Language of document : ECLI:EU:C:2022:670

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

13. September 2022(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Europäisches System der Zentralbanken – Nationale Zentralbank – Richtlinie 2001/24/EG – Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten – Schadensersatz wegen der Entscheidung über Sanierungsmaßnahmen – Art. 123 AEUV und Art. 21.1 des Protokolls (Nr. 4) über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank – Verbot der monetären Finanzierung der Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets – Art. 130 AEUV und Art. 7 dieses Protokolls – Unabhängigkeit – Weitergabe vertraulicher Informationen“

In der Rechtssache C‑45/21

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Ustavno sodišče (Verfassungsgericht, Slowenien) mit Entscheidung vom 14. Januar 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Januar 2021, in dem Verfahren

Banka Slovenije,

Beteiligter:

Državni zbor Republike Slovenije,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten L. Bay Larsen (Berichterstatter), der Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, C. Lycourgos, E. Regan und S. Rodin sowie der Richter M. Ilešič, J.‑C. Bonichot, M. Safjan, A. Kumin und D. Gratsias, der Richterin M. L. Arastey Sahún, der Richter M. Gavalec und Z. Csehi und der Richterin O. Spineanu-Matei,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: M. Longar, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 18. Januar 2022,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Banka Slovenije, vertreten durch J. Žitko als Bevollmächtigten,

–        der slowenischen Regierung, vertreten durch J. Morela und N. Pintar Gosenca als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch S. Delaude, B. Rous Demiri und A. Steiblytė als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Zentralbank, vertreten durch A. Grosu, K. Kaiser und C. Kroppenstedt als Bevollmächtigte im Beistand von G. Pajek, odvetnik,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 31. März 2022

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 123 und 130 AEUV, der Art. 7 und 21 des Protokolls (Nr. 4) über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank (im Folgenden: Protokoll über das ESZB und die EZB), der Art. 44 bis 52 der Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (ABl. 2006, L 177, S. 1) sowie der Art. 53 bis 62 der Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG (ABl. 2013, L 176, S. 338).

2        Es ergeht im Rahmen eines Verfahrens zur Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit nationaler Rechtsvorschriften, in denen die Voraussetzungen für die Haftung der Banka Slovenije (Zentralbank Sloweniens) für Schäden festgelegt sind, die durch die Löschung bestimmter Finanzinstrumente und den Zugang zu bestimmten Informationen über diese Löschung, die sich im Besitz dieser Zentralbank befinden, verursacht wurden.

 Rechtlicher Rahmen

 Verordnung (EG) Nr. 3603/93

3        Der zweite Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 3603/93 des Rates vom 13. Dezember 1993 zur Festlegung der Begriffsbestimmungen für die Anwendung der in Artikel [123 AEUV] und Artikel [125 Absatz 1 AEUV] vorgesehenen Verbote (ABl. 1993, L 332, S. 1) lautet:

„Vor allem der in Artikel [123 AEUV] verwendete Ausdruck ‚Überziehungs- und andere Kreditfazilitäten‘ sollte insbesondere in Bezug auf die Behandlung der am 1. Januar 1994 bestehenden Forderungen präzisiert werden.“

4        Art. 1 Abs. 1 dieser Verordnung bestimmt:

„Im Sinne von Artikel [123 AEUV] gilt als

a)      ‚Überziehungsfazilität‘ jede Bereitstellung von Mitteln zugunsten des öffentlichen Sektors, deren Verbuchung einen Negativsaldo ergibt oder ergeben könnte;

b)      ‚andere Kreditfazilität‘

i)      jede am 1. Januar 1994 bestehende Forderung an den öffentlichen Sektor mit Ausnahme der vor diesem Zeitpunkt erworbenen Forderungen mit fester Laufzeit,

ii)      jede Finanzierung von Verbindlichkeiten des öffentlichen Sektors gegenüber Dritten, und,

iii)      unbeschadet der Bestimmung in Artikel [123 Absatz 2 AEUV], jede Transaktion mit dem öffentlichen Sektor, die zu einer Forderung an diesen führt oder führen könnte.“

 Richtlinie 2000/12/EG

5        Art. 1 Nr. 4 der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (ABl. 2000, L 126, S. 1) lautete:

„Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet:

4.      ‚zuständige Behörden‘: diejenigen einzelstaatlichen Behörden, die aufgrund von Rechts- und Verwaltungsvorschriften die Aufsichtsbefugnis über Kreditinstitute haben“.

 Richtlinie 2001/24/EG

6        Der sechste Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. April 2001 über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten (ABl. 2001, L 125, S. 15) lautet:

„Den Behörden oder Gerichten des Herkunftsmitgliedstaats muss die alleinige Befugnis zur Anordnung und Durchführung von Sanierungsmaßnahmen gemäß den geltenden Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten dieses Mitgliedstaats übertragen werden. Da die Harmonisierung der Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten der Mitgliedstaaten schwierig ist, empfiehlt sich die Einführung der gegenseitigen Anerkennung durch die Mitgliedstaaten im Falle von Maßnahmen, die ein einzelner Mitgliedstaat trifft, um die Lebensfähigkeit der von ihm zugelassenen Kreditinstitute wiederherzustellen.“

7        Art. 2 dieser Richtlinie in der für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Fassung bestimmte:

„Für die Zwecke dieser Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen:

–        ‚Zuständige Behörden‘ sind die zuständigen Behörden im Sinne von Artikel 1 Nummer 4 der Richtlinie [2000/12].

…“

8        Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/24 sieht vor:

„Allein die Behörden oder Gerichte des Herkunftsmitgliedstaats sind befugt, über die Durchführung einer oder mehrerer Sanierungsmaßnahmen in einem Kreditinstitut, einschließlich seiner Zweigstellen in anderen Mitgliedstaaten, zu entscheiden.“

9        Art. 33 dieser Richtlinie lautet:

„Alle Personen, die im Rahmen der in den Artikeln 4, 5, 8, 9, 11 und 19 vorgesehenen Unterrichtungs- oder Konsultationsverfahren zur Entgegennahme oder Erteilung von Informationen befugt sind, unterliegen dem Berufsgeheimnis entsprechend den Vorschriften und Bedingungen des Artikels 30 der Richtlinie [2000/12]; hiervon ausgenommen sind die Gerichte, auf die die geltenden nationalen Bestimmungen Anwendung finden.“

 Richtlinie 2006/48

10      Art. 4 Nr. 4 der Richtlinie 2006/48 lautete:

„Für die Zwecke dieser Richtlinie gelten die folgenden Begriffsbestimmungen:

4.      ‚zuständige Behörden‘: diejenigen nationalen Behörden, die aufgrund von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften die Beaufsichtigungsbefugnis über Kreditinstitute haben“.

11      Art. 44 Abs. 1 dieser Richtlinie sah vor:

„Die Mitgliedstaaten schreiben vor, dass alle Personen, die für die zuständigen Behörden tätig sind oder waren, sowie die von den zuständigen Behörden beauftragten Wirtschaftsprüfer und Sachverständigen dem Berufsgeheimnis unterliegen.

Vertrauliche Informationen, die sie in ihrer beruflichen Eigenschaft erhalten, dürfen an keine Person oder Behörde weitergegeben werden, es sei denn, in zusammengefasster oder allgemeiner Form, so dass die einzelnen Institute nicht zu erkennen sind; dies gilt nicht für Fälle, die unter das Strafrecht fallen.

In Fällen, in denen für ein Kreditinstitut durch Gerichtsbeschluss das Konkursverfahren eröffnet oder die Zwangsabwicklung eingeleitet worden ist, können jedoch vertrauliche Informationen, die sich nicht auf Dritte beziehen, welche an Versuchen zur Rettung des Kreditinstituts beteiligt sind, in zivilgerichtlichen Verfahren weitergegeben werden.“

12      Die Art. 45 bis 52 dieser Richtlinie enthielten eine Reihe von Vorschriften für die Verwendung, den Austausch, die Übermittlung und die Weitergabe von Informationen durch die zuständigen Behörden im Sinne von Art. 4 Nr. 4 dieser Richtlinie.

13      Art. 158 der Richtlinie 2006/48 lautete wie folgt:

„1.      Die Richtlinie [2000/12] in der Fassung der in Anhang [XIII] Teil A aufgeführten Richtlinien wird unbeschadet der Pflichten der Mitgliedstaaten hinsichtlich der im Anhang [XIII] Teil B genannten Umsetzungsfristen aufgehoben.

2.      Bezugnahmen auf die aufgehobenen Richtlinien gelten als Bezugnahmen auf die vorliegende Richtlinie und sind entsprechend der Übereinstimmungstabelle im Anhang XIV zu lesen.“

 Richtlinie 2013/36

14      Art. 3 Abs. 1 Nr. 36 der Richtlinie 2013/36 bestimmt:

„Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

36.      ‚zuständige Behörde‘ eine zuständige Behörde im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 Nummer 40 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 64[8]/2012 (ABl. 2013, L 176, S. 1)]“.

15      Art. 53 Abs. 1 dieser Richtlinie hat folgenden Wortlaut:

„Die Mitgliedstaaten schreiben vor, dass alle Personen, die für die zuständigen Behörden tätig sind oder waren, sowie die von den zuständigen Behörden beauftragten Wirtschaftsprüfer und Sachverständigen der beruflichen Geheimhaltungspflicht unterliegen.

Vertrauliche Informationen, die diese Personen, Wirtschaftsprüfer oder Sachverständigen in ihrer beruflichen Eigenschaft erhalten, dürfen nur in zusammengefasster oder aggregierter Form weitergegeben werden, so dass einzelne Kreditinstitute nicht identifiziert werden können; dies gilt nicht für Fälle, die unter das Strafrecht fallen.

Wurde jedoch gegen ein Kreditinstitut durch Gerichtsbeschluss das Insolvenzverfahren eröffnet oder seine Zwangsabwicklung eingeleitet, dürfen vertrauliche Informationen, die sich nicht auf Dritte beziehen, die an Versuchen zur Rettung des betreffenden Kreditinstituts beteiligt sind, in zivil- oder handelsrechtlichen Verfahren weitergegeben werden.“

16      Die Art. 54 bis 62 dieser Richtlinie enthalten eine Reihe von Vorschriften für die Verwendung, den Austausch, die Übermittlung und die Weitergabe von Informationen durch die zuständigen Behörden im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Nr. 36 dieser Richtlinie.

