SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
YVES BOT
vom 9. Oktober 2014(1)
Rechtssache C‑527/13
Lourdes Cachaldora Fernández
gegen
Instituto Nacional de la Seguridad Social (INSS),
Tesorería General de la Seguridad Social (TGSS)
(Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal Superior de Justicia de Galicia [Spanien])
„Vorabentscheidungsersuchen – Richtlinie 79/7/EWG – Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit – Berechnung der Rente wegen dauerhafter Berufsunfähigkeit – Einbeziehung von Zeiten, in denen der Betroffene keine Beiträge zum System der sozialen Sicherheit geleistet hat – Besondere Regelung für Teilzeitbeschäftigte – Mittelbare Diskriminierung von Frauen – Objektive Rechtfertigung“
1. Im Ausgangsverfahren geht es um den möglicherweise diskriminierenden Charakter der Berechnungsmodalitäten für die Rente wegen dauerhafter Berufsunfähigkeit im Hinblick auf Arbeitnehmer, die im Zeitraum unmittelbar vor der Unterbrechung ihrer Beitragsleistungen zum System der sozialen Sicherheit eine Teilzeitbeschäftigung ausgeübt haben, und insbesondere im Hinblick auf Frauen.
2. Das Tribunal Superior de Justicia de Galicia (Oberster Gerichtshof von Galicien) ersucht daher den Gerichtshof um die Prüfung der Vereinbarkeit dieser Modalitäten mit Art. 4 der Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit(2) und Paragraf 5 Nr. 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung im Anhang der Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit(3).
3. Die vorgelegte Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen Frau Cachaldora Fernández einerseits und dem Instituto Nacional de la Seguridad Social (Staatliche Sozialversicherungsanstalt, im Folgenden: INSS) und der Tesorería General de la Seguridad Social (Allgemeine Finanzverwaltungsbehörde der Sozialversicherung, im Folgenden: TGSS) andererseits, in dem es um die Bestimmung der Berechnungsgrundlage für die Frau Cachaldora Fernández zustehende Rente wegen dauerhafter vollständiger Berufsunfähigkeit geht.
4. Zur Berechnung dieser Rente bezogen die zuständigen nationalen Behörden auch Zeiten ein, in denen von der Betroffenen keine Beiträge zum System der sozialen Sicherheit geleistet wurden. Dafür verwendeten sie herabgesetzte Beitragsbemessungsgrundlagen, weil Frau Cachaldora Fernández im Zeitraum unmittelbar vor der Unterbrechung ihrer Beitragsleistungen eine Teilzeitbeschäftigung ausgeübt hatte. Im Ausgangsverfahren beanstandet Frau Cachaldora Fernández diese Berechnungsweise, da diese dazu führt, dass ihre Berufsunfähigkeitsrente verringert wird, obwohl sie während des größten Teils ihres Berufslebens eine Vollzeitbeschäftigung ausgeübt und entsprechend hohe Beiträge zum System der sozialen Sicherheit geleistet hatte.
5. In den vorliegenden Schlussanträgen werde ich darlegen, weshalb eine solche Regelung meines Erachtens eine Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 79/7 zuwiderlaufende mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bewirkt. Weiterhin werde ich erläutern, warum der hierfür von den spanischen Behörden angeführte Grund, der in der Beitragsabhängigkeit des Systems der sozialen Sicherheit und der erforderlichen Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes liegen soll, eine solche Diskriminierung meiner Ansicht nach nicht rechtfertigen kann.
I – Rechtlicher Rahmen
A – Unionsrecht
1. Richtlinie 79/7
6. Aus Art. 2 der Richtlinie 79/7 geht hervor, dass diese auf die Erwerbsbevölkerung – einschließlich der Selbständigen, der Arbeitnehmer, deren Erwerbstätigkeit durch Krankheit, Unfall oder unverschuldete Arbeitslosigkeit unterbrochen ist, und der Arbeitsuchenden – sowie auf die im Ruhestand befindlichen oder arbeitsunfähigen Arbeitnehmer und Selbständigen Anwendung findet.
7. Nach ihrem Art. 3 Abs. 1 findet die Richtlinie insbesondere Anwendung auf gesetzliche Systeme, die Schutz gegen Invalidität bieten.
8. Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 79/7 bestimmt:
„Der Grundsatz der Gleichbehandlung beinhaltet den Fortfall jeglicher unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand, und zwar im Besonderen betreffend:
– den Anwendungsbereich der Systeme und die Bedingungen für den Zugang zu den Systemen,
– die Beitragspflicht und die Berechnung der Beiträge,
– die Berechnung der Leistungen, einschließlich der Zuschläge für den Ehegatten und für unterhaltsberechtigte Personen, sowie die Bedingungen betreffend die Geltungsdauer und die Aufrechterhaltung des Anspruchs auf die Leistungen.“
2. Richtlinie 97/81
9. Mit der Richtlinie 97/81 soll nach ihrem Art. 1 die am 6. Juni 1997 zwischen den europäischen Sozialpartnern – nämlich der Union der Industrie- und Arbeitgeberverbände Europas (UNICE), dem Europäischen Verband der öffentlichen Arbeitgeber und Unternehmen (CEEP) und dem Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB) – geschlossene Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit, die im Anhang dieser Richtlinie enthalten ist (im Folgenden: Rahmenvereinbarung), durchgeführt werden.
