgl. Urteil vom 9. Juli 2003, Laboratorios RTB/HABM – Giorgio Beverly Hills [GIORGIO BEVERLY HILLS], T‑162/01, EU:T:2003:199, Rn. 30 bis 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

48      Für die Anwendung des Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 setzt eine Verwechslungsgefahr voraus, dass Identität oder Ähnlichkeit zwischen den einander gegenüberstehenden Marken und eine Identität oder Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen besteht. Es handelt sich hierbei um kumulative Voraussetzungen (vgl. Urteil vom 22. Januar 2009, Commercy/HABM – easyGroup IP Licensing [easyHotel], T‑316/07, EU:T:2009:14, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

49      Für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr kommt es entscheidend darauf an, wie die Marken auf den Durchschnittsverbraucher der in Rede stehenden Art von Waren oder Dienstleistungen wirken (vgl. Urteil vom 12. Juni 2007, HABM/Shaker, C‑334/05 P, EU:C:2007:333, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

50      Im vorliegenden Fall bestreitet die Klägerin nicht die Erwägung der Beschwerdekammer, wonach die maßgeblichen Verkehrskreise aus medizinischen Fachleuten sowie Patienten als Endverbrauchern bestünden und einen hohen Aufmerksamkeitsgrad aufwiesen (Rn. 19 bis 21 der angefochtenen Entscheidung). Diese Erwägung ist insbesondere im Hinblick auf die Art der in Rede stehenden Waren zu bestätigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Dezember 2009, Trubion Pharmaceuticals/HABM – Merck [TRUBION], T‑412/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2009:507, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

51      Die Klägerin bestreitet auch nicht die von der Beschwerdekammer vorgenommene Definition des für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr im vorliegenden Fall maßgeblichen Gebiets (Rn. 20 bis 24 der angefochtenen Entscheidung), nämlich des Unionsgebiets, wobei es ausreicht, dass ein relatives Eintragungshindernis in einem Teil der Union besteht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Dezember 2006, VENADO mit Rahmen u. a., T‑81/03, T‑82/03 und T‑103/03, EU:T:2006:397, Rn. 76 und die dort angeführte Rechtsprechung).

52      Die Klägerin beanstandet hingegen die Beurteilung der Ähnlichkeit der von den einander gegenüberstehenden Marken erfassten Waren durch die Beschwerdekammer.

53      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdekammer in dem Teil der angefochtenen Entscheidung, der sich mit dem Vergleich der Waren befasst (Rn. 25 bis 38 der angefochtenen Entscheidung), festgestellt hat, dass die von den einander gegenüberstehenden Marken erfassten Waren der Klasse 5 zumindest zu einem geringen Grad ähnlich sind (Rn. 31, 36 und 38 der angefochtenen Entscheidung). Sie hat sich dabei auf den Umstand gestützt, dass die Bestimmungen der in Rede stehenden Waren einander überschnitten, diese Waren häufig in Apotheken erworben würden und dass sie einander ergänzen könnten. Insbesondere verfolgten die betreffenden Waren ein vergleichbares Ziel, nämlich die Verbesserung der Figur oder des körperlichen Erscheinungsbilds oder jedenfalls die Erhaltung eines gesunden Körpers (Rn. 32 bis 34 der angefochtenen Entscheidung). Die Beschwerdekammer hat ferner betont, dass die Unterschiede in den Verabreichungsformen oder therapeutischen Indikationen der Waren nicht ausreichten, um eine Ähnlichkeit zwischen diesen Waren auszuschließen (Rn. 35 der angefochtenen Entscheidung).

54      Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen sind, die das Verhältnis kennzeichnen, in dem diese Waren zueinanderstehen. Zu diesen Faktoren gehören insbesondere ihre Art, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie ihr Charakter als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren. Auch andere Faktoren wie die Vertriebswege der betreffenden Waren können berücksichtigt werden (vgl. Urteil vom 11. Juli 2007, El Corte Inglés/HABM – Bolaños Sabri [PiraÑAM diseño original Juan Bolaños], T‑443/05, EU:T:2007:219, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

55      Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer im Wesentlichen drei Faktoren der Ähnlichkeit zwischen den von den einander gegenüberstehenden Marken erfassten Waren festgestellt, nämlich erstens ihren gemeinsamen Verwendungszweck, d. h. die Verbesserung der Figur oder des körperlichen Erscheinungsbilds oder jedenfalls die Erhaltung eines gesunden Körpers, zweitens ihr Ergänzungsverhältnis und drittens ihren häufigen Erwerb in Apotheken.

