Language of document : ECLI:EU:T:2012:371

URTEIL DES GERICHTS (Sechste Kammer)

12. Juli 2012(*)

„Gemeinschaftsmarke – Nichtigkeitsverfahren – Gemeinschaftswortmarke Twist System – Ältere Gemeinschaftswortmarken TWIX und TWIXTER – Relatives Eintragungshindernis – Verwechslungsgefahr – Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und Art. 53 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 207/2009“

In der Rechtssache T‑334/10

Leifheit AG mit Sitz in Nassau (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte G. Hasselblatt und V. Töbelmann,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch G. Schneider als Bevollmächtigten,

Beklagter,

andere Beteiligte des Verfahrens vor der Beschwerdekammer des HABM und Streithelferin im Verfahren vor dem Gericht:

Vermop Salmon GmbH mit Sitz in Gilching (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte W. von der Osten-Sacken, O. Sude und M. Ring,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des HABM vom 12. Mai 2010 (verbundene Sachen R 924/2009‑1 und R 1013/2009‑1) zu einem Nichtigkeitsverfahren zwischen der Vermop Salmon GmbH und der Leifheit AG

erlässt

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten H. Kanninen sowie der Richter N. Wahl (Berichterstatter) und S. Soldevila Fragoso,

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund der am 10. August 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 24. November 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des HABM,

aufgrund der am 16. November 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung der Streithelferin,

aufgrund der Entscheidung vom 12. Januar 2011, mit der es abgelehnt worden ist, die Einreichung einer Erwiderung zu gestatten,

aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien binnen der Frist von einem Monat nach der Mitteilung, dass das schriftliche Verfahren abgeschlossen ist, die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und des daher auf Bericht des Berichterstatters gemäß Art. 135a der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 9. Februar 2006 meldete die Klägerin, die Leifheit AG, nach der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke [ABl. L 78, S. 1]) beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) eine Gemeinschaftsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen Twist System.

3        Die Marke wurde für folgende Waren in den Klassen 7, 8 und 21 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–        Klasse 7: „Elektrische Universalpressen“;

–        Klasse 8: „Streifen- und Würfelschneider; Vierkanthobe1; Hacker; Dosenöffner; Deckelöffner; Pizzaschneider; Käseschneider; Schäler; Fleischgabeln“;

–        Klasse 21: „Geräte und Behälter für Haushalt und Küche, soweit in Klasse 21 enthalten, insbesondere Salatschleudern, Wand- und Rollenhalter, Küchenreiben, nicht elektrische Universalpressen, Passiersiebe, Knoblauchpressen, Schöpflöffel, Gemüselöffel, Schaumlöffel, Pfannenwender, Schneebesen, Spaghettilöffel, Kartoffelstampfer, Küchensiebe, Backpinsel, Hakenleisten; rohes oder teilweise bearbeitetes Glas; Glaswaren, Porzellan und Steingut; Kämme und Schwämme; Bürsten (nicht Pinsel); Bürstenmachermaterial; Wäschetrockner, Wäscheständer, Wäschespinnen, Bügelbretter, Bügeltische, Bügelbrett-/Bügeltischbezüge, Wandhalter für Bügeltische, Bügeleisenuntersetzer; Putzzeug, Reinigungs- und Putzgeräte, insbesondere Abstaubgeräte, Wischgeräte, Putztücher, Putzkissen, Putzwolle, Scheuerkissen, Stahlwolle, Stahlspäne; Eimer; Vorrichtungen zum Auswringen von Tüchern und Reinigungsgeräten; handbetriebene Putzgeräte für Haushaltsgeräte“.

4        Am 30. Oktober 2006 wurde die Anmeldung im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 44/2006 veröffentlicht. Am 10. Mai 2007 wurde die Marke Twist System als Gemeinschaftsmarke eingetragen.

5        Am 30. August 2007 stellte die Streithelferin, die Vermop Salmon GmbH, beim HABM auf der Grundlage von Art. 52 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 53 Abs. 1 Buchst. a und Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009), einen Antrag auf Nichtigerklärung der Marke Twist System.