10. Für das Ausgangsverfahren sind folgende Bestimmungen der Rahmenvereinbarung relevant:
„Präambel
…
Die Vereinbarung erstreckt sich auf die Beschäftigungsbedingungen von Teilzeitbeschäftigten und erkennt an, dass Fragen der gesetzlichen Regelung der sozialen Sicherheit der Entscheidung der Mitgliedstaaten unterliegen. Die Unterzeichnerparteien haben im Sinne des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung von der Erklärung zur Beschäftigung des Europäischen Rates von Dublin im Dezember 1996 Kenntnis genommen, in welcher der Rat unter anderem betont, dass die Systeme der sozialen Sicherheit beschäftigungsfreundlicher gestaltet werden sollten, indem ‚Systeme der sozialen Sicherheit entwickelt werden, die sich an neue Arbeitsstrukturen anpassen lassen und die jedem, der im Rahmen solcher Strukturen arbeitet, auch einen angemessenen sozialen Schutz bieten‘. Die Unterzeichnerparteien sind der Ansicht, dass diese Erklärung in die Praxis umgesetzt werden sollte.
…
Paragraf 1: Ziel
Diese Rahmenvereinbarung soll:
a) die Beseitigung von Diskriminierungen von Teilzeitbeschäftigten sicherstellen und die Qualität der Teilzeitarbeit verbessern;
…
Paragraf 2: Anwendungsbereich
1. Die vorliegende Vereinbarung gilt für Teilzeitbeschäftigte, die nach den Rechtsvorschriften, Tarifverträgen oder Gepflogenheiten in dem jeweiligen Mitgliedstaat einen Arbeitsvertrag haben oder in einem Arbeitsverhältnis stehen.
…
Paragraf 4: Grundsatz der Nichtdiskriminierung
1. Teilzeitbeschäftigte dürfen in ihren Beschäftigungsbedingungen nur deswegen, weil sie teilzeitbeschäftigt sind, gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten nicht schlechter behandelt werden, es sei denn, die unterschiedliche Behandlung ist aus sachlichen Gründen gerechtfertigt.
…
Paragraf 5: Teilzeitarbeitsmöglichkeiten
1. Im Rahmen des Paragrafen 1 dieser Vereinbarung und im Einklang mit dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung von Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten
a) sollten die Mitgliedstaaten nach Anhörung der Sozialpartner gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten Hindernisse rechtlicher oder verwaltungstechnischer Natur, die die Teilzeitarbeitsmöglichkeiten beschränken können, identifizieren und prüfen und sie gegebenenfalls beseitigen;
…“
B – Spanisches Recht
11. Nach Art. 140 Abs. 1 Buchst. a des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (Ley general de la seguridad social)(4) wird die Berechnungsgrundlage für Renten wegen dauerhafter Berufsunfähigkeit aufgrund nicht berufsbedingter Krankheit dadurch ermittelt, dass die Beitragsbemessungsgrundlagen des Betroffenen in den 96 Monaten vor dem Eintritt des Versicherungsfalls durch 112 geteilt werden.
12. Art. 140 Abs. 4 dieses Gesetzes legt fest, in welcher Weise der Korrekturmechanismus angewandt wird, der es bei der Berechnung der Berufsunfähigkeitsrente erlaubt, auch Zeiten zu berücksichtigen, in denen der Betroffene keine Beiträge zum System der sozialen Sicherheit zu leisten hatte. Diese Bestimmung lautet wie folgt:
„Befinden sich innerhalb des für die Ermittlung der Berechnungsgrundlage zu berücksichtigenden Zeitraums Monate, in denen keine Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen bestand, so werden die ersten achtundvierzig Monate mit der Mindestbemessungsgrundlage unter allen im jeweiligen Zeitraum geltenden Beitragsbemessungsgrundlagen und die restlichen Monate mit 50 % dieser Mindestbemessungsgrundlage einbezogen …“
13. Die Siebte Zusatzbestimmung der LGSS enthält indessen besondere Regelungen für Teilzeitbeschäftigte.
14. Die dritte Regel dieser Siebten Zusatzbestimmung legt fest, in welcher Weise der Korrekturmechanismus anzuwenden ist, der die Einbeziehung von Zeiten ermöglicht, in denen Teilzeitbeschäftigte keine Beiträge gezahlt haben. In dieser Regel heißt es:
„b) Bei Altersrenten und bei Berufsunfähigkeitsrenten, die auf einer nicht berufsbedingten Krankheit beruhen, werden die Zeiten, in denen keine Beitragspflicht bestand, mit derjenigen Mindestbemessungsgrundlage unter allen im jeweiligen Zeitraum geltenden Beitragsbemessungsgrundlagen einbezogen, die der Zahl der zuletzt vertraglich zu leistenden Arbeitsstunden entspricht“.
