Language of document : ECLI:EU:T:2008:418

URTEIL DES GERICHTS (Achte Kammer)

8. Oktober 2008(*)

„Schiedsklausel – Programm zur Förderung von Entwicklung, Vertrieb und Öffentlichkeitsarbeit hinsichtlich europäischer audiovisueller Werke (MEDIA Plus) – Klage auf Zahlung einer finanziellen Unterstützung – Vorhandensein einer Schiedsklausel – Aufrechnung – Unzulässigkeit“

In der Rechtssache T‑122/06

Helkon Media AG mit Sitz in München (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt U. Karpenstein,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch G. Wilms und I. Kaufmann-Bühler als Bevollmächtigte,

Beklagte,

betreffend eine Klage nach Art. 238 EG auf Verurteilung der Kommission zur Zahlung eines angeblich aufgrund eines Vertrags über die finanzielle Unterstützung des Projekts „Dark Blue World“ (Projekt 2002 4212 0103DI010006DE) durch die Gemeinschaft geschuldeten Betrags

erlässt





DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Achte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin M. E. Martins Ribeiro sowie der Richter S. Papasavvas (Berichterstatter) und A. Dittrich,

Kanzler: C. Kantza, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 23. April 2008

folgendes

Urteil

 Rechtlicher Rahmen

 Finanzregelung

1        Art. 73 Abs. 1 der ab 1. Januar 2003 geltenden Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates vom 25. Juni 2002 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 248, S. 1) bestimmt:

„(1)      Der Rechnungsführer führt die vom zuständigen Anweisungsbefugten ordnungsgemäß ausgestellten Einziehungsanordnungen aus. Er trägt dafür Sorge, dass die Einnahmen der Gemeinschaften eingehen und dass Rechte der Gemeinschaften gewahrt werden.

Forderungen der Gemeinschaften gegenüber einem Schuldner, der selbst gegenüber den Gemeinschaften eine einredefreie, auf Geld gehende und fällige Forderung geltend macht, werden bei ihrer Einziehung vom Rechnungsführer verrechnet.“

 Beschluss 2000/821/EG

2        Art. 6 des Beschlusses 2000/821/EG des Rates vom 20. Dezember 2000 zur Durchführung eines Programms zur Förderung von Entwicklung, Vertrieb und Öffentlichkeitsarbeit hinsichtlich europäischer audiovisueller Werke (MEDIA Plus – Entwicklung, Vertrieb und Öffentlichkeitsarbeit) (2001–2005) (ABl. L 336, S. 82) bestimmt:

„Die im Rahmen des Programms bewilligten Finanzhilfen werden in Form von bedingt rückzahlbaren Vorschüssen oder Zuschüssen nach Maßgabe des Anhangs gewährt. …“

3        Nr. 2.2.2 Abs. 1 des Anhangs des Beschlusses 2000/821/EG sieht vor:

„Bevor die Kommission einen Antrag auf Gemeinschaftsunterstützung genehmigt, bewertet sie ihn sorgfältig im Hinblick auf seine Übereinstimmung mit diesem Beschluss mit den Bedingungen der Nrn. 2.2 und 2.3 dieses Abschnitts des Anhangs.“

4        Nr. 2.2.3 desselben Anhangs lautet:

„Die Kommission legt die Vorschriften für die Finanzierungszusagen und Zahlungen für Maßnahmen, die im Einklang mit diesem Beschluss durchgeführt werden, nach den einschlägigen Finanzvorschriften fest.

Sie sorgt besonders dafür, dass die Verwaltungs- und Finanzierungsvorschriften den verfolgten Zielen sowie den Gepflogenheiten und Interessen der audiovisuellen Industrie angepasst sind.“

5        Nr. 2.3.1 Abs. 2 dieses Anhangs bestimmt:

„Die Kommission trifft … die endgültige Auswahl der Begünstigten des Programms und entscheidet, welche finanzielle Unterstützung gewährt wird. Sie begründet ihre Entscheidungen gegenüber Antragstellern auf Gemeinschaftsunterstützung und sorgt für Transparenz bei der Durchführung des Programms.“

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

6        Die Klägerin, die Helkon Media AG, ist eine Aktiengesellschaft des deutschen Rechts mit Sitz in München. Ihr Gesellschaftszweck sind Produktion, Vertrieb und Verleih von audiovisuellen Erzeugnissen sowie die Erbringung von Dienstleistungen in der Film- und Fernsehbranche. Ihr Gesellschaftszweck besteht auch im Erwerb von Beteiligungen und der Geschäftsführung bei anderen Gesellschaften, die in derselben Branche tätig sind.

