Language of document : ECLI:EU:T:1999:179

URTEIL DES GERICHTS (Fünfte Kammer)

28. September 1999 (1)

„Bananen — Einfuhren aus AKP- und Drittstaaten — Antrag auf Einfuhrlizenzen — Härtefall — Übergangsmaßnahmen — Verordnung (EWG) Nr. 404/93“

In der Rechtssache T-612/97

Cordis Obst und Gemüse Großhandel GmbH, Gesellschaft deutschen Rechts mit Sitz in Ostrau (Deutschland), Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt Gert Meier, Köln, Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts Marc Baden, 24, rue Marie-Adélaïde, Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Klaus-Dieter Borchardt und Hubert van Vliet, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte, Zustellungsbevollmächtigter: Carlos Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,

Beklagte,

unterstützt durch

Französische Republik, vertreten durch Kareen Rispal-Bellanger, Abteilungsleiterin in der Direktion für Rechtsfragen des Ministeriums für Auswärtige

Angelegenheiten, und Christina Vasak, stellvertretende Sekretärin für Auswärtige Angelegenheiten in derselben Direktion, als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift: Französische Botschaft, 8 B, boulevard Joseph II, Luxemburg,

Streithelferin,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung K(97) 3274 endg. der Kommission vom 24. Oktober 1997, mit der der Antrag der Klägerin auf besondere Zuteilung von Einfuhrlizenzen im Rahmen von Übergangsmaßnahmen gemäß Artikel 30 der Verordnung (EWG) Nr. 404/93 des Rates vom 13. Februar 1993 über die gemeinsame Marktorganisation für Bananen (ABl. L 47, S. 1) abgelehnt wurde,

erläßt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten J. D. Cooke sowie des Richters R. García-Valdecasas und der Richterin P. Lindh,

Kanzler: J. Palacio González, Verwaltungsrat

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. April 1999,

folgendes

Urteil

1.
    Die Verordnung (EWG) Nr. 404/93 des Rates vom 13. Februar 1993 über die gemeinsame Marktorganisation für Bananen (ABl. L 47, S. 1) führte eine gemeinsame Einfuhrregelung für Bananen ein, die an die Stelle der verschiedenen nationalen Regelungen trat. Um eine zufriedenstellende Vermarktung der in der Gemeinschaft geernteten Bananen und der Erzeugnisse aus den Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifischen Raums (AKP-Staaten) sowie anderen Drittländern zu gewährleisten, sieht die Verordnung Nr. 404/93 die Eröffnung eines jährlichen Zollkontingents für Einfuhren von „Drittlandsbananen“ und „nichttraditionellen AKP-Bananen“ vor. Die nichttraditionellen AKP-Bananen entsprechen den von den AKP-Staaten ausgeführten Mengen, die die traditionell von jedem einzelnen dieser Staaten ausgeführten Mengen, wie sie im Anhang der Verordnung Nr. 404/93 festgesetzt sind, übersteigen.

2.
    Jährlich wird eine Bedarfsvorausschätzung der Erzeugung und des Verbrauchs in der Gemeinschaft sowie der Ein- und Ausfuhren erstellt. Das anhand dieser Bedarfsvorausschätzung festgesetzte Zolltarifkontingent wird unter den in der Gemeinschaft niedergelassenen Wirtschaftsteilnehmern aufgeteilt nach Maßgabe der Herkunft und der Durchschnittsmengen von Bananen, die sie in den letzten drei Jahren abgesetzt haben, für die statistische Angaben verfügbar sind. Aufgrund dieser Aufteilung werden Einfuhrlizenzen ausgestellt, mit denen die Wirtschaftsteilnehmer Bananen abgabenfrei oder zu Präferenzzolltarifen einführen können.

