Language of document : ECLI:EU:C:2016:473

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

NILS WAHL

vom 22. Juni 2016(1)

Rechtssache C‑41/15

Gerard Dowling,

Padraig McManus,

Piotr Skoczylas,

Scotchstone Capital Fund Limited

gegen

Minister for Finance


Beteiligte: Permanent TSB Group Holdings plc und Permanent TSB plc

(Vorabentscheidungsersuchen des High Court [Hoher Gerichtshof, Irland])

„Gesellschaftsrecht – Richtlinie 77/91/EWG – Schutz der Aktionärsinteressen in Bezug auf das Kapital einer Aktiengesellschaft – Beschluss 2011/77/EU – Finanzieller Beistand für Irland – Rekapitalisierung der Irish Life and Permanent plc – Richtlinie 2001/24/EG – Sanierungsmaßnahmen“





1.        Hat die irische Regierung gegen zentrale Vorschriften des Gesellschaftsrechts der Europäischen Union verstoßen, als sie im Sommer 2011 die Kontrolle über die Irish Life and Permanent Group Holdings plc (später Permanent TSB Group Holdings plc; im Folgenden: ILPGH oder Gesellschaft) übernahm sowie bei gleicher Gelegenheit deren Tochtergesellschaft Irish Life and Permanent plc (später Permanent TSB plc; im Folgenden: ILP oder Bank)? Dies ist die zentrale Frage des Rechtsstreits, mit dem der High Court (Hoher Gerichtshof, Irland) befasst ist.

2.        In Übereinstimmung mit dem Standpunkt, den ich in meinen Schlussanträgen vom 18. Februar 2016 in der Rechtssache Kotnik u. a.(2) vertreten habe, bin ich aus den im Folgenden darzulegenden Gründen der Ansicht, dass die den Aktionären von der Zweiten Richtlinie 77/91/EWG(3) eingeräumten Rechte einen Mitgliedstaat nicht daran hindern, eine notleidende Bank, die von zentraler Bedeutung für seine Wirtschaft ist und deren Ausfall seine Wirtschaft ernsthaft schädigen und damit im Folgenden auch die Wirtschaft anderer Mitgliedstaaten gefährden könnte, schnellstmöglich zu rekapitalisieren.

3.        Ich bin daher der Meinung, dass die betreffende Maßnahme in der vorliegenden Sache im Einklang mit dem Unionsrecht getroffen wurde. Die abschließende Beurteilung ist allerdings Sache des High Court (Hoher Gerichtshof).

I –    Rechtlicher Rahmen

A –    Unionsrecht

1.      Die Zweite Richtlinie

4.        Nach Art. 8 der Zweiten Richtlinie dürfen Aktien nicht unter dem Nennbetrag oder, wenn ein Nennbetrag nicht vorhanden ist, nicht unter dem rechnerischen Wert ausgegeben werden.

5.        Gemäß Art. 25 der Zweiten Richtlinie muss jede Kapitalerhöhung von der Hauptversammlung beschlossen werden, wobei allerdings die Satzung, der Errichtungsakt oder die Hauptversammlung unter den in jener Vorschrift genannten Voraussetzungen im Vorhinein zu einer Erhöhung ermächtigen kann.

6.        Nach Art. 29 Abs. 1 der Zweiten Richtlinie müssen bei jeder Erhöhung des gezeichneten Kapitals durch Bareinlagen die Aktien vorzugsweise den Aktionären im Verhältnis zu dem durch ihre Aktien vertretenen Teil des Kapitals angeboten werden. Des Weiteren darf gemäß Art. 29 Abs. 4 das Bezugsrecht weder durch die Satzung noch durch den Errichtungsakt beschränkt oder ausgeschlossen werden, sondern einzig durch einen Beschluss der Hauptversammlung unter den in diesem Absatz genannten Bedingungen.

2.      Richtlinie 2001/24/EG(4)

7.        Nach Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) der Richtlinie 2001/24 sind „Sanierungsmaßnahmen“ „Maßnahmen, mit denen die finanzielle Lage eines Kreditinstituts gesichert oder wiederhergestellt werden soll und die die bestehenden Rechte Dritter beeinträchtigen könnten, einschließlich der Maßnahmen, die eine Aussetzung der Zahlungen, eine Aussetzung der Vollstreckungsmaßnahmen oder eine Kürzung der Forderungen erlauben“.

8.        Nach Art. 3 („Entscheidung über Sanierungsmaßnahmen – Anwendbares Recht“) der Richtlinie 2001/24 sind allein die Behörden oder Gerichte des Herkunftsmitgliedstaats befugt, über die Durchführung einer oder mehrerer Sanierungsmaßnahmen in einem Kreditinstitut, einschließlich seiner Zweigstellen in anderen Mitgliedstaaten, zu entscheiden. Diese Maßnahmen sind, sofern nichts anderes bestimmt ist, gemäß den im Herkunftsmitgliedstaat geltenden Rechtsvorschriften und Verfahren durchzuführen. Sind sie in dem Mitgliedstaat wirksam geworden, in dem sie ergriffen wurden, so sind sie nach den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats in der gesamten Union ohne weitere Formalität uneingeschränkt wirksam, und zwar auch gegenüber Dritten in anderen Mitgliedstaaten, selbst wenn nach den für diese geltenden Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats solche Maßnahmen nicht vorgesehen sind oder ihre Durchführung von Voraussetzungen abhängig gemacht wird, die nicht erfüllt sind.

9.        Art. 9 („Eröffnung eines Liquidationsverfahrens – Unterrichtung der anderen zuständigen Behörden“) der Richtlinie 2001/24 legt für Liquidationsverfahren Regeln fest, die im Wesentlichen denen des Art. 3 gleichen.

3.      Durchführungsbeschluss 2011/77/EU(5)

10.      Der Durchführungsbeschluss wurde auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 407/2010(6), insbesondere ihres Art. 3 Abs. 3, erlassen. In den Erwägungsgründen 1 bis 3 des Beschlusses heißt es:

„(1)      Irland ist unlängst auf den Finanzmärkten unter starken Druck geraten, da die Bedenken hinsichtlich der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen angesichts der massiven Stützungsmaßnahmen für den geschwächten Finanzsektor immer größer wurden. Aufgrund der starken Exponierung auf dem Hypothekenmarkt und im Bausektor verzeichnete das inländische Bankensystem große Verluste infolge des Zusammenbruchs dieser beiden Branchen. Die derzeitige Krise von Wirtschaft und Banken zeitigte auch dramatische Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen Irlands, die durch die Folgen der Rezession noch verschlimmert wurden. Sinkende Steuereinnahmen sowie eine Erhöhung der zyklischen Ausgaben, die insbesondere auf einen Anstieg der Arbeitslosigkeit zurückzuführen waren, haben – verglichen zu den günstigen Daten vor der Krise und trotz der Umsetzung fünf bedeutender Haushaltskonsolidierungspakete seit Mitte 2008 – zu einem hohen gesamtstaatlichen Defizit und einem raschen Anstieg der Verschuldung beigetragen. Die Stützungsmaßnahmen für den Bankensektor, einschließlich erheblicher Kapitalzuschüsse, haben wesentlich zur Verschlechterung der öffentlichen Finanzen beigetragen. Die derzeitigen Bedenken der Märkte spiegeln vor allem die Tatsache wider, dass die Solvenz der irischen Staatsfinanzen und die des Bankensystems seit der Krise untrennbar miteinander verwoben sind; so stiegen die Renditen für irische Staatsanleihen erheblich an, während der inländische Bankensektor von der Finanzierung durch die internationalen Märkte praktisch abgeschnitten ist.

(2)      Aufgrund dieser schwerwiegenden Störungen von Wirtschaft und Finanzwelt, die durch außergewöhnliche, über die Kontrolle durch die Regierung hinausgehende Vorfälle verursacht wurden, baten die irischen Behörden die Europäische Union, die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, und den Internationalen Währungsfonds (IWF) am 21. November 2010 offiziell um finanziellen Beistand, um die Wirtschaft wieder auf einen nachhaltigen Wachstumspfad zurückzuführen, die ordnungsgemäße Funktionsweise des Bankensystems zu gewährleisten sowie die finanzielle Stabilität in der Union und im Euroraum zu wahren. Am 28. November 2010 einigte man sich auf technischer Ebene auf ein umfassendes politisches Paket für den Zeitraum 2010-2013.

(3)      Der Entwurf des wirtschaftlichen und finanziellen Anpassungsprogramms (nachfolgend ‚das Programm‘), der dem Rat und der Kommission übermittelt wurde, soll das Vertrauen der Finanzmärkte in den irischen Bankensektor und die öffentlichen Finanzen wieder herstellen und es der Wirtschaft ermöglichen, wieder auf einen nachhaltigen Wachstumspfad zu gelangen. Zu diesem Zweck umfasst das Programm drei wesentliche Elemente: Zum einen eine Strategie für den Finanzsektor, samt einer erheblichen Verkleinerung, eines Abbaus der Fremdfinanzierungen und einer Umstrukturierung des Bankensektors, die durch eine angemessene Rekapitalisierung im Rahmen des vorhandenen Bedarfs ergänzt werden. … Im Rahmen dieses ehrgeizigen politischen Pakets erbitten die irischen Behörden den finanziellen Beistand der Union und der Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, sowie bilaterale Darlehen des Vereinigten Königreichs, Schwedens, Dänemarks und des IWF.“

11.      In Art. 1 des Durchführungsbeschlusses heißt es:

„(1)      Die Union gewährt Irland ein Darlehen in Höhe von maximal 22,5 Mrd. EUR, mit einer durchschnittlichen Laufzeit von höchstens 7½ Jahren.

(4)      Die erste Rate wird vorbehaltlich des Inkrafttretens der Darlehensvereinbarung und des Memorandum of Understanding freigegeben. Jede weitere Darlehensfreigabe hängt von einer positiven vierteljährlichen Bewertung der Einhaltung der in diesem Beschluss und dem Memorandum of Understanding festgelegten allgemeinen wirtschaftspolitischen Auflagen durch Irland seitens der Kommission in Absprache mit der EZB [Europäische Zentralbank] ab.