7        Am 1. Oktober 2002 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin eröffnet.

8        Im Rahmen der Entscheidung 2000/821/EG schloss die Europäische Gemeinschaft, vertreten durch die Kommission, am 7. Oktober 2002 eine Vereinbarung (im Folgenden: die Vereinbarung) mit der Klägerin über die finanzielle Unterstützung des Filmprojekts „Dark Blue World“ (im Folgenden: das Projekt).

9        In Art. 4.2 der Vereinbarung verpflichtete sich die Kommission, der Klägerin einen Betrag in Höhe von maximal 120 000 Euro für die Verwirklichung des Projekts zur Verfügung zu stellen. Dieser Betrag sollte sich aufteilen in einen Zuschuss in Höhe von 50 % der tatsächlichen Kosten für Synchronisation und Untertitelung, höchstens aber 30 000 Euro, und in ein rückzahlbares Darlehen in Höhe von 50% der Kosten für den Vertrieb dieses Films, höchstens aber 90 000 Euro.

10      Anhang II der Vereinbarung (im Folgenden: Anhang II) sieht in Art. 3.1 vor, dass der Begünstigte jederzeit die finanzielle Unterstützung nach Kündigung mit einer Frist von zwei Monaten verweigern kann. In diesem Fall kann die Kommission unter den Voraussetzungen und mit den Fristen, die sie festsetzt, die vollständige oder teilweise Rückzahlung der bereits aufgrund der Vereinbarung gezahlten Beträge verlangen.

11      Art. 3.2 des Anhangs II bestimmt, dass die Kommission die Vereinbarung beenden kann, wenn der Begünstigte aus anderen Gründen als wegen höherer Gewalt eine seiner Verpflichtungen aus der Vereinbarung nicht erfüllt und wenn er sie einen Monat nach Mahnung per Einschreibebrief immer noch nicht erfüllt.

12      Nach Art. 3.3 des Anhangs II kann die Kommission die Vereinbarung fristlos ohne Zahlung einer Entschädigung kündigen, wenn über das Vermögen des Begünstigten der Konkurs eröffnet, gegen ihn ein ähnliches Verfahren eingeleitet oder er einem solchen unterzogen wird, wenn er Art. 2 dieses Anhangs nicht nachkommt oder wenn er falsche oder unvollständige Erklärungen abgibt, um das in der Vereinbarung vorgesehene Darlehen zu erhalten. In diesem Fall kann die Kommission die gesamte oder teilweise Rückzahlung der bereits aufgrund der Vereinbarung gezahlten Beträge verlangen.

13      Nach Art 3.7 des Anhangs II ist die von der Kommission erlassene Entscheidung über die Rückzahlung, die dem Begünstigten, der Schuldner der Kommission ist, übermittelt wird, gemäß Art. 256 EG ein vollstreckbarer Titel. Art. 3.8 des Anhangs II bestimmt, dass gegen alle Beträge, die an die Kommission rückzahlbar sind, Beträge jeder Art, die dem Begünstigten geschuldet werden, aufgerechnet werden können.

14      Art. 8 des Anhangs II („Zuständigkeit und anwendbares Recht“) bestimmt, dass „[d]er Begünstigte … gegen die Entscheidungen der Kommission über die Anwendung von Bestimmungen der Vereinbarung einschließlich der Anhänge Klage beim Gericht … erheben und gegebenenfalls Rechtsmittel beim Gerichtshof … einlegen [kann].“

15      Mit Schreiben vom 14. September 2004 teilte die Kommission der Klägerin mit, dass sie die 120 000 Euro, die sie der Klägerin nach Art. 4.2 der Vereinbarung schulde, mit vier Forderungen über insgesamt 281 283,50 Euro, die sie mit den Belastungsanzeigen Nrn. 3240406121, 3240408508, 3240508254 und 3240508873 festgestellt hatte, verrechne. Dies geschehe gemäß den Zahlungsbedingungen in Art. 73 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1605/2002.