56      Die Klägerin stellt den zuletzt genannten Ähnlichkeitsfaktor, der die Vertriebswege betrifft, nicht in Frage. Dagegen beanstandet sie die beiden anderen angenommenen Ähnlichkeitsfaktoren sowohl hinsichtlich ihrer eigentlichen Beurteilung als auch hinsichtlich ihrer allgemeinen Eignung, zusammen mit dem Faktor der Vertriebskanäle eine Ähnlichkeit zwischen den in Rede stehenden Waren aufzuzeigen, insbesondere angesichts der Unterschiede der Art, der therapeutischen Indikation und der Verabreichungsform dieser Waren.

57      So wirft die Klägerin der Beschwerdekammer erstens vor, der Bestimmung der in Rede stehenden Waren, die zudem zu Unrecht auf einem zu hohen Abstraktionsniveau analysiert worden sei, zu große Bedeutung beigemessen zu haben

58      Insoweit ist zunächst festzustellen, dass die Klägerin die Tatsache, dass die von der angemeldeten Marke erfassten Nahrungs‑, Ernährungs‑, Diät- und Vitaminzusätze und die von der älteren Marke erfassten medizinischen Cremes das gleiche Ziel der Verbesserung der Figur oder des körperlichen Erscheinungsbilds oder jedenfalls der Erhaltung eines gesunden Körpers verfolgen (Rn. 32 der angefochtenen Entscheidung), als solche nicht bestreitet.

59      Sodann ist darauf hinzuweisen, dass die Behandlung von Problemen der menschlichen Gesundheit, die weniger eng begrenzt ist als die oben in Rn. 58 genannte Zweckbestimmung, als ein gemeinsamer Zweck oder eine gemeinsame Bestimmung angesehen worden ist, die im Hinblick auf die Ähnlichkeit von Waren der Klasse 5 rechtmäßig berücksichtigt werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. Oktober 2006, Armour Pharmaceutical/HABM – Teva Pharmaceutical Industries [GALZIN], T‑483/04, EU:T:2006:323, Rn. 70, und vom 2. Dezember 2014, Boehringer Ingelheim Pharma/HABM – Nepentes Pharma [Momarid], T‑75/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:1017, Rn. 58 und 59).

60      Dem kann hinzugefügt werden, dass selbst dann, wenn die Rechtsprechung, die zur Besonderheit von Arzneimitteln und zur entscheidenden Bedeutung der Berücksichtigung der in ihrer therapeutischen Indikation zum Ausdruck kommenden besonderen Zweckbestimmung ergangen ist und auf die die Beschwerdekammer im Übrigen hingewiesen hat (Rn. 28 der angefochtenen Entscheidung), im vorliegenden Fall anwendbar wäre, obwohl die Klägerin geltend macht, dass die von der angemeldeten Marke erfassten Waren keine pharmazeutischen Erzeugnisse seien, die Feststellung einer zumindest geringen Ähnlichkeit der in Rede stehenden Waren durch diese Rechtsprechung nicht in Frage gestellt werden kann, sofern die übrigen Ähnlichkeitsfaktoren vorliegen.

61      Aus dieser Rechtsprechung geht zwar hervor, dass für eine zutreffende Beurteilung der Ähnlichkeit zwischen Arzneimitteln, die eine sehr große Produktgruppe bilden, zu der Erzeugnisse gehören, die verschieden sein können, der Zweck und die besondere Bestimmung eines Heilmittels, die in seiner therapeutischen Indikation zum Ausdruck kommt, zu berücksichtigen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Dezember 2010, Novartis/HABM – Sanochemia Pharmazeutika [TOLPOSAN], T‑331/09, EU:T:2010:520, Rn. 35 bis 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

