Language of document : ECLI:EU:C:2024:506

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zehnte Kammer)

13. Juni 2024(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 2003/96/EG – Art. 2 Abs. 4 Buchst. b dritter Gedankenstrich – Art. 17 Abs. 1 Buchst. a – Verbrauchsteuer – Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom – Bei Elektrolysen verwendeter elektrischer Strom – Steuerermäßigungen für den Verbrauch von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom für energieintensive Betriebe – Energie- und Strombeschaffungskosten – Tatsächliche Kosten für die Beschaffung der Energie – Verteilungsgebühren – Kriterien für die Befreiung – Gleichheitsgrundsatz und Diskriminierungsverbot“

In der Rechtssache C‑266/23

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Naczelny Sąd Administracyjny (Oberstes Verwaltungsgericht, Polen) mit Entscheidung vom 28. Dezember 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 26. April 2023, in dem Verfahren

A. S.A.

gegen

Dyrektor Izby Administracji Skarbowej w Bydgoszczy,

Beteiligter:

Rzecznik Małych i Średnich Przedsiębiorców,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten Z. Csehi sowie der Richter M. Ilešič (Berichterstatter) und D. Gratsias,

Generalanwalt: A. Rantos,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der A. S.A., vertreten durch K. Rutkowski, Radca prawny,

–        des Dyrektor Izby Administracji Skarbowej w Bydgoszczy, vertreten durch A. Kowalczyk-Markowska,

–        der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,

–        der spanischen Regierung, vertreten durch I. Herranz Elizalde als Bevollmächtigten,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Armenia und M. Owsiany-Hornung als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 17 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (ABl. 2003, L 283, S. 51).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der A. S.A., einer Gesellschaft polnischen Rechts, und dem Dyrektor Izby Administracji Skarbowej w Bydgoszczy (Direktor der Finanzverwaltungskammer Bydgoszcz, Polen) über die Ablehnung einer teilweisen Erstattung der Verbrauchsteuer, die diese Gesellschaft auf elektrischen Strom gezahlt hat.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Die Erwägungsgründe 2 bis 5, 9, 11 und 24 der Richtlinie 2003/96 lauten:

„(2)      Das Fehlen von Gemeinschaftsbestimmungen über eine Mindestbesteuerung für elektrischen Strom und Energieerzeugnisse mit Ausnahme der Mineralöle kann dem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarktes abträglich sein.

(3)      Das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes und die Erreichung der Ziele der anderen Gemeinschaftspolitiken erfordern die Festsetzung von gemeinschaftlichen Mindeststeuerbeträgen für die meisten Energieerzeugnisse einschließlich elektrischen Stroms, Erdgas und Kohle.

(4)      Erhebliche Abweichungen zwischen den von den einzelnen Mitgliedstaaten vorgeschriebenen nationalen Energiesteuerbeträgen könnten sich als abträglich für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes erweisen.

(5)      Durch die Festsetzung angemessener gemeinschaftlicher Mindeststeuerbeträge lassen sich die derzeit bestehenden Unterschiede bei den nationalen Steuersätzen möglicherweise verringern.

(9)      Den Mitgliedstaaten sollte die nötige Flexibilität für die Festlegung und die Durchführung von auf den jeweiligen nationalen Kontext abgestimmten politischen Maßnahmen eingeräumt werden.

(11)      Es ist Sache des einzelnen Mitgliedstaats zu entscheiden, durch welche steuerlichen Maßnahmen er diesen gemeinschaftlichen Rahmen zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und von elektrischem Strom umsetzen will. Die Mitgliedstaaten können in diesem Zusammenhang auch beschließen, die Gesamtsteuerlast nicht zu erhöhen, falls sie der Ansicht sind, dass die Umsetzung dieses Grundsatzes der Aufkommensneutralität dazu beitragen könnte, ihre Steuersysteme zu restrukturieren und zu modernisieren, indem umweltfreundlichere Verhaltensweisen begünstigt werden und eine verstärkte Beachtung des Faktors Arbeitseinsatz gefördert wird.

(24)      Den Mitgliedstaaten sollte die Möglichkeit eingeräumt werden, bestimmte weitere Steuerbefreiungen oder ‑ermäßigungen anzuwenden, sofern dies nicht das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes beeinträchtigt oder zu Wettbewerbsverzerrungen führt.“

4        Art. 2 Abs. 4 Buchst. b dritter Gedankenstrich der Richtlinie 2003/96 bestimmt:

„Diese Richtlinie gilt nicht für:

b)      [folgende] Verwendungen von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom:

–        für elektrischen Strom, der hauptsächlich für die Zwecke der chemischen Reduktion, bei der Elektrolyse und bei Prozessen in der Metallindustrie verwendet wird.“

5        Art. 4 der Richtlinie 2003/96 lautet:

„(1)      Die Steuerbeträge, die die Mitgliedstaaten für Energieerzeugnisse und elektrischen Strom nach Artikel 2 vorschreiben, dürfen die in dieser Richtlinie vorgesehenen Mindeststeuerbeträge nicht unterschreiten.

