URTEIL DES GERICHTS (Zweite erweiterte Kammer)
27. November 1997 (1)
„Wettbewerb Verordnung Nr. 4064/89 Entscheidung über die Vereinbarkeit
eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt Zusagen
Frauenhygieneprodukte Nichtigkeitsklage Zulässigkeit Verletzung
wesentlicher Formvorschriften Anhörung Dritter Beherrschende Stellung“
In der Rechtssache T-290/94
Kaysersberg SA, Gesellschaft französischen Rechts, Kaysersberg (Frankreich),
Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dominique Voillemot und Jacques-Philippe
Gunther, Paris, Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts Jacques Loesch,
11, rue Goethe, Luxemburg,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, zunächst vertreten durch Francisco
González Díaz, Juristischer Dienst, und Géraud de Bergues, zur Kommission
abgeordneter nationaler Beamter, sodann durch Hauptrechtsberater Giuliano
Marenco und Guy Charrier, zur Kommission abgeordneter nationaler Beamter, als
Bevollmächtigte, Zustellungsbevollmächtigter: Carlos Gómez de la Cruz,
Juristischer Dienst, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,
unterstützt durch
Procter & Gamble GmbH, Gesellschaft deutschen Rechts, Schwalbach
(Deutschland), Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte Mario Siragusa, Rom,
Giuseppe Scasselati-Sforzolini, Bologna, und Barrister Nicholas Levy, London,
Zustellungsanschrift: Kanzlei der Rechtsanwälte Elvinger und Hoss, 2, place
Winston Churchill, Luxemburg,
wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 94/893/EG der Kommission vom 21. Juni
1994 über die Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen
Markt und mit der Funktionsfähigkeit des EWR-Abkommens (IV/M.430 Procter
& Gamble/VP Schickedanz [II]) (ABl. L 354, S. 32)
erläßt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Zweite erweiterte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten C. W. Bellamy sowie der Richter C. P. Briët,
A. Kalogeropoulos, A. Potocki und M. Jaeger,
Kanzler: J. Palacio González, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 23.
April 1997,
folgendes
Urteil
Sachverhalt und Verfahren
Allgemeiner Kontext des Zusammenschlusses
- 1.
- Bei dem Zusammenschluß, der Gegenstand der Entscheidung 94/893/EG der
Kommission vom 21. Juni 1994 über die Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses
mit dem Gemeinsamen Markt und mit der Funktionsfähigkeit des
EWR-Abkommens (IV/M.430 Procter & Gamble/VP Schickedanz [II]) (ABl.
L 354, S. 32) (nachstehend: die angefochtene Entscheidung oder die Entscheidung)
(vgl. nachstehend Randnrn. 41 ff.) ist, geht es um den Erwerb der Vereinigten
Papierwerke Schickedanz AG (nachstehend: VPS) durch die Procter & Gamble
GmbH (nachstehend: P & G).
- 2.
- P & G ist eine 100%ige Tochtergesellschaft der amerikanischen Firma Procter &
Gamble Company. Der konsolidierte Umsatz der Gruppe belief sich 1992/93 auf
23 626 Millionen ECU, von denen 7 814 Millionen in der Gemeinschaft erzielt
wurden. Neben den Bereichen Hygieneartikel und Körperpflegemittel,
Reinigungsmittel, Lebensmittel und Getränke ist P & G in den Bereichen
Papiererzeugnisse und Menstruationsschutzartikel tätig.
- 3.
- Im entscheidungserheblichen Zeitraum war P & G der führende Hersteller auf dem
Markt der Monatsbinden in Westeuropa. Im Jahr 1993 betrug ihr Marktanteil in
der gesamten Gemeinschaft und den Staaten der Europäischen
Freihandelsassoziation wertmäßig 42 % und mengenmäßig 33,5 %. Speziell auf
dem deutschen Markt nahm P & G aufgrund seiner wertmäßigen Marktanteile, die
laut der angefochtenen Entscheidung (Randnr. 119) zwischen 35 % und 40 %
lagen, mit seiner Marke Always die führende Stellung unter den
Monatsbindenherstellern ein. In Spanien besaß das Unternehmen mit seinen
Marken Ausonia und Evax im Jahr 1993 wertmäßig Marktanteile zwischen 75 %
und 80 % und mengenmäßig zwischen 65 % und 70 % (Randnr. 119 der
Entscheidung).
- 4.
- Auf dem Babywindelmarkt hatte P & G ebenfalls eine starke Stellung inne,
insbesondere mit seiner Marke Pampers; ihr mengenmäßiger Marktanteil in der
Gemeinschaft betrug 1993 zwischen 45 % und 50 % (Randnr. 25 der
Entscheidung). Dagegen war P & G in Europa bis 1994 auf dem Sektor der
Haushaltshygienepapiere, zu denen namentlich Papiertaschentücher,
Toilettenpapier, Küchenpapier und Gesichtstücher gehören, nicht tätig, obwohl der
Konzern auf dem entsprechenden amerikanischen Markt marktführend war.
- 5.
- Vor dem Zusammenschluß mit P & G war VPS eine 100%ige Tochtergesellschaft
der Gustav und Grete Schickedanz KG (nachstehend: GGS), einer deutschen
Personengesellschaft. Ihr konsolidierter Umsatz belief sich 1992/93 auf
681 Millionen ECU, von denen 645 Millionen ECU in der Gemeinschaft erzielt
worden waren. VPS war in den Bereichen Frauenhygieneprodukte,
Haushaltshygienepapiere, Babywindeln Inkontinenzprodukte, Watteartikel und
bestimmte Körperpflegemittel tätig.
- 6.
- Bei den Frauenhygieneprodukten war VPS vor allem in Deutschland auf dem
Monatsbindenmarkt mit ihrer Hauptmarke Camelia und ihren Zweitmarken Blümia
und Femina sowie als Hersteller für Handelsmarken vertreten. 1993 lagen die
Marktanteile der Camelia-Erzeugnisse von VPS auf dem deutschen
Monatsbindenmarkt zwischen 20 % und 25 % (wertmäßig und mengenmäßig), und
die Marktanteile der Marken Blümia und Femina zusammen betrugen zwischen
5 % und 10 % (wertmäßig) und zwischen 10 % und 15 % (mengenmäßig)
(Randnr. 119 der Entscheidung). VPS vertrieb ihre Camelia-Erzeugnisse auch in
Spanien, wo ihre Marktanteile 1993 jedoch unter 5 % lagen, sowie in Österreich,
Italien und der Schweiz. Schließlich stellte VPS Tampons her, die sie unter der
Marke Tampona vertrieb.
- 7.
- Neben dem Bereich Frauenhygieneprodukte war VPS auf dem Babywindelmarkt
mit den Marken Moltex und Born vertreten; ihr Marktanteil in der Gemeinschaft
lag 1993 zwischen 1 % und 5 % (Randnr. 25 der Entscheidung).
- 8.
- Im Bereich Haushaltshygienepapiere waren die Marktanteile von VPS in der
Gemeinschaft bescheiden, lagen aber auf dem deutschen Markt 1993 mengenmäßig
zwischen 15 % und 20 % (Randnr. 13 der Entscheidung).
Verfahren vor der Kommission
- 9.
- Am 9. Dezember 1993 teilte P & G der Kommission nach Artikel 4 Absatz 1 der
Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die
Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (berichtigte Fassung ABl. 1990,
L 257, S. 13) den geplanten Erwerb des gesamten Kapitals von VPS mit.
- 10.
- Am 21. Dezember 1993 machte die Kaysersberg SA im Rahmen dieser ersten
Anmeldung in ihrer Antwort auf einen Fragebogen der Kommission vom 17.
Dezember 1993 verschiedene Angaben zu den Bereichen Frauenhygieneprodukte
und Inkontinenzprodukte für Erwachsene in Frankreich und nahm zu der
Auswirkung des beabsichtigten Zusammenschlusses Stellung.
- 11.
- Kaysersberg ist eine Aktiengesellschaft französischen Rechts; sie ist eine
Tochtergesellschaft der von der James River Corporation und Cragnotti & Partners
gemeinsam kontrollierten niederländischen Gruppe Jamont NV. Ihr konsolidierter
Umsatz 1993 betrug 4 Milliarden 818 Millionen FF. Kaysersberg ist im Bereich
Frauenhygiene in erster Linie in Frankreich und in Belgien vertreten. Mit ihrem
Tochterunternehmen Vania Expansion, die Monatsbinden und Tampons vertreibt,
war Kaysersberg 1993 mit einem wertmäßigen Gesamtmarktanteil von mehr als
30 % in Frankreich marktführend. Kaysersberg ist auch im Bereich
Haushaltshygienepapiere namentlich mit der Marke Lotus, im Bereich
Inkontinenzprodukte für Erwachsene und im Bereich Babyhygiene (Babywindeln)
tätig.
- 12.
- Nach der Rücknahme der ursprünglichen Anmeldung meldete P & G am 17.
Januar 1994 gemäß Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung Nr. 4064/89 bei der
Kommission ein neues Zusammenschlußvorhaben an, durch das sie das gesamte
Aktienkapital von VPS und anderer in verwandten Geschäftszweigen tätiger GGS-Tochtergesellschaften erwerben wollte.
- 13.
- Im Rahmen dieses neuen Vorhabens war in dem zwischen P & G und GGS
geschlossenen Kaufvertrag sowie in dem zwischen P & G, GGS und VPS
geschlossenen Zusatzvertrag vorgesehen, daß VPS ihr Babywindelgeschäft aus ihren
übrigen Tätigkeiten ausgliedern und vor Durchführung des Vorhabens in eine
getrennte Gesellschaft einbringen würde. Ferner sollte P & G am Tag des Erwerbs
von VPS die Aktien dieser getrennten Gesellschaft auf einen von P & G am 22.
Dezember 1993 ernannten Treuhänder übertragen, der beauftragt werden sollte,
einen endgültigen Käufer für diese Aktien zu finden (Randnrn. 5 und 6 der
Entscheidung).
- 14.
- P & G bot darüber hinaus in der Anmeldung an, keine Kontrolle über den
Frauenhygieneproduktbereich des „Nicht-Camelia-Sektors“ von VPS, d. h. die
materiellen und immateriellen Aktiva im Zusammenhang mit den drei Marken
Blümia, Femina und Tampona und dem Handelsmarkengeschäft von VPS
(nachstehend: Nicht-Camelia-Geschäft) zu erwerben (Randnr. 8 der Entscheidung).
- 15.
- Am 22. Januar 1994 veröffentlichte die Kommission im Amtsblatt der Europäischen
Gemeinschaften die Anmeldung gemäß Artikel 4 Absatz 3 der Verordnung Nr.
4064/89 (ABl. C 19, S. 15). Nach Nummer 4 dieser Mitteilung forderte die
Kommission alle „interessierten Unternehmen oder Personen ... [auf], bei der
Kommission zu diesem Vorhaben Stellung [zu] nehmen“.
- 16.
- Am 24. Januar 1994 übermittelte Kaysersberg in der Antwort auf einen
Fragebogen, den ihr die Kommission am 19. Januar 1994 übersandt hatte, die
erbetenen Auskünfte bezüglich des geographischen Marktes und der
Wettbewerbssituation bei Frauenhygieneprodukten und nahm zu der Auswirkung
des Zusammenschlußvorhabens Stellung.
- 17.
- Kaysersberg setzte dem Schriftwechsel mit der Kommission mit Schreiben vom 14.
März, 29. April, 18. und 31. Mai 1994 fort.
- 18.
- Nach der Prüfung der Anmeldung entschied die Kommission am 17. Februar 1994
nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr. 4064/89, das Verfahren
bezüglich der Monatsbinden zu eröffnen, da der angemeldete Zusammenschluß
nach ihrer Ansicht Anlaß zu ernsthaften Bedenken hinsichtlich seiner Vereinbarkeit
mit dem Gemeinsamen Markt gab.
- 19.
- Am 30. März 1994 teilte die Kommission P & G ihre Einwände mit.
- 20.
- Mit Schreiben vom 12. April 1994 übermittelte die Kommission Kaysersberg eine
Kopie der Mitteilung der Einwände nach Artikel 15 der Verordnung (EWG) Nr.
2367/90 der Kommission vom 25. Juli 1990 über die Anmeldungen, über die Fristen
sowie über die Anhörung nach der Verordnung Nr. 4064/89 (ABl. L 219, S. 5), um
das Unternehmen über Art und Gegenstand des Verfahrens zu unterrichten und
es zu einer Stellungnahme aufzufordern.
- 21.
- Die Mitteilung der Einwände hatte folgenden Inhalt.
- 22.
- Einleitend wies die Kommission darauf hin, daß das Babywindelgeschäft von VPS
gemäß den Kaufverträgen in eine getrennte Gesellschaft einzubringen sei, die ein
von P & G am 22. Dezember 1993 ernannter Treuhänder auf einen neuen Käufer
übertragen solle. Diese Verpflichtung sei somit fester Bestandteil der Anmeldung.
Dieser Markt bleibe deswegen trotz der Einwände, die die Kommission gegen
einen derartigen Erwerb erheben würde, unberücksichtigt (Nr. 7 der Mitteilung der
Einwände). Zudem habe P & G ihrerseits angeboten, keine Kontrolle über das
Nicht-Camelia-Geschäft von VPS zu erwerben. Nach Einleitung des Verfahrens
gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr. 4064/89 habe P & G
bestätigt, an diesen Zusagen festzuhalten, sofern die Kommission die gesamte
angemeldete Übertragung nach Artikel 8 der Verordnung Nr. 4064/89 als mit dem
Gemeinsamen Markt vereinbar erkläre (Nrn. 8 bis 10 der Mitteilung der
Einwände).
- 23.
- Nach der Feststellung, daß das angemeldete Vorhaben ein Zusammenschluß von
gemeinschaftsweiter Bedeutung sei, wies die Kommission darauf hin, daß sie das
Verfahren hinsichtlich der Monatsbinden eingeleitet habe. Der Sachverhalt, von
dem die Kommission in ihrer Mitteilung der Einwände ausgegangen ist, läßt sich
wie folgt zusammenfassen.
- 24.
- Bezüglich des sachlich relevanten Marktes vertrat die Kommission die Auffassung,
daß für die einzelnen Frauenhygieneprodukte, d. h. für Slipeinlagen, Tampons und
Binden, getrennte Märkte beständen. Der räumlich relevante Markt ist nach
Ansicht der Kommission beim Markt für Monatsbinden national abzugrenzen.
Dabei berücksichtigte die Kommission u. a. den hohen Konzentrationsgrad in
Deutschland und Spanien, die Markentreue der Verbraucherinnen, den schwierigen
Zugang zum Handel, die Notwendigkeit großer Investitionen im Bereich der
Werbung, um auf dem Markt Fuß zu fassen, sowie das Scheitern mehrerer
Markteintrittsversuche in den letzten Jahren.
- 25.
- Bei der Bewertung des Vorhabens hob die Kommission den wertmäßigen
Marktzuwachs bei Binden in Westeuropa seit der Anfang der 90er Jahre erfolgten
Einführung neuer, höherentwickelter Produkte wie Always hervor, die gegenüber
herkömmlichen Erzeugnissen einen beträchtlichen Vorsprung hätten. Die beste
Methode zur Beurteilung der Marktanteile der Parteien war nach Auffassung der
Kommission die Berechnung der Anteile auf wertmäßiger Basis, da die
Preisunterschiede zwischen Markenbinden und den Zweit- oder
Handelsmarkenerzeugnissen zwischen 50 % und 100 % lägen, die mit großem
Werbeaufwand geförderten Produkte dominierten und der finanziellen Stärke der
Unternehmen angesichts des Wachstumssektors der Markenartikel Rechnung zu
tragen sei.
- 26.
- Bei den von dem Vorhaben in erster Linie betroffenen nationalen Märkten für
Monatsbinden ergaben sich nach Angaben der Kommission für 1993 folgende
Marktanteile (Nr. 93 der Mitteilung der Einwände):
|
Deutschland
|
Spanien
|
Österreich
|
Wert
1993
|
Menge
1993
|
Wert
1993
|
Menge
1993
|
Wert
1993
|
Menge
1993
|
P & G
VP Camelia
P & G + Camelia
VP andere Marken
Johnson & Johnson
Mölnlycke
Kimberly-Clark
Rauscher
Handelsmarken
Andere
|
36,3 %
24,5 %
60,8 %
6,9 %
13,4 %
-
0,9 %
-
12,5 %
5,1 %
|
20,4 %
21,6 %
42 %
12 %
9,2 %
-
0,8 %
-
23,7 %
12,3 %
|
79,8 %
1,4 %
81,2 %
-
1,1 %
-
-
-
10,6 %
7,1 %
|
65,9 %
1,1 %
67 %
0,1 %
0,8 %
-
-
-
18,6 %
13,5 %
|
24,6 %
13,9 %
38,5 %
2,9 %
30,1 %
-
-
17,8 %
9,2 %
1,5 %
|
17,6 %
12,6 %
30,2 %
2,4 %
24,8 %
-
-
27,6 %
2,2 %
12,81 %
|
- 27.
- Die Kommission verwies darauf, daß der Markt für Monatsbinden insbesondere in
Deutschland durch hohe Marktzutrittsschranken gekennzeichnet sei, die sich u. a.
aus der großen Markentreue, der Notwendigkeit der Entwicklung innovativer
Produkte und der Durchführung groß angelegter Werbeaktionen sowie dem
schwierigen Zugang zum Einzelhandel ergäben. Zudem habe der
Konzentrationsgrad, der in Deutschland und Spanien vor dem
Zusammenschlußvorhaben bereits hoch gewesen sei, noch zugenommen.
- 28.
- Die Kommission berücksichtigte ebenfalls die Stellung von P & G auf dem
Bindenmarkt, die insbesondere in dem Segment mit dem größten Wachstum, dem
der extra dünnen Binden, stark sei, ferner die Stärke dieses Unternehmens als eines
großen Anbieters von Konsumgüterartikeln in seinen Geschäftsbeziehungen zum
Handel sowie schließlich seine finanzielle Stärke gegenüber seinen Wettbewerbern
im Bereich der Monatsbinden. Der Markteintritt potentieller Wettbewerber, die die
Marktbeherrschung von P & G in Deutschland und Spanien angreifen könnten,
erschien der Kommission angesichts verschiedener erfolgloser Versuche, die
Mölnlycke und Kimberly Clark in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren sowie
Kaysersberg zwischen 1970 und 1985 unternommen hatten, um in den deutschen
Markt einzudringen, wenig wahrscheinlich.
- 29.
- Aufgrund dieser Umstände und insbesondere der Untersuchung der Marktanteile
von P & G nach Durchführung des Zusammenschlusses, der Marktzutrittsschranken
und des potentiellen Wettbewerbs vertrat die Kommission die Ansicht, daß wegen
der Gegebenheiten auf dem deutschen, dem spanischen und dem österreichischen
Bindenmarkt der Erwerb von VPS durch P & G auch nach der Ausgliederung des
VPS-Babywindelgeschäfts und unter Berücksichtigung der Zusage von P & G, die
Kontrolle über das Nicht-Camelia-Geschäft nicht zu erwerben, P & G in die Lage
versetzen werde, auf diesen Märkten unabhängig von ihren Abnehmern und
Wettbewerbern zu agieren (Nr. 145 der Mitteilung der Einwände). Insbesondere
auf dem deutschen Markt würde der Erwerb von VPS und ihrer Hauptmarke
Camelia, der letzten großen unabhängigen nationalen Marke, nach Ansicht der
Kommission den Zugang zum deutschen Markt für andere Unternehmen
erschweren, da sie statt über den Erwerb eines bestehenden Anbieters unmittelbar
in den Markt eintreten müßten (Nr. 146 der Mitteilung der Einwände).
- 30.
- Die Kommission kam daher zu dem Ergebnis, daß das angemeldete
Zusammenschlußvorhaben mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar sein könnte,
da es zu einer beherrschenden Stellung auf dem deutschen und dem
österreichischen Bindenmarkt sowie zu einer Verstärkung einer beherrschenden
Stellung in Spanien führen und dadurch einen wirksamen Wettbewerb in einem
wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes im Sinne des Artikels 2 Absatz 3 der
Verordnung Nr. 4064/89 erheblich behindern könnte (Nr. 151 der Mitteilung der
Einwände).
- 31.
- Am 25. und 26. April 1994 führte die Kommission nach den Artikeln 13 bis 15 der
Verordnung Nr. 2367/90 eine erste Anhörung der an dem Zusammenschluß
Beteiligten und Dritter, darunter Kaysersberg, durch, der am 6. Mai 1994 eine
zweite Anhörung der Beteiligten und Dritter folgte. Am 9. Mai 1994 übermittelte
Kaysersberg der Kommission eine Kopie der Stellungnahme ihres
geschäftsführenden Verwaltungsratsvorsitzenden bei der ersten Anhörung.
- 32.
- Am 27. Mai 1994 trat der Beratende Ausschuß für die Kontrolle von
Unternehmenszusammenschlüssen zum ersten Mal zusammen und sprach sich
gegen das angemeldete Vorhaben eines Zusammenschlusses aus (Stellungnahme
des Beratenden Ausschusses für die Kontrolle von
Unternehmenszusammenschlüssen, abgegeben in seiner 20. und 22. Sitzung am 27.