3.
    Die zweiundzwanzigste Begründungserwägung der Verordnung Nr. 404/93 lautet wie folgt:

„Dadurch, daß die gemeinsame Marktorganisation mit Inkrafttreten dieser Verordnung an die Stelle der verschiedenen nationalen Regelungen tritt, könnten sich auf dem Binnenmarkt Störungen ergeben. Daher sollte die Kommission ab 1. Juli 1993 die Möglichkeit haben, Übergangsmaßnahmen zu treffen, um etwaige Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Durchführung der neuen Regelung beheben zu können.“

4.
    Artikel 30 der Verordnung Nr. 404/93 lautet:

„Erweisen sich besondere Maßnahmen ab Juli 1993 als notwendig, um den Übergang von den vor Inkrafttreten dieser Verordnung gültigen Regelungen zu der durch diese Verordnung eingeführten Regelung zu erleichtern und insbesondere ernsthafte Schwierigkeiten zu überwinden, so trifft die Kommission ... alle für erforderlich erachteten Übergangsmaßnahmen.“

Sachverhalt und Verfahren

5.
    Die Klägerin, die Cordis Obst und Gemüse Großhandel GmbH, wurde am 1. November 1990, nach der Wiedervereinigung Deutschlands, gegründet und ist im Gebiet der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) niedergelassen. Sie betreibt den Großhandel mit Obst sowie insbesondere die Bananenreifung und -verpackung.

6.
    Die zentrale Planwirtschaft der ehemaligen DDR übertrug das Monopol für die Einfuhr von Bananen einer staatlichen Organisation und die Reifung der Bananen volkseigenen Betrieben. Die Reifereien der ehemaligen DDR wurden später an Niederlassungen von Fruchtfirmen der Bundesrepublik Deutschland verkauft.

7.
    Als die Klägerin ihren Geschäftsbetrieb aufnahm, bestanden in ihrem Einzugsgebiet bei Bananen geringe Versorgungsmöglichkeiten, und die Nachfrage nach Bananen war größer als das Angebot und die Reifungskapazität. Die Klägerin beschloß

daher 1991, ihren Betrieb zu erweitern, und baute neue Reifungsanlagen. Hierzu erhielt sie keine Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln.

8.
    Der Klägerin zufolge waren ihre neuen Anlagen nicht ausgelastet. In diesem Zusammenhang macht sie geltend, daß die Abwälzung der Kosten der Lizenzen, deren es nach der Verordnung Nr. 404/93 für die Einfuhr grüner Bananen bedürfe, auf den Bananenpreis durch ihre Lieferanten den Absatz gehemmt habe. Da diese Lizenzen nach Maßgabe des Verkaufsumsatzes bei Bananen zugeteilt würden, habe die Klägerin Einfuhrlizenzen nur für unzureichende Mengen erhalten.

9.
    Daher stellte die Klägerin am 7. April 1996 gemäß Artikel 30 der Verordnung Nr. 404/93 bei der Kommission den Antrag, ihr kurzfristig zusätzliche Lizenzen als Übergangsmaßnahmen zum Ausgleich einer Härtesituation zu erteilen, in die sie durch die mit der Verordnung Nr. 404/93 eingeführte Regelung geraten sei.

10.
    Mit Entscheidung vom 24. Oktober 1997 (im folgenden: die angefochtene Entscheidung) lehnte die Kommission den Antrag der Klägerin ab, wobei sie sich insbesondere auf folgende Gründe stützte (siebte, achte, neunte und elfte Begründungserwägung):

„Cordis hat nicht nachgewiesen, daß sie außerstande gewesen wäre, zur Auslastung ihrer Reifungsanlage Bananen von anderen Einführern oder Zulieferern zu beschaffen, statt diese selbst einzuführen. Dies ist nach der gemeinsamen Marktorganisation für Bananen durchaus zulässig. Cordis hat in der Tat erhebliche Mengen von Bananen zur Reifung von anderen Einführern oder Zulieferern beschafft, statt diese selbst einzuführen. Daher ist nicht nachgewiesen, daß die angebliche Nichtauslastung der Reifungsanlage und, als deren angebliche Folge, die Umsatzstagnation, die Kundenverluste und der Personalabbau auf den Übergang von der vor Inkrafttreten der GMO geltenden einzelstaatlichen Regelung zurückzuführen sind.

Cordis hat nicht nachgewiesen, daß ihre Bananenversorgung vor den Investitionen in die Bananenreifungsanlage gesichert gewesen wäre. Cordis hat die Gefahr einer möglichen Unterversorgung mit Bananen zur Reifung und damit der Nichtauslastung der Anlage in Kauf genommen. Unbeschadet der vorstehenden Absätze beruht die Tatsache, daß die Firma Cordis zur Auslastung ihrer Anlage nicht genügend Bananen zur Reifung von anderen Einführern oder Zulieferern hat zukaufen können, sondern diese selbst einführen mußte, auf mangelnder Sorgfalt bei der Versorgungssicherung vor den Investitionen in die Bananenreifungsanlagen.