(2)      Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Begriff ‚Steuerbetrag‘ die Gesamtheit der als indirekte Steuern (mit Ausnahme der Mehrwertsteuer) erhobenen Abgaben, die zum Zeitpunkt der Überführung in den freien Verkehr direkt oder indirekt anhand der Menge an Energieerzeugnissen und elektrischem Strom berechnet werden.“

6        In Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2003/96 heißt es:

„Dieser Artikel gilt für die nachstehend genannten industriellen und gewerblichen Verwendungszwecke:

c)      Betrieb von technischen Einrichtungen und Maschinen, die im Hoch- und Tiefbau und bei öffentlichen Bauarbeiten eingesetzt werden;

…“

7        In Art. 17 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2003/96 heißt es:

„(1)      Die Mitgliedstaaten können in den nachstehenden Fällen für den Verbrauch von Energieerzeugnissen, die zu Heizzwecken bzw. für die Zwecke des Artikels 8 Absatz 2 Buchstaben b) und c) verwendet werden, und von elektrischem Strom Steuerermäßigungen anwenden, sofern die in dieser Richtlinie vorgeschriebenen Mindeststeuerbeträge im Durchschnitt für alle Betriebe eingehalten werden:

a)      Für energieintensive Betriebe.

Als ‚energieintensiver Betrieb‘ gilt eine Betriebseinheit im Sinne von Artikel 11, bei der sich entweder die Energie- und Strombeschaffungskosten auf mindestens 3,0 % des Produktionswertes belaufen oder die zu entrichtende nationale Energiesteuer mindestens 0,5 % des Mehrwertes beträgt. Im Rahmen dieser Definition können die Mitgliedstaaten enger gefasste Begriffe anwenden, einschließlich verkaufswert‑, prozess- und sektorbezogener Definitionen.

Als ‚Energie- und Strombeschaffungskosten‘ gelten die tatsächlichen Kosten für die Beschaffung der Energie oder für die Gewinnung der Energie im Betrieb. Hierzu zählen ausschließlich elektrischer Strom, Heizstoffe und Energieerzeugnisse, die zu Heizzwecken bzw. für die Zwecke des Artikels 8 Absatz 2 Buchstaben b) und c) verwendet werden. Alle Steuern sind inbegriffen, ausgenommen abzugsfähige MwSt.

b)      Es bestehen Vereinbarungen mit Unternehmen oder Unternehmensverbänden oder es werden Regelungen über handelsfähige Zertifikate oder gleichwertige Regelungen umgesetzt, sofern damit Umweltschutzziele erreicht werden oder die Energieeffizienz erhöht wird.

(2)      Unbeschadet des Artikels 4 Absatz 1 können die Mitgliedstaaten bei Energieerzeugnissen und elektrischem Strom nach Artikel 2, die von energieintensiven Betrieben im Sinne des Absatzes 1 dieses Artikels verwendet werden, einen bis zu [n]ull gehenden Steuerbetrag anwenden.“

 Polnisches Recht

 Verbrauchsteuergesetz

8        Art. 30 Abs. 7a der Ustawa o podatku akcyzowym (Verbrauchsteuergesetz) vom 6. Dezember 2008 (Dz. U. 2009, Nr. 3, Pos. 11) in der auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung bestimmt:

„Von der Verbrauchsteuer befreit ist der elektrische Strom, wenn er verwendet wird:

1.      für Zwecke der chemischen Reduktion,

2.      bei elektrolytischen Verfahren,

3.      bei metallurgischen Verfahren,

4.      bei mineralogischen Verfahren.“

9        Art. 31d Abs. 1, 2 und 11 des Verbrauchsteuergesetzes sieht vor:

„(1)      Einem energieintensiven Betrieb, der elektrischen Strom verwendet und der kumulativ folgende Bedingungen erfüllt:

1.      er übt eine wirtschaftliche Tätigkeit aus, die mit den folgenden Codes der Polnischen Klassifikation der Tätigkeiten (PKD) bezeichnet wird: [PKD-Codes],

2.      er führt im Sinne der Rechnungslegungsvorschriften Buch,

3.      er nimmt für diesen elektrischen Strom nicht die Befreiung von der Verbrauchsteuer gemäß Art. 30 Abs. 7a in Anspruch,

steht eine Befreiung von der Verbrauchsteuer zu, die erfolgt, indem ein Teil der Verbrauchsteuer erstattet wird, die auf den von diesem Betrieb verwendeten elektrischen Strom entrichtet wurde.