16      Die Klägerin bestritt mit Schreiben vom 15. März 2005 die Berechtigung der Aufrechnung. Sie führte aus, dass dieser Vorgang nicht möglich sei, weil Schuldner eines Teils der Forderungen der Kommission ein anderes Unternehmen sei und weil nach deutschem Recht eine Aufrechnung nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht statthaft sei. Ferner seien einige der in den Belastungsanzeigen aufgeführten Beträge unzutreffend.

17      Die Kommission teilte der Klägerin mit Schreiben vom 20. Mai 2005 mit, dass die Aufrechnung ihres Erachtens begründet sei.

18      Mit Schreiben vom 15. August 2005 und vom 10. Januar 2006 an die Kommission beanstandete die Klägerin erneut die Berechtigung der vorgenommenen Aufrechnung.

19      Die Kommission wies mit Schreiben vom 8. Februar 2006 darauf hin, dass die Aufrechnung im September 2004 vorgenommen worden sei und dass die Frist für die Anfechtung dieser Entscheidung abgelaufen sei.

 Verfahren

20      Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 28. April 2006 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

21      Die Kommission hat mit gesondertem Schriftsatz, der am 14. Juli 2006 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, eine Einrede der Unzulässigkeit gemäß Art. 114 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts erhoben. Die Klägerin hat ihre Stellungnahme zu dieser Einrede am 8. August 2006 eingereicht. Mit Beschluss des Gerichts (Vierte Kammer) vom 5. Dezember 2006 ist die Entscheidung über die Einrede der Unzulässigkeit und die Kostenentscheidung dem Endurteil vorbehalten worden.

22      Das Gericht hat am 18. Dezember 2006 den Parteien eine Frage gestellt. Die Klägerin hat ihre Stellungnahme zu dieser Frage am 22. Januar 2007 eingereicht, und die Kommission hat sie in ihrer am 29. Januar 2007 eingereichten Klagebeantwortung beantwortet.

23      Die Klägerin hat auf die Einreichung einer Erwiderung verzichtet.

24      Da die Zusammensetzung der Kammern des Gerichts im neuen Gerichtsjahr geändert worden ist, ist der Berichterstatter der Achten Kammer zugeteilt worden, der infolgedessen die vorliegende Rechtssache zugewiesen worden ist.

25      Mit Entscheidung des Präsidenten des Gerichts vom 15. November 2007 ist die Rechtssache einem neuen Berichterstatter übertragen worden.

26      Das Gericht hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen. Die Parteien haben in der Sitzung vom 23. April 2008 mündlich verhandelt und die mündlichen Fragen des Gerichts beantwortet.

 Anträge der Parteien

27      Die Klägerin beantragt,

–        die Klage für zulässig zu erklären;

–        die Kommission zur Zahlung eines Betrags in Höhe von 120 000 Euro an sie zu verurteilen;

–        der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

28      Die Kommission beantragt,

–        in erster Linie, die Klage als unzulässig abzuweisen;

–        hilfsweise, die Klage als unbegründet abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

 Entscheidungsgründe

 Vorbringen der Parteien

29      Die Kommission macht zur Stützung ihrer Einrede der Unzulässigkeit erstens geltend, dass das Gericht für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits nicht zuständig sei. Seinem Inhalt nach könne Art. 8 des Anhangs II (siehe oben, Randnr. 14) nicht als „Schiedsklausel“ im Sinne von Art. 238 EG eingestuft werden, sondern er erinnere lediglich an das Recht des Begünstigten, Klagen gegen Entscheidungen der Kommission beim Gericht erster Instanz einzureichen. Nach der Rechtsprechung liege eine Schiedsklausel nur dann vor, wenn Streitigkeiten aus vertraglichen Rechtsbeziehungen der Europäischen Gemeinschaft, die grundsätzlich in die Zuständigkeit der nationalen Gerichte fielen, durch die Vereinbarung einer Schiedsklausel den Gemeinschaftsgerichten unterstellt würden. Im vorliegenden Fall fehle es jedoch an der für eine Schiedsklausel charakteristischen Gegenseitigkeit.