(8)      Die Kommission beschließt den Umfang und die Freigabe weiterer Raten. Die Kommission beschließt den Umfang der Tranchen.“

12.      Art. 2 des Durchführungsbeschlusses weist der Kommission die Aufgabe zu, den Irland geleisteten Beistand in einer Weise zu verwalten, die mit den Verpflichtungen Irlands und den Empfehlungen des Rates im Einklang steht, und legt die Modalitäten für die Ausübung dieser Aufsicht fest. Das von den irischen Behörden erstellte Programm wird mit Art. 3 des Durchführungsbeschlusses genehmigt, und es wird dort festgelegt, dass die Auszahlung weiterer Raten auf der Grundlage einer zufriedenstellenden Umsetzung des Programms erfolgt, wozu u. a. die folgenden Maßnahmen zählen:

„(5)      Wie im Memorandum of Understanding dargelegt muss Irland das Bankensystem angemessen rekapitalisieren, rasch seinen Fremdkapitalanteil verringern und eine grundlegende Umstrukturierung durchführen, um das Vertrauen in den Finanzsektor wieder herzustellen. … Insbesondere hat Irland folgende Aufgaben:

a)      Es muss Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass die inländischen Banken für den Bedarfsfall über eine angemessene Eigenkapitalausstattung verfügen, damit sie für die gesamte Dauer des finanziellen Beistands der EU die aufsichtsrechtlich vorgeschriebene Mindestanforderung von 10,5 % des Kernkapitals (,Tier 1‘) erfüllen und gleichzeitig ihren Fremdkapitalanteil bis Ende 2013 in Richtung der für das Kredit/Einlagen-Verhältnis gesetzten Zielvorgabe von 122,5 % absenken;

(7)      Irland trifft in Übereinstimmung mit den Spezifikationen des Memorandum of Understanding im Laufe des Jahres 2011 folgende Maßnahmen:

g)      Rekapitalisierung der inländischen Banken bis Ende Juli 2011 (vorbehaltlich einer angemessenen Anpassung für die bei Irish Life & Permanent erwartete Veräußerung von Aktiva) nach Maßgabe der von der irischen Zentralbank am 31. März 2011 bekannt gegebenen Ergebnisse der PLAR [Prudential Liquidity Assessment Review; aufsichtsrechtliche Liquiditätsbeurteilung] und PCAR [Prudential Capital Assessment Review; aufsichtsrechtliche Eigenkapitalbeurteilung] von 2011.

…“

B –    Irisches Recht

13.      Der Credit Institutions (Stabilisation) Act 2010 in der geänderten Fassung (im Folgenden: Gesetz von 2010) ist auf Kreditinstitute anwendbar, denen finanzielle Unterstützung gewährt wurde. Er wurde am 21. Dezember 2010 verabschiedet.

14.      Die Ziele des Gesetzes von 2010 sind in Section 4 wiedergegeben. Zu diesen zählt es, der Störung der Wirtschaft und der Finanzsysteme sowie der Bedrohung der Stabilität bestimmter Kreditinstitute in Irland und des Finanzsystems im Allgemeinen zu begegnen, die Umstrukturierung von Kreditinstituten in Irland durchzuführen (u. a. im Zusammenhang mit dem Programm) und die Finanzlage der „betreffenden Institute“ zu bewahren oder wiederherzustellen.

15.      Section 2 des Gesetzes von 2010 enthält Definitionen von in diesem Gesetz verwendeten Begriffen, wie etwa „credit institution“ (Kreditinstitut, eine im Staat zur Annahme von Einlagen oder sonstiger rückzahlbarer Gelder von der Öffentlichkeit und zur Gewährung von Krediten ermächtigte Person) und „relevant institution“ (betreffendes Institut). Der letztgenannte Ausdruck umschreibt nach Subsection a eine Einrichtung mit Sitz in Irland, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes von 2010 eine zugelassene Bank ist und der vom Minister for Finance (im Folgenden: Minister) finanzielle Unterstützung gewährt wurde, sowie nach Subsection f eine Holdinggesellschaft einer solchen Einrichtung.

16.      Nach Section 7 des Gesetzes von 2010 ist der Minister ermächtigt, dem High Court (Hoher Gerichtshof) den Erlass sogenannter „direction orders“ (Anordnungen) vorzuschlagen, mit denen gegenüber dem betreffenden Institut angeordnet wird, (innerhalb eines bestimmten Zeitraums) eine Handlung vorzunehmen oder (während eines bestimmten Zeitraums) von einer Handlung abzusehen. In der Folge regelt Section 9 des Gesetzes von 2010 das Verfahren für den Erlass der genannten Anordnungen. Hier heißt es:

„(1)      So bald wie möglich nach Abschluss der in Section 7 vorgesehenen Verfahren in Bezug auf einen Anordnungsvorschlag beantragt der Minister ex parte beim High Court eine Anordnung ... mit dem Inhalt des betreffenden Anordnungsvorschlags.

(2)      Sind nach Überzeugung des mit einem Ex-parte-Antrag nach Subsection 1 befassten High Court die Voraussetzungen von Section 7 erfüllt und die Auffassung des Ministers gemäß dieser Section angemessen und nicht mit Rechtsfehlern behaftet, so erlässt er eine Anordnung mit dem Inhalt des Anordnungsvorschlags (oder dem … geänderten Inhalt).

(3)      Hat der Minister in einem Anordnungsvorschlag die Absicht erklärt, die Finanzlage eines Kreditinstituts zu bewahren oder wiederherzustellen, und ist der High Court überzeugt, dass der Minister den Anordnungsvorschlag ganz oder teilweise in dieser Absicht vorgelegt hat, so erklärt der High Court in der betreffenden Anordnung, dass diese ganz oder teilweise eine Sanierungsmaßnahme im Sinne der [Richtlinie 2001/24] darstellt.

…“

17.      Section 11(1) des Gesetzes von 2010 sieht vor, dass das betreffende Institut oder eines seiner Mitglieder beim High Court (Hoher Gerichtshof) einen Antrag auf Aufhebung der Anordnung stellen kann. Nach Subsection 3 hebt der High Court (Hoher Gerichtshof) „die Anordnung nur auf, wenn er der Auffassung ist, dass eine der Voraussetzungen von Section 7 nicht erfüllt war oder dass die Ansicht des Ministers nach Section 7(2) nicht angemessen oder mit einem Rechtsfehler behaftet war“. Alternativ kann der High Court (Hoher Gerichtshof) nach Subsection 4 für den Fall, dass ein Rechtsfehler nachgewiesen wurde, die Anordnung ändern, anstatt sie aufzuheben.

18.      Section 47 des Gesetzes von 2010 regelt die Aufnahme einer Bestimmung in die Anordnung, wonach Befugnisse, die von den Mitgliedern des betreffenden Instituts in einer Hauptversammlung ausgeübt werden können, stattdessen vom Minister ausgeübt werden können.

19.      Section 52 des Gesetzes von 2010 lautet: „Jede nach diesem Gesetz in der erklärten Absicht erlassene Anordnung, die Finanzlage eines Kreditinstituts zu bewahren oder wiederherzustellen, soll ihre Wirkungen nach Maßgabe der [Richtlinie 2001/24] und der Rechtsvorschriften zu deren Umsetzung entfalten.“

20.      Schließlich bestimmt Section 53 des Gesetzes von 2010, dass dessen Vorschriften und jede nach diesem Gesetz erlassene Anordnung unbeschadet einer Reihe von in dieser Section aufgeführten Regelungen, u. a. des Irish Companies Act, gelten, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes vorgesehen ist. Des Weiteren sieht Section 61 im Wesentlichen vor, dass der Erlass einer solchen Anordnung nicht als Vertragsverletzung angesehen werden kann.

II – Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefrage

21.      Nach der Vorlageentscheidung ist ILP ein in Irland niedergelassenes Kreditinstitut. In der maßgeblichen Zeit war ILP Eigentümerin der Irish Life Group (im Folgenden: Irish Life), die die Irish Life Assurance plc und die Irish Life Investment Managers Ltd umfasste.

22.      ILPGH ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Irland, die nach einer vom High Court (Hoher Gerichtshof) im Januar 2010 genehmigten Vergleichsvereinbarung errichtet wurde(7). Sie war während des gesamten maßgebenden Zeitraums eine Holdinggesellschaft, die sämtliche Anteile an ILP hielt. ILPGH besaß keine anderen Vermögenswerte; sie ist kein Kreditinstitut und war es auch nicht zur maßgebenden Zeit.

23.      Die Antragsteller im Ausgangsverfahren (im Folgenden zusammen: Antragsteller) sind Mitglieder und Aktionäre von ILPGH. Die Herren Gerard Dowling, Padraig McManus und Piotr Skoczylas sind private Aktionäre. Herr Skoczylas war nach seiner Wahl bei einer Außerordentlichen Hauptversammlung von ILPGH am 20. Juli 2011 (im Folgenden: AHV) eine Zeitlang auch Direktor von ILPGH. Die Scotchstone Capital Fund Limited ist eine Herrn Skoczylas gehörende Gesellschaft und auch Aktionärin der ILPGH.

24.      Seit 2008 wurde ILP, wie auch andere irische Banken, zunehmend von Finanzhilfen des irischen Staates und der Union abhängig. Nachdem es im Lauf der Zeit nicht gelang, die damalige Finanzkrise völlig zu überwinden, konnten die Bemühungen der irischen Regierung zur Stützung der Banken die Märkte weder von der Tragfähigkeit der Banken noch von der Fähigkeit des irischen Staates überzeugen, diese weiterhin zu stützen. Ende 2010 war es offensichtlich, dass eine ernsthafte Bedrohung für die Finanzstabilität des irischen Staates bestand, die zu einem bedeutenden Teil auf die staatlichen Zusagen zugunsten der Banken zurückzuführen war. Der irische Staat hatte Einlagen mit Bezug zu Irish Life bis zu einer Höhe von rund 26 Mrd. Euro garantiert.

25.      Im November 2010 schloss der irische Staat verbindliche rechtliche Vereinbarungen mit der Kommission, der EZB und dem IWF, wozu auch die Verpflichtung gehörte, überlebensfähige irische Banken im Rahmen des Programms zu rekapitalisieren. Im Rahmen des Programms verpflichtete sich die Zentralbank Irlands, die Eigenkapitalbeurteilung PCAR und die Liquiditätsbeurteilung PLAR durchzuführen und auf der Grundlage der Ergebnisse den Kapitalbedarf der Banken zu ermitteln. Die entsprechenden Ergebnisse wurden am 31. März 2011 veröffentlicht. Irland verpflichtete sich rechtlich, die Rekapitalisierung im Einklang mit den Beurteilungen bis 31. Juli 2011 sicherzustellen.

26.      Im Folgenden wies die irische Zentralbank in ihrer Eigenschaft als unabhängige Regulierungsbehörde ILP an, Eigenkapital in Höhe von 4 Mrd. Euro zu beschaffen. Diese Anweisung war für ILP bindend und wurde rechtlich nicht angefochten.