(2)      Unter einem energieintensiven Betrieb, der elektrischen Strom verwendet, ist ein Betrieb zu verstehen, bei dem der Anteil der Kosten für den verwendeten Strom am Wert der verkauften Produktion in dem Steuerjahr, für das der in Abs. 5 genannte Antrag gestellt wird, mehr als 3 % beträgt. Ein energieintensiver Betrieb, der elektrischen Strom verwendet, darf nicht kleiner sein als ein organisierter Unternehmensteil, d. h. eine in einem bestehenden Unternehmen organisatorisch und finanziell abgetrennte Einheit materieller und immaterieller Vermögenswerte einschließlich Verbindlichkeiten, die für die Erfüllung bestimmter wirtschaftlicher Aufgaben bestimmt sind, die gleichzeitig ein unabhängiges Unternehmen darstellen könnte, das diese Aufgaben selbständig erfüllt.

(11)      Der Betrag der teilweise erstatteten Verbrauchsteuer darf nicht höher sein als der Verbrauchsteuerbetrag, den der energieintensive Betrieb für den elektrischen Strom entrichtet hat, den er in dem Steuerjahr, für das ein Antrag nach Abs. 5 gestellt wird, verwendet hat.“

 Energiegesetz

10      Art. 47 Abs. 1 der Ustawa – Prawo energetyczne (Energiegesetz) vom 10. April 1997 (Dz. U. 1997, Nr. 54, Pos. 348) in der auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung lautet:

„Energieunternehmen, die Inhaber von Konzessionen sind, legen Tarife für gasförmige Brennstoffe und Strom fest, die vom Präsidenten des [Urząd Regulacji Energetyki (URE) (Energieregulierungsbehörde)] genehmigt werden müssen, und schlagen deren Laufzeit vor. Energieunternehmen, die Inhaber von Konzessionen sind, legen dem Präsidenten der Energieregulierungsbehörde die Tarife und deren Änderungen von sich aus spätestens zwei Monate vor Ablauf des vorherigen Tarifs oder auf Aufforderung des Präsidenten des URE vor.“

 Gesetz über erneuerbare Energiequellen

11      Art. 52 Abs. 1 der Ustawa o odnawialnych źródłach energii (Gesetz über erneuerbare Energiequellen) vom 20. Februar 2015 (Dz. U. 2015, Pos. 478) in der auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung sieht vor:

„Die in Abs. 2 genannten Energieunternehmen, Endkunden, Industriekunden sowie Rohstoffmakler- und Maklerhäuser sind verpflichtet:

1.      einen Herkunftsnachweis oder einen Herkunftsnachweis für landwirtschaftliches Biogas zu beschaffen und dem Präsidenten des URE zur Einlösung vorzulegen, der ausgestellt wurde:

a)      für landwirtschaftlichen Strom bzw. landwirtschaftliches Biogas, das in Anlagen für erneuerbare Energien erzeugt wird, die sich im Hoheitsgebiet der Republik Polen befinden oder in der ausschließlichen Wirtschaftszone liegen, oder

b)      auf der Grundlage des Energiegesetzes, oder

2.      innerhalb der in Art. 68 Abs. 2 festgelegten Frist eine Ersatzabgabe zu entrichten, die in der in Art. 56 vorgesehenen Weise berechnet wurde.“

 Verordnung des Energieministers über die detaillierten Grundsätze der Gestaltung und Berechnung der Tarife und der Abrechnungen im Stromhandel

12      In § 5 Abs. 2 und 3 des Rozporządzenie Ministra Energii w sprawie szczegółowych zasad kształtowania i kalkulacji taryf oraz Rozliczeń w obrocie energią elektryczną (Verordnung des Energieministers über die detaillierten Grundsätze der Gestaltung und Berechnung der Tarife und der Abrechnungen im Stromhandel) vom 29. Dezember 2017 (Dz. U. 2017, Pos. 2500) in der auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung heißt es:

„(2)      Der Tarif eines Energieunternehmens, das eine wirtschaftliche Tätigkeit im Bereich der Stromübertragung ausübt, umfasst:

1.      die Gebührensätze für die Erbringung von Stromübertragungsdiensten, im Folgenden als ‚Übertragungsgebühren‘ bezeichnet,

(3)      Der Tarif eines Energieunternehmens, das eine wirtschaftliche Tätigkeit im Bereich der Stromverteilung ausübt, umfasst:

2.      die Gebührensätze für die Erbringung von Stromverteilungsdiensten, im Folgenden als ‚Verteilungsgebühren‘ bezeichnet,

…“

13      Art. 14 Abs. 3 bis 7 dieses Dekrets sieht vor:

„(3)      Die Verteilungsgebühren werden in Sätze aufgeschlüsselt berechnet, die sich aus Folgendem ergeben:

1.      Stromverteilung,

2.      Nutzung des nationalen Stromnetzes,

3.      Ablesen der Anzeigen von Mess- und Abrechnungssystemen und deren laufende Kontrolle.

(4)      Die Verteilungsgebühren gemäß Abs. 3 Nr. 2 werden als einheitlicher Bestandteil berechnet, und zwar auf der Grundlage der Kosten für den Einkauf der Stromübertragungsdienste beim Übertragungsnetzbetreiber in Bezug auf den Teil, der die Nutzung des nationalen Stromnetzes betrifft.