17      Art. 163 der Richtlinie 2013/36 sieht vor:

„Die Richtlinien [2006/48] und 2006/49/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten (ABl. 2006, L 177, S. 201)] werden mit Wirkung vom 1. Januar 2014 aufgehoben.

Verweisungen auf die aufgehobenen Richtlinien gelten als Verweisungen auf diese Richtlinie und auf die Verordnung [Nr. 575/2013] und sind nach Maßgabe der Entsprechungstabelle in Anhang II dieser Richtlinie und in Anhang IV der Verordnung [Nr. 575/2013] zu lesen.“

 Verordnung Nr. 575/2013

18      Art. 4 Abs. 1 Nr. 40 der Verordnung Nr. 575/2013 bestimmt:

„Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

40.      ‚zuständige Behörde‘ eine nach einzelstaatlichem Recht offiziell anerkannte öffentliche Behörde oder Einrichtung, die nach diesem Recht zur Beaufsichtigung von Instituten als Teil des in dem betreffenden Mitgliedstaat geltenden Aufsichtssystems befugt ist“.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

19      Mit Entscheidung vom 19. Oktober 2016 erklärte das Ustavno sodišče (Verfassungsgericht, Slowenien) Rechtsvorschriften für mit der slowenischen Verfassung vereinbar, die die Zentralbank Sloweniens ermächtigten, bestimmte Finanzinstrumente zu löschen, wenn ein Kreditinstitut vom Konkurs bedroht ist und das Finanzsystem als Ganzes gefährdet. Allerdings stellte dieses Gericht eine gegen die slowenische Verfassung verstoßende Lücke fest, da es in den in Rede stehenden Rechtsvorschriften keine besonderen Verfahrensregeln für Schadensersatzklagen gebe, die von ehemaligen Inhabern zum Erlöschen gebrachter Finanzinstrumente erhoben werden könnten.

20      Um diese Lücke zu schließen, erließ der Državni zbor Republike Slovenije (Staatsversammlung der Republik Slowenien) das Zakon o postopku sodnega in izvensodnega varstva nekdanjih imetnikov kvalificiranih obveznosti bank (Gesetz über das Verfahren des gerichtlichen und außergerichtlichen Rechtsschutzes ehemaliger Inhaber qualifizierter Bankverbindlichkeiten, im Folgenden: ZPSVIKOB), in dem Vorschriften niedergelegt sind, die den effektiven Rechtsschutz ehemaliger Inhaber von der Zentralbank Sloweniens zum Erlöschen gebrachter Finanzinstrumente sicherstellen sollen.

21      Die Zentralbank Sloweniens legte Verfassungsbeschwerde in Bezug auf mehrere Bestimmungen des ZPSVIKOB und eine Bestimmung des Zakon o bančništvu (Bankwesengesetz) ein und machte u. a. geltend, dass die in diesen Bestimmungen enthaltenen Vorschriften über die Haftung der Bank und den Zugang zu Informationen, die sich in ihrem Besitz befinden, nicht mit dem Unionsrecht vereinbar seien.

22      Hierzu führt das vorlegende Gericht aus, dass nach dem ZPSVIKOB die Zentralbank Sloweniens für Schäden, die durch das Löschen bestimmter Finanzinstrumente verursacht würden, im Rahmen von zwei verschiedenen und alternativen Regelungen haftbar gemacht werden könne.

23      Zum einen kann diese Haftung grundsätzlich dann ausgelöst werden, wenn feststeht, dass das Löschen eines Finanzinstruments nicht notwendig war, um den Konkurs der betreffenden Bank zu verhindern und die Stabilität des Finanzsystems zu gewährleisten, oder wenn der Grundsatz, dass kein Gläubiger schlechter gestellt werden darf als im Fall eines Konkurses, missachtet worden ist. Diese Haftung kann jedoch nur ausgelöst werden, wenn die Zentralbank Sloweniens nicht nachweist, dass sie selbst oder die Personen, die sie ermächtigt hat, in ihrem Namen tätig zu werden, mit der gebotenen Sorgfalt gehandelt hat bzw. haben, wobei zu berücksichtigen ist, dass ein solches Löschen unter den spezifischen Umständen einer Krise erfolgt, die eine rasche Beurteilung komplexer Probleme erfordern.

24      Zum anderen können natürliche Personen, die ehemals Inhaber eines zum Erlöschen gebrachten Finanzinstruments waren und deren jährliche Einkünfte unterhalb einer bestimmten Schwelle liegen, von der Zentralbank Sloweniens eine Entschädigung in Höhe von 80 % des beim Erwerb dieses Finanzinstruments gezahlten Preises bis zu einem Höchstbetrag von 20 000 Euro erhalten.

25      Das vorlegende Gericht weist außerdem darauf hin, dass zur Sicherstellung der Deckung der sich aus der Anwendung der Haftungsregelungen des ZPSVIKOB ergebenden Kosten dieses vorsehe, dass die von der Zentralbank Sloweniens seit dem 1. Januar 2019 erzielten Gewinne in spezielle, dieser Deckung gewidmete Rücklagen eingestellt werden müssten. Sollten sich diese Sonderrücklagen für diesen Zweck als unzureichend erweisen, müsste die Zentralbank Sloweniens bis zu 50 % ihrer allgemeinen Rücklage verwenden, und falls sich der Rückgriff auf diese ebenfalls als unzureichend erweisen sollte, um diese Deckung sicherzustellen, müsste sie für die erforderlichen Beträge bei den slowenischen Behörden Darlehen aufnehmen.

26      In Anbetracht dessen möchte das vorlegende Gericht wissen, ob diese Haftungsregelungen insofern, als die von der Zentralbank Sloweniens anstelle der slowenischen Behörden übernommene Haftung einer Form der Finanzierung dieser Behörden gleichgestellt werden könnte, mit Art. 123 AEUV und Art. 21 des Protokolls über das ESZB und die EZB sowie mit dem Grundsatz der Unabhängigkeit der Zentralbanken, der sich aus Art. 130 AEUV und Art. 7 des Protokolls über das ESZB und die EZB ergibt, vereinbar sind.

27      Außerdem weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass das ZPSVIKOB Vorschriften über die ipso iure erfolgende Weitergabe bestimmter, bei der Entscheidung über die Löschung von Finanzinstrumenten verwendeter vertraulicher Dokumente an sämtliche potenziellen Kläger und deren Rechtsvertreter sowie über die Veröffentlichung einer geringeren Anzahl solcher Dokumente vorsehe. Es hat allerdings Zweifel an der Vereinbarkeit dieser Vorschriften mit den Bestimmungen über die Vertraulichkeit bestimmter Informationen in den Richtlinien 2006/48 und 2013/36.

28      Unter diesen Umständen hat das Ustavno sodišče (Verfassungsgericht) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Sind Art. 123 AEUV und Art. 21 der Satzung des ESZB und der EZB dahin auszulegen, dass sie es einer nationalen Zentralbank, die Mitglied des ESZB ist, verbieten, gegenüber ehemaligen Inhabern zum Erlöschen gebrachter Finanzinstrumente, über deren Löschung sie bei der Ausübung der ihr gesetzlich übertragenen Befugnisse zur Ergreifung außerordentlicher Maßnahmen im öffentlichen Interesse zwecks Verhinderung der Gefährdung der Stabilität des Finanzsystems entschieden hat, aus Eigenmitteln für den Schaden zu haften, wenn sich in späteren Gerichtsverfahren herausstellt, dass bei der Löschung der Grundsatz, dass kein Inhaber eines Finanzinstruments aufgrund einer außerordentlichen Maßnahme schlechter gestellt werden darf, als wenn es diese außerordentliche Maßnahme nicht gäbe, nicht beachtet wurde, wobei die nationale Zentralbank zum einen für Schäden haftet, die aufgrund von Tatsachen und Umständen vorhersehbar waren, wie sie sich im Zeitpunkt der Entscheidung der Zentralbank darstellten und wie sie die Zentralbank vor Augen hatte oder vor Augen hätte haben müssen, und zum anderen für Schäden haftet, die Folge der Handlungen von Personen sind, die bei der Ausübung dieser Befugnisse der Zentralbank auf Grundlage deren Bevollmächtigung handelten, dabei jedoch, unter Berücksichtigung von Tatsachen und Umständen, über die sie verfügten bzw. über die sie unter Berücksichtigung der Bevollmächtigungen verfügen hätten müssen, nicht wie ein guter Sachverständiger gehandelt haben?

2.      Sind Art. 123 AEUV und Art. 21 der Satzung des ESZB und der EZB dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Zentralbank, die Mitglied des ESZB ist, verbieten, einem Teil ehemaliger Inhaber zum Erlöschen gebrachter Finanzinstrumente (nach dem Kriterium der Vermögensverhältnisse) aufgrund der Löschungen von Finanzinstrumenten, über die sie bei der Ausübung der ihr gesetzlich übertragenen Befugnis zur Ergreifung außerordentlicher Maßnahmen im öffentlichen Interesse zwecks Verhinderung der Gefährdung der Stabilität des Finanzsystems entschieden hat, besondere finanzielle Entschädigungen aus Eigenmitteln auszubezahlen, wobei es für den Entschädigungsanspruch ausreicht, dass das Finanzinstrument zum Erlöschen gebracht wurde, und es unerheblich ist, ob der Grundsatz verletzt wurde, dass kein Inhaber eines Finanzinstruments aufgrund einer außerordentlichen Maßnahme schlechter gestellt werden darf, als wenn es diese außerordentliche Maßnahme nicht gäbe?

3.      Sind Art. 130 AEUV und Art. 7 der Satzung des ESZB und der EZB dahin auszulegen, dass sie dem entgegenstehen, dass einer nationalen Zentralbank die Zahlung von Entschädigungen für Schäden, die als Folge der Ausübung ihrer gesetzlichen Befugnisse entstanden sind, in einer Höhe auferlegt wird, die ihre Fähigkeit zur effizienten Wahrnehmung ihrer Aufgaben beeinträchtigen könnte? Ist es in diesem Zusammenhang für die Schlussfolgerung, dass der Grundsatz der finanziellen Unabhängigkeit einer nationalen Zentralbank verletzt wurde, wesentlich, unter welchen gesetzlichen Voraussetzungen die Schadensersatzpflicht auferlegt wurde?