Cordis hat erhebliche Mengen von Bananen zur Reifung von der Firma Dole erhalten. Sie hat außerdem ausreichende Mengen reifer Bananen zur Deckung der Kundennachfrage erhalten. Die Bananenreifung stellt nur eine aus einer Reihe von Geschäftstätigkeiten der Cordis dar. Cordis hat daher nicht nachgewiesen, daß ein angeblicher Rückgang der Reifung ihre wirtschaftliche Existenz bedroht.

...

Cordis hat nicht nachgewiesen, daß sie vor den vorgenannten Zeitpunkten andere Maßnahmen getroffen hätte, die — bedingt durch die Schwierigkeiten des Übergangs von der vormals geltenden nationalen Regelung zu der mit der betreffenden Verordnung geschaffenen Regelung — eine übermäßige Härte im Sinne des EuGH-Urteils in der Rechtssache C-68/95 zur Folge gehabt hätten.“

11.
    Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 29. Dezember 1997 eingereicht worden ist, die vorliegende Klage erhoben.

12.
    Die Französische Republik hat mit Schriftsatz vom 8. Mai 1998 beantragt, in dieser Rechtssache als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden.

13.
    Diesem Antrag ist durch Beschluß des Präsidenten der Vierten Kammer vom 6. Juli 1998 stattgegeben worden, und die Französische Republik hat ihren Streithilfeschriftsatz am 4. September 1998 eingereicht.

14.
    Das Gericht (Fünfte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen.

15.
    Die Parteien haben in der öffentlichen Sitzung vom 20. April 1999 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

Anträge der Parteien

16.
    Die Klägerin beantragt,

—    die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

—    der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

17.
    Die beklagte Kommission beantragt,

—    die Klage abzuweisen;

—    der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

18.
    Die Französische Republik als Streithelferin beantragt, die Klage abzuweisen.

Zum Antrag auf Nichtigerklärung

19.
    Die Klägerin stützt ihre Klage auf zwei Gründe, mit denen sie zum einen einen Verstoß gegen Artikel 30 der Verordnung Nr. 404/93 und einen

Ermessensmißbrauch und zum anderen eine Verletzung der Begründungspflicht geltend macht.

Zum ersten Klagegrund, Verstoß gegen Artikel 30 der Verordnung Nr. 404/93 und Ermessensmißbrauch

Vorbringen der Parteien

20.
    Die Klägerin macht geltend, der Anwendungsbereich von Artikel 30 der Verordnung Nr. 404/93 sei weiter, als ihn der Gerichtshof in seinem Urteil vom 26. November 1996 in der Rechtssache C-68/95 (T. Port, Slg. 1996, I-6065) definiert habe. Da Artikel 30 auf ernsthafte Schwierigkeiten abstelle, müsse er auch auf das im vorliegenden Fall bestehende strukturelle Problem Anwendung finden können, obwohl die im Urteil T. Port beschriebenen Tatbestandsmerkmale nicht erfüllt seien.

21.
    Der Gerichtshof habe im Beschluß vom 29. Juni 1993 in der Rechtssache C-280/93 R (Deutschland/Rat, Slg. 1993, I-3667) festgestellt, daß mit Artikel 30 der Verordnung Nr. 404/93 Störungen des Binnenmarktes begegnet werden solle, die sich daraus ergeben könnten, daß die gemeinsame Marktorganisation an die Stelle der verschiedenen nationalen Regelungen trete. Daher müsse die Kommission alle erforderlichen Übergangsmaßnahmen treffen und könne ihr Eingreifen nicht, wie im Urteil T. Port ausgeführt worden sei, auf Härtefälle beschränken.

22.
    Im vorliegenden Fall sei das Eingreifen der Kommission zur Wahrung des Grundsatzes der Gleichbehandlung notwendig. Denn die Altunternehmen der Bundesrepublik Deutschland befänden sich in einer anderen Lage als die neuen Unternehmen, die im Gebiet der ehemaligen DDR niedergelassen seien (im folgenden: Neuunternehmen). Erstere hätten die Möglichkeit gehabt, sich entsprechend ihren eigenen wirtschaftlichen Dispositionen zu verhalten, während sich letztere wegen der Probleme im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung Deutschlands einem unausweichlichen kollektiven Härtefall ausgesetzt gesehen hätten. Alle Neuunternehmen hätten daher einen Anspruch auf Erteilung zusätzlicher Lizenzen.

