Language of document : ECLI:EU:T:2013:141

URTEIL DES GERICHTS (Erste Kammer)

20. März 2013(*)

„Öffentliche Lieferaufträge – Euratom – Ausschreibungsverfahren des gemeinsamen Unternehmens Fusion for Energy – Lieferung von elektrischer Ausrüstung – Ablehnung des Angebots eines Bieters – Offenes Verfahren – Angebot unter Vorbehalten – Rechtssicherheit – Berechtigtes Vertrauen – Verhältnismäßigkeit – Interessenkonflikt – Vergabeentscheidung – Klage auf Nichtigerklärung – Fehlende unmittelbare Betroffenheit – Unzulässigkeit – Außervertragliche Haftung“

In der Rechtssache T‑415/10

Nexans France mit Sitz in Paris (Frankreich), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte J.‑P. Tran Thiet, J.-F. Le Corre und M. Pigeat,

Klägerin,

gegen

Europäisches gemeinsames Unternehmen für den ITER und die Entwicklung der Fusionsenergie mit Sitz in Barcelona (Spanien), vertreten durch A. Verpont als Bevollmächtigten im Beistand von C. Kennedy-Loest und C. Thomas, Solicitors, Rechtsanwälte J. Derenne und N. Pourbaix sowie M. Farley, Solicitor,

Beklagter,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung, das Angebot der Klägerin abzulehnen, und der Entscheidung, den Auftrag an einen anderen Bieter zu vergeben, sowie auf Schadensersatz

erlässt

DAS GERICHT (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten J. Azizi sowie des Richters S. Frimodt Nielsen (Berichterstatter) und der Richterin M. Kancheva,

Kanzler: J. Plingers, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. November 2012

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1.     Darstellung des gemeinsamen Unternehmens

1        Am 21. November 2006 schlossen die Europäische Atomgemeinschaft (Euratom), die Volksrepublik China, die Republik Indien, Japan, die Republik Korea, die Russische Föderation und die Vereinigten Staaten von Amerika das Übereinkommen über die Gründung der Internationalen ITER-Fusionsenergieorganisation für die gemeinsame Durchführung des ITER-Projekts (ABl. 2006, L 358, S. 62).

2        Mit der Entscheidung 2007/198/Euratom vom 27. März 2007 über die Errichtung des europäischen gemeinsamen Unternehmens für den ITER und die Entwicklung der Fusionsenergie sowie die Gewährung von Vergünstigungen dafür (ABl. L 90, S. 58) schuf der Rat der Europäischen Union ein gemeinsames Unternehmen im Sinne von Art. 45 EA, genannt „Europäisches gemeinsames Unternehmen für den ITER und die Entwicklung der Fusionsenergie (Fusion for Energy)“ (im Folgenden: gemeinsames Unternehmen).

3        Nach Art. 1 der Entscheidung 2007/198 hat das gemeinsame Unternehmen folgende Aufgaben: Leistung des Beitrags der Euratom an die Internationale ITER-Fusionsenergieorganisation (Art. 1 Abs. 2 Buchst. a), Leistung des Euratom-Beitrags zu gemeinsamen Tätigkeiten mit Japan im Rahmen des „breiter angelegten Konzepts“ zur schnellen Nutzung der Fusionsenergie (Art. 1 Abs. 2 Buchst. b) sowie Vorbereitung und Koordinierung eines Maßnahmenprogramms in Vorbereitung des Baus eines Fusionsreaktors zu Demonstrationszwecken mit den zugehörigen Einrichtungen (Art. 1 Abs. 2 Buchst. c). Zu den Aufgaben des gemeinsamen Unternehmens gehört insbesondere die Durchführung, auf Antrag der Internationalen ITER-Organisation, von Vergabeverfahren für die Bereitstellung der für den europäischen Beitrag zum ITER-Projekt erforderlichen Ausrüstung und Dienstleistungen sowie die Lieferung bestimmter Bauteile für den japanischen Versuchsreaktor für die Kernfusion JT‑60SA im Rahmen eines besonderen Übereinkommens zwischen der Euratom und Japan (im Folgenden: JT‑60SA-Projekt).

4        Nach Art. 5 der Entscheidung 2007/198 hat das gemeinsame Unternehmen eine eigene Finanzordnung, die auf den Grundsätzen der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates vom 25. Juni 2002 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 248, S. 1) beruht, von der es aber vorbehaltlich einer vorherigen Konsultation mit der Kommission der Europäischen Gemeinschaften abweichen kann, sofern dies aufgrund besonderer betrieblicher Erfordernisse des gemeinsamen Unternehmens erforderlich ist.

5        Mit zwei Entscheidungen vom 22. Oktober 2007, geändert am 18. Dezember 2007, erließ der Vorstand des gemeinsamen Unternehmens seine Finanzordnung (im Folgenden: Finanzordnung des gemeinsamen Unternehmens) samt Durchführungsbestimmungen (im Folgenden: Durchführungsbestimmungen).

2.     Vergabeverfahren

6        In den Jahren 2007, 2008 und 2009 schloss das gemeinsame Unternehmen Lieferverträge mit der Internationalen ITER-Organisation. Gemäß diesen Verträgen verpflichtete sich das gemeinsame Unternehmen u. a. zur Lieferung bestimmter für die Entwicklung der Projekte ITER und JT‑60SA erforderlicher Supraleiter.

7        Gleichzeitig mit diesen Verträgen schloss das gemeinsame Unternehmen mit der am ITER-Projekt teilnehmenden russischen Mitgliedsstelle einen Vertrag über die Durchführung der Käufe, nach dessen Bestimmungen die russische Mitgliedsstelle die für die Herstellung von Supraleitern für poloidale Feldspulen (im Folgenden: PF‑Leiter) erforderlichen Kabel zu liefern hatte, die Gegenstand des Beitrags des gemeinsamen Unternehmens zum ITER-Projekt sein sollten, während das gemeinsame Unternehmen die Ummantelung der PF‑Leiter übernehmen würde, die Gegenstand des russischen Beitrags zum ITER-Projekt sein sollten.

8        Am 6. August 2009 veröffentlichte das gemeinsame Unternehmen die Bekanntmachung F4E-2009-OPE-018 über die Vergabe eines Lieferauftrags im Rahmen eines offenen Verfahrens (im Folgenden: Auftrag) betreffend den Kauf zum einen von PF‑Leitern und zum anderen von Supraleitern für toroidale Feldspulen (im Folgenden: TF‑Leiter) im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union (ABl. 2009/S 149-218279).

9        Gegenstand des Auftrags war erstens die Verkabelung und Ummantelung der TF‑Leiter, die von der Euratom an das ITER-Projekt geliefert werden sollten, zweitens die Ummantelung der PF‑Leiter, die von der Euratom und der Russischen Föderation an das ITER-Projekt geliefert werden sollten, und drittens die Verkabelung und Ummantelung derjenigen TF‑Leiter, die von der Französischen Republik und der Italienischen Republik für die Euratom an das Projekt JT‑60SA geliefert werden sollten.

10      Nach der Auftragsbekanntmachung handelte es sich um ein offenes Verfahren, das der Finanzordnung des gemeinsamen Unternehmens sowie den Durchführungsbestimmungen unterlag.

