Language of document : ECLI:EU:T:2020:44

URTEIL DES GERICHTS (Zweite Kammer)

11. Februar 2020(*)

„Unionsmarke – Anmeldung der Unionswortmarke ViruProtect – Absolutes Eintragungshindernis – Beschreibender Charakter – Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 (jetzt Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung [EU] 2017/1001) – Begründungspflicht“

In der Rechtssache T‑487/18

Stada Arzneimittel AG mit Sitz in Bad Vilbel (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte J.‑C. Plate und R. Kaase,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch S. Hanne als Bevollmächtigten,

Beklagter,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Fünften Beschwerdekammer des EUIPO vom 4. Juni 2018 (Sache R 1886/2017‑5) über die Anmeldung des Wortzeichens ViruProtect als Unionsmarke

erlässt

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Richters E. Buttigieg in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten, des Richters F. Schalin (Berichterstatter) und der Richterin M. J. Costeira,

Kanzler: R. Ūkelyté, Verwaltungsrätin,

aufgrund der am 14. August 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 5. September 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

auf die mündliche Verhandlung vom 1. Oktober 2019

folgendes

Urteil

 Sachverhalt

1        Am 31. Januar 2017 meldete die Klägerin, die Stada Arzneimittel AG, nach der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EU] 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke [ABl. 2017, L 154, S. 1]) beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eine Unionsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen ViruProtect.

3        Es wurde für folgende Waren der Klasse 5 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet: „Pharmazeutische Erzeugnisse; medizinische und veterinärmedizinische Präparate; Hygienepräparate für medizinische Zwecke; diätetische Lebensmittel und Erzeugnisse für medizinische und veterinärmedizinische Zwecke, Babykost; Nahrungsergänzungsmittel für Menschen und Tiere; Pflaster, Verbandmaterial; Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke; Desinfektionsmittel; Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren; Fungizide, Herbizide“.

4        Mit Entscheidung vom 7. Juli 2017 wies der Prüfer die Anmeldung der Marke gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung 2017/1001) zurück.

5        Am 28. August 2017 legte die Klägerin gegen die Entscheidung des Prüfers beim EUIPO Beschwerde ein.

6        Mit Entscheidung vom 4. Juni 2018 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Fünfte Beschwerdekammer des EUIPO die Beschwerde zurück.

7        Sie stellte zunächst insbesondere fest, dass die angesprochenen Verkehrskreise sowohl aus medizinischen Fachkreisen als auch aus Durchschnittsverbrauchern der breiten Öffentlichkeit bestünden, die einen erhöhten Grad an Aufmerksamkeit für die Waren der Klasse 5 an den Tag legten, und dass auf das englischsprachige Publikum abzustellen sei, da englische Wortelemente verwendet worden seien. Sodann führte sie zur Beurteilung des beschreibenden Charakters aus, dass die Aneinanderreihung der Wörter „Viru“ und „Protect“ trotz des fehlenden Buchstabens „s“ den Grammatikregeln der englischen Sprache folge. Da zudem alle von der angemeldeten Marke erfassten Waren der Erhaltung, Stärkung oder Wiederherstellung der Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen dienten, verstünden die angesprochenen Verkehrskreise, wenn sie mit dem Zeichen ViruProtect konfrontiert würden, unmittelbar, dass das Zeichen die Art und Beschaffenheit sowie den Verwendungszweck der Waren beschreibe, und zwar, dass es sich um Erzeugnisse und Präparate handle, die Schutz vor Viren gewährten. Daher sei diese Marke für die erfassten Waren rein beschreibend. Schließlich führte sie zur Beurteilung der Unterscheidungskraft aus, die Marke sei rein belobigend, und der Verbraucher entnehme ihr für die erfassten Waren die schlichte Werbeaussage, dass Menschen, Tiere oder Pflanzen vor Viren geschützt würden. Daher sei die fragliche Marke nicht geeignet, ihre Funktion als unterscheidungskräftiges Zeichen zu erfüllen.

 Anträge der Parteien

8        Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem EUIPO die Kosten aufzuerlegen.

9        Das EUIPO beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

10      Zunächst ist hervorzuheben, dass die Klägerin zwar auf die Verordnung 2017/1001 Bezug nimmt und die Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung Bestimmungen dieser Verordnung herangezogen hat, doch sind diese Bezugnahmen, was die materiell-rechtlichen Vorschriften betrifft, so zu verstehen, dass sie in Wirklichkeit auf die inhaltlich identischen Bestimmungen der Verordnung Nr. 207/2009 abzielen.