23.
    Außerdem habe die Verordnung Nr. 404/93 mit der dort festgelegten Methode, Lizenzen auf der Grundlage der im Referenzzeitraum abgesetzten Bananen zuzuteilen, die wettbewerbsrechtliche Ausgangslage dadurch zementiert, daß sie die Neuunternehmen daran gehindert habe, ihren Rückstand zu verringern. Die Kommission sei verpflichtet, das Gleichgewicht zwischen diesen Unternehmen wiederherzustellen. Denn nach dem Urteil T. Port sei ein Eingreifen derGemeinschaftsorgane insbesondere dann geboten, wenn beim Übergang zur gemeinsamen Marktordnung die gemeinschaftsrechtlich geschützten Grundrechte bestimmter Marktbeteiligter beeinträchtigt würden.

24.
    Im übrigen enthalte Artikel 30 der Verordnung Nr. 404/93 nichts, was seine Anwendung auf „kollektive“ Härtefälle ausschließe, d. h. auf Sachverhalte, bei denen sich mehrere Unternehmen in derselben Lage befänden und jedes Unternehmen Anspruch auf Einzelausgleich habe. Denn die Neuunternehmen, zu denen die Klägerin gehöre, seien sämtlich Opfer der in der ehemaligen DDR bestehenden Strukturprobleme. Auch sei ihre Zahl begrenzt. Daher würde die Zuteilung eines besonderen Kontingents an diese Unternehmen die gemeinsame Marktorganisation für Bananen nicht in Frage stellen.

25.
    Die Kommission wendet sich gegen das Argument der Klägerin, daß der Anwendungsbereich von Artikel 30 der Verordnung Nr. 404/93 über die vom Gerichtshof in seinem Urteil T. Port gezogenen Grenzen hinausgehe. Nach diesem Artikel sei sie nur in einem Härtefall zum Eingreifen verpflichtet, der nur dann vorliege, wenn die in diesem Urteil festgelegten folgenden vier Voraussetzungen erfüllt seien:

—    Vorliegen rechtlich relevanter wirtschaftlicher Dispositionen unter der Geltung der früheren nationalen Regelung;

—    Entwertung der Dispositionen aufgrund des Inkrafttretens der gemeinsamen Marktorganisation;

—    Unvorhersehbarkeit der Schwierigkeiten;

—    Erforderlichkeit einer Härteregelung, insbesondere im Hinblick auf das Vorhandensein existenzieller Schwierigkeiten und den Schutz gemeinschaftlicher Grundrechte.

26.
    Im vorliegenden Fall habe die Klägerin nicht dargetan, daß ihr die Beschaffung von Bananen nicht möglich gewesen sei und sie sich existenzbedrohenden Schwierigkeiten gegenüber gesehen habe, die auf den Übergang von den vor dem Inkrafttreten der gemeinsamen Marktorganisation bestehenden nationalen Regelungen auf die Gemeinschaftsregelung zurückzuführen seien. Sie habe also nicht dargetan, daß bei ihr ein außerordentlicher Härtefall vorliege.

27.
    Im übrigen seien die weiteren im Urteil T. Port aufgeführten Voraussetzung für die Anwendung des Artikels 30 der Verordnung Nr. 404/93 im vorliegenden Fall nicht erfüllt, da die strukturellen Nachteile der ostdeutschen Unternehmen nicht mit der Einführung der gemeinsamen Marktorganisation zusammenhingen, sondern bereits zuvor bestanden hätten. Durch die Einführung der gemeinsamen Marktorganisation seien vielmehr die Entfaltungsmöglichkeiten für Reifereien wie die der Klägerin verbessert worden.