(5)      Die Verteilungsgebühren gemäß Abs. 3 Nr. 3, im Folgenden als ‚Abonnementgebühren‘ bezeichnet, werden als einheitlicher Bestandteil berechnet.

(6)      Die Abonnementgebühren variieren je nach Dauer des Abrechnungszeitraums.

(7)      Die Übertragungs- oder Verteilungsgebühren gemäß Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 Nr. 1, im Folgenden als ‚Netzgebühren‘ bezeichnet, werden aus zwei Bestandteilen berechnet:

1.      einem fixen Netztarif, der pro Einheit der Vertragsleistung berechnet wird und für einen Haushaltsstromverbraucher unter Bezugnahme auf das Mess- und Abrechnungssystem berechnet wird,

2.      einem variablen Netztarif, der pro am Lieferort aus dem Netz entnommener Stromeinheit berechnet wird.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

14      A. nahm im Jahr 2016 die Befreiung von der Verbrauchsteuer auf elektrischen Strom in Anspruch, der im Rahmen ihrer Tätigkeiten für Elektrolyseverfahren verwendet wurde.

15      Da A. der Ansicht war, dass ihr als energieintensivem Betrieb auch für den Rest der von ihr in diesem Rahmen verwendeten Energie eine Steuerbefreiung hätte gewährt werden müssen und dass die tatsächlichen Kosten der beschafften Energie die nach polnischem Recht erforderlichen Verteilungsgebühren und Kosten für den Erwerb der Herkunftsnachweise umfassen müssten, berichtigte A. ihre Verbrauchsteuererklärung für das Jahr 2016 und forderte den Naczelnik Urzędu Skarbowego w Toruniu (Leiter des Finanzamts Toruń, Polen) auf, ihr den Betrag der entrichteten Verbrauchsteuer zu erstatten, der ihrer Ansicht nach zu viel bezahlt wurde.

16      Mit Bescheid vom 8. Februar 2018 versagte der Leiter des Finanzamts Toruń ihr die Erstattung dieses Betrags. Auf Einspruch von A. gegen den Bescheid bestätigte der Direktor der Finanzverwaltungskammer Bydgoszcz diesen mit Entscheidung vom 14. Mai 2018.

17      A. erhob gegen die Entscheidung vom 14. Mai 2018 Klage beim Wojewódzki Sąd Administracyjny w Bydgoszczy (Woiwodschaftsverwaltungsgericht Bydgoszcz, Polen), der diese abwies und dies erstens damit begründete, der Gesetzgeber habe die Möglichkeit, die beiden in Art. 30 Abs. 7a und Art. 31d Abs. 1 Nr. 3 des Verbrauchsteuergesetzes vorgesehenen Befreiungen gleichzeitig in Anspruch zu nehmen, ausgeschlossen. Die in der letztgenannten Bestimmung vorgesehene Befreiung stehe einem energieintensiven Betrieb nur dann offen, wenn er die Befreiung nach Art. 30 Abs. 7a dieses Gesetzes – im vorliegenden Fall die Befreiung für in Elektrolyseverfahren verwendeten elektrischen Strom – nicht in Anspruch nehme.

18      Im Übrigen gelte die Befreiung nach Art. 31d Abs. 1 Nr. 3 des genannten Gesetzes für den gesamten betroffenen Betrieb und die gesamte von ihm genutzte Energie und nicht nur für den Teil der Energie, der für die Elektrolyse genutzt werde.

19      Zweitens führte der Wojewódzki Sąd Administracyjny w Bydgoszczy (Woiwodschaftsverwaltungsgericht Bydgoszcz) aus, dass andere Gebühren und Kosten, wie die Verteilungsgebühren, die keine Kosten für die Strombeschaffung seien, von ebendiesen Kosten nicht umfasst seien, obgleich diese Gebühren und Kosten bei der Beschaffung und Verwendung von Strom notwendigerweise zu entrichten seien. Außerdem stellte dieses Gericht insbesondere klar, dass für die Einstufung der im Zusammenhang mit der Strombeschaffung geschuldeten Beträge als „Steuer“ eine Verpflichtung zur Zahlung dieser Beträge bestehen müsse und der Zahlungspflichtige bei Nichterfüllung dieser Verpflichtung von den zuständigen Behörden verfolgt werden könne.

20      A. legte Kassationsbeschwerde beim Naczelny Sąd Administracyjny (Oberstes Verwaltungsgericht, Polen), dem vorlegenden Gericht, ein, das Zweifel in Bezug auf die Auslegung von Art. 17 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/96 hat.

21      Unter diesen Umständen hat der Naczelny Sąd Administracyjny (Oberstes Verwaltungsgericht) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Kann Art. 17 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/96 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom dahin ausgelegt werden, dass zu den tatsächlichen Kosten für die Beschaffung von elektrischem Strom nur der Kaufpreis des Stroms selbst zu rechnen ist, ohne jegliche zusätzliche Belastung, wie z. B. eine Verteilungsgebühr, die nach den in einem Mitgliedstaat geltenden Vorschriften zu entrichten ist, um den Strom beschaffen zu können?