6        Dieser Antrag auf Nichtigerklärung stützte sich auf folgende ältere Rechte:

–        die am 30. Januar 2001 unter der Nr. 351262 eingetragene Gemeinschaftswortmarke TWIX für folgende Waren in Klasse 21: „Manuelle Bodenreinigungsgeräte und deren Teile; Zubehör für vorgenannte Waren, wie Moppressen, Dosierbehälter zum Anfeuchten von manuellen Bodenreinigungsgeräten“;

–        die am 29. Februar 2000 unter der Nr. 1076199 für eine Reihe von Waren in den Klassen 9, 12, 21, 22 und 25 eingetragene Gemeinschaftswortmarke TWIXTER.

7        Der Antrag auf Nichtigerklärung richtete sich gegen die angefochtene Marke in Bezug auf alle von ihr erfassten Waren.

8        Auf Antrag der Klägerin vom 14. November 2007 wurde die Streithelferin am 26. November 2007 vom HABM aufgefordert, innerhalb von drei Monaten die Benutzung der älteren Marken gemäß Art. 56 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 57 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 207/2009) nachzuweisen.

9        Am 22. Februar 2008 übermittelte die Streithelferin dem HABM eine Reihe von Unterlagen zum Nachweis der ernsthaften Benutzung der älteren Marke TWIX.

10      Mit Entscheidung vom 29. Juni 2009 gab die Löschungsabteilung dem Antrag auf Nichtigerklärung teilweise statt. Unter Heranziehung – aus verfahrensökonomischen Gründen – allein der älteren Marke TWIX erklärte sie die angefochtene Marke für nichtig, soweit von ihr „Geräte und Behälter für Haushalt und Küche; Reinigungs- und Putzgeräte, insbesondere Abstaubgeräte, Wischgeräte, Schwämme; Bürsten; Putzzeug, Putztücher, Putzkissen, Putzwolle, Scheuerkissen, Stahlwolle, Stahlspäne; Eimer; Vorrichtungen zum Auswringen von Tüchern und Reinigungsgeräten“ in Klasse 21 erfasst wurden. Dagegen wies sie den Nichtigkeitsantrag für die anderen von der angefochtenen Marke erfassten Waren zurück.

11      Am 10. August 2009 erhob die Streithelferin beim HABM eine Beschwerde nach den Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009 gegen die Entscheidung der Löschungsabteilung, mit der sie die Nichtigerklärung der angefochtenen Marke auch in Bezug auf die Waren „handbetriebene Putzgeräte für Haushaltsgeräte“ in Klasse 21 beantragte.

12      Am 31. August 2009 erhob die Klägerin ebenfalls eine Beschwerde, mit der sie die Aufhebung der Entscheidung der Löschungsabteilung beantragte, soweit mit ihr die teilweise Nichtigkeit der angefochtenen Marke für Waren in Klasse 21 festgestellt wurde.

13      Die Erste Beschwerdekammer entschied über die beiden gemäß Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 216/96 der Kommission vom 5. Februar 1996 über die Verfahrensordnung vor den Beschwerdekammern des HABM (ABl. L 28, S. 11) verbundenen Sachen mit Entscheidung vom 12. Mai 2010 (verbundene Sachen R 924/2009‑1 und R 1013/2009‑1) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung), wies die Beschwerde der Klägerin zurück, gab der Beschwerde der Streithelferin statt und erklärte die angefochtene Marke auch in Bezug auf handbetriebene Putzgeräte für Haushaltsgeräte in Klasse 21 für nichtig. Die Beschwerdekammer führte im Wesentlichen aus, dass die von der angefochtenen Marke erfassten Reinigungserzeugnisse zum großen Teil mit den von der älteren Marke erfassten Waren in derselben Klasse identisch seien und ihnen im Übrigen sehr ähnelten. Die fraglichen Zeichen wiesen auch erhebliche Ähnlichkeiten auf bildlicher und klanglicher Ebene auf. Und schließlich liege im vorliegenden Fall Verwechslungsgefahr zwischen der angefochtenen Marke und der älteren Marke bei Waren für die Pflege von Flächen im Sinne von Klasse 21 vor.

