Language of document : ECLI:EU:F:2016:139

URTEIL DES GERICHTS FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST

DER EUROPÄISCHEN UNION

(Zweite Kammer)

28. Juni 2016

Rechtssache F‑144/15

Andrea Lorenzet

gegen

Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA)

„Öffentlicher Dienst – Bedienstete auf Zeit – Art. 2 Buchst. f BSB – Unbefristeter Vertrag – Unbezahlter Urlaub – Urlaub aus persönlichen Gründen – Nichtverlängerung eines unbezahlten Urlaubs um ein weiteres Jahr – Art. 52 BSB“

Gegenstand:      Klage nach Art. 270 AEUV auf Aufhebung der Entscheidung der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA oder im Folgenden: Agentur), den unbezahlten Urlaub von Herrn Andrea Lorenzet nicht zu verlängern

Entscheidung:      Die Klage wird abgewiesen. [Durch Beschluss vom 13. Juli 2016 berichtigte Fassung:] Herr Andrea Lorenzet trägt seine eigenen Kosten und wird verurteilt, die der Europäischen Agentur für Flugsicherheit entstandenen Kosten zu tragen.

Leitsätze

1.      Beamte – Bedienstete auf Zeit – Unbezahlter Urlaub – Ablauf – Verweigerung der Verlängerung – Unvereinbarkeit mit dem dienstlichen Interesse – Verpflichtung der Verwaltung, das Vorliegen eines aktuellen und dringenden Bedarfs nachzuweisen – Fehlen

(Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten, Art. 17 und 52)

2.      Beamte – Bedienstete auf Zeit – Unbezahlter Urlaub – Zwingende persönliche Gründe – Begriff

(Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten, Art. 17 und 52)

1.      Im Rahmen einer Verweigerung der Verlängerung eines unbezahlten Urlaubs um ein weiteres Jahr sieht Art. 52 Abs. 4 der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Union (BSB) einen Mechanismus vor, der den Anspruch des Bediensteten, innerhalb der Agentur, mit der er einen unbefristeten Dienstvertrag geschlossen hat, wiederverwendet zu werden, und zugleich das Interesse der Agentur daran schützen soll, die Leistungen der Bediensteten, denen sie einen solchen Vertrag angeboten hat, in Anspruch zu nehmen oder, wenn der Bedienstete die Wiedereingliederung in die Agentur verweigert, einen anderen Bediensteten statt ihm einzustellen. Die Verpflichtung der Agentur, dem betreffenden Bediensteten innerhalb einer angemessenen Frist eine Stelle anzubieten, die seiner Besoldungsgruppe und seinen Funktionen entspricht, geht mit einer entsprechenden Verpflichtung des Bediensteten einher, durch die Annahme einer solchen Stelle den Dienst bei der Agentur wiederaufzunehmen oder die Folgen einer etwaigen Weigerung zu tragen.

Daraus ergibt sich, dass selbst dann, wenn der Bedienstete in der Lage ist, das Vorliegen zwingender persönlicher Gründe nachzuweisen, die geeignet sind, die Gewährung einer Verlängerung eines unbezahlten Urlaubs ebenso zu rechtfertigen wie die Gewährung eines ersten unbezahlten Urlaubs, eine solche Verlängerung nur gewährt werden kann, wenn der beantragte Urlaub mit dem dienstlichen Interesse vereinbar ist. Trifft dies nicht zu, hat die Agentur den Antrag auf unbezahlten Urlaub oder auf Verlängerung eines solchen Urlaubs, der nach Art. 17 Abs. 1 der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten nur in Ausnahmefällen und im Unterschied zu dem, was für die Gewährung und die Verlängerung eines Urlaubs aus persönlichen Gründen für einen Beamten gilt, nur bei Vorliegen zwingender persönlicher Gründe gewährt werden kann, abzulehnen. Somit trifft die Agentur keine Verpflichtung, einen dringenden Bedarf in Form einer freien Stelle, die nicht anders als durch die Wiedereingliederung des im Urlaub befindlichen Bediensteten besetzt werden kann, nachzuweisen, um eine Verlängerung verweigern zu können.

Ebenso zeigt die Beschränkung jedes Zeitraums unbezahlten Urlaubs auf ein Jahr, dass es der Agentur obliegt, das dienstliche Interesse im Zeitpunkt der Bearbeitung jedes Verlängerungsantrags zu beurteilen, und dass sich dieses, selbst wenn die Gründe, die die Gewährung des ersten unbezahlten Urlaubs gerechtfertigt hatten, genau dieselben geblieben sind, in der Zwischenzeit in eine Richtung entwickelt haben kann, die für oder gegen die Fortsetzung des unbezahlten Urlaubs des betreffenden Bediensteten spricht.

