Language of document : ECLI:EU:T:2024:126

Rechtssache T390/20

(auszugsweise Veröffentlichung)

Scandlines Danmark ApS
und
Scandlines Deutschland GmbH

gegen

Europäische Kommission

 Urteil des Gerichts (Erste erweiterte Kammer) vom 28. Februar 2024

„Staatliche Beihilfen – Öffentliche Finanzierung der festen Querung über den Fehmarnbelt für den Schienen- und Straßenverkehr – Beihilfe Dänemarks zugunsten von Femern – Beschluss, mit dem die Beihilfe für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt wird – Einzelbeihilfe – Wichtiges Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse – Erforderlichkeit der Beihilfe – Verhältnismäßigkeit – Abwägung der positiven Auswirkungen der Beihilfe gegen ihre negativen Auswirkungen auf die Handelsbedingungen und auf die Aufrechterhaltung eines unverfälschten Wettbewerbs – Mitteilung über Kriterien für die Würdigung der Vereinbarkeit von staatlichen Beihilfen zur Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse mit dem Binnenmarkt“

1.      Staatliche Beihilfen – Prüfung durch die Kommission – Einstufung mehrerer aufeinanderfolgender Maßnahmen als Einzelbeihilfe – Voraussetzungen – Maßnahmen, die untereinander untrennbare Verbindungen aufweisen – Folge – Keine Pflicht zur vorherigen Anmeldung jeder einzelnen im Rahmen der Einzelbeihilfe gezahlten Tranche

(Verordnung 2015/1589 des Rates, Art. 1 Buchst. e)

(vgl. Rn. 37-51, 62-64)

2.      Staatliche Beihilfen – Verbot – Ausnahmen – Beihilfen, die als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden können – Beihilfen zur Förderung eines wichtigen Vorhabens von europäischem Interesse – Gewährung mehrerer Einzelbeihilfen, die in mehreren Tranchen ausgezahlt werden und zur Finanzierung ein und desselben Vorhabens bestimmt sind – Gemeinsame Prüfung der Vereinbarkeit dieser Beihilfen mit dem Binnenmarkt – Zulässigkeit

(Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV)

(vgl. Rn. 52-61)

3.      Staatliche Beihilfen – Verbot – Ausnahmen – Beihilfen, die als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden können – Beihilfen zur Förderung eines wichtigen Vorhabens von europäischem Interesse – Wichtiges Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse – Begriff – Vorhaben, das die allgemeinen Kriterien sowie einen allgemeinen positiven Indikator erfüllt, die in der Mitteilung über die Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse vorgesehen sind – Einbeziehung

(Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV; Mitteilung 2014/C 188/02 der Kommission, Nrn. 14-20)

(vgl. Rn. 69, 70, 91-102)

4.      Staatliche Beihilfen – Verbot – Ausnahmen – Beihilfen, die als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden können – Beihilfen zur Förderung eines wichtigen Vorhabens von europäischem Interesse – Wichtiges Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse – Kriterien – Kofinanzierung des Vorhabens durch den Beihilfenempfänger

(Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV; Mitteilung 2014/C 188/02 der Kommission, Nr. 18)

(vgl. Rn. 82-85)

5.      Staatliche Beihilfen – Verbot – Ausnahmen – Beihilfen, die als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden können – Beihilfen zur Förderung eines wichtigen Vorhabens von europäischem Interesse – Erforderlichkeit der Beihilfe – Anreizeffekt der Beihilfe – Einreichung eines Beihilfenantrags vor Beginn der Arbeiten – Zweckgesellschaft, die von der öffentlichen Hand zur Durchführung eines bestimmten Vorhabens gegründet wurde – Beihilfeantrag immanenter Bestandteil der Gründung dieser Gesellschaft

(Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV; Mitteilung 2014/C 188/02 der Kommission, Nr. 28)

(vgl. Rn. 109-137)

6.      Staatliche Beihilfen – Verbot – Ausnahmen – Beihilfen, die als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden können – Beihilfen zur Förderung eines wichtigen Vorhabens von europäischem Interesse – Erforderlichkeit der Beihilfe – Beurteilung im Licht einer kontrafaktischen Fallkonstellation – Kontrafaktische Fallkonstellation, die im Fehlen eines alternativen Vorhabens besteht – Zulässigkeit – Voraussetzungen

(Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV; Mitteilung 2014/C 188/02 der Kommission, Nr. 29)