 Anträge der Verfahrensbeteiligten

14      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem HABM die Kosten aufzuerlegen;

–        der Streithelferin ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

15      Das HABM beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

16      Die Streithelferin beantragt,

–        die Klage abzuweisen und die angefochtene Entscheidung zu bestätigen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

17      Die Klägerin stützt ihre Klage im Wesentlichen auf drei Gründe, und zwar erstens auf einen Verstoß gegen Art. 63 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009, zweitens auf einen Verstoß gegen Art. 42 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 57 Abs. 2 Sätze S. 1 und 2 dieser Verordnung und drittens auf einen Verstoß gegen Art. 53 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung.

18      Nach Ansicht des Gerichts sind der erste und der zweite Klagegrund, die sich im Wesentlichen auf die Frage beziehen, ob der Beschwerdekammer bei der Beurteilung der Benutzung der älteren Marke TWIX ein Fehler unterlaufen ist, gemeinsam zu prüfen.

 Zum ersten und zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 63 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 sowie gegen Art. 42 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 57 Abs. 2 Sätze 1 und 2 dieser Verordnung

19      Die Klägerin wirft der Beschwerdekammer vor, nicht alle in ihrem Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen Marke enthaltenen rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte ausreichend geprüft zu haben. Im Einzelnen macht sie geltend, die Beschwerdekammer habe, da sie sich auf die Beantwortung der Frage beschränkt habe, ob die von der Marke TWIX erfassten Waren ausschließlich im gewerblichen Bereich eingesetzt würden, nicht geprüft, ob die von der Streithelferin vorgelegten Nachweise für eine ernsthafte Benutzung der älteren Marken ausreichten. Ferner macht die Klägerin geltend, die von der Streithelferin vorgelegten Unterlagen seien nicht geeignet, zu belegen, dass die älteren Marken und insbesondere die Marke TWIX in den maßgeblichen Zeiträumen tatsächlich und ernsthaft in rechtserhaltender Weise benutzt worden seien.

20      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdekammer, wenn die Beschwerde zulässig ist, nach Art. 63 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 prüft, ob sie begründet ist. Ferner ist das HABM nach Art. 76 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 in einem Verfahren bezüglich relativer Eintragungshindernisse, wie im vorliegenden Fall, bei der Ermittlung des Sachverhalts auf das Vorbringen und die Anträge der Beteiligten beschränkt.

21      Im Rahmen eines Nichtigkeitsverfahrens gehören die Tatbestandsvoraussetzungen der Bestimmungen, auf die sich die Beteiligten zur Begründung ihrer Anträge berufen, jedoch naturgemäß zu den rechtlichen Gesichtspunkten, die der Prüfung des HABM unterliegen. So kann das HABM verpflichtet sein, über eine Rechtsfrage zu entscheiden, obgleich sie von den Verfahrensbeteiligten nicht aufgeworfen wurde, wenn eine korrekte Anwendung der Verordnung Nr. 207/2009 im Hinblick auf das Vorbringen und die Anträge der Beteiligten dies erfordert. Zu den rechtlichen Gesichtspunkten, mit denen die Beschwerdekammer befasst wird, gehört daher auch eine Rechtsfrage, die zur Beurteilung des Parteivorbringens und für eine stattgebende oder abweisende Entscheidung notwendigerweise geprüft werden muss, selbst wenn sich die Beteiligten zu dieser Frage nicht geäußert haben oder das HABM zu diesem Aspekt nicht Stellung genommen hat (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 1. Februar 2005, SPAG/HABM – Dann und Backer [HOOLIGAN], T‑57/03, Slg. 2005, II‑287, Randnr. 21, vom 13. Juni 2007, Grether/HABM – Crisgo [Thailand] [FENNEL], T‑167/05, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 104, und vom 13. September 2010, Inditex/HABM – Marin Díaz de Cerio [OFTEN], T‑292/08, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 27).