15. Die Durchführung dieser Bestimmung wird in Art. 7 Abs. 2 des Real Decreto 1131/2002 vom 31. Oktober 2002 über die soziale Sicherheit von Teilzeitbeschäftigten und die Teilrente(5) wie folgt präzisiert:
„Bei Altersrenten und bei Berufsunfähigkeitsrenten, die auf einer nicht berufsbedingten Krankheit oder einem nicht berufsbedingten Unfall beruhen, werden die Zeiten, in denen keine Beitragspflicht bestand, mit derjenigen Mindestbemessungsgrundlage unter allen im jeweiligen Zeitraum geltenden Beitragsbemessungsgrundlagen einbezogen, die der Zahl der zum Zeitpunkt der Unterbrechung oder der Beendigung der Beitragspflicht vertraglich zu leistenden Arbeitsstunden entspricht.“
II – Sachverhalt des Ausgangsverfahrens und Vorlagefragen
16. Aus dem Vorlagebeschluss geht hervor, dass Frau Cachaldora Fernández vom 15. September 1971 bis 25. April 2010 Beiträge zum spanischen System der sozialen Sicherheit entrichtete. Ihre Beitragszeit belief sich auf insgesamt 5 523 Tage, an denen sie, ausgenommen nur eine Teilzeitbeschäftigung in der Zeit vom 1. September 1998 bis 23. Januar 2002, stets in Vollzeit tätig war. Dagegen übte Frau Cachaldora Fernández vom 23. Januar 2002 bis 30. November 2005 keine Berufstätigkeit aus und entrichtete daher während dieses Zeitraums auch keine Beiträge zum System der sozialen Sicherheit.
17. Am 21. April 2010 beantragte Frau Cachaldora Fernández beim INSS eine Berufsunfähigkeitsrente.
18. Mit Bescheid vom 29. April 2010 wurde ihr diese Rente wegen dauerhafter vollständiger Unfähigkeit zur Ausübung ihres gewöhnlichen Berufs zuerkannt. Die Betroffene erhielt demnach eine Rente wegen dauerhafter Berufsunfähigkeit in Höhe von 55 % der monatsbezogenen Berechnungsgrundlage, die 347,03 Euro betrug.
19. Gemäß den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften wurde dieser Rentenbetrag anhand der Beitragsbemessungsgrundlagen der Betroffenen in den letzten acht Jahren vor dem Eintritt des Versicherungsfalls ? also von März 2002 bis Februar 2010 ‒ berechnet. Aus dem Vorlagebeschluss ergibt sich, dass die zuständigen Behörden dabei für die Zeit von März 2002 bis November 2005 Mindestbemessungsgrundlagen heranzogen, auf die sie den Teilzeitkoeffizienten für die letzten Beitragsleistungen vor Unterbrechung der Beitragszahlung anwandten.
20. In ihrem gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch machte Frau Cachaldora Fernández geltend, dass der Berechnung ihrer Rente für den Zeitraum vom März 2002 bis November 2005 die in dem jeweiligen Jahr geltende Mindestbemessungsgrundlage in vollständiger Höhe und nicht deren durch die Anwendung des Teilzeitkoeffizienten herabgesetzter Betrag zugrunde zu legen sei. Nach dieser Berechnungsmethode beliefe sich die Berechnungsgrundlage ihrer Rente – was das INSS nicht bestreitet – auf 763,76 Euro.
21. Das INSS wies den Widerspruch mit der Begründung zurück, dass die vorgeschlagene Berechnungsmethode nicht mit Art. 7 Abs. 2 des Real Decreto 1131/2002 vereinbar sei. Gegen den Widerspruchsbescheid erhob Frau Cachaldora Fernández Klage beim Juzgado de lo Social no 2 de Ourense. Durch Urteil vom 13. Oktober 2010 wies dieses Gericht ihre Klage ab und bestätigte den Rentenbescheid des INSS, wobei es sich auf den Wortlaut der Siebten Zusatzbestimmung der LGSS und des Art. 7 Abs. 2 des Real Decreto 1131/2002 stützte.
22. Frau Cachaldora Fernández legte gegen dieses Urteil ein Rechtsmittel zum Tribunal Superior de Justicia de Galicia ein. Da dieses Gericht Zweifel an der Vereinbarkeit der in Rede stehenden Rechtsvorschriften mit dem Unionsrecht hegt, hat es beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Steht Art. 4 der Richtlinie 79/7 einer nationalen Bestimmung wie Nr. 1 dritte Regel Buchst. b der Siebten Zusatzbestimmung der LGSS entgegen, die vornehmlich Frauen trifft und vorsieht, dass Beitragslücken, die im Anschluss an eine Teilzeitbeschäftigung in dem maßgeblichen Zeitraum für die Ermittlung der Berechnungsgrundlage für eine beitragsabhängige Rente wegen dauerhafter Berufsunfähigkeit entstanden sind, durch Heranziehung der jeweils geltenden Mindestbeitragsbemessungsgrundlagen geschlossen werden, die durch Anwendung des Teilzeitkoeffizienten für die vor der Beitragslücke liegende Beschäftigung herabgesetzt werden, während sie im Fall einer Vollzeitbeschäftigung nicht herabgesetzt werden?
2. Steht Paragraf 5 Nr. 1 Buchst. a der Richtlinie 97/81 einer nationalen Bestimmung wie Nr. 1 dritte Regel Buchst. b der Siebten Zusatzbestimmung der LGSS entgegen, die vornehmlich Frauen trifft und vorsieht, dass Beitragslücken, die im Anschluss an eine Teilzeitbeschäftigung in dem maßgeblichen Zeitraum für die Ermittlung der Berechnungsgrundlage für eine beitragsabhängige Rente wegen dauerhafter Berufsunfähigkeit entstanden sind, durch Heranziehung der jeweils geltenden Mindestbeitragsbemessungsgrundlagen geschlossen werden, die durch Anwendung des Teilzeitkoeffizienten für die vor der Beitragslücke liegende Beschäftigung herabgesetzt werden, während sie im Fall einer Vollzeitbeschäftigung nicht herabgesetzt werden?