11      Die Klägerin stützt ihre Klage auf drei Gründe, mit denen sie einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009, einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung und einen Verstoß gegen die Begründungspflicht rügt.

12      Da die Klägerin der Beschwerdekammer vorwirft, ihrer Begründungspflicht nicht nachgekommen zu sein, hält es das Gericht für zweckmäßig, den dritten, auf den Verstoß gegen diese Pflicht gestützten Klagegrund vor dem ersten und dem zweiten Klagegrund zu prüfen.

 Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen die Begründungspflicht

13      Die Klägerin trägt vor, die Beschwerdekammer habe gegen ihre Begründungspflicht verstoßen, da die angefochtene Entscheidung nicht erkennen lasse, warum „Viru“ in Kombination mit „Protect“ aufgrund von Erwägungen des Gemeininteresses nicht monopolisiert werden dürfe, und insbesondere, weshalb es für die Allgemeinheit wichtig sein könnte, den Begriff „Virus“ auf „Viru“ zu verkürzen und „Viru“ mit der Abkürzung von „Protection“ bzw. „Protector“ zu kombinieren. Des Weiteren fehle jede Begründung dafür, weshalb die beschriebene Verkürzung der in Bezug genommenen Begriffe unwesentlich sein oder von den angesprochenen Verkehrskreisen unbemerkt bleiben sollte.

14      Das EUIPO tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

15      Nach Art. 296 AEUV muss die Begründung die Überlegungen des Urhebers des Rechtsakts so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass zum einen die Betroffenen ihr Recht auf gerichtliche Überprüfung der angefochtenen Entscheidung wirksam wahrnehmen können und zum anderen der Unionsrichter seine Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Entscheidung ausüben kann. In der Begründung brauchen jedoch nicht alle einschlägigen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte genannt zu werden. Die Frage, ob die Begründung einer Entscheidung diesen Erfordernissen genügt, ist nämlich nicht nur anhand ihres Wortlauts zu beurteilen, sondern auch anhand ihres Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften, die das betreffende Gebiet regeln (vgl. Urteil vom 28. Januar 2016, Gugler France/HABM – Gugler [GUGLER], T‑674/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:44, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).

16      Außerdem wird mit Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 das im Allgemeininteresse liegende Ziel verfolgt, dass Zeichen oder Angaben, die die Waren- oder Dienstleistungsgruppen beschreiben, für die die Eintragung beantragt wird, von allen frei verwendet werden können. Diese Vorschrift erlaubt es daher nicht, dass solche Zeichen oder Angaben aufgrund ihrer Eintragung als Marke einem einzigen Unternehmen vorbehalten werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Januar 2015, Grundig Multimedia/HABM [GentleCare], T‑188/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:34, Rn. 18).

17      Zum Vorbringen der Klägerin, die Beschwerdekammer habe nicht angegeben, weshalb es für die Allgemeinheit wichtig sein könnte, den Begriff „Virus“ auf „Viru“ zu verkürzen und „Viru“ mit der Abkürzung von „Protection“ bzw. „Protector“ zu kombinieren, ist festzustellen, dass diese Frage – wie das EUIPO geltend macht – bei der Prüfung des in Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 angeführten Grundes für die Versagung des Schutzes nicht von Belang ist. Da die Beschwerdekammer nämlich festgestellt hat, dass die angemeldete Marke beschreibend ist, ergab sich daraus unmittelbar ein öffentliches Interesse daran, das Zeichen nicht als Marke einzutragen. Unter diesen Umständen ist das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen.

18      Desgleichen ist das Vorbringen der Klägerin, die Beschwerdekammer habe in der angefochtenen Entscheidung nicht begründet, weshalb die beschriebene Verkürzung der herangezogenen Begriffe unwesentlich sei oder von den angesprochenen Verkehrskreisen nicht bemerkt werde, nicht stichhaltig.