22      Im vorliegenden Fall ist daher zu klären, ob die Beurteilung des tatsächlichen und ernsthaften Charakters der Benutzung der älteren Marken und insbesondere der aus verfahrensökonomischen Gründen allein berücksichtigten Marke TWIX durch die Löschungsabteilung tatsächlich in den Rahmen des Rechtsstreits gehörte, mit dem die Beschwerdekammer befasst war.

23      Insoweit ist hervorzuheben, dass das HABM bei einem auf eine Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 gestützten Nichtigkeitsantrag nicht zwangsläufig mit der Frage der ernsthaften Benutzung der älteren Marke befasst wird und diese Frage somit keine Rechtsfrage ist, die notwendigerweise von der Beschwerdekammer zur Entscheidung des bei ihr anhängigen Rechtsstreits geprüft werden muss. Diese Frage hat spezifischen Charakter und ist eine Vorfrage bei der Prüfung des eigentlichen, auf das Vorliegen von Verwechslungsgefahr gestützten Nichtigkeitsantrags (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 22. März 2007, Saint-Gobain Pam/HABM – Propamsa [PAM PLUVIAL], T‑364/05, Slg. 2007, II‑757, Randnr. 37, und Urteil OFTEN, oben in Randnr. 21 angeführt, Randnrn. 30 bis 33). Somit wurde die Beurteilung der Benutzung der älteren Marke durch die Beschwerdekammer notwendigerweise durch das Vorbringen der Klägerin in diesem Zusammenhang eingegrenzt.

24      Wie aus den Akten hervorgeht (vgl. insbesondere Randnr. 12 zweiter Gedankenstrich der angefochtenen Entscheidung), hat die Klägerin aber lediglich geltend gemacht, aus den von der Streithelferin vorgelegten Unterlagen gehe hervor, dass die von der älteren Marke erfassten Waren nur in einem ganz bestimmten gewerblichen Bereich, nämlich zum Reinigen von Fußböden in Krankenhäusern, eingesetzt würden, so dass der Nachweis der Benutzung dieser Marke nur für den betreffenden Bereich erbracht sei. Somit hatte die Klägerin nur in Frage gestellt, auf welchen Bereich sich die Benutzung der von der älteren Marke erfassten Waren erstreckte, und nicht die tatsächliche und ernsthafte Benutzung dieser Marke. Nach Prüfung der von der Streithelferin vorgelegten Unterlagen ist die Beschwerdekammer aber zu dem Ergebnis gelangt, dass der Nachweis der ernsthaften Benutzung der älteren Marke TWIX für sämtliche von ihr erfassten Waren und nicht nur für Erzeugnisse zur Reinigung der Fußböden von Krankenhäusern erbracht sei (vgl. Randnrn. 23 bis 26 der angefochtenen Entscheidung).

25      Die Klägerin hat jedenfalls nicht dargetan, aus welchen Gründen sämtliche von der Streithelferin vorgelegten Unterlagen, deren Verzeichnis in Randnr. 6 der angefochtenen Entscheidung enthalten ist, nicht für den Nachweis geeignet gewesen sein sollen, dass die ältere Marke TWIX im maßgeblichen Zeitraum in rechtserhaltender Weise benutzt worden war.

26      Nach alledem können der erste und der zweite Klagegrund keinen Erfolg haben.

 Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 53 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009

27      Die Klägerin macht geltend, die einander gegenüberstehenden Marken, nämlich die Zeichen Twist System und TWIX, unterschieden sich bildlich, klanglich und begrifflich. Außerdem habe die Beschwerdekammer die von den fraglichen Marken erfassten Waren in Klasse 21 zu Unrecht als identisch eingestuft. Schließlich habe die Beschwerdekammer im vorliegenden Fall jedenfalls fälschlich eine Verwechslungsgefahr bejaht. Hierzu führt die Klägerin insbesondere aus, hypothetische Ähnlichkeiten zwischen den einander gegenüberstehenden Marken würden jedenfalls dadurch neutralisiert, dass die angefochtene Marke einen eindeutigen Sinngehalt habe, der es erlaube, sie von den älteren Marken zu unterscheiden.