23. Die Parteien des Ausgangsverfahrens, die spanische Regierung und die Europäische Kommission haben Erklärungen eingereicht.
III – Vorbemerkungen
24. In der vorliegenden Rechtssache möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Nr. 1 dritte Regel Buchst. b der Siebten Zusatzbestimmung der LGSS zum einen mit Art. 4 der Richtlinie 79/7, was Anlass für seine erste Vorlagefrage ist, und zum anderen mit Paragraf 5 Abs. 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung im Anhang der Richtlinie 97/81 vereinbar ist, was den Gegenstand seiner zweiten Vorlagefrage bildet.
25. Ich schlage dem Gerichtshof vor, nur die erste dieser beiden Fragen zu beantworten.
26. Wie die Beteiligten, die in der vorliegenden Rechtssache Erklärungen eingereicht haben, bin ich nämlich der Auffassung, dass eine Situation, wie sie vorliegend in Rede steht, nicht in den sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie 97/81 fällt.
27. Nach ihrem Paragraf 1 Buchst. a bezweckt die Rahmenvereinbarung im Anhang dieser Richtlinie insbesondere, „die Beseitigung von Diskriminierungen von Teilzeitbeschäftigten [sicherzustellen] und die Qualität der Teilzeitarbeit [zu] verbessern“. So soll ihr Paragraf 4 Nr. 1 die Einhaltung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung im Hinblick auf die Beschäftigungsbedingungen von Teilzeitbeschäftigten sicherstellen, die den Rahmen dieser Vereinbarung bilden(6).
28. Laut Paragraf 5 Nr. 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung sollten die Mitgliedstaaten Hindernisse rechtlicher oder verwaltungstechnischer Natur, die die Teilzeitarbeitsmöglichkeiten beschränken können, identifizieren und gegebenenfalls beseitigen. Wie vom Unionsgesetzgeber ausdrücklich klargestellt worden ist, fügt sich dieser Paragraf in den „Rahmen des Paragrafen 1“ der Rahmenvereinbarung ein und steht mit dem in Paragraf 4 Nr. 1 dieser Vereinbarung genannten „Grundsatz der Nichtdiskriminierung von Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten“ im Einklang. Wie bereits ausgeführt, stellt Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung speziell auf die „Beschäftigungsbedingungen“ ab.
29. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs handelt es sich jedoch bei einer Bestimmung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, in der der Korrekturmechanismus für die Berechnung der Berufsunfähigkeitsrente festgelegt wird, nicht um eine „Beschäftigungsbedingung“ im Sinne dieses Paragrafen.
30. In dem Urteil Bruno u. a. (C‑395/08 und C‑396/08, EU:C:2010:329) hat der Gerichtshof nämlich befunden, dass „Versorgungsbezüge als unter den Begriff ‚Beschäftigungsbedingungen‘ im Sinne von Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung fallend anzusehen [sind], wenn sie von einem Beschäftigungsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber abhängen, ausgenommen Versorgungsbezüge aus einem gesetzlichen System der sozialen Sicherheit, die weniger von einem Beschäftigungsverhältnis abhängen, sondern vielmehr durch sozialpolitische Erwägungen bestimmt werden“(7). Die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Rente, die ein bestimmtes Risiko, nämlich das der Invalidität oder Berufsunfähigkeit, abdecken soll, gehört jedoch zum spanischen gesetzlichen Versicherungssystem.
31. Im Übrigen darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Parteien in Abs. 3 der Präambel der Rahmenvereinbarung zugesichert haben, dass „Fragen der gesetzlichen Regelung der sozialen Sicherheit der Entscheidung der Mitgliedstaaten unterliegen“. Die Parteien haben mithin beabsichtigt, Fragen wie die hier aufgeworfene Frage der Berechnung einer Rente wegen dauernder Berufsunfähigkeit von dem Anwendungsbereich der Rahmenvereinbarung auszunehmen.
32. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte bin ich daher der Ansicht, dass die fragliche Bestimmung nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 97/81 fällt und die zweite Vorlagefrage somit nicht beantwortet werden muss.
33. Dagegen fällt eine solche Rente unter die Richtlinie 79/7, da sie im Rahmen eines gesetzlichen Systems des Schutzes gegen eines der in Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie aufgeführten Risiken, nämlich Invalidität, gewährt wird und unmittelbar und in effektiver Weise mit dem Schutz gegen dieses Risiko zusammenhängt(8). Mithin ist die Vereinbarkeit der Nr. 1 dritte Regel Buchst. b der Siebten Zusatzbestimmung der LGSS anhand dieses Rechtsakts zu prüfen.
IV – Zur ersten Frage
34. Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 79/7 dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, soweit diese für Arbeitnehmer, die in der Zeit unmittelbar vor einer Unterbrechung ihrer Beitragszahlung an die Sozialversicherung eine Teilzeitbeschäftigung ausgeübt haben, zur Folge hat, dass die ihnen zustehende Rente wegen dauerhafter Berufsunfähigkeit in ihrer Höhe vermindert wird.
35. Das vorlegende Gericht ist der Auffassung, diese Regelung führe zu einem nicht gerechtfertigten Unterschied in der Höhe der Rentenansprüche zwischen der Kategorie der Teilzeitbeschäftigten, die mehrheitlich aus Frauen bestehe, und der Kategorie der Vollzeitbeschäftigten.