(vgl. Rn. 141-163)

7.      Staatliche Beihilfen – Verbot – Ausnahmen – Beihilfen, die als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden können – Beihilfen zur Förderung eines wichtigen Vorhabens von europäischem Interesse – Erforderlichkeit der Beihilfe – Beurteilung bei Fehlen eines alternativen Vorhabens – Höhe der Beihilfe, die das erforderliche Minimum nicht übersteigen darf – Berechnung des internen Zinsfußes des Vorhabens – Ermittlung der maßgeblichen Lebensdauer des Vorhabens unter Berücksichtigung des Verhaltens der Investoren auf dem Markt

(Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV; Mitteilung 2014/C 188/02 der Kommission, Nr. 30)

(Rn. 168, 171, 176-178)

8.      Staatliche Beihilfen – Verbot – Ausnahmen – Beihilfen, die als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden können – Beihilfen zur Förderung eines wichtigen Vorhabens von europäischem Interesse – Verhältnismäßigkeit der Beihilfe – Berechnung der Beihilfehöchstintensität anhand der Finanzierungslücke – Berechnung der Finanzierungslücke – Bestimmung der maßgeblichen Lebensdauer des Vorhabens unter Berücksichtigung des Verhaltens der Investoren auf dem Markt

(Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV; Mitteilung 2014/C 188/02 der Kommission, Nr. 31)

(vgl. Rn. 169, 170, 179)

9.      Staatliche Beihilfen – Verbot – Ausnahmen – Beihilfen, die als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden können – Beihilfen zur Förderung eines wichtigen Vorhabens von europäischem Interesse – Beihilfen in Form von Garantien oder Darlehen – Erfordernis einer zeitlichen Begrenzung der Beihilfen

(Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV; Mitteilung 2014/C 188/02 der Kommission, Nr. 36)

(vgl. Rn. 195-206)

10.    Staatliche Beihilfen – Verbot – Ausnahmen – Beihilfen, die als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden können – Beihilfen zur Förderung eines wichtigen Vorhabens von europäischem Interesse – Verhältnismäßigkeit der Beihilfe – Berechnung der Beihilfehöchstintensität anhand der Finanzierungslücke – Berechnung der Beihilfehöchstintensität – Berücksichtigte Einnahmen und Kosten

(Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV; Mitteilung 2014/C 188/02 der Kommission, Nr. 31)

(vgl. Rn. 218-247)

11.    Staatliche Beihilfen – Verbot – Ausnahmen – Beihilfen, die als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden können – Betriebsbeihilfen – Ausschluss – Staatliche Garantien und staatliche Darlehen, die auf die Kosten für die Planung und den Bau eines bedeutenden Vorhabens von gemeinsamem europäischem Interesse begrenzt sind – Maßnahmen, die Investitionsbeihilfen darstellen

(Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV)

(vgl. Rn. 248-250)

12.    Staatliche Beihilfen – Verwaltungsverfahren – Bestimmung des Beihilfebetrags – Beihilfen zur Förderung eines wichtigen Vorhabens von europäischem Interesse – Beihilfen, die staatliche Garantien und staatliche Darlehen beinhalten – Berechnung der Höhe der Beihilfe – Beihilfebetrag, der nicht der gesamten von den staatlichen Darlehen und den staatlich garantierten Darlehen abgedeckten Summe entspricht – Beihilfebetrag, der der Höhe der Finanzierungslücke des in Rede stehenden Vorhabens entspricht – Zulässigkeit

(Art. 107 Abs. 1 AEUV; Mitteilung 2008/C 155/02 der Kommission, Abschnitt 4.1)

(vgl. Rn. 256-262, 264-271)

13.    Staatliche Beihilfen – Verbot – Ausnahmen – Beihilfen, die als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden können – Beihilfen zur Förderung eines wichtigen Vorhabens von europäischem Interesse – Verhältnismäßigkeit der Beihilfe – Abwägung der positiven Auswirkungen der Beihilfe, was ihren Beitrag zum Ziel von gemeinsamem europäischem Interesse betrifft, mit ihren negativen Auswirkungen, was die Wettbewerbsverzerrungen und Beeinträchtigungen des Handels zwischen den Mitgliedstaaten betrifft – Kein offensichtlicher Beurteilungsfehler der Kommission

(Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV; Mitteilung 2014/C 188/02 der Kommission, Nrn. 41-43)