28      Das Gericht weist darauf hin, dass nach Art. 53 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 eine Gemeinschaftsmarke auf Antrag beim HABM insbesondere dann für nichtig erklärt wird, wenn eine in Art. 8 Abs. 2 der Verordnung genannte ältere Marke besteht und die Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung erfüllt sind.

29      Der relative Nichtigkeitsgrund gemäß Art. 53 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 in Verbindung mit ihrem Art. 8 Abs. 1 Buchst. b entspricht dem in der letztgenannten Bestimmung geregelten relativen Eintragungshindernis. Die Rechtsprechung zur Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung ist daher auch im vorliegenden Zusammenhang einschlägig (Urteile des Gerichts vom 25. Mai 2005, TeleTech Holdings/HABM – Teletech International [TELETECH GLOBAL VENTURES], T‑288/03, Slg. 2005, II‑1767, Randnr. 75, und vom 16. Januar 2008, Inter-IKEA/HABM – Waibel [idea], T‑112/06, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 31).

30      Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine Verwechslungsgefahr vor, wenn das Publikum glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Das Vorliegen von Verwechslungsgefahr ist umfassend, entsprechend der Wahrnehmung der betreffenden Zeichen, Waren oder Dienstleistungen durch die maßgeblichen Verkehrskreise und unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Wechselbeziehung zwischen der Ähnlichkeit der Zeichen und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen, zu beurteilen (Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2003, Laboratorios RTB/HABM – Giorgio Beverly Hills [GIORGIO BEVERLY HILLS], T‑162/01, Slg. 2003, II‑2821, Randnrn. 30 bis 33, und Urteil idea, oben in Randnr. 29 angeführt, Randnr. 32). So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (Urteile des Gerichtshofs vom 29. September 1998, Canon, C‑39/97, Slg. 1998, I‑5507, Randnr. 17, und vom 22. Juni 1999, Lloyd Schuhfabrik Meyer, C‑342/97, Slg. 1999, I‑3819, Randnr. 19; Urteil des Gerichts vom 23. Oktober 2002, Oberhauser/HABM – Petit Liberto [Fifties], T‑104/01, Slg. 2002, II‑4359, Randnr. 27).

31      Im vorliegenden Fall bestehen die maßgeblichen Verkehrskreise, wie die Beschwerdekammer in Randnr. 33 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, angesichts der Art der betreffenden Waren, die sich sowohl an die gewerbliche Reinigungsbranche als auch an das allgemeine Publikum richten, aus dem normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der Waren. Im Übrigen hat die Beschwerdekammer, da die ältere Marke als Gemeinschaftsmarke eingetragen ist, in Randnr. 35 der angefochtenen Entscheidung fehlerfrei die Ansicht vertreten, dass das maßgebliche Gebiet das der Europäischen Union sei.

32      Zum Vergleich der fraglichen Zeichen macht die Klägerin erstens im Wesentlichen geltend, da kein Bestandteil der Marke Twist System dominierend sei und da der Buchstabe „x“ der Marke TWIX ein in allen Sprachen der Union ungewöhnlicher Buchstabe sei, hätte die Beschwerdekammer nicht auf eine bildliche Ähnlichkeit schließen dürfen. In klanglicher Hinsicht unterschieden sich die fraglichen Marken ebenfalls, denn zum einen wichen sie in Länge und Komposition voneinander ab, und zum anderen unterscheide sich, selbst wenn man den Vergleich auf die Bestandteile „twix “und „twist“ beschränken müsste, der Sprenglaut „t“ deutlich von dem Zischlaut „x“. Begrifflich bestehe zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen ebenfalls keine Ähnlichkeit, insbesondere weil die angefochtene Marke einen eindeutigen Sinngehalt dergestalt habe, dass sie auf ein „Drehsystem“ hinweise; daher könne sie nicht mit der älteren Marke TWIX verwechselt werden.