62      Unterschiede der therapeutischen Indikation oder der besonderen Bestimmung der Waren reichen jedoch nicht aus, um die Feststellung ihrer Ähnlichkeit auszuschließen, und können als rechtmäßige Grundlage der Feststellung einer zumindest geringen Ähnlichkeit dienen, sofern die anderen Ähnlichkeitsfaktoren vorliegen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. Oktober 2006, GALZIN, T‑483/04, EU:T:2006:323, Rn. 70 und 71, vom 11. November 2009, Bayer Healthcare/HABM – Uriach-Aquilea OTC [CITRACAL], T‑277/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2009:433, Rn. 44 und 45, und vom 2. Dezember 2014, Momarid, T‑75/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:1017, Rn. 66).

63      Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als die Beschwerdekammer fehlerfrei davon ausgegangen ist, dass die von den einander gegenüberstehenden Marken erfassten Waren mehrere spezifische Bestimmungen gemeinsam haben.

64      Die Beschwerdekammer hat nämlich zunächst zutreffend festgestellt, ohne dass die Klägerin dem widersprochen hätte, dass es gängige Praxis ist, vor einer Sonnenexposition Beta-Carotin enthaltende Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen, um die Haut vorzubereiten, sie vor der durch ultraviolette Strahlen hervorgerufenen Alterung zu schützen und eine gesunde Bräune zu fördern, ebenso wie zu diesem Zweck auch Sonnencremes aufgetragen werden (Rn. 32 der angefochtenen Entscheidung). Sie hat damit im Wesentlichen das Bestehen einer spezifischen Bestimmung festgestellt, die den von den einander gegenüberstehenden Marken erfassten Waren gemeinsam ist, nämlich die Haut bei Sonnenexposition zu schützen und zu verschönern.

65      Anschließend hat die Beschwerdekammer festgestellt, ohne dass dies von der Klägerin wirksam bestritten worden wäre, dass die Verbraucher bestimmte von der älteren Marke erfasste Cremes und bestimmte von der angemeldeten Marke erfasste Vitaminzusätze kauften, um Cellulitis zu beseitigen oder zu verringern (Rn. 32 der angefochtenen Entscheidung), und dass diese Waren somit dem gleichen spezifischen Zweck dienten.

66      Die Klägerin macht nämlich lediglich geltend, es treffe nicht zu und sei nicht erwiesen, dass die von der angemeldeten Marke erfassten Vitaminzusätze dazu beitragen könnten, Wassereinlagerungen zu verringern oder zu beseitigen, und dass diese Wassereinlagerungen eine der Hauptursachen der Cellulitis seien. Wie sich aber schon aus dem Wortlaut der angefochtenen Entscheidung ergibt, hat die Beschwerdekammer dieses mit dem Kauf der Vitaminzusätze verfolgte Ziel als eine offenkundige Tatsache angesehen, die nicht bewiesen zu werden braucht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Februar 2017, Antrax It/EUIPO – Vasco Group [Thermosiphons für Heizkörper], T‑828/14 und T‑829/14, EU:T:2017:87, Rn. 90 und die dort angeführte Rechtsprechung) und die in Frage zu stellen Sache der Klägerin ist, indem sie nachweist, dass die Beschwerdekammer diese Tatsache zu Unrecht als offenkundig angesehen hat (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 7. Dezember 2012, A. Loacker/HABM – Editrice Quadratum [QUADRATUM], T‑42/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:658, Rn. 73, und vom 23. Januar 2014, Sunrider/HABM – Nannerl [SUN FRESH], T‑221/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:25, Rn. 77).

67      Im vorliegenden Fall beschränkt sich die Klägerin jedoch darauf, nicht etwa das mit bestimmten Vitaminzusätzen verfolgte Ziel der Bekämpfung der Cellulitis als solches zu bestreiten, sondern die wissenschaftliche Nachweisbarkeit der Wirkungen dieser Zusätze auf die Wassereinlagerung und die Cellulitis in Frage zu stellen, ohne dies im Übrigen näher zu begründen. Darüber hinaus ist festzustellen, dass die von der Streithelferin als Anlage zu ihrer Klagebeantwortung vorgelegten Artikel, die auf den Bereich Gesundheit und Wohlbefinden spezialisierten Websites entnommen sind, die Einnahme bestimmter Vitamine empfehlen, um die Cellulitis zu verringern, und damit belegen, dass die Vitaminzusätze dieses Ziel verfolgen können. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung können diese Artikel nicht für unzulässig erklärt werden, da sie im Rahmen des vorliegenden Verfahrens vorgelegt wurden, um die Richtigkeit einer vom EUIPO berücksichtigten offenkundigen Tatsache zu belegen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. November 2011, LG Electronics/HABM, C‑88/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2011:727, Rn. 29).