4.      Sind die Art. 53 bis 62 der Richtlinie 2013/36 bzw. die Art. 44 bis 52 der Richtlinie 2006/48, die die Vertraulichkeit der bei der Beaufsichtigung von Kreditinstituten erlangten oder entstandenen vertraulichen Informationen schützen, dahin auszulegen, dass diese beiden Richtlinien auch die Vertraulichkeit von Informationen schützen, die bei der Durchführung von Maßnahmen erlangt worden oder entstanden sind, die der Rettung von Banken zur Gewährleistung der Stabilität des Finanzsystems dienten, wenn die Gefahr für die Solvenz und Liquidität der Banken nicht mit ordentlichen Maßnahmen der Beaufsichtigung beseitigt werden konnte, diese Maßnahmen jedoch als Sanierungsmaßnahmen im Sinne der Richtlinie 2001/24 galten?

5.      Wenn die vierte Frage bejaht wird, sind die Art. 53 bis 62 der Richtlinie 2013/36 bzw. die Art. 44 bis 52 der Richtlinie 2006/48 betreffend den Schutz der bei der Beaufsichtigung erlangten oder entstandenen vertraulichen Informationen dahin auszulegen, dass für deren Schutz die spätere Richtlinie 2013/36 auch dann relevant ist, wenn es sich um vertrauliche Informationen handelt, die während des Geltungszeitraums der Richtlinie 2006/48 erlangt worden oder entstanden sind, wenn diese im Geltungszeitraum der Richtlinie 2013/36 weitergegeben worden sein sollen?

6.      Wenn die vierte Frage bejaht wird, ist Art. 53 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2013/36 (und Art. 44 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2006/48, abhängig von der Beantwortung der vorherigen Frage) dahin auszulegen, dass es sich bei Informationen, über die die nationale Zentralbank als Aufsichtsbehörde verfügt und die zu einem bestimmten Zeitpunkt nach deren Entstehen öffentlich wurden, bzw. bei Informationen, die zwar ein Geschäftsgeheimnis sein könnten, jedoch fünf Jahre alt oder älter sind und wegen Zeitablaufs grundsätzlich als historische Informationen gelten, die deswegen ihre Vertraulichkeit verloren haben, nicht mehr um vertrauliche Informationen handelt, die von der Geheimhaltungspflicht umfasst sind? Hängt im Fall von historischen Informationen, die fünf Jahre alt oder älter sind, der Erhalt des Status der Vertraulichkeit davon ab, ob die Vertraulichkeit aus anderen Gründen als der Geschäftsposition der beaufsichtigten Kreditinstitute oder anderer Unternehmen begründet sein könnte?

7.      Wenn die vierte Frage bejaht wird, ist Art. 53 Abs. 1 Unterabs. 3 der Richtlinie 2013/36 (und Art. 44 Abs. 1 Unterabs. 3 der Richtlinie 2006/48, abhängig von der Beantwortung der fünften Frage) dahin auszulegen, dass dieser eine automatische Weitergabe vertraulicher Unterlagen, die nicht Dritte betreffen, die versuchen würden, das Kreditinstitut zu retten, und rechtlich für die Entscheidung des Gerichts in einem zivilgerichtlichen Schadensersatzverfahren gegen ein für die Beaufsichtigung zuständiges Organ relevant sind, noch vor Beginn des streitigen Verfahrens an sämtliche potenziellen Kläger und deren Rechtsvertreter zulässt, ohne ein gesondertes konkretes Verfahren zur Entscheidung über die Berechtigung der Weitergabe jeder einzelnen Unterlage an jeden einzelnen Berechtigten und ohne Abwägung zwischen einander entgegengesetzten Interessen in jedem konkreten Fall, und zwar sogar dann, wenn es sich um Informationen im Zusammenhang mit Kreditinstituten handelt, die weder im Konkurs noch in Zwangsliquidation geendet, sondern eine staatliche Beihilfe in einem Verfahren genossen haben, in dem Finanzinstrumente von Aktionären und nachrangigen Gläubigern der Kreditinstitute zum Erlöschen gebracht wurden?

8.      Wenn die vierte Frage bejaht wird, ist Art. 53 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2013/36 (und Art. 44 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/48, abhängig von der Beantwortung der fünften Frage) dahin auszulegen, dass dieser eine für jedermann zugängliche öffentliche Bekanntgabe auf einer Webseite mit vertraulichen Unterlagen bzw. ihren Zusammenfassungen, die keine Dritten, die versuchen würden, das Kreditinstitut zu retten, betreffen und rechtlich für die Entscheidung des Gerichts in einem zivilgerichtlichen Schadensersatzverfahren gegen ein für die Beaufsichtigung zuständiges Organ relevant sind, zulässt, wenn es sich um Informationen im Zusammenhang mit Kreditinstituten handelt, die weder im Konkurs noch in Zwangsliquidation geendet, sondern eine staatliche Beihilfe in einem Verfahren genossen haben, in dem Finanzinstrumente von Aktionären und nachrangigen Gläubigern der Kreditinstitute zum Erlöschen gebracht wurden, gleichzeitig aber vorgeschrieben ist, dass bei der betreffenden öffentlichen Bekanntgabe auf der Webseite sämtliche vertraulichen Informationen unkenntlich gemacht werden sollten?

 Zum Verfahren vor dem Gerichtshof

 Zum Antrag auf Anwendung des beschleunigten Verfahrens

29      Das vorlegende Gericht hat beantragt, das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen einem beschleunigten Verfahren nach Art. 105 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs zu unterwerfen.

30      Zur Begründung seines Antrags weist es darauf hin, dass beim derzeitigen Stand der slowenischen Rechtsordnung nur die Anwendung des ZPSVIKOB den ehemaligen Inhabern zum Erlöschen gebrachter Finanzinstrumente ermöglichen könne, eine Entschädigung zu erhalten, und dass die von ihnen erhobenen Schadensersatzklagen bis zur Beantwortung des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens durch den Gerichtshof ausgesetzt worden seien. Dadurch sei die Integrität des Wertpapiermarkts gefährdet und werde einer großen Zahl von Personen seit mehr als sechs Jahren ein wirksamer Rechtsbehelf zur Verteidigung ihres Eigentumsrechts vorenthalten. Da sich die vorgelegten Fragen u. a. auf das Verbot der monetären Finanzierung und den Grundsatz der Unabhängigkeit der nationalen Zentralbanken bezögen, würde die Antwort des Gerichtshofs zudem eine Unsicherheit bei der Auslegung grundlegender Prinzipien des Unionsrechts und des slowenischen Verfassungsrechts beseitigen.

31      Nach Art. 105 Abs. 1 der Verfahrensordnung kann der Präsident des Gerichtshofs auf Antrag des vorlegenden Gerichts oder ausnahmsweise von Amts wegen, nach Anhörung des Berichterstatters und des Generalanwalts, entscheiden, eine Vorlage zur Vorabentscheidung einem beschleunigten Verfahren unter Abweichung von den Bestimmungen dieser Verfahrensordnung zu unterwerfen, wenn die Art der Rechtssache ihre rasche Erledigung erfordert.

32      Im vorliegenden Fall hat der Präsident des Gerichtshofs am 9. Februar 2021 nach Anhörung des Berichterstatters und des Generalanwalts entschieden, dem in Rn. 29 des vorliegenden Urteils genannten Antrag nicht stattzugeben.

33      Das beschleunigte Verfahren gemäß Art. 105 der Verfahrensordnung ist ein Verfahrensinstrument, mit dem auf eine außerordentliche Dringlichkeitssituation reagiert werden soll (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. März 2022, Commissioners for Her Majesty’s Revenue and Customs [Umfassender Krankenversicherungsschutz], C‑247/20, EU:C:2022:177, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34      Daher ist das – wenn auch legitime – Interesse der Rechtsuchenden daran, den Umfang der ihnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte möglichst schnell zu klären, nicht geeignet, das Vorliegen eines außergewöhnlichen Umstands im Sinne von Art. 105 Abs. 1 zu belegen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. April 2022, Phoenix Contact, C‑44/21, EU:C:2022:309, Rn. 16 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35      Darüber hinaus können die wirtschaftliche Sensibilität einer Rechtssache oder die betroffenen wirtschaftlichen Interessen – so bedeutend und legitim sie auch sein mögen – für sich genommen die Anwendung des in Art. 105 vorgesehenen beschleunigten Verfahrens nicht rechtfertigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. April 2022, Phoenix Contact, C‑44/21, EU:C:2022:309, Rn. 15 und die dort angeführte Rechtsprechung). Auch die beträchtliche Zahl von Personen oder Rechtsverhältnissen, die möglicherweise von der Vorlagefrage betroffen sind, kann als solche keinen außergewöhnlichen Umstand darstellen, der die Anwendung dieses Verfahrens rechtfertigen könnte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. April 2022, Caruter, C‑642/20, EU:C:2022:308, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36      Zwar kann es nach der Rechtsprechung, wenn eine Rechtssache große Ungewissheit hervorruft, die Grundfragen des nationalen Verfassungsrechts und des Unionsrechts berührt, in Anbetracht der besonderen Umstände einer solchen Rechtssache erforderlich sein, sie im Einklang mit Art. 105 Abs. 1 der Verfahrensordnung rasch zu erledigen, jedoch ist der Umstand, dass das Ausgangsverfahren für die Gewährleistung des gerichtlichen Schutzes des Eigentumsrechts ehemaliger Inhaber zum Erlöschen gebrachter Finanzinstrumente entscheidend ist, angesichts der sehr besonderen Umstände dieser Rechtssache nicht geeignet, die Anwendung dieses Verfahrens zu rechtfertigen (vgl. entsprechend Urteil vom 3. März 2022, Presidenza del Consiglio dei Ministri u. a. [Ärzte in Weiterbildung zum Facharzt], C‑590/20, EU:C:2022:150, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37      Ebenso kann die Einleitung eines beschleunigten Verfahrens zwar erforderlich sein, um eine Unsicherheit zu beseitigen, die das Funktionieren des ESZB beeinträchtigen kann (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 12. Juni 2018, EZB/Lettland, C‑238/18, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:488, Rn. 14), jedoch kann im vorliegenden Fall eine solche Unsicherheit nicht festgestellt werden, da die Vorlagefragen nur darauf abzielen, die Folgen von Rechtsakten zu bestimmen, die von der Zentralbank Sloweniens im Rahmen einer spezifischen nationalen Politik erlassen werden, und das Funktionieren des ESZB somit bis zur Beendigung des Ausgangsverfahrens nicht behindert wird.

