Language of document : ECLI:EU:T:2022:638

URTEIL DES GERICHTS (Erste Kammer)

19. Oktober 2022(*)

„Staatliche Beihilfen – Tätigkeiten, die mit der Produktion, Verarbeitung und Vermarktung von Agrarerzeugnissen in Zusammenhang stehen – Von Griechenland gewährte Beihilferegelungen in Form von Zinsvergütungen und staatlichen Bürgschaften für bestehende Kredite sowie für neue Kredite zur Beseitigung von Schäden, die durch Naturkatastrophen oder sonstige außergewöhnliche Ereignisse entstanden sind – Beschluss, mit dem die Beihilferegelungen für mit dem Binnenmarkt unvereinbar und rechtswidrig erklärt werden und die Rückforderung der gewährten Beihilfen angeordnet wird – Hilfe, die auf geschädigte geografische Gebiete beschränkt ist – Vorteil – Selektiver Charakter – Grundsatz der guten Verwaltung – Dauer des Verfahrens – Berechtigtes Vertrauen – Verjährungsfrist – Art. 17 der Verordnung (EU) 2015/1589“

In der Rechtssache T‑850/19,

Hellenische Republik, vertreten durch E. Tsaousi, E. Leftheriotou und A.‑V. Vasilopoulou als Bevollmächtigte,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch A. Bouchagiar und T. Ramopoulos als Bevollmächtigte,

Beklagte,


erlässt

DAS GERICHT (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten H. Kanninen sowie der Richterinnen N. Półtorak und O. Porchia (Berichterstatterin),

Kanzler: I. Pollalis, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und

auf die mündliche Verhandlung vom 8. Februar 2022

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV begehrt die Hellenische Republik die Nichtigerklärung des Beschlusses (EU) 2020/394 der Kommission vom 7. Oktober 2019 über die Maßnahmen SA.39119 (2016/C) (ex 2015/NN) (ex 2014/CP) der Hellenischen Republik in Form von Zinsvergütungen und Bürgschaften im Zusammenhang mit den Bränden von 2007 (dieser Beschluss betrifft nur den Agrarsektor) (ABl. 2020, L 76, S. 4, im Folgenden: angefochtener Beschluss).

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Von den Bränden in Griechenland im Juli 2007 waren die Präfektur Magnisia und genauer gesagt der Pilion, die Insel Skiathos, die Insel Kefalonia, die Präfektur Achaia sowie der Peloponnes betroffen. Im August 2007 wüteten neue Brände in den Präfekturen Messenien, Elis, Arkadien, Lakonien und Euböa sowie in der Gemeinde Egialia in der Präfektur Achaia. Aufgrund der durch diese Brände verursachten Lage rief der Premierminister der Hellenischen Republik am 25. August 2007 den Notstand aus.

3        In der Folge erließ die Hellenische Republik Maßnahmen zur Unterstützung von Wirtschaftsteilnehmern, die in den durch die Brände von 2007 geschädigten Gebietskörperschaften (im Folgenden: geschädigte Gebietskörperschaften) tätig und ansässig waren, die in diesen Maßnahmen ausdrücklich genannt wurden.

4        Am 22. Juli 2014 erhielt die Europäische Kommission ein Beschwerdeschreiben über eine mutmaßliche staatliche Beihilfe der Hellenischen Republik an die landwirtschaftliche Erzeugnisse verarbeitende Gesellschaft Sogia Ellas SA und deren Tochtergesellschaften (im Folgenden zusammen: Sogia Ellas) in Form von Zinsvergütungen und Bürgschaften des griechischen Staates sowohl für bestehende Kredite, die neu ausgehandelt werden sollten und für die ein Tilgungsaufschub gewährt werden sollte, als auch für neue Kredite.

5        Mit Schreiben vom 25. Juli 2014 forderte die Kommission die griechischen Behörden auf, Informationen über die mutmaßlichen Beihilfen vorzulegen. Dieser Aufforderung kamen die griechischen Behörden durch die Vorlage von Einzelheiten zur Rechtsgrundlage für die Gewährung der Beihilfen nach.

6        Am 11. Dezember 2015 sandte die Kommission ein zweites Schreiben an die griechischen Behörden, worin sie ihnen zusätzliche Fragen stellte und sie darauf hinwies, dass die Untersuchung dieser Maßnahmen nicht nur Sogia Ellas betreffe, da die streitigen Maßnahmen möglicherweise auch anderen Begünstigten gewährt worden seien.

7        Daher beschloss die Kommission, ein Verfahren wegen nicht angemeldeter staatlicher Beihilfen [SA.39119 (2015/NN)] einzuleiten und den Umfang ihrer Untersuchung auf den gesamten griechischen Agrarsektor auszuweiten.

8        Am 11. Februar 2016 legten die griechischen Behörden ergänzende Informationen über die Rechtsgrundlage der betreffenden Beihilfen, die Voraussetzungen für ihre Gewährung sowie über die Begünstigten dieser Beihilfen vor.

9        Mit Schreiben vom 17. Mai 2016 teilte die Kommission der Hellenischen Republik ihren Beschluss mit, das förmliche Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV betreffend die staatliche Beihilfe SA.39119 (2016/C) (ex 2015/NN) (ex 2014/CP) – Beihilfe an Sogia Ellas AE et al. – zu eröffnen (im Folgenden: Beschluss über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens).

10      Mit der Veröffentlichung des Beschlusses über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens im Amtsblatt der Europäischen Union vom 16. September 2016 (ABl. 2016, C 341, S. 23) forderte die Kommission die Beteiligten nach Art. 108 Abs. 2 AEUV zur Stellungnahme auf.

11      Im Beschluss über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens forderte die Kommission die griechischen Behörden auf, ihr eine Schätzung der Anzahl der Begünstigten jeder in diesem Beschluss aufgeführten Regelung sowie die Beträge der betreffenden Beihilfen zu übermitteln.

12      Keiner der Beteiligten gab eine Stellungnahme ab. Die griechischen Behörden reichten ihre Stellungnahme zum Beschluss über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens am 23. September 2016 ein. In ihren Antworten teilten sie der Kommission mit, es sei ihnen unmöglich, alle verlangten Informationen zu liefern, was sie schließlich mit Schreiben vom 9. März 2017 und 21. Februar 2018 taten.

13      Am 7. Oktober 2019 erließ die Kommission den angefochtenen Beschluss.

14      Nach dem angefochtenen Beschluss, der nur für Tätigkeiten gelten soll, die mit der Produktion, der Verarbeitung und der Vermarktung von Agrarerzeugnissen, d. h. von Erzeugnissen, die in Anhang I des AEUV aufgeführt sind, ausgenommen Produkte aus Fischerei und Aquakultur, in Zusammenhang stehen, entschied die Kommission insbesondere, dass die Beihilferegelungen, die durch den Ministerialbeschluss Nr. 36579/B.1666/27.8.2007 (einschließlich der späteren Änderungen) in Form von Zinsvergütungen und Bürgschaften der Hellenischen Republik eingeführt worden seien (im Folgenden: streitige Maßnahmen), eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellten, die rechtswidrig und mit dem Binnenmarkt unvereinbar sei, so dass die Hellenische Republik verpflichtet sei, von den Begünstigten die in Art. 1 genannten Beihilfen zurückzufordern, außer in den in den Art. 3 und 4 dieses Beschlusses ausdrücklich vorgesehenen Fällen.

 Anträge der Parteien

15      Die Hellenische Republik beantragt,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

16      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Hellenischen Republik die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

17      Die Hellenische Republik stützt ihre Klage auf drei Klagegründe, mit denen sie geltend macht: erstens das Nichtvorliegen einer Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV, zweitens die Vereinbarkeit der Beihilfe nach Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV und drittens eine Verletzung des Rechts auf eine angemessene Verfahrensdauer und des Grundsatzes der guten Verwaltung, die Unzuständigkeit der Kommission in zeitlicher Hinsicht und eine Verletzung des Grundsatzes der Rechtssicherheit, des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit sowie der Verteidigungsrechte.

 Zum ersten Klagegrund: Nichtvorliegen einer Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV

18      Der erste Klagegrund besteht aus drei Teilen. Mit dem ersten Teil wirft die Hellenische Republik der Kommission eine fehlerhafte Auslegung und Anwendung der in Art. 107 Abs. 1 AEUV aufgestellten Voraussetzungen vor. Mit dem zweiten Teil macht die Hellenische Republik Tatsachenirrtümer und das Fehlen einer Begründung geltend. Mit dem dritten Teil schließlich macht die Hellenische Republik eine Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes geltend. Da sich der dritte Teil des ersten Klagegrundes und der erste Teil des dritten Klagegrundes teilweise überschneiden, ist es angebracht, sie im Rahmen der Prüfung des dritten Klagegrundes zu untersuchen.

 Zum ersten Teil des ersten Klagegrundes: Auslegung und Anwendung der in Art. 107 Abs. 1 AEUV aufgestellten Voraussetzungen

19      Erstens macht die Hellenische Republik geltend, die streitigen Maßnahmen hätten keine negativen Auswirkungen auf den Staatshaushalt und stellten auch keine Gefahr für die finanziellen Mittel des Staates dar. Zum einen hätte das Erfordernis einer Prämie für die Gewährung der Bürgschaften die Wirksamkeit der Maßnahmen beeinträchtigt. Zum anderen werde das Fehlen einer Prämie durch mehrere Faktoren ausgeglichen. Daher sei das Kriterium, dass eine Beihilfe aus staatlichen Mitteln finanziert werden müsse, nicht erfüllt.

20      Zweitens macht die Hellenische Republik geltend, die streitigen Maßnahmen verschafften ihren Adressaten keinen „Vorteil“, so dass dieses Kriterium nicht erfüllt sei, obwohl es erfüllt sein müsse, um auf das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe zu schließen.

21      Die Hellenische Republik weist zwar darauf hin, dass sie im vorliegenden Fall nicht wie ein privater Wirtschaftsteilnehmer gehandelt habe, macht aber geltend, die streitigen Maßnahmen seien im Licht einer langfristigen wirtschaftlichen Vernünftigkeit zu sehen, und es stehe ihr frei, eine langfristige Politik zu verfolgen, die ihrer „sozialen Verantwortung“ entspreche, wie dies privaten Wirtschaftsteilnehmern zugestanden worden sei. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass sie im vorliegenden Fall von den Marktregeln abgewichen sei, da nicht ausgeschlossen sei, dass ein privater Wirtschaftsteilnehmer ebenso gehandelt hätte, um langfristig einen Gewinn zu erzielen.

