Language of document : ECLI:EU:T:2016:727

URTEIL DES GERICHTS (Erste Kammer)

13. Dezember 2016(*)

„EZB – Personal der EZB – Leiharbeitnehmer – Begrenzung der Höchstdauer der Leistungserbringung eines Leiharbeitnehmers – Nichtigkeitsklage – Anfechtbare Handlung – Unmittelbare und individuelle Betroffenheit – Rechtsschutzinteresse – Klagefrist – Zulässigkeit – Keine Unterrichtung und Anhörung der klagenden Gewerkschaftsorganisation – Außervertragliche Haftung“

In der Rechtssache T‑713/14

International and European Public Services Organisation (IPSO) mit Sitz in Frankfurt am Main (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin L. Levi,

Klägerin,

gegen

Europäische Zentralbank (EZB), zunächst vertreten durch B. Ehlers, I. Köpfer und M. López Torres, dann durch B. Ehlers, P. Pfeifhofer und F. Malfrère als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt B. Wägenbaur,

Beklagte,

betreffend zum einen einen auf Art. 263 AEUV gestützten Antrag auf Nichtigerklärung eines Rechtsakts des Direktoriums der EZB vom 20. Mai 2014, mit dem die Höchstdauer, während der die EZB für Verwaltungs- und Sekretariatsaufgaben auf die Leistungen ein und desselben Leiharbeitnehmers zurückgreifen darf, auf zwei Jahre begrenzt wurde, sowie zum anderen einen auf Art. 268 AEUV gestützten Antrag auf Ersatz des erlittenen immateriellen Schadens

erlässt

DAS GERICHT (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten H. Kanninen sowie der Richterin I. Pelikánová und des Richters E. Buttigieg (Berichterstatter),

Kanzler: G. Predonzani, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 2. Juni 2016

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Die Klägerin, die International and European Public Services Organisation (IPSO), ist eine Gewerkschaft, die nach ihrer Satzung die Interessen derPersonen vertritt,die bei den in Deutschland tätigen internationalen und europäischen Organisationen beschäftigt sind oder für diese arbeiten.

2        Am 3. Juli 2008 unterzeichneten die Klägerin und die Europäische Zentralbank (EZB) eine Rahmenvereinbarung mit dem Titel „Vereinbarung zwischen der [EZB] und der [IPSO] über die Anerkennung, den Informationsaustausch und die Anhörung“, die durch einen Nachtrag vom 23. März 2011 ergänzt wurde (im Folgenden: Rahmenvereinbarung).

3        Die Rahmenvereinbarung sieht in ihrem Punkt 2 die Modalitäten der Unterrichtung, der frühzeitigen Intervention und der Anhörung der IPSO hinsichtlich der Maßnahmen vor, die sich auf die Situation oder die Interessen des Personals der EZB auswirken können.

4        Auf Initiative der Klägerin nahm die EZB mit der Letzteren Gespräche über die Situation der bei ihr tätigen Leiharbeitnehmer auf.

5        In der Besprechung vom 29. Januar 2014 wurde auf Anregung eines für Personalfragen zuständigen Mitglieds des Direktoriums der EZB zwischen den Parteien vereinbart, eine Arbeitsgruppe für Fragen betreffend die Leiharbeitnehmer (im Folgenden: Arbeitsgruppe) einzurichten. Die Parteien verpflichteten sich, diesem Mitglied des Direktoriums einen Bericht über die Schlussfolgerungen vorzulegen, zu denen sie im Anschluss an diese Gespräche gelangen würden.

6        Einige weitere Besprechungen zum Thema Leiharbeitnehmer fanden zwischen der Klägerin und der EZB, vertreten durch Mitglieder der Generaldirektion (GD) „Personal, Budget & Organisation“, zwischen dem 18. Februar 2014 und dem 5. Dezember 2014 in der Arbeitsgruppe statt und wurden über diesen Zeitpunkt hinaus fortgesetzt.

7        In seiner Besprechung vom 20. Mai 2014 nahm das Direktorium zu bestimmten Fragen betreffend den Einsatz von Leiharbeitnehmern bei der EZB und insbesondere zur Begrenzung der Arbeit ein und desselben Leiharbeitnehmers mit Verwaltungs- und Sekretariatsaufgaben für die EZB auf eine Höchstdauer von zwei Jahren Stellung (im Folgenden: angefochtener Rechtsakt). Der angefochtene Rechtsakt in der Form des Protokolls dieser Besprechung sieht Folgendes vor:

„In Anbetracht der in der Dokumentation übermittelten Informationen und insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass die GD [,Personal, Budget & Organisation‘] Gespräche mit den betreffenden Dienststellen führen wird, mit dem Ziel, schrittweise die Abhängigkeit der EZB von den Leiharbeitnehmern für wiederkehrende Aufgaben zu verringern, hat das Direktorium: a) Folgendes beschlossen: i) Leiharbeitnehmer mit Verwaltungs- und Sekretariatsaufgaben sind nunmehr nur zur Deckung eines vorübergehenden Bedarfs einzusetzen, und die Gesamtdauer ihrer aufeinanderfolgenden Verträge darf 24 Monate nicht übersteigen …“

8        Für die Anwendung dieser Maßnahme wurden bestimmte Übergangsmaßnahmen vorgesehen. Das Direktorium nahm auch insbesondere den Umstand zur Kenntnis, dass die GD „Personal, Budget & Organisation“ einen getrennten Vermerk zur Zukunft der Leiharbeitnehmer für EDV‑Supportleistungen vorbereiten würde.

9        In der Besprechung der Arbeitsgruppe vom 5. Juni 2014 wurde die Klägerin von den Vertretern der GD „Personal, Budget & Organisation“ über den Erlass des angefochtenen Rechtsakts durch das Direktorium unterrichtet.

10      Am 16. Juli 2014 wurde eine Informationsveranstaltung für die Leiharbeitnehmer zu den mit dem angefochtenen Rechtsakt erlassenen Maßnahmen abgehalten, gefolgt von der Verbreitung folgender Information über diese Maßnahmen im Intranet der EZB:

„Das Direktorium der EZB hat beschlossen, für die Verträge der Leiharbeitnehmer mit Verwaltungs- und Sekretariatsaufgaben eine Begrenzung von zwei Jahren einzuführen … Das Personal mit Verwaltungs- und Sekretariatsaufgaben (das zur Deckung eines vorübergehenden Bedarfs, für Vertretungen oder für Arbeiten an konkreten Projekten beschäftigt wird) kann ab jetzt nur mehr für insgesamt zwei Jahre aufgrund eines einzigen oder mehrerer aufeinanderfolgender Leiharbeitsverträge bei der EZB eingesetzt werden. Allerdings gilt eine Übergangsmaßnahme … Die Entscheidung des Direktoriums betrifft weder die Unterauftragnehmer der GD-IS noch die Kollegen mit technischen Aufgaben, wie die Ingenieure oder andere Techniker.“

 Verfahren und Anträge der Parteien

11      Mit Klageschrift, die am 10. Oktober 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

12      Die Klägerin beantragt,

–        die Klage für zulässig und begründet zu erklären;

–        den angefochtenen Rechtsakt für nichtig zu erklären;

–        die EZB zum Ersatz des immateriellen Schadens zu verurteilen, der nach billigem Ermessen auf 15 000 Euro beziffert wird;

–        der EZB die Kosten aufzuerlegen.

13      Die EZB beantragt,

–        die Klage als unzulässig, hilfsweise als unbegründet abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

1.     Zur Zulässigkeit

14      Ohne förmlich eine Einrede der Unzulässigkeit nach Art. 114 der Verfahrensordnung des Gerichts vom 2. Mai 1991 zu erheben, stellt die EZB die Zulässigkeit der Klage in Abrede und macht, wie sie in der mündlichen Verhandlung bestätig hat, vier Einreden der Unzulässigkeit geltend; die erste betrifft das Fehlen einer anfechtbaren Handlung, die zweite die fehlende Klagebefugnis der Klägerin, die dritte das fehlende Rechtsschutzinteresse der Klägerin und die vierte die Nichteinhaltung der Klagefrist.

 Zum Fehlen einer anfechtbaren Handlung

15      Die EZB macht geltend, der angefochtene Rechtsakt sei keine anfechtbare Handlung im Sinne der Rechtsprechung, da er keine Rechtswirkungen gegenüber Dritten entfalte. Insoweit stelle der angefochtene Rechtsakt eine nur an die Verantwortlichen der Dienststellen der EZB gerichtete interne Richtlinie oder interne Leitlinie dar, die die Entscheidungen harmonisieren solle, die diese im Rahmen der „dezentralisierten Verwaltung“ der Vergabe von Aufträgen hinsichtlich der Auswahl der Angebote von Leiharbeitsunternehmen treffen sollten, und die das Ziel habe, die internen Auswahlkriterien mit einer künftigen Änderung der anwendbaren deutschen Rechtsvorschriften, nämlich des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes vom 7. August 1972 (BGBl. I S. 1393, im Folgenden: AÜG), in Einklang zu bringen. Nur das AÜG und nicht der angefochtene Rechtsakt sei maßgeblich, um den im vorliegenden Fall geltenden Rechtsrahmen festzulegen, wobei die EZB jeder Änderung dieses Gesetzes nachzukommen habe.

16      Die Klägerin macht geltend, der angefochtene Rechtsakt sei eine anfechtbare Handlung, da er zum einen einen neuen zwingenden Rechtsrahmen für den Einsatz von Leiharbeitnehmern für Verwaltungs- und Sekretariatsaufgaben durch die EZB festgelegt habe und zum anderen über die interne Organisation der Dienststellen der EZB hinaus Wirkungen erzeuge, indem er in qualifizierter Weise zum einen die Rechtsstellung der Leiharbeitsunternehmen und zum anderen die der Leiharbeitnehmer ändere, deren Einsatzdauer in der EZB begrenzt werde.

17      Nach ständiger Rechtsprechung stellen nur Maßnahmen mit verbindlichen Rechtswirkungen, die die Interessen Dritter durch eine qualifizierte Änderung ihrer Rechtsstellung berühren, Handlungen dar, gegen die eine Nichtigkeitsklage gegeben ist (Urteile vom 31. März 1971, Kommission/Rat, 22/70, EU:C:1971:32, Rn. 42, vom 6. April 2000, Spanien/Kommission, C‑443/97, EU:C:2000:190, Rn. 27, und Beschluss vom 12. Februar 2010, Kommission/CdT, T‑456/07, EU:T:2010:39, Rn. 52).

18      Für die Feststellung, ob eine Handlung, deren Nichtigerklärung beantragt wurde, solche Wirkungen erzeugt, ist auf ihr Wesen (Urteil vom 11. November 1981, IBM/Kommission, 60/81, EU:C:1981:264, Rn. 9), auf den Kontext, in dem sie ausgearbeitet wurde (Urteil vom 17. Februar 2000, Stork Amsterdam/Kommission, T‑241/97, EU:T:2000:41, Rn. 62), sowie auf die Absicht des Handelnden abzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. Juli 2008, Athinaïki Techniki/Kommission, C‑521/06 P, EU:C:2008:422, Rn. 42, 46 und 52, und vom 26. Januar 2010, Internationaler Hilfsfonds/Kommission, C‑362/08 P, EU:C:2010:40, Rn. 52). Dagegen ist die Form, in der eine Handlung oder eine Entscheidung ergeht, für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Nichtigkeitsklage grundsätzlich ohne Bedeutung (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. November 1981, IBM/Kommission, 60/81, EU:C:1981:264, Rn. 9, und vom 7. Juli 2005, Le Pen/Parlament, C‑208/03 P, EU:C:2005:429, Rn. 46). Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass das Gericht die Form berücksichtigt, in der die Handlungen, die vom Gericht für nichtig erklärt werden sollen, ergangen sind, da die Form zur Bestimmung der rechtlichen Bedeutung dieser Handlungen beitragen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Mai 1982, Deutschland und Bundesanstalt für Arbeit/Kommission, 44/81, EU:C:1982:197, Rn. 12, und Beschluss vom 12. Februar 2010, Kommission/CdT, T‑456/07, EU:T:2010:39, Rn. 58).

19      Außerdem stellt nach der Rechtsprechung eine Maßnahme eines Organs, mit der lediglich seine Absicht oder die Absicht einer seiner Dienststellen kundgetan wird, sich in einem bestimmten Bereich in einer bestimmten Weise zu verhalten, keine anfechtbare Handlung im Sinne von Art. 263 AEUV dar (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 27. September 1988, Vereinigtes Königreich/Kommission, 114/86, EU:C:1988:449, Rn. 13, und vom 5. Mai 1998, Vereinigtes Königreich/Kommission, C‑180/96, EU:C:1998:192, Rn. 28). Solche internen Leitlinien, die somit die allgemeinen Regeln enthalten, die das Organ künftig zugrunde zu legen gedenkt, wenn es, gestützt auf die einschlägigen Vorschriften, Einzelfallentscheidungen erlässt, deren Rechtmäßigkeit im Verfahren nach Art. 263 AEUV in Frage gestellt werden kann, entfalten nur im verwaltungsinternen Bereich Wirkungen und begründen keine Rechte oder Pflichten Dritter. Sie stellen somit keine beschwerenden Maßnahmen dar, die als solche mit einer Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV angefochten werden können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. April 2000, Spanien/Kommission, C‑443/97, EU:C:2000:190, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Rn. 33 und 34, und vom 20. November 2008, Italien/Kommission, T‑185/05, EU:T:2008:519, Rn. 41).

