SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
NIAL FENNELLY
vom 15. Januar 1998 (1)
Rechtssache C-351/96
Drouot assurances SA
gegen
Consolidated metallurgical industries (CMI industrial sites) und
Protea assurance, Groupement d'intérêt économique (GIE) Réunion
européenne
(Vorabentscheidungsersuchen der Cour de cassation française)
„Brüsseler Übereinkommen Auslegung des Artikels 21 Anderweitige
Rechtshängigkeit Begriff .dieselben Parteien' Versicherungsgesellschaft und
Versicherter“
I Einführung
- 1.
- Der Gerichtshof wird in diesem Vorabentscheidungsersuchen der
französischen Cour de cassation um Auslegung des Begriffes „dieselben Parteien“
in Artikel 21 des Brüsseler Übereinkommens(2) gebeten. Fraglich ist, ob im
Zusammenhang mit einer vor einem französischen Gericht erhobenen Klage eines
Versicherers wegen großer Haverei und einer früheren, gegen den
Versicherungsnehmer gerichteten und vor einem niederländischen Gericht
erhobenen Klage auf Feststellung, daß eine solche Verpflichtung nicht besteht, eine
anderweitige Rechtshängigkeit im Sinne von Artikel 21 gegeben ist. Die eigentliche
Frage ist demnach, ob der Versicherte und sein Versicherer als „dieselbe Partei“
anzusehen sind.
II Der rechtliche und tatsächliche Hintergrund des Vorabentscheidungsersuchens
A Die einschlägigen Bestimmungen des Übereinkommens
- 2.
- Titel II des Übereinkommens betrifft die „Zuständigkeit“. Während der 1.
Abschnitt allgemeine Vorschriften enthält, beinhalten der 2. bis 9. Abschnitt
verschiedene besondere Bestimmungen zur Ergänzung dieser allgemeinen
Vorschriften.
- 3.
- Der 8. Abschnitt trägt die Überschrift „Rechtshängigkeit und im
Zusammenhang stehende Verfahren“ und umfaßt die Artikel 21 bis 23. Vor seiner
Änderung durch das Übereinkommen von San Sebastian hatte Artikel 21 des
Übereinkommens folgenden Wortlaut:
„Werden bei Gerichten verschiedener Vertragsstaaten Klagen wegen desselben
Anspruchs zwischen denselben Parteien anhängig gemacht, so hat sich das später
angerufene Gericht von Amts wegen zugunsten des zuerst angerufenen Gerichts für
unzuständig zu erklären.
Das Gericht, das sich für unzuständig zu erklären hätte, kann die Entscheidung
aussetzen, wenn der Mangel der Zuständigkeit des anderen Gerichts geltend
gemacht wird.“
- 4.
- Für „Klagen, die im Zusammenhang stehen,“ bestimmt Artikel 22 des
Übereinkommens, daß das später angerufene Gericht seine Entscheidung aussetzen
kann. Klagen werden als im Zusammenhang stehend angesehen, „wenn zwischen
ihnen eine so enge Beziehung gegeben ist, daß eine gemeinsame Verhandlung und
Entscheidung geboten erscheint, um zu vermeiden, daß in getrennten Verfahren
widersprechende Entscheidungen ergehen könnten“.
- 5.
- Titel III des Übereinkommens betrifft „Anerkennung und Vollstreckung“.
Im Einklang mit der generellen Zielsetzung des Übereinkommens(3) enthält Artikel
26 den allgemeinen Grundsatz, daß die „in einem Vertragsstaat ergangenen
Entscheidungen ... in den anderen Vertragsstaaten anerkannt .werden., ohne daß
es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf“. Allerdings führt Artikel 27
enumerativ einige Gründe auf, aus denen eine solche Anerkennung verweigert
werden kann. Für den vorliegenden Fall ist nur Nummer 3 möglicherweise von
Bedeutung:
„3. wenn die Entscheidung mit einer Entscheidung unvereinbar ist, die zwischen
denselben Parteien in dem Staat, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird,
ergangen ist“.
B Sachverhalt und Verfahren vor dem vorlegenden Gericht
- 6.
- Die Firma Consolidated Metallurgical Industries (nachfolgend: CMI)
beauftragte Herrn Velghe, eine Ladung Ferrochrom mit dem Schiff Sequana von
Rotterdam in den Niederlanden nach Garlinghem-Aire-la-Lys in Frankreich zu
verfrachten(4). Nachdem das Schiff Leck geschlagen hatte, erlitt es in den
Binnengewässern der Niederlande in der Frühe des 4. August 1989 Schiffbruch,
doch konnte der Kapitän es offenbar vorher aus der Hauptfahrrinne
hinausmanövrieren. Die Firma Drouot Assurances SA (nachfolgend: Firma
Drouot), der Versicherer des Schiffes (oder Schiffskaskos), ließ das Schiff auf
eigene Kosten wieder flottmachen und ermöglichte so die Bergung der Ladung der
CMI. Die Firma Drouot erhob am 11. und 13. Dezember 1990 beim Tribunal de
commerce Paris Klage(5) gegen die CMI, die Firma Protea Assurance (nachfolgend:
Firma Protea, eine südafrikanische Gesellschaft), über die die Ladung versichert
war, sowie die Vertretung der Firma Protea in Europa, das Groupement d'intérêt
économique (GIE) Réunion européenne (nachfolgend: GIE)(6) auf Zahlung von
99 485,53 HFL, was dem Betrag entsprach, der vom Dispacheur als Anteil der CMI
und der Firma Protea an der großen Haverei festgesetzt worden war(7). Die CMI
und die Firma Protea erhoben jedoch unter Hinweis auf eine Klage, die sie zuvor
am 31. August 1990 gegen Herrn Walbrecq und Herrn Velghe(8) vor der
Arrondissementsrechtbank (Bezirksgericht) Rotterdam(9) angestrengt hatten, gegen
die französische Klage die Einrede der anderweitigen Rechtshängigkeit. Aus den
Akten und den Erklärungen gegenüber dem Gerichtshof ergibt sich, daß die CMI
und die Firma Protea mit der niederländischen Klage die Feststellung begehrten,
daß sie keinen Beitrag zu der großen Haverei zu leisten hätten. Dieser negative
Feststellungsantrag, der anscheinend nicht hätte gestellt werden können, wenn die
Klage in Frankreich erhoben worden wäre, wurde hilfsweise zu dem Antrag gestellt,
die Haftung des Herrn Velghe für den Unfall festzustellen, weil dieser es als
Kapitän zugelassen habe, daß das Schiff infolge seiner Überladung in Rotterdam
seeuntauglich geworden sei.
- 7.
- Die Einrede der anderweitigen Rechtshängigkeit wurde vom Tribunal de
commerce am 11. März 1992 mit der Begründung zurückgewiesen, die Parteien der
beiden Klagen seien nicht identisch bzw. die Firma Drouot sei nicht Partei des
niederländischen Rechtsstreits und die Herren Velghe und Walbrecq seien nicht
Parteien in dem vor dem Tribunal de commerce anhängigen Verfahren. Nach
Auffassung des Tribunal de commerce waren außerdem die in den beiden
Verfahren zu klärenden Streitfragen nicht identisch. Die Beklagten haben Berufung
bei der Cour d'appel Paris eingelegt.
- 8.