30      Zunächst sei in Art. 8 des Anhangs II nur vom „Begünstigten“ der finanziellen Förderung die Rede, und nicht von den „Vertragspartnern“. Die Verwendung des Begriffs „Begünstigter“ verweise auf das Subventionsrecht und bezeichne den Adressaten eines begünstigenden Verwaltungsakts. Es handele sich bei dem vorliegenden Verhältnis zwischen ihr und der Klägerin also nicht um eine vertragliche Beziehung.

31      Ferner beziehe sich die Klausel auf die „Entscheidungen“ der Kommission, was auf den verwaltungsrechtlichen Charakter der von der Kommission im Rahmen der Bewilligung von Subventionen getroffenen Entscheidungen hinweise. Dies werde auch dadurch betätigt, dass in Art. 3.7 des Anhangs II (siehe oben, Randnr. 13) auf den die „sofortige Vollstreckbarkeit von Entscheidungen“ betreffenden Art. 256 EG verwiesen werde. Somit lege die Vereinbarung lediglich die genauen Verpflichtungen des Begünstigten und die Bedingungen fest, unter denen die öffentliche Stelle eine Subvention gewähre.

32      Schließlich erwähne Art. 8 des Anhangs II im Unterschied zu den Klauseln, die von der Rechtsprechung als Schiedsklauseln angesehen würden, nicht die „Erfüllung, Nichterfüllung oder Auslegung der Beziehungen“ zwischen der Kommission und ihrem Vertragspartner. Da die Kommission eines solchen Klagerechts nicht bedürfe, weil sie die erforderlichen Regelungen durch Verwaltungsakt treffen könne, handele es sich in Wirklichkeit um eine rein deklaratorische Klausel, die einen Verweis auf die Klagemöglichkeit nach Art. 230 EG enthalte.

33      Zweitens fechte die Klägerin, indem sie eine Zahlungsklage erhebe, de facto und de iure die Rechtmäßigkeit der Aufrechnungsentscheidung der Kommission an. Sie versuche somit, die in Art. 230 Abs. 4 EG gesetzte Frist und die Vermutung der Rechtmäßigkeit der Entscheidungen der Kommission zu umgehen. Sie wolle sich auch von der Beweislast für die geltend gemachten Rechtsverstöße der Kommission, auf die sie ihre Klage stütze, befreien. Nach der Rechtsprechung stelle die Aufrechnung eine mit einer Klage nach Art. 230 EG anfechtbare Handlung dar; diese Handlung, die aufgrund einer Verordnung, die den Vorrang des Gemeinschaftsrechts genieße, zwingend sei, diene dem Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft.

34      Drittens führt die Kommission aus, dass eine Umdeutung der vorliegenden Klage in eine Nichtigkeitsklage gemäß Art. 230 EG ausscheide, da die Klage zum einen eine Zahlungsklage sei und da die Klägerin zum anderen auf dieser Klageart beharre.

35      Schließlich vertritt die Kommission die Ansicht, dass die Klage wegen Verfristung selbst dann unzulässig sei, wenn das Gericht eine solche Umdeutung vornähme. Ihre Aufrechnungsentscheidungen seien nämlich Entscheidungen im Sinne von Art. 230 EG. Da die Aufrechnung im vorliegenden Fall am 14. September 2004 vorgenommen worden sei, sei die Klage lange nach Ablauf der Frist gemäß Art 230 Abs. 5 EG eingereicht worden.