 Zum Antrag auf Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens

38      Mit am 10. Mai 2022 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangenem Schriftsatz hat die Europäische Zentralbank (EZB) die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens beantragt.

39      Zur Stützung dieses Antrags bringt die EZB zum Ausdruck, dass sie mit den Schlussanträgen der Generalanwältin nicht einverstanden sei. Sie macht insbesondere geltend, dass diese Schlussanträge auf einer weiten Auslegung des Begriffs „Verbindlichkeiten des öffentlichen Sektors“ im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. b Ziff. ii der Verordnung Nr. 3603/93 beruhten, die erhebliche Auswirkungen auf die Architektur der Wirtschafts- und Währungspolitik habe, und dass die Parteien in der mündlichen Verhandlung keine Möglichkeit gehabt hätten, sich zu diesem Punkt zu äußern.

40      Insoweit ist zum einen darauf hinzuweisen, dass die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und die Verfahrensordnung des Gerichtshofs keine Möglichkeit für die Parteien vorsehen, eine Stellungnahme zu den Schlussanträgen des Generalanwalts einzureichen (Urteil vom 15. Juli 2021, Kommission/Polen [Disziplinarordnung für Richter], C‑791/19, EU:C:2021:596, Rn. 41).

41      Zum anderen stellt der Generalanwalt nach Art. 252 Abs. 2 AEUV öffentlich in völliger Unparteilichkeit und Unabhängigkeit begründete Schlussanträge zu den Rechtssachen, in denen nach der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union seine Mitwirkung erforderlich ist. Der Gerichtshof ist weder an diese Schlussanträge noch an ihre Begründung durch den Generalanwalt gebunden. Dass eine Partei nicht mit den Schlussanträgen des Generalanwalts einverstanden ist, kann folglich unabhängig von den darin untersuchten Fragen für sich genommen kein Grund sein, der die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens rechtfertigt (Urteil vom 15. Juli 2021, Kommission/Polen [Disziplinarordnung für Richter], C‑791/19, EU:C:2021:596, Rn. 42).

42      Ferner kann der Gerichtshof zwar gemäß Art. 83 seiner Verfahrensordnung jederzeit nach Anhörung des Generalanwalts die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens beschließen, insbesondere, wenn er sich für unzureichend unterrichtet hält.

43      Im vorliegenden Fall ist der Gerichtshof jedoch nach Anhörung der Generalanwältin der Auffassung, dass er – entgegen dem Vorbringen der EZB – nach dem schriftlichen Verfahren und der vor ihm abgehaltenen mündlichen Verhandlung über alle für die Entscheidung erforderlichen Informationen verfügt, da die Parteien u. a. ausführlich die Auslegung des Begriffs „Verbindlichkeiten des öffentlichen Sektors“ im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. b Ziff. ii der Verordnung Nr. 3603/93 erörtert haben. Aus diesen Gründen ist das mündliche Verfahren nicht wiederzueröffnen.

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten Frage

44      In Anbetracht der Klarstellungen des vorlegenden Gerichts zu den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften ist davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht mit seiner ersten Frage im Wesentlichen wissen möchte, ob Art. 123 Abs. 1 AEUV und Art. 21.1 des Protokolls über das ESZB und die EZB dahin auszulegen sind, dass sie nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehen, nach denen eine dem ESZB angehörende nationale Zentralbank aus Eigenmitteln für Schäden haftet, die ehemaligen Inhabern von Finanzinstrumenten entstanden sind, die sie aufgrund von Sanierungsmaßnahmen im Sinne der Richtlinie 2001/24, die von dieser Zentralbank angeordnet wurden, gelöscht hat, wenn sich in einem anschließenden Gerichtsverfahren herausstellt, dass:

–        zum einen diese Löschung nicht erforderlich war, um die Stabilität des Finanzsystems zu gewährleisten, oder die ehemaligen Inhaber von Finanzinstrumenten aufgrund dieser Löschung größere Verluste erlitten haben, als sie im Fall des Konkurses des betreffenden Finanzinstituts erlitten hätten, und

–        zum anderen diese Zentralbank nicht nachweist, dass sie selbst oder die Personen, die sie ermächtigt hat, in ihrem Namen tätig zu werden, mit der Sorgfalt gehandelt hat bzw. haben, die unter den spezifischen Umständen einer Krise – die eine rasche Beurteilung komplexer Probleme erfordern – geboten ist.

45      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich aus Art. 282 Abs. 1 AEUV sowie den Art. 1 und 14.3 des Protokolls über das ESZB und die EZB ergibt, dass die EZB und die nationalen Zentralbanken der Mitgliedstaaten das ESZB bilden, wobei die nationalen Zentralbanken integraler Bestandteil dieses Systems sind. Aus diesen Bestimmungen ergibt sich auch, dass die EZB und die nationalen Zentralbanken der Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, die das Eurosystem bilden, die Währungspolitik der Europäischen Union betreiben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Dezember 2020, Kommission/Slowenien [Archive der EZB], C‑316/19, EU:C:2020:1030, Rn. 79).

46      Ferner werden die dem ESZB übertragenen Aufgaben gemäß Art. 9.2 des Protokolls über das ESZB und die EZB entweder durch die EZB oder durch die nationalen Zentralbanken erfüllt.

47      Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Durchführung von Maßnahmen zur Sanierung von Kreditinstituten im Sinne der Richtlinie 2001/24 wie den Maßnahmen, auf die sich die in der ersten Frage genannte Haftungsregelung bezieht, keine Aufgabe darstellt, die nach dem Unionsrecht dem ESZB im Allgemeinen oder den nationalen Zentralbanken im Besonderen obliegt.

48      Eine solche Aufgabe gehört nämlich nicht zu den in Art. 127 Abs. 2 AEUV und in Art. 3.1 des Protokolls über das ESZB und die EZB aufgezählten grundlegenden Aufgaben des ESZB, d. h., die Geldpolitik der Union festzulegen und auszuführen, Devisengeschäfte im Einklang mit Art. 219 AEUV durchzuführen, die offiziellen Währungsreserven der Mitgliedstaaten zu halten und zu verwalten sowie das reibungslose Funktionieren der Zahlungssysteme zu fördern.

49      Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 2001/24 im Rahmen der Zuständigkeiten der Union im Bereich des Binnenmarkts, insbesondere zur Beseitigung von Behinderungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs in der Union, und nicht im Bereich der Wirtschafts- und Währungspolitik erlassen wurde.

50      Außerdem sehen Art. 127 Abs. 5 AEUV und Art. 3.3 des Protokolls über das ESZB und die EZB zwar vor, dass das ESZB zur reibungslosen Durchführung der auf dem Gebiet der Aufsicht über die Kreditinstitute und der Stabilität des Finanzsystems ergriffenen Maßnahmen beiträgt, doch geht aus diesen Bestimmungen klar hervor, dass diese Maßnahmen nicht vom ESZB selbst, sondern von den „zuständigen Behörden“ durchgeführt werden.

51      Insoweit ergibt sich aus Art. 2 und Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/24 in Verbindung mit Art. 1 Nr. 4 der Richtlinie 2000/12, die zu dem für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt anwendbar waren, dass die Mitgliedstaaten die für die Entscheidung über die Durchführung von Sanierungsmaßnahmen im Sinne der erstgenannten Richtlinie zuständige Behörde wählen konnten. Folglich war diese Behörde zu diesem Zeitpunkt nicht notwendigerweise die Zentralbank des betreffenden Mitgliedstaats.

52      Wie der Gerichtshof indessen entschieden hat, stellt das ESZB im Unionsrecht eine originäre Rechtsform dar, in der nationale Institutionen – die nationalen Zentralbanken – und ein Organ der Union – die EZB – vereint sind und eng zusammenarbeiten und in der ein anderer Zusammenhang und eine weniger ausgeprägte Unterscheidung zwischen der Rechtsordnung der Union und den nationalen Rechtsordnungen vorherrschen. In diesem von den Verfassern der Verträge für das ESZB gewollten weitgehend integrierten System haben die nationalen Zentralbanken und ihre Präsidenten einen gemischten Status, da sie gleichzeitig nationale Behörden und Behörden, die im Rahmen des ESZB tätig werden, darstellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Dezember 2020, Kommission/Slowenien [Archive der EZB], C‑316/19, EU:C:2020:1030, Rn. 83).

53      In diesem Zusammenhang können die nationalen Zentralbanken gemäß Art. 14.4 des Protokolls über das ESZB und die EZB andere als die in diesem Protokoll bezeichneten Aufgaben wahrnehmen, es sei denn, der EZB-Rat stellt fest, dass diese Aufgaben nicht mit den Zielen und Aufgaben des ESZB vereinbar sind.

54      Überträgt der Gesetzgeber eines Mitgliedstaats der Zentralbank dieses Mitgliedstaats eine solche Aufgabe, muss diese nach dieser Bestimmung in eigener Verantwortung und auf eigene Rechnung der Zentralbank wahrgenommen werden.

55      Was insbesondere die konkreten Modalitäten der Haftung einer nationalen Zentralbank betrifft, und zwar auch für den Fall, dass sie eine Aufgabe wahrnimmt, die ihr durch innerstaatliches Recht zugewiesen wurde, beschränkt sich das Protokoll über das ESZB und die EZB in Art. 35.3 auf die Feststellung, dass sich diese Haftung nach dem innerstaatlichen Recht richtet.

56      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass es Sache des betreffenden Mitgliedstaats ist, die Voraussetzungen festzulegen, unter denen die Haftung seiner nationalen Zentralbank aufgrund der Durchführung einer Sanierungsmaßnahme im Sinne der Richtlinie 2001/24 ausgelöst werden kann, wenn dieser Mitgliedstaat wie die Republik Slowenien beschlossen hat, diese Zentralbank als die für die Durchführung einer solchen Maßnahme zuständige Behörde zu bestimmen.