11      Die Ausschreibungsunterlagen umfassten ein Lastenheft und 18 Anhänge, darunter die „Verwaltungsspezifikationen“ (Anhang A, im Folgenden: Verwaltungsspezifikationen), die „technischen Spezifikationen für die Lieferung von TF‑ und PF‑Leitern“ (Anhang B, im Folgenden: technische Spezifikationen) und ein Vertragsmuster (Anhang 1, im Folgenden: Mustervertrag). Die technischen Spezifikationen umfassten u. a. einen Lieferplan.

12      Nach Punkt 3.1 des Lastenhefts waren die verschiedenen Leiter, die Gegenstand der Auftrags waren, gemäß dem in Abschnitt 3 der technischen Spezifikationen angeführten Zeitplan zu liefern. Nach Punkt 3.2 des Lastenhefts mussten die Lieferungen den Bestimmungen des Mustervertrags, den Verwaltungsspezifikationen und den technischen Spezifikationen entsprechen.

13      Punkt 4.1 („Allgemeine Geschäftsbedingungen“) des Lastenhefts lautete wie folgt:

„Die Einreichung eines Angebots impliziert die Annahme sämtlicher Bestimmungen des Mustervertrags und seiner Anhänge, einschließlich der [technischen Spezifikationen] und der [Verwaltungsspezifikationen] sowie den Verzicht des Bieters auf seine eigenen allgemeinen oder besonderen Geschäftsbedingungen.

[Das gemeinsame Unternehmen] kann insoweit jeden Vorbehalt und jede Haftungsausschlussklausel, die im Angebot enthalten sind, unberücksichtigt lassen und behält sich das Recht vor, solche Angebote abzulehnen, ohne die Gründe, die sie mit dem Lastenheft unvereinbar machen, im Einzelnen bewerten zu müssen.

Dieser Abschnitt definiert die Voraussetzungen, die für die Abgabe der Angebote gelten, d. h. die Voraussetzungen, die die Bieter bei der Vorbereitung und der Einreichung ihres Angebots zu erfüllen haben, um die Annahme dieser Angebote zu ermöglichen und ein gutes Verständnis und eine richtige Beurteilung der übermittelten Informationen durch die Bewerter zu erleichtern.

Die Angebote haben deutlich und knapp gefasst zu sein. Sie müssen gut lesbar sein und keinen Zweifel über den Sinn der Begriffe und der Zahlenangaben zulassen. Da die Bieter ausschließlich aufgrund des Inhalts ihres schriftlichen Angebots beurteilt werden, müssen sie klar erkennen lassen, dass sie in der Lage sind, den in den [technischen Spezifikationen] und den [Verwaltungsspezifikationen] enthaltenen Anforderungen zu genügen und die geforderten Arbeiten ausführen zu können.

Die Angebote haben gemäß dem vorliegenden Lastenheft verfasst zu sein und die Formulare im Anhang zu verwenden.

Die Angebote müssen von dem oder den berechtigten Vertretern des Bieters unterschrieben sein. Ausgaben für die Vorbereitung und Einreichung des Angebots werden [vom gemeinsamen Unternehmen] nicht erstattet.

Es werden keine Auskünfte zum Stand der Angebotsbewertung erteilt.

Die Erfüllung der Ausschreibungsbedingungen und/oder die Einleitung eines Ausschreibungsverfahrens verpflichtet [das gemeinsame Unternehmen] nicht zur Auftragsvergabe. [Das gemeinsame Unternehmen] ist nicht verpflichtet, Bieter, die nicht berücksichtigt wurden, zu entschädigen, selbst wenn es entscheiden sollte, den Auftrag nicht zu vergeben.“

14      Punkt 6 („Vertragliche Bestimmungen“) des Lastenhefts stellte außerdem klar, dass für das Verfahren der in Anhang 1 enthaltene Mustervertrag galt und dessen Bestimmungen Bestandteil des Lastenhefts waren.

15      Punkt 13.1.1 des Lastenhefts sah vor, dass die in den Angeboten enthaltenen technischen Informationen den Verwaltungsspezifikationen und den technischen Spezifikationen entsprechen mussten. In diesem Punkt wurde außerdem auf Folgendes hingewiesen:

„Hinsichtlich der oben genannten Unterlagen führt das vollständige oder teilweise Fehlen wesentlicher Angaben oder die Unvereinbarkeit des Angebots mit den Mindestanforderungen der [Verwaltungsspezifikationen] und der [technischen Spezifikationen] zur Ablehnung des Angebots. Der Bieter wird daher aufgefordert, die fraglichen Spezifikationen genau zu lesen, in seinem Angebot alle erforderlichen Angaben zu machen und alle zusätzlichen Umstände anzugeben, die die Prüfung des Angebots durch das [gemeinsame Unternehmen] erleichtern können.“

16      Nach Punkt 3 der technischen Spezifikationen bestimmte ein Lieferplan, in Monaten nach Inkrafttreten des Mustervertrags, den Zeitpunkt, zu dem die verschiedenen Arten von Leitern vom Vertragspartner an das gemeinsame Unternehmen geliefert werden mussten.

17      Die Klägerin, Nexans France, reichte am 23. Oktober 2009 ein Angebot (im Folgenden: Angebot) ein. Dieses umfasste einen Anhang C 1 („Liste der wichtigsten Änderungen des Mustervertrags, die zur Neuformulierung bestimmter Klauseln führen“), in dem mehrere Änderungen des Mustervertrags (im Folgenden: Vorbehalte) vorgeschlagen wurden. Die Vorbehalte betrafen insbesondere folgende Vertragsbestimmungen: Erstens wollte die Klägerin das Inkrafttreten des Vertrags von der Leistung einer Vorauszahlung durch das gemeinsame Unternehmen sowie von der Erteilung einer Baugenehmigung für ihr Werk in Cortaillod (Schweiz) abhängig machen; zweitens wollte die Klägerin jede Haftung bei Problemen ausschließen, die auf das vom gemeinsamen Unternehmen festgelegte Design der Kabel zurückzuführen waren oder die durch vom gemeinsamen Unternehmen gelieferte Zwischenprodukte oder von der Klägerin selbst hergestellte, aber vom gemeinsamen Unternehmen bearbeitete Produkte verursacht wurden; drittens wollte die Klägerin den Lieferplan in Frage stellen; sie legte einen anderen Plan vor, nach dem die erste Lieferung um zwölf Monate und die letzte Lieferung um einen Monat verschoben werden sollte, d. h. die letzte vertragliche Lieferung sollte nach 55 statt 54 Monaten erfolgen; viertens verlangte die Klägerin, dass die Vertragsstrafen bei Nichterfüllung auf der Grundlage des Wertes der nicht rechtzeitig gelieferten Produkte und nicht des gesamten Auftragswerts berechnet würden und die Höhe der Vertragsstrafe 1 % pro Woche bis zu einer Obergrenze von 15 % der nicht rechtzeitig gelieferten Produkte und 10 % des gesamten Auftragswerts betrage; fünftens wollte die Klägerin die Vertragsbestimmungen über das Verschieben von Lieferterminen, die Teilzahlungsregelung, die Garantiedauer für ihre Produkte, den Höchstbetrag ihrer Haftung und den Fixpreisgrundsatz in Frage stellen; sechstens forderte die Klägerin das Recht, im Fall technischer Schwierigkeiten kostenlos Zugang zu einer neuen Technologie zu erhalten, die ihr das gemeinsame Unternehmen zur Verfügung stellen sollte, anderenfalls das Recht zur einseitigen Auflösung des Vertrags; siebtens wollte die Klägerin weiter gehende Rechte des geistigen Eigentums zuerkannt haben als die nach dem Mustervertrag vorgesehenen; achtens wollte die Klägerin, dass ihr ein einseitiges entschädigungsloses Auflösungsrecht für den Fall zuerkannt wird, dass das gemeinsame Unternehmen Zahlungen nicht fristgerecht leistet, ihre Zahlungsanforderungen bestreitet oder sie nicht in der Lage ist, die angeforderten Leiter gemäß den technischen Spezifikationen des gemeinsamen Unternehmens herzustellen; schließlich äußerte die Klägerin neuntens einen Vorbehalt zu Art. II.26 des Mustervertrags, dessen Wortlaut unvollständig ist.