22      Speziell zu den staatlichen Bürgschaften macht die Hellenische Republik geltend, das Fehlen einer Prämie bedeute nicht, dass ein Vorteil vorliege. Zum einen hätte eine Prämie nämlich die Wirksamkeit der Maßnahmen beeinträchtigt. Zum anderen werde das Fehlen einer Prämie durch mehrere Faktoren ausgeglichen, insbesondere durch die Tatsache, dass die Rentabilität der Unternehmen geprüft worden sei und dass Unternehmen in Schwierigkeiten ausgeschlossen worden seien, dass die Bürgschaft für höchstens 80 % jedes Darlehens gewährt worden sei, dass die Laufzeit der Darlehen zeitlich begrenzt worden sei und dass sie das Recht habe, den als Bürgschaft gezahlten Betrag vom Hauptschuldner zurückzufordern.

23      Zudem macht die Hellenische Republik geltend, die streitigen Maßnahmen hätten die Lasten nicht verringert, die die Unternehmen „normalerweise“ zu tragen hätten. Denn mit ihren Maßnahmen habe sie versucht, auf die außergewöhnliche Situation zu reagieren, in der sich die Empfänger der streitigen Maßnahmen befunden hätten.

24      Schließlich macht die Hellenische Republik geltend, die streitigen Maßnahmen seien nicht selektiv. Die Begünstigten der streitigen Maßnahmen befänden sich nicht in einer Situation, die mit der Situation anderer Marktteilnehmer vergleichbar sei. Sie hätten sich in einer Ausnahmesituation befunden, da die Brände von 2007 nicht Teil des „wirtschaftlichen Risikos, das jedes Unternehmen treffen kann“, seien, wie die Kommission im 118. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses behaupte. Anstatt den Wettbewerb zu verfälschen, zielten die streitigen Maßnahmen somit darauf ab, die Wettbewerbsbedingungen wiederherzustellen.

25      Drittens trägt die Hellenische Republik vor, dass die streitigen Maßnahmen den Handel zwischen den Mitgliedstaaten nicht beeinträchtigten und den Wettbewerb nicht verfälschten. In diesem Zusammenhang verweist sie auf statistische Daten, aus denen hervorgehe, dass im Zeitraum von 2008 bis 2010 das Bruttoinlandsprodukt und die Bruttowertschöpfung in den geschädigten Gebietskörperschaften erheblich zurückgegangen seien. Außerdem habe sich die Kommission bei ihrer Beurteilung zu Unrecht darauf gestützt, dass Unternehmen in Schwierigkeiten von den streitigen Maßnahmen profitieren könnten.

26      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Hellenischen Republik zur Stützung des ersten Teils des ersten Klagegrundes entgegen.

27      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Einstufung einer nationalen Maßnahme als „staatliche Beihilfe“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV verlangt, dass alle nachstehend genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Erstens muss es sich um eine staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Maßnahme handeln. Zweitens muss diese Maßnahme geeignet sein, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Drittens muss dem Empfänger durch sie ein selektiver Vorteil verschafft werden. Viertens muss sie den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen (vgl. Urteil vom 21. Dezember 2016, Kommission/World Duty Free Group u. a., C‑20/15 P und C‑21/15 P, EU:C:2016:981, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28      Überdies ist darauf hinzuweisen, dass Art. 107 Abs. 1 AEUV nicht nach den Gründen oder Zielen der staatlichen Maßnahmen unterscheidet, sondern diese nach ihren Wirkungen beschreibt (Urteile vom 2. Juli 1974, Italien/Kommission, 173/73, EU:C:1974:71, Rn. 27, und vom 29. März 2012, 3M Italia, C‑417/10, EU:C:2012:184, Rn. 36).

29      Was erstens die erste Voraussetzung für die Einstufung einer nationalen Maßnahme als „staatliche Beihilfe“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV anbelangt, so zeigen die Analyse des Beschlusses Nr. 36579/B.1666/27.8.2007, die in Anhang A 12 der Klageschrift enthalten ist, sowie die von der Hellenischen Republik der Kommission übermittelten Antworten, die in Anhang A 21 der Klageschrift enthalten sind, dass die in den geschädigten Gebietskörperschaften ansässigen Unternehmen in den Genuss einer Umschuldung sowie der Gewährung von Betriebskapitaldarlehen kommen konnten, die zum einen Gegenstand vollständiger oder teilweiser Zinsvergütungen waren, die von den griechischen Behörden finanziert wurden, und die zum anderen von der Hellenischen Republik garantiert wurden, ohne dass die Begünstigten dieser Darlehen eine Prämie dafür zu zahlen hatten.

30      Was die Zinsvergütungen betrifft, so hat diese Vergütung, da die zahlbaren Zinsen ganz oder teilweise durch das vom Nómos 128/1975, perí tropopoiíseos kai sympliróseos diatáxeón tinon anaferoménon eis tin leitourgían tou chrimatodotikoú systímatos (Gesetz 128/1975 über die Änderung und Ergänzung der Vorschriften über die Funktionsweise des Finanzsystems) vom 28. August 1975 (FEK A 178/28.8.1975), geschaffene Konto „subventioniert“ wurden, notwendigerweise die finanziellen Mittel der Hellenischen Republik belastet; diese Vergütung vermag im Übrigen nicht die Stichhaltigkeit des 112. Erwägungsgrundes des angefochtenen Beschlusses in Frage zu stellen, wonach sowohl die Zinsvergütungen als auch die staatlichen Bürgschaften dem griechischen Staat zugerechnet werden konnten und mit staatlichen Mitteln bereitgestellt wurden.

31      In Bezug auf die staatliche Bürgschaft bestreitet die Hellenische Republik, dass sich die Gewährung solcher Bürgschaften durch die streitigen Maßnahmen negativ auf ihre Mittel ausgewirkt habe.

32      Es ist darauf hinzuweisen, dass als Beihilfen Maßnahmen gelten, die in verschiedener Form die Belastungen vermindern, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat, und die somit zwar keine Subventionen im strengen Sinne des Wortes darstellen, diesen aber nach Art und Wirkung gleichstehen (Urteil vom 19. März 2013, Bouygues und Bouygues Télécom/Kommission u. a. und Kommission/Frankreich u. a., C‑399/10 P und C‑401/10 P, EU:C:2013:175, Rn. 101).

33      Nach der Rechtsprechung kann die Gewährung einer Bürgschaft eine zusätzliche Belastung für den Staat mit sich bringen (vgl. Urteil vom 19. März 2013, Bouygues und Bouygues Télécom/Kommission u. a. und Kommission/Frankreich u. a., C‑399/10 P und C‑401/10 P, EU:C:2013:175, Rn. 107 und die dort angeführte Rechtsprechung). Insbesondere bringt eine Bürgschaft eine Risikoübernahme mit sich, die normalerweise durch eine angemessene Prämie abgegolten wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. April 2014, Frankreich/Kommission, C‑559/12 P, EU:C:2014:217, Rn. 65).

34      Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Hellenische Republik auf eine Prämie für die Gewährung der in den streitigen Maßnahmen enthaltenen Bürgschaften verzichtet hat, so dass ihre öffentlichen Mittel belastet wurden.

35      Diese Schlussfolgerung kann durch das – im Übrigen nicht belegte – Vorbringen der Hellenischen Republik nicht in Frage gestellt werden, mit dem dargetan werden soll, dass die gewährten Bürgschaften kein Risiko für die öffentlichen Mittel darstellten.

36      In der mündlichen Verhandlung hat die Hellenische Republik das bestätigt, was aus dem 28. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, nämlich, dass ihre Bürgschaft in Höhe von mehr als 6 000 000 Euro in Anspruch genommen worden sei. Sie hat auf den Umstand hingewiesen, dass diese Beträge wie Steuerschulden automatisch eingezogen werden könnten, wobei die Möglichkeit der strafrechtlichen Verfolgung des Schuldners bestehe, sie hat jedoch nicht die Beträge genannt, die sie tatsächlich eingezogen hatte.

37      Speziell zu den von den Begünstigten der Maßnahmen gestellten Sicherheiten ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Stellung einer dinglichen Sicherheit nicht systematisch für alle Darlehen erforderlich war. Aus dem als Anhang A 24 der Klageschrift beigefügten Dokument ergibt sich auch, dass die Stellung einer Sicherheit durch den Kreditnehmer die staatliche Bürgschaft nur zu 90 % ihres Betrags absicherte, so dass der Staat keine Gewähr für die Rückzahlung der gesamten Schuld hatte.

38      Zudem trifft es zwar zu, dass die Unternehmen, die einen Antrag auf Schuldenerlass in Höhe von mehr als 100 000 Euro stellten, ihre wirtschaftliche Rentabilität in Form einer Studie nachweisen mussten und dass die anderen Unternehmen eine in Anhang A 27 der Klageschrift enthaltene Tabelle ausfüllen mussten, in der insbesondere die früheren Finanz- und Rechnungslegungsdaten der Jahre 2004, 2005 und 2006 sowie ihre zukünftigen Daten für die Jahre 2007, 2008 und 2009 aufgeführt waren.

39      Wie in den Erwägungsgründen 129 und 131 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, wurden jedoch die wirtschaftlichen Kriterien für die Bestimmung der Schwelle, ab der ein Unternehmen als nicht mehr rentabel angesehen wurde, nicht durch die fraglichen Beihilferegelungen bestimmt, so dass die Hellenische Republik nicht behaupten kann, dass die gewährten Bürgschaften ausschließlich rentablen Unternehmen vorbehalten gewesen seien und dass die nicht rentablen davon nicht hätten profitieren können.

40      Aus den Rn. 29 bis 39 oben ergibt sich, dass die Kommission keinen Beurteilungsfehler begangen hat, als sie in den Erwägungsgründen 111 und 112 des angefochtenen Beschlusses im Wesentlichen davon ausgegangen ist, dass die streitigen Maßnahmen für die Hellenische Republik eine finanzielle Belastung dargestellt hätten.