57      Gleichwohl haben die Mitgliedstaaten bei der Ausübung dieser Zuständigkeit die Verpflichtungen einzuhalten, die sich für sie aus dem Unionsrecht, insbesondere aus Titel VIII des Dritten Teils des AEU-Vertrags, in dem sein Art. 123 enthalten ist, sowie aus dem Protokoll über das ESZB und die EZB ergeben (vgl. entsprechend Urteil vom 15. Juli 2021, Kommission/Polen [Disziplinarordnung für Richter], C‑791/19, EU:C:2021:596, Rn. 56).

58      Art. 131 AEUV und Art. 14.1 dieses Protokolls verlangen im Übrigen ausdrücklich, dass jeder Mitgliedstaat sicherstellt, dass seine innerstaatlichen Rechtsvorschriften einschließlich der Satzung seiner nationalen Zentralbank mit den Verträgen und diesem Protokoll im Einklang stehen.

59      Zu den insoweit für die Mitgliedstaaten verbindlichen Bestimmungen gehören u. a. Art. 123 Abs. 1 AEUV und Art. 21.1 des Protokolls über das ESZB und die EZB, auf die sich die erste Frage bezieht.

60      Nach dem Wortlaut von Art. 123 Abs. 1 AEUV verbietet diese Bestimmung der EZB und den nationalen Zentralbanken der Mitgliedstaaten, öffentlich-rechtlichen Körperschaften und Einrichtungen der Union und der Mitgliedstaaten Überziehungs- oder andere Kreditfazilitäten zu gewähren oder unmittelbar von ihnen Schuldtitel zu erwerben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Dezember 2018, Weiss u. a., C‑493/17, EU:C:2018:1000, Rn. 102). Dieses Verbot wird in Art. 21.1 des Protokolls über das ESZB und die EZB bekräftigt.

61      Insoweit ist festzustellen, dass die Haftung einer nationalen Zentralbank aus Eigenmitteln für die Wahrnehmung einer ihr durch das nationale Recht übertragenen Aufgabe offensichtlich nicht als unmittelbarer Erwerb von Schuldtiteln einer öffentlichen Einrichtung angesehen werden kann.

62      Wie sich aus dem zweiten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 3603/93 ergibt, wird der in Art. 123 AEUV verwendete Ausdruck „Überziehungs- und andere Kreditfazilitäten“ durch diese Verordnung präzisiert.

63      So sieht Art. 1 Abs. 1 Buchst. a dieser Verordnung vor, dass sich der Ausdruck „Überziehungsfazilität“ im Sinne von Art. 123 AEUV auf jede Bereitstellung von Mitteln zugunsten des öffentlichen Sektors, deren Verbuchung einen Negativsaldo ergibt oder ergeben könnte, bezieht.

64      Da Rechtsvorschriften wie die, auf die sich die erste Frage bezieht, nicht voraussetzen, dass zulasten einer nationalen Zentralbank ein Negativsaldo auf einem Konto zugunsten des öffentlichen Sektors gebildet wird, können sie daher nicht dahin verstanden werden, dass den Behörden oder öffentlichen Einrichtungen eine Überziehungsfazilität im Sinne von Art. 123 Abs. 1 AEUV gewährt wird.

65      Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 3603/93 definiert den Ausdruck „andere Kreditfazilität“ im Sinne von Art. 123 AEUV dahin, dass er sich auf jede am 1. Januar 1994 bestehende Forderung an den öffentlichen Sektor, jede Finanzierung von Verbindlichkeiten des öffentlichen Sektors gegenüber Dritten, und, unbeschadet der Bestimmung in Art. 123 Abs. 2 AEUV, jede Transaktion mit dem öffentlichen Sektor, die zu einer Forderung an diesen führt oder führen könnte, bezieht.

66      Die erste und die dritte Kategorie, die in diesem Art. 1 Abs. 1 Buchst. b genannt werden, können zwar nicht die Haftung einer nationalen Zentralbank aus Eigenmitteln für die Wahrnehmung einer ihr durch das nationale Recht übertragenen Aufgabe abdecken, da diese Haftung weder eine am 1. Januar 1994 bestehende Forderung dieser Zentralbank an den öffentlichen Sektor noch eine Transaktion zwischen dieser Zentralbank und dem öffentlichen Sektor, die zu einer Forderung an diesen führt oder führen könnte, einschließt.

67      In Betracht kommt aber die Annahme, dass mit dieser Haftung im Ergebnis im Sinne des Art. 1 Abs. 1 Buchst. b Ziff. ii eine Verbindlichkeit des öffentlichen Sektors gegenüber Dritten finanziert wird, da sie die betreffende nationale Zentralbank dazu veranlasst, Verbindlichkeiten gegenüber Dritten zu übernehmen, die möglicherweise dem öffentlichen Sektor obliegen könnten.

68      Insoweit ist erstens von vornherein auszuschließen, dass eine solche Haftung unter allen Umständen als Finanzierung einer Verbindlichkeit des öffentlichen Sektors gegenüber Personen anzusehen ist, denen gegenüber diese Haftung ausgelöst wird.

69      Hätten die Verfasser der Verträge nämlich die Auffassung vertreten, dass die Haftung einer nationalen Zentralbank aufgrund der Wahrnehmung einer ihr durch das nationale Recht übertragenen Aufgabe jedenfalls mit Art. 123 Abs. 1 AEUV unvereinbar sei, hätten sie in Art. 14.4 und Art. 35.3 des Protokolls über das ESZB und die EZB nicht ausdrücklich vorgesehen, dass solche Aufgaben von den nationalen Zentralbanken in eigener Verantwortung und auf eigene Rechnung unter den im nationalen Recht festgelegten Bedingungen wahrgenommen werden.

70      Eine solche Auslegung von Art. 123 Abs. 1 AEUV liefe der Vielfalt der nationalen Praktiken in diesem Bereich zuwider, die die Verfasser der Verträge beim Erlass dieser Bestimmungen des Protokolls über das ESZB und die EZB bewahren wollten.

71      Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass dann, wenn die Haftung einer nationalen Zentralbank nicht allein deshalb ausgelöst wird, weil sie eine ihr vom nationalen Recht zugewiesene, nicht unter das ESZB fallende Aufgabe wahrgenommen hat, sondern weil sie die für sie in diesem Rahmen geltenden Vorschriften verletzt hat, die Entschädigung Dritter, die einen Schaden erlitten haben, die Folge von Handlungen dieser Zentralbank und nicht die Übernahme einer bereits bestehenden Verbindlichkeit gegenüber Dritten ist, die auf den anderen öffentlichen Stellen lastet.

72      Drittens ist Art. 1 Abs. 1 Buchst. b Ziff. ii der Verordnung Nr. 3603/93, der die Tragweite von Art. 123 Abs. 1 AEUV präzisieren soll, unter Berücksichtigung des Ziels der letztgenannten Bestimmung auszulegen, das darin besteht, die Mitgliedstaaten dazu anzuhalten, eine gesunde Haushaltspolitik zu befolgen, indem vermieden wird, dass eine monetäre Finanzierung öffentlicher Defizite oder Privilegien der öffentlichen Hand auf den Finanzmärkten zu einer übermäßigen Verschuldung oder überhöhten Defiziten der Mitgliedstaaten führen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Juni 2015, Gauweiler u. a., C‑62/14, EU:C:2015:400, Rn. 100, und vom 11. Dezember 2018, Weiss u. a., C‑493/17, EU:C:2018:1000, Rn. 107).

73      Bei der Anwendung einer Regelung, in der sich die Haftung einer nationalen Zentralbank aus deren Verletzung von Vorschriften über die Wahrnehmung einer ihr durch das nationale Recht zugewiesenen Aufgabe ergibt, kann die tatsächliche Finanzierung von Verbindlichkeiten gegenüber Dritten durch diese nationale Zentralbank normalerweise nicht als unmittelbare Folge von Maßnahmen, die von den anderen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats ergriffen wurden, angesehen werden. Grundsätzlich kann eine solche Finanzierung somit nicht dahin verstanden werden, dass sie es diesen öffentlichen Stellen ermöglicht, Mittelbindungen vorzunehmen und sich dabei dem sich aus Art. 123 Abs. 1 AEUV ergebenden Anreiz für die Einhaltung einer gesunden Haushaltspolitik zu entziehen.

74      Nach alledem kann bei einer Regelung, mit der die Haftung einer nationalen Zentralbank ausgelöst wird, wenn diese oder die Personen, die sie ermächtigt hat, in ihrem Namen tätig zu werden, der ihnen durch das nationale Recht auferlegten Sorgfaltspflicht bei der Wahrnehmung einer dieser Zentralbank nach diesem Recht übertragenen Aufgabe nicht nachgekommen ist bzw. sind, grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, dass sie mit einer Finanzierung von Verbindlichkeiten des öffentlichen Sektors gegenüber Dritten verbunden ist.

75      Angesichts des hohen Komplexitätsgrads und der Dringlichkeit, die die Durchführung von Sanierungsmaßnahmen im Sinne der Richtlinie 2001/24 kennzeichnen, kann eine solche Haftungsregelung jedoch nicht auf Schäden angewandt werden, die sich aus der Umsetzung dieser Maßnahmen durch eine nationale Zentralbank ergeben, ohne zu verlangen, dass die ihr vorgeworfene Verletzung der Sorgfaltspflicht schwerwiegend ist. Andernfalls würde dies in Wirklichkeit dazu führen, dass dieser Zentralbank der größte Teil der mit dieser Durchführung verbundenen finanziellen Risiken auferlegt würde, so dass die Zentralbank unter Verstoß gegen das Verbot der monetären Finanzierung gezwungen wäre, anstelle der anderen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats die tatsächliche Finanzierung von Verbindlichkeiten gegenüber Dritten zu übernehmen, die sich aus den wirtschaftspolitischen Entscheidungen dieser Behörden ergeben könnten.

76      Der Umstand, dass bei einer Haftungsregelung wie der in der ersten Frage genannten die Beweislast für die Beachtung der Sorgfaltspflicht bei der betreffenden nationalen Zentralbank und nicht bei den Klägern liegt, ist für die Zwecke von Art. 123 Abs. 1 AEUV und Art. 21.1 des Protokolls über das ESZB und die EZB nicht entscheidend, sofern diese Beweislastverteilung jedenfalls der nationalen Zentralbank die Möglichkeit einräumt, sich durch den Nachweis, dass sie nicht schwerwiegend gegen diese Pflicht verstoßen hat, von ihrer Haftung zu befreien.