Mai und 20. Juni 1994 im Einzelfall IV/M.430 Procter & Gamble/VP Schickedanz
[II], ABl. 1994, C 379, S. 34, Nrn. 1 bis 8).
- 33.
- Am 10. Juni 1994 bot P & G der Kommission neue Zusagen für die Übertragung
des Frauenhygieneproduktbereichs der Marke Camelia von VPS (nachstehend:
Camelia-Geschäft) an, um die Einwände der Kommission gegen die Vereinbarkeit
des beabsichtigten Vorhabens mit dem Gemeinsamen Markt zu entkräften.
- 34.
- Die Kommission forderte mit Schreiben vom 13. Juni 1994 P & G auf, in ihre
Zusagen bestimmte Änderungen aufzunehmen. Dazu übermittelte die Kommission
P & G einen geänderten Entwurf der Zusagen, der den gewünschten Änderungen
Rechnung trug, und verlangte auch die Ausarbeitung einer nichtvertraulichen
Fassung dieses Textes für das Verfahren zur Anhörung Dritter. Mit Schreiben vom
14. Juni 1994 nahm P & G die vorgeschlagenen Änderungen an.
- 35.
- Am Mittwoch, dem 15. Juni 1994, übermittelte die Kommission Kaysersberg ein
Schreiben von P & G vom gleichen Tage mit der nichtvertraulichen Fassung dieses
von dem Unternehmen angenommenen Entwurfs der Zusagen und wies
Kaysersberg darauf hin, daß das Unternehmen nach Artikel 18 Absatz 4 der
Verordnung Nr. 4064/89 und nach Artikel 15 der Verordnung Nr. 2367/90 die
Möglichkeit einer schriftlichen Stellungnahme hierzu habe, die bei der Kommission
spätestens am Montag, dem 20. Juni 1994 morgens eingehen müsse, um dem
Beratenden Ausschuß übermittelt werden zu können.
- 36.
- Gemäß der Kaysersberg übermittelten nichtvertraulichen Fassung bot P & G
Zusagen bezüglich des Camelia-Geschäfts an, die a) die Forchheim-Produktionsstätte und die Produktionslinien für die Herstellung von
Frauenhygieneprodukten, b) die Marke Camelia und c) alle anderen Aktiva und
Passiva umfaßten, die Bestandteil des Camelia-Geschäfts oder zu dessen Betrieb
notwendig waren. Dieses Angebot enthielt folgende Zusagen:
„1. P & G verpflichtet sich, so bald wie möglich nach einer Genehmigung des
Zusammenschlusses durch die Kommission nach der Verordnung Nr. 4064/89,
spätestens aber am 1. Juli 1994 Goldman Sachs International Limited (.Goldman
Sachs') damit zu beauftragen, in ihrem Namen Verhandlungen mit interessierten
Dritten im Hinblick auf den Verkauf des Camelia-Geschäfts zu führen. P & G wird
sich mit Goldman Sachs über eine Vergütung für sie verständigen, wobei ein Teil
der Vergütung von dem erzielten Verkaufspreis abhängig sein soll.
2. P & G verpflichtet sich, daß sie Goldman Sachs eine unwiderrufliche
Vollmacht erteilt, innerhalb einer Frist von ... einen Erwerber für das Camelia-Geschäft zu suchen. Dieser Erwerber muß ein ernsthafter aktueller oder
zukünftiger Wettbewerber sein, der unabhängig von und ohne jegliche Verbindung
zu P & G und in der Lage ist, das Camelia-Geschäft als aktive wettbewerbliche
Kraft auf dem betroffenen Markt zu erhalten und fortzuführen. P & G unternimmt
alle zumutbaren Schritte, um das einschlägige gegenwärtig im Camelia-Geschäftsbereich beschäftigte Personal, einschließlich Vertriebs- und
Verwaltungspersonal, dazu zu ermutigen, ihr Beschäftigungsverhältnis mit dem
unabhängigen Dritten fortzusetzen. Diese Zusage wird als von P & G erfüllt
angesehen, wenn P & G innerhalb einer Frist von ... eine verbindliche Erklärung
zum Verkauf des Camelia-Geschäfts abgegeben hat, vorausgesetzt daß dieser
Verkauf innerhalb einer Frist von ... vollzogen wird. P & G verpflichtet sich
weiterhin, bis zur Veräußerung des Camelia-Geschäfts an einen Dritten Goldman
Sachs jede erbetene Unterstützung zu den normalen Marktkonditionen zu geben.
3. P & G entscheidet allein über die Annahme eines Angebots oder über die
Auswahl des ihrer Meinung nach besten Angebots im Falle von mehreren. Der
Wert eines jeden Angebots richtet sich nach dem angebotenen Preis sowie anderen
Verpflichtungen, die den Wert des Angebots beeinflussen.
4. P & G verpflichtet sich weiterhin, innerhalb der Frist von ... die
Produktionsstätte in Forchheim in einen Zustand zu versetzen, in dem sie an einen
Dritten übertragen und insbesondere getrennt von P & G geführt werden kann.
5. Bis zum Vollzug des Verkaufs des Camelia-Geschäfts an einen Dritten hat
P & G sicherzustellen, daß dieser Geschäftsbereich als getrennte und
verkaufsfähige Einheit mit eigenen Geschäftskonten und mit einem eigenen,
getrennt vom Frauenhygienegeschäft von P & G zu haltenden Vertrieb geführt
wird. P & G verpflichtet sich weiter, daß der Geschäftsbereich seine eigene
Geschäftsführung hat, die angewiesen ist, den Geschäftsbereich unabhängig zu
führen, um seine Funktionsfähigkeit und seinen Marktwert zu gewährleisten. P & G
wird zu diesem Zweck ausreichende finanzielle Mittel für den gewöhnlichen
Geschäftsbetrieb bereitstellen. Bis zum Vollzug des Verkaufs des Camelia-Geschäfts an einen Dritten wird P & G diesen Geschäftsbereich nicht in eine ihrer
betrieblichen Einheiten eingliedern. P & G verpflichtet sich außerdem, ohne
vorherige Zustimmung der Kommission keine strukturellen Veränderungen
innerhalb des Camelia-Geschäftsbereichs vorzunehmen.
6. P & G darf vom Management des Camelia-Geschäftsbereichs keine
Geschäftsgeheimnisse, kein Know-how und keine geschäftlichen oder anderen
gewerblichen Informationen, die vertraulicher Art oder rechtlich geschützt sind,
über den Geschäftsbereich erhalten.
7. P & G verpflichtet sich, Goldman Sachs dazu anzuhalten, schriftliche
Berichte aufgrund ... über alle wesentlichen Entwicklungen der Verhandlungen mit
kaufinteressierten Dritten vorzulegen und diese Berichte zusammen mit
entsprechendem Belegmaterial der Kommission zu übermitteln. Diese Belege
schließen einen Bericht des Managements des Camelia-Geschäftsbereichs über die
laufende geschäftliche Entwicklung ein.
8. Meinungsverschiedenheiten zwischen P & G und dem als Käufer des
Camelia-Geschäfts in Frage kommenden Dritten in Zusammenhang mit der
Umsetzung dieser Zusagen sind einer unabhängigen Schiedsstelle vorzulegen, auf
die sich P & G und der Dritte einvernehmlich verständigt haben.“
[„P & G hereby gives the following undertakings to the Commission with respect
to VP's Camelia-branded feminine hygiene products business, which comprises:
(i) the Forchheim plant and the production lines dedicated to the manufacture of
feminine hygiene products; (ii) the Camelia brand name; (iii) all other assets and
liabilities that form part of or are necessary for the operation of VP's
Camelia-branded feminine hygiene products business (hereafter referred to as the
.Business').
1. P & G undertakes that, as soon as practicable after the Commission has
adopted a favourable decision under the Regulation 4064/89 and in any event no
later than July 1, 1994, it shall appoint Goldman Sachs International Ltd
(.Goldman Sachs') to act on its behalf in conducting good faith negotiations withinterested third parties with a view to selling the Business. P & G and Goldman
Sachs shall agree on the latter's remuneration, it being understood that part of such
remuneration shall consist of a fee related to the consideration of the sale.
2. P & G undertakes that it shall give Goldman Sachs an irrevocable mandate
to find a purchaser for the Business within [confidential] of its appointment, it
being understood that such purchaser shall be a viable existing or prospective
competitor independent of and unconnected to P & G and capable of maintaining
and developing the Business as an active competitive force on the market
concerned. P & G shall take all reasonable steps to encourage the relevant
personnel currently employed in the Business, including sales and administrative
personnel, to take up employment with such independent third party. P & G shall
be deemed to have complied with this undertaking if, within [confidential], it has
entered into a binding letter of intent for the sale of the Business, provided that
such sale is completed within [confidential]. P & G undertakes to give, on an arm's
length basis, all assistance requested by Goldman Sachs prior to the sale to a third
party.
3. P & G alone shall be free to accept any offer or to select the offer it
considers best in case of a plurality of offers. The value of any such offers shall be
determined by the price offered plus other obligations affecting the value of such
offers.
4. P & G undertakes that, within [confidential], the Forchheim plant shall be
rendered capable of being transferred to an independent third party and, most
particularly, that the Forchheim plant is capable of being managed separately from
P & G.
5. Prior to the completion of the sale of the Business to a third party, P & G
shall ensure that the Business is managed as a distinct and saleable entity with its
own management accounts and a sales and distribution effort for the Business that
is separate from P & G's catamenials business. P & G further undertakes that the
Business shall have its own management that shall be under instruction to manage
it on an independent basis in order to ensure its continued viability and market
value, and that P & G shall provide sufficient financial resources to this end in the
ordinary course of business. Prior to the completion of the sale of the Business to
a third party, P & G shall not integrate the Business into any P & G business unit.
P & G further undertakes that it shall make no structural changes to the Business
without prior Commission approval.
6. P & G shall not obtain from the Business management any business secrets,
know-how, commercial information, or any other industrial information of a
confidential or proprietary nature relating to the Business.
7. P & G undertakes that it shall cause Goldman Sachs to provide a written
report on a [confidential] basis on any relevant developments in its negotiations
with third parties interested in purchasing the Business, and that such reports,
together with supporting documentation, shall be furnished to the Commission.
Such supporting documentation shall include a report by the management of the
Business on its on-going commercial operations.
8. Any dispute between P & G and the third party purchasing the Business
arising out of or in connection with the implementation of these undertakings shall
be submitted to independent arbitration to be mutually agreed between P & G and
such third party.“]
- 37.
- P & G bestätigte mit ihrem Schreiben vom 16. Juni 1994 an die Kommission, daß
ihre Zusagen vom 14. Juni 1994 die am 17. Januar 1994 angebotenen Zusagen
bezüglich der Frauenhygieneprodukte von VPS geändert und ersetzt hätten und
daß sie daher im Falle einer positiven Entscheidung der Kommission die Kontrolle
über das Nicht-Camelia-Geschäft von VPS erwerben und behalten dürfe.
- 38.
- Am Freitag, den 17. Juni 1994, übermittelte Kaysersberg der Kommission ihre
Stellungnahme. Kaysersberg machte in ihrem Schreiben zunächst geltend, daß die
von P & G angebotenen Zusagen als unzulässig anzusehen seien, da sie verspätet
seien und die den Dritten eingeräumte Frist zur Stellungnahme zu kurz gewesen
sei; sodann führte sie aus, aus welchen Gründen sie die angebotenen Zusagen nicht
für ausreichend halte und welche Änderungen sie wünsche.
- 39.
- Am 20. Juni 1994 trat der Beratende Ausschuß für die Kontrolle von
Unternehmenszusammenschlüssen ein zweites Mal zusammen. In seiner
Stellungnahme heißt es:
„9. ... nach Prüfung der Informationen der Kommission über die Maßnahmen, die
Procter & Gamble mit Schreiben vom 15. Juni 1994 zur Lösung der durch den
beabsichtigten Zusammenschluß auftretenden Wettbewerbsprobleme vorgeschlagen
hat, ist der Ausschuß damit einverstanden, den beabsichtigten Zusammenschluß als
mit dem Gemeinsamen Markt und dem Europäischen Wirtschaftsraum vereinbar
zu erklären, sofern der Camelia-Frauenhygiene-Geschäftsbereich ausgegliedert wird.
10. ... Diese Verpflichtungen sind ausreichend ..., wenn folgende Punkte geklärt sind
und tatsächlich durchgeführt werden:
a) Ernennung eines von Procter & Gamble unabhängigen Treuhänders, der die
Ausgliederung des Geschäftsbereichs der Camelia-Produkte leitet und den Bereich
unabhängig von Procter & Gamble bis zum Vollzug der Ausgliederung führt;
b) Festsetzung kürzerer Fristen für den Vollzug der Ausgliederung;
c) der potentielle Erwerber muß über ausreichende finanzielle Mittel verfügen und
im Konsumgüterbereich eine Erfahrung nachweisen, die es ihm erlaubt, aktiv den
Vertrieb der Camelia-Produkte gegenüber dem Wettbewerb von Procter & Gamble
zu erhalten und zu entwickeln;
d) Unabhängigkeit der Leitung von Camelia gegenüber Procter & Gamble bis zum
Vollzug der Ausgliederung;
e) die Kommission muß Gelegenheit haben, vorweg die Eigenschaften der
potentiellen Erwerber zu prüfen, wobei sie die Unabhängigkeit von Procter &
Gamble bei ihrer Wahl eines endgültigen Erwerbers respektiert;
f) der Kommission müssen ausreichende Kontroll- und Entscheidungsbefugnisse
eingeräumt werden, um die vollständige Durchführung der Verpflichtungen
sicherzustellen.
11. Darüber hinaus müßte Procter & Gamble nach einer Mindermeinung auch
dazu verpflichtet werden, den Frauenhygiene-Geschäftsbereich .Zweit- und
Handelsmarken' von VPS Schickedanz auszugliedern.“
- 40.
- Nach der Sitzung des Beratenden Ausschusses arbeitete die Kommission die
endgültige Fassung der Verpflichtungen von P & G aus, mit der das Unternehmen
einverstanden war.
Die streitige Entscheidung vom 21. Juni 1994
- 41.
- Am 21. Juni 1994 erließ die Kommission aufgrund der von P & G in diesem
Zusammenhang übernommenen Verpflichtungen die streitige Entscheidung, mit der
der Zusammenschluß als mit dem Gemeinsamen Markt und dem EWR-Abkommen
vereinbar erklärt wurde.
- 42.
- Artikel 1 des verfügenden Teils der Entscheidung lautet:
„Artikel 1
Vorbehaltlich der Erfüllung aller Bedingungen und Auflagen, die Procter &
Gamble GmbH in ihrer Verpflichtungserklärung bezüglich des
Camelia-Frauenhygiene-Geschäftsbereichs (siehe Randnummer 186 dieser
Entscheidung) der Kommission gegenüber eingegangen ist, wird der von Procter
& Gamble GmbH am 17. Januar 1994 angemeldete Zusammenschluß zwischen
Procter & Gamble GmbH und VP Schickedanz AG als mit dem Gemeinsamen
Markt und der Funktionsfähigkeit des EWR-Abkommens vereinbar erklärt.“
- 43.
- Diese Entscheidung wurde Kaysersberg informationshalber am 27. Juni 1994
mitgeteilt.
- 44.
- Die Entscheidung läßt sich wie folgt zusammenfassen.
- 45.
- Vorweg stellt die Kommission fest, daß die Verpflichtung, keine Kontrolle über das
Babywindelgeschäft von VPS zu erwerben, fester Bestandteil der Anmeldung sei
und dieser Markt deswegen trotz der Einwände, die die Kommission gegen einen
derartigen Erwerb erheben würde, in der Entscheidung unberücksichtigt bleibe
(Randnr. 7 der Entscheidung). Die ursprüngliche Zusage von P & G in der
Anmeldung, keine Kontrolle über das Nicht-Camelia-Geschäft von VPS zu
erwerben, habe das Unternehmen aufgrund der Einwände der Kommission sowohl
hinsichtlich der zu übertragenden Marken als auch hinsichtlich der
Veräußerungsbedingungen in wesentlichen Punkten geändert und dadurch den
Geschäftsbereich der Nicht-Camelia-Produkte von VPS durch den Geschäftsbereich
der Camelia-Frauenhygieneprodukte ersetzt (Randnr. 8 der Entscheidung).
- 46.
- Nach dem Hinweis auf die gemeinschaftsweite Bedeutung des angemeldeten
Vorhabens verweist die Kommission sodann darauf, daß der Zusammenschluß die
folgenden von VPS hergestellten Erzeugnisse betreffe: Hygienepapiere für den
Haushalt, Frauenhygieneprodukte, Inkontinenzprodukte für Erwachsene,
Watteartikel und bestimmte Körperpflegemittel. Das Verfahren sei hinsichtlich der
Monatsbinden eingeleitet worden.
- 47.
- Auf dem Sektor Hygienepapiere für den Haushalt sei P & G zwar in den
Vereinigten Staaten und Kanada marktführend, in Europa aber nicht tätig; P & G
habe erklärt, daß das strategische Ziel des Zusammenschlusses der Einstieg in den
europäischen Markt dieser Erzeugnisse sei. Die Anteile von VPS am
Gemeinschaftsmarkt in diesem Sektor insgesamt seien bescheiden und lägen in
Deutschland zwischen 15 % und 20 %; betrachte man die einzelnen Produktmärkte
getrennt, so habe VPS in Deutschland einen Anteil zwischen 35 % und 40 % am
Papiertaschentüchermarkt und einen Anteil zwischen 15 % und 20 % am
Küchenpapiermarkt.
- 48.
- Die Kommission kommt zu dem Ergebnis:
„Da in diesem Sektor keine Überschneidungen zwischen P & G und VPS bestehen
und VPS nur über beschränkte Marktanteile verfügt, gibt das Vorhaben keinen
Anlaß zu irgendwelchen wettbewerblichen Bedenken in bezug auf die vorerwähnten
Erzeugnisse“ (Randnr. 13 der Entscheidung).
- 49.
- Bei den Inkontinenzprodukten für Erwachsene, den Watteartikeln und den
kosmetischen Mitteln kommt die Kommission nach einer Untersuchung
insbesondere der Marktstellungen von P & G und VPS ebenfalls zu dem Ergebnis,
daß der Zusammenschluß keinen Anlaß zu ernsthaften Bedenken in bezug auf
seine Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt gebe (Randnrn. 14 bis 23 der
Entscheidung).
- 50.
- Beim Babywindelgeschäft vertritt die Kommission die Ansicht, daß P & G ohne
ihre Zusage in der Anmeldung und trotz der nur geringen Zunahme ihrer
Marktanteile aufgrund ihrer Marktanteile in der Gemeinschaft, die zwischen 45 %
und 50 % lägen, ihrer finanziellen Mittel, der fortgeschrittenen Fertigungstechniken
und ihrer starken Stellung gegenüber dem Einzelhandel durch das Vorhaben eine
beherrschende Stellung erreichen könnte (Randnrn. 24 bis 26 der Entscheidung).
- 51.
- Bezüglich der Frauenhygieneprodukte kommt die Kommission in ihrer
Entscheidung im Anschluß an ihre im wesentlichen auf sämtliche in der Mitteilung
der Einwände behandelten Gesichtspunkte gestützten Ausführungen (Randnrn. 27
bis 182 der Entscheidung) zunächst zu dem Ergebnis, daß das Vorhaben in seiner
angemeldeten Form mit der ursprünglichen Zusage von P & G, das Nicht-Camelia-Frauenhygienegeschäft von VPS zu veräußern, die neue Einheit P & G in die Lage
versetzen würde, auf dem deutschen und dem spanischen Bindenmarkt unabhängig
von ihren Abnehmern und Wettbewerbern zu agieren (Randnr. 183 der
Entscheidung). So würde P & G in Deutschland nach dem Zusammenschluß einen
wertmäßigen Marktanteil zwischen 60 % und 65 % und einen mengenmäßigen
Marktanteil zwischen 40 % und 45 % haben, während der nächstgrößte
Wettbewerber nur einen wertmäßigen Anteil zwischen 10 % und 15 % und einen
mengenmäßigen Anteil zwischen 5 % und 10 % hätte; zudem würde durch den
Erwerb der Camelia-Marke durch P & G der Zugang zum deutschen Markt für
andere Unternehmen erschwert, daß sie statt über den Erwerb eines bestehenden
Anbieters unmittelbar in den Markt eintreten müßten (Randnr. 184 der
Entscheidung).
- 52.
- Sodann verweist die Kommission darauf, daß P & G angeboten habe, das
angemeldete Zusammenschlußvorhaben durch Zusagen bezüglich des Camelia-Geschäfts von VPS zu modifizieren (Randnr. 186 der Entscheidung).
- 53.
- In der in der Entscheidung wiedergegebenen Verpflichtungserklärung von P & G
heißt es u. a.:
„P & G gibt hiermit gegenüber der Kommission die folgenden Zusagen ab
bezüglich des Camelia-Frauenhygiene-Geschäftsbereichs, welcher im einzelnen
umfaßt: i) die Forchheim Produktionsstätte und die Produktionslinien für die
Herstellung von Frauenhygieneprodukten; ii) die Marke Camelia und iii) alle
anderen Aktiva und Passiva, die Bestandteil des sowie notwendig zum Betrieb des
Camelia-Frauenhygiene-Geschäftsbereichs von VPS (nachfolgend: .der
Geschäftsbereich') sind.