27.      Das vorlegende Gericht legt dar, es sei nach Abwägung der Wahrscheinlichkeiten zu der Ansicht gelangt, dass a) das benötigte Kapital nicht von privaten Investoren hätte beschafft werden können, b) das benötigte Kapital nicht von den bisherigen Aktionären hätte beschafft werden können, c) die Nichtdurchführung der fristgerechten Rekapitalisierung wegen entweder eines massiven Einlagenabzugs, eines Widerrufs ihrer Zulassung, einer Aufforderung zur Rückzahlung der verschiedenen Schuldtitel oder der Beendigung der Finanzierung nach den Regeln der Sofort-Liquiditätshilfe (Emergency Liquidity Assistance – ELA) oder einer Kombination einiger oder aller dieser Möglichkeiten wahrscheinlich zu einer Insolvenz von ILP geführt hätte. Eine solche Insolvenz hätte des Weiteren d) wahrscheinlich zu einem vollständigen Wertverlust für die Aktionäre geführt.

28.      Nach Ansicht des High Court (Hoher Gerichtshof) hätte e) die Insolvenz von ILP wahrscheinlich extreme, nachteilige Folgen für den irischen Staat gehabt, entweder wegen eines massiven Einlagenabzugs und der daraus folgenden Inanspruchnahme der Staatsgarantie von bis zu etwa 26 Mrd. Euro, eines Ansteckungseffekts in Bezug auf die anderen Banken, einer vollständigen oder teilweisen Rücknahme der Mittelbereitstellungen an den irischen Staat nach dem Programm aufgrund der Nichtbeachtung von dessen Bedingungen, nach dem AEUV verhängter Sanktionen oder wegen einer Kombination einiger oder aller dieser Möglichkeiten. Die nachteiligen Folgen für Irland hätten wahrscheinlich f) die Bedrohung für die Finanzstabilität anderer Mitgliedstaaten und der Union vergrößert. Der Staat habe seine Entscheidungen, in die Rekapitalisierung zu investieren, in Erfüllung seiner rechtlichen Verpflichtungen und im Interesse des staatlichen Finanzsystems, der irischen Bürger und der Bürger der Union getroffen.

29.      Der Staat habe entschieden, ILP durch Zeichnung von Stammaktien im Wert von 2,3 Mrd. Euro durch den Minister, durch bedingtes Kapital in Höhe von 0,4 Mrd. Euro und durch ein „Stand by“-Investment von 1,1 Mrd. Euro zu rekapitalisieren. Der pro Aktie zu zahlende Betrag habe 0,06345 Euro betragen, was einem 10%igen Abschlag auf den mittleren Marktpreis vom 23. Juni 2011 entsprochen habe. Die Berechnung der Zahl der Aktien, die im Gegenzug für die 2,3 Mrd. Euro hätten ausgegeben werden müssen, habe dazu geführt, dass der Minister 99,2 % der Gesellschaft erworben habe. Nach Ansicht des High Court (Hoher Gerichtshof) war g) der Aktienpreis an diesem Tag nicht, wie die Antragsteller meinten, das Ergebnis eines verfälschten Marktes. Der Aktienpreis sei in den vorangegangenen Jahren stetig gesunken und sei bei Veröffentlichung der PCAR- und PLAR-Ergebnisse drastisch gefallen. Grund hierfür sei wahrscheinlich gewesen, dass der Markt an der Fähigkeit von ILP gezweifelt habe, die erforderliche Rekapitalisierung in einer für Investoren attraktiven Art und Weise zu erreichen.

30.      Die Europäische Kommission habe die beihilferechtliche Genehmigung für die Rekapitalisierung von ILP durch staatliche Investitionen erteilt(8). Das Vorgehen sei auch von der zuständigen nationalen Behörde für die Zwecke der Richtlinie 2004/25/EG genehmigt worden(9).

31.      Der Vorschlag des Ministers sei vom Board von ILP unterstützt worden, das der Ansicht gewesen sei, dass der Gesellschaft keine andere Option zur Verfügung gestanden habe, um die erforderliche Rekapitalisierung zu erreichen. Die AHV sei einberufen worden, um die notwendigen Beschlüsse zu fassen. Dort sei der Vorschlag jedoch bei der Abstimmung von den Aktionären nicht angenommen worden, die andere potenzielle Wege für die Beschaffung des erforderlichen Eigenkapitals hätten untersuchen wollen und das Board angewiesen hätten, eine Fristverlängerung für die Rekapitalisierung zu beantragen.

32.      Weder der Minister noch der Präsident der Zentralbank seien geneigt gewesen, eine solche Fristverlängerung zu beantragen, die ihrer Meinung nach angesichts des Ursprungs der Frist die Zustimmung des Rates, der Kommission, der EZB und des IWF erfordert hätte. Der Minister habe daher am 25. Juli 2011 einen Vorschlag für eine Anordnung gemäß den Bestimmungen des Gesetzes von 2010 erstellt. Der Präsident der irischen Zentralbank habe mitgeteilt, dass er den Vorschlag für eine Anordnung unterstütze, da hierdurch der Gesetzeszweck wahrscheinlich erreicht werden könne. Der Vorsitzende des Boards der Gesellschaft habe den Minister auf ein von ihm nach der AHV verfasstes Schreiben hingewiesen, in dem er die Auffassung der Aktionäre, die nicht zugestimmt hätten, zusammengefasst habe.

33.      Der Ex-parte-Vorschlag für eine Anordnung sei ergangen, und der High Court (Hoher Gerichtshof) habe am 26. Juli 2011 die Anordnung erlassen (im Folgenden: Anordnung), durch die der Minister 99,2 % der ausgegebenen Aktien von ILPGH erhalten habe. Daraus habe sich die Notwendigkeit ergeben, die Aktien der Gesellschaft aus der amtlichen Notierung in Irland und im Vereinigten Königreich zu nehmen. Am 3. August 2011 hätten die Antragsteller beim High Court (Hoher Gerichtshof) beantragt, die Anordnung gemäß Section 11 des Gesetzes von 2010 aufzuheben. Der High Court (Hoher Gerichtshof) hat Zweifel, ob die vom Minister vorgeschlagenen Maßnahmen notwendig, unangemessen oder mit einem Rechtsfehler behaftet waren, und hat am 2. Dezember 2014 entschieden, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Steht die Zweite Richtlinie unter allen Umständen, einschließlich der im vorliegenden Fall gegebenen, dem Erlass einer vom Minister als erforderlich angesehenen Anordnung nach Section 9 des Gesetzes von 2010 entgegen, wenn eine solche Anordnung bewirkt, dass das Gesellschaftskapital ohne die Zustimmung der Hauptversammlung erhöht wird, dass neue Aktien, ohne dass diese auf einer Vorkaufsbasis den bereits vorhandenen Aktionären angeboten worden wären, ohne die Zustimmung der Hauptversammlung ausgegeben werden und dass der Nennbetrag der Aktien der Gesellschaft ohne die Zustimmung der Hauptversammlung gesenkt und hierzu ohne Zustimmung der Hauptversammlung der Gesellschaftsvertrag und die Satzung der Gesellschaft geändert werden?

2.      Verstieß die vom High Court (Hoher Gerichtshof) gemäß Section 9 des Gesetzes von 2010 in Bezug auf die Gesellschaft und die Bank erlassene Anordnung gegen das Recht der Europäischen Union?

34.      Die Antragsteller, ILP, ILPGH, Irland, die italienische und die zyprische Regierung sowie die Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. In der Sitzung vom 19. April 2016 haben die Antragsteller, ILP, ILPGH, Irland und die Kommission mündliche Ausführungen gemacht.

III – Würdigung

A –    Einleitende Bemerkungen

35.      Die Finanzkrise hat nicht nur zu einigen Grundsatzentscheidungen des Gerichtshofs geführt(10). Sie hat auch Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit der Ergreifung von Maßnahmen zur Rettung notleidender Kreditinstitute ausgelöst(11). Typischerweise erforderten solche Maßnahmen eine „Lastenverteilung“, um zum einen die öffentliche finanzielle Unterstützung zu verringern und zum anderen Spekulationen in risikoreiche Unternehmen zu verhindern (sogenanntes moralisch riskantes Verhalten). Es wird vorgebracht, dass es im Ausgangsverfahren um solche Maßnahmen gehe.

36.      Zunächst ist in der vorliegenden Sache nicht streitig, dass die Zweite Richtlinie grundsätzlich auf Gesellschaften wie ILP und ILPGH anwendbar ist und dass des Weiteren ILP wirtschaftlich angeschlagen und verpflichtet war, der Anordnung der Zentralbank Folge zu leisten. Vielmehr bezweifeln die Antragsteller die Rechtmäßigkeit der vom Minister ergriffenen Maßnahmen. Ihr Standpunkt ist im Wesentlichen, dass andere, weniger belastende Maßnahmen denkbar gewesen seien, die nicht den Verzicht auf die Zustimmung durch die Hauptversammlung von ILPGH, wie sie meinen, entgegen den Art. 8, 25 und 29 der Zweiten Richtlinie, mit sich gebracht hätten.

37.      Tatsächlich ist das Hauptargument der Antragsteller, dass ILP und nicht ILPGH ein Kreditinstitut sei. Ihrer Ansicht nach hätte der Minister zur Aufrechterhaltung der finanziellen Stabilität der irischen Wirtschaft seine Intervention auf ILP beschränken können und sollen, anstatt den High Court (Hoher Gerichtshof) aufzufordern, ILPGH zum Hauptziel der streitigen Maßnahmen zu machen. ILPGH sei lediglich eine Holdinggesellschaft mit einem von dem von ILP getrennten Aktienkapital, die nicht an die Anordnung der irischen Zentralbank gebunden oder gar für die Handlungen oder Unterlassungen von ILP haftbar gewesen sei.

38.      Ein Eingehen auf dieses Vorbringen ist zur Beantwortung der ersten Vorlagefrage des High Court (Hoher Gerichtshof) nicht erforderlich. Da es dem High Court (Hoher Gerichtshof) bei der Entscheidung im Ausgangsverfahren hilfreich zu sein scheint, werde ich darauf jedoch bei der Beantwortung der zweiten Frage eingehen, die meiner Ansicht nach die Antwort auf die erste Frage ergänzt. Ich werde daher diese Schlussanträge mit einer gemeinsamen Antwort auf beide Fragen abschließen.