20      Nur die Handlung, mit der ihr Urheber seine Auffassung unmissverständlich und endgültig in einer Form zum Ausdruck bringt, die ihre Rechtsnatur erkennen lässt, stellt eine Entscheidung dar, gegen die eine Nichtigkeitsklage erhoben werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Mai 1982, Deutschland und Bundesanstalt für Arbeit/Kommission, 44/81, EU:C:1982:197, Rn. 12, und Beschluss vom 12. Februar 2010, Kommission/CdT, T‑456/07, EU:T:2010:39, Rn. 54).

21      Im vorliegenden Fall unterscheidet sich der angefochtene Rechtsakt von einer bloßen Anweisung oder Leitlinie, die an die Dienststellen der EZB gerichtet ist, sowohl seinem Inhalt nach als auch den Umständen nach, unter denen er erlassen wurde, wie auch der Art und Weise nach, in der er verfasst und den Betroffenen zur Kenntnis gebracht wurde.

22      In Anbetracht seines Inhalts, der klar und eindeutig formuliert ist, stellt der angefochtene Rechtsakt eine Entscheidung des Direktoriums der EZB dar, die Dauer, in denen die EZB die Leistungen ein und desselben für Verwaltungs- und Sekretariatsaufgaben eingesetzten Leiharbeitnehmers zur Deckung eines vorübergehenden Bedarfs in Anspruch nehmen kann, vorbehaltlich von Übergangsmaßnahmen auf zwei Jahre zu begrenzen. Entgegen dem Vorbringen der EZB ist das Direktorium durch die Annahme eines solchen Standpunkts über das hinausgegangen, was die Ausgabe interner Leitlinien an die Dienststellen der EZB zur Abfassung einer Dokumentation für Ausschreibungen betreffend die Auswahl der Angebote von Leiharbeitsunternehmen bedeutet hätte. Das Direktorium hat sich nämlich nicht darauf beschränkt, unverbindliche Hinweise oder Leitlinien festzulegen, sondern hat bereits Vorschriften mit allgemeiner Geltung erlassen, mit denen zumindest einige Kriterien, die im Rahmen des Einsatzes von Leiharbeitnehmern in diesem Organ zu befolgen sind, endgültig geregelt werden, nämlich die Höchstdauer des Einsatzes ein und desselben Leiharbeitnehmers für Verwaltungs- und Sekretariatsaufgaben.

23      Ein solcher Rechtsakt erzeugt verbindliche Rechtswirkungen, da die EZB, wenn sie die Angebote der Leiharbeitsunternehmen im Rahmen einer Ausschreibung von Aufträgen über den Einsatz von Leiharbeitnehmern durch das Organ beurteilt, von ihm nicht abweichen kann, soweit diese Regel nicht förmlich abgeändert oder aufgehoben wird.

24      Dieser Entscheidungscharakter des angefochtenen Rechtsakts wird durch die Form, in der diese Maßnahme erlassen wurde, bestätigt. Zum einen verwendet er nämlich den Ausdruck „das Direktorium [hat] … beschlossen“ (vgl. oben, Rn. 7), und zum anderen wurde in der im Intranet der EZB bekanntgegebenen Information auf den angefochtenen Rechtsakt wie folgt Bezug genommen: „[d]as Direktorium … hat beschlossen, … einzuführen“ und „Entscheidung des Direktoriums“ (vgl. oben, Rn. 10). Ebenso hat sich der Präsident der EZB in seinem an die Klägerin gerichteten Schreiben vom 30. September 2014 auf den angefochtenen Rechtsakt mit dem Ausdruck „das Direktorium [hat] … beschlossen“ bezogen.

25      Nach der oben in Rn. 18 angeführten ständigen Rechtsprechung stellt, auch wenn für die Feststellung, ob eine Handlung Rechtswirkungen erzeugt, auf ihr Wesen abzustellen ist, die Form der Handlung einen von mehreren Hinweisen dar, der vom Unionsrichter berücksichtigt werden kann, um das Wesen der fraglichen Handlung zu definieren, auch wenn sie ihm nicht für sich genommen erlauben kann, Letztere als beschwerende Maßnahme im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV zu qualifizieren. Ohne dass dieser Feststellung eine entscheidende Bedeutung zukommt, ist daher festzustellen, dass der Gebrauch des Wortlauts „das Direktorium [hat] … beschlossen“ und „Entscheidung des Direktoriums“ durch die EZB im Kontext des angefochtenen Rechtsakts die oben in Rn. 22 dargelegte Auslegung seines Inhalts erhärten kann, die den Schluss zulässt, dass er Entscheidungscharakter hat.

26      Die Umstände im Zusammenhang mit dem Erlass des angefochtenen Rechtsakts und die Mitteilung seiner Tragweite an die Bediensteten der EZB bestätigen die Feststellung, dass ihm Entscheidungscharakter zukommt.

27      Erstens ist darauf hinzuweisen, dass der im angefochtenen Rechtsakt angenommene Standpunkt des Direktoriums der EZB der Absicht dieses Organs folgt, „schrittweise den Einsatz von Leiharbeitnehmern für wiederkehrende Aufgaben zu verringern“, wie aus dem angefochtenen Rechtsakt und aus dem von der GD „Personal, Budget & Organisation“ für das Direktorium erstellten und von diesem beim Erlass des angefochtenen Rechtsakts berücksichtigten Dokument „Vermerk über i) [die] aktualisierten Informationen zum Einsatz von Leiharbeitnehmern in der EZB; ii) [die] kurzfristige und mittelfristige Option, die Abhängigkeit der EZB von den Leiharbeitnehmern zu verringern“ (im Folgenden: Vermerk der GD „Personal, Budget & Organisation“) hervorgeht. Daraus folgt, dass das Direktorium mit dem Erlass des angefochtenen Rechtsakts im Rahmen einer allgemeinen Politik der Verringerung des Einsatzes von Leiharbeitnehmern in der EZB tätig werden wollte.

28      Die EZB macht allerdings geltend, mit dem angefochtenen Rechtsakt habe gemäß dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung die Änderung der deutschen Rechtsvorschriften zur Leiharbeit, nämlich des AÜG, das auf die von ihr mit den Leiharbeitsunternehmen geschlossenen Verträge anwendbar sei, vorweggenommen werden sollen.

29      Insoweit ist festzustellen, dass der Vorschlag der deutschen Regierung betreffend die Änderung des AÜG zur Beschränkung der Leiharbeitnehmerverträge auf 18 Monate zwar im Vermerk der GD „Personal, Budget & Organisation“ sowie in der im Intranet der EZB am 16. Juli 2014 verbreiteten Information über den angefochtenen Rechtsakt angeführt wird. Der bloße Umstand, dass es zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Rechtsakts einen solchen Vorschlag gab, kann jedoch das Vorbringen der EZB nicht erhärten, wonach dieser eine Maßnahme darstelle, die zur Vorwegnahme der Änderung der maßgeblichen deutschen Rechtsvorschriften erlassen worden sei.

30      Zunächst ist nämlich darauf hinzuweisen, dass die Änderung der deutschen Rechtsvorschriften, auf die sich die EZB bezieht, beim Erlass des angefochtenen Rechtsakts noch nicht verabschiedet war und ihr Inhalt zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit Sicherheit festgestellt werden konnte. Wenn es tatsächlich die Absicht der EZB gewesen wäre, die Verabschiedung der Änderung des AÜG vorwegzunehmen, hätte sie das Inkrafttreten der durch den angefochtenen Rechtsakt erlassenen Maßnahmen an das Inkrafttreten dieser Änderung angepasst. Die vom angefochtenen Rechtsakt vorgesehenen Maßnahmen waren jedoch ab dem 16. Juli 2014 anwendbar, wie aus der an diesem Tag auf der im Intranet des Organs verbreiteten Information hervorgeht, während die Änderung des AÜG zu diesem Zeitpunkt noch nicht verabschiedet war und im Übrigen auch am Tag der mündlichen Verhandlung in der vorliegenden Rechtssache noch immer nicht verabschiedet war, wie die EZB bestätigt hat.

31      Sodann ist festzustellen, dass der Vorschlag zur Änderung des AÜG, wie er im Vermerk der GD „Personal, Budget & Organisation“ angeführt wurde, vorsah, die Leiharbeitnehmerverträge auf 18 Monate zu beschränken, während der angefochtene Rechtsakt die Höchstdauer des Einsatzes ein und desselben Leiharbeitnehmers in der EZB auf 24 Monate festlegte. Es kann daher jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass der angefochtene Rechtsakt als reine Vorwegnahme der auf nationaler Ebene geplanten Maßnahmen erlassen wurde.

32      Schließlich ist die mit dem angefochtenen Rechtsakt erlassene Maßnahme, wie die Klägerin geltend macht, nur auf eine Kategorie von Leiharbeitnehmern in der EZB anwendbar, nämlich auf die für Verwaltungs- und Sekretariatsaufgaben eingesetzten, wobei die Situation der für andere Aufgaben, insbesondere für EDV‑Supportleistungen, eingesetzten Leiharbeitnehmer in einem getrennten Vermerk der GD „Personal, Budget & Organisation“ behandelt werden sollte, wie sich aus Buchst. b Ziff. i des angefochtenen Rechtsakts ergibt und wie die im Intranet der EZB verbreitete Information belegt (vgl. oben, Rn. 10). Daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass der angefochtene Rechtsakt erlassen wurde, um die Änderung des AÜG vorwegzunehmen, da nicht angenommen werden kann, dass Letztere nur auf diese Kategorie von Leiharbeitnehmern und nicht auf alle Leiharbeitnehmer anwendbar wäre.

33      Daher macht die Klägerin zu Recht im Wesentlichen geltend, dass mangels entsprechender Änderungen der anwendbaren deutschen Rechtsvorschriften der angefochtene Rechtsakt den rechtlichen Rahmen festgelegt habe, indem er die Dauer der Leistungserbringung ein und desselben Leiharbeitnehmers mit nicht wiederkehrenden Verwaltungs- und Sekretariatsaufgaben bei der EZB auf zwei Jahre begrenzte.

34      Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass die durch den angefochtenen Rechtsakt erlassene Maßnahme den Bediensteten der EZB und insbesondere den Leiharbeitnehmern nicht nur durch eine Verbreitung einer Information im Intranet des Organs, sondern auch durch eine Informationsveranstaltung, die speziell zu diesem Zweck für Leiharbeitnehmer in der EZB organisiert wurde, zur Kenntnis gebracht wurde. Wie der Direktor der EZB in seinem an die Klägerin gerichteten Schreiben vom 30. September 2014 darlegte, war das Ziel dieser Informationsveranstaltung, den Leiharbeitnehmern eine „klare Information über ihre vertragliche Situation“ zu geben.

35      Daher beschränkte sich die EZB nicht darauf, die Information, wie sie vorbringt, allein zur Sicherstellung der Transparenz, der Gleichbehandlung oder der Effizienz der Verwaltung zu verbreiten, sondern sie hat es außerdem zu Recht als erforderlich angesehen, eine Informationsveranstaltung zur Tragweite des angefochtenen Rechtsakts und zu seiner Bedeutung für die Situation der Leiharbeitnehmer in der EZB zu organisieren.

36      Nach alledem wollte die EZB dem angefochtenen Rechtsakt verbindliche Rechtswirkungen verleihen, indem sie die Dauer der Leistung der für nicht wiederkehrende Verwaltungs- und Sekretariatsaufgaben bei der EZB eingesetzten Leiharbeitnehmer auf zwei Jahre begrenzte, was die Interessen der Letzteren berühren konnte, indem es ihnen die Möglichkeit nahm, in der EZB für einen über diese zeitliche Grenze hinausgehenden Zeitraum beschäftigt zu werden.

37      Dieses Ergebnis wird durch das übrige Vorbringen der EZB nicht in Frage gestellt.

38      Erstens weist diese darauf hin, dass der rechtliche Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits aus zwei Vertragsbeziehungen gebildet werde: zum einen derjenigen zwischen der EZB und den Leiharbeitsunternehmen und zum anderen derjenigen zwischen Letzteren und den Leiharbeitnehmern. Da diese beiden Vertragsbeziehungen verschieden seien und die Leiharbeitnehmer und die EZB in keiner Vertragsbeziehung stünden, erzeuge der angefochtene Rechtsakt jedenfalls keine Rechtswirkungen für die Situation der Leiharbeitnehmer, deren Interessen von der Klägerin vertreten würden, sondern nur für die vertragliche Situation zwischen der EZB und den Leiharbeitsunternehmen.