41      Was zweitens das Kriterium des Vorteils anbelangt, so gelten als staatliche Beihilfen nach ständiger Rechtsprechung Maßnahmen gleich welcher Art, die mittelbar oder unmittelbar Unternehmen begünstigen oder die als ein wirtschaftlicher Vorteil anzusehen sind, den das begünstigte Unternehmen unter normalen Marktbedingungen nicht erhalten hätte (vgl. Urteile vom 2. September 2010, Kommission/Deutsche Post, C‑399/08 P, EU:C:2010:481, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 27. Juni 2017, Congregación de Escuelas Pías Provincia Betania, C‑74/16, EU:C:2017:496, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).

42      Insbesondere erlangt nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung ein Kreditnehmer, für dessen Darlehen die staatlichen Stellen eines Mitgliedstaats eine Bürgschaft übernehmen, ebenso wie einer, der in den Genuss einer Bürgschaft kommt, ohne als Gegenleistung eine Provision zahlen zu müssen, normalerweise einen finanziellen Vorteil, da die ihm entstandenen finanziellen Kosten geringer sind als diejenigen, die ihm entstanden wären, wenn er sich die gleichen Finanzmittel und die gleiche Bürgschaft zu Marktpreisen hätte verschaffen müssen (vgl. Urteil vom 3. April 2014, Frankreich/Kommission, C‑559/12 P, EU:C:2014:217, Rn. 96 und die dort angeführte Rechtsprechung).

43      Im vorliegenden Fall hatte das Eingreifen der Hellenischen Republik zur Folge, dass die Unternehmen in den geschädigten Gebieten entweder in den Genuss von Darlehen mit Zinsen kamen, die sie ganz oder teilweise subventionierte, oder von Bürgschaften profitierten, die sie gewährte, ohne dass diese Unternehmen eine Provision zahlen mussten, was ihnen ohne staatliche Intervention nicht möglich gewesen wäre.

44      Die Hellenische Republik macht jedoch im Wesentlichen geltend, im vorliegenden Fall sei kein Vorteil im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV vorgelegen. Da die streitigen Maßnahmen im Zusammenhang mit einer Marktkrise erlassen worden seien, fielen sie in die soziale Verantwortung des Staates und erfüllten aufgrund dieser Situation ein Kriterium langfristiger wirtschaftlicher Vernünftigkeit, so dass alle in einer ähnlichen Situation befindlichen privaten Wirtschaftsteilnehmer in gleicher Weise hätten handeln können. Aufgrund all dieser Erwägungen vertritt die Hellenische Republik die Auffassung, es könne davon ausgegangen werden, dass solche Maßnahmen unter normalen Marktbedingungen gewährt worden seien.

45      Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden.

46      Es ist darauf hinzuweisen, dass sich der Begriff „normale Marktbedingungen“, der zur Feststellung des Vorliegens eines Vorteils verwendet wird, auf die Möglichkeit des Unternehmens bezieht, sich auf dem Markt denselben wirtschaftlichen Vorteil zu verschaffen, den es durch die Beihilfe erhält, und nicht auf die Einschätzung, inwieweit der Markt wie üblich funktioniert oder sich in einer Krise befindet (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 5. Februar 2015, Griechenland/Kommission, C‑296/14 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:72, Rn. 34).

47      Jede gegenteilige Auslegung liefe darauf hinaus, das Vorliegen eines Vorteils anhand der Ursache oder des Zwecks der Beihilfe festzustellen, was den objektiven Charakter des Begriffs des Vorteils und folglich die Anwendung von Art. 107 Abs. 1 AEUV in Frage stellen könnte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 2014, Griechenland/Kommission, T‑52/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:677, Rn. 66 und 67).

48      Zudem ist darauf hinzuweisen, dass sich die Hellenische Republik nicht darauf beruft, im vorliegenden Fall wie ein privater Wirtschaftsteilnehmer gehandelt zu haben, und dass sie nicht bestreitet, in ihrer Eigenschaft als Trägerin öffentlicher Gewalt gehandelt zu haben. Sie versucht vielmehr, zu suggerieren, dass ein privater Wirtschaftsteilnehmer in einer Situation, die ihrer Situation möglichst nahekomme, auf ähnliche Weise hätte handeln können, ohne der Tatsache Rechnung zu tragen, dass sie in Ausübung öffentlicher Gewalt gehandelt hat.

49      Keine Vorschrift des Art. 107 Abs. 1 AEUV befreit jedoch eine Beihilfe, die von einem Mitgliedstaat als Träger öffentlicher Gewalt gewährt wurde und ein Kriterium langfristiger wirtschaftlicher Vernünftigkeit erfüllt oder in die soziale Verantwortung des Staates fällt, von der Einstufung als staatliche Beihilfe, wobei diese Erwägungen im Übrigen bei der Beurteilung der Vereinbarkeit einer Maßnahme mit dem Binnenmarkt auf der Grundlage von Art. 107 Abs. 2 und 3 AEUV berücksichtigt werden können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. März 2018, Kommission/FIH Holding und FIH Erhvervsbank, C‑579/16 P, EU:C:2018:159, Rn. 63 und 75).

50      Die Hellenische Republik kann sich daher nicht auf das Kriterium der wirtschaftlichen Vernünftigkeit berufen, um die Marktbedingungen, unter denen die streitigen Maßnahmen gewährt wurden, als normal einzustufen und den Schluss zu ziehen, dass diese Maßnahmen ihren Begünstigten keinen Vorteil verschafften.

51      Aus den Rn. 41 bis 50 oben ergibt sich, dass es der Hellenischen Republik nicht gelungen ist, die Erwägungsgründe 113 bis 116 des angefochtenen Beschlusses in Frage zu stellen, in denen die Kommission im Wesentlichen zum einen festgestellt hat, dass die Begünstigten der streitigen Maßnahmen in den Genuss dieser Maßnahmen gekommen seien, obwohl dies unter normalen Marktbedingungen, d. h. ohne staatliche Intervention, nicht möglich gewesen wäre, und zum anderen, dass nicht zu prüfen sei, ob der Markt wie üblich funktioniere oder sich in einer Krise befinde, um letztlich zu dem Schluss zu kommen, dass diese Maßnahmen einen Vorteil im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellten.

52      Drittens macht die Hellenische Republik in Bezug auf die Voraussetzung des Erfordernisses der Selektivität des Vorteils geltend, das Kriterium der Selektivität sei entgegen den Ausführungen im 118. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses im vorliegenden Fall nicht erfüllt, da die streitigen Maßnahmen allen in den geschädigten Gebietskörperschaften ansässigen Unternehmen gewährt worden seien und sich diese Unternehmen in einer rechtlichen und tatsächlichen Situation befunden hätten, die sich von der der Unternehmen unterscheide, die in den anderen Gebietskörperschaften ansässig seien.

53      Die Hellenische Republik bestreitet die Selektivität der streitigen Maßnahmen und macht geltend, die bestehende Differenzierung zwischen Unternehmen, die in den von diesen Maßnahmen betroffenen Gebieten ansässig seien, und jenen, auf die dies nicht zutreffe, sei dadurch gerechtfertigt, dass Erstere im Unterschied zu Letzteren in den von den Bränden von 2007 geschädigten Gebieten ansässig seien und das wirtschaftliche Niveau wiedererlangen müssten, das sie vor diesem Ereignis gehabt hätten.

54      Die Differenzierung zwischen diesen beiden Kategorien von Unternehmen sei somit dadurch gerechtfertigt, dass sich die Unternehmen jeder der beiden Kategorien in einer tatsächlich und rechtlich nicht vergleichbaren Lage befänden, da im Wesentlichen alle in den geschädigten Gebietskörperschaften ansässigen Unternehmen durch diese Brände geschädigt worden seien.

55      Aus diesem Grund wendet sich die Hellenische Republik gegen den im 118. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses enthaltenen Satz, wonach die Brände Teil der wirtschaftlichen Risiken seien, die jedes Unternehmen treffen könnten. In der mündlichen Verhandlung hat die Hellenische Republik dieses Argument vertieft und versucht, nachzuweisen, dass die streitigen Maßnahmen angesichts der durch die Brände von 2007 verursachten systemischen Störung der lokalen Wirtschaft durch die Natur oder die Struktur der Regelung, mit der sie in Zusammenhang stünden, gerechtfertigt seien, ohne nähere Angaben zu machen.

56      Es ist darauf hinzuweisen, dass Maßnahmen, mit denen nur bestimmten Unternehmen Vorteile gewährt werden, die nach dem Ort ihrer Niederlassung bestimmt werden, a priori selektiv sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 19. September 2000, Deutschland/Kommission, C‑156/98, EU:C:2000:467, Rn. 23, und vom 6. September 2006, Portugal/Kommission, C‑88/03, EU:C:2006:511, Rn. 60 und 61).

57      Sofern die Beihilfen nicht von unterhalb der staatlichen Ebene angesiedelten Einheiten gewährt werden, die in ihrem Zuständigkeitsbereich über eine ausreichende verfahrensrechtliche und finanzielle institutionelle Autonomie verfügen, oder von einem öffentlichen Unternehmen, das die Bedingungen für die Verwendung seiner Waren oder Dienstleistungen festlegt, ist der anwendbare Bezugsrahmen der nationale Rahmen und erfolgt die Beurteilung der Selektivität einer Maßnahme, die, wie im vorliegenden Fall, Unternehmen zugutekommt, die in einem Teil des Hoheitsgebiets eines Mitgliedstaats ansässig sind, durch Vergleich mit den Unternehmen dieses Staates. Ein Vorteil, der auf Unternehmen beschränkt ist, die in einem Teil des Hoheitsgebiets eines Mitgliedstaats ansässig sind, kann zu einer selektiven Maßnahme führen, da er bestimmte Unternehmen gegenüber anderen Unternehmen in diesem Staat begünstigt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 19. September 2000, Deutschland/Kommission, C‑156/98, EU:C:2000:467, Rn. 23, vom 6. September 2006, Portugal/Kommission, C‑88/03, EU:C:2006:511, Rn. 56 bis 58, und vom 21. Dezember 2016, Kommission/Hansestadt Lübeck, C‑524/14 P, EU:C:2016:971, Rn. 60 bis 66).