2.      Ist Art. 17 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/96 dahin auszulegen, dass er dem Ausschluss einer Befreiung von der Verbrauchsteuer auf die Beschaffung von elektrischem Strom für einen energieintensiven Betrieb (Art. 31d Abs. 1 des Verbrauchsteuergesetzes), wenn dieser Betrieb eine subjektive Verbrauchsteuerbefreiung nach nationalem Recht (Art. 30 Abs. 7a des Verbrauchsteuergesetzes) in Anspruch nimmt, entgegensteht, sofern der Betrieb nachweist, dass er in Bezug auf dieselbe Energie nicht gleichzeitig beide Befreiungen in Anspruch nimmt, und sofern der Gesamtbetrag der Befreiungen den Betrag der für denselben Zeitraum entrichteten Verbrauchsteuer nicht übersteigt?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten Frage

22      Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass es nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen des durch Art. 267 AEUV eingeführten Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof Aufgabe des Gerichtshofs ist, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei diesem anhängigen Rechtsstreits sachdienliche Antwort zu geben. Hierzu hat er die ihm vorgelegten Fragen gegebenenfalls umzuformulieren (Urteil vom 7. August 2018, Smith, C‑122/17, EU:C:2018:631, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

23      Insoweit geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass die Vorlagefragen auf einer Beurteilung des vorlegenden Gerichts beruhen, wonach es sich bei den zusätzlichen Belastungen wie den Verteilungsgebühren, auf die es Bezug nimmt, nicht um „Steuern“ im Sinne von Art. 17 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/96 handeln darf.

24      Um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, ist daher davon auszugehen, dass es mit seiner ersten Frage im Wesentlichen wissen möchte, ob Art. 17 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/96 dahin auszulegen ist, dass die tatsächlichen Kosten für die Beschaffung der Energie im Sinne dieser Bestimmung nur den Kaufpreis der Energie selbst umfassen müssen, nicht aber zusätzliche Belastungen, bei denen es sich nicht um „Steuern“ im Sinne der genannten Bestimmung handeln darf, wie die obligatorischen Verteilungsgebühren für die Energie, die nach der nationalen Regelung bei der Beschaffung der Energie anfallen.

25      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 17 Abs. 1 Buchst. a Unterabs. 2 der Richtlinie 2003/96 als „Energie- und Strombeschaffungskosten“ die „tatsächlichen Kosten für die Beschaffung der Energie oder für die Gewinnung der Energie im Betrieb“ gelten.

26      Insoweit geht aus dieser Bestimmung hervor, dass hierzu ausschließlich elektrischer Strom sowie Heizstoffe und Energieerzeugnisse zählen, die zu Heizzwecken bzw. für die Zwecke von Art. 8 Abs. 2 Buchst. b und c dieser Richtlinie verwendet werden. Im Übrigen geht aus Art. 17 Abs. 1 Buchst. a Unterabs. 2 dieser Richtlinie hervor, dass alle Steuern, ausgenommen abzugsfähige Mehrwertsteuer, inbegriffen sind.

27      Daher ist zu prüfen, ob die in der nationalen Regelung vorgesehenen Verteilungsgebühren von elektrischem Strom als „tatsächliche Kosten der [von einem Betrieb] beschafften Energie“ im Sinne von Art. 17 Abs. 1 Buchst. a Unterabs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2003/96 anzusehen sind.

28      Es ist darauf hinzuweisen, dass bei der Bestimmung der Tragweite einer Unionsvorschrift nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch der Zusammenhang, in den sie sich einfügt, und die Ziele zu berücksichtigen sind, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (Urteil vom 16. November 2023, Tüke Busz, C‑391/22, EU:C:2023:892, Rn. 34).

29      Was erstens den Wortlaut von Art. 17 Abs. 1 Buchst. a Unterabs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2003/96 betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass er auf „die tatsächlichen Kosten für die Beschaffung der Energie oder für die Gewinnung der Energie im Betrieb“ Bezug nimmt. Der Begriff „tatsächliche Kosten“ wird im Übrigen weder in dieser Bestimmung noch in anderen Bestimmungen der Richtlinie 2003/96 definiert.

30      Seinem Sinn im gewöhnlichen Sprachgebrauch nach ist dieser Begriff jedoch dahin zu verstehen, dass er alle Kosten umfasst, die zwangsläufig mit der in dieser Bestimmung genannten Beschaffung von Energie verbunden sind. Diese Auslegung wird durch die Prüfung der verschiedenen Sprachfassungen dieser Bestimmung bestätigt, die den Begriff „tatsächliche Kosten“ einheitlich wiedergeben, u. a. in der polnischen („rzeczywisty koszt“), der spanischen („coste real“), der deutschen („tatsächliche Kosten“), der englischen („actual cost“), der italienischen („costo effettivo“) und der rumänischen („costul real“) Sprachfassung. Insoweit beziehen sich alle diese Fassungen auf die tatsächlich entstandenen Kosten, die für die Beschaffung von elektrischem Strom erforderlich sind.