Schließlich ist auf Anträge auf unbezahlten Urlaub die Rechtsprechung anzuwenden, nach der die Organe, wenn sie mit einem Antrag auf Urlaub aus persönlichen Gründen befasst werden, bei der Beurteilung sowohl der Rechtmäßigkeit der Gründe, die der einen solchen Urlaub beantragende Beamte vorträgt, als auch der Vereinbarkeit des Urlaubs mit dem dienstlichen Interesse über einen sehr weiten Ermessensspielraum verfügen.

Daher steht es einer Agentur völlig frei, einen unbezahlten Urlaub nicht zu verlängern, wenn sie diese Entscheidung auf Erfordernisse der internen Organisation stützt, ohne dass sie verpflichtet wäre, das Vorliegen eines aktuellen und dringenden Bedarfs nachzuweisen.

(vgl. Rn. 51 bis 55)

Verweisung auf:

Gerichtshof: Urteil vom 16. Dezember 1976, Mascetti/Kommission, 2/76, EU:C:1976:187, Rn. 5

2.      Der Begriff der zwingenden persönlichen Gründe im Sinne von Art. 17 der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Union ist nicht so auszulegen, dass er mit dem Begriff der persönlichen Gründe im Sinne von Art. 40 des Statuts identisch oder gleichbedeutend ist. In semantischer Hinsicht bedeutet der Gebrauch des Ausdrucks „zwingende persönliche Gründe“, dass der Bedienstete auf von ihm willentlich nicht beeinflussbare Zwänge besonders beträchtlichen Ausmaßes Bezug nehmen muss, die die ausnahmsweise Gewährung eines unbezahlten Urlaubs rechtfertigen würden, und dass er nicht völlig aus freien Stücken handelt. Hingegen umfasst der Begriff der persönlichen Gründe seinerseits zahlreiche verschiedenartige Gründe sowohl persönlicher als auch beruflicher Art, die einen Antrag auf Urlaub aus persönlichen Gründen rechtfertigen können, ohne dass der betreffende Beamte nachweisen müsste, dass sein Antrag die Reaktion auf irgendeinen Zwang ist.

Jedenfalls ist in rechtlicher Hinsicht der Wille des Gesetzgebers, verschiedene Voraussetzungen für die Gewährung von unbezahltem Urlaub und von Urlaub aus persönlichen Gründen vorzusehen, daraus ersichtlich, dass der betreffende Bedienstete im ersten Fall das Vorliegen zwingender persönlicher Gründe nachweisen muss, während im zweiten Fall bloße persönliche Gründe ausreichen. Im Übrigen ergibt sich schon aus dem Wortlaut von Art. 52 Abs. 1 der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten, dass die Ausnahme, die dieser Artikel von der Anwendung von Art. 17 Abs. 3 dieser Beschäftigungsbedingungen zugunsten von Bediensteten auf Zeit gemäß Art. 2 Buchst. f dieser Beschäftigungsbedingungen mit einem Vertrag auf unbestimmte Dauer vorsieht, nur die Dauer des Urlaubs betrifft.

Dass ein Antrag auf unbezahlten Urlaub durch zwingende persönliche Gründe gerechtfertigt sein muss, ist des Weiteren klar in Art. 17 der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten vorgesehen, und nichts im Wortlaut des Art. 52 der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten deutet darauf hin, dass diese Vorschrift auf die Bediensteten auf Zeit, die bei Agenturen mit einem Vertrag auf unbestimmte Dauer beschäftigt sind, nicht anwendbar wäre.

Wie überdies dem Wortlaut des Art. 52 der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Union zu entnehmen ist, „kann“ Bediensteten auf Zeit gemäß Art. 2 Buchst. f dieser Beschäftigungsbedingungen mit einem Vertrag auf unbestimmte Dauer ein unbezahlter Urlaub gewährt werden. Die betreffenden Bediensteten haben somit keinen Anspruch auf Gewährung eines solchen Urlaubs.

(vgl. Rn. 65 bis 68)

Verweisung auf:

Gerichtshof: Urteil vom 16. Dezember 1976, Mascetti/Kommission, 2/76, EU:C:1976:187, Rn. 6