58      Im vorliegenden Fall konnten die in den geschädigten Gebietskörperschaften ansässigen Unternehmen von den streitigen Maßnahmen profitieren. Da zum einen der Bezugsrahmen, der bei der Beurteilung der Selektivität der streitigen Maßnahmen gemäß den oben in Rn. 57 genannten Gesichtspunkten zu berücksichtigen ist, der nationale Rahmen und nicht der der geschädigten Gebietskörperschaften ist und zum anderen die in den anderen Gebietskörperschaften der Hellenischen Republik ansässigen Unternehmen von diesen Maßnahmen nicht profitieren konnten, ist jedoch festzustellen, dass diese Maßnahmen nicht allen im Staatsgebiet ansässigen Unternehmen unterschiedslos zugutekamen und dass sie folglich regional selektiv sind.

59      Zudem würde ein Ausschluss der Selektivität allein auf der Grundlage des verfolgten Ziels, die mit den Bränden verbundenen Schäden zu beheben und die Wirtschaft der geschädigten Gebietskörperschaften wieder anzukurbeln, von vornherein jegliche Möglichkeit ausschließen, die Vorteile, die den in den von den Bränden von 2007 betroffenen Gebieten ansässigen Unternehmen gewährt wurden, als „selektive Vorteile“ einzustufen. Es würde ausreichen, dass sich die Behörden auf die Legitimität der mit dem Erlass einer Beihilfemaßnahme angestrebten Ziele berufen, um diese als allgemeine Maßnahme der Anwendung von Art. 107 Abs. 1 AEUV zu entziehen (vgl. Urteil vom 16. Juli 2014, Griechenland/Kommission, T‑52/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:677, Rn. 67 und die dort angeführte Rechtsprechung).

60      Würde einem solchen Ansatz gefolgt, wäre eine Maßnahme, die, wie im vorliegenden Fall, das Ziel verfolgt, die Lage der von einer Naturkatastrophe betroffenen Unternehmen zu verbessern, grundsätzlich nicht selektiv und sie wäre von vornherein der Anwendung von Art. 107 Abs. 1 AEUV entzogen, was dazu führen würde, dass die in Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV vorgesehene Ausnahme ihrer Substanz beraubt würde.

61      In diesem Kontext ist im Übrigen auch der oben in Rn. 55 angeführte Satz zu lesen.

62      Mit diesem Satz wollte die Kommission zum Ausdruck bringen, dass die Tatsache, dass Unternehmen aufgrund der Brände von 2007 Schäden erlitten haben, sowie der Wille der Hellenischen Republik, die Unternehmen wieder in die wirtschaftliche Lage zu versetzen, in der sie sich vor diesen Bränden befanden, nicht ausreichen, um davon auszugehen, dass die streitigen Maßnahmen ihren Begünstigten keinen spezifischen Vorteil verschafften und folglich keine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellten.

63      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung der Begriff der staatlichen Beihilfe zwar staatliche Maßnahmen, die eine Differenzierung zwischen Unternehmen vornehmen und damit a priori selektiv sind, dann nicht umfasst, wenn diese Differenzierung aus der Natur oder der Struktur der Regelung folgt, mit der sie in Zusammenhang stehen (vgl. Urteil vom 21. Juni 2012, BNP Paribas und BNL/Kommission, C‑452/10 P, EU:C:2012:366, Rn. 101 und die dort angeführte Rechtsprechung).

64      Allerdings ergibt sich aus dem Akteninhalt und dem Vorbringen der Hellenischen Republik in der mündlichen Verhandlung nur, dass die streitigen Maßnahmen darauf abzielten, punktuell auf die Brandfolgen in den geschädigten Gebietskörperschaften zu reagieren, ohne jedoch die sich auf diese Maßnahmen beziehende Regelung zu bezeichnen. Daraus folgt, dass die Akten entgegen dem, was die Hellenische Republik anerkannt haben möchte, keinerlei Beleg dafür enthalten, dass die durch diese Maßnahmen vorgenommene Differenzierung aus der Natur oder der Struktur der Regelung folgte, mit der sie in Zusammenhang standen, und dass daher die durch diese Maßnahmen verschafften Vorteile keinen spezifischen Charakter hatten.

65      Folglich hat die Kommission in den Erwägungsgründen 117 bis 118 des angefochtenen Beschlusses rechts- und beurteilungsfehlerfrei festgestellt, dass die streitigen Maßnahmen selektiv seien, da insbesondere die ihren Empfängern dadurch verschafften Vorteile territorial begrenzt seien und nicht für alle Unternehmen im griechischen Hoheitsgebiet gälten.

66      Viertens behauptet die Hellenische Republik unter Berufung auf statistische Daten, dass die streitigen Maßnahmen den Handel zwischen den Mitgliedstaaten nicht beeinträchtigten und den Wettbewerb nicht verfälschten.

67      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission nach der Rechtsprechung nicht zum Nachweis einer tatsächlichen Auswirkung der Beihilfen auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten und einer tatsächlichen Wettbewerbsverzerrung verpflichtet ist, sondern nur zu prüfen hat, ob die Beihilfen geeignet sind, diesen Handel zu beeinträchtigen und den Wettbewerb zu verfälschen (vgl. Urteil vom 9. Juni 2011, Comitato „Venezia vuole vivere“ u. a./Kommission, C‑71/09 P, C‑73/09 P und C‑76/09 P, EU:C:2011:368, Rn. 134 und die dort angeführte Rechtsprechung).

68      Zudem kann, wie oben in den Rn. 59 und 60 festgestellt worden ist, der Ausgleichscharakter der streitigen Maßnahmen ihnen nicht den Charakter einer Beihilfe nehmen, so dass das Argument der Hellenischen Republik, dass die streitigen Maßnahmen darauf abzielten, die Situation vor den Bränden von 2007 wiederherzustellen, nicht durchgreifen kann.

69      Die statistischen Daten, auf die sich die Hellenische Republik beruft, beziehen sich auf das Bruttoinlandsprodukt und auf die in den geschädigten Gebietskörperschaften erzielte Wertschöpfung durch alle wirtschaftlichen Tätigkeiten. Somit sind diese Daten nicht stichhaltig, insbesondere was die Situation der Wirtschaftsteilnehmer betrifft, die in dem Wirtschaftssektor tätig sind, um den es im angefochtenen Beschluss geht.

70      Daraus folgt, dass unabhängig von der Frage, ob es zulässig sein kann, dass ein Mitgliedstaat im Nachhinein mit statistischen Daten die fehlende Beeinträchtigung des Handels und die fehlende Wettbewerbsverzerrung nachweist, die statistischen Daten, auf die sich die Hellenische Republik beruft, nicht geeignet sind, das Fehlen einer solchen Beeinträchtigung für die von den streitigen Maßnahmen betroffenen Unternehmen nachzuweisen.

71      Was schließlich das Vorbringen der Hellenischen Republik angeht, dass Unternehmen in Schwierigkeiten von den streitigen Maßnahmen ausgeschlossen seien, so genügt neben den oben in den Rn. 37 bis 39 getroffenen Feststellungen der Hinweis, dass dieser Gesichtspunkt, wie die Kommission vorträgt, für die Frage, ob die streitigen Maßnahmen den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen und den Wettbewerb verfälschen konnten, irrelevant ist.

72      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Hellenische Republik die Begründetheit der Erwägungsgründe 122 und 123 des angefochtenen Beschlusses nicht in Frage gestellt hat, in denen es im Wesentlichen heißt, dass die streitigen Maßnahmen unabhängig von dem mit ihnen verfolgten Zweck den Wettbewerb auf dem Binnenmarkt zu verfälschen und den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen drohten, da die Begünstigten dieser Maßnahmen normalerweise die Kosten der durch die Brände von 2007 verursachten Schäden selbst hätten tragen müssen und sie auf dem stark wettbewerbsorientierten Markt der Agrarprodukte und im Forstsektor tätig gewesen seien, bei denen es sich um Sektoren handele, die durch Maßnahmen, die Unternehmen in einem bestimmten Mitgliedstaat begünstigten, und im vorliegenden Fall durch die streitigen Maßnahmen beeinträchtigt würden, so dass diese Maßnahmen staatliche Beihilfen darstellten.

73      Nach alledem ist der erste Teil des ersten Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zum zweiten Teil des ersten Klagegrundes: Tatsachenirrtum und Begründungsmangel

74      Mit dem zweiten Teil des ersten Klagegrundes macht die Hellenische Republik geltend, der angefochtene Beschluss sei mit einem Tatsachenirrtum und einem Begründungsmangel behaftet.

75      Die Kommission habe nicht alle relevanten Daten berücksichtigt.

76      Insbesondere habe die Kommission die Schwere der Brände von 2007, die außergewöhnliche Maßnahmen erfordert habe, und die Verpflichtung der Hellenischen Republik, eine langfristige Politik zu verfolgen, nicht hinreichend berücksichtigt. Stattdessen habe sich die Kommission darauf beschränkt, stereotyp festzustellen, dass die Brände von 2007 als „übliches Geschäftsrisiko“ eingestuft werden könnten. Somit sei der angefochtene Beschluss mit einem Tatsachenirrtum und einem schwerwiegenden Begründungsmangel behaftet, was umso schädlicher sei, als die Kommission in diesem Bereich über ein weites Ermessen verfüge.

77      Zudem habe es die Kommission versäumt, zum einen den Ernst der durch die Brände von 2007 verursachten Lage und zum anderen die nationalen Vorkehrungen gegeneinander abzuwägen, die getroffen worden seien, um die Auswirkungen auf die finanziellen Mittel der Hellenischen Republik möglichst gering zu halten und gleichzeitig das Anlaufen der Wirtschaft und somit die Einziehung von Steuern zu ermöglichen.

78      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Hellenischen Republik entgegen.

79      Zu dem angeblichen Begründungsmangel ist zu sagen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Organs, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen muss, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann (vgl. Urteil vom 12. September 2017, Anagnostakis/Kommission, C‑589/15 P, EU:C:2017:663, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

80      Ebenso ist das Begründungserfordernis nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 296 AEUV genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. Urteil vom 12. September 2017, Anagnostakis/Kommission, C‑589/15 P, EU:C:2017:663, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

81      Ferner ist hinzuzufügen, dass es sich bei der in Art. 296 AEUV vorgesehenen Begründungspflicht um ein wesentliches Formerfordernis handelt, das von der Frage der Stichhaltigkeit der Begründung zu unterscheiden ist, die zur materiellen Rechtmäßigkeit des streitigen Rechtsakts gehört. Die Begründung einer Entscheidung soll nämlich förmlich die Gründe zum Ausdruck bringen, auf denen diese Entscheidung beruht. Weisen die Gründe Fehler auf, so beeinträchtigen diese die materielle Rechtmäßigkeit der Entscheidung, nicht aber deren Begründung, die, obwohl sie fehlerhafte Gründe enthält, hinreichend sein kann. Daraus folgt, dass die Rügen und Argumente, die die Begründetheit eines Rechtsakts in Frage stellen sollen, im Rahmen eines Klagegrundes, mit dem eine fehlende oder unzureichende Begründung gerügt wird, unerheblich sind (vgl. Urteil vom 22. Oktober 2020, EKETA/Kommission, C‑274/19 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:853, Rn. 79 und die dort angeführte Rechtsprechung).