- Dem Urteil der Cour d'appel zufolge machten die CMI und die Firma
Protea vor diesem Gericht geltend, der Gegenstand der beiden Klagen sei identisch
und die Firma Drouot sei nur deshalb nicht Partei in dem niederländischen
Rechtsstreit, weil die niederländischen Verfahrensvorschriften es nicht zuließen, daß
der Versicherer Beteiligter sei. In ihrem Urteil vom 29. April 1994 vertrat die Cour
d'appel die Auffassung, es sei unstrittig, daß die niederländischen
Verfahrensvorschriften einem Versicherungsunternehmen nicht ermöglichten, in
einem Rechtsstreit Beteiligter zu sein, in den sein Versicherungsnehmer verwickelt
sei. Nachdem sie dargelegt hatte, daß die niederländische Klage einen weiteren
Klagegegenstand habe (weil sie einen die Haftung des Eigners für die
Seeuntauglichkeit des Schiffes betreffenden Klageantrag einschloß), stellte sie fest,
daß diese Klage gleichwohl den Streitgegenstand der französichen Klage
mitumfasse. Außerdem war sie der Meinung, die Firma Drouot könne in dem
niederländischen Rechtsstreit „vermittelt durch den Versicherungsnehmer“ als
Partei angesehen werden. Folglich wurde der Einrede der anderweitigen
Rechtshängigkeit stattgegeben.
- 9.
- Die Firma Drouot legte Kassationsbeschwerde bei der Cour de cassation ein
und machte in erster Linie geltend, die Cour d'appel hätte der Einrede der
anderweitigen Rechtshängigkeit nicht stattgeben dürfen, denn weder handele es
sich um Rechtsstreitigkeiten derselben Art, noch stünden in den beiden Verfahren
dieselben Parteien gegenüber; außerdem sei das umstrittene Urteil mit Artikel 21
des Übereinkommens unvereinbar(10).
- 10.
- Die Cour de cassation ist der Auffassung, das bei ihr eingelegte Rechtsmittel
betreffe die Auslegung des Begriffes „dieselben Parteien“ in Artikel 21 des
Übereinkommens(11); sie hat deshalb beschlossen, dem Gerichtshof gemäß Artikel
1 bis 3 des Protokolls vom 3. Juni 1971 über die Auslegung des Übereinkommens(12)
folgende Frage vorzulegen:
Liegt insbesondere unter Berücksichtigung des autonomen Begriffes „dieselben
Parteien“, der in Artikel 21 des Übereinkommens vom 27. September 1968 über
die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen
in Zivil- und Handelssachen verwendet wird, ein Fall der internationalen
Rechtshängigkeit im Sinne dieses Übereinkommens vor, wenn der Versicherer
eines Schiffes, das Schiffbruch erlitten hat, bei einem Gericht eines Vertragsstaats
eine Klage mit dem Ziel erhoben hat, von dem Eigentümer und dem Versicherer
der Ladung, die sich an Bord befunden hatte, die Kosten für das
Wiederflottmachen des Schiffes als Beitrag zur großen Haverei teilweise erstattet
zu erhalten, dieser Eigentümer und dieser Versicherer aber zuvor bei einem
Gericht eines anderen Mitgliedstaats eine Klage gegen den Eigner und den
Charterer des Schiffes auf Feststellung erhoben haben, daß sie keinen Beitrag zur
großen Haverei zu leisten hätten, und wenn das später angerufene Gericht zur
Begründung dafür, daß es sich trotz des Hindernisses der fehlenden formalen
Identität der Parteien in den beiden Rechtsstreitigkeiten für unzuständig erklärt,
feststellt, daß das im Verfahren vor dem zuerst angerufenen Gericht anwendbare
Verfahrensrecht „die Möglichkeit für einen Versicherer beschränkt, an einem
Rechtsstreit beteiligt zu sein, in den sein Versicherungsnehmer verwickelt ist“, und
daß daher der Schiffsversicherer in dem zuerst anhängig gemachten Verfahren
tatsächlich ebenfalls, und zwar vermittelt durch den/die Versicherungsnehmer,
beteiligt sei?
III Erklärungen
- 11.
- Die Firma Drouot, die Französische Republik und die Kommission haben
schriftliche Erklärungen abgegeben und mündliche Ausführungen gemacht.
Außerdem haben die GIE und die Bundesrepublik Deutschland schriftliche
Erklärungen eingereicht, während die CMI und die Firma Protea gemeinsame
mündliche Erklärungen abgegeben haben. Die Erklärungen lassen sich wie folgt
zusammenfassen:
- 12.
- In der mündlichen Verhandlung hat der Prozeßbevollmächtigte der Firma
Drouot ausgeführt, auf die Flußschiffahrt auf Rhein und Mosel seien die
allgemeinen Seerechtsvorschriften anwendbar; danach sei durch den
Versicherungsvertrag mit der Firma Drouot mangels ausdrücklicher
anderslautender Vereinbarung lediglich der Schiffskasko gedeckt. Die
Schiffsversicherung umfasse nur die Haftung für Schäden, die von dem Schiff einem
anderen Schiff bzw. im Hafen oder am Fluß gelegenen Einrichtungen zugefügt
worden seien. Die Firma Drouot hat außerdem geltend gemacht, die seerechtliche
Regelung der großen Haverei (vgl. unten, Nrn. 17 bis 19) finde auf die Schiffahrt
auf Rhein und Mosel Anwendung. Gestützt auf die Rechtsprechung zu Artikel 21
des Übereinkommens(13) hat die Firma Drouot vorgetragen, es könne keine
anderweitige Rechtshängigkeit vorliegen, sofern nicht in beiden Verfahren
dieselben Parteien beteiligt seien. Die in Artikel 21 genannten Kriterien müßten
gegenüber den ihnen verwandten Begriffen der jeweiligen Gesetze der
Vertragsstaaten autonom ausgelegt werden. Sowohl das Urteil als auch die
Schlußanträge des Generalanwalts in der Rechtssache Tatry stützten die
Auffassung, daß eine anderweitige Rechtshängigkeit nur vorliege, wenn zwischen
den Parteien in den beiden Verfahren eine völlige Übereinstimmung bestehe. In
der mündlichen Verhandlung hat die Firma Drouot geltend gemacht, die Parteien
müßten, um identisch zu sein, ein gemeinsames Interesse oder zumindest einen
gemeinsamen Rechtsstandpunkt haben; davon könne im Hinblick auf ihre
angebliche Vertretung durch Herrn Velghe in dem niederländischen Verfahren
keine Rede sein. Sie trägt vor, als Schiffskaskoversicherer stehe sie nicht für die
vermutete allgemeine Haftung des Schiffseigners ein. In ihren schriftlichen
Erklärungen vertritt die Firma Drouot die Auffassung, der Status einer Person als
Partei vor einem angeblich zuerst angerufenen Gerichts müsse durch das Recht des
Ortes bestimmt werden, an dem die Einrede der anderweitigen Rechtshängigkeit
erhoben worden sei, d. h. im vorliegenden Fall durch das französische Recht(14).
Schließlich macht die Firma Drouot noch geltend, sie habe unabhängig von der
Tatsache, daß sie weder aus eigenem Willen noch gegen ihren Willen Partei in dem
niederländischen Verfahren sei, kein Interesse an dieser Klage, da sie als
Versicherer der Sequana ungeachtet einer eventuellen Haftung für das Eintreten
des Unfalls verpflichtet sei, Herrn Velghe seinen Beitrag zur großen Haverei zu
erstatten.
- 13.