28.
    Was den angeblichen Verstoß gegen den Gleichheitsatz angehe, so könne dieser nicht Anlaß für eine Härtefallregelung sein. Zum einen falle der von der Klägerin

so bezeichnete „kollektive“ Härtefall nicht unter Artikel 30 der Verordnung Nr. 404/93, da die in dieser Bestimmung aufgestellten Voraussetzungen nur individuell beurteilt werden könnten. Zum anderen würden die Reifereien als solche durch den Übergang zur gemeinsamen Marktorganisation nicht in ihrer Geschäftstätigkeit beschränkt. Nur diejenigen unter ihnen, die selbst Drittlands- oder nichttraditionelle AKP-Bananen einführen wollten, benötigten Lizenzen. Für die Einfuhr fremder, d. h. durch andere Importeure eingeführter Bananen gälten keine Beschränkungen.

29.
    Auf die Behauptung, ein kollektiver Ausgleich sei wegen der geringen Zahl der dadurch begünstigten Unternehmen möglich, entgegnet die Kommission, jedes Sonderkontingent, das aufgrund von Härtefällen zugunsten bestimmter Wirtschaftsteilnehmer eröffnet werde, gehe zu Lasten der anderen Wirtschaftsteilnehmer. Daher würde die Zuteilung eines Sonderkontingents an alle Neuunternehmen, wie sie die Klägerin beantrage, die anderen Wirtschaftsteilnehmer benachteiligen. Wie der Präsident des Gerichts in seinem Beschluß vom 21. März 1997 in der Rechtssache T-79/96 R (Camar/Kommission, Slg. 1997, II-403) ausgeführt habe, dürften etwaige Ausnahmen von der allgemeinen Regelung zur Gewährung von Lizenzen unter keinen Umständen dazu führen, daß die gesamte gemeinsame Einfuhrregelung unterlaufen werde.

30.
    Die Französische Republik schließt sich in bezug auf die Behauptung, daß der Anwendungsbereich des Artikels 30 der Verordnung Nr. 404/93 über den im Urteil T. Port beschriebenen Einzelfall hinausgehe, dem Standpunkt der Kommission an. Im übrigen werde die Klägerin nicht den Kriterien der Rechtsprechung insbesondere zur Frage der Existenzbedrohung des Unternehmens gerecht. Auch lasse sich nicht behaupten, daß ihre Schwierigkeiten mit dem Übergang zur gemeinsamen Marktorganisation zusammenhingen.

31.
    Zur Anwendung des Artikels 30 auf „kollektive“ Härtefälle macht die Französische Republik unter Berufung auf Randnummer 37 des Urteils T. Port geltend, es sei unmöglich, das Verhalten von Wirtschaftsteilnehmern in ihrer Gesamtheit zu würdigen. Außerdem verstieße eine solche Auslegung gegen den Zweck von Artikel 173 Absatz 4 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 230 Absatz 4 EG), wonach Klage nur gegen Entscheidungen erhoben werden könne, die an den Kläger gerichtet seien oder ihn unmittelbar und individuell beträfen.

Würdigung durch das Gericht

32.
    Artikel 30 der Verordnung Nr. 404/93 räumt der Kommission die Befugnis ein, besondere Übergangsmaßnahmen zu treffen, „um den Übergang von den vor Inkrafttreten dieser Verordnung gültigen Regelungen zu der durch diese Verordnung eingeführten Regelung zu erleichtern und insbesondere ernsthafte Schwierigkeiten zu überwinden“, die auf diesen Übergang zurückzuführen sind. Nach ständiger Rechtsprechung soll mit solchen Übergangsmaßnahmen Störungen des Binnenmarktes begegnet werden, die sich dadurch ergeben, daß die

gemeinsame Marktorganisation an die Stelle der verschiedenen nationalen Regelungen tritt; diese Maßnahmen dienen der Überwindung der Schwierigkeiten, denen sich die Marktbeteiligten nach Einführung der gemeinsamen Marktorganisation gegenübersehen, die ihren Ursprung jedoch in dem Zustand der nationalen Märkte vor Erlaß der Verordnung Nr. 404/93 haben (Beschluß des Gerichtshofes Deutschland/Rat, Randnrn. 46 und 47, Urteile des Gerichtshofes T. Port, Randnr. 34, und vom 4. Februar 1997 in den Rechtssachen C-9/95, C-23/95 und C-156/95, Belgien und Deutschland/Kommission, Slg. 1997, I-645, Randnr. 22, sowie Beschluß Camar/Kommission, Randnr. 42).