82      Im vorliegenden Fall lässt sich, wie oben in den Rn. 52 bis 65 angeführt, den Erwägungsgründen 110, 116, 118, 119 und 123 des angefochtenen Beschlusses entnehmen, dass die Kommission das Vorbringen der Hellenischen Republik zurückgewiesen hat, mit dem eine außergewöhnliche Situation aufgrund der Brände von 2007 geltend gemacht wurde, weil sie insbesondere und im Wesentlichen zum einen die Ansicht vertreten hat, dass das mit diesen Maßnahmen verfolgte Ziel im Rahmen der Anwendung des Art. 107 Abs. 1 AEUV nicht berücksichtigt werden dürfe, und zum anderen, dass die Begünstigten der streitigen Maßnahmen unabhängig von diesen Umständen einen selektiven Vorteil erlangt hätten, da sie diese unter normalen Marktbedingungen nicht hätten erhalten können.

83      Im Übrigen und wie oben in den Rn. 31 bis 39, 41 bis 43 und 51 angeführt, lässt sich den Erwägungsgründen 127, 129, 131 und 132 des angefochtenen Beschlusses entnehmen, dass die Kommission in Bezug auf die Maßnahmen der staatlichen Bürgschaft die Ansicht vertreten hat, dass diese Maßnahmen staatliche Beihilfen darstellten, da insbesondere im Wesentlichen zum einen abgesehen davon, dass ein Schuldner, für den die Bürgschaft gestellt worden sei, nicht systematisch zugunsten der Hellenischen Republik Sicherheiten habe leisten müssen, diese Maßnahmen gewährt worden seien, ohne dass ihr Begünstigter eine Prämie für das Risiko gezahlt habe, das der Staat mit der Bürgschaft übernommen habe, und zum anderen die Hellenische Republik nicht nachgewiesen habe, dass es eine Bestimmung gebe, die Unternehmen in Schwierigkeiten von der Inanspruchnahme dieser Maßnahmen ausgeschlossen hätte.

84      Somit ergibt sich aus den Rn. 82 und 83 oben, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss hinreichend begründet hat, weshalb sie sowohl das Vorbringen der Hellenischen Republik zur außergewöhnlichen Situation aufgrund der Brände von 2007 als auch jenes zu den von den Kreditnehmern gestellten zusätzlichen Sicherheiten und – hinsichtlich der staatlichen Bürgschaften – zum Ausschluss von Unternehmen in Schwierigkeiten zurückgewiesen hat.

85      Was schließlich das Vorbringen der Hellenischen Republik anbelangt, dass es die Kommission außer Acht gelassen habe, dass es zum einen wichtig sei, eine langfristige Wirtschaftspolitik verfolgen zu können, und dass sie es zum anderen versäumt habe, die wirtschaftliche Vernünftigkeit der streitigen Maßnahmen und die tatsächlichen Umstände gegeneinander abzuwägen, ist festzustellen, dass diese Argumente – abgesehen davon, dass sie sich mit den Argumenten im ersten Teil des ersten Klagegrundes überschneiden, die zurückgewiesen worden sind, da sie die Begründetheit eines Rechtsakts in Frage stellen sollen – im Rahmen eines Klagegrundes, mit dem eine fehlende oder unzureichende Begründung gerügt wird, nach der oben in Rn. 81 angeführten Rechtsprechung unerheblich sind.

86      Nach alledem ist der zweite Teil des ersten Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: Vereinbarkeit der Beihilferegelungen nach Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV

87      Mit ihrem zweiten hilfsweise geltend gemachten Klagegrund trägt die Hellenische Republik vor, die streitigen Beihilferegelungen seien nach Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar.

88      Insoweit macht sie erstens geltend, die Kommission habe in den Erwägungsgründen 62 und 63 des angefochtenen Beschlusses zu Unrecht angenommen, dass die streitigen Maßnahmen gewährt worden seien, ohne dass es einen direkten Zusammenhang mit den durch die Brände von 2007 entstandenen Schäden gegeben habe, obwohl alle in den geschädigten Gebietskörperschaften ansässigen Unternehmen Schäden erlitten hätten, die in einem unmittelbaren Kausalzusammenhang mit den Bränden von 2007 gestanden hätten, da die Verarbeitung und die Vermarktung von Agrarerzeugnissen in diesen Gebietskörperschaften völlig zum Stillstand gekommen seien. Dies sei im Übrigen von den Vertretern der Organe der Europäischen Union anerkannt worden.

89      Die Hellenische Republik macht zweitens geltend, die von der Kommission in den Erwägungsgründen 64 und 146 des angefochtenen Beschlusses vorgenommene Beurteilung sei fehlerhaft, da sie die Tatsache überhaupt nicht berücksichtigt habe, dass die streitigen Maßnahmen keine Einzelmaßnahmen, sondern Beihilferegelungen seien und dass sie folglich nicht nach den strengen zivilrechtlichen Kriterien für die Zuerkennung von Schadensersatz zu prüfen seien.

90      Jedenfalls sei offensichtlich, dass im vorliegenden Fall nicht nur die Umstände zu berücksichtigen seien, die eine genaue Bewertung der den Wirtschaftsteilnehmern entstandenen Schäden ermöglichten, sondern auch die Tatsache, dass die streitigen Maßnahmen die Schäden niemals hätten ausgleichen können, die den in den geschädigten Gebieten ansässigen Unternehmen entstanden seien, unabhängig davon, dass die Produktionsmittel dieser Unternehmen nicht unmittelbar von den Bränden von 2007 betroffen gewesen seien.

91      Daraus schließt die Hellenische Republik, dass der angefochtene Beschluss wegen eines Rechtsfehlers und eines Begründungsmangels für nichtig zu erklären sei.

92      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Hellenischen Republik entgegen.

93      Es ist darauf hinzuweisen, dass Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV eng auszulegen ist, da es sich um eine Ausnahme von dem in Art. 107 Abs. 1 AEUV niedergelegten allgemeinen Grundsatz der Unvereinbarkeit staatlicher Beihilfen mit dem Binnenmarkt handelt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. April 2004, Griechenland/Kommission, C‑278/00, EU:C:2004:239, Rn. 81 und die dort angeführte Rechtsprechung).

94      Diese enge Auslegung bedeutet jedoch nicht, dass die zur Definition der Ausnahme verwendeten Begriffe so auszulegen sind, dass sie dieser ihre Wirkung nehmen. Eine Ausnahme muss nämlich im Einklang mit den Zielen ausgelegt werden, die sie verfolgt (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 11. September 2014, Fastweb, C‑19/13, EU:C:2014:2194, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

95      Zudem dürfen nach ständiger Rechtsprechung nur die unmittelbar durch Naturkatastrophen oder sonstige außergewöhnliche Ereignisse verursachten Nachteile basierend auf Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV ausgeglichen werden (vgl. Urteil vom 9. Juni 2011, Comitato „Venezia vuole vivere“ u. a./Kommission, C‑71/09 P, C‑73/09 P und C‑76/09 P, EU:C:2011:368, Rn. 175 und die dort angeführte Rechtsprechung).

96      Daraus folgt, dass auch dann, wenn es sich, wie im vorliegenden Fall, um eine Beihilferegelung handelt, zwei Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit die in Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV vorgesehene Ausnahme Anwendung finden kann: Zum einen muss ein direkter Zusammenhang zwischen dem durch die Naturkatastrophe verursachten Schaden und der staatlichen Beihilfe bestehen und zum anderen muss eine möglichst genaue Bewertung der den betreffenden Erzeugern entstandenen Schäden erfolgen (Urteil vom 11. November 2004, Spanien/Kommission, C‑73/03, nicht veröffentlicht, EU:C:2004:711, Rn. 37).

97      Im vorliegenden Fall geht sowohl aus den Schriftsätzen der Hellenischen Republik als auch aus ihren Erklärungen in der mündlichen Verhandlung hervor, dass die streitigen Maßnahmen gewährt wurden, ohne dass die Empfänger das Vorliegen eines Kausalzusammenhangs zwischen den erlittenen Schäden und den Bränden von 2007 nachweisen mussten.

98      Ausgehend von dem Grundsatz, dass Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV in Bezug auf eine Beihilferegelung wie im vorliegenden Fall nicht den Nachweis eines Kausalzusammenhangs im zivilrechtlichen Sinne zwischen dem erlittenen Schaden und dem gewährten Betrag verlange, hat die Hellenische Republik die Ansicht vertreten, dass es ihr gemäß diesem Artikel freistehe, den Erhalt der streitigen Maßnahmen nur vom Vorhandensein einer Niederlassung des Begünstigten dieser Maßnahmen in einer der geschädigten Gebietskörperschaften abhängig zu machen, da alle in diesen Gebieten ansässigen Unternehmen aufgrund der Brände von 2007 Schäden erlitten hätten.

99      Es steht jedoch fest, dass der bloße Nachweis einer Niederlassung in den geschädigten Gebietskörperschaften für sich genommen insbesondere nicht ermöglichte, zu prüfen, ob der Betrag der gewährten Maßnahmen nicht die Höhe der tatsächlich von den Begünstigten dieser Maßnahmen erlittenen und mit der Naturkatastrophe in Zusammenhang stehenden Schäden überstieg und ob möglicherweise eine Überkompensierung vorlag.

100    Im Übrigen hat die Hellenische Republik in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass die umstrittenen Maßnahmen auch Unternehmen gewährt worden seien, die sich in den betroffenen Gemeinden befunden hätten, ohne dass sie jedoch aufgrund der Brände von 2007 Schäden erlitten hätten.

101    Da die Hellenische Republik somit nicht den Beweis erbracht hat, dass die beiden oben in Rn. 96 genannten Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV erfüllt sind, kann sie der Kommission nicht vorwerfen, im angefochtenen Beschluss die in diesem Artikel vorgesehene Ausnahme nicht angewandt zu haben.