36      Die Klägerin ist der Ansicht, ihre Klage sei zulässig. Erstens beruhe ihre Forderung auf einem Vertrag, den sie mit der Kommission in einem Verhältnis der Gleichordnung und nicht der Unterordnung geschlossen habe. Wenn die Kommission vor Abschluss des Vertrags eine interne Entscheidung getroffen habe, eine Subvention zu gewähren, so sei ihr diese Entscheidung nicht mitgeteilt worden und entfalte ihr gegenüber keinerlei Rechtswirkungen. Erst der Abschluss des Vertrags habe es ihr erlaubt, die Zahlung der Fördergelder zu verlangen, und sie gegenüber der Kommission zur Durchführung des Projekts verpflichtet.

37      Dies werde insbesondere dadurch belegt, dass in Nr. 1 der Richtlinie für die Abgabe von Vorschlägen 21/2001, die die Bedingungen für die Gewährung von finanziellen Zuschüssen im Rahmen des Programms MEDIA Plus enthielten, angegeben werde, dass die ausgewählten Vertriebsprojekte Gegenstand „eines zwischen der Kommission und jedem Vertreiber geschlossenen Vertrags, der speziell die Vereinbarungen für Zahlung und Rückzahlung des bewilligten Zuschusses enthält“, seien. Zudem bestimme zum einen die Verordnung Nr. 1605/2002, dass Finanzhilfen Gegenstand einer schriftlichen Vereinbarung seien (Art. 108 Abs. 1), und zum anderen werde die Person, die Empfänger dieser Beihilfen sei, in der englischen Sprachfassung als „beneficiary“ und in der deutschen Fassung als „Empfänger“ bezeichnet (Art. 109 Abs. 2).

38      Zweitens macht die Klägerin geltend, dass Art. 8 Abs. 2 des Anhangs II eine Schiedsklausel enthalte, die es ihr ermögliche, ohne Einspruchsfrist nach Art. 238 EG Klage beim Gericht zu erheben. Ferner sei das Vorbringen der Kommission, dass die von ihr vorgenommene Aufrechnung bestandskräftig sei, zurückzuweisen, da die Klägerin der Aufrechnung bereits mit Schreiben vom 15. März 2005 widersprochen habe.

39      Im Übrigen sei der Umstand, dass sich die Klausel in Art. 8 des Anhangs II in ihrem Wortlaut von anderen Schiedsklauseln unterscheide, unerheblich. Da diese Klausel in mehrerlei Hinsicht sprachlich unvollkommen sei, sei ihre teleologische Auslegung in den Mittelpunkt zu stellen. Eine Schiedsklausel zugunsten der Gemeinschaftsgerichtsbarkeit biete für die Kommission mehrere Vorteile, so dass die Annahme einer rein deklaratorischen Klausel, die überflüssig wäre, fernliege. Ein von der Kommission formulierter Vertrag müsse der Gemeinschaftsgerichtsbarkeit unterstellt werden, wenn er eine Gerichtsstandsklausel enthalte.

40      Drittens wendet sich die Klägerin gegen das Vorbringen der Kommission, wonach sie eine Klage gemäß Art. 230 Abs. 4 EG hätte einreichen müssen. Die Kommission sei in Ermangelung einer ausdrücklichen Vorschrift nicht berechtigt, das Vertragsverhältnis zu ihren Vertragspartnern durch hoheitliche Maßnahmen, insbesondere durch Erlass einer Entscheidung nach Art. 249 EG, zu stören. Die Unterwerfung unter eine Schiedsklausel verpflichte beide Parteien dazu, gerichtliche Streitigkeiten im Wege einer Klage nach Art. 238 EG zu lösen. Jede andere Lösung verstieße gegen das Verbot des „venire contra factum proprium“ und gegen den Grundsatz eines fairen Verfahrens.

41      Auf alle Fälle liege in der vorliegenden Rechtssache keine Entscheidung im Sinne von Art 249 EG vor, da keines der Aufrechnungsschreiben der Kommission seiner Form oder seiner Bedeutung nach als solche angesehen werden könne. Ferner spreche auch die ausdrückliche Bezugnahme auf Art. 256 EG in Art. 3.7 des Anhangs II dafür, dass die aufgrund der Art. 3.1 bis 3.3 dieses Anhangs (siehe oben, Randnrn. 10 bis 12) getroffenen Entscheidungen, zu denen die Rückforderungsentscheidungen gehörten, nicht als Entscheidungen im Sinne von Art. 249 EG eingestuft werden könnten.