36. Zunächst ist zu prüfen, ob die durch die fragliche Bestimmung festgelegte Methodik tatsächlich geeignet ist, unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens die Kategorie der Teilzeitbeschäftigten zu benachteiligen.
A – Zum Bestehen eines Nachteils für Teilzeitbeschäftigte
37. Nach Art. 140 Abs. 1 LGSS, der eine Regel für eine allgemein umschriebene Kategorie von Arbeitnehmern festlegt, wird die Höhe der Rente wegen dauerhafter Berufsunfähigkeit anhand der in den letzten acht Jahren vor Eintritt des Versicherungsfalls geltenden Beitragsbemessungsgrundlagen(9) (im Folgenden: Referenzzeitraum) berechnet.
38. Für den Fall, dass sich innerhalb dieses Referenzzeitraums Monate befinden, in denen von der betroffenen Person keine Beiträge zum System der sozialen Sicherheit geleistet wurden, hat der Gesetzgeber in Art. 140 Abs. 4 LGSS einen Korrekturmechanismus vorgesehen, der eine Einbeziehung auch dieser Zeiträume in die Berechnungsgrundlage für die Berufsunfähigkeitsrente gestattet. Die zuständigen Behörden berücksichtigen in diesem Fall sogenannte „fiktive“ Beitragsbemessungsgrundlagen. Für die Kategorie der Vollzeitbeschäftigten entsprechen diese für die ersten vier Jahre der jeweils geltenden Mindestbemessungsgrundlage und für die letzten vier Jahre einem Betrag von 50 % dieser Mindestbemessungsgrundlage.
39. Diese Bestimmung findet jedoch keine Anwendung auf Teilzeitbeschäftigte.
40. Der Gesetzgeber hat nämlich in Nr. 1 dritte Regel Buchst. b der Siebten Zusatzbestimmung der LGSS für diese Kategorie von Arbeitnehmern einen gesonderten und speziellen Korrekturmechanismus geschaffen, dessen Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht vorliegend zu prüfen ist. Wie bereits erwähnt, wurde zur Durchführung dieser Bestimmung Art. 7 Abs. 2 des Real Decreto 1131/2002 erlassen.
41. Nach dieser Bestimmung beziehen die zuständigen Behörden, wenn der Referenzzeitraum Zeiten umfasst, in denen für die betroffene Person keine Verpflichtung zur Beitragsleistung bestand, diese Zeiten mit den Mindestbemessungsgrundlagen ein, die sich bei der Zahl der Arbeitsstunden ergeben hätten, welche zum Zeitpunkt der Unterbrechung oder Beendigung der Beitragspflicht vertraglich vorgesehen war.
42. Wie dem Vorlagebeschluss zu entnehmen ist, hängt die Anwendung der vorgenannten Bestimmung damit von der Art des letzten Vertrags vor der Unterbrechung der Beitragszahlung ab.
43. So werden, wie die Kommission in ihren Erklärungen hervorhebt, die Zeiträume, in denen von dem Betroffenen keine Beiträge geleistet wurden, in gleicher Weise rechnerisch berücksichtigt und einbezogen wie der Zeitraum unmittelbar vor der Einstellung der Berufstätigkeit.
44. Anders gesagt, hat der Betroffene seine Berufstätigkeit unmittelbar nach einer Zeit der Vollzeitbeschäftigung eingestellt, so berücksichtigen die zuständigen Behörden die für Zeiten der Vollzeitbeschäftigung geltenden Beitragsbemessungsgrundlagen.
45. Hat die betroffene Person dagegen in der Zeit unmittelbar vor Unterbrechung ihrer Beitragsleistungen in Teilzeit gearbeitet, so werden die Zeiten, in denen sie keine Beiträge geleistet hat, anhand einer herabgesetzten Beitragsbemessungsgrundlage einbezogen. Da der Teilzeitbeschäftigte nämlich aufgrund seiner verringerten Arbeitszeit ein geringeres Arbeitsentgelt bezieht, sind die Beiträge, bei denen es sich um einen prozentualen Anteil des Entgelts handelt, ebenfalls geringer.
46. Hieraus ergibt sich demnach ein Unterschied in der Höhe des Anspruchs auf Rente wegen dauernder Berufsunfähigkeit zwischen denjenigen Arbeitnehmern, die in dem Zeitraum unmittelbar vor Unterbrechung der Beitragsleistungen in Teilzeit gearbeitet haben, und denjenigen Arbeitnehmern, die in dem Zeitraum unmittelbar vor Unterbrechung der Beitragsleistungen eine Vollzeitbeschäftigung ausgeübt haben und für die die Einbeziehung des Unterbrechungsintervalls mit einer unverminderten Beitragsbemessungsgrundlage erfolgt.
47. So haben die zuständigen Behörden bei der Einbeziehung der Zeiten, in denen von Frau Cachaldora Fernández keine Beiträge geleistet wurden, also des Zeitraums vom März 2002 bis November 2005, herabgesetzte, durch die Anwendung des Teilzeitkoeffizienten(10) korrigierte Beitragsbemessungsgrundlagen zugrunde gelegt, da die Betroffene zum Zeitpunkt der Unterbrechung der Beitragspflicht eine Teilzeitbeschäftigung ausgeübt hatte.