(vgl. Rn. 279-327)

Zusammenfassung

Das Gericht weist die Nichtigkeitsklage der Schifffahrtsunternehmen Scandlines Danmark ApS und Scandlines Deutschland GmbH gegen den Beschluss der Kommission vom 20. März 2020(1) ab, mit dem diese feststellte, dass die Unterstützungsmaßnahmen, die dem öffentlichen Unternehmen Femern A/S von Dänemark für die Planung, den Bau und den Betrieb einer festen Fehmarnbeltschienen- und ‑straßenquerung zwischen Dänemark und Deutschland gewährt worden seien, eine mit dem Binnenmarkt vereinbare Beihilfe darstellten. In diesem Kontext erläutert das Gericht, wie die Kommission Beihilfemaßnahmen, die in mehreren Tranchen ausgezahlt werden, zu prüfen hat. Das Gericht prüft auch, wie die Kommission bestimmte Punkte ihrer Mitteilung über die Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse(2) (im Folgenden: IPCEI-Mitteilung) angewendet hat.

2008 unterzeichneten Dänemark und Deutschland einen Vertrag über ein Vorhaben für eine Feste Fehmarnbeltquerung, die zum einen aus einem Eisenbahn- und Straßentunnel unter der Ostsee zwischen Dänemark und Deutschland (im Folgenden: Feste Fehmarnbeltquerung) und zum anderen aus Straßen- und Schienenanbindungen an das dänische Hinterland besteht.

Das dänische öffentliche Unternehmen Femern wurde mit der Finanzierung, dem Bau und dem Betrieb der Festen Fehmarnbeltquerung beauftragt. Femern erhielt Kapitalzuführungen, staatlich garantierte Darlehen und Darlehen Dänemarks und wird ab der Inbetriebnahme der Festen Fehmarnbelquerung die Gebühren für die Nutzung erhalten, um ihre Schulden zu begleichen.

Ende 2014 meldeten die dänischen Behörden bei der Kommission das Finanzierungsmodell für das Vorhaben der Festen Fehmarnbeltquerung an. Ohne das förmliche Prüfverfahren einzuleiten, beschloss die Kommission, keine Einwände gegen die angemeldeten Maßnahmen zu erheben(3).

Mit Urteilen vom 13. Dezember 2018(4) erklärte das Gericht diesen Beschluss teilweise für nichtig. In Bezug auf die Femern gewährten öffentlichen Finanzierungen entschied das Gericht, dass die Kommission gegen die ihr gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV obliegende Pflicht verstoßen hatte, wegen des Vorliegens ernsthafter Schwierigkeiten das förmliche Prüfverfahren einzuleiten.

Nachdem die Kommission infolge dieser Urteile das förmliche Prüfverfahren eingeleitet hatte, entschied sie mit ihrem Beschluss vom 20. März 2020, dass die Maßnahmen in Form von Kapitalzuführungen und einer Kombination aus staatlichen Darlehen und staatlichen Garantien zugunsten von Femern für die Planung, den Bau und den Betrieb der Festen Fehmarnbeltquerung eine auf der Grundlage von Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV(5) mit dem Binnenmarkt vereinbare staatliche Beihilfe darstellten, da sie unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zur Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse bestimmt gewesen seien.

Die Schifffahrtsunternehmen Scandlines Danmark und Scandlines Deutschland erhoben gegen diesen Beschluss Klage beim Gericht.

Würdigung durch das Gericht

In Anbetracht der Tatsache, dass die staatlichen Darlehen und staatlichen Garantien zugunsten von Femern in aufeinanderfolgenden Tranchen gewährt wurden, die entsprechend dem Fortschritt des Vorhabens der Festen Fehmarnbeltquerung gezahlt wurden, warfen die Klägerinnen der Kommission vor, in dem angefochtenen Beschluss fehlerhaft davon ausgegangen zu sein, dass die verschiedenen Maßnahmen zur finanziellen Unterstützung in drei Einzelbeihilfen zusammengefasst werden könnten, und zwar eine erste 2005 in Form von Kapitalzuführungen gewährte Beihilfe, eine zweite gemäß einem 2009 erlassenen Gesetz(6) gewährte Beihilfe in Form von Kapitalzuführungen, staatlichen Garantien und staatlichen Darlehen sowie eine dritte gemäß einem 2015 erlassenen Gesetz(7) gewährte Beihilfe in Form von staatlichen Darlehen und staatlichen Garantien.