18      Mit Schreiben vom 19. November 2009 forderte ein Mitglied der Abteilung für Verträge und öffentliche Aufträge des gemeinsamen Unternehmens, Frau R., die Klägerin auf, Klarstellungen zum Angebot zu machen. Frau R. wies die Klägerin auf Punkt 4.1 des Lastenhefts hin (siehe oben, Randnr. 13) und forderte sie außerdem auf, ein unterschriebenes Exemplar des Mustervertrags vorzulegen und die Annahme aller Vertragsbestimmungen zu bestätigen. Punkt A dieses Schreibens schloss mit den folgenden zwei Absätzen:

„Können Sie bestätigen, dass Sie die Bestimmungen des Mustervertrags und seiner Anhänge akzeptieren? Wenn dies der Fall ist, können Sie bestätigen, dass die [Vorbehalte] bloße Hinweise und keine Vertragsbestimmungen sind? Können Sie ein auf jeder Seite paraphiertes und von einer dazu berechtigten Person Ihres Unternehmens unterzeichnetes Exemplar des Mustervertrags übermitteln?

Wenn Sie nicht bestätigen, dass Sie die Vertragsbestimmungen akzeptieren, wird [das Angebot] ohne weitere Prüfung abgelehnt.“

19      Im Originalschreiben an die Klägerin waren die Worte „ohne weitere Prüfung abgelehnt“ unterstrichen.

20      Das Schreiben von Frau R. umfasste auch einen Punkt B („Ausschlusskriterien“) und einen Punkt C („Technische und fachliche Leistungsfähigkeit“). Die Fragen in diesen beiden Punkten des Schreibens wurden durch folgende fett gedruckte Passage eingeleitet:

„Vorbehaltlich der Bestätigung, dass Sie die Vertragsbestimmungen wie oben ausgeführt akzeptieren, beantworten Sie bitte folgende Fragen …“

21      Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Klägerin, Herr B., antwortete darauf mit Schreiben vom 26. November 2009. Darin vertrat er die Auffassung, dass die Vorbehalte zu berücksichtigen seien und als Grundlage für die Verhandlungen zwischen der Klägerin und dem gemeinsamen Unternehmen zu dienen hätten, da die finanziellen Bedingungen des Angebots nach Maßgabe dieser Vorbehalte festgelegt worden seien. Er habe einem am 23. November 2009 geführten Telefongespräch entnommen, dass das gemeinsame Unternehmen die Annahme des Mustervertrags als Vorbedingung für die Prüfung des Angebots ansehe. Punkt 4.1 des Lastenhefts (siehe oben, Randnr. 13) enthalte jedoch keine zwingende Regelung, sondern räume dem gemeinsamen Unternehmen einen Ermessensspielraum ein. Er fordere dieses daher auf, seine Auslegung von Punkt 4.1 des Lastenhefts zu überdenken und das Angebot unter Berücksichtigung der Vorbehalte anzunehmen. Außerdem nannte er die Gründe, die das Äußern dieser Vorbehalte rechtfertigten. Dem Schreiben waren auch die Antworten der Klägerin auf die Fragen in den Punkten B und C des Schreibens vom 19. November 2009 beigefügt (siehe oben, Randnr. 20).

22      Während und nach diesem Schriftwechsel fanden telefonische Kontakte zwischen der Klägerin und dem gemeinsamen Unternehmen statt.

23      Mit Schreiben vom 26. Februar 2010 wiederholte der Vorstandsvorsitzende der Klägerin, Herr V., die Vorbehalte und forderte das gemeinsame Unternehmen auf, zu ihnen Stellung zu nehmen. Außerdem wies der Vorstandsvorsitzende der Klägerin in diesem Schreiben das gemeinsame Unternehmen auf einen möglichen Interessenkonflikt hin, in dem sich einer ihrer Wettbewerber befinde.

24      In einem Gespräch mit dem gemeinsamen Unternehmen am 25. März 2010 erläuterte die Klägerin erneut ihren Standpunkt.

25      Mit Schreiben vom 13. April 2010 antwortete der Leiter der Abteilung für Verträge und öffentliche Aufträge des gemeinsamen Unternehmens auf die Schreiben vom 26. November 2009 (siehe oben, Randnr. 21) und vom 26. Februar 2010 (siehe oben, Randnr. 23). Der Leiter der Beschaffungsabteilung des gemeinsamen Unternehmens wies bei dieser Gelegenheit darauf hin, dass dieses die Behauptungen der Klägerin zum Vorliegen eines Interessenkonflikts berücksichtigen werde. Dieses Schreiben umfasste auch folgenden Abschnitt:

„Zur Ausschreibung, auf die Sie sich beziehen …, beachten Sie bitte, dass die Prüfung derzeit im Gange ist und folglich das [gemeinsame Unternehmen] insoweit keine weiteren Informationen preisgeben kann. Wir sind jedoch überzeugt, dass durch die Korrespondenz zwischen der Abteilung für Verträge und öffentliche Aufträge des [gemeinsamen Unternehmens] und Nexans die allgemeinen Geschäftsbedingungen und die für Vergabeverfahren geltenden Grenzen klargestellt werden konnten. Dazu müssen wir in Beantwortung Ihres Schreibens vom 26. November 2009 betonen, dass dieses Schreiben von Nexans als Antwort auf ein Klarstellungsersuchen des [gemeinsamen Unternehmens] übermittelt wurde. Da Nexans in diesem Schreiben alle erforderlichen Klarstellungen übermittelt hatte, musste das gemeinsame Unternehmen darauf im Rahmen der Prüfung nicht antworten.“

26      In einem Schreiben an den Leiter der Abteilung für Verträge und öffentliche Aufträge des gemeinsamen Unternehmens vom 16. April 2010 bekräftigte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Klägerin, dass ein Interessenkonflikt vorliege, da dem Vorstand des gemeinsamen Unternehmens eine bei der Agenzia nazionale per le nuove tecnologie, l’energia e lo sviluppo economico sostenibile (Nationale Agentur für neue Technologien, Energie und nachhaltige Wirtschaftsentwicklung, im Folgenden: ENEA) beschäftigte Person angehöre. In diesem Schreiben wurde auch auf einen möglichen Missbrauch vertraulicher Informationen betreffend die Klägerin sowie einen Verstoß gegen ihre Rechte des geistigen Eigentums hingewiesen.

27      In zwei Berichten, die in Anwendung von Art. 122 der Durchführungsbestimmungen am 25. März und 6. April 2010 erstellt wurden und an den Direktor sowie an den Exekutivausschuss des gemeinsamen Unternehmens gerichtet waren, schlug der Ausschuss für die Prüfung der Angebote vor, das Angebot abzulehnen und den Auftrag an ein „Italian Consortium for Applied Superconductivity (ICAS)“ genanntes Konsortium (im Folgenden: ICAS-Konsortium) zu vergeben, den einzigen anderen Bieter, bestehend aus der ENEA, der Tratos Cavi SpA und der Criotec Impianti Srl.