- Die CMI und die Firma Protea haben in ihren mündlichen Ausführungen
erstens geltend gemacht, die Firma Drouot sei nicht lediglich, wie behauptet,
Versicherer des Schiffes, sondern auch der persönlichen Haftpflicht des Kapitäns
und Eigners, nämlich des Herrn Velghe. Zweitens hat der Prozeßbevollmächtigte
der CMI und der Firma Protea ausgeführt, seine Mandanten hätten anfänglich in
Frankreich vor dem Tribunal de commerce Béthune (dem Wohnsitz von Herrn
Velghe) gegen Herrn Velghe und die Firma Drouot gemeinschaftlich Klage
erhoben; in diesem Verfahren habe die Firma Drouot geltend gemacht, die Klage
gegen sie hätte in Rotterdam erhoben werden müssen. Daraufhin hätten die CMIund die Firma Protea das niederländische Verfahren in die Wege geleitet, aber die
Firma Drouot wegen der angeblich bestehenden niederländischen
Verfahrensvorschriften, nach denen der Versicherer in Verfahren gegen seinen
Versicherungsnehmer nicht Partei sein könne, nicht geladen. Zur Auslegung von
Artikel 21 des Übereinkommens haben die CMI und die Firma Protea erklärt, die
wichtigste Erwägung sei, daß miteinander unvereinbare Entscheidungen von
Gerichten verschiedener Vertragsstaaten vermieden würden. Sie haben sich
insbesondere auf das Urteil Gubisch bezogen, in dem der Gegenstand zweier
Klagen, die auf der einen Seite die Aufhebung eines Vertrages, auf der anderen
Seite dessen Erfüllung betrafen, als identisch angesehen wurde.
- 14.
- Die Französische Republik hat vorgetragen, die Eigenständigkeit der gemäß
Artikel 21 des Übereinkommens erforderlichen Voraussetzungen für das Vorliegen
einer anderweitigen Rechtshängigkeit würde ausgehöhlt, wenn die Besonderheiten
des Prozeßrechts eines Vertragsstaates maßgeblich dafür wären, ob es sich um
„dieselben Parteien“ handele(15). Dabei sei vor allem das Recht des
Versicherungsnehmers auf Verteidigung oder rechtliches Gehör zu berücksichtigen.
Ein Versicherer werde in nationalen Verfahren nicht durch seinen
Versicherungsnehmer vertreten. Er werde in Prozessen, in die sein
Versicherungsnehmer verwickelt sei, nicht zugelassen, um seine eigenen Argumente
vorzutragen oder seine Position zu verteidigen; außerdem stimmten die Rechte und
Interessen eines Versicherers oft nicht mit denen seines Versicherungsnehmers
überein. Demzufolge könnten, auch wenn man Versicherer und
Versicherungsnehmer als identisch ansähe, die Verteidigungsrechte von
Versicherungsunternehmen nur dann wirksam gewährleistet werden, wenn Artikel
21 des Übereinkommens in dem Sinne ausgelegt werde, daß er für eine
erfolgreiche Einrede der anderweitigen Rechtshängigkeit voraussetze, daß die
angeblich in beiden Klagen beteiligten Parteien darin tatsächlich als Hauptparteien
aufträten.
- 15.
- Auch die Bundesrepublik Deutschland weist auf die Bedeutung einer
autonomen Auslegung hin, tritt aber für einen weiten Begriff „derselben Parteien“
ein, damit miteinander unvereinbare Entscheidungen nach Artikel 27 Nummer 3
des Übereinkommens vermieden werden. Es bestehe ein Zusammenhang zwischen
den Begriffen „anderweitige Rechtshängigkeit“ und „Rechtskraft“; Parteien eines
zweiten Verfahrens, die nicht formal identisch mit den in einem ersten Verfahren
beteiligten Parteien seien, sollten nur als „dieselben“ angesehen werden, soweit sie
von der Bindungswirkung des Urteils des zuerst angerufenen Gerichts erfaßt
würden, so daß die Gefahr miteinander unvereinbarer Urteile bestünde, wenn der
Einrede nicht stattgegeben würde. Hierbei sollte das als zweites angerufene Gericht
zu der Feststellung, ob das Urteil des ersten Gerichts gegenüber Dritten in
Rechtskraft erwachsen sein könne, das materielle Recht oder das Prozeßrecht des
zuerst angerufenen Gerichts wie auch die eigenen Rechtsvorschriften heranziehen.
Schließlich müsse sichergestellt werden, daß Artikel 21 in einer Weise angewandt
werde, die die Erfordernisse eines effektiven Rechtsschutzes berücksichtige. So
müsse es, wenn einer Einrede der anderweitigen Rechtshängigkeit stattgegeben, die
erste Klage aber abgewiesen werde, der Partei, deren zweite Klage von der Einrede
betroffen gewesen sei, später möglich sein, ihre Klage vor dem zweiten Gericht
wiederaufzunehmen
- 16.
- Die Kommission räumt ein, daß die vorgelegte Frage nur auf den Begriff
„dieselben Parteien“ abzielt, trägt aber vor, die beiden Klagen seien so anzusehen,
als hätten sie dieselbe Grundlage und denselben Gegenstand(16). Zur Frage der
Identität der Parteien führt die Kommission aus, die vorgelegte Frage werfe das
neue Problem auf, ob Artikel 21 des Übereinkommens einem Gericht, bei dem die
Einrede der Rechtshängigkeit geltend gemacht werde, erlaube, über die im
Verfahren vor dem zuerst angerufenen Gericht erfolgte förmliche
Identitätsfeststellung der Parteien hinauszugehen. Der Begriff „dieselben Parteien“
müsse aus ihrer Sicht eng ausgelegt werden. Neben der Notwendigkeit, die
Eigenständigkeit dieses Begriffes gegenüber den Gesetzen der Mitgliedstaaten in
Bereichen wie z. B. dem gesetzlichen Rechtsübergang zu bewahren, gebe es
verschiedene andere Gründe, die gegen die Gleichstellung eines Versicherers mit
seinem Versicherungsnehmer sprächen. Die Interessen eines Versicherungsnehmers
und die eines Versicherers seien nicht notwendig identisch; einer effektiven
Rechtspflege sei nicht damit gedient, daß der Versicherer den Ausgang einer ersten
Reihe von Verfahren abwarten müsse, in denen er nicht Partei sei, wenn er mit
einer anderen Klage z. B. geltend machen wolle, ein gesetzlicher Rechtsübergang
habe in Wirklichkeit nicht stattgefunden. Nach Auffassung der Kommission wird
dieser Ansatz durch den Wortlaut von Artikel 21 gestützt, der auf dieselben
Parteien Bezug nehme und nicht etwa auf andere Parteien, die Rechte oder
Pflichten aus den Rechten oder Pflichten der gegenwärtigen Parteien herleiten
könnten. In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter der Kommission die
Praktikabilität des von Deutschland vorgeschlagenen Ansatzes in Frage gestellt:
Wenn das später angerufene Gericht verpflichtet wäre, systematisch die bindende
Wirkung eines möglichen Urteils des zuerst angerufenen Gerichts festzustellen,
bevor es einer Einrede stattgebe, würde die praktische Anwendung des Begriffes
der anderweitigen Rechtshängigkeit in Artikel 21 übermäßig kompliziert.
IV Sachprüfung
A Einführung
- 17.