Zu diesem Punkt stellt das Gericht fest, dass mehrere aufeinanderfolgende Maßnahmen des Staates als eine einzige Maßnahme betrachtet werden können, wenn sie in Anbetracht u. a. ihrer zeitlichen Abfolge, ihres Zwecks und der Lage des Unternehmens zum Zeitpunkt dieser Maßnahmen derart eng miteinander verknüpft sind, dass sie sich unmöglich voneinander trennen lassen. Da diese Voraussetzung bei sämtlichen Finanzierungen, die gemäß dem 2009 erlassenen Gesetz gewährt wurden, sowie bei den gemäß dem 2015 erlassenen Gesetz gewährten Finanzierungen erfüllt war, hatte die Kommission nicht dadurch einen Rechtsfehler begangen, dass sie sie als Einzelbeihilfen einstufte. Infolgedessen war die Kommission auch nicht verpflichtet, zu verlangen, dass die dänischen Behörden jedes staatliche Darlehen und jede staatliche Garantie, die Femern gemäß diesen Gesetzen gewährt wurden, getrennt bei ihr anmelden.

Da die drei Femern 2005, 2009 und 2015 gewährten Einzelbeihilfen für die Finanzierung ein und desselben Vorhabens bestimmt waren, hat die Kommission darüber hinaus nicht dadurch die Grenzen ihres Ermessens überschritten, dass sie ihre Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt gemeinsam geprüft hat. Die Kommission ist nämlich gerade unter Berücksichtigung sämtlicher dieser Beihilfen in der Lage, ihre Wirkung auf den Wettbewerb im Rahmen der Prüfung einer der in Art. 107 Abs. 3 AEUV vorgesehenen Ausnahmen zu prüfen, insbesondere für ein wichtiges Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse, dessen Durchführung mit der Zahlung öffentlicher Mittel über einen langen Zeitraum verbunden ist.

Das Gericht weist ferner den Nichtigkeitsgrund zurück, der auf einen Verstoß gegen Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV gestützt wird und sich daraus ergebe, dass die Kommission das in Rede stehende Vorhaben fehlerhaft als von gemeinsamem europäischem Interesse eingestuft habe und zu Unrecht die Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Beihilfe bejaht habe.

Erstens weist das Gericht in Bezug auf die Einstufung des Vorhabens der Festen Fehmarnbeltquerung als Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse im Sinne von Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV darauf hin, dass der Begriff „von gemeinsamem europäischem Interesse“ in dieser Bestimmung eng auszulegen ist und ein Vorhaben diese Voraussetzung nur erfüllt, wenn es Teil eines von den Regierungen verschiedener Mitgliedstaaten unterstützten zwischenstaatlichen europäischen Programms ist oder zu einem zwischen verschiedenen Mitgliedstaaten abgestimmten Vorgehen gehört, durch das eine gemeinsame Gefahr bekämpft werden soll.

Der Begriff „gemeinsames europäisches Interesse“ wurde außerdem von der Kommission in der IPCEI-Mitteilung präzisiert, in der die allgemeinen kumulativen Kriterien, die erfüllt sein müssen, damit ein Vorhaben unter diesen Begriff fällt, sowie positive Indikatoren genannt werden, die eine positivere Bewertung der Kommission für die Zwecke der Einstufung als Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse rechtfertigen und zu denen die Kofinanzierung des Vorhabens durch einen Fonds der Europäischen Union gehört.

Da das Vorhaben der Festen Fehmarnbeltquerung die in der IPCEI-Mitteilung genannten allgemeinen kumulativen Kriterien erfüllte und dieses Vorhaben außerdem eine Finanzierung von der Union erhielt, konnte die Kommission berechtigterweise auf der Grundlage nur dieser Kriterien und Indikatoren zu dem Ergebnis gelangen, dass das Vorhaben der Festen Fehmarnbeltquerung von gemeinsamem europäischem Interesse war.