33.
    Der Gerichtshof hat entschieden, daß die Kommission auch die Lage von Wirtschaftsteilnehmern berücksichtigen muß, die im Rahmen einer vor dem Erlaß der Verordnung Nr. 404/93 bestehenden nationalen Regelung in einer bestimmten Weise geschäftlich disponiert haben, ohne daß sie vorhersehen konnten, wie sich dies nach Einführung der gemeinsamen Marktorganisation auswirken würde (Urteil T. Port, Randnr. 37).

34.
    Somit besteht der Zweck dieses Artikels darin, Unternehmen den Übergang zur gemeinsamen Marktorganisation für Bananen zu erleichtern, die durch diesen Übergang auf besondere, unvorhersehbare Probleme gestoßen sind.

35.
    Daher ist zu prüfen, ob die Probleme, auf die die Klägerin gestoßen ist, auf den Übergang zur gemeinsamen Marktorganisation zurückzuführen sind.

36.
    Die Klägerin wurde am 1. November 1990, nach der Wiedervereinigung Deutschlands, gegründet. Sie beschloß daher 1991 in Kenntnis der in Deutschland nach der Wiedervereinigung herrschenden Situation, ihr Unternehmen durch die Errichtung neuer Reifungsanlagen zu erweitern.

37.
    Die Klägerin hat nichts dafür vorgetragen, daß die strukturellen Probleme im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung Deutschlands für sie ein besonderes, unvorhersehbares Problem aufgrund der Einführung der gemeinsamen Marktorganisation für Bananen geschaffen hätten. Zudem haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung bestätigt, daß die Reifungsunternehmen der ehemaligen DDR vor der Einführung der gemeinsamen Marktorganisation selbst keine Bananen einführen konnten. Die Kommission behauptet daher zu Recht, daß die Einführung der gemeinsamen Marktorganisation die strukturellen Nachteile, auf die sich die Klägerin beruft, nicht verschärft habe (siehe oben, Randnr. 27).

38.
    Die Klägerin meint jedoch, daß ein Eingreifen der Kommission zur Durchsetzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung erforderlich sei. Die Verordnung Nr. 404/93 habe mit ihrer Methode der Zuteilung von Einfuhrlizenzen nach Maßgabe des Bananenabsatzes im Referenzzeitraum die ursprüngliche Wettbewerbssituation dadurch zementiert, daß sie die Neuunternehmen gehindert habe, ihren Rückstand zu verringern.

39.
    Diesem Vorbringen kann jedoch nicht gefolgt werden. Denn Artikel 30 der Verordnung Nr. 404/93, der als Ausnahme von der anwendbaren allgemeinen Regelung eng auszulegen ist, kann den Ausgleich des Wettbewerbsnachteils der Neuunternehmen aufgrund des in Deutschland bestehenden Chancengefälles nicht zulassen. Dieser Nachteil ist nämlich nicht auf die Einführung der gemeinsamen Marktorganisation zurückzuführen.

40.
    Im übrigen hat der Gerichtshof im Urteil vom 5. Oktober 1994 in der Rechtssache C-280/93 (Deutschland/Rat, Slg. 1994, I-4973, Randnrn. 73 und 74) entschieden, daß zwar nicht alle Unternehmen von der Verordnung Nr. 404/93 in gleicher Weise berührt werden, daß jedoch diese unterschiedliche Behandlung naturgemäß mit dem Ziel einer Integration bisher abgeschotteter Märkte verbunden ist, wenn man die unterschiedliche Situation berücksichtigt, in der sich die verschiedenen Gruppen von Wirtschaftsteilnehmern vor der Einführung der gemeinsamen Marktorganisation befanden.

41.
    Schließlich ist die Ansicht der Klägerin, die Ablehnung ihres Antrags durch die angefochtene Entscheidung stelle einen Ermessensmißbrauch dar, unbegründet. Hierzu genügt die Feststellung, daß nach der Rechtsprechung eine Handlung nur dann ermessensmißbräuchlich ist, wenn aufgrund objektiver, schlüssiger und übereinstimmender Indizien anzunehmen ist, daß sie ausschließlich oder zumindest vorwiegend zu anderen als den angegebenen Zwecken vorgenommen worden ist (Urteil des Gerichts vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-143/89, Ferriere Nord/Kommission, Slg. 1995, II-917, Randnr. 68, und Urteil des Gerichtshofes vom 12. November 1996 in der Rechtssache C-84/94, Vereinigtes Königreich/Rat, Slg. 1996, I-5755, Randnr. 69). Die Klägerin hat hierfür jedoch keinen Beweis erbracht.