28      Zum Angebot wies der Ausschuss für die Prüfung der Angebote auf Folgendes hin. Erstens sei die ehrenwörtliche Erklärung zu den Ausschlusskriterien unvollständig. Zweitens habe die Klägerin kein unterschriebenes Exemplar des Mustervertrags vorgelegt, sondern im Gegenteil mehrere Vorbehalte zu den Vertragsbestimmungen über den Lieferplan, die technischen und finanziellen Bedingungen und den Umfang der Garantieverpflichtung des Bieters geäußert. Drittens habe die Klägerin in ihrer Antwort auf ein Ersuchen um Klarstellung ihre Vorbehalte aufrechterhalten und zusätzliche Informationen zu den Ausschlusskriterien übermittelt, aus denen sich ergebe, dass sie im Jahr 2007 wegen einer im Jahr 2001 begangenen Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln verurteilt worden sei. Im Ergebnis schlug der Ausschuss für die Prüfung der Angebote vor, das Angebot insbesondere deshalb abzulehnen, weil die Klägerin die mit mehreren wesentlichen Anforderungen aus dem Lastenheft, dem Mustervertrag und den technischen Spezifikationen unvereinbaren Vorbehalte aufrechterhielt, ohne dass es erforderlich sei, sich zu den Ausschlusskriterien zu äußern.

29      Folglich wurde nur das Angebot des ICAS-Konsortiums bewertet. Da dieses Konsortium als Einziges für die Vergabe des Auftrags verblieben war, wurden auf Wunsch des gemeinsamen Unternehmens auf der Grundlage von Art. 139 Abs. 6 der Durchführungsbestimmungen Verhandlungen aufgenommen.

30      Bei seiner 21. Sitzung am 19. und 20. Mai 2010 bestätigte der Exekutivausschuss des gemeinsamen Unternehmens, der gemäß Art. 124 Abs. 2 der Durchführungsbestimmungen befasst worden war, da der Auftrag einen Wert von über 1 Mio. Euro hatte, den ordnungsgemäßen Ablauf des Vergabeverfahrens.

31      Am 8. Juli 2010 lehnte der Direktor des gemeinsamen Unternehmens das Angebot ab (im Folgenden: Ablehnungsentscheidung) und vergab den Auftrag an das ICAS-Konsortium (im Folgenden: Vergabeentscheidung).

32      Mit Schreiben vom 16. Juli 2010 unterrichtete Frau R. die Klägerin gemäß Art. 120 Abs. 4 der Durchführungsbestimmungen von der Ablehnung des Angebots, da diese wegen ihrer Weigerung, ein Exemplar des Mustervertrags zu unterschreiben, und wegen der Vorbehalte bestimmte im Lastenheft vorgesehene „wesentliche Bedingungen“ nicht erfülle. In diesem Schreiben wurde der Klägerin auch die Vergabeentscheidung mitgeteilt. Außerdem wurde die Vergabeentscheidung am selben Tag an das ICAS-Konsortium übermittelt.

33      Mit Schreiben vom 23. Juli 2010 beantragte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Klägerin beim gemeinsamen Unternehmen, die Vergabeentscheidung und die Ablehnungsentscheidung (im Folgenden gemeinsam: angefochtene Entscheidungen) aufzuheben und das Ausschreibungsverfahren wieder aufzunehmen. Außerdem wurde das gemeinsame Unternehmen darauf hingewiesen, dass es wegen Missbrauchs geschützter vertraulicher Informationen verklagt werden könnte.

34      Dieses Schreiben wurde vom Leiter der Abteilung für Verträge und öffentliche Aufträge des gemeinsamen Unternehmens in einem Schreiben vom 3. August 2010 beantwortet.

 Verfahren und Anträge der Parteien

35      Mit Klageschrift, die am 18. September 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

36      Mit gesondertem Schriftsatz, der am selben Tag bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Entscheidungen beantragt.

37      Mit Schriftsatz, der am 5. Oktober 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat das gemeinsame Unternehmen das Gericht über die Einleitung einer internen Untersuchung betreffend den in der Klage behaupteten Interessenkonflikt unterrichtet und die Aussetzung des vorliegenden Verfahrens bis zum Abschluss dieser Untersuchung beantragt.

38      Der Antrag der Klägerin auf einstweiligen Rechtsschutz ist mit Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 15. Oktober 2010 zurückgewiesen worden; die Kostenentscheidung ist vorbehalten worden.

39      Mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2010 hat die Klägerin ihre Zustimmung zu einer möglichen Aussetzung des vorliegenden Verfahrens erklärt.

40      Mit Beschluss vom 19. November 2010 hat der Präsident der Ersten Kammer des Gerichts gemäß Art. 77 Buchst. d der Verfahrensordnung des Gerichts das vorliegende Verfahren bis zum 15. Dezember 2010 ausgesetzt.

41      Im Rahmen der oben in Randnr. 37 angeführten internen Untersuchung sind die Klägerin und das ICAS-Konsortium zur Stellungnahme aufgefordert worden. Die Dienststellen des gemeinsamen Unternehmens haben anschließend einen Bericht verfasst, der dem Direktor des gemeinsamen Unternehmens am 29. November 2010 vorgelegt worden ist. Im Hinblick auf diesen Bericht hat der Direktor des gemeinsamen Unternehmens entschieden, die angefochtenen Entscheidungen zu bestätigen. Folglich wurde am 9. Dezember 2010 der Vertrag mit dem ICAS-Konsortium geschlossen und die Klägerin davon am selben Tag unterrichtet. Der Untersuchungsbericht wurde der Klägerin am 18. Januar 2011 übermittelt.

42      Mit Schriftsatz, der am 12. April 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin beantragt, dass das Gericht dem gemeinsamen Unternehmen im Rahmen prozessleitender Maßnahmen aufgebe, das technische und kaufmännische Angebot des ICAS-Konsortiums und den mit diesem Konsortium am 9. Dezember 2010 geschlossenen Vertrag, gegebenenfalls in nicht vertraulicher Fassung, vorzulegen.

43      Mit Schriftsatz, der am 17. Mai 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat das gemeinsame Unternehmen die Zurückweisung dieses Antrags beantragt. Es hat jedoch eine nicht vertrauliche Fassung des mit dem ICAS-Konsortium geschlossenen Vertrags sowie dessen Anhang B vorgelegt, der den Lieferplan enthält.

44      Das Gericht (Erste Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, und im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 64 der Verfahrensordnung den Parteien schriftlich Fragen gestellt, auf die diese innerhalb der ihnen gewährten Fristen geantwortet haben.

45      In der Sitzung vom 27. November 2012 haben die Parteien mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

46      Die Klägerin beantragt im Wesentlichen,

–        die angefochtenen Entscheidungen für nichtig zu erklären;

–        alle nachfolgenden Handlungen für nichtig zu erklären;

–        das gemeinsame Unternehmen zur Zahlung eines Betrags von 175 453 Euro, Ergänzung vorbehalten, zuzüglich Zinsen zum Ersatz des Schadens zu verurteilen, der ihr ihres Erachtens entstanden ist;

–        hilfsweise, falls kein neues Ausschreibungsverfahren durchgeführt werden kann, das gemeinsame Unternehmen zur Zahlung eines Betrags von 50 175 453 Euro, Ergänzung vorbehalten, zuzüglich Zinsen zum Ersatz des Schadens zu verurteilen, der ihr ihres Erachtens entstanden ist;

–        dem gemeinsamen Unternehmen die Kosten aufzuerlegen.