19      In den Rn. 31 und 32 der angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdekammer nämlich ausgeführt, dass die maßgeblichen Verkehrskreise das Fehlen des Buchstabens „s“ am Ende des Wortes „Viru“ in der angemeldeten Marke nicht wahrnähmen, da es aus der Sicht dieser Verkehrskreise von wesentlicher Bedeutung sei, dass die von der Marke erfassten Waren virenfrei seien oder vor Viren schützten, so dass die Verbraucher den Bestandteil „Viru“ der Marke sofort und ohne weiteres Nachdenken mit „Virus“ gleichsetzten. In Rn. 33 ihrer Entscheidung hat sie festgestellt, dass der Unterschied zwischen dem Ausdruck „VirusProtect“ und dem Zeichen ViruProtect weder in schriftbildlicher noch in klanglicher Hinsicht erheblich sei und die abweichende Schreibweise des Wortes „Virus“ keinen Einfluss auf den möglichen Begriffsinhalt habe, den die Verkehrskreise mit der Marke verbänden. Schließlich hat sie in Rn. 36 der angefochtenen Entscheidung dargelegt, dass der Bestandteil „Protect“ nicht interpretationsbedürftig sei, da es ausreiche, wenn das Wortzeichen in einer von mehreren denkbaren Bedeutungen beschreibend sei, und da ausschließlich maßgebend sei, wie der Ausdruck im Kontext der von der Marke erfassten Waren von den fraglichen Verkehrskreisen verstanden werde.

20      Aus dem Vorstehenden folgt, dass auch das zweite Argument zurückzuweisen ist, so dass der dritte Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen die Begründungspflicht gerügt wird, in vollem Umfang zurückzuweisen ist.

 Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009

21      Der erste Klagegrund besteht aus zwei Teilen, von denen der erste tatsächliche Fehler und der zweite Rechtsfehler betrifft.

22      Nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 sind Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geografischen Herkunft oder der Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen können, von der Eintragung ausgeschlossen.

23      Ein Zeichen fällt dann unter das in Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 aufgestellte Verbot, wenn es zu den fraglichen Waren oder Dienstleistungen einen hinreichend direkten und konkreten Bezug aufweist, der es den betroffenen Verkehrskreisen ermöglicht, unmittelbar und ohne weitere Überlegung eine Beschreibung dieser Waren oder Dienstleistungen oder eines ihrer Merkmale zu erkennen (vgl. Urteil vom 12. November 2014, Murnauer Markenvertrieb/HABM [NOTFALL CREME], T‑504/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:941, Rn. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung). Ein Wortzeichen fällt zudem schon dann unter Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009, wenn es zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet (Urteil vom 6. Februar 2013, Maharishi Foundation/HABM [TRANSCENDENTAL MEDITATION], T‑412/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:62, Rn. 53).

24      Der beschreibende Charakter ist zum einen anhand der Waren und Dienstleistungen, für die die Marke angemeldet worden ist, und zum anderen anhand ihrer Wahrnehmung durch die maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen (Urteile vom 27. Februar 2002, Eurocool Logistik/HABM [EUROCOOL], T‑34/00, EU:T:2002:41, Rn. 38, und vom 12. November 2014, NOTFALL CREME, T‑504/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:941, Rn. 18).

25      Des Weiteren hat nach der Rechtsprechung eine Marke, die aus einer sprachlichen Neuschöpfung oder einem Wort mit mehreren Bestandteilen besteht, von denen jeder Merkmale der Waren oder Dienstleistungen beschreibt, für die die Eintragung beantragt wird, selbst einen die Merkmale dieser Waren oder Dienstleistungen beschreibenden Charakter im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009, es sei denn, dass ein merklicher Unterschied zwischen der Neuschöpfung bzw. dem Wort und der bloßen Summe ihrer bzw. seiner Bestandteile besteht. Dies setzt voraus, dass die Neuschöpfung bzw. das Wort aufgrund der Ungewöhnlichkeit der Kombination in Bezug auf die genannten Waren oder Dienstleistungen einen Eindruck erweckt, der hinreichend stark von dem abweicht, der bei bloßer Zusammenfügung der ihren Bestandteilen zu entnehmenden Angaben entsteht, und somit über die Summe dieser Bestandteile hinausgeht. Insoweit ist auch die Analyse des fraglichen Ausdrucks anhand der maßgeblichen lexikalischen und grammatikalischen Regeln von Bedeutung (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 25. Mai 2016, Stagecoach Group/EUIPO [MEGABUS.COM], T‑805/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:336, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26      Das Vorbringen der Klägerin ist im Licht dieser Grundsätze zu prüfen.