B –    Zur ersten Frage

1.      Vorbemerkungen

39.      Die erste Frage ist eher allgemein gehalten und weniger auf die einzelnen Umstände des Ausgangsverfahrens ausgerichtet. Ich schließe daraus, dass es dem High Court (Hoher Gerichtshof) in erster Linie um eine grundsätzliche Antwort des Gerichtshofs geht. Nach meinem Verständnis möchte das vorlegende Gericht daher im Wesentlichen wissen, ob die Art. 8, 25 und 29 der Zweiten Richtlinie dahin auszulegen sind, dass sie Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegenstehen, nach denen ein Gericht, um der Störung der Wirtschaft und der Finanzsysteme sowie der Bedrohung der Stabilität bestimmter Kreditinstitute in diesem Mitgliedstaat und des Finanzsystems im Allgemeinen zu begegnen und das Risiko einer Ausweitung auf andere Mitgliedstaaten zu minimieren, anordnen kann, dass eine unter diese Richtlinie fallende Aktiengesellschaft, die für die Wirtschaft dieses Mitgliedstaats systemrelevant ist und die nicht aus eigener Kraft die Vorgaben dieses Mitgliedstaats in Bezug auf die Aufsicht über Kreditinstitute erfüllen kann, von der Regierung ohne die Zustimmung der Hauptversammlung übernommen wird.

40.      Daher ist das Leitmotiv in der vorliegenden Sache wieder einmal die Frage nach den Grenzen für die staatliche Gewalt, wenn es darum geht, in Krisenzeiten ein notleidendes Kreditinstitut zu übernehmen, das eine der Säulen der Wirtschaft darstellt. In diesem Fall geht es um die Grenzen aufgrund des unionsrechtlich (in diesem Fall in den Art. 8, 25 und 29 der Zweiten Richtlinie) verbrieften Rechts der Hauptversammlung der Aktionäre, eine Übernahme abzulehnen.

2.      Allgemeiner Ansatz für die Entscheidung des Gerichtshofs

41.      Wie ich im einführenden Teil dieser Schlussanträge bereits angemerkt habe, sollte der Gerichtshof meines Erachtens den von mir in der Rechtssache Kotnik u. a.(12) vorgeschlagenen Ansatz wählen. Diese Rechtssache betraf u. a. auch die Grenzen für staatliche Eingriffe in den notleidenden Finanzsektor (dort jedoch durch staatliche Beihilfen) durch die Vorschriften des Gesellschaftsrechts der Union. Ich werde in den Nrn. 44 bis 51 ausführen, worum es in dieser Rechtssache ging und warum sie der vorliegenden Rechtssache ähnelt.

42.      Vorher möchte ich aber zunächst auf ein Grundprinzip hinweisen: die unabhängige Rechtspersönlichkeit von Aktiengesellschaften, die einen Grundstein des Binnenmarkts und insbesondere der Niederlassungsfreiheit nach den Art. 49 Abs. 2 und 54 Abs. 2 AEUV bildet(13). Dass eine Aktiengesellschaft finanzielle Schwierigkeiten hat, rechtfertigt für sich genommen nicht, Aktionären Rechte nach der Zweiten Richtlinie zu verweigern(14). Ein solches Verhalten würde Art. 17 der Zweiten Richtlinie(15) jeden Sinn nehmen.

43.      Daher ist die von ILP, ILPGH und Irland vertretene Ansicht, dass Art. 65 Abs. 1 Buchst. b AEUV ein Abweichen von der Zweiten Richtlinie aus Gründen der Aufsicht über die Kreditinstitute rechtfertige und dass zudem der Gerichtshof anerkannt habe, dass der Ruf des nationalen Finanzsektors grundsätzlich Beschränkungen des freien Verkehrs rechtfertigen kann(16), ohne Weiteres zurückzuweisen. Vielmehr ist eine nationale Maßnahme in einem Bereich, der auf Unionsebene erschöpfend harmonisiert worden ist, anhand der Bestimmungen dieser Harmonisierungsmaßnahme und nicht der des Primärrechts zu beurteilen(17). Außerdem hat der Gerichtshof bereits ein ähnliches Argument geprüft und zurückgewiesen(18).

44.      Dies vorausgeschickt und wie ich bereits im Wesentlichen in den Nrn. 93 bis 121 meiner Schlussanträge in der Rechtssache Kotnik u. a.(19) ausgeführt habe, auf die ich insgesamt verweise, kann ich mich der Ansicht der Antragsteller nicht anschließen, dass die Zweite Richtlinie einen Mitgliedstaat daran hindere, dringende Maßnahmen zum Erhalt finanzieller Stabilität in seinem Hoheitsgebiet und zur Minimierung einer Ansteckungsgefahr zu ergreifen. Insbesondere teile ich aus den in den vorgenannten Schlussanträgen genannten Gründen die Zweifel des High Court (Hoher Gerichtshof)(20) an der Ansicht, dass die Urteile aus der Reihe der, wie ich sie nennen möchte, Pafitis-Rechtsprechung(21) dazu berechtigten, die Zweite Richtlinie in dem von den Antragstellern befürworteten Sinn auszulegen.

45.      Erstens unterscheiden sich, ganz so wie in der Rechtssache Kotnik u. a., die tatsächlichen Umstände, die zu der Pafitis-Rechtsprechung geführt haben, gelinde gesagt erheblich von denen der gegenwärtig beim Gerichtshof anhängigen Rechtssachen. Tatsächlich hat der Gerichtshof, wie in der mündlichen Verhandlung erörtert, in Rn. 57 des Urteils Pafitis u. a.(22) zwar anerkannt, dass die Zweite Richtlinie auf eine „einfache Sanierungsregelung“ – wie sie in jener Rechtssache in Rede stand – weiter Anwendung findet, er hat sich aber nicht zu Sanierungsregelungen geäußert, die als außergewöhnlich einzustufen sind.

46.      Zweitens ist der wesentliche Zweck der Zweiten Richtlinie und insbesondere ihres Art. 25 tatsächlich, das Kräftegleichgewicht zwischen den verschiedenen Organen einer Aktiengesellschaft (wie auch zwischen einzelnen Aktionären) aufrechtzuerhalten, zumal wenn es zwischen ihnen zu Konflikten kommt(23), nicht aber, einen Mitgliedstaat daran zu hindern, in Bezug auf eine solche Gesellschaft einzugreifen, um einer ernsthaften und möglicherweise ansteckenden Störung seiner Wirtschaft zu begegnen. Tatsächlich wird in der Richtlinie selbst eingeräumt, dass es für einen Mitgliedstaat erforderlich sein könnte, die Befugnisse der Hauptversammlung einschränkende Rechtsvorschriften zu verabschieden, wenn dies zur Verhinderung eines schweren und unmittelbar bevorstehenden Schadens notwendig ist(24).

47.      Schließlich hat sich, soweit es Letzteres betrifft, der Stand der europäischen Kooperation und Integration in Finanz- und Währungsfragen, wie Irland richtig anmerkt, seit dem Erlass der genannten Urteile ganz erheblich weiterentwickelt, und zwar auf der Ebene des Primär-(25) wie der des Sekundärrechts(26). Dies sind die Hauptgründe, aus denen der Gerichtshof sich nicht starr an die Pafitis-Rechtsprechung halten sollte.

48.      Außerdem wirft die vorliegende Sache aus meiner Sicht keine wesentlich anderen Fragen auf als die Rechtssache Kotnik u. a.

49.      Natürlich ist der Sachverhalt der Rechtssache Kotnik u. a. nicht mit dem des Ausgangsverfahrens identisch. Während es in der Rechtssache Kotnik u. a. um die Auferlegung einer Maßnahme zur Beteiligung von Gläubigern und Investoren („bail-in“) in Bezug auf Aktienkapital, hybride Finanzinstrumente und nachrangige Schuldtitel ging, umfasste die Anordnung in der vorliegenden Sache eine Erhöhung des Aktienkapitals. Gleichwohl führte im Ausgangsverfahren die massive Kapitalerhöhung bei ILPGH, zusammen mit dem Wegfall der Möglichkeit für die Aktionäre, Vorkaufsrechte auszuüben, dazu, dass die ursprünglichen Aktionäre, die derzeit weniger als 1 % der Aktien halten, ihren Einfluss, den ihnen ihre Aktien sonst verschafft hätten, verloren, dass also ihre Rechte verwässert wurden. Aus diesem Grund enthielt die Anordnung de facto auch eine Lastenverteilungsmaßnahme(27).

50.      Des Weiteren ist ebenfalls richtig, dass die Rechtssache Kotnik u. a. in erster Linie Beihilferecht und weniger EU-Gesellschaftsrecht betrifft. Allerdings wollte der Ustavno sodišče (Verfassungsgerichtshof, Slowenien) in jener Rechtssache wissen, ob bestimmte Punkte einer Mitteilung der Kommission im Bereich der Bankenbeihilfe(28) gegen die Zweite Richtlinie in der Neufassung, d. h. gegen die Richtlinie 2012/30/EU(29), verstoßen (was meiner Ansicht nach nicht der Fall ist). Im Interesse einer sachdienlichen Antwort hat mich ein weiter gefasstes Verständnis der Frage zusätzlich zu der Prüfung veranlasst, ob innerstaatliche Bestimmungen, die die nationale Zentralbank mit dem Erlass der Lastenverteilungsmaßnahmen betrauen, mit der genannten Richtlinie im Einklang stehen. In den genannten Schlussanträgen bin ich zu dem Ergebnis gekommen, dass diese weiter gefasste Frage dahin zu beantworten ist, dass unter den in jener Rechtssache gegebenen Umständen solche Bestimmungen mit der Richtlinie 2012/30 nicht unvereinbar sind.

51.      Somit werden nach meiner Ansicht durch die fünfte Vorlagefrage in der Rechtssache Kotnik u. a. und in der vorliegenden Sache weitgehend die gleichen Probleme aufgeworfen. Daher sollte auch in beiden Fällen derselbe Ansatz verfolgt werden.

3.      Besonderheiten des Ausgangsverfahrens

52.      Oben in Nr. 44 habe ich dargelegt, welchen allgemeinen Ansatz der Gerichtshof bei der Entscheidung in der vorliegenden Rechtssache verfolgen sollte. An diesem Punkt möchte ich bestimmte Eigenheiten dieser Sache beleuchten.

a)      Finanzieller und wirtschaftlicher Kontext der Rekapitalisierung

53.      Was die finanziellen und wirtschaftlichen Umstände zur Zeit der Rekapitalisierung angeht, so waren sie zweifellos außergewöhnlich – und das nicht nur aus innerstaatlicher Sicht. Tatsächlich waren sie so außergewöhnlich, dass der Rat im Durchführungsbeschluss (vgl. insbesondere dessen zweiten Erwägungsgrund) feststellte, dass sie den Erlass des Programms rechtfertigten. Die Kommission stimmte den Beihilfemaßnahmen im Rahmen der Rettung und Restrukturierung von ILP zur Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben Irlands im Sinne des Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV zu (siehe oben, Nr. 30). Keine dieser Entscheidungen wurde angefochten, und die darin enthaltenen politischen Bewertungen sind demnach endgültig.