68      Schließlich hat die Beschwerdekammer zu Recht festgestellt, dass die von der angemeldeten Marke erfassten Waren, insbesondere die Vitaminzusätze, dazu bestimmt waren, ein gesundes Aussehen wiederherzustellen oder zu erhalten und den Teint strahlend zu machen (Rn. 32 der angefochtenen Entscheidung), und dass die von der älteren Marke erfassten Cremes dazu bestimmt waren, Hautreizungen sowie Rötungen und Pickel, die das Erscheinungsbild des Benutzers beeinträchtigen, zu verringern oder zu verhindern (Rn. 34 der angefochtenen Entscheidung), so dass die in Rede stehenden Waren das gemeinsame Ziel der Pflege und Schönheit der Haut verfolgten. Im Gegensatz zu dem, was die Klägerin zu verstehen gibt, wurde die Schlussfolgerung in Bezug auf dieses Ziel somit nicht allein aus der Feststellung zu den Cremes der älteren Marke abgeleitet, sondern aus den Feststellungen zu den beiden von den einander gegenüberstehenden Marken erfassten Arten von Waren. Da die Beschwerdekammer im vorliegenden Fall neben der oben in Rn. 58 genannten allgemeinen Bestimmung auf das Bestehen mehrerer besonderer Bestimmungen hingewiesen hat, braucht sich außerdem – wiederum entgegen dem Vorbringen der Klägerin – nicht jede der in Rede stehenden besonderen Bestimmungen auf sämtliche von der angemeldeten Marke erfassten Waren zu erstrecken, um eine zumindest geringe Ähnlichkeit zwischen diesen und den von der älteren Marke erfassten Waren festzustellen. Es ist daher unerheblich, dass die von der Markenanmeldung erfassten „mit Nährstoffen angereicherten diätetischen Getränke“ nicht dazu bestimmt sind, Hautreizungen zu reduzieren.

69      Zweitens rügt die Klägerin, die Beschwerdekammer sei davon ausgegangen, dass die in Rede stehenden Waren einander ergänzten, obwohl die einen für die Verwendung der anderen weder unentbehrlich noch wichtig seien, und habe der Beurteilung dieser Komplementarität bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr zu große Bedeutung beigemessen (Rn. 33 und 91 der angefochtenen Entscheidung).

70      Nach der Rechtsprechung ergänzen Waren einander, wenn zwischen ihnen ein enger Zusammenhang in dem Sinne besteht, dass die eine Ware für die Verwendung der anderen unentbehrlich oder wichtig ist, so dass die Verbraucher denken könnten, die Verantwortung für die Herstellung dieser Waren liege bei demselben Unternehmen (Urteile vom 1. März 2005, Sergio Rossi/HABM – Sissi Rossi [SISSI ROSSI], T‑169/03, EU:T:2005:72, Rn. 60, und vom 22. Januar 2009, easyHotel, T‑316/07, EU:T:2009:14, Rn. 57).

71      Gemäß der oben in Rn. 70 erwähnten Definition des Komplementaritätsfaktors in der Rechtsprechung ist zwar davon auszugehen, dass die von der angemeldeten Marke erfassten Nahrungs‑, Ernährungs- und Vitaminzusätze und die von der älteren Marke umfassten Cremes einander nicht in dem Sinne ergänzen, dass die eine Ware für die Verwendung der anderen unentbehrlich oder wichtig wäre.