- Die strittige Forderung in dem französischen Verfahren betrifft einen
Beitrag zur großen Haverei. Obwohl, worauf Frankreich zu Recht hinweist, der
Gerichtshof nicht gebeten wird, zu prüfen, ob eine Ähnlichkeit zwischen dieser
Anspruchsgrundlage und der in dem niederländischen Verfahren geltend
gemachten bestehe, bin ich der Auffassung, daß es dennoch hilfreich wäre, die
Rechtsnatur einer Forderung auf Leistung eines Beitrags zur großen Haverei zu
untersuchen. Ich denke, ein kurzer Überblick über die Besonderheiten der Lehre
von der großen Haverei ist für die Anwendung des Begriffes der Identität der
Parteien nach Artikel 21 des Übereinkommens nützlich.
B Der Begriff der großen Haverei
- 18.
- Der Begriff der großen Haverei ist grundlegend sowohl für das von der
Firma Drouot in Frankreich eingeleitete Verfahren wie auch für den Hilfsantrag
der Firma Protea und der CMI in dem niederländischen Verfahren(17). Es handelt
sich um einen sehr alten Begriff aus dem Seerecht. Sein Ursprünge lassen sich bis
zum Seerecht von Rhodos zurückverfolgen und er findet sich später auch im
römischen Recht wieder; er bedeutet, daß der Eigentümer einer Ladung, die zur
Rettung des Schiffes über Bord geworfen wurde (jactus factus levandae navis
gratia), seinen Verlust verteilen kann, indem er vom Eigner des Schiffes und
anderen Eigentümern der Ladung einen Beitrag fordern kann(18). Im Laufe der Zeit
erfaßte dieser Begriff auch Forderungen, die auf anderen Schadensarten oder
Ausgaben zur Vermeidung von Schäden beruhten. Heutzutage findet er seinen
Niederschlag in der Praxis im allgemeinen durch Aufnahme der York-Antwerpen-Regeln in Frachtverträge und Seeversicherungspolicen. Diese Regeln, die seit der
Verabschiedung der ersten Internationalen Vorschriften über die große Haverei im
Jahre 1864 in York regelmäßig geändert worden sind, sind anscheinend durch ein
Gesetz aus dem Jahre 1967 im französischen Recht in Kraft getreten(19). Das
Schiffsunglück, das zu den vor den französischen und niederländischen Gerichten
umstrittenen Forderungen geführt hat, ereignete sich allerdings nicht auf See,
sondern in einem Teil des Wasserstromsystems von Rhein und Mosel. Der
Prozeßbevollmächtigte der Firma Drouot hat in der mündlichen Verhandlung
erläutert, daß nach einem Gesetz von 1895, das während der Zeit der Angliederung
des Elsaß an Deutschland verabschiedet worden sei, auf die Schiffahrt auf Rhein
und Mosel Seerecht Anwendung findet. Im vorliegenden Fall sind die in dem
Chartervertrag speziell für anwendbar erklärten Regeln diejenigen des Rheins, von
Antwerpen und von Rotterdam; dort ist die große Haverei, wie sich aus den Akten
ergibt, definiert als Schäden und Ausgaben, die zur Rettung eines Schiffes und
seiner Ladung vor gemeinsamen Gefahren eingetreten bzw. vernünftigerweise
getätigt worden sind.
- 19.
- Kernpunkt des Begriffes der großen Haverei ist deshalb, daß die an einem
gemeinsamen Handelsgeschäft Beteiligten zu dem Schaden oder Verlust eines der
Beteiligten, der zugunsten aller einen Schaden erlitten oder, im weiteren Sinne, zur
Vermeidung von Verlusten angemessene Ausgaben getätigt hat, billigerweise einen
Beitrag leisten sollen. Versicherer des Schiffskaskos und der Ladung werden als
Beteiligte angesehen und können einen Beitrag zur großen Haverei fordern oder
hierzu verpflichtet werden. Eine Forderung auf einen Beitrag zur großen Haverei
wird deshalb nicht notwendig von einem Versicherer erhoben.
- 20.
- Dieses Ergebnis hat meines Erachtens Auswirkungen auf die Frage der
Parteifähigkeit von Herrn Velghe (und von Herrn Walbrecq) vor dem
niederländischen Gericht. Es trifft zu, daß ein Versicherer, der seine
Verbindlichkeiten gegenüber seinem Versicherungsnehmer vollständig erfüllt hat,
unter bestimmten Umständen im Wege der Rechtsnachfolge tatsächlich in die
Fußstapfen des Versicherungsnehmers treten kann, um Forderungen (einschließlich
der Forderung auf einen Beitrag zur großen Haverei) gegenüber Dritten zu
verfolgen. Dieses Recht kann je nach den einschlägigen Gesetzen entweder im
Namen des Versicherungsnehmers oder vom Versicherer im eigenen Namen
ausgeübt werden, aber nur zur Geltendmachung der Rechte des
Versicherungsnehmers und nach Zahlung. Dies trifft für die niederländische Klage
eindeutig nicht zu; es trifft auch für die französische Klage nicht zu, in der die
Forderung der Firma Drouot nicht auf dem Übergang irgendwelcher Rechte des
Herrn Velghe beruht, sondern auf ihrem eigenen Havariegrosseanspruch. Die
genaue Rechtsnatur der vor dem niederländischen Gericht anhängigen Klage ist
nur mittelbar bekannt; es besteht aber Übereinstimmung, daß sie als ein Element
den negativen Feststellungsantrag umfaßt, daß die CMI und die Firma Protea nicht
verpflichtet sind, einen Beitrag zur großen Haverei zu leisten. Es ist demnach in
dem besonderen Kontext einer Havariegrosseforderung schwierig nachzuvollziehen,
wie die dem ersten Anschein nach nicht vorhandene Identität zwischen Herrn
Velghe und der Firma Drouot in einer Interessenidentität aufgehen könnte.
- 21.
- Es gibt allerdings andere Probleme praktischer Art, die für die Beurteilung
der Frage, ob eine Partei so anzusehen ist, als vertrete sie im Hinblick auf die
Anwendung von Artikel 21 des Brüsseler Übereinkommens ihre Versicherer,
angesprochen werden müssen. Das Gericht des Vertragsstaats, in dem die
anderweitige Rechtshängigkeit im Sinne von Artikel 21 des Übereinkommens
geltend gemacht wird, und das über eine frühere Klage unterrichtet ist, die
zwischen denselben Parteien in einem anderen Vertragsstaat anhängig sein soll,
wird zu dem Ergebnis kommen müssen, daß ein Versicherungsnehmer, eine in
einem anderen Vertragsstaat namentlich benannte Partei, als dieselbe Partei wie
sein Versicherer anzusehen ist. Zunächst wird das Gericht die Beziehung zwischen
Versicherer und Versicherungsnehmer untersuchen müssen. Es ist bekannt, daß
Streitigkeiten zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer ganz verschiedene
Formen annehmen können. Ich werde nur einige nennen. Ob überhaupt eine Police
besteht, kann strittig sein; wenn ihre Existenz nachgewiesen oder zugestanden ist,
kann ihre Wirksamkeit wegen arglistiger Täuschung, falscher Angaben oder
unterlassener Mitteilung bestritten werden; ihre Geltung für den fraglichen Schaden
kann ebenso zweifelhaft sein wie der Umfang des Schadens, die Beweismittel
hierfür oder der Zahlungszeitpunkt. Sogar im vorliegenden Fall besteht ein
Rechtsstreit zwischen der CMI und der Firma Protea auf der einen und der Firma
Drouot auf der anderen Seite (allerdings, soweit mir bekannt, nicht zwischen der
Firma Drouot und Herrn Velghe) über den Deckungsumfang der
Versicherungspolice der Firma Drouot. In meiner Überlegung müßte das zweite
nationale Gericht möglicherweise alle diese potentiell komplexen Fragen anhand
des in dem anderen oder sogar in einem dritten Vertragsstaat geltenden Rechts
lösen.