39      Insoweit ist festzustellen, dass der angefochtene Rechtsakt sich nicht lediglich in eine Vertragsbeziehung zwischen der EZB und den Leiharbeitsunternehmen einfügt, sondern einen Rechtsakt mit allgemeiner Geltung darstellt, der Rechtswirkungen über diese Beziehungen hinaus erzeugt. Wie nämlich oben in den Rn. 22 und 36 dargestellt, legt er einen rechtlichen Rahmen für die Bedingungen des Einsatzes von Leiharbeitnehmern durch die EZB fest, was zur Folge hat, dass die Möglichkeit ein und desselben Leiharbeitnehmers, bei diesem Organ für eine Dauer von mehr als zwei Jahren beschäftigt zu werden, begrenzt und somit seine Rechtsstellung berührt wird.

40      Zweitens ist auch das Vorbringen der EZB zurückzuweisen, wonach die Begrenzung der Dauer der Leistungserbringung eines Leiharbeitnehmers bei der EZB nicht verhindere, dass dieser sodann an einer anderen Stelle beschäftigt werde, wenn es sein Vertrag mit dem Leiharbeitsunternehmen vorsehe. Ein solches Vorbringen, auch wenn es nicht völlig unbegründet ist, unterscheidet sich nämlich von der Frage, ob der angefochtene Rechtsakt Rechtswirkungen erzeugt, indem er die Höchstdauer der Leistungserbringung eines Leiharbeitnehmers bei der EZB auf zwei Jahre begrenzt, und das unabhängig von den anderen Verwendungen, die diesem vom Leiharbeitsunternehmen zugewiesen werden könnten.

41      Daher stellt im Hinblick auf die oben in den Rn. 17 bis 20 angeführte Rechtsprechung der angefochtene Rechtsakt tatsächlich eine beschwerende Maßnahme und damit eine anfechtbare Handlung im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV dar. Folglich ist die erste von der EZB erhobene Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen.

 Zum Fehlen einer unmittelbaren und individuellen Betroffenheit der Interessen der Klägerin

42      Die EZB macht hilfsweise geltend, der angefochtene Rechtsakt betreffe die Interessen der Klägerin nicht unmittelbar und individuell, da er zum einen nicht an sie gerichtet sei und sie zum anderen kein Recht habe, im Rahmen des Erlasses eines Rechtsakts wie des angefochtenen, der die Situation der Leiharbeitnehmer in der EZB betreffe, angehört oder unterrichtet zu werden.

43      Die Klägerin trägt vor, sie sei durch den angefochtenen Rechtsakt im Sinne der Rechtsprechung unmittelbar und individuell betroffen, weil ihre eigenen Interessen als Gesprächspartnerin im Dialog der Sozialpartner sowie ihre Verfahrensrechte, wie sie sich sowohl aus der Rahmenvereinbarung als auch aus den Gesprächen, die sie mit der EZB in der Arbeitsgruppe geführt habe, die sie als „Ad-hoc-Vereinbarung“ qualifiziert, ergäben, im Rahmen des Erlasses des angefochtenen Rechtsakts nicht gewahrt worden seien.

44      Nach Art. 263 Abs. 4 AEUV kann jede natürliche oder juristische Person unter den Bedingungen des Art. 263 Abs. 1 und 2 gegen die an sie gerichteten oder sie unmittelbar und individuell betreffenden Handlungen sowie gegen Rechtsakte mit Verordnungscharakter, die sie unmittelbar betreffen und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen, Klage erheben.

45      Es steht fest, dass der angefochtene Rechtsakt nicht an die Klägerin gerichtet ist. Da sie außerdem nicht vorbringt, dass der angefochtene Rechtsakt einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter, der sie unmittelbar betrifft und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht, darstelle, sondern dass sie von diesem Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffen sei, ist zunächst zu prüfen, ob diese beiden von Art. 263 Abs. 4 AEUV vorgesehenen Voraussetzungen für die Erhebung einer Nichtigkeitsklage im vorliegenden Fall erfüllt sind.

46      Insoweit ist zunächst zur Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Voraussetzung, dass eine natürliche oder juristische Person von der mit der Klage angefochtenen Handlung unmittelbar betroffen sein muss, nur dann erfüllt ist, wenn diese Handlung sich auf ihre Rechtsstellung unmittelbar auswirkt und ihren Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum lässt, ihre Durchführung vielmehr rein automatisch erfolgt und sich allein aus der Unionsregelung ergibt, ohne dass weitere Durchführungsvorschriften angewandt werden (vgl. Urteil vom 13. März 2008, Kommission/Infront WM, C‑125/06 P, EU:C:2008:159, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

47      Sodann kann hinsichtlich der individuellen Betroffenheit nach ständiger Rechtsprechung eine natürliche oder juristische Person, die nicht der Adressat einer Maßnahme ist, nur dann geltend machen, individuell im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV betroffen zu sein, wenn die fragliche Maßnahme sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und sie daher in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten der Maßnahme (Urteil vom 15. Juli 1963, Plaumann/Kommission, 25/62, EU:C:1963:17, S. 238, vgl. auch Urteil vom 27. Februar 2014, Stichting Woonlinie u. a./Kommission, C‑133/12 P, EU:C:2014:105, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

48      Eine zur Verteidigung von Kollektivinteressen einer Personengruppe gegründete Vereinigung wie die Klägerin kann nicht als von einer die allgemeinen Interessen dieser Gruppe berührenden Maßnahme unmittelbar und individuell betroffen angesehen werden (Urteile vom 14. Dezember 1962, Confédération nationale des producteurs de fruits et légumes u. a./Rat, 16/62 und 17/62, EU:C:1962:47, S. 980, und vom 18. März 1975, Union syndicale-Service public européen u. a./Rat, 72/74, EU:C:1975:43, Rn. 17).

49      Die Klagen von Vereinigungen wie der Klägerin, deren Aufgabe es ist, die kollektiven Interessen von Personen zu vertreten, sind nach der Rechtsprechung jedoch in drei Fällen zulässig, nämlich wenn die Vereinigungen die Interessen von Personen wahrnehmen, die selbst klagebefugt sind, wenn sie wegen der Berührung ihrer eigenen Interessen als Vereinigung individualisiert sind, insbesondere weil ihre Position als Verhandlungsführer durch die angefochtene Handlung berührt worden ist, oder wenn eine Rechtsvorschrift ihnen ausdrücklich eine Reihe von Verfahrensrechten einräumt (vgl. Urteil vom 18. März 2010, Forum 187/Kommission, T‑189/08, EU:T:2010:99, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).

50      Selbst wenn die Klägerin im vorliegenden Fall geltend macht, die Änderung der Situation von Dritten, nämlich der Bediensteten der EZB und der Leiharbeitnehmer, durch den angefochtenen Rechtsakt sei maßgeblich für die Feststellung, dass sich ihre Rechtsstellung im Hinblick auf ihre Rolle als Gewerkschaft, deren Organisationszweck in der Vertretung der kollektiven Interessen derPersonen bestehe, die bei den in Deutschland tätigen internationalen und europäischen Organisationen beschäftigt seien oder für diese arbeiteten, geändert habe, behauptet sie nicht, dass diese Personen selbst klagebefugt seien. Sie bringt vielmehr vor, dass sie klagebefugt sei, da zum einen ihre eigenen Interessen als Sozialpartner und Verhandlungsführerin, die an den Gesprächen über die Situation der Leiharbeitnehmer in der EZB teilgenommen habe, und zum anderen ihre Verfahrensrechte von der EZB verletzt worden seien.

51      Zur Frage, ob im vorliegenden Fall die Position der Klägerin als Verhandlungsführerin im Sinne der oben in Rn. 49 angeführten Rechtsprechung, die sich aus ihrer Teilnahme an den Gesprächen in der Arbeitsgruppe ergeben soll, durch den angefochtenen Rechtsakt berührt worden ist, macht die EZB geltend, dass dies nicht der Fall sei, weil zum einen der angefochtene Rechtsakt ein internes Dokument sei, das an die Dienststellen der EZB gerichtet sei, und zum anderen die Klägerin ohne ein ordnungsgemäß unterzeichnetes Dokument nicht vorbringen könne, dass die Einrichtung der Arbeitsgruppe mit einer Vereinbarung gleichgestellt werden könne, aus der sie die von ihr geltend gemachten Rechte ableiten könnte.

52      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der bloße Umstand, dass eine das Personal vertretende Gewerkschaftsorganisation an den zum Erlass eines Rechtsakts führenden Verhandlungen beteiligt war, nicht ausreicht, um das Klagerecht zu erweitern, das ihr im Rahmen von Art. 263 AEUV gegebenenfalls aus diesem Rechtsakt erwächst (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. März 1975, Union syndicale-Service public européen u. a./Rat, 72/74, EU:C:1975:43, Rn. 19).

53      Die Klage eines Vereins kann jedoch zulässig sein, wenn dieser seine eigenen Interessen vertritt, die sich von denen seiner Mitglieder unterscheiden, u. a. wenn seine Stellung als Verhandlungsführer durch den angefochtenen Rechtsakt beeinträchtigt wird (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 2. Februar 1988, Kwekerij van der Kooy u. a./Kommission, 67/85, 68/85 und 70/85, EU:C:1988:38, Rn. 21 bis 24, vom 24. März 1993, CIRFS u. a./Kommission, C‑313/90, EU:C:1993:111, Rn. 29 und 30, und Beschluss vom 23. November 1999, Unión de Pequeños Agricultores/Rat, T‑173/98, EU:T:1999:296, Rn. 54), und zwar in besonderen Konstellationen, in denen der Kläger jeweils eine klar umschriebene und mit dem Gegenstand der Entscheidung zusammenhängende Stellung als Verhandlungspartner einnahm, die für ihn tatsächliche Umstände begründete, die ihn aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushoben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. Mai 2000, Comité d’entreprise de la Société française de production u. a./Kommission, C‑106/98 P, EU:C:2000:277, Rn. 45, und Beschluss vom 3. April 2014, CFE-CGC France Télécom-Orange/Kommission, T‑2/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:226, Rn. 35).

54      Im vorliegenden Fall macht die Klägerin geltend, dass ihre eigenen Interessen als Sozialpartner der EZB und Verhandlungsführerin im Rahmen der Gespräche über die Situation der Leiharbeitnehmer in diesem Organ vom angefochtenen Rechtsakt beeinträchtigt worden seien, insbesondere aufgrund der Tatsache, dass dieser Rechtsakt unter das Mandat der Arbeitsgruppe gefallen sei, deren Bericht zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Rechtsakts noch nicht verabschiedet gewesen sei, und dass sie der einzige an dieser Arbeitsgruppe teilnehmende Sozialpartner gewesen sei und die Rahmenvereinbarung unterzeichnet habe.

55      Die von der Klägerin vorgebrachten Umstände, wie sie in der vorstehenden Rn. 54 zusammengefasst wurden, sind in Anbetracht der umschriebenen und mit dem Gegenstand des angefochtenen Rechtsakts zusammenhängenden Rolle als Sozialpartner, die sie bei den Gesprächen mit der Verwaltung der EZB zur Situation der Leiharbeitnehmer in diesem Organ spielte, geeignet, sie im vorliegenden Fall im Sinne der oben in Rn. 53 angeführten Rechtsprechung aus dem Kreis aller Gewerkschaftsorganisationen herauszuheben, die die bei der EZB beschäftigten oder für diese arbeitenden Personen vertreten.

56      Insoweit ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Klägerin die einzige die bei der EZB beschäftigten und für diese arbeitenden Personen vertretende Organisation ist, die mit der Verwaltung der EZB über die Situation der Leiharbeitnehmer in diesem Organ Gespräche führte, u. a., indem sie an der zu diesem Zweck eingerichteten Arbeitsgruppe teilnahm. Sie verfolgte diese Gespräche aktiv und hielt engen Kontakt zu den zuständigen Dienststellen, insbesondere indem sie an den verschiedenen Besprechungen teilnahm und mit diesen Schriftstücke, wie die vorbereitenden Dokumente für die Besprechungen und die Protokolle zu diesen, wechselte (vgl. oben, Rn. 5, 6 und 9). Wie insbesondere aus der Aufstellung der in der Arbeitsgruppe zu erörternden Themen und den Protokollen der Besprechung, die diese am 18. Februar 2014 abhielt, hervorgeht, betrafen die dort geführten Gespräche insbesondere die Frage der Höchstdauer der Leistungen der Leiharbeitnehmer in der EZB, was gerade mit dem Gegenstand des angefochtenen Rechtsakts zusammenhängt.

57      Ohne dass in diesem Stadium darüber befunden werden muss, ob die Gespräche und die Kontakte in der Arbeitsgruppe, die in der vorstehenden Rn. 56 angeführt wurden, als „Ad-hoc-Vereinbarung“ zu qualifizieren sind, wie die Klägerin vorbringt, ist daraus zu schließen, dass die EZB die Klägerin bei der Prüfung der Fragen betreffend die Leiharbeitnehmer und insbesondere betreffend die Höchstdauer ihres Einsatzes in der EZB als Gesprächspartnerin anerkannte (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 24. März 1993, CIRFS u. a./Kommission, C‑313/90, EU:C:1993:111, Rn. 29).