72      Aus der Rechtsprechung geht jedoch ebenfalls hervor, dass die Tatsache, dass Waren zusammen verwendet werden können, bei der Beurteilung der Ähnlichkeit dieser Waren auch dann berücksichtigt werden kann, wenn ein solcher Grad an Komplementarität nicht erreicht wird, wobei klargestellt wird, dass die Möglichkeit der gemeinsamen Verwendung nicht als Beweis für die Komplementarität der fraglichen Waren anzusehen ist, sondern allgemein als Anhaltspunkt für den Ähnlichkeitsfaktor in Bezug auf die maßgeblichen Verkehrskreise oder als Bestätigung des Ähnlichkeitsfaktors in Bezug auf die Bestimmung der Waren (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. September 2008, Boston Scientific/HABM – Terumo [CAPIO], T‑325/06, nicht veröffentlicht, EU:T:2008:338, Rn. 83 bis 85, und vom 15. Dezember 2009, TRUBION, T‑412/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2009:507, Rn. 32).

73      Im Übrigen hat die Beschwerdekammer das Ergänzungsverhältnis zwischen bestimmten Vitaminzusätzen der angemeldeten Marke und den Sonnencremes der älteren Marke im Rahmen ihrer Erwägungen zum Bestimmungszweck der Waren erwähnt (Rn. 32 der angefochtenen Entscheidung) und allgemein eine mögliche Komplementarität der von den einander gegenüberstehenden Marken erfassten Waren im Zusammenhang mit ihrer Feststellung zum Verkauf dieser Waren in Apotheken angenommen (Rn. 33 der angefochtenen Entscheidung).

74      Daraus folgt, dass die Erwähnung des „Ergänzungsverhältnisses der Waren“ in Rn. 91 der angefochtenen Entscheidung ebenfalls in diesem allgemeinen Sinn, d. h. in Verbindung mit den anderen festgestellten Ähnlichkeitsfaktoren oder gar als Bezugnahme auf diese, zu verstehen ist und nicht in dem oben in Rn. 70 wiedergegebenen engeren Sinn. Bei dieser Aussage handelt es sich nämlich lediglich um die in dem Teil der Entscheidung, in dem das Ergebnis der Prüfung der Verwechslungsgefahr zusammengefasst wird, enthaltene Wiedergabe der zuvor zur Ähnlichkeit der Waren angestellten Erwägungen. Auch wenn es bedauerlich sein mag, dass die Beschwerdekammer in dieser Hinsicht keine präzisere Terminologie verwendet hat, kann ihr daher nicht vorgeworfen werden, dem Kriterium der Komplementarität im engeren Sinne eine zu große Bedeutung beigemessen und aufgrund einer unzutreffenden Beurteilung dieses Kriteriums einen Fehler bei der Gesamtbeurteilung der Verwechslungsgefahr begangen zu haben.

75      Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Beschwerdekammer als Faktoren der Ähnlichkeit der in Rede stehenden Waren zu Recht deren allgemeine Bestimmung sowie mehrere spezifische Bestimmungszwecke, ihre mögliche gemeinsame Verwendung und die Identität ihrer Vertriebskanäle angesehen hat, wobei der letztgenannte Faktor im Einklang mit der Rechtsprechung steht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. November 2015, Bionecs/HABM – Fidia farmaceutici [BIONECS], T‑262/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:888, Rn. 31) und im Übrigen von der Klägerin nicht bestritten wird (siehe oben, Rn. 56).

76      Drittens wirft die Klägerin der Beschwerdekammer vor, aus diesen Faktoren auf das Bestehen einer Ähnlichkeit zwischen den von den einander gegenüberstehenden Marken erfassten Waren geschlossen zu haben, indem sie dem von diesen Waren verfolgten Zweck eine zu große Bedeutung beigemessen und die unterschiedliche Art und Verabreichungsform dieser Waren nicht hinreichend berücksichtigt habe (Rn. 32 und 35 der angefochtenen Entscheidung).

77      Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdekammer aus der Gesamtheit dieser Ähnlichkeitsfaktoren nicht auf eine hohe oder durchschnittliche Ähnlichkeit, sondern auf eine zumindest geringe Ähnlichkeit der fraglichen Waren geschlossen hat.