- 22.
- Der Schlüssel zur Frage der Anwendbarkeit von Artikel 21 des
Übereinkommens ist ein Vergleich zwischen der Eigenschaft, in welcher die Firma
Drouot die Forderung auf einen Beitrag zur großen Haverei vor dem französischen
Gericht geltend macht, und der Eigenschaft von Herrn Velghe vor dem
niederländischen Gericht. Die Firma Drouot hat ihre Forderung in ihrer
Eigenschaft als Beteiligte an dem Geschäft, bei dem ein Schaden entstanden ist,
geltend gemacht. Sie hat diese Forderung nicht stellvertretend für Herrn Velghe
erhoben. In der Tat wäre es zumindest überraschend, wenn der Eigner eines
gesunkenen Schiffes eine Forderung gegen den Eigentümer der beschädigten
Ladung geltend machen würde, es sei denn, sie wäre auf große Haverei, d. h. einen
Schaden gestützt. Im vorliegenden Fall scheint Herr Velghe an der Bergung des
Schiffes nicht beteiligt gewesen zu sein und wird deshalb kaum einen solchen
Schaden erlitten haben.
- 23.
- Folglich besteht, wenn man die Problematik ausschließlich im
Zusammenhang mit der vorliegenden Forderung auf einen Beitrag zur großen
Haverei sieht, keine solche Interessenübereinstimmung zwischen der Firma Drouot
und Herrn Velghe, die es, selbst wenn dies möglich wäre, rechtfertigen würde, über
die namentlichen und tatsächlichen Unterschiede in ihrer Identität hinwegzusehen,
um sie als „dieselbe Partei“ zu behandeln.
C Dieselben Parteien
- 24.
- Als die Cour d'appel im vorliegenden Fall der Einrede der anderweitigen
Rechtshängigkeit stattgab, hat sie sich zur Bestimmung der Identität der Parteien
in dem niederländischen Verfahren auf einen Grundsatz gestützt, der nach ihrer
Meinung zum Prozeßrecht der Niederlande gehört. Es wird zwar zu Recht darauf
hingewiesen, daß die Bestimmungen des Übereinkommens von der Cour d'appel
nicht zur Sprache gebracht worden sind. Nichtsdestoweniger ist derenBetrachtungsweise nach meiner Auffassung mit den Urteilen Gubisch und Tatry
nicht vereinbar, in denen der Gerichtshof unmißverständlich festgestellt hat, daß
die in Artikel 21 des Übereinkommens für eine erfolgreiche
Rechtshängigkeitseinrede festgelegten „materiellen Voraussetzungen“ „als autonom
verstanden werden müssen“(20). Diese materiellen Voraussetzungen stellen eine
wohldurchdachte Auswahl dar und untersagen implizit die Möglichkeit, den Begriff
der anderweitigen Rechtshängigkeit so heranzuziehen, wie er in den verschiedenen
nationalen Rechtsordnungen der Vertragsstaaten verwendet wird(21). Die
Anwendung des Begriffes des Übereinkommens „dieselben Parteien“ kann meines
Erachtens nicht vom Bestehen und von der Tragweite des niederländischen
Rechtsgrundsatzes abhängen, auf den sich die Cour d'appel gestützt hat, da dies
die Berücksichtigung des Rechts des zuerst angerufenen Gerichts bedeuten würde.
- 25.
- Als nächstes ist zu ermitteln, was sich aus der Rechtsprechung des
Gerichtshofes im Hinblick auf den autonomen Begriff des Übereinkommens
„dieselben Parteien“ ergibt. Das Urteil Zelger ist nicht einschlägig, da es lediglich
die Verfahrensformalitäten für den Zeitpunkt betraf, zu dem von der Erhebung
einer Klage bei einem Gericht ausgegangen werden kann(22). In seinem Urteil
Gubisch war der Gerichtshof mit einer Situation befaßt, die dadurch
„gekennzeichnet“ war, „daß eine Partei, nachdem sie vor einem Gericht erster
Instanz Klage auf eine in einem internationalen Kaufvertrag vereinbarte Leistung
erhoben hat, von der anderen Partei in einem anderen Vertragsstaat wegen
Feststellung der Unwirksamkeit oder Auflösung desselben Vertrags verklagt
wird“(23). Der Gerichtshof stellte fest, daß die in Artikel 21 aufgestellten
Voraussetzungen abschließend seien; dieser finde nämlich Anwendung, „wenn die
Parteien der beiden Prozesse dieselben sind und wenn beide Klagen wegen
desselben Anspruchs anhängig gemacht worden sind“(24). Sodann vertrat er unter
Umständen, in denen die vorliegende Frage der Parteiidentität nicht zur Diskussion
stand, die Auffassung, daß der Begriff desselben Gegenstands „nicht auf die
formale Identität der beiden Klagen beschränkt werden kann“(25). Daß der
Gerichtshof sich eindeutig von der Notwendigkeit leiten ließ, miteinander
unvereinbare Urteile zu vermeiden, ergibt sich unzweifelhaft aus seiner
Feststellung, daß unter den in jenem Fall gegebenen Umständen(26)
„zweifellos ... die Anerkennung einer in einem Vertragsstaat ergangenen
gerichtlichen Entscheidung, durch die die Verurteilung zur Erfüllung eines Vertrags
ausgesprochen wird, im ersuchten Staat abgelehnt .würde., wenn eine Entscheidung
eines Gerichts dieses Staates vorläge, die die Unwirksamkeit oder die Auflösung
desselben Vertrags ausspricht. Ein solches Ergebnis, das die Wirkung jeder
gerichtlichen Entscheidung auf das nationale Hoheitsgebiet beschränkte, liefe den
Zielen des Übereinkommens zuwider, das auf eine Verstärkung des Rechtsschutzes
innerhalb der gesamten Gemeinschaft und eine Erleichterung der Anerkennung der
in jedem Vertragsstaat ergangenen gerichtlichen Entscheidungen in jedem anderen
Vertragsstaat gerichtet ist.“
- 26.
- Die CMI und die Firma Protea haben ausgehend vom Urteil Gubisch für
eine weite und flexible Auslegung des Begriffes „derselbe Anspruch“ und darüber
hinaus des Begriffes „dieselben Parteien“ plädiert, wie diese Begriffe in Artikel 21
des Übereinkommens verwendet werden. Es trifft zu, daß der Gerichtshof im Urteil
Gubisch entschieden hat, daß der Begriff „derselbe Gegenstand“, den er eigentlich
unter Bezugnahme auf die anderen Sprachfassungen in die englische Fassung
hineininterpretiert hatte, „nicht auf die formale Identität der beiden Klagen
beschränkt werden kann“(27). Im konkreten Fall wandte er diese Schlußfolgerung
auf die beiden Klagen an, von denen eine auf die Erfüllung, die andere auf die
Aufhebung oder Auflösung desselben Vertrages gerichtet war. Damit maß er der
in Artikel 27 Absatz 3 des Übereinkommens u. a. zum Ausdruck kommenden
Zielsetzung, unvereinbare Entscheidungen zwischen denselben Parteien zu
verhindern, und der Frage, wie es zu solchen Entscheidungen kommen könne,
wenn zwischen den widerstreitenden Forderungen eine „formale Identität“
bestehen müsse, damit einer Einrede der anderweitigen Rechtshängigkeit
stattgegeben werden könne, große Bedeutung bei. Diese Schlußfolgerung ist
allerdings nicht gleichermaßen auf den Begriff „dieselben Parteien“ anwendbar, da
das Urteil auf der Annahme beruht, daß zwischen den Parteien ungeachtet
möglicher Unterschiede in den Klagegegenständen Identität besteht. Weder das
Urteil noch der Wortlaut von Artikel 21, noch der Zweck des Übereinkommens
erfordern in diesem Fall eine flexible Haltung. Eher das Gegenteil ist der Fall.