47      Das gemeinsame Unternehmen beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

1.     Zu den Anträgen auf Nichtigerklärung

 Zur Zulässigkeit der Anträge auf Nichtigerklärung

 Zur Zulässigkeit des zweiten Antrags der Klägerin

48      Neben der Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidungen beantragt die Klägerin mit ihrem zweiten Antrag die Nichtigerklärung „alle[r] nachfolgenden Handlungen“.

49      Nach Art. 21 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der nach deren Art. 53 Abs. 1 auf das Verfahren vor dem Gericht entsprechend Anwendung findet, in Verbindung mit Art. 44 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung muss jede Klageschrift Angaben zum Streitgegenstand enthalten. Diese Angaben müssen so genau sein, dass dem Beklagten die Vorbereitung seiner Verteidigung und dem Gericht die Wahrnehmung seiner Kontrollaufgabe ermöglicht wird (vgl. Urteil des Gerichts vom 17. Oktober 2012, Evropaïki Dynamiki/Gerichtshof, T‑447/10, Randnr. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

50      Im vorliegenden Fall gibt die Klägerin jedoch nicht an, welche anderen Handlungen außer den angefochtenen Entscheidungen von ihrem Antrag auf Nichtigerklärung betroffen sind. Ein solcher Antrag ist nicht hinreichend genau, um eine Beurteilung seiner Tragweite zu ermöglichen, und ist daher als unzulässig zurückzuweisen (vgl. in diesem Sinne Urteil Evropaïki Dynamiki/Gerichtshof, oben in Randnr. 49 angeführt, Randnrn. 25 bis 28, und Beschluss des Gerichts vom 24. Oktober 2012, Evropaïki Dynamiki/Kommission, T‑442/11, Randnr. 92 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 Zur Klagebefugnis der Klägerin gegen die Vergabeentscheidung

51      Das gemeinsame Unternehmen macht geltend, dass das Angebot nicht dem Lastenheft entsprochen habe und es folglich gehalten gewesen sei, dieses abzulehnen. Unter diesen Umständen habe die Klägerin kein Rechtsschutzinteresse an der Anfechtung der Vergabeentscheidung. In Bezug auf diese Entscheidung sei die Klage daher als unzulässig abzuweisen.

52      Die Klägerin bezieht sich hingegen auf den Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 20. Juli 2006, Globe/Kommission (T‑114/06 R, Slg. 2006, II‑2627, Randnrn. 30 ff.), und macht geltend, dass ein Bewerber, der von einem Ausschreibungsverfahren ausgeschlossen worden sei, immer unmittelbar und individuell von der Entscheidung, den Auftrag einem anderen Bieter zu erteilen, betroffen sei. Sie hält daher ihren Antrag auf Nichtigerklärung der Vergabeentscheidung für zulässig.

53      Gemäß Art. 263 Abs. 4 AEUV, der nach Art. 106a EA auf den vorliegenden Rechtsstreit anwendbar ist, kann jede natürliche oder juristische Person gegen die an sie gerichteten oder sie unmittelbar und individuell betreffenden Handlungen Klage erheben. Da die Vergabeentscheidung unstreitig an das ICAS-Konsortium und nicht an die Klägerin gerichtet ist, ist zu prüfen, ob Letztere von dieser Entscheidung unmittelbar und individuell betroffen ist.

54      Nach ständiger Rechtsprechung kann eine natürliche oder juristische Person von einer Handlung im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV nur unmittelbar betroffen sein, wenn sich diese auf die Rechtsstellung dieser Person unmittelbar auswirkt (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 5. Mai 1998, Dreyfus/Kommission, C‑386/96 P, Slg. 1998, I‑2309, Randnrn. 43 und 45, und Urteil des Gerichts vom 26. September 2000, Starway/Rat, T‑80/97, Slg. 2000, II‑3099, Randnr. 61).

55      Es wurde wiederholt entschieden, dass, wenn das Angebot eines Bieters vor dem der Vergabeentscheidung vorangehenden Stadium abgelehnt wird, so dass es nicht mit den anderen Angeboten verglichen wird, die Zulässigkeit der Klage des betroffenen Bieters bezüglich der Vergabeentscheidung von der Nichtigerklärung der sein Angebot ablehnenden Entscheidung abhängt (Urteile des Gerichts vom 13. September 2011, Dredging International und Ondernemingen Jan de Nul/EMSA, T‑8/09, Slg. 2011, II‑6123, Randnrn. 134 und 135, und vom 22. Mai 2012, Evropaïki Dynamiki/Kommission, T‑17/09, Randnrn. 118 und 119).

56      Nur wenn die letztgenannte Entscheidung für nichtig erklärt wird, kann sich nämlich die Vergabeentscheidung unmittelbar auf die Rechtsstellung des Bieters auswirken, dessen Angebot vor dem der Vergabeentscheidung vorangehenden Stadium abgelehnt wird. Wird hingegen der Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung, mit der das Angebot abgelehnt wird, zurückgewiesen, kann die Entscheidung über die Vergabe des Auftrags für den Bieter, dessen Angebot vor dem der Vergabeentscheidung vorangehenden Stadium abgelehnt wurde, keine rechtlichen Folgen haben. In diesem Fall verhindert die Ablehnungsentscheidung, dass der betroffene Bieter durch die nachfolgende Entscheidung, mit der der Auftrag an einen anderen Bieter vergeben wird, unmittelbar beeinträchtigt wird.

57      Wurde also, wie im vorliegenden Fall, das Angebot eines Bewerbers wegen Nichterfüllung mehrerer wesentlicher Anforderungen des Lastenhefts abgelehnt, kann dieser Bewerber nur dann nachweisen, dass sein Angebot mit denen der anderen Bieter hätte verglichen werden müssen und sich folglich die Entscheidung, mit der der Auftrag an einen anderen Bewerber vergeben wurde, unmittelbar auf seine Rechtsstellung auswirkt, wenn er beweisen kann, dass sein Angebot zu Unrecht aus diesem Grund abgelehnt wurde.

58      Folglich hängt im vorliegenden Fall die Zulässigkeit des Antrags auf Nichtigerklärung der Vergabeentscheidung davon ab, ob die Klägerin die Nichtigerklärung der Ablehnungsentscheidung erlangen kann. Daher sind zunächst die Argumente betreffend die Rechtmäßigkeit der Ablehnungsentscheidung in ihrer Gesamtheit zu prüfen.

 Zur Begründetheit des Antrags auf Nichtigerklärung der Ablehnungsentscheidung

 Vorbemerkungen

59      Die Klägerin macht zur Stützung ihrer Anträge auf Nichtigerklärung, die gleichermaßen gegen die Ablehnungsentscheidung wie gegen die Vergabeentscheidung gerichtet sind, vier Klagegründe geltend. Mit dem ersten, der sich in drei Teile gliedert, rügt sie jeweils einen Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit, den Grundsatz des Schutzes des berechtigten Vertrauens sowie den Grundsatz der Transparenz. Der zweite Klagegrund besteht aus vier Teilen und betrifft einen Verstoß gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Chancengleichheit der Bewerber während des Verfahrens. Mit dem dritten Klagegrund wird ein Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung sowie gegen die Art. 84 und 94 der Finanzordnung des gemeinsamen Unternehmens gerügt. Mit dem vierten Klagegrund rügt die Klägerin schließlich einen Rechtsirrtum bei der Anwendung von Art. 120 Abs. 4 der Durchführungsbestimmungen.