42.
    Nach allem hat die Kommission Artikel 30 der Verordnung Nr. 404/93 richtig angewandt und mit dem Erlaß der angefochtenen Entscheidung keinen anderen als den in diesem Artikel vorgesehenen Zweck verfolgt.

43.
    Daher ist der erste Klagegrund zurückzuweisen.

Zum zweiten Klagegrund, Verletzung der Begründungspflicht

44.
    Die Klägerin vertritt die Ansicht, die elfte Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung, in der die Kommission ausführe, sie habe nicht nachgewiesen, daß sie vor dem 10. September 1992 andere Maßnahmen getroffen hätte, die eine übermäßige Härte im Sinne des Urteils T. Port zur Folge gehabt hätten, sei unverständlich; daher enthalte die angefochtene Entscheidung einen Begründungsmangel.

45.
    Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden. Die Verpflichtung, eine Einzelfallentscheidung zu begründen, soll den Gemeinschaftsrichter in die Lage versetzen, deren Rechtmäßigkeit zu überprüfen, und es dem Betroffenen ermöglichen, die Gründe für die erlassene Maßnahme zu erfahren, so daß er seine

Rechte verteidigen und die sachliche Richtigkeit der Entscheidung prüfen kann (Urteile des Gerichtshofes vom 28. März 1984 in der Rechtssache 8/83, Bertoli/Kommission, Slg. 1984, 1649, Randnr. 12, und des Gerichts vom 24. Januar 1992 in der Rechtssache T-44/90, La Cinq/Kommission, Slg. 1992, II-1, Randnr. 42, sowie vom 29. Juni 1993 in der Rechtssache T-7/92, Asia Motor France u. a./Kommission, Slg. 1993, II-669, Randnr. 30).

46.
    Der gerügten Begründungserwägung geht in der angefochtenen Entscheidung eine detaillierte Darlegung der Gründe voraus, aus denen die Kommission der Ansicht war, daß die Klägerin nicht für eine Ausnahme im Sinne von Artikel 30 der Verordnung Nr. 404/93 in Betracht komme. Insbesondere wird ausgeführt, die Klägerin habe nicht nachgewiesen, daß ein angeblicher Rückgang der Reifungstätigkeit ihre wirtschaftliche Existenz bedrohe. Zudem hat die Kommission in der gerügten Begründungserwägung hervorgehoben, die Klägerin habe nicht dargetan, daß sie andere Maßnahmen getroffen hätte, die „bedingt durch die Schwierigkeiten des Übergangs von der vormals geltenden nationalen Regelung zu der mit der betreffenden Verordnung geschaffenen Regelung“ eine übermäßige Härte zur Folge gehabt hätten (siehe oben, Randnr. 10).

47.
    Die Kommission hat daher nur darauf hingewiesen, daß es der Klägerin obliege, darzutun, daß die im Urteil T. Port aufgeführten Kriterien erfüllt seien.

48.
    Somit enthält die angefochtene Entscheidung eine hinreichende Begründung, die den Gemeinschaftsrichter in die Lage versetzt, deren Rechtmäßigkeit zu überprüfen, und es dem Betroffenen ermöglicht, die Gründe für die erlassene Maßnahme zu erkennen. Sie weist daher keinen Begründungsfehler auf.

49.
    Daraus folgt, daß der zweite Klagegrund unbegründet und die Klage insgesamt abzuweisen ist.

Kosten

50.
    Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist und die Kommission einen entsprechenden Antrag gestellt hat, sind der Klägerin deren Kosten aufzuerlegen. Nach Artikel 87 § 4 der Verfahrensordnung trägt die Französische Republik als Streithelferin ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.    Die Klage wird abgewiesen.

2.    Die Klägerin trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten der Kommission.

3.    Die Französische Republik trägt ihre eigenen Kosten.

Cooke
García-Valdecasas
Lindh

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 28. September 1999.

Der Kanzler

Der Präsident

H. Jung

J. D. Cooke


1: Verfahrenssprache: Deutsch.