Nach meiner Auffassung sind Entscheidungen nur dann miteinander unvereinbar,
wenn sie gegensätzlich und in Verfahren zwischen denselben Parteien ergangen
sind.
- 27.
- Das Urteil in der Rechtssache Tatry bestätigt diese Auffassung und zeichnet
sich dadurch aus, daß es die Frage der Parteiidentität, allerdings nicht auf eine so
eindeutige Art und Weise wie im vorliegenden Fall, aufgeworfen hat. Der
Gerichtshof hatte zu untersuchen, ob das Übereinkommen auf einen Fall
anwendbar sein könnte, in dem zwei Klagen denselben Anspruch betreffen und
einige, aber nicht alle Parteien dieselben sind, in dem also zumindest einer der
Kläger und einer der Beklagten des ersten Verfahrens auch zu den Klägern und
Beklagten des zweiten Verfahrens gehört und umgekehrt(28). Der Gerichtshof schloß
sich zunächst dem Vorschlag des Generalanwalts an, daß die Identität der Parteien
„unabhängig von ihrer jeweiligen Stellung in den beiden Verfahren zu verstehen
ist, so daß der Kläger des ersten Verfahrens Beklagter des zweiten Verfahrens sein
kann“(29). Unter Berücksichtigung von Wortlaut und Zweck des Artikels 21,
„Parallelverfahren .zu. verhindern“(30), stellte der Gerichtshof fest, daß Artikel 21
„dahin auszulegen .ist., daß er als Voraussetzung für die Verpflichtung des später
angerufenen Gerichts, sich für unzuständig zu erklären, verlangt, daß die Parteien
in beiden Verfahren identisch sind“(31). Daraus folgt, daß dieses Erfordernis eng
auszulegen ist.
- 28.
- Der Gerichtshof hat dementsprechend in der Rechtssache Tatry
entschieden, daß „in Fällen, in denen die Parteien teilweise mit Parteien eines
früher anhängig gemachten Verfahrens übereinstimmen, ... Artikel 21 das später
angerufene Gericht ... nur insoweit [verpflichtet], sich für unzuständig zu erklären,
als die Parteien des bei ihm anhängigen Rechtsstreits auch Parteien des vor den
Gerichten eines anderen Vertragsstaats früher anhängig gemachten Verfahrens
sind“(32). Ich stimme dem Vorbringen der Kommission zu, wonach die Anwendung
von Artikel 21 nicht davon abhängig sein kann, daß das Gericht, vor dem die
Einrede der anderweitigen Rechtshängigkeit erhoben worden ist, die wirkliche
Parteieigenschaft von Parteien vor dem Gericht eines anderen Vertragsstaats
untersucht.
- 29.
- Deshalb meine ich, daß der Begriff „dieselben Parteien“ wörtlich und streng
auszulegen ist. Der Gerichtshof hat das Wort „identisch“ benutzt. Dies bedeutet,
daß die Parteien in den beiden Verfahren nicht nur buchstäblich dieselbe natürliche
oder juristische Person sein müssen, sondern daß sie aus derselben Rechtsposition
heraus auftreten müssen. Insbesondere kann jemand, der aus eigenem Recht und
zu seinem eigenen Nutzen klagt, offenkundig nicht jemandem gleichgestellt werden,
der in reiner Stellvertretereigenschaft klagt oder verklagt wird, wie z. B. als
gesetzlicher Vertreter eines Verstorbenen oder eines Geschäftsunfähigen oder in
irgendeinem anderen der zahlreichen Fälle, in denen jemand rechtlich dazu berufen
sein kann, juristische Personen oder deren Gläubiger im Insolvenzfall zu vertreten.
- 30.
- Dieses Ergebnis führt meines Erachtens nicht zu einem für die Anwendung
von Artikel 21 des Übereinkommens zu starren Rahmen. Im Gegenteil, es steht im
Einklang mit dem Ziel der „Vereinfachung der Förmlichkeiten für die gegenseitige
Anerkennung und Vollstreckung richterlicher Entscheidungen“, wie es in Artikel
220 EG-Vertrag (früher EWG-Vertrag) genannt ist, der die Mitgliedstaaten u. a.
ermächtigt hat, das Übereinkommen abzuschließen. Einfache und durchschaubare
Vorschriften, die auf der Grundlage objektiver und leicht zugänglicher Faktoren
angewandt werden können, dienen dieser Zielsetzung am besten. Fälle, die einen
größeren Ermessensspielraum erfordern, um Verfahren, in denen im
Zusammenhang miteinander stehende Klagen bei Gerichten verschiedener
Vertragsstaaten erhoben werden, auszusetzen, werden von Artikel 22 des
Übereinkommens abgedeckt. Wie Generalanwalt Tesauro in seinen Schlußanträgen
in der Rechtssache Tatry erläutert hat, ist dem Begriff „widersprechende“
Entscheidungen in Artikel 22 Absatz 3 nicht „dieselbe enge Auslegung“(33) zu geben
wie Artikel 27 Nummer 3. Nach seiner Auffassung bezweckt Artikel 22 „vielmehr
die Verwirklichung einer besseren Koordinierung der Rechtsprechungstätigkeit
innerhalb der Gemeinschaft und die Vermeidung der Inkohärenz von
Entscheidungen und des Widerspruchs zwischen Entscheidungen ..., auch wenn die
getrennte Vollstreckung jeder einzelnen nicht ausgeschlossen ist“; mit anderen
Worten besteht der „Zweck des Artikels 22 ... also darin, harmonische Lösungen
bei der Ausübung der Rechtsprechungstätigkeit zu fördern und somit die Gefahr
von, wenn auch nur vom Gesichtspunkt der Logik aus, widersprüchlichen
Entscheidungen auszuschalten“(34). Eine unangemessen weite Auslegung der
Voraussetzungen des Artikels 21 würde die Gefahr der Verwechslung von im
Zusammenhang miteinander stehenden Klagen und anderweitiger Rechtshängigkeit
mit sich bringen. Dem Gerichtshof wurde allerdings in dieser Rechtssache keine
Frage zur Ausübung des durch Artikel 22 eingeräumten Ermessens vorgelegt.
- 31.