31      Das vorlegende Gericht weist jedoch darauf hin, dass die Zahlung der Verteilungsgebühren an den Energieversorger für die Beschaffung der Energie obligatorisch sei und dass ihre Höhe auf der Grundlage genauer gesetzlicher Vorschriften bestimmt werde.

32      Zweitens wird diese Auslegung durch den Zusammenhang, in dem Art. 17 Abs. 1 Buchst. a Unterabs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2003/96 steht, bestätigt. Insoweit hat der Gesetzgeber zwar zum einen klargestellt, dass zu dem darin verwendeten Begriff „Energie“ „ausschließlich elektrischer Strom, Heizstoffe und Energieerzeugnisse, die zu Heizzwecken bzw. für die Zwecke des Artikels 8 Absatz 2 Buchstaben b) und c) [der Richtlinie] verwendet werden, [zählen]“, die in Rede stehende Bestimmung den Umfang der „tatsächlichen Kosten“ jedoch nicht auf den Preis der Energie beschränkt, den der betreffende Betrieb für deren Beschaffung zahlen muss.

33      Zum anderen ist festzustellen, dass der Unionsgesetzgeber, als er die mit der Beschaffung von Energie verbundenen Kosten von den „tatsächlichen Kosten“ ausnehmen wollte, sie ausdrücklich ausgenommen hat. In Art. 17 Abs. 1 Buchst. a Unterabs. 2 Satz 3 der Richtlinie 2003/96 heißt es nämlich, dass in den „tatsächlichen Kosten“ „alle Steuern … inbegriffen [sind], ausgenommen abzugsfähige Mehrwertsteuer“.

34      Schließlich ist drittens festzustellen, dass die in den Rn. 29 bis 32 des vorliegenden Urteils dargelegte grammatikalische Auslegung von Art. 17 Abs. 1 Buchst. a Unterabs. 2 Satz 3 der Richtlinie 2003/96, d. h. eine weite Auslegung des Begriffs der „tatsächlichen Kosten“ im Sinne dieser Bestimmung, mit dem Hauptziel der Regelung, zu der sie gehört, nämlich dem Ziel, das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts im Energiesektor insbesondere durch Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen zu fördern, in Einklang steht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. Januar 2020, Autoservizi Giordano, C‑513/18, EU:C:2020:59, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35      Nach alledem ist auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 17 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/96 dahin auszulegen ist, dass die tatsächlichen Kosten für die Beschaffung der Energie im Sinne dieser Bestimmung zusätzliche Belastungen, bei denen es sich nicht um „Steuern“ im Sinne dieser Bestimmung handeln darf, wie die obligatorischen Verteilungsgebühren für diese Energie, die nach der nationalen Regelung bei der Beschaffung der Energie zu entrichten sind, umfassen müssen.

 Zur zweiten Frage

36      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 17 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/96 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der ein energieintensiver Betrieb im Sinne dieser Bestimmung von einer Befreiung von der Verbrauchsteuer auf die Beschaffung von elektrischem Strom ausgeschlossen ist, wenn dieser Betrieb für diesen elektrischen Strom eine Verbrauchsteuerbefreiung in Anspruch nimmt, die dem in Elektrolyseverfahren verwendeten elektrischen Strom vorbehalten ist, auch wenn der Betrieb nachweist, dass er in Bezug auf dieselbe Energie nicht gleichzeitig beide Befreiungen in Anspruch nimmt, und der Gesamtbetrag der Befreiungen den Betrag der für denselben Zeitraum entrichteten Verbrauchsteuer nicht übersteigt.

37      Zunächst ist festzustellen, dass die Richtlinie 2003/96 nach ihrem Art. 2 Abs. 4 Buchst. b dritter Gedankenstrich u. a. nicht für elektrischen Strom gilt, der hauptsächlich für Zwecke der chemischen Reduktion, bei der Elektrolyse und bei Prozessen in der Metallindustrie verwendet wird. Daher geht aus dem Wortlaut dieses Artikels hervor, dass der in Rede stehende Strom nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt.

38      Nach Art. 4 dieser Richtlinie haben die Mitgliedstaaten die in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallenden Energieerzeugnisse, d. h. Kraftstoffe, Heizstoffe und elektrischen Strom, so zu besteuern, dass sie für sie Steuerbeträge vorschreiben, die die in der Richtlinie vorgesehenen Mindeststeuerbeträge nicht unterschreiten dürfen (Urteil vom 31. März 2022, Kommission/Polen [Besteuerung von Energieerzeugnissen], C‑139/20, EU:C:2022:240, Rn. 39).

39      Im Übrigen ergibt sich aus dem dritten Erwägungsgrund und Art. 4 der Richtlinie, dass diese keine vollständige Harmonisierung der Verbrauchsteuersätze auf Energieerzeugnisse und elektrischen Strom vorgenommen hat, sondern sich darauf beschränkt, harmonisierte Mindeststeuerbeträge festzulegen.