58      Daher reicht die Stellung als Sozialpartner der EZB im Rahmen der die Leiharbeitnehmer betreffenden Gespräche insbesondere zur Frage der Dauer von deren Beschäftigung in der EZB im vorliegenden Fall aus, um darzutun, dass die Klägerin vom angefochtenen Rechtsakt im Sinne von Art. 263 Abs. 6 AEUV individuell betroffen ist. Es handelt sich nämlich um eine besondere Eigenschaft im Sinne der Rechtsprechung, da sie unter den verschiedenen möglicherweise die Interessen der bei der EZB beschäftigten oder für sie arbeitenden Personen vertretenden Gewerkschaftsorganisationen diejenige ist, die Gespräche mit der EZB führte, die gerade die vom angefochtenen Rechtsakt umfassten Fragen betrafen, was sie aus dem Kreis aller übrigen Gewerkschaftsorganisationen heraushebt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. Juli 2009, 3F/Kommission, C‑319/07 P, EU:C:2009:435, Rn. 92 und 93, sowie Beschluss vom 18. April 2002, IPSO und USE/EZB, T‑238/00, EU:T:2002:102, Rn. 55).

59      Ebenso ist die Klägerin vom angefochtenen Rechtsakt im Sinne der Rechtsprechung unmittelbar betroffen, da dieser mit sofortiger Wirkung ihre Stellung als Sozialpartner beeinträchtigte, die sie im Rahmen der Gespräche zu den Fragen der Leiharbeitnehmer innehatte, indem er ihr die Möglichkeit nahm, am Erlass der Entscheidung teilzunehmen und diese zu beeinflussen.

60      Daher ist die Einrede der Unzulässigkeit wegen fehlender Klagebefugnis der Klägerin zurückzuweisen, ohne dass in diesem Stadium über das Bestehen von Verfahrensgarantien befunden werden muss, auf die sich die Klägerin im Rahmen des Erlasses des angefochtenen Rechtsakts gegebenenfalls berufen könnte.

 Zum fehlenden Rechtsschutzinteresse

61      Die EZB macht hilfsweise geltend, dass das Interesse der Klägerin an der Nichtigerklärung des angefochtenen Rechtsakts „eher politisch als rechtlich ist“. Sie verfüge daher über kein Rechtsschutzinteresse im Sinne der Rechtsprechung, da sie die EZB aus den Gründen, die im Rahmen der Rüge der Anfechtbarkeit des angefochtenen Rechtsakts dargelegt worden seien (vgl. oben, Rn. 15), vor dessen Erlass durch das Direktorium nicht anzuhören gehabt habe.

62      Die Klägerin bringt vor, sie verfüge über ein Rechtsschutzinteresse, da die vorliegende Klage ihre Rechte auf Unterrichtung und Anhörung schützen solle.

63      Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Nichtigkeitsklage einer natürlichen oder juristischen Person nur zulässig, wenn diese ein Interesse an der Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung hat. Ein solches Interesse setzt voraus, dass die Nichtigerklärung dieser Handlung als solche Rechtswirkungen haben kann und der Rechtsbehelf der Partei, die ihn eingelegt hat, damit im Ergebnis einen Vorteil verschaffen kann (vgl. Urteil vom 17. September 2015, Mory u. a./Kommission, C‑33/14 P, EU:C:2015:609, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Beschluss vom 4. Dezember 2014, Talanton/Kommission, T‑165/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:1027, Rn. 34 und 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

64      Das Rechtsschutzinteresse eines Klägers muss bestehend und gegenwärtig sein (vgl. Urteil vom 17. September 2015, Mory u. a./Kommission, C‑33/14 P, EU:C:2015:609, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).

65      Wie die Klägerin geltend macht, will sie mit der vorliegenden Klage gerade ihre Verfahrensrechte auf Anhörung und Unterrichtung wahren. Daraus folgt, dass die Nichtigerklärung des angefochtenen Rechtsakts zur Folge haben kann, dass die EZB vor dem Erlass eines Rechtsakts wie dem angefochtenen die Wahrung dieser Rechte sicherzustellen haben wird. Das Vorliegen eines solchen Rechtsschutzinteresses setzt jedoch voraus, dass die Klägerin behaupten kann, im vorliegenden Fall über diese Rechte zu verfügen, was gemeinsam mit den Klagegründen zu prüfen ist.

 Zur Nichteinhaltung der Klagefrist

66      Die EZB macht höchst hilfsweise geltend, dass die Klage wegen Nichteinhaltung der Klagefrist unzulässig sei. Da der angefochtene Rechtsakt eine an die Dienststellen des Organs gerichtete interne Richtlinie sei, sei er nicht zu veröffentlichen, und jedenfalls sei die Verbreitung im Intranet des Organs nicht mit einer Veröffentlichung gleichzusetzen. Daher sei die zusätzliche Frist von 14 Tagen für die Berechnung der Klagefrist nach Art. 102 § 1 der Verfahrensordnung vom 2. Mai 1991 im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Die Klagefrist sei somit von dem Tag an zu berechnen, an dem die Klägerin Kenntnis vom angefochtenen Rechtsakt erlangt habe, nämlich dem 16. Juli 2014, d. h. dem Tag der Verbreitung des angefochtenen Rechtsakts im Intranet der EZB und der Abhaltung einer Informationsveranstaltung in Anwesenheit der Klägerin. Die am 10. Oktober 2014 eingereichte Klage sei folglich verspätet.

67      Die Klägerin macht geltend, die Klage sei unter Einhaltung der Klagefristen eingereicht worden.

68      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Frist für die Erhebung einer Klage nach Art. 263 AEUV zwingenden Rechts ist, da sie zur Gewährleistung der Klarheit und Sicherheit der Rechtsverhältnisse und zur Vermeidung jeder Diskriminierung oder willkürlichen Behandlung bei der Gewährung von Rechtsschutz eingeführt wurde, und es ist Sache des Unionsrichters, ihre Einhaltung – auch von Amts wegen – zu prüfen (Urteile vom 23. Januar 1997, Coen, C‑246/95, EU:C:1997:33, Rn. 21, und vom 18. September 1997, Mutual Aid Administration Services/Kommission, T‑121/96 und T‑151/96, EU:T:1997:132, Rn. 38 und 39).

69      Nach Art. 263 Abs. 6 AEUV sind Nichtigkeitsklagen binnen zwei Monaten zu erheben. Diese Frist läuft je nach Lage des Falles von der Bekanntgabe der betreffenden Handlung, ihrer Mitteilung an den Kläger oder in Ermangelung dessen von dem Zeitpunkt an, zu dem der Kläger von dieser Handlung Kenntnis erlangt hat.

70      Bereits nach dem Wortlaut dieser Bestimmung kommt der Zeitpunkt, zu dem der Kläger von der Handlung Kenntnis erlangt hat, als Beginn der Klagefrist nur subsidiär neben dem Zeitpunkt der Bekanntgabe bzw. der Mitteilung in Betracht (Urteil vom 10. März 1998, Deutschland/Rat, C‑122/95, EU:C:1998:94, Rn. 35; vgl. auch Urteil vom 27. November 2003, Regione Siciliana/Kommission, T‑190/00, EU:T:2003:316, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

71      Im vorliegenden Fall ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der angefochtene Rechtsakt der Klägerin nicht mitgeteilt wurde. Er war auch nicht Gegenstand einer Veröffentlichung, da nur die Information über diesen Rechtsakt im Intranet der EZB verbreitet wurde. Unter diesen Umständen ist der Tag, an dem die Klägerin Kenntnis vom angefochtenen Rechtsakt erlangte, als Beginn der Klagefrist anzusehen.

72      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass es nach der Rechtsprechung in Ermangelung einer Bekanntgabe oder Mitteilung zwar demjenigen, der vom Vorliegen einer ihn betreffenden Handlung erfährt, obliegt, binnen angemessener Frist deren vollständigen Wortlaut anzufordern, doch kann unter diesem Vorbehalt die Klagefrist erst zu dem Zeitpunkt beginnen, zu dem der betroffene Dritte genaue Kenntnis vom Inhalt und von der Begründung der fraglichen Handlung erlangt, so dass er sein Klagerecht ausüben kann (Urteile vom 6. Juli 1988, Dillinger Hüttenwerke/Kommission, 236/86, EU:C:1988:367, Rn. 14, und vom 19. Februar 1998, Kommission/Rat, C‑309/95, EU:C:1998:66, Rn. 18).

73      Die EZB bringt vor, dass der 16. Juli 2014, der Zeitpunkt, zu dem die Information über den angefochtenen Rechtsakt im Intranet der EZB verbreitet und zu dem eine Informationsveranstaltung in Anwesenheit der Klägerin abgehalten worden sei, als Beginn der Klagefrist anzusehen sei.

74      Es ist jedoch festzustellen, dass die Klägerin zu diesem Zeitpunkt keine genaue Kenntnis vom Inhalt und von der Begründung des angefochtenen Rechtsakts erlangte. Aus den Akten geht nämlich hervor, was im Übrigen von der EZB nicht bestritten wird, dass der Klägerin sein genauer Inhalt erst am 24. Oktober 2014, d. h. nach der Einreichung der Klage, übermittelt wurde und dass sie erst mit der Klagebeantwortung eine Kopie von ihm erhalten hat. Der von der EZB vorgebrachte Umstand, dass die im Intranet des Organs verbreitete Information „im Wesentlichen“ die Information widergespiegelt habe, die die Klägerin von der Verwaltung der EZB am 24. Oktober 2014 erhalten habe, genügt nicht für die Annahme, dass die Klägerin am 16. Juli 2014 genaue Kenntnis vom Inhalt und von der Begründung des angefochtenen Rechtsakts im Sinne der oben in Rn. 72 angeführten Rechtsprechung erlangt hatte.

75      Folglich war die Klägerin gezwungen, die vorliegende Klage zu erheben, ohne sicher sein zu können, den angefochtenen Rechtsakt in allen wesentlichen Punkten zu kennen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 6. Juli 1988, Dillinger Hüttenwerke/Kommission, 236/86, EU:C:1988:367, Rn. 15).

76      Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin ihrer Verpflichtung, wie sie sich aus der Rechtsprechung ergibt (vgl. oben, Rn. 72), nachgekommen ist, binnen angemessener Frist den vollständigen Wortlaut des angefochtenen Rechtsakts anzufordern. Es ergibt sich nämlich aus der Akte, dass die Klägerin mehrere Anträge an die Verwaltung der EZB richtete, um eine Kopie des angefochtenen Rechtsakts zu erlangen, wobei der letzte, der der Klageerhebung vorangegangen war, am 8. Oktober 2014 gestellt wurde.

77      Unter diesen Umständen kann die Klage nicht als verspätet angesehen werden.

78      Daher ist die vierte von der EZB erhobene Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen, ohne dass auf das Vorbringen der Parteien zur Berechnung der Klagefrist nach dem Zeitpunkt der Verbreitung der Information über den angefochtenen Rechtsakt im Intranet der EZB einzugehen wäre.

2.     Zur Begründetheit

 Zum Antrag auf Nichtigerklärung

79      Zur Stützung ihrer Nichtigkeitsklage macht die Klägerin zwei Klagegründe geltend; der erste betrifft einen Verstoß gegen das Recht auf Unterrichtung und Anhörung, wie es in Art. 27 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und in der Richtlinie 2002/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2002 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in der Europäischen Gemeinschaft – Gemeinsame Erklärung des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission zur Vertretung der Arbeitnehmer (ABl. 2002, L 80, S. 29) verankert und durch die Rahmenvereinbarung und die Gespräche in der Arbeitsgruppe, die die Klägerin als „Ad-hoc-Vereinbarung“ qualifiziert, konkretisiert und umgesetzt worden sei, sowie einen Verstoß gegen diese angebliche „Ad-hoc-Vereinbarung“ und die Rahmenvereinbarung; der zweite betrifft einen Verstoß gegen Art. 41 der Charta der Grundrechte.

 Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen das Recht auf Unterrichtung und Anhörung nach Art. 27 der Charta der Grundrechte und der Richtlinie 2002/14, konkretisiert und umgesetzt durch die Rahmenvereinbarung und die angebliche „Ad-hoc-Vereinbarung“, sowie gegen diese „Ad-hoc-Vereinbarung“ und die Rahmenvereinbarung

80      Die Klägerin macht geltend, die EZB habe, indem sie den angefochtenen Rechtsakt erlassen habe, ohne den sozialpartnerschaftlichen Dialog mit der Klägerin einzuhalten, gegen das Recht auf Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach Art. 27 der Charta der Grundrechte und Art. 4 der Richtlinie 2002/14, umgesetzt durch die ausgehandelten Vereinbarungen im Sinne von Art. 5 dieser Richtlinie, nämlich durch die Rahmenvereinbarung und die angebliche „Ad-hoc-Vereinbarung“, verstoßen.

81      Die EZB stellt in Abrede, die Rechte der Klägerin auf Anhörung und Unterrichtung missachtet zu haben, da die von dieser geltend gemachten Bestimmungen ihr im vorliegenden Fall keine solchen Rechte verliehen.

82      Zunächst ist zu prüfen, ob sich die Klägerin im vorliegenden Fall nach den von ihr angeführten Bestimmungen auf Verfahrensgarantien berufen kann, die es ihr hätten erlauben müssen, vor dem Erlass des angefochtenen Rechtsakts unterrichtet, angehört und beteiligt zu werden, und sodann gegebenenfalls, ob diese Verfahrensrechte unter Verletzung dieser Garantien missachtet wurden.