1. P & G verpflichtet sich, so bald wie möglich nach einer Genehmigung des
Zusammenschlusses durch die Kommission unter der Verordnung (EWG) Nr.
4064/89, spätestens aber mit Ablauf des Stichtags für den Erwerb der VPS-Anteile
durch P & G einen unabhängigen Treuhänder (im folgenden .Treuhänder') zu
ernennen, der im Namen von P & G die laufende Geschäftsführung des
Camelia-Geschäftsbereichs überwacht, um dessen Funktionsfähigkeit und
Marktwert weiterhin zu gewährleisten sowie die schnelle und effektive
Ausgliederung aus den übrigen Aktivitäten von P & G sicherzustellen. Der
Treuhänder wird gleichzeitig Goldman Sachs International Limited (.Goldman
Sachs') damit beauftragen, in seinem Namen Verhandlungen mit interessierten
Dritten im Hinblick auf den Verkauf des Geschäftsbereichs zu führen ...
2. P & G verpflichtet sich, daß es dem Treuhänder eine unwiderrufliche Vollmacht
erteilt, innerhalb von ... einen gültigen Erwerber für den Geschäftsbereich zu
finden. Dieser Erwerber muß ein ernsthafter aktueller oder zukünftiger
Wettbewerber sein, der unabhängig von und ohne jegliche Verbindung zu P & G
ist und außerdem die finanziellen Mittel sowie die ausgewiesene Erfahrung im
Konsumgüterbereich besitzt, die es ermöglichen, den Geschäftsbereich als aktive
wettbewerbliche Kraft und in Wettbewerb zu dem Frauenhygienegeschäft von
P & G auf den verschiedenen betroffenen Märkten zu erhalten und fortzuführen ...
...
8. Bis zum Vollzug der Veräußerung des Camelia-Geschäftsbereichs wird P & G
das Zweit- und Handelsmarkengeschäft von VPS nicht in seine eigenen Geschäfts-
und Fertigungsstrukturen von Frauenhygieneprodukten eingliedern.
...“ (Randnr. 186 der Entscheidung).
- 54.
- Die Kommission trägt weiter vor:
„Die Kommission ist überzeugt, daß das Angebot von P & G, den Geschäftsbereich
der Damenbinde Camelia zu veräußern, verhindern wird, daß P & G eine
marktbeherrschende Stellung in Deutschland erlangt und daß seine beherrschende
Stellung in Spanien verstärkt wird. Nach dem Zusammenschluß und nach der
Veräußerung wird sich unter Berücksichtigung der nun nicht mehr erfolgenden
Veräußerung des Nicht-Camelia-Bindengeschäfts von VPS folgende Marktstruktur
in Deutschland und Spanien ergeben (genaue Marktanteile als Geschäftsgeheimnis
entfernt):
|
Deutschland
|
Spanien
|
Wert %
1993
|
Menge %
1993
|
Wert %
1993
|
Menge %
1993
|
P & G
VPS übrige Marken
|
3540
510
|
2025
1015
|
7580
0
|
6570
<1
|
P & G insgesamt
|
4045
|
3035
|
7580
|
6570
|
VPS Camelia
|
2025
|
2025
|
15
|
15
|
J & J
|
1015
|
510
|
15
|
<1
|
Kimberly-Clark
|
<1
|
<1
|
|
|
Handelsmarken
|
1015
|
2025
|
1015
|
1520
|
Sonstige
|
510
|
1015
|
510
|
1015
|
Wie ersichtlich, wird P & G seinen Marktanteil auf dem deutschen Markt um
6,9 % auf wertmäßig insgesamt 43,2 % erhöhen, während Camelia 24,5 % und
J & J 13,4 % halten. Der Zuwachs für P & G geht allein auf den Erwerb der
Zweit- und Handelsmarken von VPS (d. h. keine Premium-Marken) zurück,
P & G's Always-Geschäft wird jedenfalls dem Wettbewerb von zwei bedeutenden
Anbietern von Erstmarken ausgesetzt sein. In Spanien erhöht sich der Anteil von
P & G um weniger als 0,1 %. Die Kommission ist deshalb zu dem Ergebnis
gelangt, daß die Zusagen von P & G hinsichtlich des
Camelia-Frauenhygienegeschäfts von VPS hinreichend sind, um die Entstehung
oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung auf dem deutschen und
spanischen Markt sowie anderweitig im Bereich des EWR zu verhindern“ (Randnr.
187 der Entscheidung).
Maßnahmen, um der Entscheidung nachzukommen
- 55.
- Mit Schreiben vom 5. Juli 1994 teilte P & G der Kommission mit, daß
Verhandlungen wegen der Veräußerung des Camelia-Geschäfts von VPS mit
Kimberly Clark stattfänden und die Veräußerung zum Zeitpunkt des endgültigen
Abschlusses des Verkaufs der Aktiva von VPS an P & G oder kurze Zeit später
erfolgen könne.
- 56.
- Am 20. Juli 1994 gab die Kommission in einem Pressekommuniqué bekannt, daß
der Verkauf von VPS an P & G am 16. Juli 1994 abgeschlossen worden sei;
gleichzeitig sei die gesamte Geschäftstätigkeit von VPS im Frauenhygienebereich
(insbesondere das Camelia-Geschäft) auf Kimberly Clark übertragen worden,
während das Babywindelgeschäft von VPS an die Gruppe Wirths veräußert worden
sei.
- 57.
- Nach den Angaben der Streithelferin P & G wurden am 16. Juli 1994 die Marken
Camelia, Tampona und die Eigenmarken an Kimberly Clark veräußert, während
die Marke Blümia an dieses Unternehmen in Lizenz vergeben wurde. Die Marke
Femina von VPS wurde nach Aussage der Kommission und der Streithelferin von
der deutschen Handelskette Rewe erworben.
Verfahren und Anträge der Beteiligten
- 58.
- Aufgrund dieser Umstände hat Kaysersberg mit Klageschrift, die am 19. September
1994 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.
- 59.
- Mit Schriftsatz, der am 8. Januar 1995 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen
ist, hat P & G beantragt, als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der
Kommission zugelassen zu werden; sie hat nach Artikel 35 § 2 Buchstabe b der
Verfahrensordnung des Gerichts weiter beantragt, ihr zu gestatten, sich im
schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung der englischen Sprache
zu bedienen.
- 60.
- Mit Schriftsatz, der am 1. Februar 1995 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen
ist, hat die Klägerin die vertrauliche Behandlung bestimmter Aktenstücke für den
Fall der Zulassung der Streithilfe beantragt.
- 61.
- Mit Beschluß des Präsidenten der Ersten erweiterten Kammer des Gerichts vom
19. Mai 1995 ist dem Antrag von P & G auf Zulassung als Streithelferin
stattgegeben und der Klägerin für mehrere Aktenstücke die vertrauliche
Behandlung bewilligt worden.
- 62.
- Mit Beschluß vom 16. August 1995 in der Rechtssache T-290/94
(Kaysersberg/Kommission, Slg. 1995, II-2249) hat das Gericht den Antrag von
P & G auf Abweichung von der Sprachenregelung bezüglich des schriftlichen
Verfahrens zurückgewiesen, P & G aber erlaubt, sich in der mündlichen
Verhandlung der englischen Sprache zu bedienen.
- 63.
- Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht beschlossen, die mündliche
Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen. Es hat jedoch im
Rahmen prozeßleitender Maßnahmen nach Artikel 64 der Verfahrensordnung die
Kommission am 24. Januar 1997 aufgefordert, eine Reihe schriftlicher Fragen zu
beantworten und nichtvertrauliche Fassungen verschiedener Schriftstücke
vorzulegen. Die Kommission hat am 19. Februar 1997 die schriftlichen Fragen des
Gerichts beantwortet und die verlangten Schriftstücke vorgelegt.
- 64.
- Die Parteien und die Streithelferin haben in der Sitzung vom 23. April 1997
mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.
- 65.
- Die Klägerin beantragt,
die Entscheidung der Kommission vom 21. Juni 1994 für nichtig zu erklären,
der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
- 66.
- Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
- 67.
- Die Streithelferin beantragt,
die Klage ohne Prüfung der Begründetheit mangels Nachweises eines
Klageinteresses seitens der Klägerin für unzulässig zu erklären oder
die Klage als unbegründet abzuweisen,
der Klägerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der
Streithelferin aufzuerlegen.
- 68.
- In ihrem Schriftsatz zum Streithilfeschriftsatz beantragt die Klägerin,
sämtliche Einwände der Beklagten zurückzuweisen,
der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen.
Zur Zulässigkeit
Zusammenfassung des Vorbringens der Beteiligten
- 69.
- Die Klägerin macht in ihrer Klageschrift geltend, ihre Klage wegen
Nichtigerklärung der Entscheidung sei nach Artikel 173 Absatz 4 EG-Vertrag
zulässig. Zunächst habe sie sich aktiv an dem Verfahren, das dem Erlaß der
Entscheidung vorangegangen sei, beteiligt. Zudem sei sie als Marktführer in
Frankreich und in Belgien in den Bereichen Frauenhygiene, Papiererzeugnisse und
Babyhygiene unmittelbar und individuell betroffen, da der Zusammenschluß den
Zugang zum deutschen Markt, insbesondere dem der Monatsbinden, noch weiter
beschränke. Es handele sich bereits um einen geschlossenen Markt, auf dem die
Klägerin trotz unablässiger geschäftlicher Investitionen und der Nähe ihres
Produktionsstandorts vergeblich versucht habe, Fuß zu fassen. Schließlich habe die
Entscheidung ihr die Möglichkeit genommen, das Camelia-Geschäft zu erwerben,
da es P & G erlaubt worden sei, dieses Geschäft unter undurchsichtigen
Bedingungen an Kimberly Clark zu veräußern.
- 70.
- Die Kommission hat zur Frage der Zulässigkeit der Klage nicht Stellung
genommen.
- 71.
- Die Streithelferin P & G ist der Ansicht, daß die Nichtigkeitsklage für unzulässig
zu erklären sei. Zwar habe die Kommission die Zulässigkeit der vorliegenden Klage
nicht in Frage gestellt, und sie selbst sei als Streithelferin zur Erhebung einer
Unzulässigkeitseinrede nicht befugt, doch habe der Gerichtshof in einem solchen
Fall bereits einmal die Zulässigkeit von Amts wegen geprüft (Urteil vom 15. Juni
1993 in der Rechtssache C-225/91, Matra/Kommission, Slg. 1993, I-3203,
Randnr. 13).
- 72.
- Im vorliegenden Fall habe die Entscheidung keinen spürbaren Einfluß auf die
Wettbewerbsstellung der Klägerin, so daß sie nicht als unmittelbar und individuell
im Sinne des Artikels 173 des Vertrages betroffen angesehen werden könne (Urteil
des Gerichtshofes vom 10. Dezember 1969 in den Rechtssachen 10/68 und 18/68,
Eridania u. a./Kommission, Slg. 1969, 459). Die Streithelferin weist darauf hin, daß
sie im Bereich Frauenhygiene keinen Marktanteil hinzugewonnen habe, da sie
gleichzeitig mit dem Erwerb von VPS nicht nur das Camelia-Geschäft entsprechend
der Entscheidung, sondern auch das Nicht-Camelia-Geschäft veräußert habe. Sie
habe auch keine der Tätigkeiten von VPS auf dem Babywindelmarkt erworben. Im
Bereich Hygienepapiere für den Haushalt seien die erworbenen Marktanteile
unbedeutend.
- 73.
- Zudem habe die Entscheidung der Klägerin nicht die Möglichkeit genommen, das
Camelia-Geschäft zu erwerben, doch habe diese trotz der
Veräußerungsverpflichtung von P & G niemals eine entsprechende Absicht
geäußert.
- 74.
- Schließlich fehle der Klägerin das Klageinteresse, da sie im Falle einer
Nichtigerklärung der Entscheidung nichts zum Ausgleich erhalte und insbesondere
nicht das Camelia-Geschäft erwerben könne. Zudem habe die Kommission die
Einwände der Klägerin im Verwaltungsverfahren weitestgehend berücksichtigt.
Würdigung durch das Gericht
- 75.
- Das Gericht stellt fest, daß die Beklagte nicht beantragt hat, die Klage für
unzulässig zu erklären, sondern sich auf den Antrag beschränkt hat, die Klage als
unbegründet abzuweisen. Nach Artikel 37 Absatz 4 der Satzung des Gerichtshofes,
der nach Artikel 46 Absatz 1 dieser Satzung auf das Verfahren vor dem Gericht
anwendbar ist, können mit den Streithilfeanträgen nur die Anträge einer Partei
unterstützt werden. Der Streithelfer muß zudem nach Artikel 116 § 3 der
Verfahrensordnung des Gerichts den Rechtsstreit in der Lage annehmen, in der
dieser sich zur Zeit des Beitritts befindet.
- 76.
- Daraus folgt, daß die Streithelferin nicht zur Erhebung einer Unzulässigkeitseinrede
befugt ist und das Gericht die von ihr hierzu vorgebrachten Angriffsmittel nicht zu
prüfen braucht (Urteile des Gerichtshofes vom 24. März 1993 in der Rechtssache
C-313/90, CIRFS u. a./Kommission, Slg. 1993, I-1125, Randnrn. 20 bis 22,
Matra/Kommission, a. a. O., Randnr. 12, und Urteile des Gerichts vom 22. Oktober
1996 in der Rechtssache T-266/94, Skibsvearftsforeningen u. a./Kommission, Slg.
1996, II-1399, Randnr. 39, und vom 12. Dezember 1996 in der Rechtssache T-19/92,
Leclerc/Kommission, Slg. 1996, II-1851, Randnr. 50).
- 77.
- Somit besteht keine Veranlassung, die Zulässigkeit der vorliegenden Klage von
Amts wegen zu prüfen.
Zur Begründetheit
- 78.
- Zur Stützung ihrer Klage trägt die Klägerin fünf Klagegründe, die verschiedene
Verstöße gegen wesentliche Formvorschriften betreffen, und einen sechsten
Klagegrund, der offensichtliche Beurteilungsfehler betrifft, vor.
- 79.
- Mit dem ersten Klagegrund wird geltend gemacht, daß unter Verstoß gegen Artikel
19 Absätze 5 und 6 der Verordnung Nr. 4064/89 keine wirkliche und ernsthafte
Anhörung des Beratenden Ausschusses für die Kontrolle von
Unternehmenszusammenschlüssen stattgefunden habe. Der zweite Klagegrund
betrifft einen Verstoß gegen Artikel 18 der Verordnung Nr. 4064/89, da die
Klägerin keine Gelegenheit erhalten habe, zum Inhalt der Zusagen von P & G
Stellung zu nehmen. Mit dem dritten Klagegrund wirft die Klägerin der
Kommission vor, unter Verstoß gegen die Artikel 6 und 8 der Verordnung Nr.
4064/89 und gegen Abschnitt I der Verordnung Nr. 2367/90 eine wesentliche
Änderung der Anmeldung akzeptiert zu haben. Mit dem vierten Klagegrund wird
eine Verletzung der allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts, der
Verordnung Nr. 4064/82 und der Verordnung Nr. 2367/90 gerügt, da die
Kommission keine ausreichende und angemessene Frist vor Erlaß der Entscheidung
eingehalten habe. Der fünfte Klagegrund betrifft einen Begründungsmangel,
wodurch gegen Artikel 190 EG-Vertrag verstoßen worden sei. Schließlich wird mit
dem sechsten Klagegrund ein Verstoß gegen die Artikel 2 und 8 der Verordnung
Nr. 4064/82 geltend gemacht, da der Kommission bei der Frage der Auswirkung
des Zusammenschlusses auf mehrere Märkte offensichtliche Beurteilungsfehler
unterlaufen seien.
Erster Klagegrund: keine wirkliche, ernsthafte Anhörung des Beratenden Ausschusses
Zusammenfassung des Vorbringens der Beteiligten
- 80.
- Die Klägerin macht geltend, daß der Beratende Ausschuß nicht gemäß den
Bedingungen des Artikels 19 Absätze 5 und 6 der Verordnung Nr. 4064/89
angehört worden sei. Der Beratende Ausschuß habe nicht über die Zeit verfügt, die
erforderlich sei, um die von P & G angebotene Zusage der Veräußerung von
Camelia zu prüfen und zu dem Zusammenschlußvorhaben wirklich und ernsthaft
Stellung zu nehmen. Der Ausschuß, der am 15. Juni 1994 von der Kommission
einberufen worden sei, sei nämlich am 20. Juni 1994 zusammengetreten, also
weniger als 14 Tage nach der Versendung des Ladungsschreibens, was gegen
Artikel 19 Absatz 5 verstoße. Die Kommission habe im vorliegenden Fall nicht
dargetan, daß sie die Einberufungsfrist ausnahmsweise verkürzt habe, um einen
P & G drohenden schweren Schaden zu vermeiden.
- 81.
- Zudem habe der Beratende Ausschuß aus den ihm für die Sitzung übermittelten
Unterlagen kein genaues und zuverlässiges Bild von dem Zusammenschlußvorhaben
gewinnen können. So habe der Ausschuß zum einen seine Stellungnahme ohne
Kenntnis der wirklichen Bedeutung des Nicht-Camelia-Geschäfts von VPS
abgegeben, da die ursprüngliche Zusage der Veräußerung dieses Geschäfts immer
noch in dem Verpflichtungsangebot von P & G vom 15. Juni enthalten gewesen sei,
der dem Ausschuß zur Prüfung vorgelegen habe. Zum anderen seien die
Modalitäten für die Veräußerung des Camelia-Geschäfts in dem Angebot vom 15.
Juni nach der Sitzung des Ausschusses wesentlich geändert worden, da ursprünglich
vorgesehen gewesen sei, daß P & G dieses Geschäft an einen Dritten ihrer Wahl
veräußere, die endgültige Verpflichtung das Unternehmen aber stärker gebunden
habe.
- 82.
- Die Kommission macht geltend, daß nach der Rechtsprechung die Nichteinhaltung
der Frist von 14 Tagen allein nicht zur Rechtswidrigkeit der auf der Grundlage der
Verordnung Nr. 4064/89 erlassenen Entscheidung führen könne, wenn die
Einberufung in einer Weise erfolgt sei, die es dem Ausschuß ermöglicht habe, seine
Stellungnahme in voller Kenntnis der Umstände abzugeben (Urteil des Gerichts
vom 10. Juli 1991 in der Rechtssache T-69/89, RTE/Kommission, Slg. 1991, II-485).
Im übrigen sei bei Zusammenschlüssen der Kürze der Fristen Rechnung zu tragen,
die ein kennzeichnendes Merkmal der allgemeinen Systematik der Verordnung Nr.
4064/89 seien (Urteil des Gerichts vom 28. Oktober 1993 in der Rechtssache
T-83/92, Zunis Holding u. a./Kommission, Slg. 1993, II-1169, Randnr. 38). Die
Kommission könne nach Artikel 19 Absatz 5 letzter Satz der Verordnung Nr.
4064/89 die Frist von 14 Tagen in Ausnahmefällen verkürzen, um schweren
Schaden von einem oder mehreren an dem Zusammenschluß beteiligten
Unternehmen abzuwenden. Die Kommission beruft sich zwar nicht auf die Gefahr
eines schweren Schadens für P & G, macht aber geltend, daß ohne eine schnelle
Entscheidung eine Verschlechterung der Lage von VPS zu befürchten gewesen
wäre.
- 83.
- Jedenfalls sei angesichts der Umstände des vorliegenden Falles die Frist, die dem
Beratenden Ausschuß verblieben sei, um die von P & G angebotene Zusage vom
15. Juni über die endgültige Veräußerung des Camelia-Geschäfts zu prüfen,
ausreichend gewesen, um in voller Kenntnis der Sachlage Stellung nehmen zu
können. Die nationalen Behörden seien eng und laufend in das Verfahren
eingeschaltet gewesen, insbesondere durch die Übersendung der wichtigsten
Aktenstücke und die Durchführung zweier förmlicher Anhörungen; der Ausschuß
sei ein erstes Mal bereits am 27. Mai 1994 zusammengetreten.
- 84.
- Im übrigen weiche der Inhalt der endgültigen Zusage von P & G, nämlich das
Camelia-Geschäft nicht zu erwerben, nicht wesentlich von dem Angebot ab, das am
15. Juni dem Beratenden Ausschuß übermittelt worden sei. Lediglich die
Durchführungsmodalitäten seien nach der Stellungnahme des Ausschusses strenger
gestaltet worden. Die ursprüngliche Zusage von P & G, nicht das Nicht-Camelia-Geschäft zu erwerben, sei in der Sitzung des Beratenden Ausschusses immer noch
aktuell gewesen; da nur eine Minderheit des Ausschusses die Auffassung vertreten
habe, daß P & G auch diesen Bereich ausgliedern müsse, habe die Kommission in
Übereinstimmung der mehrheitlich vertretenen Ansicht entschieden, dies von
P & G nicht zu verlangen.
- 85.