54.      In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof anerkanntermaßen – und richtigerweise – in der Pafitis-Rechtsprechung befunden, dass die interne Bezeichnung nationaler Regelungen als „Sonder- oder Ausnahmeregelungen“ für sich genommen eine Abweichung von den Vorschriften der Zweiten Richtlinie nicht rechtfertigt(30). Diese Aussage sollte jedoch nicht dahin gehend missverstanden werden, dass sie auch auf eine Situation internationalen Ausmaßes wie diejenige, die zu dem Ausgangsverfahren geführt hat, anzuwenden ist.

55.      Dies vorausgeschickt muss ich einräumen, dass ich das Vorbringen, Irland sei zu einer Rekapitalisierung in der erfolgten Weise unionsrechtlich verpflichtet gewesen, eher zurückhaltend sehe. So argumentieren ILP, ILPGH und Irland, um den vorliegenden Fall noch stärker von der Pafitis-Rechtsprechung zu unterscheiden. Richtig ist, dass laut Art. 3 Abs. 5 Buchst. a des Durchführungsbeschlusses Einverständnis darüber bestand, dass Irland Maßnahmen ergreifen musste, um sicherzustellen, dass die inländischen Banken für den Bedarfsfall über eine angemessene Eigenkapitalausstattung verfügen, damit sie für die gesamte Dauer des finanziellen Beistands der EU die aufsichtsrechtlich vorgeschriebenen Mindestanforderungen einhalten und gleichzeitig ihren Fremdkapitalanteil in Richtung der für das Kredit/Einlagen-Verhältnis gesetzten Zielvorgabe absenken. Weiter musste Irland nach Art. 3 Abs. 7 Buchst. g seine inländischen Banken bis Ende Juli 2011 vorbehaltlich einer angemessenen Anpassung für die bei ILP erwartete Veräußerung von Aktiva nach Maßgabe der PCAR und PLAR rekapitalisieren. Jedoch war Irland aufgrund des Durchführungsbeschlusses nicht verpflichtet, die Rekapitalisierung so durchzuführen, wie es in der Anordnung vorgeschrieben war. Dies lag im alleinigen Ermessen Irlands. Anders gesagt war der High Court (Hoher Gerichtshof) unionsrechtlich nicht verpflichtet, die Anordnung zu erlassen.

56.      Außerdem war die „Verpflichtung“ zur Rekapitalisierung Teil der Gegenleistung für den finanziellen Beistand nach dem Irland auf eigenen Antrag gewährten Unterstützungsprogramm. Die Rekapitalisierung der inländischen Banken war nämlich nach Art. 1 Abs. 4 und Art. 3 Abs. 2 des Durchführungsbeschlusses schlicht eine Bedingung für den Beistand. Letztlich ist der Durchführungsbeschluss, wie die Kommission in der Sitzung richtig ausgeführt hat, in Art. 122 Abs. 2 AEUV begründet, einer Vorschrift, in der von einem „finanziellen Beistand“ unter „Bedingungen“ die Rede ist und nicht von einer Ermächtigung der Union, verpflichtende wirtschaftspolitische Zielvorgaben zu machen(31).

57.      Es ist daher nicht erkennbar, dass die Union einseitig eine Verpflichtung auferlegt hätte. Aus dem gleichen Grund braucht auch nicht geprüft zu werden, ob, wie die italienische Regierung meint, die Verordnung Nr. 407/2010 und damit auch der Durchführungsbeschluss als lex specialis zur Zweiten Richtlinie anzusehen sind.

b)      Rechtsnatur der beanstandeten Maßnahme

58.      Ein anderer Punkt, den ich ansprechen möchte, ist die Rechtsnatur der Anordnung. Diese Anordnung wurde gemäß dem im Gesetz von 2010 vorgesehenen Verfahren vom High Court (Hoher Gerichtshof), d. h. von einer unparteiischen und unabhängigen Stelle, erlassen. Es handelt sich um eine gerichtliche Entscheidung. Auch dies unterscheidet die vorliegende Rechtssache von der Pafitis-Rechtsprechung. In jenen Rechtssachen hatte allein der zuständige Minister nach den geltenden Rechtsvorschriften entschieden, ob Unternehmen in ernsthaften finanziellen Schwierigkeiten der mit diesen Rechtsvorschriften geschaffenen Regelung unterworfen wurden oder nicht. Der Minister war auch ermächtigt, die betreffenden Unternehmen in eine Gesellschaft zu überführen, die mit deren Restrukturierung betraut und deren Kapital zur Gänze vom Staat gezeichnet war, sowie Entscheidungen dieser Gesellschaft über die Erhöhung des Kapitals der betreffenden Unternehmen zu genehmigen. Diese Rechtssachen waren daher gekennzeichnet durch unbegrenzte staatliche Eingriffe in die Autonomie einer Aktiengesellschaft.

59.      Die Tatsache, dass die Anordnung von einer gerichtlichen Stelle erlassen wurde, rechtfertigt einige weitere Anmerkungen. Tatsächlich erkennt die Zweite Richtlinie die Wichtigkeit und Autorität gerichtlicher Entscheidungen an, indem sie an mehreren Stellen auf sie verweist(32). Insbesondere ist nach Art. 30 der Zweiten Richtlinie eine Kapitalherabsetzung nicht der Hauptversammlung vorzulegen, wenn sie von einem Gericht angeordnet wurde. In dieser Hinsicht könnte argumentiert werden, dass die Unabhängigkeit der Gerichte diese noch stärker von bestimmten anderen unabhängigen Regulierungsstellen unterscheidet, die, auch wenn sie den nationalen Regierungen nicht verantwortlich sind, sicher nicht gegenüber politischen Erwägungen immun sind(33).

60.      Unter Verweis auf mehrere Entscheidungen irischer Gerichte(34) sehen die Antragsteller freilich die Anordnung nicht als gerichtliche Anordnung, sondern letztlich als Verwaltungsentscheidung mit vorläufigem Charakter an.

61.      Ich bin anderer Ansicht.

62.      Erstens ergingen die von den Antragstellern angeführten Entscheidungen u. a. im Rahmen der Frage, welcher Prüfungsmaßstab nach irischem Recht bei einer Anfechtung einer Anordnung nach Section 11 des Gesetzes von 2010 gilt. Da die Anordnung von einem Gericht und nicht von einer Verwaltungsstelle erlassen wurde, konnten die normalerweise bei der richterlichen Überprüfung von Akten der Verwaltung herangezogenen Maßstäbe nicht angewandt werden. Jedoch ändert diese Frage des inländischen Rechts nichts daran, dass für die Zwecke der Zweiten Richtlinie eine gerichtliche Entscheidung vorliegt.

63.      Zweitens ist der Umstand, dass die Anordnung ex parte erlassen wurde oder dass sie in einem Verfahren nach Section 11 des Gesetzes von 2010 aufgehoben werden kann, eine Sache des irischen Verfahrensrechts und wirkt sich nicht auf die Auslegung der Zweiten Richtlinie aus. Ich füge hinzu, dass das vorlegende Gericht festgestellt hat, dass der Minister dem High Court (Hoher Gerichtshof) offen die von der Aktionärsmehrheit in der AHV vertretene Auffassung mitgeteilt hatte.

64.      Schließlich impliziert die Sicht der Antragsteller, dass die irischen Gerichte blind die Vorschläge für eine Anordnung des Ministers durchwinkten, ohne jemals deren Berechtigung zu prüfen. Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden.

65.      Daher ist, im Rahmen der Zweiten Richtlinie, die Anordnung eine gerichtliche Entscheidung und keine bloße Verwaltungsmaßnahme.

c)      Die Relevanz der Richtlinie 2001/24

66.      Irland trägt, unterstützt von ILP und ILPGH, weiter vor, bei der Anordnung handle es sich um eine „Sanierungsmaßnahme“ im Sinne von Art. 2 der Richtlinie 2001/24. Da die Richtlinie 2001/24 in Bezug auf die Zweite Richtlinie lex posterior et specialis sei, führe eine solche Maßnahme im Ergebnis dazu, dass die Aktionärsrechte nach der Zweiten Richtlinie außer Kraft gesetzt würden.

67.      In meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Kotnik u. a.(35) habe ich dargelegt, dass für eine „Sanierungsmaßnahme“ drei kumulative Anforderungen bestehen: Sie muss 1. von der zuständigen Behörde bzw. vom zuständigen Gericht eines Mitgliedstaats erlassen werden, 2. zu dem Zweck erlassen werden, die finanzielle Lage eines Kreditinstituts zu sichern oder wiederherzustellen, und 3. die Rechte Dritter beeinträchtigen können. Diese Anforderungen erfüllt die Anordnung(36).

68.      Ich sehe jedoch keine Notwendigkeit einer verbindlichen Stellungnahme zu der Frage, ob die Richtlinie 2001/24 den Regelungen der Zweiten Richtlinie vorgeht. Da Erstere viele Jahre nach Letzterer erlassen wurde, ist die Frage berechtigt, warum die Richtlinie 2001/24 dann keine Vorrangbestimmung in Bezug auf die Zweite Richtlinie enthält(37).

69.      Außerdem haben die beiden Richtlinien aufgrund ihres jeweiligen persönlichen Geltungsbereichs (Aktiengesellschaften im Fall der Zweiten Richtlinie und Kreditinstitute im Fall der Richtlinie 2001/24) unterschiedliche rechtliche Grundlagen(38) und Anwendungsbereiche. Auch ihre Ziele sind unterschiedlich: Während das Ziel der Zweiten Richtlinie ist, „beim Schutz der Aktionäre einerseits und der Gläubiger der Gesellschaft andererseits ein Mindestmaß an Gleichwertigkeit sicherzustellen“(39), führt die Richtlinie 2001/24 lediglich, wie die Kommission darlegt, ein System der gegenseitigen Anerkennung nationaler Sanierungsmaßnahmen ein, ohne eine Harmonisierung der nationalen Regelungen in der Sache anzustreben, wie sich aus dem sechsten Erwägungsgrund dieser Richtlinie ergibt(40). Ich kann daher keinen Konflikt zwischen den beiden Regelungen erkennen.