77      Ferner ist klarzustellen, dass dem Vorbringen der EZB nicht gefolgt werden kann, wonach Art. 17 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) den Mitgliedstaaten eine Verpflichtung zur Entschädigung der ehemaligen Inhaber von Finanzinstrumenten auferlege, wenn diese Inhaber größere Verluste erlitten hätten, als sie im Fall des Konkurses des betreffenden Finanzinstituts erlitten hätten, so dass eine nationale Regelung, nach der die Haftung einer Zentralbank zum Teil auf solche Verluste zurückzuführen sein könne, zwangsläufig eine Finanzierung von Verbindlichkeiten des öffentlichen Sektors gegenüber Dritten durch diese Zentralbank einschließen würde.

78      Art. 17 Abs. 1 der Charta schreibt nämlich nicht die Einführung von Haftungsregelungen vor, die eine systematische Entschädigung ehemaliger Inhaber von Finanzinstrumenten, die solche Verluste erlitten haben, gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Mai 2022, BPC Lux 2 u. a., C‑83/20, EU:C:2022:346, Rn. 61 und 62).

79      Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 123 Abs. 1 AEUV und Art. 21.1 des Protokolls über das ESZB und die EZB dahin auszulegen sind, dass sie nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen, nach denen eine dem ESZB angehörende nationale Zentralbank aus Eigenmitteln für Schäden haftet, die ehemaligen Inhabern von Finanzinstrumenten entstanden sind, die sie aufgrund von Sanierungsmaßnahmen im Sinne der Richtlinie 2001/24, die von dieser Zentralbank angeordnet wurden, gelöscht hat, wenn sich in einem anschließenden Gerichtsverfahren herausstellt, dass diese Löschung nicht erforderlich war, um die Stabilität des Finanzsystems zu gewährleisten, oder dass die ehemaligen Inhaber von Finanzinstrumenten aufgrund dieser Löschung größere Verluste erlitten haben, als sie im Fall des Konkurses des betreffenden Finanzinstituts erlitten hätten, sofern diese Zentralbank nur haftet, wenn sie selbst oder die Personen, die sie ermächtigt hat, in ihrem Namen tätig zu werden, unter schwerwiegender Verletzung ihrer Sorgfaltspflicht gehandelt hat bzw. haben.

 Zur zweiten Frage

80      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 123 Abs. 1 AEUV und Art. 21.1 des Protokolls über das ESZB und die EZB dahin auszulegen sind, dass sie nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehen, die vorsehen, dass eine dem ESZB angehörende nationale Zentralbank aus Eigenmitteln innerhalb vorher festgelegter Grenzen für Schäden haftet, die ehemaligen Inhabern von Finanzinstrumenten entstanden sind, die sie aufgrund von Sanierungsmaßnahmen im Sinne der Richtlinie 2001/24, die von dieser Zentralbank angeordnet wurden, gelöscht hat, wobei es für die Haftung ausreicht, dass

–        zum einen diese ehemaligen Inhaber natürliche Personen sind, deren jährliche Einkünfte unterhalb einer in diesen Rechtsvorschriften festgelegten Schwelle liegen, und

–        zum anderen diese darauf verzichten, eine Entschädigung für diese Schäden auf einem anderen Rechtsweg zu erlangen.

81      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich aus den Erwägungen in den Rn. 47 bis 53 des vorliegenden Urteils ergibt, dass eine Haftungsregelung wie die in der ersten und der zweiten Frage dazu beiträgt, die Bedingungen zu definieren, unter denen eine andere als die dem ESZB obliegende Aufgabe wahrgenommen wird, die einer nationalen Zentralbank nach nationalem Recht gemäß Art. 14.4 des Protokolls über das ESZB und die EZB zugewiesen ist.

82      Allerdings unterscheidet sich die in der ersten Frage genannte Haftungsregelung von der in der zweiten Frage genannten insbesondere dadurch, dass die letztgenannte Regelung die Verpflichtung der betreffenden nationalen Zentralbank zur Entschädigung bestimmter ehemaliger Inhaber von ihr zum Erlöschen gebrachter Finanzinstrumente allein aufgrund dieser Löschung nach sich zieht, selbst wenn nachgewiesen ist, dass diese Zentralbank die für sie in dieser Hinsicht geltenden Vorschriften in vollem Umfang eingehalten und insbesondere mit der gebotenen Sorgfalt gehandelt hat.

83      Eine Haftungsregelung wie die in der zweiten Frage genannte gewährleistet somit zur Erreichung eines sozialpolitischen Ziels eine Entschädigung für die unvermeidbaren Folgen der Entscheidungen, die die nationale Zentralbank im Einklang mit den vom nationalen Gesetzgeber bei der Festlegung ihrer Aufgaben getroffenen Entscheidungen trifft.

84      Zwar steht es dem nationalen Gesetzgeber frei, unter Beachtung des Unionsrechts eine solche Entschädigung zu gewährleisten, um zu verhindern, dass die Auswirkungen der Politik, die mit dem Ziel verfolgt wird, die Stabilität des Finanzsystems zu gewährleisten, natürlichen Personen mit moderatem Einkommen eine übermäßige Belastung auferlegen, doch ist festzustellen, dass damit eine Zahlungspflicht eingeführt wird, die ihren Ursprung unmittelbar in den von diesem Gesetzgeber getroffenen politischen Entscheidungen hat, und nicht in der Art und Weise, in der die Zentralbank des betreffenden Mitgliedstaats ihre Aufgaben wahrnimmt, oder in den eigenen Entscheidungen, die diese in diesem Rahmen trifft.

85      Die Zahlung einer solchen Entschädigung durch die nationale Zentralbank aus Eigenmitteln ist daher so zu verstehen, dass die nationale Zentralbank dadurch im Ergebnis anstelle der anderen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats die Finanzierung von Verbindlichkeiten übernimmt, die dem öffentlichen Sektor nach den nationalen Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats obliegen.

86      Wie sich aus den Rn. 53 bis 68 des vorliegenden Urteils ergibt, stehen Art. 123 Abs. 1 AEUV und Art. 21.1 des Protokolls über das ESZB und die EZB der Einführung einer Regelung, wonach eine nationale Zentralbank aus Eigenmitteln aufgrund der Wahrnehmung einer ihr durch das nationale Recht übertragenen Aufgabe haftet, entgegen, wenn die Anwendung dieser Haftungsregelung mit der Finanzierung einer Verbindlichkeit des öffentlichen Sektors gegenüber Personen, denen gegenüber diese Haftung ausgelöst wird, verbunden ist.

87      Der Umstand, dass eine solche Haftungsregelung nur im Rahmen bestimmter Obergrenzen gilt, ist insoweit unerheblich, da aus diesen Bestimmungen in keiner Weise hervorgeht, dass das sich aus ihnen ergebende Verbot der monetären Finanzierung von der Höhe dieser Finanzierung abhängt.

88      Im Übrigen kann das Vorbringen der slowenischen Regierung nicht durchgreifen, wonach die Anwendung der in Rn. 86 des vorliegenden Urteils genannten Bestimmungen deshalb außer Betracht bleiben müsse, weil die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Haftungsregelungen auf der Grundlage einer bloßen Änderung der jährlichen Gewinnverteilung der Zentralbank Sloweniens – in Form einer Verringerung oder sogar Streichung des an die Republik Slowenien zu zahlenden Teils dieser Gewinne – finanziert würden und sich diese Aufteilung aus den Zuständigkeiten des nationalen Gesetzgebers ergebe.

89      Aus dem Vorabentscheidungsersuchen geht nämlich klar hervor, dass es Haftungsregelungen betrifft, deren Finanzierung nicht nur durch eine solche Gewinnverteilung, sondern, soweit erforderlich, auch durch eine Entnahme aus den allgemeinen Rücklagen der Zentralbank Sloweniens oder sogar durch Aufnahme eines Darlehens durch diese Bank bei der Republik Slowenien und somit durch die Eigenmittel dieser Zentralbank sichergestellt wird.

90      Folglich ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 123 Abs. 1 AEUV und Art. 21.1 des Protokolls über das ESZB und die EZB dahin auszulegen sind, dass sie nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehen, die vorsehen, dass eine dem ESZB angehörende nationale Zentralbank aus Eigenmitteln innerhalb vorher festgelegter Grenzen für Schäden haftet, die ehemaligen Inhabern von Finanzinstrumenten entstanden sind, die sie aufgrund von Sanierungsmaßnahmen im Sinne der Richtlinie 2001/24, die von dieser Zentralbank angeordnet wurden, gelöscht hat, wobei es für diese Haftung ausreicht, dass

–        zum einen diese ehemaligen Inhaber natürliche Personen sind, deren jährliche Einkünfte unterhalb einer in diesen Rechtsvorschriften festgelegten Schwelle liegen, und

–        zum anderen diese darauf verzichten, eine Entschädigung für diese Schäden auf einem anderen Rechtsweg zu erlangen.

 Zur dritten Frage

91      Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 130 AEUV und Art. 7 des Protokolls über das ESZB und die EZB dahin auszulegen sind, dass sie nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehen, die vorsehen, dass eine dem ESZB angehörende nationale Zentralbank für Schäden, die durch die Löschung von Finanzinstrumenten aufgrund von Sanierungsmaßnahmen im Sinne der Richtlinie 2001/24, die von dieser Zentralbank angeordnet wurden, in Höhe eines Betrags haftet, der ihre Fähigkeit zur effizienten Wahrnehmung ihrer Aufgaben beeinträchtigen könnte und der, nach Priorität geordnet, finanziert wird durch:

–        Verwendung aller von dieser Zentralbank ab einem bestimmten Zeitpunkt erzielten Gewinne für Sonderrücklagen,

–        Entnahme aus den allgemeinen Rücklagen derselben Zentralbank, die 50 % dieser Reserven nicht übersteigen darf, und

–        Aufnahme eines verzinsten Darlehens bei dem betreffenden Mitgliedstaat.