- Darüber hinaus teile ich die insbesondere in den Erklärungen Frankreichs
und der Kommission zum Ausdruck gebrachten Bedenken, daß eine flexiblere
Handhabung der Bedingung, daß die Parteien dieselben sein müssen, damit eine
Pflicht zur Verneinung der Zuständigkeit nach Artikel 21 des Übereinkommens
entsteht, ernsthaft das Recht auf rechtliches Gehör und in einigen Fällen sogar eine
effektive Rechtspflege gefährden könnte. Im vorliegenden Fall ist daran zu
erinnern, daß sich der Grundsatz des niederländischen Prozeßrechts, der
Ausgangspunkt für die angenommene implizite Beteiligung der Firma Drouot in
dem niederländischen Verfahren ist, zumindest wenn der Gerichtshof die
unbestrittene Darstellung des Prozeßbevollmächtigten der Firma Drouot in der
mündlichen Verhandlung übernehmen sollte in die Akten der Cour d'appel
„eingeschlichen“ zu haben scheint(35). Wie Generalanwalt Tesauro in seinen
Schlußanträgen in der Rechtssache Tatry hervorgehoben hat, stellt der „Rückgriff
auf das innerstaatliche Recht der Vertragsstaaten ..., wenn er durch die
Unvollständigkeit der Regelung im Brüsseler Übereinkommen erforderlich wird,
... nur ein Mittel dar, um die Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens
zu ermöglichen, und er darf keinesfalls zu Ergebnissen führen, die dem Sinn und
Zweck des Übereinkommens selbst zuwiderlaufen“(36). Demzufolge glaube ich nicht,
daß dem Anspruch der Firma Drouot auf rechtliches Gehör Genüge getan wäre,
wenn Artikel 21 des Übereinkommens in der Weise ausgelegt würde, daß er die
Cour d'appel unter Umständen wie denen des vorliegenden Falles verpflichtet, ihre
Zuständigkeit hinsichtlich der in dem französischen Verfahren geltend gemachten
Forderung der Firma Drouot zu verneinen, wenn deren Recht auf Gehör in dem
niederländischen Verfahren tatsächlich von der Haltung des Herrn Velghe
abhängen würde.
- 32.
- Das Ergebnis, zu dem man meines Erachtens unter Umständen wie denen
des vorliegenden Falles kommen muß, ist, daß keine anderweitige Rechtshängigkeit
im Sinne von Artikel 21 des Übereinkommens besteht.
V Ergebnis
- 33.
- In Anbetracht der vorausstehenden Ausführungen schlage ich dem
Gerichtshof vor, die von der französischen Cour de cassation vorgelegte Frage wie
folgt zu beantworten:
Es besteht keine anderweitige Rechtshängigkeit im Sinne von Artikel 21 des
Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und
die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen in der
Fassung des Übereinkommens vom 9. Oktober 1978 über den Beitritt des
Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien
und Nordirland, wenn bei einem Gericht eines Vertragsstaats von dem Versicherer
eines Schiffes, das Schiffbruch erlitten hat, eine Klage mit dem Ziel erhoben wird,
von dem Eigentümer und dem Versicherer der Ladung, die sich an Bord befunden
hatte, die Kosten für das Wiederflottmachen des Schiffes als Beitrag zur großen
Haverei teilweise erstattet zu bekommen, wenn dieser Eigentümer und dieser
Versicherer zuvor bei einem Gericht eines anderen Vertragsstaats Klage gegen den
Eigner des Schiffes auf Feststellung erhoben haben, daß sie keinen Beitrag zur
großen Haverei zu leisten hätten.
1: Originalsprache: Englisch.
2:
Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die
Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1972, L 299,
S. 32) in der Fassung des Übereinkommens vom 9. Oktober 1978 über den Beitritt des
Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und
Nordirland (ABl. L 304, S. 1 und des Übereinkommens vom 25. Oktober 1982 über denBeitritt der Republik Griechenland (ABl. L 388, S. 1), nachfolgend: Übereinkommen.
Artikel 21 wurde durch Artikel 8 des Übereinkommens vom 26. Mai 1989 über den Beitritt
des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik (nachfolgend: Übereinkommen
von San Sebastian; ABl. L 285, S. 1) geändert, die geänderte Fassung trat zwischen
Frankreich und den Niederlanden den beiden Vertragsstaaten, die von dem in dieser
Rechtssache eingeleiteten Verfahren betroffen sind aber erst am 1. Februar 1991 in
Kraft. Obwohl sich dieser Fall im Jahre 1990 ereignete, sind keine der auf dem
Übereinkommen von San Sebastian beruhenden Änderungen einschlägig.
3:
Die erste Begründungserwägung der Präambel des Übereinkommens verweist auf den
Wunsch der Vertragsstaaten, „die Vereinfachung der Förmlichkeiten für die gegenseitige
Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen sicherzustellen“.
4:
Dem Vorlagebeschluß zufolge gehörte das Schiff Herrn Walbrecq und war von Herrn
Velghe gechartert. Allerdings ergab sich in der mündlichen Verhandlung, daß Herr Velghe
Herrn Walbrecq, der im Jahre 1981 verstorben war, einige Zeit vor dem Unfall als
Eigentümer der Sequana abgelöst hatte. Die Firma Drouot und die Kommission haben in
ihren schriftlichen Erklärungen außerdem geltend gemacht, daß Herr Velghe zu der Zeit,
als das Schiff gesunken sei, auch dessen Kapitän gewesen und daß das Schiff in
Wirklichkeit von einer anderen Gesellschaft gechartert worden sei, die bei keiner der
beiden Klagen des Ausgangsverfahrens beteiligt sei. Diese Auffassung, die in der
mündlichen Verhandlung von keiner Seite bestritten wurde, deckt sich mit dem Urteil der
Cour d'appel, das den dem Gerichtshof übersandten Akten beigefügt ist.
5:
Der Einfachheit halber werde ich diese Klage im folgenden als „französische Klage“ oder
„französisches Verfahren“ bezeichnen.
6:
Aus den schriftlichen Erklärungen der Firma Drouot ergibt sich, daß die Klage gegen die
GIE am 11. Februar 1991 gesondert erhoben wurde.
7:
Die Systematik der großen Haverei wird weiter unten erläutert (vgl. insbesondere Nrn. 17
bis 19). Der Dispacheur ist beruflich darauf spezialisiert, die Höhe der Beiträge
festzusetzen, die jeweils von allen Beteiligten des mit der großen Haverei in
Zusammenhang stehenden Geschäfts zu tragen sind.
8:
Wegen des Todes von Herrn Walbrecq im Jahre 1981 kann sich die Klage der CMI und
der Firma Protea jetzt nur noch gegen Herrn Velghe richten, die Rechtsstellung von Herrn
Walbrecq ist für das Vorabentscheidungsersuchen vor dem Gerichtshof ohne Bedeutung.
9:
Auf diese Klage wird im folgenden der Einfachheit halber als „niederländische Klage“ oder
„niederländisches Verfahren“ verwiesen werden. Wenn nachfolgend auf beide Klagen
gemeinsam Bezug genommen wird, werden sie als „die beiden Klagen“ oder „die beiden
Verfahren“ bezeichnet.
10:
In der mündlichen Verhandlung hat der Prozeßbevollmächtigte der Firma Drouot erläutert,
daß es für die Cour de cassation nach ihren Verfahrensvorschriften nicht möglich gewesen
sei, die Sachverhaltsfeststellungen der Cour d'appel zu der über ihren
Versicherungsnehmer vermittelten Beteiligung der Firma Drouot in dem niederländischen
Verfahren in Frage zu stellen.
11:
Das Vorabentscheidungsersuchen ist beim Gerichtshof am 25. Oktober 1996 eingegangen.