70.      Im Gegenteil scheint mir, dass die beiden Richtlinien einander eher ergänzen. Einerseits wurde im Urteil Pafitis u. a.(41) klargestellt, dass die Zweite Richtlinie grundsätzlich auf Aktiengesellschaften anwendbar ist, unabhängig von ihrem Status als Kreditinstitut. Andererseits geht es in der Richtlinie 2001/24 nicht um Aktionärsrechte. Tatsächlich heißt es im achten Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/24: „Bestimmte Maßnahmen, insbesondere solche, die … die Rechte … der Aktionäre berühren, brauchen nicht Gegenstand dieser Richtlinie zu sein, um in den Mitgliedstaaten wirksam zu werden, sofern nach den Regeln des Internationalen Privatrechts das Recht des Herkunftsmitgliedstaats anwendbar ist.“ Entsprechend gelten nach dem zehnten Erwägungsgrund „Aktionäre nicht als Dritte im Sinne [der] Richtlinie“ 2001/24.

71.      Daher stimme ich der zyprischen Regierung zu, wenn sie im Wesentlichen darlegt, dass beide Richtlinien harmonisch auszulegen seien, um die Einheit und Kohärenz des Unionsrechts zu wahren.

72.      In diesem Zusammenhang halte ich für die kohärenteste Auslegung eine, nach der erstens Sanierungsmaßnahmen, die Aktionärsrechte betreffen, nicht der Richtlinie 2001/24 unterliegen, sondern dem Recht des Herkunftsstaats – hier also irischem Recht, insbesondere dem Gesetz von 2010 – und zweitens, wie bereits oben in den Nrn. 58 und 59 ausgeführt, die Zweite Richtlinie ihrer Natur nach die Autorität gerichtlicher Entscheidungen anerkennt.

4.      Schlussfolgerungen

73.      Aufgrund des Vorstehenden bin ich der Ansicht, dass die vorliegende Sache im Wesentlichen die gleichen Fragen aufwirft wie die Rechtssache Kotnik u. a. und deshalb weitgehend ebenso behandelt werden sollte. Die Umstände des Ausgangsverfahrens bestätigen dies.

74.      Die Antragsteller machen für diesen Fall geltend, dies würde dazu führen, dass der Gerichtshof rückwirkend seine Rechtsprechung ändern würde, was dem Prinzip der Rechtssicherheit widerspräche.

75.      Diese Kritik entbehrt jeder Grundlage.

76.      Erstens berücksichtigt diese Ansicht nicht den Unterschied zwischen einer Klarstellung oder Nuancierung der Rechtsprechung einerseits und ihrer Änderung andererseits (wenn der Gerichtshof von seiner bisherigen Rechtsprechung abweichen will, weist er ausdrücklich darauf hin(42)). Die vorliegende Sache führt nicht zu einem Abrücken von der Pafitis-Rechtsprechung – im Gegenteil bestätigt sie diese eher im Grundsatz. Hier liegt ein einfacher Fall der Unterscheidung zwischen Sachverhalten und einschlägiger Rechtsprechung vor.

77.      Was zweitens die rückwirkende Anwendung angeht, genügt die Feststellung, dass die Antragsteller in diesem Punkt Recht haben. Dies ist jedoch ein Merkmal, das dem Vorabentscheidungsverfahren nach seiner Ausgestaltung durch die Verträge innewohnt, und bedeutet keinen Verstoß gegen die Rechtssicherheit(43). Unabhängig davon wurde auch nicht um eine zeitliche Begrenzung der Wirkungen einer Entscheidung ersucht, und es ist unwahrscheinlich, dass der Gerichtshof eine solche gewähren würde(44).

78.      Im Grundsatz schlage ich dem Gerichtshof daher vor, auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass die Art. 8, 25 und 29 der Zweiten Richtlinie dahin auszulegen sind, dass sie Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht entgegenstehen, nach denen ein Gericht, um der Störung der Wirtschaft und der Finanzsysteme sowie der Bedrohung der Stabilität bestimmter Kreditinstitute in diesem Mitgliedstaat und des Finanzsystems im Allgemeinen zu begegnen und das Risiko einer Ausweitung auf andere Mitgliedstaaten zu minimieren, anordnen kann, dass eine unter diese Richtlinie fallende Aktiengesellschaft, die für die Wirtschaft dieses Mitgliedstaats systemrelevant ist und die nicht aus eigener Kraft die Vorgaben dieses Mitgliedstaats in Bezug auf die Aufsicht über Kreditinstitute erfüllen kann, von der Regierung ohne die Zustimmung der Hauptversammlung übernommen wird.

79.      Allerdings muss ich nun noch die Besonderheiten dieser Sache behandeln. Dies ist Gegenstand meiner Antwort auf die zweite Vorlagefrage.

C –    Zur zweiten Frage

80.      Mit der zweiten Frage möchte der High Court (Hoher Gerichtshof) wissen, ob die Anordnung „gegen das Recht der Europäischen Union [verstieß]“.

81.      Diese knappe Frage ist direkt und auf den Punkt formuliert. Sie wirft jedoch einige formale Probleme auf.

1.      Zuständigkeit des Gerichtshofs und Zulässigkeit der Frage

82.      Die Regierung Zyperns hält die zweite Frage für unzulässig, weil sie nicht die Vorschriften des Unionsrechts benenne, die gegebenenfalls betroffen sein könnten.

83.      Richtig ist, dass in der zweiten Frage lediglich vom „Recht der Europäischen Union“ die Rede ist.

84.      Ich weise in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es nicht Aufgabe des Gerichtshofs ist, zu beurteilen, welche Bestimmungen des Unionsrechts im Ausgangsverfahren relevant sein könnten. Dies ist im Gegenteil eine Aufgabe, die nach Art. 94 Buchst. c der Verfahrensordnung den nationalen Gerichten obliegt(45).

85.      Ich halte die zweite Frage auch unter dem Gesichtspunkt der Zuständigkeit des Gerichtshofs in zweifacher Hinsicht für problematisch.

86.      Erstens ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof im Wesentlichen, Unionsrecht auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anzuwenden. Hierzu ist der Gerichtshof nach Art. 267 AEUV nicht befugt(46).

87.      Zweitens ist es nicht Aufgabe des Gerichtshofs, in Vorabentscheidungsverfahren über die Vereinbarkeit nationalen Rechts mit Unionsrecht zu befinden(47).

88.      Auch wenn in der Vorlageentscheidung nicht ausdrücklich gesagt wird, inwieweit sich die zweite Frage von der ersten unterscheidet, scheint mir ihr Sinn gleichwohl klar zu sein. Während die erste Frage in allgemeinen Worten gehalten ist und dahin geht, ob die Zweite Richtlinie per se jeglicher Maßnahme entgegensteht, die ohne Zustimmung der Hauptversammlung erlassen wurde, was die den Aktionären nach dieser Richtlinie zustehenden Rechte verletzen würde – eine Frage, die ich zu verneinen vorschlage –, bezieht sich die zweite Frage konkret auf die Umstände des Ausgangsverfahrens. Anders gesagt scheint das vorlegende Gericht wissen zu wollen, ob Unionsrecht einer Rekapitalisierung entgegensteht, wie sie im Ausgangsverfahren vorgenommen wurde. Die Unbestimmtheit des Ausdrucks „Recht der Europäischen Union“ sollte nicht der Annahme entgegenstehen, dass damit zumindest die Zweite Richtlinie gemeint ist.

89.      In diesem Zusammenhang befindet der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass sich seine Befugnisse nach Art. 267 AEUV darauf erstrecken, dem nationalen Gericht die nötigen Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts zu geben, die diesem für seine Entscheidung dienlich sein können(48).

90.      Daher werde ich, wie von der Kommission vorgeschlagen und oben unter Nr. 38 angekündigt, eine gemeinsame Antwort auf beide Fragen geben.

2.      Inhaltliche Prüfung

91.      Ich möchte an dieser Stelle noch einmal in Erinnerung rufen, dass Irland die Anordnung in Erfüllung der Auflagen für finanziellen Beistand zur Rekapitalisierung seiner Banken gemäß Art. 3 Abs. 5 Buchst. a und Abs. 7 Buchst. g des Durchführungsbeschlusses erließ. Dazu heißt es im elften Erwägungsgrund des Durchführungsbeschlusses: „Die Transaktionen, die durch den Beistand der Union mitfinanziert werden, müssen mit den Politiken der Union vereinbar sein und das Recht der Union einhalten.“ Hierzu gehören nicht nur positive Rechte, die Einzelnen direkt nach Unionsrecht zustehen, sondern auch die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts, einschließlich der Grundrechte, die die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung von Unionsrecht berücksichtigen müssen(49). Zu diesen allgemeinen Grundsätzen gehört neben dem Eigentumsrecht aus Art. 17 der Charta(50) auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit(51). Letzterer verpflichtet die Mitgliedstaaten, Mittel einzusetzen, die es zwar erlauben, das vom innerstaatlichen Recht verfolgte Ziel wirksam zu erreichen, die jedoch die Ziele und Grundsätze des einschlägigen Unionsrechts möglichst wenig beeinträchtigen(52).

92.      Es ist Sache des High Court (Hoher Gerichtshof), bei der Überprüfung der Anordnung nach Section 11 des Gesetzes von 2010 zu prüfen, ob die vorgenannten Grundsätze beachtet wurden und, insbesondere, ob die Anordnung eine Maßnahme ist, die die Ziele und Grundsätze der Zweiten Richtlinie möglichst wenig beeinträchtigt.

93.      In dem Zusammenhang ist der Hauptkritikpunkt der Antragsteller gegenüber der Anordnung (siehe oben, Nr. 37) zu berücksichtigen. Nach meinem Verständnis machen sie nicht geltend, dass es unnötig gewesen sei, ILP zu rekapitalisieren, oder dass die irische Regierung ILP nicht hätte übernehmen dürfen. Sie rügen vielmehr, dass der Minister die Kontrolle über ILPGH übernommen und damit das behauptete Eigenkapital der Gesellschaft zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Anordnung konfisziert habe.

94.      Weder die Vorlageentscheidung noch die schriftlichen Erklärungen von ILP und ILPGH oder Irlands beschäftigen sich explizit mit der Frage, warum die Anordnung nicht nur an die Bank, sondern auch an die Gesellschaft gerichtet war. Die Antragsteller machen geltend, als Holdinggesellschaft habe die ILPGH ihr eigenes Kapital gehabt, das ihren Aktionären gehört und sich vor dem Erlass der Anordnung auf 453 Mio. Euro belaufen habe. Zu dieser Frage enthält die Vorlageentscheidung nur die Feststellung, dass „[d]as eingezahlte Aktienkapital der Gesellschaft … nicht als Teil der Rekapitalisierung berücksichtigt und nicht vom Minister aus der Gesellschaft entnommen [wurde]“.