48. Mit anderen Worten führte die Anwendung der in Rede stehenden Bestimmung dazu, dass die Zeit, in der die Betroffene ihre Beitragszahlung unterbrochen hat, für die Berechnung ihrer Berufsunfähigkeitsrente anhand von auf ein Achtel herabgesetzten Beitragsbemessungsgrundlagen einbezogen wurde, obwohl die Betroffene während eines sehr großen Teils ihres Berufslebens eine Vollzeitbeschäftigung ausgeübt und dementsprechend Beiträge zum System der sozialen Sicherheit geleistet hat.
49. Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens hat diese Berechnungsmethode tatsächlich zu einer angesichts der von der Betroffenen während ihres Berufslebens geleisteten Beiträge unverhältnismäßigen Verringerung der Höhe ihrer Rentenansprüche wegen Berufsunfähigkeit geführt und stellt damit einen Nachteil für sie dar.
50. Wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen und in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, teilt sie indessen diese Sichtweise nicht.
51. Sie ist der Auffassung, dass die in Rede stehende Methodik in zahlreichen Fällen sehr vorteilhaft für Teilzeitbeschäftigte sein könne, so nämlich dann, wenn der letzte Vertrag vor einer Zeit der Erwerbslosigkeit ein Vollzeit-Arbeitsvertrag gewesen sei.
52. Dabei verweist die Kommission für ihre Ansicht auf das Beispiel einer Frau, die innerhalb des Referenzzeitraums vier Jahre lang in Teilzeit, dann sechs Monate lang in Vollzeit gearbeitet hat, anschließend ihre Berufstätigkeit drei Jahre lang eingestellt hat und schließlich für wiederum sechs Monate eine Vollzeitbeschäftigung ausgeübt hat. Diese Person hätte demnach während dieser acht Jahre vier Jahre in Teilzeit und ein Jahr in Vollzeit gearbeitet. Unter solchen Umständen, so die Kommission, würde die Zeit der Erwerbslosigkeit einer Vollzeittätigkeit des Betroffenen gleichgestellt, da die zuständigen Behörden in diesem Fall vier Jahre mit einer Beitragsbemessungsgrundlage für Vollzeitbeschäftigung berücksichtigten, obwohl der Betroffene nur während eines Jahres mit einem Vollzeitvertrag gearbeitet hätte.
53. Ich teile diese Ansicht der Kommission nicht.
54. Wie ich in den Nrn. 42 und 43 der vorliegenden Schlussanträge dargelegt habe, hängt die Anwendung der in Rede stehenden Bestimmung von der Art des letzten Vertrags vor der Unterbrechung der Beitragsleistungen ab. Die Kommission selbst hat in ihren Erklärungen hervorgehoben, dass Zeiten der Erwerbslosigkeit den unmittelbar vorausgehenden Zeiträumen gleichgestellt werden, so als seien in diesen Zeiten entsprechende Beitragsleistungen erbracht worden. Folglich ist meines Erachtens in einer Situation, wie sie von der Kommission beschrieben wird und in der die betroffene Person im Zeitraum unmittelbar vor der Unterbrechung ihrer Beitragsleistungen eine Vollzeitbeschäftigung ausgeübt hat, nur die allgemeine Regelung des Art.140 Abs. 1 und 4 LGSS anwendbar, nicht aber die hier fragliche Sonderregelung. Es lässt sich deshalb meiner Ansicht nach schwerlich behaupten, diese Sonderregelung könne sich als äußerst günstig erweisen, wenn sie gar nicht anwendbar ist.
55. Ich gelange damit zu dem Zwischenergebnis, dass die von Nr. 1 dritte Regel Buchst. b der Siebten Zusatzbestimmung der LGSS festgelegte Berechnungsmethode zu einer Benachteiligung derjenigen Arbeitnehmer führt, die im Zeitraum unmittelbar vor der Unterbrechung ihrer Beitragsleistungen zum System der sozialen Sicherheit eine Teilzeitbeschäftigung ausgeübt haben.
56. Nunmehr ist die Frage zu beantworten, ob diese Berechnungsmethode auch zu einer gegen Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 79/7 verstoßenden Diskriminierung von Frauen führt.
B – Zum diskriminierenden Charakter der in Rede stehenden Bestimmung
57. Es ist festzustellen, dass die in Rede stehende Bestimmung unterschiedslos auf männliche wie weibliche Arbeitnehmer zur Anwendung kommt und daher keine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts enthält.
58. Es scheint sich mir jedoch so zu verhalten, dass die Bestimmung eine gegen Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 79/7 verstoßende mittelbare Diskriminierung bewirkt, da sie angesichts der statistischen Daten zur Situation der Erwerbsbevölkerung in Spanien geeignet ist, wesentlich mehr Frauen als Männer zu benachteiligen(11).
59. Ich stelle vorab klar, dass durch diese Schlussfolgerung nicht der Ermessensspielraum beeinträchtigt wird, den der Gerichtshof allein dem nationalen Gericht einräumt. Nach ständiger Rechtsprechung ist es nämlich allein Sache des vorlegenden Gerichts, zu beurteilen, ob eine mittelbare Diskriminierung vorliegt, und zu prüfen, ob die statistischen Daten, auf die es sich zu stützen hat, für die Entscheidung der Rechtssache ausreichend und aussagekräftig sind(12). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs setzt dies voraus, dass sich diese Informationen auf eine ausreichende Zahl von Personen beziehen, dass sie generell gesehen aussagekräftig erscheinen und dass sie nicht rein zufällige oder konjunkturelle Erscheinungen widerspiegeln.