102    Darüber hinaus hat der Umstand, dass die Vertreter der Union möglicherweise darauf hingewiesen haben, dass die Brände von 2007 beispiellose Ereignisse darstellten, oder auch, dass alle verfügbaren Mittel zugunsten der Geschädigten und der lokalen Wirtschaft eingesetzt werden sollten, keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses.

103    Solche Erklärungen können es nicht rechtfertigen, dass die streitigen Maßnahmen die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV nicht erfüllen, auf die insbesondere oben in Rn. 96 hingewiesen worden ist.

104    Diese Schlussfolgerung kann weder durch die angebliche Dringlichkeit, mit der die streitigen Maßnahmen von der Hellenischen Republik ergriffen werden mussten, noch durch das von den Vertretern der Organe der Union anerkannte Ausmaß der Schäden in Frage gestellt werden.

105    Insoweit und in Bezug auf die behauptete Notlage ist festzustellen, dass die Hellenische Republik nicht nachweist, dass es ihr absolut unmöglich gewesen wäre, die Höhe der tatsächlich aufgrund der Brände von 2007 erlittenen Schäden zu ermitteln. Im Übrigen stünde dies im Widerspruch zu den in der mündlichen Verhandlung bestätigten Behauptungen der Hellenischen Republik, wonach sie bei der Einreichung der Anträge auf die streitigen Maßnahmen umfassende Wirtschaftsstudien der Unternehmen, für die sie gebürgt habe, vorgenommen habe, um deren Rentabilität zu überprüfen.

106    Zum Ausmaß der Naturkatastrophe ist zunächst festzustellen, dass die Erklärungen der Unionsvertreter, die die Bedeutung der Katastrophe anerkennen oder darauf hinweisen, dass alle verfügbaren Mittel zugunsten der Geschädigten und der lokalen Wirtschaft eingesetzt werden sollten, nicht dazu führen können, dass die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV auf die streitigen Maßnahmen nicht angewandt werden.

107    Sodann ist festzustellen, dass selbst unter der Annahme, dass die Gesamtbeträge, auf die sich die Hellenische Republik beruft, der Wahrheit entsprechen – dass nämlich der gesamte Schaden mehr als zwei Mrd. Euro beträgt und dass, was den Agrarsektor betrifft, der Beihilfebetrag 154 Mio. Euro beträgt –, die Angabe dieser Beträge kein Nachweis dafür sein kann, dass der Betrag der von den Begünstigten erhaltenen Beihilfen tatsächlich der Höhe der Schäden entsprach, die sie jeweils aufgrund der Brände von 2007 erlitten haben.

108    Daraus folgt, dass die Kommission, nachdem sie im 60. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses darauf hingewiesen hat, dass Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV verlange, dass ein direkter Kausalzusammenhang zwischen den gewährten Beihilfen und den von den Begünstigten dieser Beihilfen aufgrund der betreffenden Naturkatastrophe erlittenen Schäden bestehe, ohne einen Rechtsfehler oder einen Fehler bei der Beurteilung des Sachverhalts begangen zu haben, im Wesentlichen in den Erwägungsgründen 62 bis 64 sowie 146 des angefochtenen Beschlusses die Ansicht vertreten hat, dass die Regelung zur Gewährung der streitigen Maßnahmen weder den Nachweis zugelassen habe, dass sie tatsächlich Unternehmen zugutegekommen seien, die aufgrund der Brände von 2007 Schäden erlitten hätten, noch die Annahme, dass der Betrag dieser Beihilfen der Höhe der erlittenen Schäden entsprochen habe, da die fraglichen Regelungen keinerlei Methodik für die möglichst genaue Einschätzung des durch die Brände entstandenen Schadens enthielten und auch nicht festlegten, welche Kosten ausgehend vom jeweiligen Schaden beihilfefähig gewesen seien.

109    Da schließlich die Erwägungsgründe 62 bis 64 sowie 146 des angefochtenen Beschlusses erkennen lassen, weshalb die Kommission der Ansicht war, dass die streitigen Maßnahmen den Anforderungen der Ausnahme nach Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV nicht genügten, ist der Antrag auf Feststellung des Fehlens einer Begründung für die Weigerung der Kommission, diesen Artikel auf die Umstände des vorliegenden Falles anzuwenden, zurückzuweisen.

110    Nach alledem ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen.

 Zum dritten Teil des ersten Klagegrundes und zum dritten Klagegrund

111    Mit dem dritten Teil des ersten Klagegrundes macht die Hellenische Republik eine Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes geltend.

112    Der dritte Klagegrund gliedert sich in zwei Teile.

113    Mit dem ersten Teil des dritten Klagegrundes macht die Hellenische Republik zunächst und im Wesentlichen geltend, die Befugnisse der Kommission zur Rückforderung streitiger Beihilfen stünden nicht im Einklang mit dem Ablauf der zehnjährigen Verjährungsfrist nach Art. 17 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Art. 108 AEUV (ABl. 2015, L 248, S. 9). Die Hellenische Republik führt sodann aus, die Kommission habe den angefochtenen Beschluss innerhalb einer unangemessen langen Frist erlassen und somit den Grundsatz der guten Verwaltung verletzt. Schließlich macht sie geltend, die Kommission habe es unterlassen, in der Bekanntmachung, die die Aufforderung zur Stellungnahme zur Prüfung der Beihilferegelungen enthalten habe, die Begünstigten der streitigen Maßnahmen zu identifizieren, woraus sie den Schluss zieht, dass die Kommission dadurch gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßen und die Verteidigungsrechte verletzt habe. Mit dem zweiten Teil des dritten Klagegrundes macht die Hellenische Republik geltend, die Rückforderungsanordnung verletze die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Rechtssicherheit.

114    Da sich das im dritten Teil des ersten Klagegrundes enthaltene Vorbringen zur Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes mit dem Vorbringen im ersten Teil des dritten Klagegrundes überschneidet, sind sie zusammen zu prüfen.

 Zum dritten Teil des ersten Klagegrundes und zum ersten Teil des dritten Klagegrundes

115    Zu erstens der Verjährungsfrist für die Rückforderung von Beihilfen trägt die Hellenische Republik vor, zwischen dem Erlass des streitigen Beschlusses im Jahr 2019 und der Gewährung der streitigen Beihilfen im Jahr 2007 sei eine Frist von mehr als zehn Jahren verstrichen, so dass im vorliegenden Fall die Verjährung nach Art. 17 Abs. 1 der Verordnung 2015/1589 Anwendung finde.

116    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Art. 17 Abs. 1 der Verordnung 2015/1589 bestimmt, dass die Befugnisse der Kommission zur Rückforderung von Beihilfen für eine Frist von zehn Jahren gelten. Diese Frist gilt nur im Verhältnis zwischen der Kommission und dem Mitgliedstaat, an den sich der Rückforderungsbeschluss der Kommission richtet (Urteil vom 30. April 2020, Nelson Antunes da Cunha, C‑627/18, EU:C:2020:321, Rn. 33).

117    Nach der Rechtsprechung beginnt die Verjährungsfrist zum Zeitpunkt der Gewährung der Beihilfe an den Empfänger und nicht am Tag des Erlasses einer Beihilferegelung zu laufen. Die Beihilfe gilt für die Zwecke der Berechnung der Verjährungsfrist als dem Empfänger erst zu dem Zeitpunkt gewährt, zu dem sie tatsächlich an ihn vergeben wurde (Urteil vom 8. Dezember 2011, France Télécom/Kommission, C‑81/10 P, EU:C:2011:811, Rn. 81 und 82).

118    Im vorliegenden Fall wurden die Beihilfen gemäß den in Rede stehenden Regelungen zwischen dem 27. August 2007 und dem 31. Dezember 2010 gewährt.

119    Unter diesen Umständen begann die Verjährungsfrist frühestens am 27. August 2007 zu laufen, was im Übrigen sowohl die Hellenische Republik als auch die Kommission in der mündlichen Verhandlung eingeräumt haben.

120    Was die Unterbrechung der Verjährungsfrist anbelangt, die nach Art. 17 Abs. 2 der Verordnung 2015/1589 zur Folge hat, dass eine neue Verjährungsfrist in Lauf gesetzt wird, ist festzustellen, dass nach der Rechtsprechung der betreffende Mitgliedstaat gemäß Art. 12 Abs. 2 dieser Verordnung in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 und Art. 5 Abs. 2 dieser Verordnung verpflichtet ist, auf Ersuchen der Kommission innerhalb der von ihr festgelegten Frist alle sachdienlichen Auskünfte zu erteilen. Wenn die Kommission ein Auskunftsersuchen an einen Mitgliedstaat richtet, teilt sie diesem nämlich mit, dass sie über Informationen in Bezug auf eine angeblich rechtswidrige Beihilfe verfügt und diese Beihilfe gegebenenfalls zurückgezahlt werden muss (Urteil vom 10. April 2003, Département du Loiret/Kommission, T‑369/00, EU:T:2003:114, Rn. 81).

121    Dass es sich um ein einfaches Auskunftsersuchen handelt, nimmt diesem Instrument daher nicht seine Rechtswirkung als Maßnahme, die geeignet ist, den Lauf der in Art. 17 der Verordnung 2015/1589 vorgesehenen Verjährungsfrist zu unterbrechen, unabhängig von der Mitteilung dieses Ersuchens an die Beihilfeempfänger (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. Oktober 2005, Scott/Kommission, C‑276/03 P, EU:C:2005:590, Rn. 32, und vom 10. April 2003, Département du Loiret/Kommission, T‑369/00, EU:T:2003:114, Rn. 82).

122    Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Kommission auf die Beschwerde, die bei ihr am 22. Juli 2014 einging, am 25. Juli 2014 ein Schreiben versandte, worin sie insbesondere auf den Beschluss Nr. 36579/B.1666/27.8.2007 des Ministers für Wirtschaft und Finanzen und auf den Beschluss Nr. 2/54310/0025/13.09.2007 des Staatssekretärs für Wirtschaft und Finanzen Bezug nahm. In diesem Schreiben ersuchte die Kommission die griechischen Behörden zunächst um Übermittlung aller für die Bewertung der Vereinbarkeit dieser Maßnahmen mit den Art. 107 und 108 AEUV erforderlichen Informationen, sodann um Mitteilung, ob die streitigen Maßnahmen außer Sogia Ellas auch anderen im Agrar- und Forstsektor tätigen Unternehmen zugutegekommen seien, und schließlich gegebenenfalls um Mitteilung der Höhe der gezahlten Beihilfen.