 Erster Teil des ersten Klagegrundes: Fehlerhafte Tatsachenwürdigung

27      Die Klägerin trägt erstens im Wesentlichen vor, die Beschwerdekammer habe die Tatsachen falsch gewürdigt, weil sie festgestellt habe, dass die angesprochenen Verkehrskreise die angemeldete Marke im Kontext der von ihr erfassten Waren automatisch als „virus protection“ oder „virus protector“ wahrnähmen, nicht aber die Unterschiede zu dieser Marke. Der Wegfall des Konsonanten „s“ habe jedoch in Bezug auf das Wort „Virus“ klanglich und schriftbildlich eine erhebliche Auswirkung.

28      Zweitens habe die Beschwerdekammer durch die Feststellung, dass sich der Bestandteil „Protect“ nur unmerklich von den englischen Begriffen „protection“ oder „protector“ unterscheide, einen Fehler begangen. Zudem habe die Beschwerdekammer fälschlich behauptet, die angesprochenen Verkehrskreise würden die Unterschiede zwischen der Anmeldemarke und den englischen Begriffen, auf die sie Bezug nehme, nicht bemerken, obwohl diese Verkehrskreise, wie sie selbst ausgeführt habe, Marken bei den hier in Rede stehenden pharmazeutischen Produkten erhöhte Aufmerksamkeit widmeten.

29      Drittens habe die Beschwerdekammer nicht den Gesamteindruck des Gesamtzeichens ViruProtect auf seine Eintragbarkeit hin überprüft, sondern nur seinen angeblich beschreibenden Gehalt, basierend auf einer hypothetischen Ergänzung des Bestandteils „viru“ um den Konsonanten „s“ und des Bestandteils „protect“ um die Buchstabenkombination „or“ und „ion“.

30      Das EUIPO tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

31      Zunächst ist den Ausführungen der Beschwerdekammer in den Rn. 16 bis 21 der angefochtenen Entscheidung beizupflichten, dass die angesprochenen Verkehrskreise aus Durchschnittsverbrauchern der breiten Öffentlichkeit und aus medizinischen Fachkreisen bestehen, die einen erhöhten Grad an Aufmerksamkeit für die fraglichen Waren an den Tag legen. Weiter hat die Beschwerdekammer zutreffend festgestellt, dass für die Beurteilung der absoluten Eintragungshindernisse auf das englischsprachige Publikum der Europäischen Union abzustellen ist, da die angemeldete Marke englische Wortelemente enthält. Diese Punkte sind von den Parteien im Übrigen nicht bestritten worden.

32      Was erstens das Vorbringen der Klägerin angeht, die Beschwerdekammer habe einen Fehler begangen, weil sie dem Wegfall des Buchstabens „s“ keine maßgebliche klangliche und schriftbildliche Auswirkung auf das Wort „Virus“ beigemessen habe, obwohl die angesprochenen Verkehrskreise einen erhöhten Grad an Aufmerksamkeit an den Tag legten, ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer bei der Beurteilung der Wirkung der angemeldeten Marke auf die maßgeblichen Verkehrskreise keinen Fehler begangen hat. Zum einen ist nämlich „Virus“ ein generischer Begriff, und zum anderen ist allgemein anerkannt, dass der Verbraucher zwar eine Marke regelmäßig als Ganzes wahrnimmt, gleichwohl aber ein Wortzeichen, mit dem er konfrontiert wird, in die Wortbestandteile zerlegen wird, die ihm eine konkrete Bedeutung vermitteln. Wie das EUIPO zutreffend hervorgehoben hat, werden die angesprochenen Verkehrskreise, wenn sie mit dem Zeichen ViruProtect konfrontiert sind, daher im Kontext der von der angemeldeten Marke erfassten Waren trotz ihres erhöhten Aufmerksamkeitsgrades dazu neigen, das Wort „Virus“ anstelle von „Viru“ zu lesen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. Oktober 2017, Barmenia Krankenversicherung/EUIPO [Mediline], T‑810/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:749, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33      Zudem wäre in Bezug auf die klangliche Wahrnehmung ein etwaiger klanglicher Unterschied aufgrund des Wegfalls des Buchstabens „s“ nur marginal, so dass der Verbraucher den Begriff „Viru“ nicht als einen von „Virus“ gesonderten Begriff auffassen würde, sondern allenfalls als eine Variante davon (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. November 2008, En Route International/HABM [FRESHHH], T‑147/06, nicht veröffentlicht, EU:T:2008:528, Rn. 19).