78      Sodann ist festzustellen, dass nach der Rechtsprechung zu Umständen, die mit denen des vorliegenden Falles vergleichbar sind und durch eine gemeinsame Bestimmung der Waren, die Möglichkeit ihrer gemeinsamen Verwendung und identische Vertriebskanäle gekennzeichnet sind, solche Ähnlichkeitsfaktoren ausreichen, um eine Ähnlichkeit der in Rede stehenden Waren zu belegen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. September 2008, CAPIO, T‑325/06, nicht veröffentlicht, EU:T:2008:338, Rn. 87, vom 15. Dezember 2009, TRUBION, T‑412/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2009:507, Rn. 32, und vom 28. September 2016, LLR‑G 5/EUIPO – Glycan Finance [SILICIUM ORGANIQUE G5 LLR‑G5], T‑539/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:571, Rn. 32). Zudem ist entschieden worden, dass eine solche Ähnlichkeit durch den Umstand, dass die in Rede stehenden Erzeugnisse unterschiedlich verabreicht werden, nicht in Frage gestellt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. November 2005, Biofarma/HABM – Bausch & Lomb Pharmaceuticals [ALREX], T‑154/03, EU:T:2005:401, Rn. 50). Insbesondere hat das Gericht im Fall von Waren, die den von den einander gegenüberstehenden Marken erfassten Waren vergleichbar waren, weil es sich um Nahrungsergänzungsmittel und „Heilsalben“ handelte, die medizinischen Cremes gleichgestellt werden können, diese Waren für einander ähnlich befunden, obwohl ihre Verabreichungsform insofern unterschiedlich ist, als Salben auf Verletzungen und Wunden aufgetragen werden, während Nahrungsergänzungsmittel dazu bestimmt sind, eingenommen zu werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. November 2009, CITRACAL, T‑277/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2009:433, Rn. 43 bis 45). Entgegen dem Vorbringen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung wird die Relevanz dieses Urteils für die Beurteilung des vorliegenden Falles nicht dadurch in Frage gestellt, dass es vor dem Urteil vom 19. Juni 2012, Chartered Institute of Patent Attorneys (C‑307/10, EU:C:2012:361), und der darauf folgenden Rechtsprechung ergangen ist. In diesem Urteil hat der Gerichtshof nämlich das Erfordernis aufgestellt, dass die Waren oder Dienstleistungen, für die Markenschutz beantragt wird, hinreichend klar und eindeutig identifiziert werden müssen, sich aber nicht zu den Kriterien für die Beurteilung der Ähnlichkeit dieser Waren oder Dienstleistungen geäußert.

79      Schließlich ist hinzuzufügen, dass der behauptete Unterschied der Art der von den einander gegenüberstehenden Marken erfassten Waren, der darin bestehen soll, dass die von der älteren Marke erfassten Waren angesichts der Bezeichnung „für medizinische Zwecke“ Arzneimittel darstellten, während die von der angemeldeten Marke erfassten Waren keine Arzneimittel seien, nicht geeignet ist, die vorstehenden Erwägungen zur Ähnlichkeit dieser Waren in Frage zu stellen. Aus den oben in Rn. 78 angeführten Urteilen vom 10. September 2008, CAPIO (T‑325/06, nicht veröffentlicht, EU:T:2008:338), vom 15. Dezember 2009, TRUBION (T‑412/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2009:507), und vom 28. September 2016, SILICIUM ORGANIC G5 LLR‑G5 (T‑539/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:571), geht nämlich hervor, dass die in Rede stehenden Waren trotz ihrer unterschiedlichen Art als ähnlich angesehen wurden. Außerdem betraf die im Urteil vom 11. November 2009, CITRACAL (T‑277/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2009:433), festgestellte Ähnlichkeit zwar gleichartige Waren, nämlich pharmazeutische Erzeugnisse, wurde aber nicht als „zumindest gering“ eingestuft, während eine solche Einstufung im vorliegenden Fall gerade durch die unterschiedliche – pharmazeutische oder nicht pharmazeutische – Art der in Rede stehenden Waren gerechtfertigt sein kann.