123    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Gegenstand der Untersuchung entgegen den Andeutungen der Hellenischen Republik im Lauf des Untersuchungsverfahrens nicht geändert wurde.

124    In diesem Schreiben vom 25. Juli 2014 ging es um die beiden oben in Rn. 122 genannten Beschlüsse, die sowohl in der Aufforderung zur Stellungnahme nach Art. 108 Abs. 2 AEUV als auch im angefochtenen Beschluss nochmals erwähnt wurden. Außerdem wurde die Liste der Adressaten der streitigen Maßnahmen niemals auf Sogia Ellas beschränkt, da die Kommission die Hellenische Republik bereits im verfahrenseinleitenden Schreiben gefragt hat, ob diese Maßnahmen auch anderen Unternehmen zugutegekommen seien, und in der Aufforderung zur Stellungnahme nach Art. 108 Abs. 2 AEUV auf andere mögliche Begünstigte im Agrar- und Forstsektor Bezug genommen wurde.

125    Da die in Art. 17 Abs. 1 der Verordnung 2015/1589 vorgesehene Verjährungsfrist jedenfalls, wie oben in Rn. 116 ausgeführt, nur im Verhältnis zwischen der Kommission und dem Mitgliedstaat, an den sich der Rückforderungsbeschluss der Kommission richtet, gilt, ist das Vorbringen der Hellenischen Republik, dass die Befugnis der Kommission zur Rückforderung der Beihilfen in Bezug auf andere Unternehmen als Sogia Ellas verjährt sei, als ins Leere gehend zurückzuweisen.

126    Daraus folgt, dass das Schreiben vom 25. Juli 2014, mit dem die Kommission ein Auskunftsersuchen an die Hellenische Republik richtete und ihr mitteilte, dass sie im Besitz von Informationen über eine rechtswidrige Beihilfe sei und dass diese Beihilfe gegebenenfalls zurückgezahlt werden müsse, den Lauf der in Art. 17 Abs. 1 der Verordnung 2015/1589 vorgesehenen Verjährungsfrist unterbrochen hat.

127    Im Übrigen ist angesichts der Tatsache, dass die Unterbrechung der Verjährungsfrist am 25. Juli 2014 erfolgte, festzustellen, dass die Befugnisse der Kommission zur Rückforderung der Beihilfe zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses, d. h. am 7. Oktober 2019, nicht verjährt waren.

128    Zu dem Vorbringen der Hellenischen Republik, dass der Umstand, dass die Unterbrechung der Verjährungsfrist dazu führe, dass eine neue Verjährungsfrist von zehn Jahren in Lauf gesetzt werde, es der Kommission ermögliche, das Verfahren unbegrenzt fortzusetzen, genügt der Hinweis, dass zum einen die Kommission im vorliegenden Fall das Verfahren nicht unbegrenzt fortgesetzt hat und dass zum anderen die Hellenische Republik die Rechtswidrigkeit von Art. 17 Abs. 2 der Verordnung 2015/1589 nicht im Wege einer Einrede geltend gemacht hat.

129    Folglich ist das Vorbringen der Hellenischen Republik zur fehlenden Befugnis der Kommission, die streitigen Beihilfen zurückzufordern, weil die Verjährungsfrist nach Art. 17 Abs. 1 der Verordnung 2015/1589 abgelaufen sei, zurückzuweisen.

130    Zu zweitens dem Vorbringen der Hellenischen Republik, dass der angefochtene Beschluss innerhalb einer unangemessen langen Frist erlassen worden sei, was eine Verletzung des Grundsatzes der guten Verwaltung darstelle, ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung dann, wenn eine Beihilfe ohne Anmeldung gewährt worden ist, der Umstand, dass die Kommission über einen längeren Zeitraum ihre Kontrollbefugnisse nicht ausgeübt und die Rückforderung dieser Beihilfe nicht angeordnet hat, nur in Ausnahmefällen, in denen eine offensichtliche Untätigkeit der Kommission und eine offenkundige Verletzung ihrer Sorgfaltspflicht erkennbar sind, zur Rechtswidrigkeit dieser Rückforderungsentscheidung führt (Urteil vom 22. April 2008, Kommission/Salzgitter, C‑408/04 P, EU:C:2008:236, Rn. 106).

131    Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Dauer des Verfahrens vor Erlass des angefochtenen Beschlusses im Wesentlichen darauf zurückzuführen ist, dass die Hellenische Republik diese Regelungen nicht angemeldet hat und dass ihr Bestehen der Kommission erst sieben Jahre nach den Bränden von 2007 zur Kenntnis gebracht wurde.

132    Insoweit ist festzustellen, dass die Kommission, nachdem sie am 22. Juli 2014 ein Beschwerdeschreiben erhalten hatte, das Untersuchungsverfahren einleitete und am 25. Juli 2014 ein Schreiben an die griechischen Behörden richtete, um sich über die mutmaßliche Beihilfe zu erkundigen.

133    Sodann erließ die Kommission nach einem Schriftwechsel mit der Hellenischen Republik, der zuletzt am 11. Februar 2016 stattfand, am 17. Mai 2016 den Beschluss über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens.

134    Schließlich erließ die Kommission nach einem Schriftwechsel mit der Hellenischen Republik, der zuletzt am 21. Februar 2018 stattfand, am 7. Oktober 2019 den angefochtenen Beschluss.

135    Zwar ist der letzte Abschnitt des Verfahrens, der dem Erlass des angefochtenen Beschlusses vorausgeht, nicht durch eine besondere Schnelligkeit gekennzeichnet, allerdings kann der Kommission angesichts der zeitlichen Abfolge der Ereignisse zwischen 2014 und dem Erlass des angefochtenen Beschlusses keine übermäßige Verzögerung oder mangelnde Sorgfalt im Ablauf des Verwaltungsverfahrens vorgeworfen werden, die eine Verletzung der Sorgfaltspflicht darstellen würde.

136    Folglich ist das Vorbringen zur Überschreitung einer angemessenen Frist und damit zu einer Verletzung des Grundsatzes der guten Verwaltung zurückzuweisen.

137    Was drittens das Vorbringen betrifft, dass durch die von der Kommission veröffentlichte Bekanntmachung, die die Aufforderung zur Stellungnahme zur Prüfung der fraglichen Beihilferegelungen enthalten habe, der falsche Eindruck entstanden sei, dass es nur um die Beihilfen gehe, die Sogia Ellas gewährt worden seien, und dass dieses Organ daher den Grundsatz der Rechtssicherheit sowie die Verteidigungsrechte verletzt habe, ist festzustellen, dass die Kommission nach Art. 108 Abs. 2 AEUV ihre Entscheidung trifft, „nachdem sie den Beteiligten eine Frist zur Äußerung gesetzt hat“. Nach Art. 6 Abs. 1 der Verordnung 2015/1589 werden in dem Beschluss über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens der betreffende Mitgliedstaat und die anderen Beteiligten zu einer Stellungnahme innerhalb einer Frist von normalerweise höchstens einem Monat aufgefordert.

138    Aus der Rechtsprechung zu Art. 108 Abs. 2 AEUV ergibt sich, dass diese Vorschrift keine individuelle Aufforderung verlangt und die Kommission lediglich dazu verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass alle potenziell Betroffenen über die Einleitung eines Verfahrens unterrichtet werden und Gelegenheit erhalten, dazu Stellung zu nehmen. Die Veröffentlichung einer Mitteilung im Amtsblatt ist unter diesen Umständen ein angemessenes und ausreichendes Mittel zur Unterrichtung aller Beteiligten über die Einleitung eines Verfahrens (vgl. Urteil vom 9. April 2014, Griechenland/Kommission, T‑150/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:191, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).

139    In diesem Zusammenhang, d. h. um festzustellen, ob davon auszugehen ist, dass die Empfänger der zurückzufordernden Beihilfe tatsächlich aufgefordert wurden, im Rahmen des Verwaltungsverfahrens ihre Stellungnahmen abzugeben, ist das Vorbringen der Hellenischen Republik zu prüfen, wonach der angefochtene Beschluss den Grundsatz der Rechtssicherheit, die Verteidigungsrechte und den Grundsatz der guten Verwaltung verletze, da die im Amtsblatt veröffentlichte Bekanntmachung den falschen Eindruck erwecke, dass nur Sogia Ellas Begünstigte der angeblichen Beihilferegelungen sei.

140    Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Hellenische Republik nicht geltend macht, dass der Beschluss über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens selbst diesen falschen Eindruck erwecke. In ihrer Argumentation beschränkt sich die Hellenische Republik darauf, die im Amtsblatt zusammen mit diesem Beschluss veröffentlichte Bekanntmachung zu kritisieren.

141    Sodann trifft es zwar zu, dass in der Überschrift der Bekanntmachung von einer „Beihilfe an Sogia Ellas SA“ die Rede ist und dass in der griechischen Fassung in lateinischer Schrift „et al.“ hinzugefügt ist, so dass diese Überschrift, wie die Hellenische Republik geltend macht, tatsächlich den Eindruck hervorrufen könnte, dass die geprüfte Beihilfe nur Sogia Ellas betrifft.

142    Aus Abs. 1 der Zusammenfassung, die Teil der Bekanntmachung ist, ergibt sich jedoch, dass die Kommission aufgrund der vorläufigen Prüfung zu dem Ergebnis gelangt ist, dass „Beihilfen auch an andere Begünstigte im Agrar- und Forstsektor hätten gewährt werden können“. In Abs. 2 dieser Zusammenfassung werden die Rechtsgrundlagen der Beihilferegelungen angeführt und wird darauf hingewiesen, dass die Beihilfen Unternehmen gewährt worden seien, die in den durch die Brände von 2007 geschädigten Gebieten ansässig und tätig seien.

143    Da die Bekanntmachung einschließlich der in ihr enthaltenen Zusammenfassung nur zwei Seiten umfasst, kann von einem sorgfältigen Wirtschaftsteilnehmer vernünftigerweise verlangt werden, dass er ein solches Dokument genau durchliest, das unter Bezugnahme auf die oben in Rn. 142 genannten Gesichtspunkte deutlich macht, dass die Aufforderung zur Stellungnahme nicht nur auf Sogia Ellas beschränkt war, sondern sich auf alle in den geschädigten Gebietskörperschaften ansässigen Erzeuger erstreckte, die diese Beihilfen erhalten hatten.