60. Das vorlegende Gericht stützt seine Beurteilung auf die vom Instituto Nacional de Estadistica (Nationales Institut für Statistik) erstellten statistischen Daten. Nach diesen Daten bestand die Kategorie der Teilzeitarbeitnehmer zum Zeitpunkt des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Eintritts des Versicherungsfalls zu mehr als 80 % aus Frauen. Auch wenn die Anzahl der männlichen Arbeitnehmer in dieser Kategorie im Jahr 2013 offensichtlich erheblich gestiegen war, ergibt sich aus diesen Statistiken, dass der Prozentsatz der weiblichen Arbeitnehmer in dieser Kategorie noch immer bei 73 % lag.
61. Aus diesen Daten geht hervor, dass ein erheblich höherer Prozentsatz von Arbeitnehmerinnen als männlicher Arbeitnehmer von der Anwendung der in Rede stehenden Bestimmung betroffen sein wird. Weiterhin ergibt sich aus ihnen eine über einen Zeitraum von drei Jahren hin anhaltende und beständige Erscheinung, die meines Erachtens nicht als zufällig oder konjunkturell im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs bezeichnet werden kann. Auch wenn nämlich die statistischen Daten für das Jahr 2013 zeigen, dass sich der Unterschied zwischen den männlichen und weiblichen Arbeitnehmern innerhalb der Kategorie der Teilzeitbeschäftigten verringert hat, ist doch dieser Unterschied zwischen den Anteilen von Frauen und Männern offensichtlich nach wie vor sehr groß. Im Übrigen erscheint es, wie sich auch aus den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung ergeben hat, als sehr wahrscheinlich, dass zum Zeitpunkt des Eintritts des hier fraglichen Versicherungsfalls, als sich Spanien nicht in einer wirtschaftlichen Krise befand, der Anteil von Männern, die in Teilzeit tätig waren, wesentlich geringer war.
62. Bei diesen Daten handelt es sich meines Erachtens um einen verlässlichen und aussagekräftigen Anhaltspunkt für die Schlussfolgerung – die jedoch nur von dem vorlegenden Gericht gezogen werden kann –, dass tatsächlich ein viel höherer Prozentsatz weiblicher als männlicher Arbeitnehmer durch die Anwendung des hier fraglichen Korrekturmechanismus benachteiligt werden wird.
63. Die spanische Regierung teilt diese Ansicht nicht und bestreitet unter Bezugnahme auf das vom INSS vorgelegte Zahlenmaterial das Vorliegen einer mittelbaren Diskriminierung(13).
64. Aus diesen Daten ergebe sich, dass die Anwendung des in Rede stehenden Korrekturmechanismus in Wirklichkeit eine geringfügig höhere Zahl von Männern als Frauen betreffe. So seien im Jahr 2010 5 657 Männer und 5 237 Frauen von der Anwendung des Mechanismus betroffen gewesen. Für 2011 hätten sich die Zahlen auf 5 566 Männer und 5 129 Frauen belaufen, für 2012 auf 5 568 Männer und 4 830 Frauen und schließlich für 2013 auf 5 935 Männer und 5 066 Frauen.
65. Meiner Ansicht nach sind diese Daten nicht geeignet, die Statistiken in Frage zu stellen, auf die sich das vorlegende Gericht und ebenso mein eigener Entscheidungsvorschlag stützen.
66. Nach ständiger Rechtsprechung genügt es nämlich nicht, allein auf die Zahl der von der Anwendung der fraglichen Bestimmung betroffenen männlichen und weiblichen Arbeitnehmer abzustellen(14). Diese Zahl hängt davon ab, wie viele Arbeitnehmer insgesamt in diesem Mitgliedstaat tätig sind, und gestattet keine Beurteilung der jeweiligen Anteile von Männern und Frauen in der Kategorie der Teilzeitbeschäftigten.
67. Folglich bin ich trotz der von der spanischen Regierung in ihren Erklärungen angeführten Daten nach wie vor der Meinung, dass die in Rede stehende Bestimmung geeignet ist, erheblich mehr Frauen als Männer zu benachteiligen, und sie daher eine gegen Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 79/7 verstoßende mittelbare Diskriminierung bewirkt.
68. Damit stellt sich die weitere Frage, ob die von den zuständigen nationalen Behörden vorgebrachten Gründe geeignet sind, eine solche Diskriminierung zu rechtfertigen.
C – Zum Vorliegen einer Rechtfertigung
69. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Mitgliedstaaten über einen weiten Ermessensspielraum bei der Wahl der Maßnahmen zur Erreichung ihrer Ziele im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik verfügen. Erlassen diese Mitgliedstaaten jedoch eine möglicherweise diskriminierende Regelung, so haben sie nachzuweisen, dass diese durch objektive Faktoren gerechtfertigt werden kann, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben(15).
70. Die Mitgliedstaaten müssen daher nachweisen, dass die in Rede stehende Regelung einem legitimen Ziel ihrer Sozialpolitik dient. Weiterhin haben sie darzulegen, dass die hierzu gewählten Mittel zur Erreichung dieses Ziels geeignet sind und in kohärenter und systematischer Weise angewandt werden(16).