42      Schließlich stellt die Klägerin klar, dass aus Art. 73 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1605/2002 nicht hervorgehe, dass eine Aufrechnung im Rahmen von Vertragsbeziehungen in Form einer Entscheidung im Sinne der Art. 230 Abs. 4 und 249 Abs. 4 EG ergehen dürfe. Insbesondere regele diese Bestimmung nicht die Frage, ob die Voraussetzungen für eine Aufrechnung erfüllt

 Würdigung durch das Gericht

43      Es ist festzustellen, dass die Klägerin mit ihrer gemäß Art. 238 EG erhobenen Klage, wie die Kommission ausführt, die Gültigkeit der Aufrechnungshandlung in Frage stellt. Sie macht nämlich in ihrer Klageschrift im Wesentlichen geltend, dass die Aufrechnung unzulässig sei, erstens wegen fehlender Rechtsgrundlage in der Vereinbarung und weil die Kommission im Rahmen vertraglicher Beziehungen nicht auf die Verordnung Nr. 1605/2002 zurückgreifen könne, zweitens wegen des Verbots nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung vom 5. Oktober 1994 (BGBl. I S. 2866), die nach der Rechtsprechung gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (ABl. L 160, S. 1) anwendbar sei, drittens, weil es sich bei einem Teilbetrag von 30 000 Euro, der aufgrund der Vereinbarung geschuldet sei, um einen nicht rückzahlbaren Zuschuss handele, viertens, weil sie nicht Schuldnerin der Belastungsanzeigen 3240406121 und 3240408508 sei, fünftens, weil Forderungen der Kommission bereits zur Insolvenztabelle festgestellt seien, und sechstens wegen der ungenauen Bestimmung der Forderung, mit der die Kommission aufrechnen wolle.

44      Wenn jedoch die Aufrechnung eine Handlung wäre, deren Nichtigerklärung vor dem Gemeinschaftsgericht gemäß Art. 230 EG begehrt werden könnte, so wäre das Gericht nicht befugt, deren Rechtmäßigkeit im Rahmen einer Klage gemäß Art. 238 EG zu prüfen, die Rechtsstreitigkeiten vertraglicher Natur betrifft.

45      Im vorliegenden Fall ist daher zu prüfen, ob die Aufrechnung zu den Handlungen gehört, die vom Gemeinschaftsgericht gemäß Art. 230 EG für nichtig erklärt werden können, oder ob sie vielmehr vertraglicher Natur ist (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Gerichts vom 26. Februar 2007, Evropaïki Dynamiki/Kommission, T‑205/05, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 42).

46      Nach der Rechtsprechung stellt eine Handlung, mit der die Kommission eine außergerichtliche Aufrechnung von Schulden und Forderungen erklärt, die auf verschiedenen Rechtsbeziehungen zur selben Person bestehen, eine anfechtbare Handlung im Sinne von Art. 230 EG dar (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 10. Juli 2003, Kommission/CCRE, C‑87/01 P, Slg. 2003, I‑7617, Randnr. 45). Im Rahmen eines solchen Verfahrens obliegt es dem Gericht, die Rechtmäßigkeit einer Aufrechnungsentscheidung im Hinblick auf deren Wirkungen im Zusammenhang mit der unterbliebenen tatsächlichen Zahlung der streitigen Beträge an die Klägerin zu prüfen.

47      Da eine Aufrechnung außerdem das gleichzeitige Erlöschen zweier gegenseitiger Forderungen von zwei Personen bewirkt (Urteil Kommission/CCRE, Randnr. 59), kann sie gleichzeitig eine Zahlung von Beträgen, die die Kommission für gemäß dem spezifischen Vertrag geschuldet erachtet, und eine Einziehung von Beträgen bewirken, die aus einem Grund geschuldet werden, der außerhalb dieses Vertrages liegt. Es handelt sich daher um einen rechtlichen Vorgang, der zum einen Schulden und Forderungen aller Art, vertraglicher wie nicht vertraglicher Natur, zum Erlöschen bringen kann, und der zum anderen von einem rein vertraglichen Rahmen losgelöst sein kann.