60      Es ist darauf hinzuweisen, dass das Angebot vom gemeinsamen Unternehmen vor der vergleichenden Phase der Prüfung mit der Begründung abgelehnt wurde, dass es nicht mit den den Bietern in den Ausschreibungsunterlagen vorgeschriebenen Bedingungen vereinbar sei. Der dritte Teil des zweiten Klagegrundes, mit dem gerügt wird, dass das ICAS-Konsortium für die Erstellung seines Angebots über Informationen verfügt habe, die ihm einen Vorteil verschafft hätten, ist daher in Bezug auf die Rechtmäßigkeit der Ablehnungsentscheidung irrelevant.

61      Mit ihrem Vorbringen will die Klägerin zum einen im Wesentlichen die Rechtmäßigkeit der Bedingungen in Frage stellen, die den Bietern in den Ausschreibungsunterlagen vorgeschrieben wurden und im Hinblick auf die das gemeinsame Unternehmen ihr Angebot bewertet hat.

62      Das Gericht hält es daher zunächst für angebracht, die dazu im Rahmen des ersten und des dritten Teils des ersten Klagegrundes, des ersten und des zweiten Teils des zweiten Klagerundes sowie des dritten und des vierten Klagegrundes vorgetragenen Argumente zur Rechtswidrigkeit der Ausschreibungsunterlagen gemeinsam zu prüfen.

63      Zum anderen ist die Klägerin ferner der Ansicht, dass selbst unter der Annahme, dass die Ausschreibungsbedingungen rechtmäßig gewesen seien, sich das gemeinsame Unternehmen zu Unrecht für berechtigt gehalten habe, das Angebot vor der Phase des Vergleichs der Vorzüge der Angebote abzulehnen.

64      Das Gericht sieht es daher als zweckdienlich an, zweitens das Vorbringen der Klägerin im Rahmen des ersten Klagegrundes, des zweiten und des vierten Teils des zweiten Klagegrundes sowie des dritten und des vierten Klagegrundes zur Anwendung der Bedingungen nach den Ausschreibungsunterlagen auf den vorliegenden Fall zu prüfen.

65      Drittens wird das Gericht das Vorbringen der Klägerin im Rahmen des zweiten Teils des ersten Klagegrundes zu einem Verstoß gegen den Grundsatz des Schutzes des berechtigten Vertrauens prüfen.

 Zur Rechtmäßigkeit der Ausschreibungsunterlagen

66      Die Kritik der Klägerin an den Ausschreibungsunterlagen kann in drei Argumentationslinien unterteilt werden. Erstens wirft die Klägerin im Rahmen des ersten und des dritten Teils des ersten Klagegrundes sowie des vierten Klagegrundes dem gemeinsamen Unternehmen einen unklaren Wortlaut der Ausschreibungsunterlagen vor, der sie unter Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Transparenz daran gehindert habe, den Umfang der ihr damit auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen. Zweitens wendet die Klägerin im Rahmen des ersten Teils des zweiten Klagegrundes die Rechtswidrigkeit des Lastenhefts und der technischen Spezifikationen ein, da die Lieferfristen so vorgesehen worden seien, dass jede andere Bewerbung als die des ICAS-Konsortiums ausgeschlossen gewesen sei. Im Rahmen des dritten Klagegrundes meint die Klägerin außerdem, dass das Vorschreiben dieses Lieferplans einen Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung darstelle. Drittens wirft die Klägerin im Rahmen des zweiten Teils des zweiten Klagegrundes dem gemeinsamen Unternehmen vor, der ENEA ermöglicht zu haben, die Ausschreibungsbedingungen zu ihrem Vorteil zu beeinflussen, was zu einem Interessenkonflikt geführt habe.

–       Zur Bestimmtheit der für das Ausschreibungsverfahren geltenden Regeln

67      Die Klägerin wirft im Rahmen des ersten und des dritten Teils des ersten Klagegrundes dem gemeinsamen Unternehmen einen unklaren Wortlaut der Ausschreibungsunterlagen vor, der sie unter Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Transparenz daran gehindert habe, den Umfang der ihr damit auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen. Diese Kritik wird von der Klägerin in ihrem Vorbringen zum vierten Klagegrund wiederholt.

68      Die Klägerin vertritt insoweit die Auffassung, die Ausschreibungsunterlagen hätten nicht klargestellt, dass die Bieter verpflichtet gewesen seien, den Mustervertrag anzunehmen, ohne die Möglichkeit zu haben, Änderungen dazu vorzuschlagen. In dem ihr vom gemeinsamen Unternehmen am 19. November 2009 übermittelten Schreiben (siehe oben, Randnr. 18) sei auch nicht darauf hingewiesen worden, dass die Ablehnung des Angebots wegen der Äußerung von Vorbehalten unvermeidlich sei, sondern nur darauf, dass diese Ablehnung möglich sei. Zu keinem Zeitpunkt vor dem Erlass der Ablehnungsentscheidung habe das gemeinsame Unternehmen auf Art. 120 Abs. 4 der Durchführungsbestimmungen verwiesen. Die Klägerin habe daher weder vernünftigerweise annehmen können, dass das gemeinsame Unternehmen diese Bestimmung auf den vorliegenden Fall anwenden werde, noch dass die im Lastenheft genannten „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ „wesentliche Voraussetzungen“ im Sinne dieser Bestimmung darstellten. Außerdem gebe es keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Einhaltung des Lieferplans eine „wesentliche Bedingung“ im Sinne von Art. 120 Abs. 4 der Durchführungsbestimmungen darstelle. Unter diesen Umständen habe das gemeinsame Unternehmen gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßen.

69      Ferner ermögliche Punkt 4.1 des Lastenhefts dem gemeinsamen Unternehmen, zu beurteilen, ob die von einem Bieter vorgeschlagenen Änderungen zum Mustervertrag angenommen werden könnten. Das gemeinsame Unternehmen sei daher bei der Entscheidung nicht gebunden gewesen, sondern habe über einen Ermessensspielraum verfügt. Das gemeinsame Unternehmen habe jedoch der Klägerin zu keinem Zeitpunkt zu erkennen gegeben, dass es Punkt 4.1 des Lastenhefts anders auslege. Vielmehr habe das gemeinsame Unternehmen die Rechtsgrundlage, auf der es die Ablehnungsentscheidung erlassen habe, verschleiert. Es habe damit gegen den Grundsatz der Transparenz verstoßen.

70      Das gemeinsame Unternehmen tritt diesem Vorbringen entgegen.

71      Nach dem Grundsatz der Rechtssicherheit müssen die Betroffenen in der Lage sein, den Umfang der ihnen auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen (Urteile des Gerichtshofs vom 10. März 2009, Heinrich, C‑345/06, Slg. 2009, I‑1659, Randnr. 44, und vom 8. Juli 2010, Afton Chemical, C‑343/09, Slg. 2010, I‑7027, Randnr. 79). Der Grundsatz der Transparenz, der einen allgemeinen Grundsatz darstellt, der für das gemeinsame Unternehmen bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen nach Art. 79 seiner Finanzordnung gilt, verlangt, dass alle Bedingungen und Modalitäten des Vergabeverfahrens in der Bekanntmachung oder im Lastenheft klar, genau und eindeutig formuliert sind, damit alle durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt deren genaue Bedeutung verstehen und sie in gleicher Weise auslegen können und der Auftraggeber imstande ist, tatsächlich zu überprüfen, ob die Angebote der Bieter die für den betreffenden Auftrag geltenden Kriterien erfüllen (Urteile des Gerichtshofs vom 18. Juni 2002, HI, C‑92/00, Slg. 2002, I‑5553, Randnr. 45, und vom 29. April 2004, Kommission/CAS Succhi di Frutta, C‑496/99 P, Slg. 2004, I‑3801, Randnrn. 109 bis 111; Urteil des Gerichts vom 12. März 2008, European Service Network/Kommission, T‑332/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 126 und 127).

