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Vorabentscheidungsersuchen, eingereicht am 5. Januar 2022 vom Conseil d’État (Belgien) – XXX/Commissaire général aux réfugiés et aux apatrides

(Rechtssache C-8/22)

Verfahrenssprache: Französisch

Vorlegendes Gericht

Conseil d’État

Parteien des Ausgangsverfahrens

Kassationsbeschwerdeführer: XXX

Kassationsbeschwerdegegner: Commissaire général aux réfugiés et aux apatrides

Vorlagefragen

Ist Art. 14 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes1 dahin auszulegen, dass die Gefahr für die Allgemeinheit schon allein dadurch erwiesen ist, dass der Inhaber der Rechtsstellung als Flüchtling wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde, oder ist diese Bestimmung dahin auszulegen, dass die rechtskräftige Verurteilung wegen einer besonders schweren Straftat allein nicht ausreicht, um nachzuweisen, dass eine Gefahr für die Allgemeinheit besteht?

Wenn die rechtskräftige Verurteilung wegen einer besonders schweren Straftat allein nicht ausreicht, um nachzuweisen, dass eine Gefahr für die Allgemeinheit besteht, ist dann Art. 14 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU dahin auszulegen, dass er verlangt, dass der Mitgliedstaat nachweist, dass der Kassationsbeschwerdeführer seit seiner Verurteilung weiterhin eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt? Muss der Mitgliedstaat nachweisen, dass diese Gefahr tatsächlich und gegenwärtig ist, oder reicht es aus, wenn eine potenzielle Gefahr gegeben ist? Ist Art. 14 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU für sich genommen oder in Verbindung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dahin auszulegen, dass er die Aberkennung der Rechtsstellung als Flüchtling nur dann erlaubt, wenn diese Aberkennung verhältnismäßig ist und die Gefahr, die der Inhaber dieser Rechtsstellung darstellt, hinreichend erheblich ist, um die Aberkennung zu rechtfertigen?

Wenn der Mitgliedstaat nicht nachweisen muss, dass der Kassationsbeschwerdeführer seit seiner Verurteilung weiterhin eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt und dass diese Gefahr tatsächlich, gegenwärtig und hinreichend erheblich ist, um die Aberkennung der Rechtsstellung als Flüchtling zu rechtfertigen, ist dann Art. 14 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU dahin auszulegen, dass aus ihm folgt, dass grundsätzlich der Nachweis der Gefahr für die Allgemeinheit dadurch erbracht ist, dass der Inhaber der Rechtsstellung als Flüchtling wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde, dass dieser aber nachweisen kann, dass er keine solche Gefahr (mehr) darstellt?

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1 ABl. 2011, L 337, S. 9.