- Nach Ansicht der Streithelferin handelt es sich bei den letzten Änderungen ihres
Angebots vom 15. Juni 1994, die sie nach der Sitzung des Ausschusses akzeptiert
habe, im wesentlichen um verfahrensmäßige Änderungen, die von der Kommission
vorgenommen worden seien, um den Stellungnahmen der nationalen Behörden und
Dritter Rechnung zu tragen. Die Kommission habe sich somit den Standpunkt des
Beratenden Ausschusses vollständig zu eigen gemacht, obwohl sie durch dessen
Stellungnahmen nicht gebunden sei. Im übrigen seien im Beratenden Ausschuß
keine Einwände gegen die Einberufungsfrist erhoben worden.
Würdigung durch das Gericht
- 86.
- Nach Artikel 19 Absatz 3 der Verordnung Nr. 4064/89 ist der Beratende Ausschuß
für die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen vor jeder Entscheidung
namentlich nach Artikel 8 Absatz 2 der Verordnung anzuhören. Nach Artikel 19
Absatz 5 dieser Verordnung findet die Sitzung des Ausschusses frühestens 14 Tage
nach der Anberaumung statt. Die Kommission kann diese Frist in Ausnahmefällen
in angemessener Weise verkürzen, um schweren Schaden von einem oder mehreren
an dem Zusammenschluß beteiligten Unternehmen abzuwenden. Schließlich
berücksichtigt die Kommission nach Artikel 19 Absatz 6 der Verordnung „soweit
wie möglich die Stellungnahme des Ausschusses“.
- 87.
- Im vorliegenden Fall steht fest, daß der Beratende Ausschuß zu seiner zweiten
Sitzung am 20. Juni 1994 nicht unter Einhaltung der Frist von 14 Tagen gemäß
Artikel 19 Absatz 5 der Verordnung Nr. 4064/89 einberufen worden ist. Die
Kommission hat darauf hingewiesen, daß sie eine eventuelle Verschlechterung der
Lage von VPS ohne den schnellen Erlaß einer Entscheidung befürchtet habe, doch
hat sie nicht geltend gemacht, die Frist für die Einberufung des Beratenden
Ausschusses verkürzt zu haben, um von diesem Unternehmen oder P & G einen
schweren Schaden abzuwenden. Aus den Erklärungen der Klägerin, die nicht
bestritten worden sind, ergibt sich im übrigen, daß keines dieser beiden
Unternehmen im Verwaltungsverfahren gegenüber der Kommission beantragt hat,
Artikel 7 Absatz 4 der Verordnung anzuwenden, wonach die Kommission
ausnahmsweise den Vollzug eines Zusammenschlusses während des Verfahrens
gestatten kann, um schweren Schaden von einem oder mehreren an dem
Zusammenschluß beteiligten Unternehmen abzuwenden.
- 88.
- Das Gericht ist jedoch der Auffassung, daß die Nichteinhaltung der Frist für die
Einberufung des Beratenden Ausschusses, auch wenn keine außergewöhnlichen
Umstände vorliegen, die die Gefahr eines schweren Schadens im Sinne des Artikels
19 Absatz 5 der Verordnung Nr. 4064/89 in sich bergen, allein nicht zur
Rechtswidrigkeit der endgültigen Entscheidung der Kommission führen kann. Die
genannte Frist von 14 Tagen ist nämlich ebenso wie die Frist für die Einberufung
des Beratenden Ausschusses für Kartell- und Monopolfragen nach Artikel 10
Absatz 5 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste
Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962,
Nr. 13, S. 204), der ebenfalls vorsieht, daß die Anhörung des Ausschusses
„frühestens 14 Tage nach Absendung der Einladung statt[findet]“, eine rein interne
Verfahrensvorschrift. Nach ständiger Rechtsprechung kann die Nichteinhaltung
einer solchen Vorschrift nur dann zur Rechtswidrigkeit der endgültigen
Entscheidung der Kommission führen, wenn sie wesentlicher Natur ist und für die
rechtliche und tatsächliche Situation des Beteiligten, der einen Verfahrensfehler
geltend macht, nachteilige Folgen hat (Urteil RTE/Kommission, a. a. O.,
Randnr. 27). Ein solcher Fall liegt nicht vor, wenn der Beratende Ausschuß
tatsächlich genügend Zeit hatte, um von den wesentlichen Einzelheiten der Sache
Kenntnis zu nehmen und in voller Kenntnis der Umstände zu entscheiden, d. h.
nicht durch Unrichtigkeiten oder Auslassungen in einem wesentlichen Punkt ein
falsches Bild gewonnen hat. In diesem Fall kann die Nichteinhaltung der
Einberufungsfrist nämlich nicht den Ausgang des Anhörungsverfahrens und
gegebenenfalls den Inhalt der endgültigen Entscheidung beeinflussen.
- 89.
- Im vorliegenden Fall hat der Beratende Ausschuß selbst keine Einwände dagegen
erhoben, daß seine Sitzung an dem von der Kommission festgesetzten Tag
stattfindet, d. h. innerhalb eines Zeitraums von weniger als 14 Tagen nach seiner
Einberufung.
- 90.
- Der Beratende Ausschuß konnte sich, wie sich aus seiner Stellungnahme selbst
ergibt, trotz der Kürze der ihm eingeräumten Frist in voller Kenntnis der Sachlage
zu den von P & G angebotenen Zusagen und damit zu dem Entscheidungsentwurf
der Kommission äußern. Auch wenn der Ausschuß der Kommission zugestimmt
hat, daß die Zusagen hinsichtlich der Veräußerung des Camelia-Geschäfts
ausreichend seien, um die Vereinbarkeit des Vorhabens mit dem Gemeinsamen
Markt und dem europäischen Wirtschaftsraum sicherzustellen, hat er doch zum
Ausdruck gebracht, daß verschiedene Punkte bezüglich der Ernennung eines
Treuhänders, der Festlegung einer kürzeren Frist, der Eigenschaften des
potentiellen Erwerbers, der Unabhängigkeit der Geschäftsführung von Camelia bis
zum Vollzug der Veräußerung und schließlich der Möglichkeit der Kommission, die
Eigenschaften der potentiellen Erwerber zu prüfen und die Erfüllung der
Verpflichtungen zu kontrollieren, geklärt und tatsächlich durchgeführt werden
müßten (vgl. oben, Randnr. 39). Dies zeigt, daß der Beratende Ausschuß trotz der
Nichteinhaltung der Einberufungsfrist über die Zeit verfügt hat, die erforderlich ist,
um hinsichtlich der Bedingungen, die seiner Meinung nach für die vorgeschlagene
Veräußerung des Camelia-Geschäfts von VPS erfüllt sein müßten, genaue
Empfehlungen aufzustellen.
- 91.
- Die wesentlichen Punkte dieser Empfehlungen des Ausschusses, die die
Modalitäten der Veräußerung des Camelia-Geschäfts betreffen, sind im übrigen indie endgültige, nach der Ausschußsitzung erstellte Fassung der Zusagen vollständig
übernommen worden. Insbesondere sieht die endgültige Fassung der Zusagen, wie
sie unter Randnummer 186 der Entscheidung wiedergegeben ist, vor, daß mit
Ablauf des Stichtags für den Erwerb von VPS ein Treuhänder von P & G ernannt
und von der Kommission bestätigt wird, um die Veräußerung des Camelia-Geschäfts an einen Erwerber sicherzustellen, der den Anforderungen gewachsen
ist, und daß dieser Erwerber in der Lage sein muß, das Camelia-Geschäft „in
Wettbewerb zu dem Frauenhygienegeschäft von P & G auf den verschiedenen
betroffenen Märkten“ fortzuführen (vgl. oben, Randnr. 53). Das Argument der
Klägerin, daß die Modalitäten der Veräußerung des Camelia-Geschäfts somit nach
der Ausschußsitzung wesentlich geändert worden seien, da sie strenger ausgestaltet
worden seien, kann daher nicht die Behauptung stützen, daß der Ausschuß in
einem wesentlichen Punkt ein falsches Bild gewonnen habe. Da nämlich diese
Änderungen gerade aufgrund der Empfehlungen des Beratenden Ausschusses
vorgenommen worden sind, um die Ausführungsmodalitäten der Zusage von P & G
bezüglich der Veräußerung dieses Geschäfts zu verschärfen, sind sie keineswegs ein
Beweis dafür, daß der Ausschuß nicht in voller Kenntnis der Sachlage hat
entscheiden können, sondern zeigen vielmehr, daß die Kommission die
Stellungnahme dieses Ausschusses gemäß Artikel 19 Absatz 6 der Verordnung Nr.
4064/89 so weit wie möglich berücksichtigt hat.
- 92.
- Ebenso wenig greift das Argument der Klägerin durch, daß der Beratende
Ausschuß die tatsächliche Bedeutung des Nicht-Camelia-Geschäfts nicht habe
beurteilen können, da die von P & G angebotenen Zusagen vom 15. Juni 1994, die
ihm bei seiner Einberufung übermittelt worden seien, nicht ausdrücklich den
Verzicht auf die ursprüngliche Zusage der Veräußerung dieses Geschäfts enthalten
hätten.
- 93.
- Zwar enthielten die von P & G angebotenen Zusagen, die dem Beratenden
Ausschuß mitgeteilt worden sind, keine ausdrückliche Regelung hinsichtlich der
weiteren Behandlung des Nicht-Camelia-Geschäfts von VPS, und P & G teilte der
Kommission erst mit Schreiben vom 16. Juni, d. h. nach der Einberufung des
Beratenden Ausschusses, ihre Absicht mit, dieses Geschäft zu behalten.
- 94.
- Erstens hat aber weder das Fehlen einer Klausel bezüglich des Nicht-Camelia-Geschäfts in den von P & G angebotenen Zusagen, die dem Beratenden Ausschuß
am 15. Juni 1994 übermittelt worden sind, noch die ausdrückliche Unterrichtung
der Kommission nach der Einberufung des Beratenden Ausschusses von der
Absicht des Unternehmens, dieses Geschäft zu behalten, den Ausschuß daran
hindern können, darüber zu entscheiden, ob P & G auch zur Veräußerung des
Nicht-Camelia-Geschäfts verpflichtet werden sollte. Dafür spricht auch, daß nach
der Stellungnahme des Beratenden Ausschusses nur eine Minderheit seiner
Mitglieder am Ende der Sitzung die Auffassung vertreten haben, daß „Procter &
Gamble ... dazu verpflichtet werden [müßte], den Frauenhygiene-Geschäftsbereich
der .Handels- und Zweitmarken' von VPS Schickedanz auszugliedern“ (vgl. oben,
Randnr. 39, Nr. 11 der Stellungnahme des Beratenden Ausschusses). Dies zeigt, wie
sich auch aus den Erklärungen der Kommission ergibt, die nicht bestritten worden
sind, daß der Beratende Ausschuß jedenfalls über die Absicht von P & G bezüglich
des Nicht-Camelia-Geschäfts bei Eröffnung der Sitzung unterrichtet war.
- 95.
- Zweitens enthalten die Akten keinen Anhaltspunkt dafür, daß der Beratende
Ausschuß nicht über die für die Einschätzung der Bedeutung des Nicht-Camelia-Geschäfts von VPS erforderlichen Grundlagen verfügt hat. Vielmehr bestand eine
enge und ständige Verbindung zu den Behörden der Mitgliedstaaten bei der
Prüfung des Zusammenschlußvorhabens, und deren Vertreter im Beratenden
Ausschuß kannten somit in dieser zweiten Sitzung den gesamten wesentlichen
Akteninhalt, u. a. bezüglich des Marktanteils dieses Geschäfts. Abgesehen davon,
daß eine solche Verbindung nach Artikel 19 Absatz 1 der Verordnung Nr. 4064/89
die Übermittlung der wichtigsten Schriftstücke des Verfahrens voraussetzt, ergibt
sich nämlich aus den Akten, daß die Vertreter der Mitgliedstaaten im vorliegenden
Fall an den von der Kommission am 25., 26. April und 6. Mai 1994 veranstalteten
förmlichen Anhörungen der an der Anmeldung Beteiligten und Dritter
teilgenommen und erstmals am 27. Mai 1994 im Beratenden Ausschuß
zusammengetreten sind, um zu dem ersten Entscheidungsentwurf der Kommission
Stellung zu nehmen. Auch wenn der Ausschuß damals seine Stellungnahme auf der
Grundlage eines Entwurfs eines Verbotes des Zusammenschlusses abgegeben hat,
setzte die Beurteilung des Vorhabens, wie es ursprünglich angemeldet worden war,
zwangsläufig eine Analyse der Tragweite der damals von P & G angebotenen
Zusage der Veräußerung des Nicht-Camelia-Geschäfts von VPS und dazu eine
Einschätzung der Bedeutung dieses Geschäfts auf dem relevanten Markt voraus.
- 96.
- Da auch nicht behauptet worden ist, daß eine wichtige, neue, die Bedeutung des
Nicht-Camelia-Geschäfts betreffende Tatsache dem Beratenden Ausschuß nicht
mitgeteilt worden ist, ist das Gericht somit der Auffassung, daß der Ausschuß zu
der Notwendigkeit, daß P & G dieses Geschäft ausgliedert, in voller Kenntnis der
Sachlage Stellung nehmen konnte.
- 97.
- Somit greift der erste Klagegrund nicht durch und ist folglich zurückzuweisen.
Zweiter Klagegrund: keine Anhörung Dritter zu den Zusagen von P & G
Zusammenfassung des Vorbringens der Beteiligten
- 98.
- Die Klägerin macht geltend, daß unter Verstoß gegen Artikel 18 Absätze 1, 3 und
4 der Verordnung Nr. 4064/89 das Verfahren der Anhörung „betroffener
Wettbewerber“ nicht eingehalten worden sei. Sie verweist dazu auf das Urteil des
Gerichtshofes vom 13. Februar 1979 in der Rechtssache 85/76 (Hoffmann-La
Roche/Kommission, Slg. 1979, 461) und rügt, daß ihr keine Gelegenheit geboten
worden sei, ihren Standpunkt zu den Zusagen von P & G gebührend zur Kenntnis
zu bringen, da die Kommission ihr zum einen nur eine Frist von zwei Arbeitstagen
eingeräumt habe, um sich zu den Angeboten von P & G zu äußern, und ihr zum
anderen die endgültige Fassung der Zusagen von P & G nicht für eine vorherige
Stellungnahme mitgeteilt habe, auch wenn diese Zusagen später noch geändert
worden seien. Daher habe die Klägerin zu der Lage, die durch den Erwerb des
Nicht-Camelia-Geschäfts von VPS durch P & G entstanden sei, nicht Stellung
nehmen können, da die von P & G angebotenen Zusagen, die den Dritten am 15.
Juni 1994 mitgeteilt worden seien, nicht den Schluß zugelassen hätten, daß die
ursprüngliche Zusage der Veräußerung des Nicht-Camelia-Geschäfts zurückgezogen
worden sei.
- 99.
- Die Ansicht der Kommission, daß Dritte sich nicht auf Artikel 18 Absatz 4 der
Verordnung Nr. 4064/89 berufen könnten, sei falsch. Die von der Kommission
angeführte Rechtsprechung zu den verfahrensmäßigen Rechten Dritter im Rahmen
der Verordnung Nr. 17 sei im vorliegenden Fall nicht einschlägig, da die
Erwägungen dort nicht auf die Durchführung der Verordnung Nr. 4064/89
übertragbar seien und der Sachverhalt in den genannten Rechtssachen anders
gewesen sei.
- 100.
- Selbst wenn davon auszugehen wäre, daß die in Artikel 18 Absätze 1, 2 und 3 der
Verordnung Nr. 4064/89 genannten Unternehmen anders zu behandeln seien, hätte
die Klägerin nach Artikel 18 Absatz 4 dieser Verordnung von der Kommission
rechtzeitig und auf der Grundlage einer vollständigen Unterrichtung angehört
werden müssen. Dritte hätten nämlich das Recht, am Verwaltungsverfahren
beteiligt zu werden, um ihre berechtigten Interessen zu schützen (Urteil des
Gerichts vom 15. Juli 1994 in der Rechtssache T-17/93, Matra
Hachette/Kommission, Slg. 1994, II-595). Das Recht der Wettbewerber auf
Beteiligung am Verfahren müsse bei der Kontrolle von Zusammenschlüssen um so
mehr beachtet werden, als die Lage vor dem Zusammenschluß später nur schwer
wiederherstellbar sei. Zudem müsse die Beschneidung der Rechte Dritter durch das
Fehlen eines Beschwerdeverfahrens durch deren Möglichkeit ausgeglichen werden,
von allen Verpflichtungen, die die Parteien in dem Verfahren eingegangen seien,
Kenntnis zu erhalten. Schließlich würden die Beschwerdeführer im Rahmen der
Verordnung Nr. 17 über die Verpflichtungen, die die in der Beschwerde
angeführten Unternehmen eingegangen seien, unterrichtet, und die Kommission
erlasse eine endgültige Entscheidung erst, nachdem sie deren Stellungnahme hierzu
erhalten habe (Urteil des Gerichtshofes vom 17. November 1987 in den
Rechtssachen 142/84 und 156/84, BAT und Reynolds/Kommission, Slg. 1987, 4487).
- 101.
- Die Kommission weist darauf hin, daß Artikel 18 Absätze 1, 2 und 3 der
Verordnung Nr. 4064/89 nur die an einem Zusammenschluß beteiligten
Unternehmen, im vorliegenden Fall P & G, GGS und VPS, und nicht Dritte wie
die Klägerin betreffe, die sich daher nur auf Absatz 4 dieses Artikels berufen
könnten (Urteil des Gerichts vom 24. März 1994 in der Rechtssache T-3/93, Air
France/Kommission, „Dan Air“, Slg. 1994, II-121, Randnr. 81). Zudem hätten der
Gerichtshof und das Gericht wiederholt auf den Unterschied zwischen dem
Anhörungsrecht der betroffenen Unternehmen und den Rechten Dritter nach den
verschiedenen Verfahrensregelungen im Wettbewerbsrecht hingewiesen (Urteile
des Gerichtshofes vom 9. Juli 1987 in der Rechtssache 43/85, Ancides/Kommission,
Slg. 1987, 3131, und BAT und Reynolds/Kommission, a. a. O., Urteil Matra
Hachette/Kommission, a. a. O.). Zu dem Argument, das Kontrollverfahren bei
Zusammenschlüssen und die Durchführung der Artikel 85 und 86 seien nicht
vergleichbar, trägt die Kommission vor, ihre Kontrollen nach den Artikeln 85, 86
und 92 bis 94 des Vertrages und nach der Verordnung Nr. 4064/89 sollten einander
ergänzend ein System eines nicht verfälschten Wettbewerbs auf dem Gemeinsamen
Markt sicherstellen. Was das Fehlen eines Beschwerdeverfahrens bei der Kontrolle
der Zusammenschlüsse angehe, so handele es sich dabei um eine Entscheidung des
Gemeinschaftsgesetzgebers; jedenfalls seien nach Artikel 4 Absätze 1 und 3 der
Verordnung Nr. 4064/89 die an einem Zusammenschluß von gemeinschaftsweiter
Bedeutung beteiligten Unternehmen verpflichtet, dieses Vorhaben anzumelden, und
die Kommission müsse nach dieser Bestimmung die Anmeldung im Amtsblatt der
Europäischen Gemeinschaften veröffentlichen.
- 102.
- Im vorliegenden Fall macht die Kommission erstens geltend, sie habe nicht gegen
Artikel 18 Absatz 4 der Verordnung Nr. 4064/89 verstoßen, indem sie Kaysersberg
nur eine Frist von zwei Arbeitstagen zur Prüfung der von P & G angebotenen
Zusagen eingeräumt habe. Da die Klägerin an dem gesamten Verfahren beteiligt
gewesen sei, habe sie gewußt, daß die Frage der Weiterveräußerung von Camelia
das Haupthindernis für die Genehmigung des Vorhabens gewesen sei, und habe
über die von P & G angebotenen Zusagen nicht überrascht sein können. Zudem
zeige die Tatsache, daß die Klägerin ihre Stellungnahme bereits am 17. statt am 20.
Juni übermittelt habe, daß sie ihren Standpunkt gebührend habe zur Geltung
bringen können.
- 103.
- Zweitens habe die Kommission keine verfahrensmäßigen Rechte der Klägerin
verletzt, indem sie ihr mit der Aufforderung zu einer Stellungnahme zu den
Zusagen von P & G nicht deren endgültige Fassung übermittelt habe. Zunächst
hätten Dritte anders als die in Artikel 18 Absatz 1 der Verordnung Nr. 4064/89
genannten Unternehmen kein Recht, in allen Abschnitten des Verfahrens zur
Prüfung eines Zusammenschlusses gehört zu werden. Zudem hätten die endgültigen
Zusagen von P & G den Stellungnahmen der Dritten, insbesondere der Klägerin,
weitgehend Rechnung getragen, da die Verfahrensmodalitäten für die Veräußerung
von Camelia verschärft worden seien und die Dritten im Verfahren stets die
geringe Bedeutung der ursprünglichen Zusage von P & G, das Nicht-Camelia-Geschäft von VPS zu veräußern, herausgestellt hätten. Infolgedessen habe sich die
Kommission nicht für verpflichtet gehalten, die Dritten bezüglich der endgültigen
Fassung der Zusagen anzuhören, da diese Zusagen insbesondere unter
Berücksichtigung der vorangegangenen Äußerungen der Dritten die Gefahr der
Begründung einer beherrschenden Stellung nach ihrer Ansicht ausgeschlossen
hätten. Bei jeder anderen Lösung wäre zu befürchten gewesen, daß die Fristen
nach der Verordnung Nr. 4064/89 nicht hätten eingehalten werden können.