33      Bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen in Bild, Klang oder Bedeutung auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Zeichen hervorrufen, wobei insbesondere ihre kennzeichnungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr kommt es entscheidend darauf an, wie die Marken vom Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren oder Dienstleistungen wahrgenommen werden. Dabei nimmt der Durchschnittsverbraucher eine Marke regelmäßig als Ganzes wahr und achtet nicht auf ihre verschiedenen Einzelheiten (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 12. Juni 2007, HABM/Shaker, C‑334/05 P, Slg. 2007, I‑4529, Randnr. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34      Nach der Rechtsprechung sind zwei Marken einander ähnlich, wenn sie aus der Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise hinsichtlich eines oder mehrerer relevanter Aspekte, d. h. hinsichtlich der bildlichen, klanglichen und begrifflichen Aspekte, zumindest teilweise übereinstimmen (Urteile des Gerichts vom 23. Oktober 2002, Matratzen Concord/HABM – Hukla Germany [MATRATZEN], T‑6/01, Slg. 2002, II‑4335, Randnr. 30, und vom 8. September 2010, Quinta do Portal/HABM – Vallegre [PORTO ALEGRE], T‑369/09, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 21).

35      Die Beurteilung der Ähnlichkeit zweier Marken darf sich nicht darauf beschränken, dass nur ein Bestandteil einer zusammengesetzten Marke berücksichtigt und mit einer anderen Marke verglichen wird. Vielmehr sind die betreffenden Marken jeweils als Ganzes miteinander zu vergleichen, was nicht ausschließt, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile einer zusammengesetzten Marke für den durch die Marke im Gedächtnis der maßgeblichen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägend sein können (vgl. Urteil HABM/Shaker, oben in Randnr. 33 angeführt, Randnr. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung). Für die Beurteilung der Ähnlichkeit kann es nur dann allein auf den dominierenden Bestandteil ankommen, wenn alle anderen Markenbestandteile zu vernachlässigen sind (Urteil HABM/Shaker, oben in Randnr. 33 angeführt, Randnr. 42, und Urteil des Gerichtshofs vom 20. September 2007, Nestlé/HABM, C‑193/06 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 42). Das könnte insbesondere dann der Fall sein, wenn schon dieser Bestandteil allein geeignet ist, das Bild der Marke, das die maßgeblichen Verkehrskreise im Gedächtnis behalten, so zu prägen, dass alle übrigen Bestandteile der Marke in dem durch diese hervorgerufenen Gesamteindruck zu vernachlässigen sind (Urteil Nestlé/HABM, Randnr. 43).

36      Im Licht dieser Erwägungen ist zu prüfen, ob die Marke Twist System und die Marke TWIX einander ähneln.

37      Was den bildlichen Vergleich angeht, haben die fraglichen Zeichen, nämlich TWIX und Twist System, auch wenn sie sich aus einer unterschiedlichen Zahl von Begriffen und Buchstaben zusammensetzen, den gemeinsamen Wortbestandteil „twi“, so dass sie sich zumindest teilweise gleichen. Diese teilweise Gleichheit ist umso bedeutsamer, als sie sich am Anfang jedes der fraglichen Zeichen befindet. Im vorliegenden Fall ist der Begriff „System“ umso weniger geeignet, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, als er der zweite Bestandteil der angefochtenen Marke ist. Der Verbraucher legt nämlich üblicherweise dem ersten Teil von Wörtern mehr Gewicht bei (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 17. März 2004, El Corte Inglés/HABM – González Cabello und Iberia Líneas Aéreas de España [MUNDICOR], T‑183/02 und T‑184/02, Slg. 2004, II‑965, Randnr. 81).

38      In Bezug auf den klanglichen Vergleich teilen die ältere Marke und der erste Begriff, aus dem die angefochtene Marke besteht, eine erste identische Silbe, „twi“, was dazu führt, dass sie teilweise ähnlich ausgesprochen werden, ungeachtet dessen, dass die Bestandteile „twist“ und „twix“ auf unterschiedliche Konsonanten, nämlich „st“ und „x“, enden.