–       Zu Art. 27 der Charta der Grundrechte

83      Die Klägerin bezieht sich zunächst auf das Recht auf Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach Art. 27 der Charta der Grundrechte.

84      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Art. 27 der Charta der Grundrechte das Recht auf Anhörung und Unterrichtung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Unternehmen verankert. Nach der Rechtsprechung können diese Bestimmungen in den Beziehungen zwischen den Unionsorganen und ihrem Personal anwendbar sein, wie sich aus dem Urteil vom 19. September 2013, Überprüfung Kommission/Strack (C‑579/12 RX-II, EU:C:2013:570), ergibt.

85      Nach dem Wortlaut von Art. 27 der Charta der Grundrechte selbst ist jedoch die Ausübung der in ihm verankerten Rechte auf die Fälle und die Voraussetzungen beschränkt, die nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten vorgesehen sind (Urteil vom 15. Januar 2014, Association de médiation sociale, C‑176/12, EU:C:2014:2, Rn. 45, und Beschluss vom 11. November 2014, Bergallou/Parlament und Rat, T‑22/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:954, Rn. 33).

86      Daraus folgt, dass Art. 27 der Charta der Grundrechte, der keine unmittelbar anwendbare Rechtsnorm vorsieht, nicht schon für sich allein dem Einzelnen ein subjektives Recht auf Anhörung und Unterrichtung verleiht, das als solches geltend gemacht werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Januar 2014, Association de médiation sociale, C‑176/12, EU:C:2014:2, Rn. 47).

87      Daher kann die Klägerin im vorliegenden Fall die Rechte auf Anhörung und Unterrichtung nicht allein auf der Grundlage von Art. 27 der Charta der Grundrechte geltend machen.

88      Nach den Erläuterungen zu Art. 27 der Charta der Grundrechte, die gemäß Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 3 EUV und Art. 52 Abs. 7 der Charta der Grundrechte bei deren Auslegung zu berücksichtigen sind, besteht der Besitzstand der Union in dem unter Art. 27 der Charta der Grundrechte fallenden Bereich, der die Bedingungen, unter denen dieser Artikel anwendbar ist, konkretisiert, u. a. aus der Richtlinie 2002/14, auf die sich die Klägerin im vorliegenden Fall berufen hat.

89      Daher ist zu klären, ob sich die Klägerin im vorliegenden Fall auf die von ihr aus Art. 27 der Charta der Grundrechte, wie er durch die Richtlinie 2002/14 konkretisiert wird, abgeleiteten Rechte berufen könnte.

–       Zur Richtlinie 2002/14

90      Die Klägerin bezieht sich auf die Bereiche der Unterrichtung und Anhörung nach Art. 4 der Richtlinie 2002/14 und macht geltend, dieser beschränke die Anhörungsrechte nicht nur auf die Arbeitnehmer, die einen Arbeitsvertrag unmittelbar mit dem Unternehmen hätten. Daher stünden auch den Leiharbeitnehmern kollektive Rechte und Vertretungsrechte in der EZB zu.

91      Nach Ansicht der EZB kann Art. 27 der Charta der Grundrechte, wie er durch die Richtlinie 2002/14 konkretisiert werde, für die EZB nicht die Grundlage einer Verpflichtung zur Unterrichtung oder Anhörung der Vertreter der Leiharbeitnehmer vor dem Erlass des angefochtenen Rechtsakts darstellen, da zum einen nach der Rechtsprechung die Richtlinie 2002/14 als solche den Organen keine Verpflichtungen in ihren Beziehungen zu ihrem Personal auferlege, und zum anderen diese Richtlinie diese Verpflichtungen einem „Arbeitgeber“ auferlege; die EZB sei jedoch nicht der Arbeitgeber der Leiharbeitnehmer. Schließlich ist die EZB der Auffassung, dass, angenommen, die Bestimmungen dieser Richtlinie seien auf sie anwendbar, der angefochtene Rechtsakt nicht unter Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2002/14 falle.

92      Vorab ist zu prüfen, ob die Richtlinie 2002/14 die Rechte auf Anhörung und Unterrichtung zugunsten der Leiharbeitnehmer und ihrer Vertreter vorsieht, wie die Klägerin meint.

93      Nach dem 18. Erwägungsgrund und Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2002/14 ist deren Ziel „die Festlegung eines allgemeinen Rahmens mit Mindestvorschriften für das Recht auf Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer von in der [Union] ansässigen Unternehmen oder Betrieben“. Außerdem ergibt sich aus ihren Bestimmungen, dass die Unterrichtung und die Anhörung der Arbeitnehmer durch ihre nach den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten vorgesehenen Vertreter organisiert wird.

94      Nach Art. 2 Buchst. f und g der Richtlinie 2002/14 bezeichnet der Ausdruck „Unterrichtung“ „die Übermittlung von Informationen durch den Arbeitgeber an die Arbeitnehmervertreter, um ihnen Gelegenheit zur Kenntnisnahme und Prüfung der behandelten Frage zu geben“, und der Ausdruck „Anhörung“ „die Durchführung eines Meinungsaustauschs und eines Dialogs zwischen Arbeitnehmervertretern und Arbeitgeber“. Gemäß Art. 2 Buchst. c und d dieser Richtlinie ist unter „Arbeitgeber“ eine „natürliche oder juristische Person, die entsprechend den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten Partei der Arbeitsverträge oder Arbeitsverhältnisse mit den Arbeitnehmern ist“, und unter „Arbeitnehmer“ „eine Person, die in dem betreffenden Mitgliedstaat als Arbeitnehmer aufgrund des einzelstaatlichen Arbeitsrechts und entsprechend den einzelstaatlichen Gepflogenheiten geschützt ist“, zu verstehen.

95      Insoweit ist erstens festzustellen, dass das durch die Richtlinie 2002/14 eingerichtete System, abgesehen von bestimmten in Art. 3 Abs. 2 und 3 vorgesehenen Ausnahmen, auf alle in Art. 2 Buchst. d dieser Richtlinie genannten Arbeitnehmer Anwendung finden soll (Urteil vom 18. Januar 2007, Confédération générale du travail u. a., C‑385/05, EU:C:2007:37, Rn. 37). Außerdem bestreitet die EZB nicht, dass Leiharbeitnehmer in Deutschland als Arbeitnehmer im Sinne von Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 2002/14 geschützt sind, wie insbesondere aus den Erwägungsgründen 1 und 23 sowie Art. 2 der Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit (ABl. 2008, L 327, S. 9), wie sie vom AÜG ins deutsche Recht umgesetzt wurde, hervorgeht.

96      Zweitens ist zwischen den Parteien unstreitig, dass zwischen der EZB und den ihr überlassenen Leiharbeitnehmern kein Vertragsverhältnis besteht. Wie jedoch die Klägerin im Wesentlichen geltend macht, besteht zwischen der EZB und den Leiharbeitnehmern ein „Arbeitsverhältnis“ im Sinne von Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2002/14, so dass die EZB als ihr Arbeitgeber im Sinne dieser Bestimmung anzusehen ist.

97      Erstens besteht nämlich nach ständiger Rechtsprechung das wesentliche Merkmal eines „Arbeitsverhältnisses“ darin, dass eine Person während einer bestimmten Zeit für eine andere nach deren Weisung, insbesondere was ihre Freiheit bei der Wahl von Zeit, Ort und Inhalt ihrer Arbeit angeht, Leistungen erbringt, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Diese Einstufung ist bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen unionsrechtlich allgemein anerkannt, unabhängig davon, ob der Betroffene einen Arbeitsvertrag geschlossen hat oder nicht (vgl. Urteile vom 13. Februar 2014, Kommission/Italien, C‑596/12, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:77, Rn. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 4. Dezember 2014, FNV Kunsten Informatie en Media, C‑413/13, EU:C:2014:2411, Rn. 34 und 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

98      Im vorliegenden Fall erfüllt das Verhältnis zwischen der EZB und den Leiharbeitnehmern alle diese Voraussetzungen, da die Leiharbeitnehmer ihrer Berufstätigkeit für die EZB und nach deren Weisungen nachgehen, der sie regelmäßig von einem Leiharbeitsunternehmen überlassen werden, das ihnen dafür als Gegenleistung eine Vergütung zahlt.

99      Diese Schlussfolgerung wird durch die Rechtsprechung bestätigt, wonach die Überlassung der Leiharbeitnehmer ein komplexes und spezifisches arbeitsrechtliches Konstrukt ist, das ein doppeltes Arbeitsverhältnis zwischen einerseits dem Leiharbeitsunternehmen und dem Leiharbeitnehmer und andererseits dem Leiharbeitnehmer und dem entleihenden Unternehmen sowie ein Überlassungsverhältnis zwischen dem Leiharbeitsunternehmen und dem entleihenden Unternehmen einschließt (Urteil vom 11. April 2013, Della Rocca, C‑290/12, EU:C:2013:235, Rn. 40).

100    Ein Arbeitsverhältnis aus dem direkt zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber geschlossenen Vertrag ist daher von einem Arbeitsverhältnis wie dem Verhältnis zwischen einem entleihenden Unternehmen, im vorliegenden Fall der EZB, und den ihm durch ein Leiharbeitsunternehmen überlassenen Leiharbeitnehmern zu unterscheiden.

101    Zweitens sieht der Begriff „Arbeitgeber“ nach Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2002/14, wie die Klägerin geltend macht, nicht vor, dass nur durch einen direkt zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer geschlossenen Arbeitsvertrag geregelte Arbeitsverhältnisse in seinen Anwendungsbereich fallen, anders als u. a. die Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB‑UNICE‑CEEP‑Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (ABl. 1999, L 175, S. 43), die daher nicht für Arbeitnehmer in befristeten Arbeitsverhältnissen gilt, die einem entleihenden Unternehmen zur Verfügung gestellt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. April 2013, Della Rocca, C‑290/12, EU:C:2013:235, Rn. 36 und 39).

102    Drittens ist darauf hinzuweisen, dass Art. 8 der Richtlinie 2008/104, der gerade die Leiharbeit regelt, das entleihende Unternehmen verpflichtet, die Arbeitnehmervertreter über den Einsatz von Leiharbeitnehmern im Unternehmen im Zuge der Unterrichtung der Arbeitnehmervertretungen über die Beschäftigungslage im Unternehmen zu unterrichten. Diese Bestimmung, die dem entleihenden Unternehmen, im vorliegenden Fall der EZB, eindeutig eine Unterrichtungspflicht betreffend den Einsatz von Leiharbeitnehmern im Unternehmen auferlegt, sieht auch vor, dass die Richtlinie 2008/104 „[u]nbeschadet strengerer und/oder spezifischerer einzelstaatlicher oder [unionsrechtlicher] Vorschriften über Unterrichtung und Anhörung und insbesondere der Richtlinie 2002/14“ gilt.

103    Nach alledem ist davon auszugehen, dass die Richtlinie 2002/14 entgegen dem Vorbringen der EZB anwendbar ist, was die Verpflichtungen eines entleihenden Unternehmens betreffend die Unterrichtung und Anhörung der Vertreter der Leiharbeitnehmer angeht.

104    Sodann ist festzustellen, dass, wie die EZB geltend macht, nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Richtlinie 2002/14 als solche den Organen Verpflichtungen in ihren Beziehungen zu ihrem Personal auferlegt, da nach ständiger Rechtsprechung Richtlinien an die Mitgliedstaaten und nicht an die Organe oder Einrichtungen der Union gerichtet sind (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteile vom 9. September 2003, Rinke, C‑25/02, EU:C:2003:435, Rn. 24, und vom 21. Mai 2008, Belfass/Rat, T‑495/04, EU:T:2008:160, Rn. 43).

105    Wie jedoch bereits entschieden wurde, schließt der Umstand, dass eine Richtlinie als solche die Organe nicht bindet, nicht aus, dass die in dieser Richtlinie aufgestellten Regeln oder Grundsätze den Organen entgegengehalten werden können, wenn sie selbst nur als spezifischer Ausdruck von Grundregeln des Vertrags und allgemeinen Grundsätzen erscheinen, die unmittelbar für die Organe gelten. In einer Rechtsgemeinschaft ist die einheitliche Anwendung des Rechts nämlich ein Grunderfordernis, und jedes Rechtssubjekt unterliegt dem Gebot rechtmäßigen Handelns. Die Organe müssen die Regeln des AEU-Vertrags und die für sie geltenden allgemeinen Rechtsgrundsätze daher in gleicher Weise anwenden wie alle anderen Rechtssubjekte (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 9. September 2003, Rinke, C‑25/02, EU:C:2003:435, Rn. 25 bis 28, und vom 21. September 2011, Adjemian u. a./Kommission, T‑325/09 P, EU:T:2011:506, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).

106    Desgleichen könnte eine Richtlinie für ein Organ bindend sein, wenn das Organ, u. a. im Rahmen seiner organisatorischen Autonomie, eine bestimmte in einer Richtlinie aufgestellte Verpflichtung umsetzen wollte oder wenn eine intern anwendbare Handlung von allgemeiner Geltung selbst ausdrücklich auf Maßnahmen verweist, die der Unionsgesetzgeber in Anwendung der Verträge getroffen hat. Schließlich müssen die Organe aufgrund der ihnen obliegenden Loyalitätspflicht in ihrer Funktion als Arbeitgeber die auf Unionsebene erlassenen Rechtsvorschriften beachten (Urteil vom 8. November 2012, Kommission/Strack, T‑268/11 P, EU:T:2012:588, Rn. 43 und 44).