144    Unter diesen Umständen ist der Schluss zu ziehen, dass nach der oben in Rn. 138 angeführten Rechtsprechung ein sorgfältiger Wirtschaftsteilnehmer, der in den Genuss der in Rede stehenden Beihilferegelungen gekommen ist, durch die mit dem Beschluss über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens im Amtsblatt veröffentlichte Bekanntmachung hinreichend informiert war, um sich als Beteiligter im Sinne dieses Beschlusses anzusehen.

145    In der mündlichen Verhandlung hat die Hellenische Republik im Übrigen den Inhalt des 103. Erwägungsgrundes des angefochtenen Beschlusses bestätigt, da sie ausgeführt hat, dass sie angesichts der Schwierigkeiten, „Begünstigte im Agrar- und Forstsektor“ zu identifizieren, davon ausgegangen sei, dass die Veröffentlichung des Beschlusses über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens ausreiche, um die betroffenen Unternehmen zu unterrichten.

146    Daraus folgt, dass das Vorbringen zurückzuweisen ist, dass durch die von der Kommission veröffentlichte Bekanntmachung, die die Aufforderung zur Stellungnahme zur Prüfung der fraglichen Beihilferegelungen enthalten habe, der falsche Eindruck entstanden sei, dass nur die Sogia Ellas gewährten Beihilfen betroffen seien, und dass dieses Organ daher den Grundsatz der Rechtssicherheit sowie die Verteidigungsrechte verletzt habe.

147    Was viertens und letztens das Vorbringen der Hellenischen Republik angeht, dass sowohl sie als auch die Begünstigten ein berechtigtes Vertrauen darauf gehabt hätten, dass die streitigen Beihilfen keine unvereinbaren staatlichen Beihilfen seien, da die Kommission während eines langen Zeitraums keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Beihilfen geäußert habe, obwohl sie Kenntnis von der durch die Brände von 2007 verursachten Situation gehabt habe, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung das Recht, sich auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes zu berufen, voraussetzt, dass die zuständigen Unionsbehörden dem Betroffenen klare, unbedingte und übereinstimmende, aus befugten und zuverlässigen Quellen stammende Zusicherungen erteilt haben (vgl. Urteil vom 13. Juli 2018, Quadri di Cardano/Kommission, T‑273/17, EU:T:2018:480, Rn. 109 und die dort angeführte Rechtsprechung).

148    Außerdem steht fest, dass sich ein Mitgliedstaat, dessen Behörden eine Beihilfe unter Verletzung des Verfahrens des Art. 108 AEUV gewährt haben, nicht unter Berufung auf das berechtigte Vertrauen der Begünstigten der Verpflichtung entziehen kann, Maßnahmen zur Durchführung einer Entscheidung der Kommission zu ergreifen, die die Rückforderung dieser Beihilfe anordnet. Andernfalls wäre den Art. 107 und 108 AEUV insoweit jede praktische Wirksamkeit genommen, als sich die nationalen Behörden auf ihr eigenes rechtswidriges Verhalten stützen könnten, um Entscheidungen der Kommission nach diesen Vertragsbestimmungen ihrer Wirkung zu berauben (vgl. Urteil vom 19. Juni 2008, Kommission/Deutschland, C‑39/06, nicht veröffentlicht, EU:C:2008:349, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

149    Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass die von der Hellenischen Republik angeführten Äußerungen verschiedener Unionsvertreter, die im Wesentlichen auf den Ausnahmecharakter der Brände und ihre Folgen sowie ihren Willen hinweisen, alle verfügbaren Mittel zugunsten der Geschädigten und der lokalen Wirtschaft einzusetzen, nicht als „klare, unbedingte und übereinstimmende Zusicherungen“ angesehen werden können, aus denen sich ableiten ließe, dass die streitigen Maßnahmen nicht als staatliche Beihilfen eingestuft werden können.

150    Abgesehen davon, dass der Kommission aus den oben in den Rn. 130 bis 136 dargelegten Gründen nicht vorgeworfen werden kann, den angefochtenen Beschluss innerhalb einer unangemessen langen Frist erlassen zu haben, steht fest, dass die Hellenische Republik die in Rede stehenden Beihilferegelungen nicht rechtzeitig angemeldet hat, so dass sie sich aus den oben in Rn. 147 und 148 genannten Gründen nicht auf eine Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes berufen kann.

151    Folglich ist das Vorbringen zur Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes zurückzuweisen.

152    Mithin sind der dritte Teil des ersten Klagegrundes, mit dem eine Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes gerügt wird, sowie der erste Teil des dritten Klagegrundes, mit dem die fehlende Zuständigkeit in zeitlicher Hinsicht, eine Verletzung der Grundsätze der guten Verwaltung und der Rechtssicherheit sowie eine Verletzung der Verteidigungsrechte geltend gemacht werden, zurückzuweisen.

 Zum zweiten Teil des dritten Klagegrundes

153    Mit dem zweiten Teil des dritten Klagegrundes macht die Hellenische Republik geltend, dass die in Art. 2 des angefochtenen Beschlusses festgelegte Verpflichtung zur Rückforderung der Beihilfe die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Rechtssicherheit verletze.

154    Insoweit macht die Hellenische Republik geltend, die außergewöhnlichen Umstände, unter denen die streitigen Maßnahmen erfolgt seien, führten dazu, dass die in Rede stehenden Beihilfen nicht zurückzufordern seien.

155    Erstens hätten die fraglichen Beihilferegelungen keine „Vorteile“ verschafft und nur bezweckt, das Überleben des betreffenden Marktes zu gewährleisten.

156    Zweitens sei der Umstand, dass die Beihilfen nur im Agrarsektor zurückzufordern seien, geeignet, ein Ungleichgewicht zulasten dieses Sektors zu erzeugen, obwohl das für Landwirtschaft zuständige Mitglied der Kommission verkündet habe, dass dieser Sektor Gegenstand einer verstärkten Unterstützung durch die Kommission sein werde.

157    Die Kommission tritt dem gesamten Vorbringen der Hellenischen Republik entgegen.

158    Es ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission nach Art. 16 Abs. 1 der Verordnung 2015/1589 in Negativbeschlüssen hinsichtlich rechtswidriger Beihilfen entscheidet, dass der betreffende Mitgliedstaat alle notwendigen Maßnahmen ergreift, um die Beihilfe vom Empfänger zurückzufordern, es sei denn, die Rückforderung der Beihilfe würde gegen einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts verstoßen.

159    Zudem ist nach ständiger Rechtsprechung die Beseitigung einer rechtswidrigen Beihilfe im Wege der Rückforderung die logische Folge der Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit und ist die Verpflichtung des Staates, eine von der Kommission als mit dem Binnenmarkt unvereinbar angesehene Beihilfe zurückzunehmen, auf die Wiederherstellung der vorherigen Situation gerichtet (vgl. Urteil vom 14. Februar 2008, Kommission/Griechenland, C‑419/06, nicht veröffentlicht, EU:C:2008:89, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).

160    Durch diese Rückzahlung verliert nämlich der Begünstigte den Vorteil, den er auf dem Binnenmarkt gegenüber seinen Konkurrenten besaß, und die vor der Zahlung der Beihilfe bestehende Lage wird wiederhergestellt (vgl. Urteil vom 14. Februar 2008, Kommission/Griechenland, C‑419/06, nicht veröffentlicht, EU:C:2008:89, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).

161    Somit kann die Rückforderung einer zu Unrecht gewährten staatlichen Beihilfe zwecks Wiederherstellung der Lage vor dieser Gewährung grundsätzlich nicht als eine Maßnahme betrachtet werden, die außer Verhältnis zu den Zielen der einschlägigen Vertragsbestimmungen stünde (vgl. Urteil vom 14. Februar 2008, Kommission/Griechenland, C‑419/06, nicht veröffentlicht, EU:C:2008:89, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

162    Im vorliegenden Fall stellen die streitigen Maßnahmen erstens, wie oben in den Rn. 41 bis 51 entschieden worden ist, einen Vorteil für diejenigen dar, die sie erhalten haben, auch wenn sie nach dem Eintritt außergewöhnlicher Umstände, die durch eine Naturkatastrophe gekennzeichnet sind, gezahlt wurden, und verstößt die Rückforderung der Beihilfe, wie insbesondere oben in den Rn. 136 und 151 festgestellt worden ist, nicht gegen einen allgemeinen Rechtsgrundsatz.

163    Da zweitens die Tragweite des angefochtenen Beschlusses ausdrücklich auf den Agrar- und Forstsektor begrenzt ist und die Hellenische Republik nicht geltend gemacht hat, dass die Kommission sie auf andere Sektoren der Wirtschaft hätte ausweiten müssen und solche Beihilfen auch nicht angemeldet hat, kann sie der Kommission nicht vorwerfen, die Rückforderung der Beihilfen nur von den im angefochtenen Beschluss identifizierten Begünstigten angeordnet zu haben.

164    Schließlich trifft es zu, dass das für Landwirtschaft zuständige Mitglied der Kommission die griechische Delegation im Ministerrat vom 26. September 2007 über die verschiedenen verfügbaren Instrumente (staatliche Beihilfen, Regionalbeihilfen, ländliche Entwicklung) in Kenntnis gesetzt und u. a. darauf hingewiesen hat, dass die für die Betriebsprämie in Frage kommenden landwirtschaftlichen Flächen weiterhin in Betracht kämen.

165    Da jedoch solche Erklärungen, auch wenn sie die Brände von 2007 betreffen, in keinem Zusammenhang mit der Frage stehen, ob die Rückforderungsanordnung als rechtmäßig zu beurteilen ist, können sie das diesbezügliche Vorbringen der Hellenischen Republik nicht mit Erfolg stützen.

166    Nach alledem sind der dritte Teil des ersten Klagegrundes und der dritte Klagegrund zurückzuweisen und ist folglich die Klage insgesamt abzuweisen.

 Kosten

167    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Hellenische Republik unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Hellenische Republik trägt die Kosten.

Kanninen

Półtorak

Porchia

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 19. Oktober 2022.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Griechisch.