39      Unter Berücksichtigung dieser Merkmale war die Beschwerdekammer zu der Feststellung berechtigt, dass die fraglichen Zeichen sowohl bildlich als auch klanglich einen erheblichen Grad an Ähnlichkeit aufweisen.

40      Auf der begrifflichen Ebene steht fest, dass die Bezeichnung „twix“ eine Fantasiebezeichnung ist, die in den Amtssprachen der Union keine Bedeutung hat, und dass der Bestandteil „twist system“ von den englischsprachigen Verkehrskreisen möglicherweise als Bezeichnung eines Drehsystems oder ‑verfahrens aufgefasst werden kann. Somit besteht auf der begrifflichen Ebene keine Übereinstimmung zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen.

41      Zweitens ist die Beschwerdekammer in Bezug auf den Vergleich der fraglichen Waren zu dem Ergebnis gelangt, dass entgegen der Auffassung der Klägerin die von der Marke Twist System erfassten Waren in Klasse 21 und die von der älteren Marke TWIX erfassten Waren in dieser Klasse teilweise identisch seien und sich im Übrigen sehr ähnelten.

42      Dem ist zuzustimmen.

43      Nach ständiger Rechtsprechung sind nämlich bei der Beurteilung der Ähnlichkeit zwischen den betreffenden Waren alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören insbesondere ihre Art, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren Auch andere Faktoren, wie z. B. die Vertriebswege der Waren, können berücksichtigt werden (vgl. Urteil des Gerichts vom 11. Juli 2007, El Corte Inglés/HABM – Bolaños Sabri [PiraÑAM diseño original Juan Bolaños], T‑443/05, Slg. 2007, II‑2579, Randnr. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung). Nach den Ausführungen der Beschwerdekammer ist aber, auch wenn der konkrete Verwendungszweck der in Rede stehenden Waren unterschiedlich sein mag, ihr allgemeiner Verwendungszweck, nämlich die Pflege von Flächen, bei sämtlichen Waren identisch. Zudem sind die in Rede stehenden Waren von gleicher Art, konkurrieren teilweise miteinander und werden schließlich von den gleichen Unternehmen hergestellt und auf den gleichen Wegen vertrieben. Selbst wenn man – fälschlich – annähme, dass einige der von der älteren Marke erfassten Waren konkret nur für die Reinigung der Fußböden von Krankenhäusern verwendet werden, würde dies nichts daran ändern, dass die allgemeine Bestimmung dieser Waren, nämlich Pflege und Reinigung von Flächen, identisch ist.

44      Schließlich ist zur Beurteilung der Verwechslungsgefahr darauf hinzuweisen, dass sie eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen, impliziert. So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (Urteil des Gerichts vom 14. Dezember 2006, Mast-Jägermeister/HABM – Licorera Zacapaneca [VENADO mit Rahmen u. a.], T‑81/03, T‑82/03 und T‑103/03, Slg. 2006, II‑5409, Randnr. 74). Eine Verwechslungsgefahr besteht dann, wenn in kumulativer Weise der Grad der Ähnlichkeit der betreffenden Marken und der Grad der Ähnlichkeit der mit diesen Marken gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen hinreichend hoch sind (Urteil MATRATZEN, oben in Randnr. 34 angeführt, Randnr. 45).

45      Im vorliegenden Fall ist die Beschwerdekammer in Anbetracht der Identität der fraglichen Waren, der vorhandenen Ähnlichkeiten zwischen den fraglichen Marken und des Umstands, dass die maßgeblichen Verkehrskreise die Durchschnittsverbraucher sind, deren Aufmerksamkeitsniveau nicht besonders hoch ist, zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass bei den maßgeblichen Verkehrskreisen eine Verwechslungsgefahr zwischen den fraglichen Marken im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 bestehe.

46      Somit ist der dritte von der Klägerin geltend gemachte Klagegrund zurückzuweisen, so dass die Klage insgesamt abzuweisen ist.

 Kosten

47      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß den Anträgen des HABM und der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Leifheit AG trägt die Kosten.

Kanninen

Wahl

Soldevila Fragoso

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 12. Juli 2012.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.