- 104.
- Nach Ansicht der Streithelferin haben Dritte nach Artikel 18 Absatz 4 dieser
Verordnung nur das Recht auf eine summarische Auskunft über das angemeldete
Vorhaben. Die Kommission sei nicht verpflichtet, Dritten bei der Aufforderung zu
einer Stellungnahme die im Verfahren angebotenen Zusagen mitzuteilen. Somit
habe die Kommission den Dritten über ihre Verpflichtungen nach der Verordnung
Nr. 4064/89 hinaus die Möglichkeit zu einer Stellungnahme geboten. Zudem habe
die Klägerin nicht dargetan, daß die Entscheidung inhaltlich anders ausgefallen
wäre, wenn das Anhörungsverfahren anders durchgeführt worden wäre, so daß ein
Verfahrensfehler nicht bewiesen sei.
Würdigung durch das Gericht
- 105.
- Wie sich aus Artikel 18 der Verordnung Nr. 4064/89 über die „Anhörung
Beteiligter und Dritter“ klar ergibt, kann die verfahrensrechtliche Stellung Dritter
wie der Klägerin nicht mit der Stellung der in den ersten drei Absätzen dieses
Artikels genannten betroffenen Personen, Unternehmen und
Unternehmensvereinigungen gleichgesetzt werden. Während nämlich die von dem
betreffenden Zusammenschluß betroffenen Personen, d. h. die an dem der
Kommission zur Prüfung vorgelegten Zusammenschlußvorhaben Beteiligten, nachdiesen Bestimmungen über besondere Garantien verfügen, durch die die Beachtung
ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör im Verwaltungsverfahren gewährleistet ist,
wird Dritten, die gegebenenfalls nur durch die Folgewirkungen der Entscheidung
berührt werden, in Artikel 18 Absatz 4 nur das Recht auf Anhörung durch die
Kommission zuerkannt, sofern sie dies beantragt und den Nachweis erbracht haben,
daß sie insoweit über ein hinreichendes Interesse verfügen (Urteil des Gerichts vom
27. April 1995 in der Rechtssache T-96/92, CCE de la Société générale des grandes
sources u. a./Kommission, Slg. 1995, II-1213, Randnr. 56, und Urteil Dan Air,
a. a. O., Randnr. 81).
- 106.
- Diese Auslegung wird entgegen der Ansicht der Klägerin durch das genannte Urteil
Ancides/Kommission bestätigt, in dem der Gerichtshof festgestellt hat, daß die
verfahrensrechtliche Stellung der qualifizierten Dritten im Rahmen der Verordnung
Nr. 17, deren Artikel 19 Absatz 2 ausdrücklich und in gleicher Weise wie Artikel
18 Absatz 4 der Verordnung Nr. 4064/89 bestimmt, daß die Dritten, die ein
hinreichendes Interesse darlegen, nur auf Antrag zu hören sind, nicht mit der
verfahrensrechtlichen Stellung der Beteiligten gleichgesetzt werden kann (vgl. auch
Urteil CCE de la Société générale des grandes sources u. a./Kommission, a. a. O.,
Randnr. 56). Daß in dieser Rechtssache der Dritte keinen Antrag auf Anhörung
in dem Verfahren vor der Kommission gestellt hatte, ist für die Frage, welche
Vorschriften auf Dritte im Rahmen der Verordnung Nr. 4064/89 anwendbar sind,
ohne Bedeutung. Ebenso kann die Klägerin mit dem Argument, daß die Urteile
BAT und Reynolds/Kommission sowie Matra Hachette/Kommission die
Akteneinsicht Dritter beträfen, nicht in Frage stellen, daß im Rahmen der
Verordnung Nr. 4064/89 für Dritte nur Artikel 18 Absatz 4 in Betracht kommt.
- 107.
- Somit kann sich die Klägerin, die im Verfahren die Stellung eines Dritten hat, nicht
auf die gleichen Garantien, wie sie den Beteiligten gewährt werden, und
insbesondere nicht auf die Rechte berufen, die den Beteiligten nach Artikel 18
Absätze 1 und 3 eingeräumt sind, wonach letzteren vor Erlaß einer Entscheidung
aufgrund des Artikels 8 Absatz 2 Unterabsatz 2 Gelegenheit zu geben ist, „sich zu
den ihnen gegenüber geltend gemachten Einwänden in allen Abschnitten des
Verfahrens bis zur Anhörung des Beratenden Ausschusses zu äußern“, und die
„Kommission ... ihre Entscheidungen nur auf die Einwände [stützt], zu denen die
Betroffenen Stellung nehmen konnten“.
- 108.
- Wenn auch die verfahrensmäßigen Rechte der Dritten nicht so weit reichen wie die
Rechte, die den Beteiligten gewährt werden, um die Beachtung ihres Anspruchs auf
rechtliches Gehör sicherzustellen, haben die qualifizierten Dritten, soweit sie ein
hinreichendes Interesse darlegen, nach Artikel 18 Absatz 4 der Verordnung Nr.
4064/89 doch das Recht auf Anhörung, wenn sie einen entsprechenden Antrag
stellen. Dazu bestimmt Artikel 15 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2367/90, daß die
Kommission Dritte, wenn sie ein hinreichendes Interesse darlegen und nach Artikel
18 Absatz 4 der Verordnung Nr. 4064/89 ihre Anhörung beantragen, „schriftlich
über Art und Gegenstand des Verfahrens [unterrichtet] und ... ihnen einen Frist zur
Äußerung [setzt]“. Absatz 2 dieses Artikels lautet: „Die in Absatz 1 bezeichneten
dritten Personen äußern sich innerhalb der festgesetzten Frist schriftlich oder
mündlich. Sie können ihre mündlichen Äußerungen schriftlich bestätigen.“
Andererseits kann die Kommission, falls Dritte mit einem hinreichenden Interesse
ihre Anhörung nicht beantragen, diesen gemäß Absatz 3 dieses Artikels
„Gelegenheit zur Äußerung geben“. Eine Pflicht zur Unterrichtung besteht danach
aber nicht.
- 109.
- Wie sich aus der Gesamtheit dieser Bestimmungen ergibt, haben Dritte, die mit
den am Zusammenschluß Beteiligten in Wettbewerb stehen, auf entsprechenden
Antrag ein Recht auf Anhörung durch die Kommission, um zu den für sie
nachteiligen Wirkungen des angemeldeten Zusammenschlußvorhabens Stellung zu
nehmen, wobei aber dieses Recht mit der Beachtung der Verteidigungsrechte und
dem Hauptziel der Verordnung, der Sicherstellung einer wirksamen Kontrolle und
der Rechtssicherheit für die der Verordnung unterliegenden Unternehmen, in
Einklang zu bringen ist (vgl. z. B. Beschluß des Präsidenten des Gerichts vom 2.
Dezember 1994 in der Rechtssache T-322/94 R, Union Carbide/Kommission, Slg.
1994, II-1159, Randnr. 36).
- 110.
- Somit ist im Rahmen dieses Systems des Schutzes der Rechte der Beteiligten bzw.
der Dritten zu entscheiden, ob im vorliegenden Fall die verfahrensmäßigen Rechte
der Klägerin dadurch verletzt worden sind, daß ihr nicht Gelegenheit gegeben
worden ist, ihren Standpunkt zu den Zusagen von P & G gebührend darzulegen.
Die Klägerin trägt dazu vor, zum einen habe sie nicht über eine ausreichende Frist
verfügt, um zu den Angeboten von P & G vom 15. Juni 1994 Stellung zu nehmen,
und zum anderen sei sie nicht zu der endgültigen Fassung der Zusagen gehört
worden, aus der sich ergebe, daß P & G das Nicht-Camelia-Geschäft habe behalten
dürfen.
- 111.
- Wie sich aus den Akten ergibt, war die Klägerin vor ihrer Unterrichtung durch die
Kommission am 15. Juni 1994 über die von P & G angebotenen Zusagen in ihrer
Eigenschaft als qualifizierte Dritte eng am Verfahren beteiligt und erhielt nach
ihrem Antrag auf Anhörung gemäß Artikel 15 Absatz 1 der Verordnung Nr.
2367/90 insbesondere eine Kopie der an P & G gerichteten Mitteilung der
Einwände, aus der sich ergab, daß der Erwerb von VPS und ihrer Marke Camelia
durch P & G geeignet war, eine beherrschende Stellung auf dem deutschen Markt
für Monatsbinden zu begründen. Neben ihrem Schriftwechsel mit der Kommission
nahm die Klägerin auch an den förmlichen Anhörungen vom 25., 26. April und 6.
Mai 1994 teil und wies in der ersten Anhörung insbesondere nachdrücklich auf die
Gefahren des Erwerbs von Camelia durch P & G hin.
- 112.
- In diesem Kontext, der zeigt, daß der Erwerb des Camelia-Geschäfts von VPS
durch P & G sowohl für die Kommission als auch für die Klägerin das
Haupthindernis für eine Genehmigung des Zusammenschlußvorhabens darstellte,
übermittelte die Kommission der Klägerin mit Fernkopie vom 15. Juni 1994 auf der
Grundlage von Artikel 15 der Verordnung Nr. 2367/90 eine nichtvertrauliche
Fassung der von P & G angebotenen Zusage, das Camelia-Geschäft von VPS nicht
zu erwerben, und forderte sie auf, sich hierzu bis zum 20. Juni 1994 zu äußern. Wie
sich aus den Akten ergibt, konnte die Klägerin in ihrem Schreiben vom 17. Juni
1994 wesentliche Punkte bezüglich der von P & G angebotenen Zusage zur
Sprache bringen, indem sie namentlich Änderungen der Veräußerungsmodalitäten
verlangte, von denen einige bezüglich der Eigenschaften des potentiellen
Erwerbers, der Notwendigkeit, die Wahl des Erwerbers von der vorherigen
Zustimmung der Kommission abhängig zu machen, und der Gewährleistung der
Unabhängigkeit der Mittel für das Camelia-Geschäft, in die endgültige Fassung der
Zusagen im wesentlichen übernommen wurden.
- 113.
- Unter diesen Umständen und angesichts der Tatsache, daß Artikel 15 Absatz 2 der
Verordnung Nr. 2367/90 keine besondere Verpflichtung hinsichtlich der Länge der
von der Kommission festgesetzten Frist enthält, kann der Umstand allein, daß die
Klägerin nur über eine Frist von zwei Werktagen verfügt hat, um sich zu den von
P & G angebotenen Änderungen des geplanten Zusammenschlusses zu äußern, im
vorliegenden Fall nicht als Nachweis dafür dienen, daß die Kommission das
Anhörungsrecht der Klägerin nach Artikel 18 Absatz 4 der Verordnung Nr. 4064/89
verletzt hat. Dies gilt um so mehr, als das berechtigte Interesse der qualifizierten
Dritten an einer Anhörung zwar die Gewährung einer ausreichenden Frist hierfür
erforderlich machen kann, dieses Erfordernis aber mit dem Beschleunigungsgebot
in Einklang gebracht werden muß, das für die allgemeine Systematik der
Verordnung Nr. 4064/89 kennzeichnend ist und von der Kommission verlangt,
Ausschlußfristen für den Erlaß der endgültigen Entscheidung einzuhalten, da sonst
das Vorhaben als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt gilt (vgl. Urteil
Dan Air, a. a. O., Randnr. 67, und Beschluß des Präsidenten des Gerichts vom 15.
Dezember 1992 in der Rechtssache T-96/92, CCE del la Société générale des
grandes sources u. a./Kommission, Slg. 1992, II-2579, Randnr. 30).
- 114.
- Somit greift der Klagegrund, daß der Klägerin eine unzureichende Frist gewährt
worden ist, um zu den von P & G angebotenen Zusagen Stellung zu nehmen, nicht
durch.
- 115.
- Mit der Rüge, daß ihr die endgültigen Zusagen, die P & G in Abänderung des
ursprünglich geplanten Zusammenschlusses abgegeben habe, nicht für eine
vorherige Stellungnahme übermittelt worden seien, macht die Klägerin geltend, daß
sie keine Gelegenheit erhalten habe, sich zu dem Erwerb des Nicht-Camelia-Geschäfts durch P & G zu äußern. Dazu ist festzustellen, daß die von P & G
angebotenen Zusagen, die der Klägerin am 15. Juni 1994 übermittelt worden sind,
keine Regelung bezüglich des Nicht-Camelia-Geschäfts von VPS enthielten; erst mit
Schreiben vom 16. Juni 1994 bestätigte P & G gegenüber der Kommission die
Rücknahme ihres ursprünglichen Angebots, dieses Geschäft nicht zu erwerben,
ohne daß die Klägerin hierüber von der Kommission ausdrücklich unterrichtet
worden wäre.
- 116.
- Erstens ist jedoch festzustellen, daß die Klägerin, auch wenn eine ausdrückliche
Regelung bezüglich der weiteren Behandlung des Nicht-Camelia-Geschäfts in den
von P & G angebotenen und der Klägerin am 15. Juni 1994 übermittelten Zusagen
fehlte, zu diesem Zeitpunkt nicht von Rechts wegen erwarten konnte, daß P & G
ihr ursprüngliche Zusage, dieses Geschäft von VPS nicht zu erwerben,
aufrechterhalten würde und daß die Kommission die Genehmigung des geplanten
Zusammenschlusses von der Aufrechterhaltung dieser Zusage abhängig machen
würde.
- 117.
- Wie sich nämlich aus Nummer 10 der an P & G gerichteten Mitteilung der
Einwände, zu der die Klägerin Stellung nehmen sollte, ergibt, hat P & G
ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die von ihr angebotene Zusage nur
aufrechterhalten werde, wenn das Vorhaben in seiner angemeldeten Form als mit
dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt werde, so daß jede spätere Änderung
des ursprünglichen Zusammenschlußvorhabens diese von P & G bei der
Anmeldung angebotene Zusage ersetzen konnte. Die Klägerin hat auch nichts zum
Beweis ihrer Behauptung vorgetragen, die Kommission habe im Verfahren zum
Ausdruck gebracht, daß sie das Vorhaben nur genehmigen werde, sofern der
gesamte Frauenhygienebereich von VPS veräußert werde. Die Klägerin hat
vielmehr selbst die Kommission darauf hingewiesen, daß dieses ursprüngliche
Angebot unangemessen sei, da sie in ihren Erklärungen vom 31. Januar 1994
vorgetragen hat, daß die „von P & G angebotenen Modifizierungen deren
beherrschende Stellung auf dem deutschen Markt für Monatsbinden namentlich
wegen des schwindenden und beinahe unbedeutenden Anteils der Erzeugnisse der
Marken Blümia und Femina nicht verringern können“. Somit verfügte die Klägerin
nach der Mitteilung der Zusagen von P & G am 15. Juni 1994 über sämtliche
Informationen, die für eine Stellungnahme von Bedeutung waren, und es war daher
ihre Sache, sich dazu zu äußern, ob die angebotenen Zusagen ausreichend waren.
- 118.
- Zweitens ist festzustellen, daß die Klägerin mit Schreiben vom 17. Juni 1994
tatsächlich den Wunsch geäußert hatte, daß P & G sich zur Veräußerung des
gesamten Frauenhygienegeschäfts von VPS an einen einzigen Erwerber verpflichte,
damit dieser über genügend Gewicht für einen wirksamen Wettbewerb auf dem
Markt verfüge, was unter den gegebenen Umständen zwangsläufig bedeutete, daß
sich die Klägerin dagegen aussprach, P & G zu erlauben, das Nicht-Camelia-Geschäft von VPS zu behalten. Diese Auslegung wird durch die Erklärungen der
Klägerin in der Sitzung bestätigt, in der sie vorgetragen hat, daß sie auf diese Weise
ihren Standpunkt hinsichtlich der Notwendigkeit einer Veräußerung des Camelia-Geschäfts und des Nicht-Camelia-Geschäfts von VPS durch P & G habe darlegen
können.
- 119.
- Somit ist der Klägerin im vorliegenden Fall Gelegenheit gegeben worden, ihren
Standpunkt hinsichtlich der Tragweite und der Art der Zusagen darzulegen, die
nach ihrer Meinung von diesem Unternehmen abzugeben und von der Kommission
als Bedingungen oder Auflagen vorzuschreiben waren, um das Vorhaben als mit
dem Gemeinsamen Markt vereinbar ansehen zu können. Dem berechtigten
Interesse qualifizierter Dritter wie der Klägerin, ihren Standpunkt hinsichtlich der
nachteiligen Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Wettbewerb
darzulegen, wird unter Berücksichtigung der genannten Grundsätze in vollem
Umfang Genüge getan, wenn diese Dritten wie im vorliegenden Fall in der Lage
sind, aufgrund sämtlicher Informationen, die ihnen von der Kommission während
des Verfahrens nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr. 4064/89
mitgeteilt worden sind, und insbesondere aufgrund der von den betroffenen
Unternehmen angebotenen Zusagen Stellung zu den Änderungen zu beziehen, die
an dem Zusammenschlußvorhaben vorgenommen werden sollen, um ernsthafte
Bedenken gegen dessen Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt auszuräumen.
In einem solchen Fall ist nämlich hinreichend gewährleistet, daß die Stellungnahme
der konkurrierenden Dritten gegebenenfalls von der Kommission berücksichtigt
werden kann, um die Rechtmäßigkeit des Zusammenschlußvorhabens nach
Gemeinschaftsrecht zu beurteilen und insbesondere zu entscheiden, ob die von den
betroffenen Unternehmen angebotenen Zusagen ihr hierfür ausreichenderscheinen.
- 120.
- Im Gegensatz zu der Meinung der Klägerin kann die Kommission zudem nach
Artikel 18 Absatz 4 der Verordnung Nr. 4064/89 nicht verpflichtet sein,
qualifizierten Dritten für eine vorherige Stellungnahme die endgültige Fassung der
Zusagen mitzuteilen, die die betroffenen Unternehmen aufgrund der Einwände
abgegeben haben, die die Kommission erhoben hat, nachdem sie bei den Dritten
Stellungnahmen zu den Zusagen der betreffenden Unternehmen eingeholt hat. Wie
bereits ausgeführt (siehe oben, Randnr. 107) verfügen die qualifizierten Dritten
nämlich nicht über die gleichen Garantien, wie sie den Betroffenen eingeräumt
sind, um die Beachtung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör im Laufe des
Verfahrens der Kommission zu gewährleisten. Insbesondere ist nach Artikel 18
Absatz 1 nur den Betroffenen Gelegenheit zu geben, sich zu den ihnen gegenüber
geltend gemachten Einwänden in allen Abschnitten des Verfahrens bis zur
Anhörung des Beratenden Ausschusses zu äußern, zumal wenn die Kommission wie
im vorliegenden Fall beabsichtigt, ihre Entscheidung nach Artikel 8 Absatz 2
Unterabsatz 2 der Verordnung Nr. 4064/89 mit Bedingungen und Auflagen zu
verbinden, um sicherzustellen, daß die beteiligten Unternehmen den von ihnen
übernommenen Verpflichtungen nachkommen. Da die Bedingungen grundsätzlich
nur den betroffenen Unternehmen und den anderen betroffenen Personen
gegenüber festgesetzt werden, muß daher nur diesen Gelegenheit gegeben werden,
ihren Standpunkt zu den Einwänden gegen die angebotenen Zusagen gebührend
darzulegen, damit sie die Möglichkeit haben, gegebenenfalls die erforderlichen
Änderungen vorzunehmen, und damit die Beachtung ihrer Verteidigungsrechte
gewährleistet ist.
- 121.
- Das Argument der Klägerin, daß die qualifizierten Dritten ebenso wie die
Beschwerdeführer im Sinne des Artikels 3 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 über
das Ergebnis der Verhandlungen der Kommission mit den betroffenen
Unternehmen unterrichtet werden müßten, ist ebenfalls zurückzuweisen. Der
Gerichtshof hat in dem von der Klägerin angeführten Urteil BAT und
Reynolds/Kommission festgestellt, daß die Rechte der Beschwerdeführer voll
gewahrt werden, wenn sie in den gemäß Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63/EWG
der Kommission vom 25. Juli 1963 über die Anhörung nach Artikel 19 Absätze 1
und 2 der Verordnung Nr. 17 des Rates (ABl. 1963, Nr. 127, S. 2268) an sie
gerichteten Schreiben über das Ergebnis der Verhandlungen, aufgrund dessen die
Kommission die Einstellung der Verfahren ins Auge faßt, unterrichtet werden, um
ihnen Gelegenheit zu einer eventuellen zusätzlichen Stellungnahme zu geben. Im
vorliegenden Fall war die Fassung der Zusagen, die der Klägerin übermittelt wurde,
um ihr Gelegenheit zu einer Stellungnahme zu geben, nach Ansicht der
Kommission auch ausreichend, um eine Vereinbarkeitserklärung in Betracht zu
ziehen. Mit den späteren Änderungen sollte gerade den zusätzlichen
Stellungnahmen der Dritten und des Beratenden Ausschusses Rechnung getragen
werden. Somit hat die Klägerin mit ihrem auf das Urteil BAT und
Reynolds/Kommission gestützten Vorbringen nicht dartun können, daß ihre
verfahrensmäßigen Rechte von der Kommission verletzt worden sind. Da die
Verordnung Nr. 4064/89 kein Beschwerdeverfahren vorsieht, um einen Verstoß
gegen Vertragsbestimmungen feststellen zu lassen, ist außerdem jedenfalls keine
Analogie zwischen den Rechten der Dritten im vorliegenden Fall und den Rechten
der Beschwerdeführer im Rahmen der Verordnung Nr. 17 und erst recht keine
zwischen Artikel 15 der Verordnung Nr. 2367/90 und Artikel 6 der Verordnung Nr.