Der Bericht des Berichterstatters der Cour de cassation, der den dem Gerichtshof
zugeleiteten Akten beigefügt war, erhellt die Gründe, die für das
Vorabentscheidungsersuchen in dieser Rechtssache ausschlaggebend waren. In dem Bericht
wird bemerkt, die Rechtsprechung des Gerichtshofes zu Artikel 21 des Übereinkommens
verlange, daß dieser autonom auszulegen sei, was anscheinend dazu führe, daß der
französische Rechtsgrundsatz, nach dem eine Identität der Parteien vorliege, wenn die
Partei, die die Einrede der anderweitigen Rechtshängigkeit erhoben habe, durch eine
andere Partei in angeblich in Zusammenhang stehenden ausländischen Verfahren
„vertreten“ werde, nicht anwendbar sei. Obgleich der Bericht gewisse Bedenken im
Hinblick auf die Rechtsnatur des niederländischen Rechtsgrundsatzes äußert, auf den in
dem Urteil der Cour d'appel Bezug genommen wird, gelangt er zu der Feststellung, daß
die strittige angebliche Beteiligung dem französischen Rechtsbegriff der tatsächlichen
„Vertretung“ entsprechen könnte.
12:
Vgl. für die deutsche Fassung des Protokolls ABl. 1975, L 204, S. 28.
13:
Sie bezieht sich auf die Urteile vom 7. Juni 1984 in der Rechtssache 129/83 (Zelger, Slg.
1984, 2397), vom 8. Dezember 1987 in der Rechtssache 144/86 (Gubisch Maschinenfabrik,
Slg. 1987, 4861) und vom 6. Dezember 1994 in der Rechtssache C-406/92 (Tatry, Slg. 1994,
I-5439).
14:
Die Firma Drouot verweist zur Unterstützung ihrer Behauptung auf Randnr. 15 des Urteils
Zelger und macht geltend, sie könne nach französischem Recht nicht lediglich wegen der
Tatsache, daß sie der Versicherer der Sequana sei, als Partei in dem niederländischen
Verfahren angesehen werden.
15:
Frankreich bezieht sich insbesondere auf Nr. 19 der Schlußanträge von Generalanwalt
Tesauro in der Rechtssache Tatry (zitiert in Fußnote 12).
16:
In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter der Kommission allerdings Zweifel
geäußert, ob diese anfängliche Feststellung korrekt gewesen sei.
17:
Im Englischen kann der Begriff „general average“ zu Verwirrungen führen, da er sich sehr
von dem Wort „average“ im herkömmlichen Sinne unterscheidet. Tatsächlich hat er
denselben Wortursprung wie der französische Begriff „avaries communes“, der
niederländische Begriff „averij grosse“ oder der deutsche Begriff „große Haverei“ (vgl.
E. Ledocte, Legal Dictionary in Four Languages, Maarten Kluwer, Antwerpen 1982); es
handelt sich bei dem Wort „average“ demnach in diesem Zusammenhang um einen
Schaden, der die Grundlage für jedwede Forderung auf Beitrag zur großen Haverei ist.
18:
Vgl. z. B. Arnould's Law of Marine Insurance and Average, 16. Auflage, Stevens and Sons,
London 1981, Band 2, Randnr. 916; Ripert, Droit Maritime, 4. Auflage, Editions Rousseau
et Cie, Paris 1953, Band III, Randnrn. 2213 ff.
19:
Vgl. nach den Akten Gesetz Nr. 67-545 vom 7. Juli 1967 über Seezwischenfälle (Loi n° 67-545 du 7 juillet 1967 relative aux événements de mer).
20:
Urteil Gubisch (Fußnote 12, Randnr. 11); vgl. auch Urteil Tatry (Fußnote 12, Randnr. 30).
21:
Vgl. oben Fußnote 10 zur möglichen Rechtslage im französischen Recht.
22:
Bereits zitiert, vgl. Randnrn. 13 bis 16.
23:
Bereits zitiert, vgl. Randnr. 13.
24:
Urteil Gubisch (Fußnote 12, Randnr. 14). Der Gerichtshof hat, ebenfalls in Randnummer
14, versehentlich festgestellt, daß nur „die deutsche Fassung des Artikels 21 [.werden ...
Klagen wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien anhängig gemacht'] nicht
ausdrücklich zwischen den Begriffen .Gegenstand' und .Grundlage' des Anspruchs
unterscheidet“ und daß sie folglich „im gleichen Sinn zu verstehen .ist. wie die Fassungen
in den anderen Sprachen, die alle diese Unterscheidung treffen“ (Hervorhebungen von
mir). In Wirklichkeit treffen zumindest die englische und die irische Fassung von Artikel
21 auch keine solche Unterscheidung; so bezieht sich die englische Fassung auf Verfahren
„involving the same cause of action and between the same parties“, während sich die irische
Fassung bezieht auf „... imeachtaí leis an gcúis chéanna chaingne agus idir na páirtithe
céanna“ (Hervorhebungen von mir). Die dänische Fassung scheint z. B. auch bloß zwei
Voraussetzungen zu enthalten: „... der har samme genstand og hviler på samme grundlag“
(Hervorhebungen von mir). Allerdings hat der Gerichtshof in Randnr. 38 seines Urteils
Tatry den Ausrutscher im Urteil Gubisch implizit wieder korrigiert und festgestellt, daß
„die englische Fassung des Artikels 21 nicht ausdrücklich zwischen den Begriffen
Gegenstand und Grundlage des Anspruchs unterscheidet“. Unter Wiederholung des im
Urteil Gubisch genannten Grundsatzes hat der Gerichtshof entschieden, daß diese
Sprachfassung „jedoch im gleichen Sinn zu verstehen .ist. wie die meisten anderen
Sprachfassungen, die diese Unterscheidung enthalten“.
25:
Urteil Gubisch (Fußnote 12, Randnr. 17).
26:
Ebenda, Randnr. 18.
27:
Randnr. 17.
28:
Vgl. Randnrn. 29 und 30. Die fünfte Frage betraf die behauptete Identität des Anspruchs
in den beiden Klagen; genauer gesagt ging es um eine in einem Vertragsstaat (den
Niederlanden) von den Eigentümern der Ladung erhobene Klage wegen des während des
Transports an ihren Waren entstandenen Schadens und um eine früher von dem
Schiffseigner erhobene negative Feststellungsklage, daß er für den Schaden an der Ladung
nicht hafte. Der Gerichtshof vertrat die Auffassung, daß solche Klagen denselben Anspruch
betreffen, da der Umstand, daß sie positiv und negativ formuliert worden seien, den
Gegenstand (nämlich die Feststellung der Haftung) nicht unterschiedlich werden lasse; vgl.
insbesondere Randnr. 43.
29:
Ebenda, Randnr. 31; vgl. auch Nr. 14 der Schlußanträge von Generalanwalt Tesauro.
30:
Urteil Tatry (Fußnote 12, Randnr. 32).
31:
Ebenda, Randnr. 33 (Hervorhebung von mir). Zumindest im Englischen bezieht sich das
Adjektiv „identical“ auf eine Sache, die „in jeder Hinsicht“ mit einer anderen Sache
übereinstimmt (vgl. z. B. The Concise Oxford Dictionary, Oxford 1990, S. 585).
32:
Urteil Tatry (Fußnote 12, Randnr. 34) (Hervorhebung von mir).
33:
Vgl. Nr. 28 seiner Schlußanträge.
34:
Ebenda.
35:
Es sollte vielleicht ergänzt werden, auch wenn eine Kritik der Cour d'appel nicht
beabsichtigt ist, daß die Akten keine Angaben darüber enthalten, ob die Feststellungen der
Cour d'appel zum niederländischen Recht auf einem Sachverständigengutachten oder auf
anderen zuverlässigen Quellen zu diesem Recht beruht haben.
36:
Vgl. Nr. 19 seiner Schlußanträge.