71. Die spanische Regierung führt im vorliegenden Fall aus, die in Rede stehende Regelung solle im Einklang mit Art. 41 der spanischen Verfassung durch die Sicherstellung der Tragfähigkeit und des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit ein gerechtes, ausgeglichenes und solidarisches öffentliches Rentensystem gewährleisten.
72. Wie auch das INSS bereits vor dem vorlegenden Gericht geltend gemacht hat, verweist die spanische Regierung auf die Beitragsabhängigkeit des Systems und die erforderliche Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. So könne der von diesem System gewährte Schutz nie über die zuvor in seinem Rahmen entrichteten Beiträge hinausgehen; die betroffenen Personen erhielten eine Rente, die in einem angemessenen Verhältnis zu den im Rahmen des Systems geleisteten Beiträgen stehen müsse. Aus der Anwendung dieses Grundsatzes ergebe sich mithin ein gerechtfertigter Unterschied zwischen dem Betrag der Leistungen, der einem Vollzeitbeschäftigten zustehe, und dem Betrag der Leistungen, der einem Teilzeitbeschäftigten gewährt werde.
73. Die Einbeziehung von Zeiten, in denen die betroffene Person unmittelbar nach Beendigung einer Teilzeitbeschäftigung ihre Beitragsleistung unterbrochen habe, sei von den zuständigen Behörden ebenfalls in Übereinstimmung mit diesem Grundsatz durchzuführen. Da von der betroffenen Person ein Beitrag im Verhältnis zu einer Arbeitszeit geleistet worden sei, die einer Periode der Teilzeitbeschäftigung entsprochen habe, sei es zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit geboten, dass die zuständigen Behörden bei der Anwendung des Korrekturmechanismus diejenige Beitragsleistung berücksichtigten, die die betroffene Person gezahlt hätte, wenn die Beitragspflicht nicht unterbrochen worden wäre.
74. Ich bin aus denselben Gründen wie das vorlegende Gericht der Ansicht, dass diese Darlegungen die mittelbare Diskriminierung der Betroffenen nicht rechtfertigen können.
75. Aus dem Vorlagebeschluss ergibt sich nämlich, dass Frau Cachaldora Fernández vom 15. September 1971 bis 25. April 2010 Beiträge zum System der sozialen Sicherheit entrichtete. Ihr wurden insgesamt 5 523 Tage angerechnet, an denen sie vollzeitbeschäftigt war. Hiervon ausgenommen waren nur die Zeiträume vom 1. September 1998 bis 28. Februar 1999, dann vom 1. März 1999 bis 23. März 2001 und schließlich vom 24. März 2001 bis 23. Januar 2002. Wie das vorlegende Gericht ausführt, war Frau Cachaldora Fernández nur drei Jahre und zehn Monate lang in Teilzeit beschäftigt, was einem minimalen Anteil an ihrem Berufsleben von insgesamt etwa 39 Jahren entspricht.
76. Die in Rede stehende Bestimmung führt dazu, dass der Zeitraum, in dem Frau Cachaldora Fernández ihre Beitragszahlung unterbrochen hat, für die Berechnung ihrer Berufsunfähigkeitsrente anhand von auf ein Achtel herabgesetzten Mindestbeitragsgrundlagen einbezogen wird, obwohl sie während eines sehr großen Teils ihres Berufslebens eine Vollzeitbeschäftigung ausgeübt und als Vollzeitbeschäftigte Beiträge zum System der sozialen Sicherheit geleistet hat.
77. Auch wenn die spanische Regierung in ihren Erklärungen vorträgt, eine solche Methodik gestatte eine unmittelbare Verknüpfung des Rentenbetrags mit den von dem Arbeitnehmer erbrachten Beitragsleistungen, scheint es sich mir eher so zu verhalten, dass nach dieser Methodik eine Rente wegen dauerhafter Berufsunfähigkeit nach Maßgabe der geleisteten Beiträge zu einem „Zeitpunkt x“ im Berufsleben der betroffenen Person berechnet wird, der nicht notwendigerweise deren Beitragsleistungen repräsentiert.
78. Folglich führt eine solche Methodik meines Erachtens unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens zu einer Verringerung des der Betroffenen wegen dauerhafter Berufsunfähigkeit zustehenden Rentenanspruchs, die angesichts der von ihr während ihres gesamten Berufslebens geleisteten Beiträge unverhältnismäßig ist, und sie lässt sich daher nicht durch einen objektiven, mit der Beitragsabhängigkeit des Systems der sozialen Sicherheit und der gebotenen Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zusammenhängenden Grund rechtfertigen.
79. Nach alledem ist Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 79/7 meines Erachtens dahin auszulegen, dass er einer Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, soweit diese für Arbeitnehmer, die in der Zeit unmittelbar vor einer Unterbrechung ihrer Beitragszahlung an die Sozialversicherung eine Teilzeitbeschäftigung ausgeübt haben, zur Folge hat, dass die ihnen zustehende Rente wegen dauerhafter Berufsunfähigkeit in ihrer Höhe vermindert wird.
V – Ergebnis
80. Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, dem Tribunal Superior de Justicia de Galicia wie folgt zu antworten:
Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, soweit diese für Arbeitnehmer, die in der Zeit unmittelbar vor einer Unterbrechung ihrer Beitragszahlung an die Sozialversicherung eine Teilzeitbeschäftigung ausgeübt haben, zur Folge hat, dass die ihnen zustehende Rente wegen dauerhafter Berufsunfähigkeit in ihrer Höhe vermindert wird.