92      Zunächst ergibt sich aus der Antwort auf die ersten beiden Fragen, dass die Auslegung von Art. 130 AEUV und Art. 7 des Protokolls über das ESZB und die EZB, die Gegenstand der dritten Frage ist, für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens nur im Hinblick auf die in der ersten Frage genannte Haftungsregelung sachdienlich ist, sofern diese Regelung es der Zentralbank Sloweniens ermöglicht, sich von ihrer Haftung zu befreien, indem sie nachweist, dass sie die ihr im Rahmen des Erlasses von Sanierungsmaßnahmen im Sinne der Richtlinie 2001/24 obliegende Sorgfaltspflicht nicht in schwerwiegender Weise verletzt hat.

93      Nach dieser Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass die Verfasser des EG-Vertrags und später des AEU-Vertrags gewährleisten wollten, dass die EZB und das ESZB in der Lage sind, die ihnen übertragenen Aufgaben unabhängig zu erfüllen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Februar 2019, Rimšēvičs und EZB/Lettland, C‑202/18 und C‑238/18, EU:C:2019:139, Rn. 46 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

94      Dieser Wille kommt hauptsächlich in Art. 130 AEUV zum Ausdruck, der in Art. 7 des Protokolls des ESZB und der EZB im Wesentlichen übernommen worden ist und zum einen der EZB, den nationalen Zentralbanken und den Mitgliedern ihrer Beschlussorgane ausdrücklich untersagt, Weisungen von Organen, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union, Regierungen der Mitgliedstaaten oder anderen Stellen einzuholen oder entgegenzunehmen, und zum anderen diesen Organen, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union sowie den Regierungen der Mitgliedstaaten, zu versuchen, die Mitglieder der Beschlussorgane der EZB oder der nationalen Zentralbanken bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu beeinflussen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Februar 2019, Rimšēvičs und EZB/Lettland, C‑202/18 und C‑238/18, EU:C:2019:139, Rn. 47 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

95      Im Hinblick auf den in Rn. 52 des vorliegenden Urteils angeführten hybriden Status der nationalen Zentralbanken gilt zwar der Grundsatz der Unabhängigkeit dieser Zentralbanken nicht zwangsläufig in gleicher Weise, wenn sie eine dem ESZB zugewiesene Aufgabe wahrnehmen und wenn sie eine nicht dem ESZB zugewiesene Aufgabe wahrnehmen, die ihnen vom nationalen Recht nach Art. 14.4 des Protokolls über das ESZB und die EZB übertragen worden ist, wie sie Gegenstand der dritten Frage ist.

96      Da dieser Art. 14.4, wie in Rn. 69 des vorliegenden Urteils ausgeführt, vorsieht, dass die nationalen Zentralbanken eine solche Aufgabe in eigener Verantwortung und auf eigene Rechnung wahrnehmen, kann die Einführung einer Regelung, die die Haftung dieser Zentralbanken für bei der Ausübung dieser Aufgabe verursachte Schäden ermöglicht, als solche nicht als unvereinbar mit ihrer Unabhängigkeit angesehen werden.

97      Die zu diesem Zweck erlassenen nationalen Vorschriften dürfen jedoch die betreffende nationale Zentralbank nicht in eine Lage bringen, die ihre Fähigkeit, eine dem ESZB zugewiesene Aufgabe unabhängig wahrzunehmen, in irgendeiner Weise beeinträchtigt; andernfalls verstoßen sie gegen Art. 130 AEUV und Art. 7 des Protokolls über das ESZB und die EZB.

98      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Verfasser der Verträge, um die Unabhängigkeit der EZB zu gewährleisten, in Art. 282 Abs. 3 Satz 3 AEUV u. a. vorgesehen haben, dass die EZB in der Verwaltung ihrer Mittel unabhängig ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Juli 2003, Kommission/EZB, C‑11/00, EU:C:2003:395, Rn. 130 und 132).

99      Es trifft zwar zu, dass weder der AEU-Vertrag noch das Protokoll über das ESZB und die EZB eine entsprechende Vorschrift in Bezug auf die nationalen Zentralbanken enthalten, doch obliegen die grundlegenden Aufgaben des ESZB, zu denen gemäß Art. 127 Abs. 2 AEUV und Art. 3.1 dieses Protokolls die Festlegung und Ausführung der Geldpolitik der Union gehören, über das ESZB nicht nur der EZB, sondern auch den nationalen Zentralbanken (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Dezember 2020, Kommission/Slowenien [Archive der EZB], C‑316/19, EU:C:2020:1030, Rn. 80).

100    Um an der Ausführung der Geldpolitik der Union mitzuwirken, erscheint die Bildung von Reserven durch die nationalen Zentralbanken jedoch unerlässlich, insbesondere um etwaige Verluste aus geldpolitischen Geschäften ausgleichen und die in Art. 18 des Protokolls über das ESZB und die EZB vorgesehenen Offenmarktgeschäfte finanzieren zu können.

101    In diesem Zusammenhang ist die Entnahme eines Betrags aus den allgemeinen Rücklagen einer nationalen Zentralbank, der ihre Fähigkeit zur effizienten Wahrnehmung ihrer Aufgaben im Rahmen des ESZB beeinträchtigen könnte, in Verbindung damit, dass es ihr aufgrund einer systematischen Verwendung ihrer gesamten Gewinne zur Erstattung des von ihr verursachten Schadens nicht möglich ist, diese Rücklagen selbständig wieder aufzufüllen, geeignet, diese Zentralbank in eine Situation der Abhängigkeit von den politischen Stellen ihres Mitgliedstaats zu bringen.

102    In einem solchen Fall wird die Zentralbank nämlich, um über die Mittel zu verfügen, die für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben im Rahmen des ESZB erforderlich sind, gezwungen sein, die Zustimmung dieser politischen Stellen einzuholen, um eine Finanzierung oder Rekapitalisierung zu erhalten.

103    Wird einer nationalen Zentralbank unter diesen Umständen eine rechtliche Verpflichtung auferlegt, bei anderen öffentlichen Stellen ihres Mitgliedstaats ein Darlehen aufzunehmen, wenn mit Rücklagen verbundene Finanzierungsquellen erschöpft sind, wird sie zudem in eine Lage gebracht, in der sie, um ihre Aufgaben im Rahmen des ESZB wahrnehmen zu können, mit diesen öffentlichen Stellen den Betrag eines solchen Darlehens sowie die Bedingungen, denen dieses unterliegt, aushandeln muss.

104    Mit Rechtsvorschriften wie denen in der dritten Frage wird die betreffende nationale Zentralbank somit in eine Lage gebracht, in der sie potenziell politischem Druck ausgesetzt ist, während Art. 130 AEUV und Art. 7 des Protokolls über das ESZB und die EZB im Gegenteil darauf abzielen, das ESZB vor jedem politischen Druck zu schützen, damit es die für seine Aufgaben gesetzten Ziele durch die unabhängige Ausübung der spezifischen Befugnisse, über die es zu diesen Zwecken nach dem Primärrecht verfügt, wirksam verfolgen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Februar 2019, Rimšēvičs und EZB/Lettland, C‑202/18 und C‑238/18, EU:C:2019:139, Rn. 47 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

105    Anders verhielte es sich jedoch, wenn der Mitgliedstaat, der eine Regelung über die Haftung seiner nationalen Zentralbank wie die in der ersten Frage genannte eingeführt hat, im Voraus sichergestellt hätte, dass diese Zentralbank über die erforderlichen Mittel verfügen wird, um in der Lage zu sein, die sich aus dieser Regelung ergebenden Entschädigungen zu zahlen, während sie gleichzeitig ihre Fähigkeit behält, ihre Aufgaben im Rahmen des ESZB wirksam und in voller Unabhängigkeit wahrzunehmen. Im vorliegenden Fall geht jedoch aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten nicht hervor, dass dies der Fall wäre.

106    Nach alledem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 130 AEUV und Art. 7 des Protokolls über das ESZB und die EZB dahin auszulegen sind, dass sie nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehen, die vorsehen, dass eine dem ESZB angehörende nationale Zentralbank für Schäden, die durch die Löschung von Finanzinstrumenten aufgrund von Sanierungsmaßnahmen im Sinne der Richtlinie 2001/24, die von dieser Zentralbank angeordnet wurden, in Höhe eines Betrags haftet, der ihre Fähigkeit zur effizienten Wahrnehmung ihrer Aufgaben beeinträchtigen könnte und der, nach Priorität geordnet, finanziert wird durch:

–        Verwendung aller von dieser Zentralbank ab einem bestimmten Zeitpunkt erzielten Gewinne für Sonderrücklagen,

–        Entnahme aus den allgemeinen Rücklagen derselben Zentralbank, die 50 % dieser Reserven nicht übersteigen darf, und

–        Aufnahme eines verzinsten Darlehens bei dem betreffenden Mitgliedstaat.

 Zur vierten Frage

107    Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Art. 44 bis 52 der Richtlinie 2006/48 bzw. die Art. 53 bis 62 der Richtlinie 2013/36 dahin auszulegen sind, dass die darin enthaltenen Vorschriften auf Informationen anwendbar sind, die bei der Durchführung von Sanierungsmaßnahmen im Sinne der Richtlinie 2001/24 erlangt worden oder entstanden sind.

108    Art. 44 der Richtlinie 2006/48 sah Pflichten in Bezug auf das Berufsgeheimnis und die Vertraulichkeit vor, die für alle Personen galten, die für die zuständigen Behörden im Sinne dieser Richtlinie tätig sind oder waren, sowie die von diesen zuständigen Behörden beauftragten Wirtschaftsprüfer und Sachverständigen.

109    Die Art. 45 bis 52 dieser Richtlinie definierten eine Reihe von Vorschriften für die Verwendung, den Austausch, die Übermittlung und die Weitergabe von Informationen durch diese zuständigen Behörden.

110    Art. 4 Nr. 4 dieser Richtlinie stellte klar, dass für die Zwecke dieser Richtlinie als „zuständige Behörden“ diejenigen nationalen Behörden gelten, die aufgrund von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften die Beaufsichtigungsbefugnis über Kreditinstitute haben.

111    Die in Art. 44 der Richtlinie 2006/48 genannten Verpflichtungen wurden im Wesentlichen in Art. 53 der Richtlinie 2013/36 übernommen, die, wie aus ihrem Art. 163 hervorgeht, die Richtlinie 2006/48 mit Wirkung vom 1. Januar 2014 aufhob.