Zweitens stellt das Gericht in Bezug auf die Erforderlichkeit der Beihilfe klar, dass im Kontext von Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV Beihilfen zur Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse, um mit dem Binnenmarkt vereinbar zu sein, einen Anreizeffekt auf die begünstigen Unternehmen haben müssen. Zu diesem Zweck muss nachgewiesen werden, dass die Investition, die der Verwirklichung des in Rede stehenden Vorhabens dienen soll, ohne die geplante Beihilfe nicht durchgeführt werden würde. Das Gericht weist insoweit darauf hin, dass sich die Feststellung der fehlenden Erforderlichkeit einer Beihilfe insbesondere daraus ergeben kann, dass das Beihilfevorhaben vom betroffenen Unternehmen vor Zuleitung des Beihilfeantrags an die zuständigen Behörden bereits in Angriff genommen oder sogar abgeschlossen worden ist, so dass die betreffende Beihilfe keinen Anreiz mehr bieten kann (Kriterium der vorausgehenden Einreichung des Antrags).

Zu diesem letzten Punkt bestätigt das Gericht das Vorbringen der Kommission, wonach im vorliegenden Fall das Kriterium der vorausgehenden Einreichung des Antrags deshalb erfüllt gewesen sei, weil der Beihilfeantrag immanenter Bestandteil der Gründung von Femern gewesen sei. Hierzu hebt das Gericht hervor, dass Femern als eine Zweckgesellschaft, die von der öffentlichen Hand zur Durchführung des Vorhabens der Festen Fehmarnbeltquerung gegründet wurde, bis zu deren Inbetriebnahme auf die öffentlichen Finanzierungen angewiesen ist. Da die Kommission außerdem die Vereinbarkeit sämtlicher Finanzierungen, die Femern seit ihrer Gründung gewährt wurden, mit dem Binnenmarkt gemeinsam prüfen konnte, musste das Kriterium der vorausgehenden Einreichung des Antrags nicht für jede einzelne der drei Einzelbeihilfen geprüft werden.

Die Kommission hat auch nicht dadurch einen Rechtsfehler begangen, dass sie die Auffassung vertrat, dass die gemäß der IPCEI-Mitteilung für die Zwecke der Beurteilung der Erforderlichkeit der angemeldeten Beihilfe berücksichtigte kontrafaktische Fallkonstellation im Fehlen eines alternativen Vorhabens bestanden habe. Insbesondere haben die Klägerinnen und die Streithelferinnen nicht dargetan, dass es ein alternatives Vorhaben gab, das ohne die Beihilfe in vergleichbarem Umfang und Anwendungsbereich hätte durchgeführt werden können und einen Nutzen gebracht hätte, der mit dem durch die Feste Fehmarnbeltquerung zu erwartenden vergleichbar war.

Des Weiteren weist das Gericht die Rüge zurück, die Kommission habe dadurch offensichtliche Beurteilungsfehler begangen, dass sie sich auf eine Lebensdauer von 40 Jahren gestützt habe, um sowohl den internen Zinsfuß des Vorhabens der Festen Fehmarnbeltquerung (Erforderlichkeit der Beihilfe) als auch die Finanzierungslücke (Verhältnismäßigkeit der Beihilfe) zu berechnen, wo doch das Vorhaben der Festen Fehmarnbeltquerung eine Lebensdauer von 120 Jahre habe.

Hierzu weist das Gericht zum einen darauf hin, dass sich die Kommission gemäß Nr. 30 der IPCEI-Mitteilung, wenn es kein alternatives Vorhaben gibt, versichern muss, dass die Höhe der Beihilfe nicht das Minimum übersteigt, das erforderlich ist, um eine hinreichende Rentabilität des Vorhabens zu gewährleisten, wobei alle relevanten Kosten und Gewinne für die gesamte Lebensdauer des Vorhabens berücksichtigt werden müssen. Da diese Bezugnahme auf die Lebensdauer so zu verstehen ist, dass sie sich auf die wirtschaftliche Lebensdauer des Investitionsvorhabens und nicht auf die Infrastruktur in technischer Hinsicht bezieht, hat die Kommission nicht dadurch einen Fehler begangen, dass sie sich auf das Verhalten der Investoren auf dem betreffenden Markt bezogen hat, um den internen Zinsfuß auf der Grundlage einer wirtschaftlichen Lebensdauer des Vorhabens von 40 Jahren zu berechnen.

Zum anderen richtet sich gemäß Nr. 31 der IPCEI-Mitteilung die Beihilfehöchstintensität nach der Finanzierungslücke, die der Differenz zwischen den positiven und den negativen Cashflows während der Lebensdauer der Investition entspricht. Da mit der Analyse der Finanzierungslücke ermittelt werden soll, inwieweit das Vorhaben zu Marktbedingungen finanziert werden könnte, kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, für diese Prüfung die Dauer berücksichtigt zu haben, die ein vernünftig handelnder Investor in diesem Vorhaben berücksichtigt hätte und die auf 40 Jahre beziffert wird.