72      Es ist daher zunächst zu prüfen, ob die Ausschreibungsunterlagen diesen Anforderungen entsprechen. Die Einwände der Klägerin hiergegen können zu zwei Rügen zusammengefasst werden: Zum einen sei es nicht offensichtlich gewesen, dass die Annahme des Mustervertrags und des Lieferplans durch die Bieter verpflichtend gewesen sei. Zum anderen sei es auch nicht offensichtlich gewesen, dass das Angebot eines Bieters, der sich weigere, dieser Verpflichtung nachzukommen, abgelehnt werden müsse.

73      Zur ersten Rüge genügt es, auf Punkt 4.1 Unterabs. 1 des Lastenhefts zu verweisen (siehe oben, Randnr. 13), der wie folgt lautet:

„Die Einreichung eines Angebots impliziert die Annahme sämtlicher Bestimmungen des Mustervertrags und seiner Anhänge, einschließlich der [technischen Spezifikationen] und der [Verwaltungsspezifikationen] sowie den Verzicht des Bieters auf seine eigenen allgemeinen oder besonderen Geschäftsbedingungen.“

74      Aus dieser Bestimmung des Lastenhefts ergibt sich klar und ohne die geringste Zweideutigkeit, dass die Annahme des Mustervertrags und des Lieferplans (der Teil der technischen Spezifikationen ist) für die Bieter verpflichtend war und dass diese ausnahmslos auf jede eigene Vertragsbestimmung verzichten mussten.

75      Die Verpflichtung, dem Lieferplan nachzukommen, ergibt sich außerdem aus den Punkten 3.1 und 13.1.1 des Lastenhefts (siehe oben, Randnrn. 12 und 15). Zur Annahme des Mustervertrags stellt Punkt 6 des Lastenhefts klar, dass dieser dem Lastenheft als Anhang 1 beigefügt ist, für das Verfahren gilt und seine Bestimmungen Bestandteil des Lastenhefts sind (siehe oben, Randnr. 14).

76      Es wird außerdem in Punkt 4.1 Unterabs. 3 des Lastenhefts klargestellt, dass die in diesem Punkt insgesamt angeführten Verpflichtungen – nämlich insbesondere die Annahme des Mustervertrags und des Lieferplans – „für die Abgabe der Angebote gelten“, und dass es sich mit anderen Worten um „die Voraussetzungen [handelt], die die Bieter bei der Vorbereitung und der Einreichung ihres Angebots zu erfüllen haben, um die Annahme dieser Angebote zu ermöglichen“. Ferner wird in Punkt 4.1 Unterabs. 4 klargestellt, dass „die Bieter ausschließlich aufgrund des Inhalts ihres schriftlichen Angebots beurteilt werden“ und sie folglich „… klar erkennen lassen [müssen], dass sie in der Lage sind, den in den [technischen Spezifikationen] und den [Verwaltungsspezifikationen] enthaltenen Anforderungen zu genügen“.

77      In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin erklärt, dass zwar der Sinn dieser Bestimmungen für sich allein genommen klar erscheinen möge, sich aber die Unbestimmtheit der Tragweite der Verpflichtungen der Bieter aus der allgemeinen Systematik der gesamten Ausschreibungsunterlagen ergebe. Die Klägerin hat jedoch keine einzige Bestimmung des Lastenhefts oder der anderen Ausschreibungsunterlagen konkret benannt, die eine solche Unbestimmtheit hätte bewirken können, und hat zum Beweis dafür, dass es bei der Lektüre der Ausschreibungsunterlagen, insbesondere der oben in den Randnrn. 73 bis 76 angeführten Verpflichtungen, in den Augen eines durchschnittlich sorgfältigen Wirtschaftsteilnehmers nicht klar gewesen sei, dass die Annahme des Mustervertrags und des Lieferplans durch die Bieter verpflichtend und eine Voraussetzung für die Vereinbarkeit ihres Angebots mit den Anforderungen des Lastenhefts gewesen sei, nichts vorgebracht.

78      Folglich ist die erste Rüge der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen.

79      Daher ist die zweite Rüge betreffend einen Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Transparenz zu prüfen, wobei die Klägerin dazu die Auffassung vertritt, dass sich die Ablehnung der Angebote, die den oben in Randnr. 77 wiedergegebenen Anforderungen nicht entsprechen, nicht klar aus dem Lastenheft ergebe.

80      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der öffentliche Auftraggeber, wenn er im Rahmen eines Ausschreibungsverfahrens die Bedingungen festlegt, die er den Bietern auferlegen möchte, seine Ermessensausübung beschränkt und überdies von den so festgelegten Bedingungen nicht gegenüber einem der Bieter abweichen kann, ohne gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung zwischen den Bewerbern zu verstoßen. Daher ist das Lastenheft im Hinblick auf die Grundsätze der Selbstbeschränkung und der Gleichbehandlung der Bewerber auszulegen, um festzustellen, ob dieses, wie die Klägerin behauptet, dem gemeinsamen Unternehmen die Annahme der Vorbehalte ermöglichte.

81      Dazu genügt wiederum ein Hinweis auf Punkt 4.1 des Lastenhefts, dessen Unterabs. 2 wie folgt lautet:

„[Das gemeinsame Unternehmen] kann insoweit jeden Vorbehalt und jede Haftungsausschlussklausel, die im Angebot enthalten sind, unberücksichtigt lassen und behält sich das Recht vor, solche Angebote abzulehnen, ohne die Gründe, die sie mit dem Lastenheft unvereinbar machen, im Einzelnen bewerten zu müssen.“

82      Es ist festzustellen, dass der Wortsinn dieser Bestimmung der Auslegung der Klägerin, wonach das gemeinsame Unternehmen über einen Ermessensspielraum verfügen und die Möglichkeit haben müsse, Abweichungen von den in Punkt 4.1. Unterabs. 1 des Lastenhefts genannten Anforderungen (siehe oben, Randnrn. 13 und 73) zuzulassen, offensichtlich widerspricht. Punkt 4.1 Unterabs. 2, der dem gemeinsamen Unternehmen keineswegs die Möglichkeit gibt, allfällige Änderungen des Mustervertrags und des Lieferplans zu berücksichtigen, ermächtigt dieses nämlich nur, allfällige Vorschläge für eine Abweichung unberücksichtigt zu lassen, und ermöglicht ihm, rechtmäßig jedes den Anforderungen widersprechende Angebot abzulehnen.

83      Daraus folgt, dass das gemeinsame Unternehmen entgegen der Auffassung der Klägerin über keinen Ermessensspielraum verfügte, der ihm ermöglichte, von der Ablehnung eines Angebots mit Abweichungen vom Mustervertrag oder vom Lieferplan abzusehen, sondern dass sein einziger Ermessensspielraum die Frage betraf, ob die Abweichungen, aufgrund derer das Angebot nicht den Anforderungen entsprach, unberücksichtigt gelassen werden konnten, wobei es im gegenteiligen Fall dieses Angebot ablehnen musste.