34      Schließlich hat die Beschwerdekammer in Rn. 33 der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt, dass abweichende Schreibweisen das Eintragungshindernis in Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 nicht zu beseitigen vermögen, so dass sie zu Recht zu dem Ergebnis gekommen ist, dass der Wegfall des Buchstabens „s“ in der angemeldeten Marke, die eine Wortmarke ist, nicht geeignet war, ihre Eintragung zu ermöglichen.

35      Was zweitens das Vorbringen der Klägerin betrifft, die Beschwerdekammer habe durch die Feststellung, dass sich der Bestandteil „Protect“ nur unmerklich von den englischen Begriffen „protection“ oder „protector“ unterscheide, einen Fehler begangen, so geht aus der angefochtenen Entscheidung keineswegs hervor, dass die Beschwerdekammer eine solche Prüfung durchgeführt hat.

36      Zudem ist der Bestandteil „protect“ entgegen dem Vorbringen der Klägerin insofern auch ein Referenzbegriff, als er – wie das EUIPO hervorhebt – in Wortkombinationen wie „protect switch“, „protect zone“ oder „write protect“ substantiviert verwendet wird. Wie oben in Rn. 23 dargelegt, ist ein Wortzeichen aber schon dann beschreibend, wenn es zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet.

37      Nach alledem war die Beschwerdekammer zu der Annahme berechtigt, dass die maßgeblichen Verkehrskreise der angemeldeten Marke die Bedeutung „Virenschutz“ beimessen würden.

38      Drittens trägt die Klägerin vor, die Beschwerdekammer habe nicht den Gesamteindruck des Gesamtzeichens ViruProtect auf seine Eintragbarkeit hin überprüft. Wie aus den Rn. 25 bis 28 der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, ist dies aber nicht der Fall. Die Beschwerdekammer hat nämlich festgestellt, dass die angemeldete Marke die Art und Beschaffenheit sowie den Verwendungszweck der von der Marke erfassten Waren beschreibe. Insbesondere hat sie u. a. dargelegt, dass die Marke die Schutzfunktion gegen Viren in Bezug auf Hygienepräparate für medizinische Zwecke, Desinfektionsmittel, pharmazeutische Erzeugnisse oder auch für Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke unmittelbar beschreibe. Außerdem hat sie in Rn. 34 ihrer Entscheidung ausgeführt, dass die Kombination der Wortbestandteile, aus denen die Anmeldemarke bestehe, nicht unüblich sei, den Grammatikregeln der englischen Sprache folge und es den maßgeblichen Verkehrskreisen ermögliche, trotz der abweichenden Schreibweise aufgrund des Fehlens des Buchstabens „s“ am Ende des Wortes „Virus“ ihren Bedeutungsgehalt unmittelbar zu erfassen, so dass ein hinreichend direkter und konkreter Zusammenhang mit den fraglichen Waren bestehe.

39      Somit geht aus der angefochtenen Entscheidung klar hervor, dass die Beschwerdekammer eine Analyse der angemeldeten Marke in ihrer Gesamtheit vorgenommen hat, so dass das Vorbringen der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen ist. Folglich ist der erste Teil des ersten Klagegrundes, mit dem eine fehlerhafte Tatsachenwürdigung gerügt wird, zurückzuweisen.

 Zweiter Teil des ersten Klagegrundes: Rechtsfehler

40      Im Rahmen des zweiten Teils des ersten Klagegrundes macht die Klägerin im Wesentlichen zwei Rügen geltend, und zwar erstens ein hypothetisches Begriffsverständnis der angemeldeten Marke und zweitens ein Fehlverständnis der Tragweite von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009.