40      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs hindert eine Mindestharmonisierung die Mitgliedstaaten nicht daran, zwingendere Maßnahmen beizubehalten oder zu erlassen, vorausgesetzt jedoch, dass solche Vorschriften nicht geeignet sind, die Erreichung des von der fraglichen Richtlinie vorgeschriebenen Ergebnisses ernstlich in Frage zu stellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Juli 2016, Muladi, C‑447/15, EU:C:2016:533, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

41      Die Richtlinie 2003/96 soll, indem sie ein harmonisiertes System der Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom vorsieht, ausweislich ihrer Erwägungsgründe 2 bis 5 und 24 das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts im Energiesektor insbesondere durch Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen fördern (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. Januar 2020, Autoservizi Giordano, C‑513/18, EU:C:2020:59, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

42      Gleichwohl sieht diese Richtlinie die Möglichkeit vor, dass die Mitgliedstaaten gestaffelte Steuersätze, Steuerbefreiungen oder ermäßigte Verbrauchsteuern einführen. Somit hat der Unionsgesetzgeber den Mitgliedstaaten in Bezug auf Verbrauchsteuern einen gewissen Handlungsspielraum gelassen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. Januar 2020, Autoservizi Giordano, C‑513/18, EU:C:2020:59, Rn. 26).

43      Gemäß Art. 17 Abs. 1 Buchst. a der genannten Richtlinie können die Mitgliedstaaten für energieintensive Betriebe für den Verbrauch von elektrischem Strom Steuerermäßigungen anwenden, sofern die in dieser Richtlinie vorgeschriebenen Mindeststeuerbeträge der Europäischen Union im Durchschnitt für alle Betriebe eingehalten werden (Urteil vom 18. Januar 2017, IRCCS – Fondazione Santa Lucia, C‑189/15, EU:C:2017:17, Rn. 47).

44      Der Steuerbetrag von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom, die unter die Richtlinie fallen, kann bis zu null gehen, wenn die Erzeugnisse und der elektrische Strom von energieintensiven Betrieben verwendet werden (Urteil vom 31. März 2022, Kommission/Polen [Besteuerung von Energieerzeugnissen], C‑139/20, EU:C:2022:240, Rn. 42).

45      Hierzu ist festzustellen, dass die in Art. 17 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/96 vorgesehenen Steuervorteile für energieintensive Betriebe für die Mitgliedstaaten fakultativ sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. September 2021, Hauptzollamt B [Fakultative Steuerermäßigung], C‑100/20, EU:C:2021:716, Rn. 24).

46      Aus dieser Bestimmung geht zudem hervor, dass es den Mitgliedstaaten frei steht, die Gewährung von Steuerermäßigungen für energieintensive Betriebe auf die Betriebe eines oder mehrerer Industriesektoren zu beschränken (Urteil vom 18. Januar 2017, IRCCS – Fondazione Santa Lucia, C‑189/15, EU:C:2017:17, Rn. 49).

47      Nach den Erwägungsgründen 9 und 11 dieser Richtlinie lässt diese den Mitgliedstaaten nämlich einen gewissen Spielraum für die Festlegung und die Durchführung von auf den jeweiligen nationalen Kontext abgestimmten politischen Maßnahmen und bestimmt, dass es Sache des einzelnen Mitgliedstaats ist, zu entscheiden, durch welche Maßnahmen er diese Richtlinie umsetzen will (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Januar 2017, IRCCS – Fondazione Santa Lucia, C‑189/15, EU:C:2017:17, Rn. 50).

48      Aus dem Vorstehenden ist zu schließen, dass ein Mitgliedstaat zwar in Ausübung des ihm durch die Richtlinie 2003/96 eingeräumten Spielraums den von energieintensiven Betrieben verwendeten elektrischen Strom von der Steuer befreien kann, sich jedoch aus keiner Bestimmung dieser Richtlinie ergibt, dass er dazu verpflichtet wäre.

49      Insoweit sieht Art. 17 Abs. 1 Buchst. a Unterabs. 1 Satz 2 der Richtlinie vor, dass die Mitgliedstaaten im Rahmen der Festlegung ihrer Maßnahmen in diesem Bereich enger gefasste Begriffe anwenden können, einschließlich verkaufswert‑, prozess- und sektorbezogener Definitionen.

50      Es ist jedoch festzustellen, dass diese Bestimmung zwar bestimmte Kriterien nennt, auf die sich die Mitgliedstaaten bei der Festlegung und Durchführung ihrer Maßnahmen im Bereich der Steuerermäßigungen für energieintensive Betriebe beziehen können, sich aus dem Wortlaut der Bestimmung aber ergibt, dass die Aufzählung dieser Kriterien nicht abschließend sein soll.