107    Daher ist zu klären, ob und unter welchen Voraussetzungen es möglich ist, sich auf die Richtlinie 2002/14 zu berufen, um das Vorliegen oder die genaue Tragweite einer etwaigen Verpflichtung der EZB zur Anhörung und Unterrichtung der klagenden Gewerkschaftsorganisation vor dem Erlass des angefochtenen Rechtsakts zu bejahen.

108    Erstens ist festzustellen, dass die Festlegung eines allgemeinen Rahmens betreffend die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer durch die Richtlinie 2002/14 zwar den Ausdruck der in Art. 27 der Charta der Grundrechte verankerten Grundrechte darstellt. Wie jedoch oben in Rn. 86 dargelegt wurde, verpflichten diese sich aus Art. 27 der Charta der Grundrechte ergebenden Grundregeln die EZB nicht unmittelbar im Sinne der in der vorstehenden Rn. 105 angeführten Rechtsprechung, da, wie sich aus dieser Bestimmung ergibt, sie durch das Unionsrecht oder das nationale Recht konkretisiert werden müssen.

109    Zweitens macht die Klägerin geltend, die EZB sei nach Art. 9 Buchst. c der Beschäftigungsbedingungen für das Personal der EZB (im Folgenden: Beschäftigungsbedingungen) an die Verordnungen und die Richtlinien über die Sozialpolitik der EU gebunden.

110    Art. 9 Buchst. c der Beschäftigungsbedingungen sieht Folgendes vor:

„Diese Beschäftigungsbedingungen unterliegen keinem spezifischen einzelstaatlichen Recht. Die EZB wendet i) die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsamen allgemeinen Rechtsgrundsätze, ii) die allgemeinen Grundsätze des [Unionsrechts] und iii) die Vorschriften an, die in den an die Mitgliedstaaten gerichteten Verordnungen und Richtlinien der [Union] über die Sozialpolitik enthalten sind. Diese Rechtsakte werden von der EZB immer dann angewandt, wenn es sich als erforderlich erweist. Empfehlungen der [Union] auf dem Gebiet der Sozialpolitik werden angemessen berücksichtigt. Die Auslegung der in diesen Beschäftigungsbedingungen geregelten Rechte und Pflichten erfolgt unter angemessener Berücksichtigung der maßgebenden Grundsätze der Verordnungen, Regelungen und Rechtsprechung, die für die Bediensteten der [Unions]organe gelten.“

111    Soweit dieses Vorbringen der Klägerin die Situation betrifft, dass im Sinne der oben in Rn. 106 angeführten Rechtsprechung eine intern anwendbare Handlung von allgemeiner Geltung selbst ausdrücklich auf Maßnahmen verweist, die der Unionsgesetzgeber in Anwendung der Verträge getroffen hat, ist festzustellen, dass, selbst wenn diese Bestimmung der Beschäftigungsbedingungen den allgemeinen Grundsatz widerspiegelt, wonach die einheitliche Anwendung des Rechts erfordert, dass die Unionsorgane die Vorschriften des Unionsrechts, einschließlich der Richtlinien, beachten (vgl. oben, Rn. 105) und dass ein Unionsrechtsakt so weit wie möglich im Einklang mit dem gesamten Primärrecht auszulegen ist (vgl. Urteil vom 19. September 2013, Überprüfung Kommission/Strack, C‑579/12 RX‑II, EU:C:2013:570, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung), ihr keine Verpflichtung der EZB zu entnehmen ist, „eine bestimmte … Verpflichtung“, insbesondere eine Verpflichtung zur Unterrichtung oder Anhörung der Arbeitnehmervertreter, wie von der Richtlinie 2002/14 vorgesehen, „um[zu]setzen“.

112    Drittens macht die Klägerin geltend, Art. 27 der Charta der Grundrechte sowie Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2002/14 seien durch die Rahmenvereinbarung und durch die Gespräche in der Arbeitsgruppe, die sie als „Ad-hoc-Vereinbarung“ einstufe, umgesetzt worden. Die Klägerin scheint sich damit auf die Situation zu beziehen, dass die EZB u. a. im Rahmen ihrer organisatorischen Autonomie eine bestimmte in dieser Richtlinie aufgestellte Verpflichtung im Sinne der oben in Rn. 106 angeführten Rechtsprechung habe umsetzen wollen.

113    Es ist daher zu prüfen, ob die Rahmenvereinbarung und die Bildung der Arbeitsgruppe im Januar 2014 unter Beteiligung der Klägerin als Konkretisierung der von der Richtlinie 2002/14 vorgesehenen Rechte zugunsten der Klägerin im Rahmen des Erlasses des angefochtenen Rechtsakts angesehen werden könnten.

–       Zur Rahmenvereinbarung

114    Nach Ansicht der Klägerin stimmt Punkt 2 der Rahmenvereinbarung mit den Bereichen Unterrichtung und Anhörung nach Art. 4 der Richtlinie 2002/14 überein. Sie habe nach diesem Punkt 2 der Rahmenvereinbarung, der auf Fragen betreffend die Leiharbeitnehmer aufgrund der behaupteten „Ad-hoc-Vereinbarung“ anwendbar sei, ein Recht, in einem Verfahren zum Erlass von Maßnahmen wie dem angefochtenen Rechtsakt, der zu wesentlichen Veränderungen der Arbeitsorganisation und zu Veränderungen der vertraglichen Beziehungen oder der Politiken im Bereich Beschäftigung führe, die Folgen für die Situation der Bediensteten der EZB hätten, unterrichtet, angehört und vorab beteiligt zu werden.

115    Die EZB macht geltend, die Rahmenvereinbarung sei im vorliegenden Fall hinsichtlich der Rechte der Klägerin auf Anhörung und Unterrichtung nicht anwendbar, da diese die Leiharbeitnehmer nicht betreffe, weil sie nicht als Bedienstete der EZB im Sinne von Punkt 1 Buchst. a erster Gedankenstrich dieser Vereinbarung angesehen würden, und dass ihr Punkt 2 Buchst. a nicht bewirken könne, den Geltungsbereich dieser Bestimmung auszuweiten.

116    Es ist festzustellen, dass die zwischen der EZB und der Klägerin geschlossene Rahmenvereinbarung, wie sich aus ihrem Titel ergibt, „die Anerkennung, den Informationsaustausch und die Anhörung“ zum Ziel hat. In ihrem dritten Erwägungsgrund heißt es, dass „[d]ie Entwicklung eines ausgereiften sozialpartnerschaftlichen Dialogs zwischen der EZB und den Gewerkschaften, der eine wirksamere Beteiligung der Bediensteten der EZB an den Fragen, die sie unmittelbar betreffen, erlaubt, … den Informationsaustausch und die Anhörung [erfordert]“.

117    Nach Punkt 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung ist die „Unterrichtung“ als eine „Übermittlung von Informationen durch die EZB [an die IPSO], um [der Letzteren] Gelegenheit zu geben, sich mit dem Thema vertraut zu machen und es zu prüfen, sowie die Übermittlung der Informationen durch die [IPSO] an die EZB zu demselben Zweck“ zu verstehen und die Anhörung ist als ein „Meinungsaustausch zwischen der EZB und der [IPSO]“ zu verstehen.

118    Punkt 2 der Rahmenvereinbarung räumt der Klägerin Verfahrensgarantien der Unterrichtung, der frühzeitigen Beteiligung und der Anhörung in den in ihrem Punkt 2 Buchst. a genannten Bereichen nach den in ihrem Punkt 2 Buchst. d bis f vorgesehenen Modalitäten ein. Das Ziel dieser Garantien ist es nach Punkt 2 Buchst. b der Rahmenvereinbarung, „einen in beide Richtungen funktionierenden Fluss von Ideen und Informationen zwischen der EZB und der [IPSO] zu erlauben und zu fördern, um sicherzustellen, dass beide Parteien ein besseres Verständnis der Sichtweise des anderen zu den Fragen, die unter diese … Vereinbarung fallen, haben“. Außerdem heißt es in dieser Bestimmung, dass, „[o]bwohl die frühzeitige Intervention und die Anhörung kein gegenseitiges Einvernehmen anstreben müssen, … sie der Gewerkschaft die Gelegenheit [bieten], den Entscheidungsprozess zu beeinflussen“.

119    Punkt 2 Buchst. a der Rahmenvereinbarung hat folgenden Wortlaut:

„Die [IPSO] wird über jüngste und geplante Entwicklungen der EZB, über ihre Tätigkeiten sowie ihre wirtschaftliche und finanzielle Situation unterrichtet, soweit diese sich auf die Situation oder die Interessen des Personals auswirken können.

Die [IPSO] wird in das Verfahren der frühzeitigen Intervention einbezogen und wird zu den in der EZB vorgeschlagenen strukturellen Entwicklungen sowie zu den vorgeschlagenen Maßnahmen angehört werden, die zu wesentlichen Veränderungen der Arbeitsorganisation führen, und zu den Maßnahmen, die zu Veränderungen der vertraglichen Beziehungen oder der Politiken im Bereich Beschäftigung führen.“

120    Die Klägerin trägt vor, die Bereiche Unterrichtung und Anhörung nach Punkt 2 Buchst. a der Rahmenvereinbarung stimmten mit den in Art. 4 der Richtlinie 2002/14 definierten Bereichen überein.

121    Nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2002/14 umfassen Unterrichtung und Anhörung:

„a)      die Unterrichtung über die jüngste Entwicklung und die wahrscheinliche Weiterentwicklung der Tätigkeit und der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens oder des Betriebs;

b)      die Unterrichtung und Anhörung zu Beschäftigungssituation, Beschäftigungsstruktur und wahrscheinlicher Beschäftigungsentwicklung im Unternehmen oder Betrieb sowie zu gegebenenfalls geplanten antizipativen Maßnahmen, insbesondere bei einer Bedrohung für die Beschäftigung;

c)      die Unterrichtung und Anhörung zu Entscheidungen, die wesentliche Veränderungen der Arbeitsorganisation oder der Arbeitsverträge mit sich bringen können, einschließlich solcher, die Gegenstand der in Artikel 9 Absatz 1 [der Richtlinie 2002/14] genannten Gemeinschaftsbestimmungen sind.“

122    Der Vergleich des Inhalts und der Tragweite der Rechte auf „Unterrichtung“ und „Anhörung“ der Arbeitnehmervertreter nach der Richtlinie 2002/14 (vgl. oben, Rn. 94) und der zugunsten der Klägerin durch die Rahmenvereinbarung vorgesehenen Rechte (vgl. oben, Rn. 117) sowie der von diesen beiden Rechtsakten vorgesehenen Bereiche Anhörung und Unterrichtung (vgl. oben, Rn. 119 und 121) führt zu dem Schluss, dass die Rahmenvereinbarung eine Umsetzung der Richtlinie 2002/14 darstellt, was die Rechte auf Anhörung und Unterrichtung der Klägerin in den Beziehungen zur EZB betrifft. Es ergibt sich hieraus, dass die EZB, indem sie die Rahmenvereinbarung mit der Klägerin geschlossen hat, im Rahmen ihrer organisatorischen Autonomie eine bestimmte Verpflichtung im Sinne der oben in Rn. 106 angeführten Rechtsprechung, im vorliegenden Fall die in der Richtlinie 2002/14 aufgestellte Verpflichtung zur Unterrichtung und Anhörung eines Arbeitnehmervertreters, umsetzen wollte. Daraus folgt, dass die EZB in den Beziehungen zur Klägerin grundsätzlich an die in dieser Richtlinie aufgestellten Regeln und Grundsätze gebunden ist.

123    Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass, wie die EZB vorbringt, die Rahmenvereinbarung nach ihrem Punkt 1 Buchst. a die Fragen betreffend die Leiharbeitnehmer ausdrücklich aus ihrem Anwendungsbereich ausschließt.

124    Daher kann sich die Klägerin im vorliegenden Fall nicht über die Rahmenvereinbarung auf die Richtlinie 2002/14 berufen, da der angefochtene Rechtsakt gerade die Situation der Leiharbeitnehmer betrifft.

125    Die Klägerin macht jedoch geltend, dass sie im vorliegenden Fall auf die von der Richtlinie 2002/14 gewährleisteten Verfahrensrechte, wie sie von der Rahmenvereinbarung umgesetzt worden seien, Anspruch erheben könne, da der Erlass des angefochtenen Rechtsakts die Situation und die Interessen der anderen Bediensteten der EZB als der Leiharbeitnehmer berühre. Die Entscheidung des Direktoriums, die eine Veränderung der Verwaltung und des Einsatzes der Leiharbeitnehmer bewirke, habe wesentliche Folgen für die Arbeitsorganisation und führe u. a. zu einer Erhöhung ihrer Arbeitsbelastung, einem wiederholten und häufigen Ausbildungsdruck der Leiharbeitnehmer, die nur befristet im Dienst der EZB stehen könnten, einer Neugewichtung der Prioritäten im Inhalt der Aufgaben der Bediensteten, und stelle „eine Veränderung der Politik im Bereich Beschäftigung“ im Sinne von Punkt 2 Buchst. d der Rahmenvereinbarung dar.