48      Ferner muss berücksichtigt werden, dass eine gemäß der Verordnung Nr. 1605/2002 erklärte Aufrechnung unabhängig von der Natur der Rechtsbeziehungen, die den aufgerechneten Schulden und Forderungen zugrunde liegen, unter das Gemeinschaftsrecht fällt und eine Handlung darstellt, die mit einer Nichtigkeitsklage gemäß Art. 230 EG angefochten werden kann.

49      In dieser Hinsicht ist hervorzuheben, dass sich der Begünstigte im vorliegenden Fall nach Art. 10.2 des Anhangs II damit einverstanden erklärt, dass die Kommission und der Rechnungshof der Europäischen Gemeinschaften sowie jede von diesen ermächtigte Person die Verwendung des finanziellen Zuschusses während der Geltungsdauer der Vereinbarung und innerhalb von fünf Jahren nach dessen Beendigung gemäß der Verordnung vom 21. Dezember 1977 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 356, S. 1) in der geänderten Fassung überprüfen können.

50      Nach alledem fällt diese Entscheidung folglich unter Art. 249 EG.

51      Die Klägerin kann insoweit nicht mit Erfolg geltend machen, dass die Aufrechnungshandlung keine Entscheidung im Sinne von Art. 249 EG sei, da keines der die Aufrechnung betreffenden Schreiben der Kommission wegen seiner Form als eine solche betrachtet werden könne. Nach ständiger Rechtsprechung können nämlich Handlungen oder Entscheidungen mit einer Nichtigkeitsklage gemäß Art. 230 EG angefochten werden, wenn sie verbindliche Rechtswirkungen erzeugen, die die Interessen des Klägers durch einen Eingriff in seine Rechtsstellung beeinträchtigen (Urteil des Gerichtshofs vom 11. November 1981, IBM/Kommission, 60/81, Slg. 1981, 2639, Randnr. 9, Urteil des Gerichts vom 16. April 1997, Connaughton u. a./Rat, T‑541/93, Slg. 1997, II‑549, Randnr. 30, und Beschluss des Gerichts vom 27. Juni 2005, Vereinigtes Königreich/Kommission, T‑143/05, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung). Da im vorliegenden Fall die Aufrechnung in Form eines Schreibens der Kommission geeignet ist, gleichzeitig zwei Verbindlichkeiten, die zwischen der Kommission und der Klägerin bestehen, zum Erlöschen zu bringen, erzeugt sie verbindliche Rechtswirkungen, die einen Eingriff in die Rechtsstellung der Klägerin darstellen.

52      Nach alledem ist die Aufrechnung, deren Gültigkeit von der Klägerin in Zweifel gezogen wird, nicht vertraglicher Natur, sondern stellt vielmehr eine Verwaltungsmaßnahme dar, deren Nichtigerklärung beim Gemeinschaftsgericht gemäß Art. 230 EG beantragt werden kann.

53      Infolgedessen kann die Gültigkeit dieser Handlung nicht mit einer auf Art. 238 EG gestützten Klage in Frage gestellt werden.

54      Selbst wenn jedoch unterstellt würde, dass die vorliegende Klage, die auf Art. 238 EG gestützt wird, in eine Klage gemäß Art. 230 EG umgedeutet werden könnte, ist auf jeden Fall festzustellen, dass sie verspätet ist, da sie nicht innerhalb der durch Art. 230 Abs. 5 EG vorgeschriebenen Frist erhoben worden ist. Die Klägerin hat die vorliegende Klage nämlich am 28. April 2006 eingereicht, während die Aufrechnung am 14. Dezember 2004 erfolgt ist.

55      Daher ist die Klage als unzulässig abzuweisen.

 Kosten

56      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat





DAS GERICHT (Achte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Helkon Media AG trägt die Kosten.



Martins Ribeiro

Papasavvas

Dittrich

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 8. Oktober 2008.

Der Kanzler

 

      Die Präsidentin

E. Coulon

 

      M. E. Martins Ribeiro


* Verfahrenssprache: Deutsch.