99/63 möglich.
- 122.
- Nach alledem kann sich die Klägerin nicht auf eine Verletzung ihres Anspruchs auf
rechtliches Gehör im Sinne des Artikels 18 Absatz 4 der Verordnung Nr. 4064/89
berufen.
- 123.
- Somit ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen.
Dritter Klagegrund: wesentliche Änderungen der Anmeldung
Zusammenfassung des Vorbringens der Parteien
- 124.
- Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe gegen die Artikel 6 und 8 der
Verordnung Nr. 4064/89 sowie gegen Abschnitt I der Verordnung Nr. 2367/90 über
die Anmeldungen verstoßen, indem sie zugelassen habe, daß P & G ihre
ursprüngliche Zusage bezüglich des Nicht-Camelia-Geschäfts durch die Zusage
ersetzt habe, nicht die Kontrolle über das Camelia-Geschäft von VPS zu erwerben.
Dies sei eine wesentliche Änderung der Anmeldung, da die ursprüngliche Zusage
von P & G bezüglich des Nicht-Camelia-Geschäfts von VPS ebenso Bestandteil der
Anmeldung gewesen sei wie die Zusage, nicht die Kontrolle über das
Babywindelgeschäft von VPS zu erwerben. Außerdem entspreche diese Änderung
einem radikalen Wandel der Strategie von P & G, der es ihr erlaube, sich unter
Beibehaltung eines nicht unerheblichen Marktanteils im Sektor Frauenhygiene auf
den Sektor Papiererzeugnisse zu konzentrieren. Die Kommission hätte daher
gemäß Artikel 6 der Verordnung, nach dem sie das Vorhaben eines
Zusammenschlusses in der angemeldeten Form prüfen müsse, die Änderungen der
Zusagen von P & G zurückweisen und eine neue Anmeldung verlangen müssen,
die nur die Veräußerung des Camelia-Geschäfts beinhaltet hätte.
- 125.
- Die Kommission trägt vor, sie selbst habe entschieden, von P & G nicht den
Weiterverkauf des Nicht-Camelia-Geschäfts zu verlangen; P & G habe daher die
Modalitäten ihres Zusammenschlusses nicht geändert, indem sie ihre ersten
Zusagen nicht aufrechterhalten habe. Nach Artikel 8 Absatz 2 Unterabsatz 2 der
Verordnung Nr. 4064/89 könne die Kommission nur Bedingungen und Auflagen
festsetzen, die für die Genehmigung eines Zusammenschlußvorhabens unbedingt
erforderlich seien; sie sei berechtigt, eine ursprüngliche Zusage eines
Unternehmens nicht mehr als Bedingung aufrechtzuerhalten, wenn aufgrund
späterer bedeutsamerer Zusagen die ursprüngliche nicht mehr erforderlich sei.
Diese Entscheidung sei im vorliegenden Fall um so mehr gerechtfertigt gewesen,
als sie im Verfahren stets die Auffassung vertreten habe, daß die ursprüngliche
Zusage von P & G bezüglich des Nicht-Camelia-Geschäfts das Problem des
Wettbewerbs auf dem relevanten Markt nicht lösen könne, und die Wettbewerber,
darunter die Klägerin, selbst die sehr geringe Bedeutung dieser Zusage
hervorgehoben hätten.
- 126.
- Die Streithelferin macht geltend, daß die Anmeldung sich auf den Erwerb
sämtlicher Geschäftsbereiche von VPS im Sektor Frauenhygiene durch P & G
bezogen habe und alle erforderlichen Informationen bezüglich des Camelia-Geschäfts und des Nicht-Camelia-Geschäfts enthalten habe. Zudem bestehe bei
dem Vorhaben ein klarer Unterschied zwischen dem Frauenhygienegeschäft und
dem Babyhygienegeschäft, da nur dieses letztere vor seiner endgültigen
Veräußerung auf eine getrennte rechtliche Einheit übertragen worden sei. Im
übrigen sei das Angebot in der Anmeldung, nicht die Kontrolle über das Nicht-Camelia-Geschäft zu erwerben, von der ausdrücklichen aufschiebenden Bedingung
einer Genehmigung des Vorhabens nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der
Verordnung Nr. 4064/89 abhängig gemacht worden. Infolgedessen sei das Angebot
nach Einleitung des Verfahrens nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c der
Verordnung hinfällig geworden, wie sich aus dem Schreiben vom 16. Juni 1994 an
die Kommission ergebe.
Würdigung durch das Gericht
- 127.
- Im Rahmen der Verordnung Nr. 4064/89 bietet die Einleitung des Verfahrens nach
Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c den betroffenen Unternehmen u. a. Gelegenheit,
ihr ursprüngliches Zusammenschlußvorhaben zu ändern, um die ernsthaften
Bedenken der Kommission hinsichtlich der Vereinbarkeit des Vorhabens mit dem
Gemeinsamen Markt zu zerstreuen. Die den betroffenen Unternehmen auf diese
Weise eingeräumte Gelegenheit einer Änderung des angemeldeten Vorhabens ist
ausdrücklich in Artikel 8 Absatz 2 der Verordnung vorgesehen, wonach die
Kommission zum einen den Zusammenschluß als mit dem Gemeinsamen Markt
vereinbar erklärt, wenn sie „fest[stellt], daß ein angemeldeter Zusammenschluß
gegebenenfalls nach entsprechenden Änderungen durch die beteiligten
Unternehmen den Voraussetzungen des Artikels 2 Absatz 2 entspricht“, und zum
andern „diese Entscheidung mit Bedingungen und Auflagen verbinden [kann], um
sicherzustellen, daß die beteiligten Unternehmen den Verpflichtungen
nachkommen, die sie gegenüber der Kommission hinsichtlich der Änderung des
ursprünglichen Zusammenschlußvorhabens eingegangen sind“.
- 128.
- Artikel 6 der Verordnung Nr. 4064/89, wonach die Kommission die „Prüfung der
Anmeldung“ vornimmt, um insbesondere zu entscheiden, ob das angemeldete
Vorhaben Anlaß zu ernsthaften Bedenken hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit
dem Gemeinsamen Markt gibt, läßt sich daher nicht dahin auslegen, wie die
Klägerin es tut, daß die Kommission verpflichtet wäre, die von den beteiligten
Unternehmen vorgenommenen Änderungen an dem angemeldeten
Zusammenschlußvorhaben zurückzuweisen und eine neue Anmeldung zu verlangen.
- 129.
- Das Argument der Klägerin, daß die von P & G mitgeteilte Rücknahme der bei
der Anmeldung des Vorhabens abgegebenen Zusage, nicht die Kontrolle über das
Nicht-Camelia-Geschäft zu erwerben, eine wesentliche Änderung der Anmeldung
sei, läßt sich nicht dafür anführen, daß die Kommission gegen die Artikel 6 und 8
der Verordnung Nr. 4064/89 sowie gegen Abschnitt I der Verordnung Nr. 2367/90
verstoßen hat.
- 130.
- Zunächst ist nämlich festzustellen, daß das Kriterium der Wesentlichkeit der
Änderungen einer Anmeldung für sich allein ohne Bedeutung ist, da eine solche
Möglichkeit ausdrücklich in Abschnitt I der Verordnung Nr. 2367/90 vorgesehen ist,
die in Artikel 3 Absatz 2 bestimmt: „Wesentliche Änderungen der in der
Anmeldung angegebenen Tatsachen, welche die Beteiligten kennen oder kennen
müssen, sind der Kommission unaufgefordert und unverzüglich mitzuteilen.“
- 131.
- Im übrigen war die von P & G in ihrer Anmeldung angebotene Zusage bezüglich
des Nicht-Camelia-Geschäfts von VPS anders als die Zusage bezüglich des
Babywindelgeschäfts von VPS kein Bestandteil des angemeldeten
Zusammenschlußvorhabens. Wie sich nämlich sowohl aus der Entscheidung als
auch aus der an P & G gerichteten Mitteilung der Einwände ergibt, war diese
angebotene Zusage anders als die Zusage, das Babywindelgeschäft von VPS nicht
zu erwerben, weder Teil der Übernahmevereinbarung der am Zusammenschluß
Beteiligten noch gehörte sie zum Beginn der Ausführung, sondern stellte vielmehr
ein einseitiges Angebot von P & G dar, das durch eine Zusatzvereinbarung der
Beteiligten ergänzt wurde, die nur die Bestimmung dieses Geschäfts und die
Modalitäten seiner Übertragung betraf. Bei der Eröffnung des Verfahrens nach
Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr. 4064/89 wurde im übrigen
ausdrücklich darauf hingewiesen, daß diese Zusage nur für den Fall der
Genehmigung des Vorhabens in der angemeldeten Form aufrechterhalten werde.
- 132.
- Schließlich hat die Klägerin keine Beweise dafür beibringen können, daß die
Kommission bei der Prüfung des Vorhabens in der angemeldeten Form nicht über
alle Informationen bezüglich des Nicht-Camelia-Geschäfts verfügte, die erforderlich
waren, um insbesondere die Bedeutung des Marktanteils dieses Geschäfts zu
beurteilen und zu entscheiden, ob die ursprünglich angebotene Zusage geeignet
war, eine beherrschende Stellung von P & G auf dem relevanten Markt
auszuschließen. P & G hat der Kommission mit Schreiben vom 14. Februar 1994
genaue Daten zum Marktanteil dieser Tätigkeit vorgelegt, und die Kommission hat
im Rahmen der an P & G gerrichteten Mitteilung ihrer Einwände gegen das
angemeldete Vorhaben der Marktbedeutung dieses Geschäfts Rechnung getragen.
Somit haben der bloße Austausch der zu übertragenden Geschäftsbereiche
gegeneinander und die Änderung der in diesem Zusammenhang vorgeschlagenen
Zusagen nicht zu einer Verfälschung der objektiven Daten bezüglich der Bedeutung
dieser Geschäftsbereiche geführt, die die Kommission im Rahmen der Anmeldung
und im Verfahren zur Prüfung des Zusammenschlußvorhabens erhalten hatte.
- 133.
- Das Argument, die Ersetzung der Zusagen von P & G durch andere entspreche
einer wesentlichen Änderung auf industrieller Ebene, ist im Rahmen dieses
Klagegrundes ohne Bedeutung, da jede Änderung des Zusammenschlußvorhabens
durch die betroffenen Unternehmen nach Artikel 8 Absatz 2 der Verordnung Nr.
4064/89 gerade zu einer Änderung der wirtschaftlichen Auswirkungen des
Vorhabens führen soll, um dieses mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar zu
machen. Die Frage, ob die Kommission durch die Annahme dieser Änderungen des
ursprünglichen Zusammenschlußvorhabens einen offenkundigen Beurteilungsfehler
begangen hat, da sie die Marktanteile des Nicht-Camelia-Geschäfts angeblich
unterbewertet hat, ist allein im Rahmen der materiellen Rechtmäßigkeit der
Entscheidung zu prüfen.
- 134.
- Nach alledem ist der dritte Klagegrund zurückzuweisen.
Vierter Klagegrund: keine Einhaltung ausreichender und angemessener Fristen
Zusammenfassung des Vorbringens der Beteiligten
- 135.
- Nach Ansicht der Klägerin hat die Kommission keine ausreichenden und
angemessenen Fristen vor Erlaß der Entscheidung eingehalten; sie habe damit
gegen die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts sowie gegen Artikel 10
Absatz 4 der Verordnung Nr. 4064/89 in Verbindung mit Artikel 9 der Verordnung
Nr. 2367/90 verstoßen.
- 136.
- Die Klägerin wirft der Kommission erstens vor, die von P & G vorgeschlagenen
Zusagen trotz ihrer verspäteten Einreichung akzeptiert zu haben. Unter Hinweis
auf die Schlußanträge des Generalanwalts Warner in den Rechtssachen 6/73 und7/73 (Urteil des Gerichtshofes vom 6. März 1974, Istituto chemioterapico italiano
und Commercial Solvents/Kommission, Slg. 1974, 223) macht sie geltend, daß die
Kommission bei der Einräumung von Fristen im Rahmen eines Verfahrens zur
Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen die Grundsätze der
Verhältnismäßigkeit, der praktischen Wirksamkeit und des kontradiktorischen
Verfahrens beachten müsse. Im vorliegenden Fall habe die Frist, die P & G zur
Vorlage neuer Zusagen eingeräumt worden sei, in keinem Verhältnis zu der Frist
gestanden, die den Dritten und dem Beratenden Ausschuß für die Abgabe ihrer
Stellungnahme gewährt worden sei. Die Kommission habe nämlich akzeptiert, daß
P & G neue Zusagen praktisch am Ende der nach der Verordnung Nr. 4064/89
vorgesehenen viermonatigen Frist, nämlich am 15. und noch einmal am 20. Juni
1994, vorgelegt habe, während die Dritten für ihre Stellungnahme zu den Zusagen
von P & G nur über eine Frist von zwei Tagen verfügt hätten. Die Kommission
habe im übrigen mit Erlaß der Verordnung (EG) Nr. 3384/94 vom 21. Dezember
1994 über die Anmeldungen, über die Fristen sowie über die Anhörung nach der
Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates über die Kontrolle von
Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. L 377, S. 1) selbst anerkannt, daß die von
P & G diktierte Frist für die Prüfung der vorgeschlagenen Zusagen mißbräuchlich
gewesen sei.
- 137.
- Zweitens trägt die Klägerin vor, daß die Kommission, wenn sie die verspäteten
Zusagen von P & G schon nicht zurückgewiesen habe, den Zeitpunkt des Erlasses
der endgültigen Entscheidung wenigstens nicht vom 27. Juni auf den 21. Juni 1994
hätte vorverlegen dürfen. Das von der Kommission betriebene Verfahren sei um
so unangemessener gewesen, als die Kommission angesichts der von P & G zu
verantwortenden Umstände nach Artikel 10 Absatz 4 der Verordnung Nr. 4064/89
die viermonatige Frist des Absatzes 3 dieses Artikels hätte aussetzen müssen, um
zusätzliche Auskünfte einzuholen oder eine Nachprüfung der Zusagen anzuordnen.
- 138.
- Die Kommission macht geltend, P & G habe die streitigen Zusagen am 10. Juni
1994, also 17 Tage vor Ablauf der gesetzlichen Frist für den Erlaß der
Entscheidung, vorgelegt. Es habe daher kein zwingender Grund bestanden, diese
Vorschläge von Amts wegen zurückzuweisen, zumal weder die Verordnung Nr.
4064/89 noch die seinerzeit geltende Durchführungsverordnung Nr. 2367/90 eine
Frist für die Abgabe von Zusagen vorgesehen hätten. Außerdem hätte die
Kommission eine solche Frist auch nicht im Vorgriff anwenden können, ohne das
berechtigte Vertrauen von P & G zu verletzen. Im übrigen sei Artikel 10 Absatz
4 der Verordnung Nr. 4064/89 im vorliegenden Fall nicht anwendbar, da die
Kommission der Auffassung gewesen sei, über alle für den Erlaß ihrer
Entscheidung erforderlichen Informationen zu verfügen; sie sei also zum Erlaß der
Entscheidung verpflichtet gewesen, da die ernsthaften Bedenken im Sinne des
Artikels 6 Absatz 1 Buchstabe c offenkundig aus dem Weg geräumt worden seien.
- 139.
- Die Streithelferin schließt sich im wesentlichen der Argumentation der Kommission
an.
Würdigung durch das Gericht
- 140.
- Zur ersten Rüge der verspäteten Abgabe der Zusagen von P & G ist festzustellen,
daß weder die Verordnung Nr. 4064/89 noch die seinerzeit geltende
Durchführungsverordnung Nr. 2367/90 die den betroffenen Unternehmen
eingeräumte Möglichkeit, Zusagen im Hinblick auf eine Änderung des
angemeldeten Zusammenschlußvorhabens anzubieten, von der Einhaltung einer
vorher festgesetzten Frist abhängig macht. Nach ständiger Rechtsprechung ist bei
der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Handlung auf die Sach- und
Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses der Handlung abzustellen (vgl. Urteil des
Gerichtshofes vom 7. Februar 1979 in den Rechtssachen 15/76 und 16/76,
Frankreich/Kommission, Slg. 1979, 321, Randnr. 7, und Urteile des Gerichts vom
22. Oktober 1996 in den Rechtssachen T-79/95 und T-80/95, SNCF und British
Railways/Kommission, Slg. 1996, II-1491, Randnr. 48, und vom 22. Januar 1997 in
der Rechtssache T-115/94, Opel Austria/Rat, Slg. 1997, II-39, Randnr. 87). Daher
kann das Argument, die Zusagen von P & G seien aufgrund der späteren
Verordnung Nr. 3384/94 als verspätet anzusehen, keine Begründung dafür sein, daß
die Kommission die Änderungen der betroffenen Unternehmen an dem
ursprünglichen Zusammenschlußvorhaben hätte zurückweisen müssen.
- 141.
- Zu dem Argument, die den einzelnen Verfahrensbeteiligten eingeräumten Fristen
seien unangemessen gewesen, ist zunächst festzustellen, daß P & G der
Kommission ihre Zusagen am 10. Juni 1994 angeboten hat, also siebzehn Tage vor
Ablauf der gesetzlichen Frist, die in Artikel 10 Absatz 3 der Verordnung Nr.
4064/89 festgesetzt und deren Berechnung in Abschnitt II der Verordnung Nr.
2367/90 im einzelnen geregelt ist. Da die betreffenden Zusagen hinsichtlich der
Übertragung des Camelia-Geschäfts an einen Dritten der Hauptforderung
entsprachen, die die Kommission im Verfahren für eine Genehmigung des
beabsichtigten Zusammenschlußvorhabens aufgestellt hatte, konnte die Kommission
eine Prüfung dieser Zusagen nicht ablehnen, da die Verordnungen Nrn. 4064/89
und 2367/90 keine besondere Vorschrift über die Fristen enthalten, innerhalb deren
die betroffenen Unternehmen Zusagen im Hinblick auf eine Änderung des
ursprünglichen Zusammenschlußvorhabens abgeben können.
- 142.
- Zudem konnte der Beratende Ausschuß, wie bei der Prüfung der ersten beiden
Klagegründe festgestellt worden ist, zu dem geänderten Zusammenschlußvorhaben
in voller Kenntnis der Sachlage Stellung nehmen, und die Klägerin hatte
Gelegenheit, sich zu den Zusagen von P & G zu äußern, so daß die ihnen
eingeräumten Fristen im vorliegenden Fall nicht als unzureichend angesehen
werden können.
- 143.
- Somit ist der Beweis nicht geführt worden, daß die Kommission unter den
gegebenen Umständen über das hinausgegangen ist, was angemessen und
erforderlich war, um das angestrebte Ziel zu erreichen, das nach der Systematik der
Verordnung Nr. 4064/89 darin besteht, die Wirksamkeit der Kontrolle und die
Rechtssicherheit der beteiligten Unternehmen durch die Einhaltung strenger
Fristen zu gewährleisten (vgl. Beschluß in der Rechtssache CCE de la Société
Générale des grandes sources u. a./Kommission, a. a. O., Randnr. 30).
- 144.
- Bezüglich der zweiten Rüge, die die Frist betrifft, in der die Kommission die
streitige Entscheidung erlassen hat, ist auf Artikel 10 Absatz 2 der Verordnung Nr.
4064/89 zu verweisen, wonach „Entscheidungen nach Artikel 8 Absatz 2 über
angemeldete Zusammenschlüsse ... zu erlassen [sind], sobald offenkundig ist, daß
die ernsthaften Bedenken im Sinne des Artikels 6 Absatz 1 Buchstabe c)
insbesondere durch von den beteiligten Unternehmen vorgenommene Änderungen
ausgeräumt sind, spätestens jedoch innerhalb der nach Absatz 3 festgesetzten
Frist“, d. h. einer Frist von höchstens vier Monaten nach der Einleitung des
Verfahrens. Im übrigen sieht Artikel 10 Absatz 4 der Verordnung vor: „Die in
Absatz 3 genannte Frist wird ausnahmsweise gehemmt, wenn die Kommission
durch Umstände, die von einem an dem Zusammenschluß beteiligten Unternehmen
zu vertreten sind, gezwungen war, eine Auskunft im Wege der Entscheidung nach
Artikel 11 anzufordern oder eine Nachprüfung durch Entscheidung nach Artikel
13 anzuordnen.“ Artikel 9 der Verordnung Nr. 2367/90 regelt die besonderen Fälle
im Sinne von Artikel 10 Absatz 4 und die Einzelheiten der Hemmung der Frist.
- 145.
- Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, daß die Aussetzung der Frist nur angeordnet
werden kann, wenn die Kommission der Ansicht ist, nicht über alle für den Erlaß
ihrer Entscheidung erforderlichen Informationen zu verfügen. Da die Kommission
im vorliegenden Fall im Rahmen des ihr insoweit eingeräumten Ermessens der
Auffassung gewesen ist, über alle Informationen für den Erlaß einer Entscheidung
zu verfügen, konnte sie die Aussetzung der vorgeschriebenen Frist von vier
Monaten nicht, ohne gegen Artikel 10 Absatz 4 der Verordnung Nr. 4064/89 zu
verstoßen, allein mit der Begründung anordnen, P & G habe ihre Zusagen
verspätet angeboten, sondern war vielmehr verpflichtet, ihre Entscheidung zu
erlassen, sobald offenkundig war, daß die ernsthaften Bedenken gegenüber dem
Vorhaben ausgeräumt waren. Daher ist das Argument der Klägerin, die
Kommission sei verpflichtet gewesen, die Aussetzung der Frist des Artikels 10
Absatz 3 der Verordnung Nr. 4064/89 anzuordnen oder zumindest ihre
Entscheidung nicht sechs Tage vor Ablauf dieser Frist zu erlassen, zurückzuweisen.
- 146.
- Nach alledem ist der vierte Klagegrund zurückzuweisen.
Fünfter Klagegrund: mangelhafte Begründung
Zusammenfassung des Vorbringens der Beteiligten
- 147.
- Die Klägerin rügt einen Verstoß der Kommission gegen Artikel 190 EG-Vertrag,
da diese in ihrer Entscheidung nicht angegeben habe, aus welchen Gründen sie der
Ersetzung der ersten Zusagen von P & G bezüglich der Übertragung des Nicht-Camelia-Geschäfts von VPS durch die Zusagen über die Übertragung des Camelia-Geschäfts zugestimmt habe. Darüber hinaus enthalte die Entscheidung keine
wirtschaftliche Analyse der Wirkungen des Erwerbs des Nicht-Camelia-Geschäfts
durch P & G, was darauf zurückzuführen sei, daß die Kommission die Daten
bezüglich des deutschen Marktes bei Handelsmarken falsch beurteilt habe.
- 148.
- Die Kommission meint, daß sie nach ständiger Rechtsprechung (Urteil des
Gerichtshofes vom 15. Juli 1970 in der Rechtssache 41/69, ACF
Chemiefarma/Kommission, Slg. 1970, 661, Urteil des Gerichts vom 24. Januar 1992
in der Rechtssache C-44/90, La Cinq/Kommission, Slg. 1992, II-1) nicht sämtliche
tatsächlichen und rechtlichen Punkte, die von jedem Betroffenen behandelt worden
seien, und erst recht nicht die von Dritten im Verwaltungsverfahren vorgetragenen
Punkte erörtern müsse, sondern daß sie nur die Tatsachen und rechtlichen
Erwägungen wiederzugeben brauche, die im Hinblick auf Sinn und Zweck der
Entscheidung von wesentlicher Bedeutung seien. Im vorliegenden Fall habe sie zum
einen in dem Verfahren stets auf die Begrenztheit und Wirkungslosigkeit der ersten
Zusagen von P & G hingewiesen und zum anderen in der Entscheidung die Gründe
dargestellt, weshalb ihr die Zusagen hinsichtlich der Übertragung von Camelia
notwendig und ausreichend erschienen seien, damit das Vorhaben mit dem
Gemeinsamen Markt nicht unvereinbar sei.
- 149.
- Die Streithelferin ist der Ansicht, daß die Kommission in Randnummer 187 ihrer
Entscheidung die Gründe, aus denen sie es nicht für erforderlich gehalten habe,
von P & G die Ausgliederung des Nicht-Camelia-Geschäfts neben der des Camelia-Geschäfts zu verlangen, angemessen dargestellt habe.
Würdigung durch das Gericht
- 150.
- Zu der Rüge der mangelhaften Begründung für die Ersetzung der von P & G
angebotenen Zusagen durch andere ist einleitend auf die ständige Rechtsprechung
hinzuweisen, wonach die Kommission zwar ihre Entscheidungen nach Artikel 190
EG-Vertrag mit Gründen zu versehen und dabei die sachlichen und rechtlichen
Gesichtspunkte, von denen die Rechtmäßigkeit der Maßnahme abhängt, sowie die
Erwägungen aufzuführen hat, die sie zum Erlaß ihrer Entscheidung veranlaßt
haben, nicht aber auf alle tatsächlichen und rechtlichen Fragen einzugehen braucht,
die von den einzelnen Beteiligten im Verwaltungsverfahren vorgebracht worden
sind (Urteil des Gerichts vom 19. Mai 1994 in der Rechtssache C-2/93, Air
France/Kommission, „TAT“, Slg. 1994, II-323, Randnr. 92). Zudem ist die Frage,
ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Artikels 190 des
Vertrages genügt, nicht nur im Hinblick auf ihren Wortlaut zu beurteilen, sondern
auch anhand ihres Kontextes sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem
betreffenden Gebiet (Urteil des Gerichtshofes vom 29. Februar 1996 in der
Rechtssache C-56/93, Belgien/Kommission, Slg. 1996, I-723, Randnr. 86, und Urteil
in der Rechtssache Skibsveaftsforeningen u. a./Kommission, a. a. O., Randnr. 230).
- 151.
- Im vorliegenden Fall zeigt die Begründung der Entscheidung deutlich, aus welchen
Gründen die Kommission der Meinung war, daß der Erwerb des Nicht-Camelia-Geschäfts von VPS durch P & G nicht zur Begründung einer beherrschenden
Stellung von P & G in Deutschland oder zu einer Verstärkung einer solchen
Stellung in Spanien führen konnte, so daß die von P & G angebotene Zusage, das
Camelia-Geschäft zu veräußern, der Kommission ausreichend erschien, um das
Vorhaben als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar zu erklären.
- 152.
- Die Kommission hat nämlich in Randnummer 187 der Entscheidung (vgl. oben,
Randnr. 54), nachdem sie die Auswechslung der von P & G zu veräußernden
Marken zur Kenntnis genommen hat, die Struktur des Monatsbindenmarkts in
Deutschland und in Spanien nach dem Zusammenschluß unter Berücksichtigung
des Erwerbs des Nicht-Camelia-Geschäfts von VPS durch P & G und der
Übertragung von Camelia an einen Dritten zunächst anhand einer Tabelle
dargestellt. Auf dieser Grundlage hat sie festgestellt, daß selbst bei einer Erhöhung
des Marktanteils von P & G in Deutschland um 6,9 % auf wertmäßig insgesamt
43,2 %, dieser Zuwachs allein auf den Erwerb des Nicht-Camelia-Geschäfts von
VPS (d. h. auf andere als Erstmarken) zurückgehe, während die Marke Always von
P & G dem Wettbewerb zweier bedeutender Hersteller von Monatsbinden
exklusiver Marken, Camelia und Johnson & Johnson mit einem Marktanteil von
24,5 % bzw. 13,4 %, ausgesetzt sein werde. Die Kommission ist daher im übrigen
nach dem Hinweis, daß der Marktanteil von P & G in Spanien sich nur um 0,1 %
erhöhen werde zu dem Ergebnis gekommen, daß die „Zusagen von P & Ghinsichtlich des Camelia-Frauenhygienegeschäfts von VPS hinreichend sind, um die
Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung auf dem
deutschen und spanischen Markt sowie anderweitig im Bereich des EWR zu
verhindern“ (Randnr. 187 der Entscheidung). Dies stellt eine hinreichende
Begründung der Entscheidung dar.
- 153.
- Da im übrigen jeder Teil der Entscheidung im Licht ihrer anderen Teile gesehen
werden muß (Urteil des Gerichts vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-150/89,
Martinelli/Kommission, Slg. 1995, II-1165, Randnr. 66), ist die Argumentation der
Kommission, daß die Übertragung von Camelia und damit die Auswechslung der
Zusagen P & G am Erwerb einer beherrschenden Stellung in Deutschland hindern
werden, der logische Schluß aus ihrer Beurteilung namentlich in den Randnummern
43, 44, 92, 114 und 125 der Entscheidung, wonach die Marktmacht der
Wirtschaftsteilnehmer davon abhängt, daß sie eine etablierte Marke im Segment
der Erstmarken besitzen oder eine solche Marke entwickeln, da im Gegensatz dazu
der Wettbewerb mit Zweit- und Handelsmarken begrenzt ist.
- 154.
- Schließlich hat die Klägerin laut den Akten selbst in dem Verfahren vor der
Kommission auf die geringe Bedeutung der Marken des Nicht-Camelia-Geschäfts
von VPS, nämlich der Zweitmarken Blümia und Femina, hingewiesen und erklärt,
daß „die Marke Femina von Schickedanz in Deutschland nur an einen sehr
begrenzten Kundenkreis verkauft wird“ und daß „angesichts der Marktstellung von
Blümia der Abstieg dieser Marke wohl unvermeidlich ist“ (Schreiben der Klägerin
an die Kommission vom 24. Januar 1994).
- 155.
- Die Begründung der Entscheidung legt somit klar und eindeutig die Gründe dar,
weshalb die Kommission die Übertragung allein des Camelia-Geschäfts von VPS
als ausreichend angesehen hat, um das Vorhaben als mit dem Gemeinsamen Markt
für vereinbar zu erklären, und weshalb sie eine Übertragung auch des Nicht-Camelia-Geschäfts durch P & G nicht für notwendig gehalten hat.
- 156.
- Bezüglich der Rüge, die Entscheidung enthalte keine Analyse der Wirkungen des
Erwerbs des Nicht-Camelia-Geschäfts von VPS durch P & G, ist auf Artikel 2
Absatz 2 der Verordnung Nr. 4064/89 zu verweisen, wonach die Kommission einen
Zusammenschluß für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar zu erklären hat,
wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind: Erstens darf der betreffende
Zusammenschluß keine beherrschende Stellung begründen oder verstärken und
zweitens darf der Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt nicht durch die
Begründung oder Verstärkung einer solchen Stellung erheblich behindert werden.
Wird eine beherrschende Stellung weder begründet noch verstärkt, so ist der
Zusammenschluß also zu genehmigen, ohne daß geprüft zu werden braucht, wie er
sich auf den wirksamen Wettbewerb auswirkt (Urteil TAT, a. a. O., Randnr. 79).
Da die Kommission im vorliegenden Fall rechtlich hinreichend die Gründe
dargelegt hat, weshalb der Erwerb des Nicht-Camelia-Geschäfts von P & G ihrer
Meinung nach nicht zur Begründung einer beherrschenden Stellung in Deutschland
oder Verstärkung einer solchen Stellung in Spanien führt, kann ihr ein
Begründungsmangel hinsichtlich der Prüfung der anderen Wirkungen dieses
Erwerbs auf den relevanten Märkten nicht vorgeworfen werden.
- 157.
- Mit der Rüge, die Kommission habe die Daten, die den deutschen Markt bei
Handelsmarken betreffen, falsch beurteilt, wirft die Klägerin der Kommission im
Kern vor, den Marktanteil der von VPS für Handelsmarken hergestellten
Erzeugnisse unterbewertet und deshalb nicht begründet zu haben, warum sie diese
Anteile bei der Gesamtbewertung der von P & G mit Abschluß des
Zusammenschlusses erworbenen Marktanteile nicht berücksichtigt habe.
- 158.
- Wie sich aus der Tabelle in Randnummer 187 der Entscheidung ergibt, bezieht sich
die Zahl 6,9 %, die nach Angaben der Kommission der Erhöhung des Anteils von
P & G am deutschen Markt nach dem Zusammenschluß entspricht, nur auf die
Marktanteile der Zweitmarkenbinden von VPS, Blümia und Femina, und umfaßt
nicht den besonderen Marktanteil der Erzeugnisse, die von VPS als
Subunternehmer für Händler hergestellt worden sind, da die Marktanteile der
Händlermarken zusammen untersucht worden sind, um den Wettbewerb der
Händler gegenüber Herstellern wie P & G zu beurteilen.
- 159.
- Im vorliegenden Fall stellt jedoch die fehlende Einbeziehung des spezifischen
Marktanteils der von VPS als Subunternehmer hergestellten und unter
Handelsmarken verkauften Erzeugnisse in den gesamten Marktanteil von VPS
keinen Begründungsmangel dar. Die Marktanteile dieser Erzeugnisse müssen
nämlich grundsätzlich allein den Händlern zugerechnet werden, da diese die
Erzeugnisse unter ihren eigenen Marken verkaufen und damit mit den
Erzeugnissen in Wettbewerb stehen, die unter den Marken der Hersteller verkauft
werden. Nur wenn die Kommission aufgrund der im Verfahren gewonnenen
Erkenntnisse zu der Ansicht gelangt wäre, daß VPS diese Erzeugnisse zu einem
Großteil auf dem deutschen Markt herstellt, hätte die Kommission die fehlende
Einbeziehung dieses Marktanteils bei der Beurteilung der von P & G erworbenen
Stellung wegen der wahrscheinlichen Auswirkung eines solchen Umstands auf die
Beurteilung der durch den Zusammenschluß bedingten tatsächlichen Macht
erklären müssen (vgl. unten, Randnrn. 174 und 175). Da die Kommission im
vorliegenden Fall diesen spezifischen Marktanteil von VPS als gering eingestuft hat,
kann die Begründung der Entscheidung nicht als mangelhaft angesehen werden.
Die Frage, ob die Kommission, wie die Klägerin meint, den Marktanteil der unter
Handelsmarken verkauften VPS-Erzeugnisse unterbewertet hat, gehört zur Prüfung
des Inhalts der angefochtenen Entscheidung und nicht zur Prüfung ihrer
Begründung.
- 160.
- Jedenfalls war die Klägerin, wie sich aus der vorliegenden Klage ergibt, durchaus
in der Lage, sich mit der Gültigkeit der von der Kommission inhaltlich
vorgenommenen Beurteilung der Marktanteile der von VPS unter Handelsmarken
verkauften Erzeugnisse und damit mit der von P & G durch den Zusammenschluß
erworbenen Stellung auseinanderzusetzen.
- 161.
- Somit ist der Klagegrund der mangelhaften Begründung der Entscheidung
zurückzuweisen.
Sechster Klagegrund: offensichtliche Beurteilungsfehler
- 162.
- Dieser Klagegrund umfaßt drei Teile. Mit dem ersten Teil macht die Klägerin
geltend, die Kommission habe die Folgen des Erwerbs des Nicht-Camelia-Geschäfts
von VPS durch P & G für den deutschen Monatsbindenmarkt unzutreffend
beurteilt. Mit dem zweiten und dem dritten Teil macht sie geltend, die Kommission
habe die Auswirkung des genehmigten Vorgangs auf den Markt der
Haushaltspapiere bzw. auf den Babywindelmarkt falsch beurteilt. Daher sei die
Entscheidung wegen Verstoßes gegen den Vertrag und die Verordnung Nr.
4064/89, insbesondere gegen deren Artikel 2 und 8, für nichtig zu erklären.
Erster Teil: unzutreffende Beurteilung der Folgen des Erwerbs des Nicht-Camelia-Geschäfts von VPS für den Bindenmarkt
Zusammenfassung des Vorbringens der Beteiligten
- 163.
- Nach Ansicht der Klägerin führt der Zusammenschluß zu einer Verstärkung der
beherrschenden Stellung von P & G auf dem deutschen Bindenmarkt, so daß die
Entscheidung wegen Verstoßes gegen Artikel 2 Absätze 1 und 3 und gegen Artikel
8 der Verordnung Nr. 4064/89 für nichtig zu erklären sei.
- 164.
- Erstens habe die Kommission die Bedeutung des Nicht-Camelia-Geschäfts von VPS
und damit die von P & G mit dem Zusammenschluß auf dem deutschen
Bindenmarkt erworbene Stellung unterbewertet, da sie nicht den spezifischen
Marktanteil der von VPS hergestellten und unter Handelsmarken verkauften
Erzeugnisse berücksichtigt habe. Der Anteil von VPS im Marktsegment der unter
Handelsmarken verkauften Erzeugnisse belaufe sich auf 60 %. Diese Bewertung
werde durch die Angaben der Kommission im vorliegenden Verfahren bestätigt,
wonach der Marktanteil der unter Handelsmarken verkauften VPS-Erzeugnisse
wertmäßig 8,2 % und mengenmäßig 13 % des gesamten deutschen
Frauenhygienemarktes im Jahr 1993 repräsentiert habe, die folglich dem von
P & G nach dem Zusammenschluß erreichten Marktanteil von 43,2 % (wertmäßig)
hinzuzurechnen seien. Dem Argument, die Marke Femina sei von VPS übertragen
worden und habe daher nicht berücksichtigt werden dürfen, hält die Klägerin
entgegen, daß diese Übertragung erst nach Erlaß der angefochtenen Entscheidung
habe erfolgen können, da P & G die Marke habe behalten dürfen. Bei der
Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung dürfe aber nur
von der wirtschaftlichen Lage und den Verpflichtungen ausgegangen werden, die
zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung bestanden hätten, und nicht von
Ereignissen, die nach der Entscheidung eingetreten seien.
- 165.
- Zweitens habe die Entscheidung, indem sie nur die Übertragung der Marke
Camelia und des dazugehörigen Betriebs verlangt habe, P & G namentlich
aufgrund des bei VPS verbliebenen bedeutenden Absatzpotentials erlaubt, den
Großbetrieben des Handels die Ersetzung der unter der Marke Camelia verkauften
Erzeugnisse durch Erzeugnisse aus dem Bereich des Nicht-Camelia-Geschäfts sowie
durch Erzeugnisse der Marke Always vorzuschlagen. Zudem erlaube der Erwerb
des Nicht-Camelia-Geschäfts von VPS P & G, eine vollständige Palette von
Frauenhygieneprodukten zusammenzustellen, und beschränke gleichzeitig die
Möglichkeit eines Marktneulings, seine Erzeugnisse über Großbetriebe des Handels
abzusetzen. Schließlich habe die Kommission durch die Genehmigung der
Aufteilung der Geschäftstätigkeit von VPS im Bereich Frauenhygiene zu einer
Schwächung von Camelia und damit des Wettbewerbs gegenüber P & G
beigetragen.
- 166.
- Nach Ansicht der Kommission ist die Rüge der Klägerin unbegründet, da sie von
einer Verstärkung einer beherrschenden Stellung ausgehe, aber nicht dargetan
habe, inwiefern das Urteil der Kommission, daß der Erwerb von VPS durch P & G
nicht zum Erwerb einer beherrschenden Stellung auf dem deutschen Markt führe,
falsch sei (Urteil TAT, a. a. O.).
- 167.
- Jedenfalls führe der Erwerb des Nicht-Camelia-Geschäfts von VPS durch P & G
nicht zu einer beherrschenden Stellung. Tatsächlich sei die Marke Femina nämlich
schließlich an einen Dritten veräußert worden, so daß das wirklich erworbene
Nicht-Camelia-Geschäft, nämlich Blümia und die von VPS hergestellten und unter
Handelsmarken verkauften Erzeugnisse, nur einen Marktanteil von 2 % bis 3 %
repräsentiere und Erzeugnisse von geringerer Qualität betreffe, die nicht
unmittelbar mit den unter etablierten Marken wie Always oder Camelia verkauften
Erzeugnissen in Wettbewerb stünden. Was die Behauptung betreffe, der Anteil von
VPS bei den Handelsmarken in Deutschland belaufe sich auf 60 %, so zeigten die
von P & G am 14. Februar 1994 übermittelten Statistiken, daß die Erzeugnisse des
Nicht-Camelia-Geschäfts von VPS 1993 mengenmäßig einen Anteil von 13 % und
wertmäßig einen Anteil von 8,2 % am deutschen Markt repräsentiert hätten. Auf
die schriftlichen Fragen des Gerichts hat die Kommission anhand der genannten
Statistiken näher ausgeführt, daß diese Zahl sich nicht nur auf den Marktanteil der
unter Handelsmarken verkauften VPS-Erzeugnisse beziehe, der in Deutschland
schätzungsweise etwa 1,3 % betrage.
- 168.
- Im übrigen sei eine Ersetzung der unter Erstmarken verkauften Erzeugnisse durch
Erzeugnisse, die unter Handels- oder Zweitmarken verkauft würden, sehr
unwahrscheinlich, da die Großbetriebe des Handels darauf aus seien, die Hersteller
gegeneinander auszuspielen, um eine Politik der kleinen Margen fortsetzen zu
können. Daher würden sich die Großbetriebe des Handels bei andern Herstellern
eindecken, wenn P & G versuchen würde, aus der starken Stellung seiner Marke
Always Vorteile in Form von Preiserhöhungen zu ziehen.
- 169.
- Die Streithelferin macht geltend, daß die Klägerin im Verwaltungsverfahren darauf
hingewiesen habe, daß die Zusage der Veräußerung des Nicht-Camelia-Geschäfts
sich nur unbedeutend auf den Wettbewerb auswirke. Jedenfalls habe P & G keine
der Nicht-Camelia-Marken behalten.
Würdigung durch das Gericht
- 170.
- Einleitend ist festzustellen, daß die Klägerin mit ihrem Vorbringen, der streitige
Zusammenschluß sei geeignet, eine beherrschende Stellung von P & G auf dem
deutschen Markt für Monatsbinden zu verstärken, während die Kommission in
ihrer Entscheidung eine beherrschende Stellung auf diesem Markt verneint hat,
zumindest stillschweigend geltend macht, daß die Kommission mit dieser
Feststellung einen Beurteilungsfehler begangen habe, so daß die Klägerin nicht
daran gehindert ist, die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Kommission insoweit
in Zweifel zu ziehen (vgl. Urteil TAT, a. a. O., Randnr. 86).