Was drittens die Verhältnismäßigkeit der Beihilfe betrifft, stellt das Gericht zunächst fest, dass die Klägerinnen der Kommission nicht vorwerfen können, das Erfordernis einer zeitlichen Begrenzung der Beihilfen in Form von Garantien oder Darlehen, wie es in der IPCEI-Mitteilung genannt werde, verkannt zu haben, da in dem angefochtenen Beschluss zum einen klargestellt wird, dass spätestens 16 Jahre nach der Eröffnung der Festen Fehmarnbeltquerung alle mit einer staatlichen Garantie versehenen Darlehen gekündigt und alle staatlichen Darlehen zurückgezahlt sein müssten, und dass zum anderen die dänischen Behörden Femern keine solchen Darlehen und Garantien gewähren dürften, die einen maximalen Garantiebetrag von 69,3 Mrd. DKK (ungefähr 9,3 Mrd. Euro) überschritten.

Des Weiteren hat die Kommission bei der Bestimmung der Finanzierungslücke nicht die Einnahmen von Femern unterschätzt, um die Finanzierungslücke künstlich zu erhöhen. Zum einen verlangt die IPCEI-Mitteilung nicht, dass die Einnahmen sämtliche Kosten des Vorhabens abdecken. Zum anderen haben die Klägerinnen und die Streithelferinnen nicht den Beweis erbracht, dass eine andere Preisstruktur für den Straßenverkehr als die von der Kommission zugrunde gelegte aufgrund der Elastizität der Nachfrage und dem Wettbewerb auf dem Markt automatisch zu einer Erhöhung der Einnahmen führen würde.

Schließlich hat die Kommission nicht dadurch gegen die IPCEI-Mitteilung verstoßen, dass sie für die Berechnung der Finanzierungslücke die Betriebskosten der Festen Fehmarnbeltquerung in die beihilfefähigen Kosten einbezogen hat. Die Einbeziehung dieser Kosten in den negativen Cashflow des Vorhabens der Festen Fehmarnbeltquerung führt nämlich nicht zur Gewährung einer Betriebsbeihilfe, da die Einnahmen aus dem Betrieb der Festen Fehmarnbeltquerung, die auch für den positiven Cashflow berücksichtigt werden müssten, die Betriebskosten bei weitem übersteigen. Zudem wurde kein Gesichtspunkt vorgetragen, der geeignet ist, die Erklärungen der Kommission zur Stützung der Einbeziehung dieser Kosten in die Prüfung der Finanzierungslücke in Frage zu stellen.

Angesichts all dieser Erwägungen weist das Gericht die Klage auf Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses ab.


1      Beschluss C(2020) 1683 final der Kommission vom 20. März 2020 über die staatliche Beihilfe SA.39078 – 2019/C (ex 2014/N) Dänemarks zugunsten von Femern A/S (ABl. 2020, L 339, S. 1).


2      Mitteilung der Kommission vom 20. Juni 2014 über die Kriterien für die Würdigung der Vereinbarkeit von staatlichen Beihilfen zur Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse mit dem Binnenmarkt (ABl. 2014, C 188, S. 4).


3      Beschluss C(2015) 5023 final der Kommission vom 23. Juli 2015 über die staatliche Beihilfe SA.39078 (2014/N) (Dänemark) betreffend die Finanzierung des Projekts Feste Fehmarnbeltquerung (ABl. 2015, C 325, S. 5).


4      Urteile vom 13. Dezember 2018, Scandlines Danmark und Scandlines Deutschland/Kommission (T‑630/15, nicht veröffentlicht EU:T:2018:942), und vom 13. Dezember 2018, Stena Line Scandinavia/Kommission (T‑631/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:944).


5      Nach dieser Bestimmung können Beihilfen zur Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden.


6      Gesetz Nr. 285 über die Planung der Festen Fehmarnbeltquerung und der Hinterlandanbindung auf dänischer Seite vom 15. April 2009.


7      Gesetz Nr. 575 betreffend den Bau und den Betrieb der Festen Fehmarnbeltquerung und der Hinterlandanbindung auf dänischer Seite vom 4. Mai 2015.