112    Die Art. 54 bis 62 der Richtlinie 2013/36 enthalten Vorschriften für die Verwendung, den Austausch, die Übermittlung und die Weitergabe von Informationen durch die zuständigen Behörden im Sinne dieser Richtlinie.

113    Art. 3 Abs. 1 Nr. 36 dieser Richtlinie definiert den Begriff „zuständige Behörde“ unter Verweis auf die Bedeutung dieses Begriffs in Art. 4 Abs. 1 Nr. 40 der Verordnung Nr. 575/2013, der auf eine Behörde verweist, die nach einzelstaatlichem Recht zur Beaufsichtigung von Kreditinstituten als Teil des in dem betreffenden Mitgliedstaat geltenden Aufsichtssystems befugt ist.

114    Aus der Gesamtheit dieser Bestimmungen ergibt sich, dass die Verpflichtungen in den Art. 44 bis 52 der Richtlinie 2006/48 und in den Art. 53 bis 62 der Richtlinie 2013/36 für die Behörden gelten, die nach nationalem Recht mit der Aufgabe der Aufsicht über die Kreditinstitute betraut sind.

115    Wenn einer nationalen Behörde durch die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht nur diese Aufgabe, sondern auch andere Aufgaben übertragen werden, die nicht unter die Richtlinien 2006/48 oder 2013/36 fallen, dürfen die in diesen Richtlinien vorgesehenen Pflichten in Bezug auf das Berufsgeheimnis und die Vertraulichkeit nicht für Informationen auferlegt werden, die in Wahrnehmung dieser anderen Aufgaben erlangt worden oder entstanden sind; andernfalls wird der Geltungsbereich der mit diesen Richtlinien vorgenommenen Harmonisierung überschritten.

116    Daraus folgt erstens, dass die in den Art. 44 bis 52 der Richtlinie 2006/48 und in den Art. 53 bis 62 der Richtlinie 2013/36 aufgestellten Vorschriften nach dem Unionsrecht nur auf Informationen anwendbar sind, die in Wahrnehmung der Aufgabe der Aufsicht über die Kreditinstitute erlangt worden oder entstanden sind.

117    Die vierte Frage bezieht sich jedoch nicht auf solche Informationen, sondern ausschließlich auf Informationen, die bei der Durchführung von Sanierungsmaßnahmen im Sinne der Richtlinie 2001/24 erlangt worden oder entstanden sind. Die Durchführung solcher Maßnahmen fällt nicht unter die in den Richtlinien 2006/48 und 2013/36 geregelte Aufsicht.

118    Zweitens sieht Art. 33 der Richtlinie 2001/24 jedoch auch eine Pflicht zur Wahrung des Berufsgeheimnisses vor, indem er auf die in Art. 30 der Richtlinie 2000/12 vorgesehenen Vorschriften und Bedingungen verweist.

119    Dieser Verweis ist nach Art. 158 Abs. 2 der Richtlinie 2006/48 in Verbindung mit der Entsprechungstabelle in Anhang XIV dieser Richtlinie und Art. 163 der Richtlinie 2013/36 in Verbindung mit der Entsprechungstabelle in Anhang II dieser Richtlinie so zu verstehen, dass er sich, je nach Zeitpunkt, auf die Art. 44 bis 52 der Richtlinie 2006/48 und sodann auf die Art. 53 bis 61 der Richtlinie 2013/36 bezieht.

120    Aus dem Wortlaut von Art. 33 der Richtlinie 2001/24 ergibt sich jedoch, dass die Einhaltung der Pflichten in Bezug auf das Berufsgeheimnis und die Vertraulichkeit nur Personen auferlegt wird, die im Rahmen der in den Art. 4, 5, 8, 9, 11 und 19 dieser Richtlinie vorgesehenen Unterrichtungs- oder Konsultationsverfahren zur Entgegennahme oder Erteilung von Informationen befugt sind.

121    Überdies hat diese Richtlinie, wie aus ihrem sechsten Erwägungsgrund hervorgeht, zum Ziel, ein System der gegenseitigen Anerkennung der Sanierungsmaßnahmen einzuführen, ohne eine Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften auf diesem Gebiet anzustreben (Urteile vom 24. Oktober 2013, LBI, C‑85/12, EU:C:2013:697, Rn. 39, und vom 19. Juli 2016, Kotnik u. a., C‑526/14, EU:C:2016:570, Rn. 104).

122    Unter diesen Umständen ist Art. 33 der Richtlinie nicht dahin auszulegen, dass er eine allgemeine Harmonisierung der im Bereich der Bankensanierung geltenden Vorschriften über das Berufsgeheimnis und die Vertraulichkeit vornimmt, indem er sie den Vorschriften unterwirft, die im Bereich der Aufsicht über Kreditinstitute gelten, sondern dahin, dass er die Anwendung solcher Vorschriften nur im Rahmen der Unterrichtungs- oder Konsultationsverfahren zwischen den zuständigen Behörden vorsieht, die die gegenseitige Anerkennung der Sanierungsmaßnahmen sicherstellen sollen.

123    Folglich kann dieser Art. 33 nicht zur Anwendung der Vorschriften in den Art. 44 bis 52 der Richtlinie 2006/48 und in den Art. 53 bis 61 der Richtlinie 2013/36 in Bezug auf Informationen führen, die bei der Durchführung von Sanierungsmaßnahmen im Sinne der Richtlinie 2001/24 erlangt worden oder entstanden sind und nicht Gegenstand von Unterrichtungs- oder Konsultationsverfahren gemäß der Richtlinie 2001/24 gewesen sind.

124    Daher ist auf die vierte Frage zu antworten, dass Art. 33 der Richtlinie 2001/24, die Art. 44 bis 52 der Richtlinie 2006/48 sowie die Art. 53 bis 62 der Richtlinie 2013/36 dahin auszulegen sind, dass die in diesen Artikeln enthaltenen Vorschriften nicht auf Informationen anwendbar sind, die bei der Durchführung von Sanierungsmaßnahmen im Sinne der Richtlinie 2001/24 erlangt worden oder entstanden sind und nicht Gegenstand von in den Art. 4, 5, 8, 9, 11 und 19 der Richtlinie 2001/24 vorgesehenen Unterrichtungs- oder Konsultationsverfahren gewesen sind.

 Zur fünften bis achten Frage

125    In Anbetracht der Antwort auf die vierte Frage sind die Fragen 5 bis 8 nicht zu beantworten, da sie vom vorlegenden Gericht für den Fall gestellt worden sind, dass die vierte Frage bejaht wird.

 Kosten

126    Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

1.      Art. 123 Abs. 1 AEUV und Art. 21.1 des Protokolls (Nr. 4) über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank sind dahin auszulegen, dass sie nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen, nach denen eine dem Europäischen System der Zentralbanken angehörende nationale Zentralbank aus Eigenmitteln für Schäden haftet, die ehemaligen Inhabern von Finanzinstrumenten entstanden sind, die sie aufgrund von Sanierungsmaßnahmen im Sinne der Richtlinie 2001/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. April 2001 über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten, die von dieser Zentralbank angeordnet wurden, gelöscht hat, wenn sich in einem anschließenden Gerichtsverfahren herausstellt, dass diese Löschung nicht erforderlich war, um die Stabilität des Finanzsystems zu gewährleisten, oder dass die ehemaligen Inhaber von Finanzinstrumenten aufgrund dieser Löschung größere Verluste erlitten haben, als sie im Fall des Konkurses des betreffenden Finanzinstituts erlitten hätten, sofern diese Zentralbank nur haftet, wenn sie selbst oder die Personen, die sie ermächtigt hat, in ihrem Namen tätig zu werden, unter schwerwiegender Verletzung ihrer Sorgfaltspflicht gehandelt hat bzw. haben.

2.      Art. 123 Abs. 1 AEUV und Art. 21.1 des Protokolls (Nr. 4) über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank sind dahin auszulegen, dass sie nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehen, die vorsehen, dass eine dem Europäischen System der Zentralbanken angehörende nationale Zentralbank aus Eigenmitteln innerhalb vorher festgelegter Grenzen für Schäden haftet, die ehemaligen Inhabern von Finanzinstrumenten entstanden sind, die sie aufgrund von Sanierungsmaßnahmen im Sinne der Richtlinie 2001/24, die von dieser Zentralbank angeordnet wurden, gelöscht hat, wobei es für diese Haftung ausreicht, dass

–        zum einen diese ehemaligen Inhaber natürliche Personen sind, deren jährliche Einkünfte unterhalb einer in diesen Rechtsvorschriften festgelegten Schwelle liegen, und

–        zum anderen diese darauf verzichten, eine Entschädigung für diese Schäden auf einem anderen Rechtsweg zu erlangen.

3.      Art. 130 AEUV und Art. 7 des Protokolls (Nr. 4) über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank sind dahin auszulegen, dass sie nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehen, die vorsehen, dass eine dem Europäischen System der Zentralbanken angehörende nationale Zentralbank für Schäden, die durch die Löschung von Finanzinstrumenten aufgrund von Sanierungsmaßnahmen im Sinne der Richtlinie 2001/24, die von dieser Zentralbank angeordnet wurden, in Höhe eines Betrags haftet, der ihre Fähigkeit zur effizienten Wahrnehmung ihrer Aufgaben beeinträchtigen könnte und der, nach Priorität geordnet, finanziert wird durch:

–        Verwendung aller von dieser Zentralbank ab einem bestimmten Zeitpunkt erzielten Gewinne für Sonderrücklagen,

–        Entnahme aus den allgemeinen Rücklagen derselben Zentralbank, die 50 % dieser Reserven nicht übersteigen darf, und

–        Aufnahme eines verzinsten Darlehens bei dem betreffenden Mitgliedstaat.

4.      Art. 33 der Richtlinie 2001/24, Art. 44 bis 52 der Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit von Kreditinstituten sowie Art. 53 bis 62 der Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG

sind dahin auszulegen, dass

die in diesen Artikeln enthaltenen Vorschriften nicht auf Informationen anwendbar sind, die bei der Durchführung von Sanierungsmaßnahmen im Sinne der Richtlinie 2001/24 erlangt worden oder entstanden sind und nicht Gegenstand von in den Art. 4, 5, 8, 9, 11 und 19 der Richtlinie 2001/24 vorgesehenen Unterrichtungs- oder Konsultationsverfahren gewesen sind.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Slowenisch.