95.      In der Sitzung konnten jedoch einige der Fragen zu diesem Punkt geklärt werden. Irland hat, unterstützt von ILP und ILPGH, ausgeführt, das Eingreifen auf der Ebene von ILPGH habe „für die ILPGH-Aktionäre keinen Unterschied [gemacht]. Hätte der Minister auf der ILP-Ebene eingegriffen, wären die Aktionäre die 100%igen Eigentümer einer ILPGH gewesen, der 0,8 % von ILP gehörten, statt Eigner von 0,8 % des Kapitals von ILPGH zu sein“(53). Die genannten Verfahrensbeteiligten haben weiter ausgeführt, dass die Anordnung an die ILPGH statt an die Bank ergangen sei, um Irland einen Ertrag auf seine Investition zu garantieren, da man davon ausgegangen sei, dass ILPGH – die nach Angaben der Regierung Irlands inzwischen wieder notiert ist – für potenzielle Käufer attraktiver gewesen sei.

96.      Diese Angaben sind von größter Bedeutung. Für ihre Richtigkeit spricht der Hintergrund der oben in Nr. 22 erwähnten und in den Verfahrensunterlagen enthaltenen Vergleichsvereinbarung, wonach das Startkapital von ILPGH mittels einer aus dem gesamten Aktienkapital von ILP bestehenden Sacheinlage (oder etwas Ähnlichem) aufgebracht wurde. Außerdem besaß ILPGH nach der Feststellung des High Court (Hoher Gerichtshof) ausschließlich ILP-Vermögenswerte. Diese Aussagen würden demnach den Schluss des High Court (Hoher Gerichtshof) erklären, dass „[d]ie Insolvenz von ILP … wahrscheinlich zu einem vollständigen Wertverlust für die Aktionäre [von ILPGH] geführt [hätte]“.

97.      Geht man von der Richtigkeit dieser Feststellungen aus, ist das Vorbringen der Antragsteller, dass die Anordnung nicht gerechtfertigt gewesen sei, zurückzuweisen. Unter diesen Umständen war und ist nämlich die Bank der einzige Vermögenswert der Gesellschaft, so dass die Insolvenz der Bank dazu führen würde, dass die Aktien der Gesellschaft, wie in der Vorlageentscheidung beschrieben, völlig wertlos würden. Ich kann somit nicht erkennen, wie es unter diesen Umständen eine wie auch immer geartete Verletzung der Eigentumsrechte der Antragsteller gegeben haben könnte. Es scheint eher so, als versuchten die Antragsteller mit ihrer Klage, das „sehr beträchtliche Geschenk“, wie es ILP und ILPGH in ihren schriftlichen Erklärungen genannt haben, zu erlangen, das ihnen der Minister weder bei der AHV noch in deren Vorfeld angeboten hatte.

98.      Damit sehe ich auch keine Notwendigkeit, die rechtlichen Auswirkungen zu behandeln, die sich aus einem möglichen Verstoß gegen die Art. 8, 25 und 29 der Zweiten Richtlinie ergeben würden. Jedenfalls ist, wie Irland bemerkt, der Gerichtshof derzeit nicht aufgefordert, über die Abhilfemaßnahmen zu befinden, die sich im Fall der Bejahung einer der Vorlagefragen ergäben, und ich werde diesen Gedankengang nicht weiter verfolgen.

99.      Dessen ungeachtet ist es Sache des High Court (Hoher Gerichtshof), die Richtigkeit der oben in Nr. 95 genannten Feststellungen zu bewerten.

100. Demgemäß sollte die Antwort auf beide Fragen wie oben in Nr. 78 formuliert lauten, unter dem Vorbehalt, dass der betreffende Mitgliedstaat zu Mitteln greift, die es zwar erlauben, das mit seinen Notstandsvorschriften verfolgte Ziel wirksam zu erreichen, die jedoch die Ziele und Grundsätze der Zweiten Richtlinie möglichst wenig beeinträchtigen. Die nationalen Gerichte müssen prüfen, ob dies der Fall ist.

IV – Ergebnis

101. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die Vorlagefragen des High Court (Hoher Gerichtshof, Irland) zu antworten, dass die Art. 8, 25 und 29 der Zweiten Richtlinie 77/91/EWG des Rates vom 13. Dezember 1976 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des [EWG-]Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, in der geänderten Fassung dahin auszulegen sind, dass sie Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht entgegenstehen, nach denen ein Gericht, um der Störung der Wirtschaft und der Finanzsysteme sowie der Bedrohung der Stabilität bestimmter Kreditinstitute in diesem Mitgliedstaat und des Finanzsystems im Allgemeinen zu begegnen und das Risiko einer Ausweitung auf andere Mitgliedstaaten zu minimieren, anordnen kann, dass eine unter diese Richtlinie fallende Aktiengesellschaft, die für die Wirtschaft dieses Mitgliedstaats systemrelevant ist und die nicht aus eigener Kraft die Vorgaben dieses Mitgliedstaats in Bezug auf die Aufsicht über Kreditinstitute erfüllen kann, von der Regierung ohne die Zustimmung der Hauptversammlung übernommen wird. Der Mitgliedstaat muss jedoch Mittel einsetzen, die es zwar erlauben, die mit den vorgenannten Rechtsvorschriften verfolgten Ziele wirksam zu erreichen, die aber die Ziele und Grundsätze der Richtlinie 77/91 möglichst wenig beeinträchtigen. Dies zu prüfen ist Sache der nationalen Gerichte.


1 – Originalsprache: Englisch.


2 – Schlussanträge in der Rechtssache Kotnik u. a. (C‑526/14, EU:C:2016:102).


3 – Zweite Richtlinie des Rates vom 13. Dezember 1976 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des [EWG-]Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten (ABl. 1977, L 26, S. 1), in ihrer geänderten Fassung.


4 – Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates von 4. April 2001 über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten (ABl. 2001, L 125, S. 15).


5 – Durchführungsbeschluss des Rates vom 7. Dezember 2010 über einen finanziellen Beistand der Union für Irland (ABl. 2011, L 30, S. 34) in der Fassung des Durchführungsbeschlusses 2011/326/EU des Rates vom 30. Mai 2011 zur Änderung des Durchführungsbeschlusses 2011/77 (ABl. 2011, L 147, S. 17).


6 – Die Verordnung des Rates vom 11. Mai 2010 zur Einführung eines europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus (ABl. 2010, L 118, S. 1) wurde selbst auf der Grundlage des Art. 122 Abs. 2 AEUV erlassen.


7 – Aus einem Rundschreiben zu dieser Vergleichsvereinbarung, das sich bei den beim Gerichtshof eingereichten Unterlagen befindet, geht hervor, dass hiervor ILP sowohl als Holdinggesellschaft der Gruppe als auch als zugelassenes Kreditinstitut handelte, das das Bankgeschäft der Gruppe betrieb. Im Sinne einer vorteilhafteren Struktur der Gruppe schlug das ILP-Board den Aktionären am 20. November 2009 vor, eine neue, an den einschlägigen Börsen notierte Holdinggesellschaft als alleinige Holdinggesellschaft der Gruppe fungieren zu lassen. Es wurde daher für die spätere ILPGH vorgeschlagen, dass sie das gesamte Aktienkapital von ILP übernehmen sollte und dass die bisherigen ILP Aktionäre stattdessen im Verhältnis 1:1 Aktionäre der zukünftigen ILPGH werden sollten.


8 – Beschluss der Kommission C(2011) 5258 final vom 20. Juli 2011 zur staatlichen Beihilfe SA.33311 (11/N) – Irland – Rescue recapitalisation in favour of Irish Life and Permanent Group Holdings plc (zusammenfassende Veröffentlichung in ABl. 2011, C 268, S. 4 und 5) und Beschluss der Kommission C(2015) 2353 final vom 9. April 2015 zur staatlichen Beihilfe SA.33442 (2011/N) – Irland – Restructuring of Irish Life and Permanent Group Holdings plc (zusammenfassende Veröffentlichung in ABl. 2015, C 219, S. 1 und 2).


9 – Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 betreffend Übernahmeangebote (ABl. 2004, L 142, S. 12). Die Genehmigung war u. a. an die Bedingung geknüpft, dass kein Antrag zur Aufhebung einer nachfolgenden Anordnung des High Court gestellt werde.


10 – Vgl. Urteile vom 27. November 2012, Pringle (C‑370/12, EU:C:2012:756), und vom 16. Juni 2015, Gauweiler u. a. (C‑62/14, EU:C:2015:400).


11 – Vgl. u. a. Beschluss vom 24. März 2011, Abt u. a. (C‑194/10, EU:C:2011:182); Urteile vom 3. April 2014, Kommission/Niederlande und ING Groep (C‑224/12 P, EU:C:2014:213), EFTA-Überwachungsbehörde/Island, E-16/11, [2013] EFTA Ct. Rep. 4, vom 5. März 2015, Banco Privado Português und Massa Insolvente do Banco Privado Português (C‑667/13, EU:C:2015:151); Beschluss vom 15. Oktober 2015, Banco Privado Português und Massa Insolvente do Banco Privado Português/Kommission (C‑93/15 P, EU:C:2015:703); Urteile vom 12. November 2015, HSH Investment Holdings Coinvest-C und HSH Investment Holdings FSO/Kommission (T‑499/12, EU:T:2015:840), und vom 28. Januar 2016, Österreich/Kommission (T‑427/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:41). Vgl. auch die anhängigen Rechtssachen Fih Holding und Fih Erhvervsbank/Kommission, T‑386/14, Ledra Advertising u. a./Kommission und EZB, C‑8/15 P, C‑9/15 P und C‑10/15 P, sowie Mallis und Malli/Kommission und EZB, C‑105/15 P bis C‑109/15 P.


12 – C‑526/14, EU:C:2016:102.


13 – Vgl. auch den ersten Erwägungsgrund der Zweiten Richtlinie, nach dem „in der Wirtschaft der Mitgliedstaaten die Tätigkeit [von Aktiengesellschaften] vorherrscht und häufig die Grenzen des nationalen Hoheitsgebiets überschreitet“.


14 – Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Mai 1998, Kefalas u. a. (C‑367/96, EU:C:1998:222, Rn. 25).


15 – Art. 17 Abs. 1 der Zweiten Richtlinie bestimmt: „Bei schweren Verlusten des gezeichneten Kapitals muss die Hauptversammlung innerhalb einer durch die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten zu bestimmenden Frist einberufen werden, um zu prüfen, ob die Gesellschaft aufzulösen ist oder andere Maßnahmen zu ergreifen sind.“ Vgl. auch Urteil vom 12. Mai 1998, Kefalas u. a. (C‑367/96, EU:C:1998:222, Rn. 25).