80      Daraus folgt, dass selbst dann, wenn die Beschwerdekammer die von der angemeldeten Marke erfassten Waren irrtümlich als Arzneimittel eingestuft und den „zunehmend pharmazeutischen“ Charakter der mit der älteren Marke gekennzeichneten Waren in unzutreffender Weise hervorgehoben hätte, solche Fehler nicht die Feststellung der Beschwerdekammer in Frage stellen können, dass zwischen diesen Waren eine zumindest geringe Ähnlichkeit bestehe. Dies gilt umso mehr, als üblicherweise, wie die Streithelferin vorgetragen hat, bestimmte zur Art der Waren gehörende Bestandteile und insbesondere bestimmte in Nahrungs‑, Ernährungs- und Vitaminzusätzen sowie Cremes enthaltene Wirkstoffe identisch sind.

81      Aus alledem folgt, dass die Beschwerdekammer zu Recht annehmen durfte, dass die von den einander gegenüberstehenden Marken erfassten Waren zumindest zu einem geringen Grad ähnlich sind.

82      Folglich hat die Beschwerdekammer zu Recht auch eine Verwechslungsgefahr festgestellt.

83      Nach ständiger Rechtsprechung impliziert die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr nämlich eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen. So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (Urteile vom 29. September 1998, Canon, C‑39/97, EU:C:1998:442, Rn. 17, und vom 14. Dezember 2006, VENADO mit Rahmen u. a., T‑81/03, T‑82/03 und T‑103/03, EU:T:2006:397, Rn. 74).

84      Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer zutreffend darauf hingewiesen, dass selbst ein Publikum, das einen hohen Aufmerksamkeitsgrad an den Tag legt, nur selten die Möglichkeit hat, verschiedene Marken unmittelbar miteinander zu vergleichen, sondern sich auf das unvollkommene Bild verlassen muss, das es von ihnen im Gedächtnis hat (Rn. 82 der angefochtenen Entscheidung). Sie hat ferner festgestellt, ohne dass die Klägerin dem widersprochen hätte, dass das Wissen der Patienten, die im vorliegenden Fall zu den maßgeblichen Verkehrskreisen gehören, nicht das der Fachleute des Sektors sei (Rn. 83 der angefochtenen Entscheidung). Zudem hat die Beschwerdekammer zutreffend festgestellt, dass angesichts der Übereinstimmung zwischen dem unterscheidungskräftigen Wortbestandteil der angemeldeten Marke und dem einzigen Wortbestandteil, aus dem die ältere Marke „aurea“ besteht, eine zumindest durchschnittliche visuelle Ähnlichkeit (Rn. 63 der angefochtenen Entscheidung), eine zumindest durchschnittliche oder sogar hohe klangliche Ähnlichkeit (Rn. 68 der angefochtenen Entscheidung) und für Verbraucher, die eine lateinische Sprache sprechen und „aurea“ als Hinweis auf „Gold“ oder „goldfarben“ verstehen werden, eine zumindest geringe begriffliche Ähnlichkeit besteht (Rn. 73 der angefochtenen Entscheidung), wobei es sich im Übrigen um Beurteilungen handelt, die von der Klägerin nicht in Frage gestellt werden. Die Beschwerdekammer hat auch zu Recht darauf hingewiesen, dass die maßgeblichen Verkehrskreise „sowohl visuell als auch klanglich“ mit den einander gegenüberstehenden Marken konfrontiert wurden, um daraus abzuleiten, dass den visuellen und klanglichen Ähnlichkeiten bei der Gesamtbeurteilung der Verwechslungsgefahr das größere Gewicht beizumessen ist (Rn. 87 bis 89 der angefochtenen Entscheidung). Schließlich hat sie – ebenfalls unwidersprochen – festgestellt, dass die ältere Marke eine durchschnittliche originäre Kennzeichnungskraft besitze (Rn. 78 der angefochtenen Entscheidung).

85      Die Beschwerdekammer hat daher in den Rn. 91 und 92 der angefochtenen Entscheidung in Anwendung der oben in Rn. 83 angeführten Rechtsprechung zu Recht festgestellt, dass der zumindest geringe Grad der Ähnlichkeit zwischen den von den einander gegenüberstehenden Marken erfassten Waren durch einen zumindest durchschnittlichen Grad visueller und einen zumindest durchschnittlichen oder sogar hohen Grad klanglicher Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen ausgeglichen werde, um daraus abzuleiten, dass es durchaus denkbar sei, dass die Verbraucher diese Zeichen gedanklich in Verbindung bringen und für Untermarken desselben Unternehmens halten könnten, und dass daher Verwechslungsgefahr bestehe (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. September 2010, Market Watch/HABM – Ares Trading [Seroslim], T‑201/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2010:408, Rn. 49).

