Language of document : ECLI:EU:F:2013:52

URTEIL DES GERICHTS FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST DER EUROPÄISCHEN UNION
(Dritte Kammer)

24. April 2013

Rechtssache F‑96/12

Laurent Demeneix

gegen

Europäische Kommission

„Öffentlicher Dienst – Allgemeines Auswahlverfahren – Nichtaufnahme in die Reserveliste – Voraussetzung der Berufserfahrung – Umfang des Ermessens“

Gegenstand:      Klage nach Art. 270 AEUV, der gemäß Art. 106a EA auch für den EAG-Vertrag gilt, auf Aufhebung der Entscheidung des Prüfungsausschusses in den Auswahlverfahren EPSO/AD/206/11 (AD 5) und EPSO/AD/207/11 (AD 7), den Kläger nicht in die Reserveliste für die Einstellung von Beamten der Funktionsgruppe Administration, Besoldungsgruppe AD 7, Fachgebiet Audit, aufzunehmen, und auf Ersatz des ihm infolge des damit begangenen Rechtsverstoßes entstandenen immateriellen Schadens

Entscheidung:      Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt seine eigenen Kosten und wird verurteilt, die Kosten der Europäischen Kommission zu tragen.

Leitsätze

1.      Beamte – Auswahlverfahren – Auswahlverfahren aufgrund von Befähigungsnachweisen und Prüfungen – Zulassungsvoraussetzungen – Festlegung in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens – Beurteilung der Berufserfahrung der Bewerber durch den Prüfungsausschuss – Gerichtliche Nachprüfung – Grenzen

(Beamtenstatut, Anhang III Art. 2)

2.      Beamtenklage – Klage gegen eine Entscheidung über die Nichtaufnahme in die Reserveliste eines Auswahlverfahrens – Möglichkeit, sich auf die Rechtswidrigkeit der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens zu berufen, um die Nichtaufnahme anzufechten – Voraussetzungen

(Beamtenstatut, Art. 91)

1.      Es ist Aufgabe des Prüfungsausschusses für ein Auswahlverfahren, in jedem Einzelfall zu beurteilen, ob die Berufserfahrung des Bewerbers dem in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens verlangten Niveau entspricht. Der Prüfungsausschuss verfügt insoweit im Rahmen der Bestimmungen des Statuts über die Auswahlverfahren über ein weites Ermessen bei der Beurteilung sowohl der Art und Dauer der früheren Berufserfahrung der Bewerber als auch ihres mehr oder weniger engen Zusammenhangs, in dem sie mit den Anforderungen der zu besetzenden Stelle stehen kann. Das Gericht hat sich daher im Rahmen seiner Rechtmäßigkeitskontrolle auf die Prüfung zu beschränken, ob dieses Ermessen nicht offensichtlich fehlerhaft ausgeübt worden ist. Im Rahmen dieser Kontrolle hat das Unionsgericht zu berücksichtigen, dass es Sache des Bewerbers in einem Auswahlverfahren ist, dem Prüfungsausschuss alle Auskünfte und Dokumente vorzulegen, die er im Hinblick auf die Prüfung seiner Bewerbung für zweckdienlich hält, damit der Prüfungsausschuss prüfen kann, ob er die in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens aufgestellten Voraussetzungen erfüllt, und zwar erst recht, wenn er ausdrücklich und förmlich dazu aufgefordert wurde. Der Prüfungsausschuss ist bei seiner Entscheidung über die Zulassung oder den Ausschluss des Bewerbers daher berechtigt, seine Prüfung auf die Bewerbungsunterlagen und die ihnen beigefügten Belege zu beschränken.

Ferner setzt die Feststellung, dass dem Prüfungsausschuss bei der Sachverhaltswürdigung ein offensichtlicher Fehler unterlaufen ist, der die Aufhebung der getroffenen Entscheidung rechtfertigt, in Anbetracht des ihm eingeräumten weiten Ermessensspielraums voraus, dass die vom Kläger beizubringenden Beweise ausreichen, um die Sachverhaltswürdigung der Verwaltung als nicht plausibel erscheinen zu lassen.

(vgl. Randnrn. 42 bis 45)

Verweisung auf:

Gerichtshof: 12. Juli 1989, Belardinelli u. a./Gerichtshof, 225/87, Randnrn. 13 und 24

Gericht erster Instanz: 20. Juni 1990, Burban/Parlament, T‑133/89, Randnrn. 31 und 34; 12. Dezember 1996, AIUFFASS und AKT/Kommission, T‑380/94, Randnr. 59; 13. März 2002, Martínez Alarcón/Kommission, T‑357/00, T‑361/00, T‑363/00 und T‑364/00; 25. März 2004, Petrich/Kommission, T‑145/02, Randnr. 37; 12. Februar 2008, BUPA u. a./Kommission, T‑289/03, Randnr. 221

Gericht für den öffentlichen Dienst: 25. November 2008, Iordanova/Kommission, F‑53/07, Randnr. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung; 13. Juni 2012, Macchia/Kommission, F‑63/11, Randnr. 49, Rechtsmittel beim Gericht der Europäischen Union anhängig, Rechtssache T‑368/12 P

2.      Zwar ist ein Kläger berechtigt, innerhalb der vorgeschriebenen Fristen unmittelbar Klage gegen die Bekanntmachung eines Auswahlverfahrens zu erheben, wenn diese eine ihn beschwerende Entscheidung der Anstellungsbehörde im Sinne der Art. 90 und 91 des Statuts darstellt, doch ist eine Klage gegen die Entscheidung, ihn nicht zu dem Auswahlverfahren zuzulassen, nicht bereits deshalb wegen Fristversäumnis unzulässig, weil er die Bekanntmachung des Auswahlverfahrens nicht rechtzeitig angefochten hat. Einem Bewerber in einem Auswahlverfahren kann nämlich nicht das Recht abgesprochen werden, die Berechtigung der ihm gegenüber gemäß den Bedingungen der Bekanntmachung getroffenen individuellen Entscheidung in allen Punkten einschließlich der in der Bekanntmachung festgelegten in Frage zu stellen, da erst diese Durchführungsentscheidung seine rechtliche Stellung im Einzelnen festlegt und ihm Gewissheit darüber verschafft, wie und in welchem Maß seine persönlichen Interessen beeinträchtigt sind. Ein Kläger kann daher mit einer gegen spätere Handlungen gerichteten Klage die Rechtswidrigkeit der mit diesen Handlungen eng verbundenen früheren Handlungen geltend machen.

Dagegen ist das Vorbringen dann, wenn kein enger Zusammenhang zwischen der Begründung der angefochtenen Entscheidung als solcher und dem auf die angebliche Rechtswidrigkeit der nicht rechtzeitig angefochtenen Bekanntmachung des Auswahlverfahrens gestützten Klagegrund besteht, nach den zwingenden Vorschriften über die Klagefristen, von denen in einem solchen Fall nicht ohne Beeinträchtigung des Grundsatzes der Rechtssicherheit abgewichen werden könnte, für unzulässig zu erklären.

(vgl. Randnrn. 59 und 60)

Verweisung auf:

Gerichtshof: 11. März 1986, Adams u. a./Kommission, 294/84, Randnr. 17; 11. August 1995, Kommission/Noonan, C‑448/93 P, Randnr. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung

Gericht erster Instanz: 16. September 1993, Noonan/Kommission, T‑60/92, Randnrn. 21 und 23 und die dort angeführte Rechtsprechung; 15. Februar 2005, Pyres/Kommission, T‑256/01, Randnr. 19; 31. Januar 2006, Giulietti/Kommission, T‑293/03, Randnr. 42