51      Wie sich aus dem Vorabentscheidungsersuchen ergibt, hat sich die Republik Polen gemäß Art. 31d Abs. 1 Nr. 1 des Verbrauchsteuergesetzes dafür entschieden, Verbrauchsteuerermäßigungen für energieintensive Betriebe einzuführen, die bestimmte, mit den Codes der polnischen Klassifikation der Tätigkeiten bezeichnete wirtschaftliche Tätigkeiten ausüben.

52      Im Übrigen geht aus dem Vorabentscheidungsersuchen auch hervor, dass ein Unternehmen, falls es die in Art. 30 Abs. 7a Nr. 2 des Verbrauchsteuergesetzes vorgesehene Befreiung von der Verbrauchsteuer für den bei Elektrolyseverfahren verwendeten elektrischen Strom in Anspruch nimmt, nicht gleichzeitig die in Art. 31d Abs. 1 dieses Gesetzes vorgesehene Befreiung von der Verbrauchsteuer für energieintensive Betriebe in Anspruch nehmen kann.

53      In Anbetracht der Ausführungen in den Rn. 48 und 50 des vorliegenden Urteils kann Art. 17 Abs. 1 Buchst. a Unterabs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2003/96 nicht dahin ausgelegt werden, dass er die Festlegung eines Kriteriums wie dem in Rn. 52 des vorliegenden Urteils genannten für die Gewährung einer Steuerermäßigung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden ausschließt, sofern dieses Kriterium und seine Anwendung nicht diskriminierend sind.

54      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sind die Mitgliedstaaten nämlich verpflichtet, ihr Ermessen, über das sie u. a. gemäß Art. 17 der Richtlinie 2003/96 verfügen, unter Beachtung des Unionsrechts und seiner allgemeinen Grundsätze und insbesondere unter Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung auszuüben. Im Übrigen erfasst dieses Erfordernis sowohl die Maßnahmen, mit denen von diesem Ermessen Gebrauch gemacht wird, als auch deren Anwendung (Urteil vom 9. September 2021, Hauptzollamt B [Fakultative Steuerermäßigung], C‑100/20, EU:C:2021:716, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

55      Insoweit verlangt der Grundsatz der Gleichbehandlung, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist (Urteil vom 9. September 2021, Hauptzollamt B [Fakultative Steuerermäßigung], C‑100/20, EU:C:2021:716, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

56      Dem Vorabentscheidungsersuchen ist nichts zu entnehmen, was den diskriminierenden Charakter des in der polnischen Regelung vorgesehenen Kriteriums belegen könnte. Es ist daher Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob das Kriterium im Einklang mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung angewandt wird.

57      Nach alledem ist auf die zweite Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 17 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/96 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, nach der ein energieintensiver Betrieb im Sinne dieser Bestimmung von einer Befreiung von der Verbrauchsteuer auf die Beschaffung von elektrischem Strom ausgeschlossen ist, wenn dieser Betrieb für diesen elektrischen Strom eine Verbrauchsteuerbefreiung in Anspruch nimmt, die dem in Elektrolyseverfahren verwendeten elektrischen Strom vorbehalten ist, auch wenn der Betrieb nachweist, dass er in Bezug auf dieselbe Energie nicht gleichzeitig beide Befreiungen in Anspruch nimmt, und der Gesamtbetrag der Befreiungen den Betrag der für denselben Zeitraum entrichteten Verbrauchsteuer nicht übersteigt, vorausgesetzt, das in der nationalen Regelung insoweit festgelegte Kriterium wird im Einklang mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung konzipiert und angewandt.

 Kosten

58      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zehnte Kammer) für Recht erkannt:

1.      Art. 17 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom

ist dahin auszulegen, dass

die tatsächlichen Kosten für die Beschaffung der Energie im Sinne dieser Bestimmung zusätzliche Belastungen, bei denen es sich nicht um „Steuern“ im Sinne dieser Bestimmung handeln darf, wie die obligatorischen Verteilungsgebühren für diese Energie, die nach der nationalen Regelung bei der Beschaffung der Energie zu entrichten sind, umfassen müssen.

2.      Art. 17 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/96

ist dahin auszulegen, dass

er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, nach der ein energieintensiver Betrieb im Sinne dieser Bestimmung von einer Befreiung von der Verbrauchsteuer auf die Beschaffung von elektrischem Strom ausgeschlossen ist, wenn dieser Betrieb für diesen elektrischen Strom eine Verbrauchsteuerbefreiung in Anspruch nimmt, die dem in Elektrolyseverfahren verwendeten elektrischen Strom vorbehalten ist, auch wenn der Betrieb nachweist, dass er in Bezug auf dieselbe Energie nicht gleichzeitig beide Befreiungen in Anspruch nimmt, und der Gesamtbetrag der Befreiungen den Betrag der für denselben Zeitraum entrichteten Verbrauchsteuer nicht übersteigt, vorausgesetzt, das in der nationalen Regelung insoweit festgelegte Kriterium wird im Einklang mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung konzipiert und angewandt.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Polnisch.