86      Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass folglich selbst dann, wenn die Beschwerdekammer die angefochtene Entscheidung nicht wirksam berichtigt hätte, die gegen die durch die Berichtigungsentscheidung gestrichene Rn. 80 der angefochtenen Entscheidung gerichtete Rüge hätte zurückgewiesen werden können.

87      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin der Beschwerdekammer mit dieser Rüge vorwirft, in Rn. 80 der angefochtenen Entscheidung zu Unrecht festgestellt zu haben, dass die in Rede stehenden Waren identisch seien, obwohl sie in mehreren vorhergehenden Randnummern (Rn. 6, 31, 36 und 38 der angefochtenen Entscheidung) lediglich einen zumindest geringfügigen Grad der Ähnlichkeit dieser Waren festgestellt habe. Ein solch grundlegender Fehler verfälsche die gesamte Prüfung der Verwechslungsgefahr, weil die Feststellung einer Identität der Waren zur Folge habe, dass ein erheblicher Unterschied zwischen den Zeichen bestehen müsse, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen.

88      Selbst wenn die Beschwerdekammer irrtümlich zu dem Schluss gelangt wäre, dass die in Rede stehenden Waren identisch seien, obwohl sich aus ihrem Vergleich dieser Waren nur eine geringe Ähnlichkeit ergab, würde ein solcher irrtümlicher Schluss die Prüfung der Verwechslungsgefahr aber nicht verfälschen. Aus dem Vorstehenden ergibt sich nämlich nicht nur, dass die Beschwerdekammer die in Rede stehenden Waren zu Recht als zumindest zu einem geringen Grad ähnlich angesehen hat (siehe oben, Rn. 81), sondern auch, dass eine solche Feststellung der Ähnlichkeit der Waren es ihr erlaubte, im vorliegenden Fall rechtmäßig zu dem Schluss zu gelangen, dass eine Verwechslungsgefahr bestehe (siehe oben, Rn. 85).

89      Diese zur Stützung des Klagegrundes eines Verstoßes gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 erhobene Rüge ist daher in jedem Fall zurückzuweisen, so wie folglich auch dieser einzige von der Klägerin vorgebrachte Klagegrund zurückzuweisen ist.

90      Daher ist auch die Klage in der Rechtssache T‑724/18 abzuweisen.

 Kosten

91      Gemäß Art. 134 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Gemäß Art. 135 Abs. 1 dieser Verfahrensordnung kann das Gericht aus Gründen der Billigkeit entscheiden, dass eine unterliegende Partei neben ihren eigenen Kosten nur einen Teil der Kosten der Gegenpartei trägt oder gar nicht zur Tragung dieser Kosten zu verurteilen ist.

92      Im vorliegenden Fall ist die Klägerin zwar mit ihren Anträgen unterlegen und sowohl das EUIPO als auch die Streithelferin haben beantragt, ihr die Kosten aufzuerlegen.

93      Allerdings hätte die Klägerin weder die gegen Rn. 80 der angefochtenen Entscheidung gerichtete Rüge zu erheben und bestimmte Argumente zur Stützung der weiteren Rügen vorzubringen noch Klage gegen die Berichtigungsentscheidung zu erheben brauchen, wenn die Beschwerdekammer die Gründe der angefochtenen Entscheidung klarer und präziser formuliert hätte. Unter diesen Umständen sind die Klägerin und das EUIPO zur Tragung ihrer eigenen Kosten zu verurteilen.

94      Außerdem ist die Streithelferin nach Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung zu verurteilen, ihre eigenen Kosten zu tragen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Rechtssachen T724/18 und T184/19 werden zu gemeinsamem Urteil verbunden.

2.      Die Klagen werden abgewiesen.

3.      Die Aurea Biolabs Pte Ltd, das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) und die Avizel SA tragen jeweils ihre eigenen Kosten.

Gervasoni

Frendo

Martín y Pérez de Nanclares

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 28. Mai 2020.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Englisch.