16 – Vgl. Urteil vom 10. Mai 1995, Alpine Investments (C‑384/93, EU:C:1995:126, Rn. 42 bis 44).


17 – Vgl. u. a. Urteil vom 9. März 2006, Matratzen Concord (C‑421/04, EU:C:2006:164, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. auch insbesondere entsprechend Urteil vom 16. Juni 2015, Rina Services u. a. (C‑593/13, EU:C:2015:399, Rn. 37 bis 40).


18 – Urteil vom 12. März 1996, Pafitis u. a. (C‑441/93, EU:C:1996:92, Rn. 49 und 50).


19 – C‑526/14, EU:C:2016:102.


20 –      Vgl. Dowling u. a./The Minister for Finance, [2014] IEHC 595, Rn. 74 (bezüglich eines Antrags auf Unterlassung).


21 – Vgl. Urteile vom 24. März 1992, Syndesmos Melon Tis Eleftheras Evangelikis Ekklisias u. a. (C‑381/89, EU:C:1992:142), vom 30. Mai 1991, Karella u. a. (C‑19/90 und C‑20/90, EU:C:1991:229), vom 12. November 1992, Kerafina-Keramische u. a. (C‑134/91 und C‑135/91, EU:C:1992:434), vom 12. März 1996, Pafitis u. a. (C‑441/93, EU:C:1996:92), vom 12. Mai 1998, Kefalas u. a. (C‑367/96, EU:C:1998:222), und vom 23. März 2000, Diamantis (C‑373/97, EU:C:2000:150).


22 – Urteil vom 12. März 1996, C‑441/93, EU:C:1996:92, Rn. 57.


23 – Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Mai 1998, Kefalas u. a. (C‑367/96, EU:C:1998:222, Rn. 28).


24 –      Vgl. beispielsweise Art. 19 Abs. 2 der Zweiten Richtlinie, wo es heißt: „Die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats können von [dem Erfordernis, dass der Erwerb eigener Aktien von der Hauptversammlung zu genehmigen ist,] abweichen, sofern der Erwerb eigener Aktien notwendig ist, um einen schweren unmittelbar bevorstehenden Schaden von der Gesellschaft abzuwenden.“


25 – Vgl. Titel VIII des Dritten Teils des AEUV über die Wirtschafts- und Währungspolitik sowie Art. 3.3 des Protokolls (Nr. 4) über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank.


26 – In Anbetracht des Urteils vom 12. März 1996. Pafitis u. a. (C‑441/93, EU:C:1996:92, Rn. 43 und 51), beziehe ich mich in erster Linie auf die Richtlinie 2001/24 und die Richtlinie 94/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 1994 über Einlagensicherungssysteme (ABl. 1994, L 135, S. 5) in der Fassung durch die Richtlinie 2009/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2009 zur Änderung der Richtlinie 94/19 im Hinblick auf die Deckungssumme und die Auszahlungsfrist (ABl. 2009, L 68, S. 3). Auch wenn sie zur maßgebenden Zeit nicht anwendbar sind, bestätigen doch andere Richtlinien diese Entwicklung, wie etwa die Richtlinie 2014/49/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Einlagensicherungssysteme (Neufassung) (ABl. 2014, L 173, S. 149) und die Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2014, L 173, S. 190; siehe insbesondere Art. 123 der Richtlinie).


27 –      Anders als bei vielleicht typischeren Beispielen einer Rekapitalisierung, bei denen es entweder zu einer Enteignung (Ausschluss) der Aktionäre oder einer Übertragung der Vermögenswerte von einer alten Bank („Bad Bank“) auf eine „Neue“ Bank (oft gefolgt von der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Bezug auf die „Bad Bank“) kommt, führte hier die Rekapitalisierung zu einem „Nebeneinander“ des Ministers mit den anderen Aktionären von ILPGH. Aus den Verfahrensunterlagen geht hervor, dass eine Kapitalerhöhung aus Gründen des irischen Verfassungsrechts bevorzugt wurde.


28 – Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen ab dem 1. August 2013 auf Maßnahmen zur Stützung von Banken im Kontext der Finanzkrise (ABl. 2013, C 216, S. 1).


29 – Richtlinie 2012/30/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 54 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten (ABl. 2012, L 315, S. 74).


30 – Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. März 2000, Diamantis (C‑373/97, EU:C:2000:150, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).


31 – Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. November 2012, Pringle (C‑370/12, EU:C:2012:756, Rn. 65).


32 – Vgl. Art. 5 Abs. 2, Art. 20 Abs. 1 Buchst. d und g und Art. 32 Abs. 2 der Zweiten Richtlinie.


33 – Vgl. etwa in Bezug auf die Europäische Zentralbank und die nationalen Zentralbanken Art. 7 des Protokolls Nr. 4 über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank.


34 – Urteile des High Court vom 2. März 2012, Irish Life and Permanent Group Holdings plc/Credit Institutions Stabilisation Act 2010 [2012] IEHC 89, Rn. 31, des Supreme Court (Irland) vom 19. Dezember 2013, Dowling u. a./Minister for Finance [2013] IESC 58, Rn. 41, und des High Court vom 15. August 2014, Dowling u. a./The Minister for Finance [2014] IEHC 418, Rn. 38.34 und 38.36.


35 – C‑526/14, EU:C:2016:102, Nrn. 131 bis 144.


36 – Was die erste Anforderung angeht, ist die Anordnung eine Maßnahme, die vom zuständigen irischen Gericht erlassen wurde (vgl. Section 2[1] des Gesetzes, wonach mit „Court“ im Sinne des Gesetzes der High Court gemeint ist). Auch die zweite Anforderung ist erfüllt. Tatsächlich enthält Punkt E der Anordnung eine entsprechende Erklärung des High Court nach Section 9(3) des Gesetzes; vgl. auch Section 52 des Gesetzes. Schließlich folgt aus Punkt E der Anordnung, dass sie in allen anwendbaren Rechtsordnungen nach der Richtlinie 2001/24 und dem Gesetz wirksam ist. Sie kann daher Rechte Dritter nach den Sections 53 und 61 des Gesetzes beeinträchtigen.


37 – Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Juni 2010, Kommission/Bavarian Lager (C‑28/08 P, EU:C:2010:378, Rn. 56).


38 – Die Richtlinie 2001/24 wurde gemäß Art. 47 Abs. 2 EGV (jetzt Art. 53 Abs. 1 AEUV) erlassen, während die Zweite Richtlinie nach Art. 53 Abs. 3 Buchst. g EWG-Vertrag (jetzt Art. 50 Abs. 2 Buchst. g AEUV) erlassen wurde.


39 – Vgl. den zweiten Erwägungsgrund der Zweiten Richtlinie. Vgl. auch Urteil vom 12. März 1996, Pafitis u. a. (C‑441/93, EU:C:1996:92, Rn. 38).


40 – Urteil vom 24. Oktober 2013, LBI (C‑85/12, EU:C:2013:697, Rn. 39).


41 – Urteil vom 12. März 1996, Pafitis u. a. (C‑441/93, EU:C:1996:92).


42 – Vgl. als klassische Beispiele die Urteile vom 17. Oktober 1990, HAG GF (C‑10/89, EU:C:1990:359, Rn. 10), vom 24. November 1993, Keck und Mithouard (C‑267/91 und C‑268/91, EU:C:1993:905, Rn. 16), sowie vom 25. Juli 2008, Metock u. a. (C‑127/08, EU:C:2008:449, Rn. 58).


43 –      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. April 2016, DI (C‑441/14, EU:C:2016:278, Rn. 39 und 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).


44 – Vgl. als Beispiel für die hierfür bestehende hohe Hürde Urteil vom 23. November 2014, Schulz und Egbringhoff (C‑359/11 und C‑400/11, EU:C:2014:2317, Rn. 54 bis 64), unter Berücksichtigung meiner Schlussanträge in dieser Rechtssache (EU:C:2014:319, Nrn. 69 bis 77).


45 – Entsprechend heißt es in Nr. 23 der Empfehlungen an die nationalen Gerichte bezüglich der Vorlage von Vorabentscheidungsersuchen (ABl. 2012, C 338, S. 1): „Die in dem Fall einschlägigen Vorschriften des Unionsrechts sind so genau wie möglich im Vorabentscheidungsersuchen anzugeben …“


46 – Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. September 2011, Patriciello (C‑163/10, EU:C:2011:543, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).


47 – Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. März 2012, Ascafor und Asidac (C‑484/10, EU:C:2012:113, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).


48 – Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. September 2011 (Patriciello, C‑163/10, EU:C:2011:543, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).


49 – Urteil vom 13. Juli 1989, Wachauf (C‑5/88, EU:C:1989:321, Rn. 19), und Art. 51 Abs. 1 der Charta.


50 – Mir ist bewusst, dass die EZB auf Nachfrage die Ansicht geäußert hat, dass die „Notfallkompetenzen [nach dem Gesetz von 2010] die Eigentumsrechte von Aktionären der Institute erheblich beeinträchtigen“; vgl. Stellungnahme vom 17. Dezember 2010 zur Stabilisierung von Kreditinstituten in Notfällen (CON/2010/92), Rn. 2.4. In Bezug auf das Recht der Aktionäre auf Achtung ihres Eigentums nach Art. 1 des Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention im Rahmen der Übernahme eines Kreditinstituts durch den Staat verweise ich u. a. auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 21. Juli 2015, Cıngıllı Holding A.Ş. und Cıngıllıoğlu gegen Türkei, ECLI:CE:ECHR:2015:0721JUD003183306, Rn. 49 bis 51 und die dort angeführte Rechtsprechung. Vgl. auch meine Schlussanträge in der Rechtssache Kotnik u. a. (C‑526/14, EU:C:2016:102, Fn. 55 und 57).


51 – Vgl. u. a. Urteil vom 11. Januar 2000, Kreil (C‑285/98, EU:C:2000:2, Rn. 23).


52 – Vgl. Urteil vom 18. Dezember 1997, Molenheide u. a. (C‑286/94, C‑340/95, C‑401/95 und C‑47/96, EU:C:1997:623, Rn. 46).


53 – Ich möchte hinzufügen, dass die Vertreter von ILP und ILPGH in der Sitzung angegeben haben, dass die 453 Mio. Euro in einer Rücklage aus Aktienagios einer vorherigen Emission waren. Dieses Kapital war jedoch verloren und/oder aufgebraucht.