126    Die EZB ist der Auffassung, dass Punkt 2 Buchst. a der Rahmenvereinbarung nur die Tätigkeiten und Projekte der EZB umfasse, die eine Auswirkung auf die Situation oder die Interessen ihrer Bediensteten oder die sie „unmittelbar und spezifisch“ betreffenden Maßnahmen hätten. Die von der Klägerin angeführten Folgen für die Situation der Bediensteten seien jedoch nur mittelbar und hypothetisch. Der angefochtene Rechtsakt enthalte weder wesentliche Veränderungen im Sinne von Punkt 2 Buchst. a Unterabs. 2 der Rahmenvereinbarung, noch führe er zu diesen.

127    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die GD „Personal, Budget & Organisation“ in dem vom Direktorium beim Erlass des angefochtenen Rechtsakts berücksichtigten Vermerk zwar „zusätzliche Kosten [durch den Erlass des angefochtenen Rechtsakts] für die EZB als Organisation [vorhersah], da die Weitergabe von Wissen und die Bemühungen zur Ausbildung der Leiharbeitnehmer aufgrund eines verstärkten Wechsels der Leiharbeitnehmer zunehmen [würden]“, und somit voraussah, dass bestimmte Auswirkungen auf die Situation der Bediensteten der EZB bestehen könnten. Diese Folgen können jedoch nicht als eine sie betreffende Veränderung der Politik im Bereich Beschäftigung, eine Veränderung ihrer vertraglichen Beziehungen mit der EZB oder wesentliche Veränderungen der Organisation ihrer Arbeit im Sinne von Punkt 2 Buchst. a der Rahmenvereinbarung angesehen werden.

128    Daraus folgt, dass die Klägerin nicht auf die Verfahrensgarantien Anspruch erheben kann, wie sie von der Richtlinie 2002/14 vorgesehen und ihr gegenüber durch die Rahmenvereinbarung umgesetzt wurden, indem sie sich auf den Umstand beruft, dass der Erlass des angefochtenen Rechtsakts zu einer Veränderung der Situation oder der Interessen der Bediensteten der EZB führe.

129    Nach alledem kann die Klägerin im Rahmen des Erlasses des angefochtenen Rechtsakts die Bestimmungen der Richtlinie 2002/14, wie sie von der Rahmenvereinbarung umgesetzt wurden, nicht geltend machen, es sei denn, es kann festgestellt werden, dass, wie sie behauptet, davon auszugehen war, dass ihre Beteiligung an den Gesprächen mit der Verwaltung der EZB über die die Leiharbeitnehmer betreffenden Themen darauf abzielte, die Tragweite der Rahmenvereinbarung näher festzulegen und ihre Anwendung auf die Leiharbeitnehmer auszudehnen, was in den nachstehenden Rn. 130 bis 142 geprüft wird.

–       Zum Status der Arbeitsgruppe

130    Die Klägerin bringt vor, dass sie die Verfahrensrechte nach Punkt 2 der Rahmenvereinbarung beanspruchen könne, da diese Rechte aufgrund der Gespräche, die sie mit der EZB im Rahmen der Arbeitsgruppe geführt habe und die sie als „Ad-hoc-Vereinbarung“ einstufe, auf die Fragen betreffend die Leiharbeitnehmer anwendbar seien. Außerdem setze diese „Ad-hoc-Vereinbarung“ die Bestimmungen der Richtlinie 2002/14 um.

131    Die EZB trägt vor, es gebe keine „Ad-hoc-Vereinbarung“, die mit der Klägerin zu den Fragen betreffend die Leiharbeitnehmer geschlossen worden sei, da sie unter Wahrung des Grundsatzes der Rechtssicherheit nur schriftliche Vereinbarungen schließe, die von den Parteien unterzeichnet würden. Ohne eine förmliche Vereinbarung könne die Klägerin jedoch nicht behaupten, dass eine solche „Ad-hoc-Vereinbarung“ bestehe. Überdies könne der Austausch von Standpunkten mit der Klägerin nicht bedeuten, dass die EZB sich einem freiwilligen Verfahren zur Anhörung unterworfen habe.

132    Insoweit ist zwischen den Parteien unstreitig, dass in der Besprechung vom 29. Januar 2014 zwischen der Klägerin und der EZB auf Anregung eines für Personalfragen zuständigen Mitglieds des Direktoriums der EZB vereinbart wurde, eine Arbeitsgruppe für Fragen betreffend die Leiharbeitnehmer einzurichten (vgl. oben, Rn. 5). Jede Partei verfasste eine Aufstellung der zu erörternden Themen, zu denen die Frage der Höchstdauer der Leistungen der Leiharbeitnehmer zugunsten der EZB gehörte (vgl. auch oben, Rn. 56). Die Parteien verpflichteten sich, dem für Personalfragen zuständigen Mitglied des Direktoriums der EZB einen Bericht über die Schlussfolgerungen vorzulegen, zu denen sie im Anschluss an diese Gespräche gelangen würden.

133    Diese Besprechungen mit der Klägerin stellen eine Verpflichtung der EZB gegenüber der Klägerin dar, sie an den Gesprächen über die Politik des Organs betreffend die Leiharbeitnehmer teilhaben zu lassen und sie in die Festlegung der diese betreffenden Grundsätze einzubeziehen, die in einem gemeinsamen Bericht mit den Schlussfolgerungen, zu denen die Parteien gelangen würden, dargelegt werden sollten.

134    Die EZB kann sich nicht mit Erfolg auf Formgründe, nämlich auf das Fehlen von Schriftform und Unterschriften, berufen, um sich den gegenüber der Klägerin somit eingegangenen Verpflichtungen zu entziehen. Wie nämlich die Klägerin im Wesentlichen geltend macht, wurden, auch wenn kein Dokument zur Schaffung der Arbeitsgruppe unterzeichnet und kein spezifisches Mandat förmlich festgelegt wurde, der Gegenstand und der Auftrag der Arbeitsgruppe schriftlich festgelegt, so dass es der Wille der Parteien war, die Fragen betreffend die Situation der Leiharbeitnehmer in der EZB, insbesondere diejenige betreffend die Dauer ihrer Beschäftigung durch die EZB, zu erörtern, was klar aus den zwischen diesen gewechselten Schriftstücken, wie den Aufstellungen der zu erörternden Themen oder den Protokollen der Besprechungen, hervorgeht (vgl. auch oben, Rn. 56). Es ergibt sich insbesondere aus den Protokollen der Besprechung der Arbeitsgruppe am 18. Februar 2014, dass die Klägerin und die Verwaltung der EZB vereinbart hatten, zusammen die gemeinsamen Grundsätze für die Führung der Leiharbeitnehmer in der EZB („Situation de lege ferenda“) festzulegen.

135    Außerdem verleiht der Umstand, dass die Arbeitsgruppe auf Anregung eines für Personalfragen zuständigen Mitglieds des Direktoriums gegründet wurde und dass dieses einen Bericht über die Schlussfolgerungen erhalten wollte, zu denen die Gesprächspartner gelangen würden, dieser Arbeitsgruppe eine besondere Autorität und bestätigt die volle Verpflichtung der EZB gegenüber der Klägerin, die Gespräche der Arbeitsgruppe zu Ende zu führen, ohne dass das Organ unter Außerachtlassung dieser Gespräche entscheidet, einen Rechtsakt zu einem der Themen zu erlassen, das gerade Gegenstand der Gespräche dieser Gruppe war.

136    Überdies trifft es zwar zu, dass aus den verschiedenen zwischen den Parteien gewechselten Dokumenten nicht hervorgeht, dass diese mit der Schaffung der Arbeitsgruppe im Januar 2014 den Anwendungsbereich der Rahmenvereinbarung zumindest in einzelnen Punkten auf die Leiharbeitnehmer ausdehnen wollten.

137    Wie die Klägerin jedoch zu Recht vorbringt, sieht die Ergänzung zur Rahmenvereinbarung vom 23. März 2011 in ihrem Punkt 2 Buchst. e eine Möglichkeit der EZB und der Klägerin vor, punktuell Ausschüsse und Arbeitsgruppen zu spezifischen Fragen einzurichten. Diese Bestimmung der Rahmenvereinbarung sieht daher eine vertragliche Rechtsgrundlage für die Einrichtung von Arbeitsgruppen, wie im vorliegenden Fall die im Januar 2014 geschaffene Arbeitsgruppe zu den die Leiharbeitnehmer betreffenden Fragen, vor.

138    Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin von der EZB als Sozialpartner anerkannt wurde, wie die Rahmenvereinbarung bezeugt. Die EZB konnte sich daher nicht in Unkenntnis darüber befinden, dass die Klägerin im Rahmen der Arbeitsgruppe als Gewerkschaft handelte, deren Organisationszweck gerade in der Vertretung der kollektiven Interessen der Personen, die u. a. bei der EZB beschäftigt sind oder für diese arbeiten, bestand. Da die Rechte der Klägerin auf Unterrichtung und Anhörung von der EZB in der Rahmenvereinbarung anerkannt wurden, kann die EZB der Klägerin diese Rechte hinsichtlich der Fragen, die Gegenstand der Gespräche in der Arbeitsgruppe waren, nicht absprechen, ohne die Beteiligung der Klägerin an dieser Gruppe ihres Inhalts zu entleeren.

139    Daraus ist zu schließen, dass die Parteien, indem sie den Dialog der Sozialpartner über die vom angefochtenen Rechtsakt umfassten Fragen eröffneten, stillschweigend die sich aus der Rahmenvereinbarung ergebenden Rechte der Klägerin auf Unterrichtung und Anhörung zumindest bis zum Abschluss der Arbeiten der im Januar 2014 gegründeten Arbeitsgruppe auf die die Leiharbeitnehmer betreffenden Fragen ausdehnen wollten. Da der angefochtene Rechtsakt im Rahmen einer allgemeinen, auf die Verringerung des Einsatzes von Leiharbeitnehmern gerichteten, Politik der EZB erlassen wurde, wie sich aus der vorstehenden Rn. 27 ergibt, ist davon auszugehen, dass er unter Punkt 2 Buchst. a der Rahmenvereinbarung fällt, soweit er Maßnahmen enthält, die zu Veränderungen der Arbeitsverhältnisse zwischen der EZB und den Leiharbeitnehmern und der Politik ihrer Beschäftigung im Organ im Sinne dieser Bestimmung führen.

140    Unter diesen Umständen ist es nicht erforderlich zu prüfen, ob die Einrichtung der Arbeitsgruppe im vorliegenden Fall als unmittelbare Umsetzung der Bestimmungen der Richtlinie 2002/14 gegenüber der Klägerin als Vertreterin der Leiharbeitnehmer angesehen werden kann.

141    Folglich verfügt die Klägerin, wie sich aus der vorstehenden Rn. 65 ergibt, über ein Rechtsschutzinteresse an der Nichtigerklärung des angefochtenen Rechtsakts, um ihre Verfahrensrechte zu wahren. Die Einrede der Unzulässigkeit wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses der Klägerin ist daher zurückzuweisen.

142    Es ist daher zu prüfen, ob die somit anerkannten Rechte der Klägerin im vorliegenden Fall von der EZB verletzt wurden, wie die Klägerin vorbringt.

–       Zur Verletzung der Rechte der Klägerin auf Unterrichtung und Anhörung

143    Nach Ansicht der Klägerin hat die EZB ihre sich aus der Rahmenvereinbarung und den von ihr mit der EZB in der Arbeitsgruppe geführten Gesprächen ergebenden Rechte verletzt, da die Klägerin erstens keine Informationen erhalten habe, die ihr im Zusammenhang mit dem Vorschlag für eine Entscheidung, wie sie sich aus dem angefochtenen Rechtsakt ergebe, hätten mitgeteilt werden müssen, sie zweitens nicht zu einem Verfahren der frühzeitigen Beteiligung eingeladen worden sei und drittens der angefochtene Rechtsakt, der unter das Mandat der Arbeitsgruppe gefallen sei, erlassen worden sei, ohne dass die EZB den Abschlussbericht dieser Gruppe abgewartet habe. Daher habe die EZB den Dialog der Sozialpartner beeinträchtigt und gegenüber der Klägerin als Sozialpartner gegen Treu und Glauben verstoßen.

144    Die EZB bestreitet die Tatsache nicht, dass der angefochtene Rechtsakt erlassen wurde, ohne dass das Direktorium den Bericht der Arbeitsgruppe abgewartet hatte. Sie bestreitet auch nicht, dass der Gegenstand dieser Arbeitsgruppe insbesondere die Frage der Dauer der Beschäftigung der Leiharbeitnehmer in der EZB betraf, die gerade den Gegenstand des angefochtenen Rechtsakts bildet, was sie in der mündlichen Verhandlung auf eine Frage des Gerichts bestätigt hat.