–       Zur Rüge eines hypothetischen Begriffsverständnisses der angemeldeten Marke

41      Die Klägerin trägt vor, die Beschwerdekammer habe das Zeichen nicht zunächst auf absolute Eintragungshindernisse hin überprüft, sondern sich auf eine hypothetische Auslegung der angemeldeten Marke im Sinne von „virus protection/protector“ beschränkt, obwohl bei der Prüfung der Eintragungsfähigkeit keine Verwendung bzw. Wahrnehmung der Marke zugrunde gelegt werden dürfe, die nicht vollständig dieser Marke, sondern einem anderen Zeichen entspreche. Im Einzelnen macht sie geltend, die Beschwerdekammer hätte bei der Prüfung der angemeldeten Marke weder den Buchstaben „s“ oder die Bestandteile „or“ oder „ion“ ergänzen noch ihre Beurteilung auf die Prüfung des Ausdrucks, der sich daraus ergebe, stützen dürfen; dabei führt sie Rn. 35 des Urteils vom 16. März 2016, Schoeller Corporation/HABM – Sqope (SCOPE) (T‑90/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:153), und die Rn. 39 und 40 des Urteils vom 16. Februar 2017, Gruppe Nymphenburg Consult/EUIPO (Limbic® Map) (T‑513/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:84), an.

42      Das EUIPO tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

43      Wie oben in den Rn. 35 bis 37 ausgeführt, war die Beschwerdekammer zu der Annahme berechtigt, dass die maßgeblichen Verkehrskreise der angemeldeten Marke die Bedeutung „Virenschutz“ beimessen würden. Überdies kann dem Vorbringen der Klägerin, die Beschwerdekammer füge Bestandteile, die es als solche in dieser Marke nicht gebe, hinzu oder lasse sie weg, nicht gefolgt werden. Der Verbraucher legt ein Wortzeichen nämlich unter Heranziehung der Definitionen der Wörter aus, aus denen es besteht; dies impliziert zwangsläufig andere Elemente als das betreffende Wort oder die betreffenden Wörter (vgl. entsprechend Urteil vom 9. März 2010, Euro‑Information/HABM [EURO AUTOMATIC CASH], T‑15/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2010:80, Rn. 38).

44      Die erste Rüge des zweiten Teils des ersten Klagegrundes ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

–       Zur Rüge eines Fehlverständnisses der Tragweite von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009

45      Die Klägerin trägt vor, im englischen Sprachraum sei der Bestandteil „Viru“ noch nie als Ersatz für den Begriff „Virus“ verwendet worden, und dies werde auch künftig nicht geschehen; die angefochtene Entscheidung enthalte keine Anhaltspunkte dafür, weshalb es ein aktuelles oder künftiges Interesse der Mitbewerber geben sollte, den Begriff „Viru“ zu nutzen.

46      Das EUIPO tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

47      Analog zu den obigen Rn. 15 bis 17 ist festzustellen, dass das Vorbringen der Klägerin, der Bestandteil „Viru“ sei im englischen Sprachraum noch nie als Ersatz für den Begriff „Virus“ verwendet worden, und dies werde auch künftig nicht geschehen, und die angefochtene Entscheidung enthalte keine Anhaltspunkte dafür, weshalb es ein aktuelles oder künftiges Interesse der Mitbewerber an der Nutzung des Begriffs „Viru“ geben sollte, für die Prüfung des Eintragungshindernisses in Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 nicht von Belang ist. Da die angemeldete Marke als beschreibend anzusehen ist, ergibt sich nämlich daraus unmittelbar ein öffentliches Interesse daran, das Zeichen nicht als Marke einzutragen. Demnach ist die zweite Rüge, es liege ein Fehlverständnis der Tragweite dieser Bestimmung vor, als unbegründet zurückzuweisen.

48      Der erste Klagegrund ist deshalb insgesamt als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009

49      Wie aus Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 hervorgeht, ist ein Zeichen bereits dann von der Eintragung als Unionsmarke ausgeschlossen, wenn nur eines der absoluten Eintragungshindernisse vorliegt (Urteile vom 19. September 2002, DKV/HABM, C‑104/00 P, EU:C:2002:506, Rn. 29, vom 9. Juli 2008, Coffee Store/HABM [THE COFFEE STORE], T‑323/05, nicht veröffentlicht, EU:T:2008:265, Rn. 49, und vom 14. Dezember 2016, Grid applications/EUIPO [APlan], T‑154/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:731, Rn. 44).

50      Angesichts der Ergebnisse der Prüfung des ersten Klagegrundes ist der zweite Klagegrund als ins Leere gehend zurückzuweisen.

51      Nach alledem ist die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

 Kosten

52      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des EUIPO die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Stada Arzneimittel AG trägt die Kosten.

Buttigieg

Schalin

Costeira

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 11. Februar 2020.

Der Kanzler

 

Der Präsident

E. Coulon

 

      H. Kanninen


*      Verfahrenssprache: Deutsch.