- 171.
- Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4064/89 bestimmt folgendes:
„Zusammenschlüsse, die keine beherrschende Stellung begründen oder verstärken,
durch die wirksamer Wettbewerb im Gemeinsamen Markt oder in einem
wesentlichen Teil desselben erheblich behindert würde, sind für vereinbar mit dem
Gemeinsamen Markt zu erklären“. Dagegen sind nach Absatz 3 dieses Artikels
Zusammenschlüsse, die eine beherrschende Stellung begründen oder verstärken,
für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt zu erklären. Die Kommission muß
bei ihrer Prüfung gemäß Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung u. a. der Marktstellung
der betroffenen Unternehmen und ihrem Zugang zu den Absatzwegen Rechnung
tragen.
- 172.
- Die Klägerin macht geltend, daß die Kommission in ihrer Entscheidung bei der
Ermittlung der Stellung des Nicht-Camelia-Geschäfts von VPS auf dem Markt für
Monatsbinden in Deutschland in Marktanteilen ausgedrückt und bezüglich des
P & G aufgrund des Erwerbs dieses Geschäfts eingeräumten bevorrechtigten
Zugangs zu Großbetrieben des Handels sowie bezüglich der angeblich nachteiligen
Aufteilung des Camelia-Geschäfts und des Nicht-Camelia-Geschäfts von VPS
Beurteilungsfehler begangen habe.
- 173.
- Was das Argument der Unterbewertung der Marktanteile des Nicht-Camelia-Geschäfts betrifft, so kann die Tatsache, daß eine oder sämtliche Marken des
Nicht-Camelia-Geschäfts nach dem Erlaß der Entscheidung, mit der P & G die
Genehmigung für den Erwerb dieses gesamten Geschäfts erteilt wurde, schließlich
an Dritte veräußert wurden, vom Gericht nicht berücksichtigt werden, da nach
ständiger Rechtsprechung die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung nach der
Sachlage zum Zeitpunkt ihres Erlasses zu beurteilen ist (vgl. u. a. Urteil SNCF und
British Railways/Kommission, a. a. O., Randnr. 48). Somit ist zu prüfen, ob die
Kommission, wie die Klägerin geltend macht, einen Beurteilungsfehler begangen
hat, indem sie in ihrer Entscheidung davon ausgegangen ist, daß P & G ihren
Marktanteil wertmäßig um 6,9 %, was nur den Marktanteilen der Zweitmarken von
VPS, Blümia und Femina, entspricht, vergrößert hat, ohne dabei den besonderen
Marktanteil der von VPS für Händler hergestellten Erzeugnisse zu berücksichtigen.
- 174.
- Die bloße Nichteinbeziehung dieses Marktanteils ist allein kein Beweis für einen
Beurteilungsfehler der Kommission bei der Ermittlung der Marktstellung von VPS.
Im Rahmen der Beurteilung der Marktmacht eines Unternehmens, das an einem
Zusammenschluß beteiligt ist, können nämlich die Marktanteile der Erzeugnisse,
die von ihm als Subunternehmer für Händler hergestellt werden, die diese
Erzeugnisse unter ihren eigenen Marken weiterverkaufen, grundsätzlich nicht ganz
oder teilweise dem Marktanteil hinzugerechnet werden, den dieses Unternehmen
bei ähnlichen Erzeugnissen hat, die es unter der eigenen Marke verkauft.
Verkaufen die Händler diese Erzeugnisse unter ihren eigenen Marken, um mit den
unter den Herstellermarken verkauften Erzeugnissen in Wettbewerb zu treten, muß
der Marktanteil, über den sie aufgrund der Verkäufe verfügen, im allgemeinen
ihnen zugerechnet werden, um den Wettbewerb zu beurteilen, dem die Hersteller
von Erst- oder Zweitmarken ausgesetzt sind.
- 175.
- Hätte VPS allerdings, wie die Klägerin behauptet, etwa 60 % der in Deutschland
unter Handelsmarken verkauften Erzeugnisse hergestellt, wäre durch die
Nichtberücksichtigung dieses Produktionsanteils die tatsächliche Marktmacht dieses
Unternehmens und damit die von P & G nach dem Zusammenschluß erworbene
Stellung im vorliegenden Fall unterschätzt worden. In diesem Fall hätte P & G
nämlich aufgrund der Tatsache, daß VPS die hauptsächliche Bezugsquelle der
Händler für die von diesen unter ihren eigenen Marken verkauften Erzeugnisse
gewesen wäre, nach dem Erwerb des Nicht-Camelia-Geschäfts einen
bevorrechtigten Zugang zu den Großbetrieben des Handels erhalten und dadurch
gegenüber den Händlern eine Handelspolitik betreiben können, nach der die
Lieferung dieser Erzeugnisse vom vorrangigen Einkauf von Monatsbinden ihrer
Erstmarke abhängig gewesen wäre.
- 176.
- Der Kommission ist jedoch in dem vorliegenden Verfahren aufgrund der ihr von
P & G am 14. Februar 1994 im Rahmen der Prüfung des angemeldeten
Zusammenschlußvorhabens übermittelten Statistiken rechtlich der Nachweis
gelungen, daß der Marktanteil der von VPS hergestellten und unter
Handelsmarken verkauften Erzeugnisse gering war. Wie sich nämlich aus diesen
Daten ergibt, belief sich der Anteil des gesamten Nicht-Camelia-Geschäfts von VPS
einschließlich der unter Handelsmarken verkauften Erzeugnisse am deutschen
Bindenmarkt 1993 auf (wertmäßig) 8,2 %, was für die unter Handelsmarken
verkauften VPS-Erzeugnisse allein lediglich einem Marktanteil von (wertmäßig)
1,3 % (8,2 % weniger 6,9 %) entspricht. Da nach der Entscheidung und den
unbestrittenen Feststellungen der Kommission der Marktanteil sämtlicher
Handelsmarken (wertmäßig) 12,5 % betrug, belief sich der Anteil von VPS an der
Produktion von Monatsbinden, die unter Handelsmarken verkauft wurden, auf nur
etwa 10 %.
- 177.
- Da umgekehrt die Behauptungen der Klägerin bezüglich des spezifischen
Marktanteils der unter Handelsmarken verkauften VPS-Erzeugnisse weder durch
irgendwelche Beweise noch durch irgendwelche Zahlen, die die Richtigkeit der von
der Kommission vorgenommenen Bewertung in Zweifel ziehen könnten, gestützt
werden, ist das Argument einer Unterbewertung der Marktanteile des Nicht-Camelia-Geschäfts zurückzuweisen (vgl. z. B. Urteil des Gerichts vom 12.
Dezember 1991 in der Rechtssache T-30/89, Hilti/Kommission, Slg. 1991, II-1439,
Randnr. 89).
- 178.
- Das zweite Argument für einen Beurteilungsfehler, das den bevorrechtigten Zugang
zu den Großbetrieben des Handels betrifft, der P & G wegen des
Zusammenschlusses eingeräumt worden sei, kann unter den gegebenen Umständen
nicht die Behauptung stützen, daß der Zusammenschluß zur Begründung einer
beherrschenden Stellung auf dem relevanten Markt geführt hat. Angesichts der
geringen Bedeutung der Marktanteile der Zweitmarken von VPS Blümia und
Femina und der von VPS für Händler hergestellten Erzeugnisse ist die bloße
Behauptung, P & G verfüge dank ihres Erwerbs über die Macht, den Zugang von
Wettbewerbern zu Großbetrieben des Handels zu verhindern, offensichtlich nicht
begründet. Im übrigen hat die Klägerin nichts vorgetragen, was ihre Behauptung
stützen könnte, daß P & G den Händlern die Ersetzung der Camelia-Erzeugnisse
durch Nicht-Camelia-Erzeugnisse vorschlagen könnte, wohingegen die Kommission
in ihrer Entscheidung insbesondere dargetan hat, daß der Bindenmarkt durch die
Markentreue der Verbraucherinnen vor allem bei den Hauptmarken
gekennzeichnet ist (Randnrn. 97 und 125 der Entscheidung). Somit ist dieses
Argument der Klägerin ebenso zurückzuweisen wie das Argument, die Kommission
habe durch die Genehmigung der Aufteilung der VPS-Geschäfte zu einer
Schwächung der Marke Camelia beigetragen, was eine bloße Vermutung ist.
- 179.
- Da die Klägerin keinerlei Beweise für ihre Argumente vorgelegt hat, konnte die
Kommission nach Auffassung des Gerichts angesichts der Besonderheiten des
relevanten Marktes und der Marktanteile der beiden Hauptkonkurrenten von
P & G bei den Erstmarken zu Recht davon ausgehen, daß ein Marktanteil von
43,2 % nicht auf eine beherrschende Stellung schließen läßt (vgl. entsprechend
Urteil des Gerichtshofes vom 14. Februar 1978 in der Rechtssache 27/76, United
Brands/Kommission, Randnrn. 108 und 109), ohne daß im übrigen die Nebenfolgen
des Zusammenschlusses auf den Wettbewerb noch weiter geprüft werden müßten
(vgl. Urteil TAT, a. a. O., Randnr. 79).
- 180.
- Somit ist der erste Teil des Klagegrundes zurückzuweisen.
Zweiter Teil: fehlerhafte Beurteilung der Folgen des Zusammenschlusses für den
Markt der Haushaltshygienepapiere
Zusammenfassung des Vorbringens der Beteiligten
- 181.
- Die Klägerin wirft der Kommission vor, bei der Prüfung der Folgen des
Zusammenschlusses für den Haushaltshygienepapiermarkt nicht die Stellung von
P & G in den Vereinigten Staaten und ihre veränderten finanziellen Möglichkeiten
nach der Übertragung von Camelia berücksichtigt zu haben. Der Erwerb von VPS,
deren Marktanteile in Deutschland zwischen 15 % und 20 % lägen, gebe P & G
die Möglichkeit, den europäischen Markt zu durchdringen und ihre Marktanteile
dank ihrer finanziellen Mittel und ihrer Marktführerrolle in den Vereinigten
Staaten zu erhöhen. Nachdem P & G ihr Vorhaben, Camelia zu erwerben,
aufgegeben habe, könne sie die finanziellen Mittel, die ursprünglich hierfür
bestimmt gewesen seien, anderweitig einsetzen. Da die Kommission diese Prüfung
nicht durchgeführt habe, habe sie gegen Artikel 2 Absätze 1 und 3 sowie gegen
Artikel 8 der Verordnung Nr. 4064/89 verstoßen.
- 182.
- Nach Ansicht der Kommission rügt die Klägerin lediglich die angebliche
Nichtberücksichtigung bestimmter Umstände, ohne aber darzutun, daß deren
Berücksichtigung zu dem entgegengesetzten Ergebnis geführt hätte, und ohne zu
beweisen, daß die Analyse der Kommission falsch sei. Die Kommission habe in
ihrer Entscheidung die Auswirkungen des Eintritts von P & G in den europäischen
Markt geprüft, doch hätten angesichts des Marktanteils von VPS, der Tatsache, daß
P & G auf diesem Markt in Europa nicht vertreten sei, und der Merkmale des
Marktes, z. B. des Vorhandenseins starker Wettbewerber, des Wachstums des
Marktes und der Bedeutung der Handelsmarken, keine ernsthaften Bedenken
bestanden. Was den Verzicht auf den Erwerb von Camelia betreffe, so habe sich
der Verkauf von Camelia angesichts der finanziellen Mittel von P & G im
allgemeinen nicht unmittelbar auf die Ausgaben auf dem Markt für
Haushaltshygienepapiere auswirken können.
- 183.
- Die Streithelferin weist darauf hin, daß die Kommission in Randnummer 13 ihrer
Entscheidung die mögliche Auswirkung der Stellung von P & G auf dem Markt der
Haushaltshygienepapiere in den Vereinigten Staaten und Kanada auf den
europäischen Markt berücksichtigt und festgestellt habe, daß keine
Überschneidungen zwischen den Tätigkeiten von VPS und P & G bestünden.
Jedenfalls beliefen sich die von P & G mit dem Zusammenschluß erworbenen
Marktanteile auf 4 % und könnten keine Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit
des Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt wecken.
Würdigung durch das Gericht
- 184.
- Im vorliegenden Fall beruft sich die Klägerin darauf, daß die Kommission die
geltend gemachten Wirkungen des Zusammenschlusses im Sektor Hygienepapiere
nicht berücksichtigt habe, hat aber nicht dargetan, inwiefern der streitige
Zusammenschluß zu einer beherrschenden Stellung auf einem der relevanten
Märkte dieses Sektors geführt hat. Die Klägerin bestreitet nämlich nicht die in der
Entscheidung (vgl. oben, Randnr. 47) festgestellte Tatsache, daß P & G in diesem
Sektor in Europa zum Zeitpunkt der Anmeldung des Zusammenschlusses nicht
tätig gewesen ist, so daß sich durch diesen Zusammenschluß Marktanteile der
betroffenen Unternehmen nicht addiert haben. Zudem ist nicht geltend gemacht
worden, daß die Kommission einen Beurteilungsfehler begangen habe, indem sie
die bedeutende Rolle der Wettbewerber und der Handelsmarken in diesem Sektor
herausgestellt und den Standpunkt vertreten habe, daß angesichts dieser Faktoren
selbst unter Zugrundlegung der engstmöglichen Definition des Marktes, nämlich
des deutschen Marktes für Papiertaschentücher, auf dem VPS über einen
Marktanteil zwischen 35 % und 40 % verfügte das Vorhaben keinen Anlaß zu
ernsthaften Bedenken hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen
Markt gebe. Liegt keine Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden
Stellung vor, so ist der Zusammenschluß zu genehmigen, ohne daß geprüft zu
werden braucht, wie er sich auf den wirksamen Wettbewerb auswirkt (vgl. Urteil
TAT, a. a. O., Randnr. 79). Die Klägerin kann somit die Rechtmäßigkeit der von
der Kommission durchgeführten Untersuchung der Folgen des Zusammenschlusses
für Hygienepapiere nicht in Zweifel ziehen.
- 185.
- Jedenfalls wird das Ergebnis der Kommission, daß das Vorhaben bezüglich dieser
Erzeugnisse keinen ernsthaften Bedenken hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem
Gemeinsamen Markt begegne, durch die Argumente der Klägerin nicht widerlegt.
Selbst wenn man annimmt, daß P & G aufgrund ihrer finanziellen Mittel und ihrer
Stellung auf dem nordamerikanischen Markt die Marktanteile von VPS hätte
vergrößern können, was das Ziel eines solchen Zusammenschlusses ist, hat die
Klägerin jedenfalls nicht dargetan, inwiefern derartige Gegebenheiten die
Kommission zum Verbot des fraglichen Zusammenschlusses hätten veranlassen
müssen, wenn auf keinem der von der Kommission als relevant angesehenen
Märkte eine beherrschende Stellung begründet oder verstärkt wird (vgl. Urteil
TAT, a. a. O., Randnr. 47).
- 186.
- Somit ist der zweite Teil des Klagegrundes zurückzuweisen.
Dritter Teil: fehlerhafte Beurteilung der Folgen des Zusammenschlusses für den
Babywindelmarkt
Zusammenfassung des Vorbringens der Beteiligten
- 187.
- Die Klägerin wirft der Kommission vor, die Folgen der Übertragung des
Babywindelgeschäfts von VPS auf Dritte in Deutschland und in Spanien nicht
untersucht und damit keine Maßnahmen getroffen zu haben, die den Wettbewerb
gegenüber P & G, die auf diesen Märkten bereits eine beherrschende Stellung
habe, aufrechterhalten könnten. Namentlich was den deutschen Markt betreffe,
habe die Kommission keinerlei Kontrolle über die Eigenschaften des Erwerbers des
VPS-Geschäfts ausgeübt, so daß P & G mit der Wahl eines Wirtschaftsteilnehmers,
der nicht über die finanziellen und wirtschaftlichen Mittel verfüge, um sich auf dem
Markt der Herstellermarken behaupten zu können, die VPS-Erzeugnisse, die in
Wettbewerb zu ihren Pampers-Erzeugnissen stünden, verdrängen könne.
Verschwänden die VPS-Erzeugnisse, habe P & G mit einem Marktanteil von 51 %
somit eine beherrschende Stellung gegenüber kleinen Wettbewerbern mit
Marktanteilen von 9 % und 5 %. Aufgrund dessen hätte die Kommission sich
dieser Übertragung widersetzen oder zumindest P & G Verpflichtungen bezüglich
der Eigenschaft des Käufers dieses Geschäfts auferlegen müssen, um den
Wettbewerb zwischen VPS-Erzeugnissen und den von P & G verkauften
Erzeugnissen aufrechtzuerhalten. Da solche Maßnahmen nicht ergangen seien,verstoße die Entscheidung gegen Artikel 2 Absätze 1 und 3 und Artikel 8 der
Verordnung Nr. 4064/89.
- 188.
- Nach Ansicht der Kommission zeigen die Einwände und Hypothesen der
Klägerinnen nicht, daß der Erwerb von VPS durch P & G eine beherrschende
Stellung begründet oder verstärkt habe, so daß dieser Vorwurf zurückzuweisen sei
(Urteil TAT, a. a. O.). Jedenfalls sei das Babywindelgeschäft von VPS, da P & G
keine Kontrolle hierüber erworben habe, nicht von dem Zusammenschluß betroffen
gewesen, so daß die Kommission keine Auflagen bezüglich des für den Erwerb
dieses Geschäfts auszuwählenden Dritten hätte vorschreiben können.
- 189.
- Die Streithelferin schließt sich dem Vorbringen der Kommission an und meint, daß
diese ihre Befugnisse überschritten hätte, wenn sie ihre Kontrollbefugnis auf den
Verkauf des Babywindelgeschäfts von VPS durch P & G hätte ausdehnen wollen,
da P & G hierüber zu keinem Zeitpunkt die Kontrolle erworben habe.
Würdigung durch das Gericht
- 190.
- Wie sich aus der Entscheidung und den Erklärungen der Kommission, die nicht
bestritten worden sind, ergibt, wollten die Parteien des Zusammenschlusses den
VPS-Geschäftsbereich Babyhygiene, d. h. das Babywindelgeschäft, eindeutig von
diesem Zusammenschluß ausnehmen, da dieses Geschäft gleichzeitig mit der
Genehmigung des Vorhabens an einen Dritten übertragen werden sollte. Nach den
bei der Kommission angemeldeten Übernahmeverträgen sollte dieser
Geschäftsbereich aus VPS ausgegliedert und einem Treuhänder übertragen werden,
der bei der Anmeldung bereits bestimmt war und den Auftrag hatte, die
Übertragung auf einen Dritten innerhalb kurzer Zeit nach dem Abschluß des
Erwerbs von VPS durch P & G durchzuführen (Randnrn. 5 und 6 der
Entscheidung). Da die Kontrolle dieses Geschäfts P & G nicht wirklich und
dauerhaft übertragen worden war, fiel dieses somit nicht unter das der Kommission
zur Prüfung vorgelegte Zusammenschlußvorhaben. Da folglich kein
Zusammenschluß durchgeführt wurde, der eine beherrschende Stellung auf dem
deutschen oder spanischen Babywindelmarkt hätte begründen oder verstärken
können, kann die Klägerin der Kommission nicht vorwerfen, sie habe zu der für
die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs angeblich nachteiligen Wahl
des im vorliegenden Fall für den Erwerb dieses VPS-Geschäfts bestimmten Dritten
nicht Stellung genommen; die Kommission war nämlich hierzu im Rahmen der
Verordnung Nr. 4064/89 nicht befugt.
- 191.
- Aus den gleichen Gründen greift das Argument, die Kommission hätte zumindest
Auflagen bezüglich der Eigenschaften des Erwerbers dieses Geschäfts gemäß
Artikel 8 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4064/89 festsetzen müssen, nicht durch. Im
übrigen ist es nicht Sache des Gerichts im Rahmen einer Nichtigkeitsklage, seine
Würdigung an die Stelle derjenigen der Kommission zu setzen und über die Frage
zu entscheiden, ob diese gemäß dem genannten Artikel diese Entscheidung mit
Bedingungen und Auflagen hätte verbinden müssen, zumal diese Bestimmung die
materielle Prüfung der Vereinbarkeit des beabsichtigten Zusammenschlusses mit
dem Gemeinsamen Markt betrifft, nachdem das Verfahren nach Artikel 6 Absatz
1 Buchstabe c der Verordnung Nr. 4064/89 eingeleitet worden ist (vgl. Urteil Dan
Air, a. a. O., Randnr. 113).
- 192.
- Somit ist der dritte Teil des Klagegrundes, mit dem gerügt wird, daß die
Kommission die Folgen des Zusammenschlusses für den Markt für Babywindeln
nicht untersucht habe, zurückzuweisen.
- 193.
- Nach alledem ist die Klage abzuweisen.
Kosten
- 194.
- Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag
zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen
unterlegen ist und die Kommission und die Streithelferin P & G einen
entsprechenden Antrag gestellt haben, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT (Zweite erweiterte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der
Streithelferin P & G.
BellamyBriët
Kalogeropoulos
Potocki Jaeger
|
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 27. November 1997.
Der Kanzler
Der Präsident
H. Jung
A. Kalogeropoulos