145    Um jedoch die praktische Wirksamkeit des Rechts auf Unterrichtung und Anhörung nach Art. 27 der Charta der Grundrechte, wie es durch die Richtlinie 2002/14 genauer bestimmt wird und durch die Rahmenvereinbarung, die durch die Schaffung der Arbeitsgruppe auf die Fragen der Leiharbeitnehmer ausgedehnt wurde, umgesetzt wird, sicherzustellen, hätte die EZB der Klägerin vor dem Erlass des angefochtenen Rechtsakts Zugang zu jeder diesen betreffenden maßgeblichen Information gewähren müssen, um ihr zu erlauben, eine angemessene Antwort auf die Änderung der Politik des Organs gegenüber den Leiharbeitnehmern, die dieser Rechtsakt enthält, vorzubereiten und eine etwaige Abstimmung zu diesem Thema zu organisieren, oder zumindest der Klägerin die Gelegenheit geben müssen, ihre Meinung im Rahmen des Berichts der Arbeitsgruppe darzulegen und so am Erlass der Entscheidung mitzuwirken, die Folgen für die Personen haben konnte, deren Interessen sie vertritt.

146    Insoweit ist noch darauf hinzuweisen, dass, wie die Klägerin darlegt und sich aus dem Ziel der Rahmenvereinbarung nach ihrem Punkt 2 Buchst. b ergibt (vgl. oben, Rn. 118), das Recht auf Anhörung und Unterrichtung der klagenden Gewerkschaftsorganisation nicht auf eine Einigung der Sozialpartner über ein Thema, für das diese Verfahrensgarantien gelten, gerichtet ist, sondern nur darauf, der Gewerkschaftsorganisation eine Gelegenheit zu bieten, eine Entscheidung zu beeinflussen. Nach der Rechtsprechung handelt es sich um eine der schwächsten Formen der Mitwirkung an einer Entscheidung, da sie keinesfalls die Verpflichtung der Verwaltung einschließt, der abgegebenen Stellungnahme Folge zu leisten, sondern den Betroffenen durch Einschaltung eines Vertreters ihrer Interessen die Möglichkeit bieten soll, sich vor Erlass oder Änderung sie betreffender Maßnahmen mit allgemeiner Geltung Gehör zu verschaffen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 20. November 2003, Cerafogli und Poloni/EZB, T‑63/02, EU:T:2003:308, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung sowie Rn. 24), und zwar insbesondere, indem sie während des gesamten Prozesses des Erlasses solcher Rechtsakte Zugang zu jeder relevanten Information haben, da der Zweck darin besteht, einer Gewerkschaftsorganisation wie der Klägerin eine möglichst weitgehende und effektive Beteiligung am Anhörungsprozess zu erlauben (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 4. Mai 2016, Andres u. a./EZB, T‑129/14 P, EU:T:2016:267, Rn. 57).

147    Daher muss die Verwaltung, um nicht die Anhörungspflicht ihrer praktischen Wirksamkeit gänzlich zu berauben, dieser Pflicht in allen Fällen nachkommen, in denen die Anhörung der Arbeitnehmervertreter den Inhalt der zu treffenden Maßnahme beeinflussen könnte (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 20. November 2003, Cerafogli und Poloni/EZB, T‑63/02, EU:T:2003:308, Rn. 23).

148    Daraus folgt, dass die EZB durch den Erlass des angefochtenen Rechtsakts ohne vorherige Beteiligung der Klägerin, obwohl der Gegenstand dieses Rechtsakts den Gegenstand der Gespräche in der Arbeitsgruppe betraf, und ohne den Bericht dieser Arbeitsgruppe abzuwarten, die Rechte der Klägerin auf Unterrichtung und Anhörung, wie sie Teil ihrer Vorrechte als Gewerkschaftsorganisation sind, die die betroffenen Personen vertritt, unter Verstoß gegen Art. 27 der Charta der Grundrechte, wie er durch die Richtlinie 2002/14 genauer bestimmt und durch die Rahmenvereinbarung, die durch die Schaffung der Arbeitsgruppe auf die Leiharbeitnehmer ausgedehnt wurde, umgesetzt wird, missachtet hat.

149    Diese Schlussfolgerung wird durch das Vorbringen der EZB nicht in Frage gestellt, wonach der angefochtene Rechtsakt im Interesse einer ordnungsgemäßen Verwaltung erlassen worden sei, um eine zukünftige Änderung des AÜG vorwegzunehmen, der die EZB jedenfalls nachzukommen habe.

150    Wie nämlich oben in den Rn. 29 bis 32 dargestellt, kann man nicht davon ausgehen, dass der angefochtene Rechtsakt als bloße Vorwegnahme einer zukünftigen Änderung des AÜG erlassen wurde.

151    Der erste Klagegrund greift daher durch, ohne dass eine Prüfung der Rügen der Klägerin betreffend einen Verstoß gegen die Richtlinie 2008/104 oder eine Entscheidung über die Zulässigkeit dieser Rügen, die von der EZB bestritten wird, erforderlich wäre. Folglich ist der angefochtene Rechtsakt für nichtig zu erklären, ohne dass der zweite Klagegrund im Übrigen geprüft zu werden braucht.

 Zum Schadensersatzantrag

152    Die Klägerin bringt vor, sie habe einen von der Rechtswidrigkeit, auf der die Nichtigerklärung des angefochtenen Rechtsakts beruhe, abtrennbaren immateriellen Schaden erlitten, der durch die Nichtigerklärung nicht in vollem Umfang wiedergutgemacht werden könne, und beantragt die Zahlung von 15 000 Euro als Schadensersatz. Ihre Eigenschaft als Sozialpartner sei ihr abgesprochen worden, da der angefochtene Rechtsakt unter Missachtung des Dialogs der Sozialpartner erlassen worden sei. Sie weist darauf hin, dass sie die Rücknahme und die Aussetzung des angefochtenen Rechtsakts bis zum Abschluss der Arbeiten der Arbeitsgruppe beantragt habe.

153    Die EZB macht geltend, dass es keine Rechtsgrundlage für den Antrag auf Schadensersatz gebe, da die Klage unzulässig und unbegründet sei.

154    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 340 Abs. 2 AEUV die Union den durch ihre Organe oder Bediensteten in Ausübung ihrer Amtstätigkeit verursachten Schaden nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind, ersetzt. Jedoch ersetzt nach Abs. 3 dieses Artikels – abweichend von Abs. 2 – die EZB den durch sie oder ihre Bediensteten in Ausübung ihrer Amtstätigkeit verursachten Schaden nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind.

155    Nach ständiger Rechtsprechung, die entsprechend für die außervertragliche Haftung der EZB nach Art. 340 Abs. 3 AEUV gilt, wird die außervertragliche Haftung der Union im Sinne von Art. 340 Abs. 2 AEUV für ein rechtswidriges Verhalten ihrer Einrichtungen nur dann ausgelöst, wenn mehrere Voraussetzungen erfüllt sind, und zwar muss das den Organen vorgeworfene Verhalten rechtswidrig sein, es muss ein Schaden entstanden sein, und zwischen dem behaupteten Verhalten und dem geltend gemachten Schaden muss ein Kausalzusammenhang bestehen (vgl. Urteile vom 27. November 2007, Pitsiorlas/Rat und EZB, T‑3/00 und T‑337/04, EU:T:2007:357, Rn. 290 und die dort angeführte Rechtsprechung, vom 23. Mai 2014, European Dynamics Luxembourg/EZB, T‑553/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:275, Rn. 342 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 7. Oktober 2015, Accorinti u. a./EZB, T‑79/13, EU:T:2015:756, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).

156    Im vorliegenden Fall geht aus der vorstehenden Rn. 148 hervor, dass der angefochtene Rechtsakt rechtswidrig ist, weil er unter Missachtung der Rechte der Klägerin auf Unterrichtung und Anhörung erlassen wurde und damit gegen Art. 27 der Charta der Grundrechte, wie er durch die Richtlinie 2002/14 genauer bestimmt wird, und durch die Rahmenvereinbarung, die durch die Schaffung der Arbeitsgruppe auf Leiharbeitnehmer ausgedehnt wurde, umgesetzt wird, verstößt.

157    Ohne dass auf die Frage einzugehen wäre, ob ein solches rechtswidriges Verhalten der EZB einen hinreichend qualifizierten Verstoß im Sinne der Rechtsprechung darstellt (Urteil vom 4. Juli 2000, Bergaderm und Goupil/Kommission, C‑352/98 P, EU:C:2000:361, Rn. 42) oder ob die anderen, oben in Rn. 155 angeführten, Voraussetzungen für die außervertragliche Haftung der EZB im vorliegenden Fall erfüllt sind, ist festzustellen, dass, selbst wenn dies der Fall sein sollte, die Nichtigerklärung des angefochtenen Rechtsakts, entgegen dem Vorbringen der Klägerin, einen angemessenen und ausreichenden Ersatz für den immateriellen Schaden aufgrund einer Missachtung des sozialpartnerschaftlichen Dialogs und ihrer Eigenschaft als Sozialpartner darstellt.

158    Soweit nämlich der von der Klägerin behauptete immaterielle Schaden durch die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Rechtsakts entsteht, ist nach ständiger Rechtsprechung der Schaden im Grundsatz hinreichend dadurch behoben, dass das Gericht die genannte Rechtswidrigkeit feststellt, es sei denn, der Kläger weist nach, dass er einen von der Rechtswidrigkeit, auf der die Nichtigerklärung beruht, abtrennbaren immateriellen Schaden erlitten hat, der durch diese Nichtigerklärung nicht in vollem Umfang wiedergutgemacht werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 28. Mai 2013, Abdulrahim/Rat und Kommission, C‑239/12 P, EU:C:2013:331, Rn. 72 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 6. Juni 2006, Girardot/Kommission, T‑10/02, EU:T:2006:148, Rn. 131 und die dort angeführte Rechtsprechung).

159    Die Klägerin legt keinen Nachweis für ihre Behauptung vor, wonach der von ihr erlittene immaterielle Schaden im vorliegenden Fall von der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Rechtsakts abtrennbar ist.

160    Dagegen hat die Nichtigerklärung des angefochtenen Rechtsakts zur Folge, dass die EZB nach Art. 266 AEUV die sich aus dem vorliegenden Urteil ergebenden Maßnahmen zu ergreifen und den sozialpartnerschaftlichen Dialog mit der Klägerin zur Frage, die Gegenstand des angefochtenen Rechtsakts war, zu eröffnen oder fortzusetzen hat, was dazu führen wird, den von der Klägerin behaupteten immateriellen Schaden aus der Missachtung des sozialpartnerschaftlichen Dialogs und ihrer Eigenschaft als Sozialpartner vollständig wiedergutzumachen.

161    Folglich ist der Schadensersatzantrag zurückzuweisen.

 Kosten

162    Nach Art. 134 Abs. 3 seiner Verfahrensordnung kann das Gericht, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, die Kosten teilen oder beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt. Das Gericht kann jedoch entscheiden, dass eine Partei außer ihren eigenen Kosten einen Teil der Kosten der Gegenpartei trägt, wenn dies in Anbetracht der Umstände des Einzelfalls gerechtfertigt erscheint.

163    Im vorliegenden Fall ist die EZB hinsichtlich des Antrags auf Nichtigerklärung des angefochtenen Rechtsakts unterlegen, während die Klägerin hinsichtlich des Schadensersatzantrags unterlegen ist. In Anbetracht der Umstände des vorliegenden Falles ist zu entscheiden, dass die EZB neben ihren eigenen Kosten drei Viertel der Kosten der Klägerin trägt, die ein Viertel ihrer eigenen Kosten trägt.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung des Direktoriums der Europäischen Zentralbank (EZB) vom 20. Mai 2014, mit der die Höchstdauer, während der die EZB für Verwaltungs- und Sekretariatsaufgaben auf die Leistungen ein und desselben Leiharbeitnehmers zurückgreifen darf, auf zwei Jahre begrenzt wurde, wird für nichtig erklärt.

2.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.      Die EZB trägt ihre eigenen Kosten sowie drei Viertel der Kosten der International and European Public Services Organisation (IPSO). Die IPSO trägt ein Viertel ihrer eigenen Kosten.

Kanninen

Pelikánová

Buttigieg

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 13. Dezember 2016.

Unterschriften


Inhaltsverzeichnis


Vorgeschichte des Rechtsstreits

Verfahren und Anträge der Parteien

Rechtliche Würdigung

1.  Zur Zulässigkeit

Zum Fehlen einer anfechtbaren Handlung

Zum Fehlen einer unmittelbaren und individuellen Betroffenheit der Interessen der Klägerin

Zum fehlenden Rechtsschutzinteresse

Zur Nichteinhaltung der Klagefrist

2.  Zur Begründetheit

Zum Antrag auf Nichtigerklärung

Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen das Recht auf Unterrichtung und Anhörung nach Art. 27 der Charta der Grundrechte und der Richtlinie 2002/14, konkretisiert und umgesetzt durch die Rahmenvereinbarung und die angebliche „Ad-hoc-Vereinbarung“, sowie gegen diese „Ad-hoc-Vereinbarung“ und die Rahmenvereinbarung

–  Zu Art. 27 der Charta der Grundrechte

–  Zur Richtlinie 2002/14

–  Zur Rahmenvereinbarung

–  Zum Status der Arbeitsgruppe

–  Zur Verletzung der Rechte der Klägerin auf Unterrichtung und Anhörung

Zum Schadensersatzantrag

Kosten


* Verfahrenssprache: Französisch.