84      Außerdem stellt Punkt 13.1.1 des Lastenhefts (siehe oben, Randnr. 15), wonach „die Unvereinbarkeit des Angebots mit den Mindestanforderungen der [Verwaltungsspezifikationen] und der [technischen Spezifikationen] zur Ablehnung des Angebots [führt]“, eine zusätzliche Warnung vor den Folgen der Nichteinhaltung der im Lieferplan genannten Fristen durch die Bieter dar.

85      Weiter wird in dem der Klage als Anhang A 2 beigefügten Lastenheft zweimal, in den Punkten 1 und 14, darauf hingewiesen, dass für das Ausschreibungsverfahren die Finanzordnung des gemeinsamen Unternehmens sowie die Durchführungsbestimmungen gelten. Punkt 4.2 des Lastenhefts stellt ferner klar, dass das fragliche Verfahren ein offenes Verfahren im Sinne von Art. 81 Abs. 4 der Finanzordnung des gemeinsamen Unternehmens und Art. 84 der Durchführungsbestimmungen ist. Solche Verfahren sind jedoch dadurch gekennzeichnet, dass der öffentliche Auftraggeber mit den verschiedenen Bietern nicht verhandeln kann, sondern diese ausschließlich, wie in Punkt 4.1 Unterabs. 4 des Lastenhefts festgehalten, aufgrund des Inhalts ihres schriftlichen Angebots beurteilt werden.

86      Überdies war das vom gemeinsamen Unternehmen an die Klägerin gerichtete Schreiben vom 19. November 2009 (siehe oben, Randnr. 18) hinsichtlich der Tragweite der für das fragliche Verfahren geltenden Regeln deutlich. Das gemeinsame Unternehmen wies nämlich zu den im Angebot geäußerten Vorbehalten auf Folgendes hin:

„Können Sie bestätigen, dass Sie die Bestimmungen des Mustervertrags und seiner Anhänge akzeptieren? Wenn dies der Fall ist, können Sie bestätigen, dass die [Vorbehalte] bloße Hinweise und keine Vertragsbestimmungen sind? Können Sie ein auf jeder Seite paraphiertes und von einer dazu berechtigten Person Ihres Unternehmens unterzeichnetes Exemplar des Mustervertrags übermitteln?

Wenn Sie nicht bestätigen, dass Sie die Vertragsbestimmungen akzeptieren, wird [das Angebot] ohne weitere Prüfung abgelehnt.“

87      Die Folgen für die Klägerin, wenn sie darauf hingewiesen hätte, dass ihre Vorbehalte vertraglicher Art seien und sie vorhabe, diese dem gemeinsamen Unternehmen entgegenzuhalten, wurden auch durch den konditionalen Charakter der in der oben wiedergegebenen Passage desselben Schreibens enthaltenen Fragen hervorgehoben. Diese Fragen, die die Ausschluss- und Auswahlkriterien betrafen, wurden nämlich mit folgendem Hinweis eingeleitet:

„Vorbehaltlich der Bestätigung, dass Sie die Vertragsbestimmungen wie oben ausgeführt akzeptieren, beantworten Sie bitte folgende Fragen …“

88      Die Klägerin trägt daher zu Unrecht vor, das gemeinsame Unternehmen habe, sei es bei der Erstellung der Ausschreibungsunterlagen oder durch sein Verhalten während des in Rede stehenden Vergabeverfahrens, die Rechtsgrundlage, nämlich Art. 120 Abs. 4 der Durchführungsbestimmungen, auf die es die Ablehnungsentscheidung gestützt habe, „verschleiert“.

89      Wie nämlich oben in Randnr. 85 ausgeführt, konnte der Klägerin bei der Lektüre der Ausschreibungsunterlagen nicht entgehen, dass für das Verfahren, dem sie sich unterworfen hatte, die Durchführungsbestimmungen galten, deren Art. 120 Abs. 4 wie folgt lautet:

„Angebote, die nicht allen in den Ausschreibungsunterlagen dargelegten wesentlichen Bedingungen oder den in diesen Unterlagen genannten besonderen Bedingungen entsprechen, werden abgelehnt.

Der Prüfungsausschuss oder [das gemeinsame Unternehmen] können von den Bietern verlangen, zusätzliche Informationen zu liefern oder die mit ihrem Angebot vorgelegten Unterlagen innerhalb der von ihnen gesetzten Frist zu verdeutlichen.“

90      Die zweite Rüge der Klägerin, wonach die Ablehnung derjenigen Angebote, die nicht mit der Verpflichtung im Einklang standen, die Bestimmungen des Mustervertrags sowie die im Lieferplan vorgesehenen Fristen einzuhalten, für die Bieter nicht ausreichend vorhersehbar gewesen sei, ist daher ebenfalls als unbegründet zurückzuweisen.

91      Nach alledem ist weder das Vorbringen der Klägerin, die in den technischen Spezifikationen enthaltene Verpflichtung der Bieter, den Mustervertrag und den Lieferplan zu akzeptieren, sowie die Ablehnung der nicht mit diesen Anforderungen vereinbaren Angebote habe sich nicht offensichtlich aus den Ausschreibungsunterlagen ergeben, noch ihr Vorbringen, diese Bedingungen seien ihr nicht mit hinreichender Deutlichkeit zugänglich gemacht worden, begründet. Daraus folgt, dass ihr Vorbringen zu einem Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Transparenz zurückzuweisen ist.

–       Zur Rechtfertigung der durch den Lieferplan vorgeschriebenen Fristen

92      Im Rahmen des ersten Teils des zweiten Klagegrundes und zur Stützung des dritten Klagegrundes wendet die Klägerin die Rechtswidrigkeit des Lastenhefts und der technischen Spezifikationen ein, da die Lieferfristen so vorgesehen worden seien, dass jede andere Bewerbung als die des ICAS-Konsortiums ausgeschlossen gewesen sei. Die Klägerin ist daher der Ansicht, dass das Vorschreiben dieses Lieferplans einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter, der auf einem Interessenkonflikt beruhe, sowie gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung darstelle.

93      Im Rahmen des ersten Teils des zweiten Klagegrundes trägt die Klägerin vor, dass die Fristen nach dem durch die technischen Spezifikationen vorgeschriebenen Lieferplan eine unverhältnismäßige Beschränkung darstellten, da nur die Unternehmen, die zum für die Vergabe des Auftrags vorgesehenen Zeitpunkt über eine passende Fertigungslinie verfügt hätten, eine Chance gehabt hätten, den Auftrag zu erhalten. Diese äußerst kurzen Fristen hätten daher nur zum Ziel gehabt, die Bewerbung des ICAS-Konsortiums, dem die ENEA angehört habe, zu begünstigen, was durch die Tatsache untermauert werde, dass kein anderes Angebot vorgelegt worden sei. Die neunmonatige Verspätung, mit der das gemeinsame Unternehmen den Vertrag mit dem ICAS-Konsortium geschlossen habe, beweise, dass die vorgeschriebenen Fristen nicht objektiv gerechtfertigt gewesen seien.

94      Im Rahmen des dritten Klagegrundes macht die Klägerin außerdem geltend, das gemeinsame Unternehmen habe sich, indem es die Lieferfristen so festgelegt habe, dass nur das ICAS-Konsortium den Auftrag habe erhalten können, um die Möglichkeit gebracht, vorteilhaftere Angebote als das des Konsortiums zu erhalten. Daher verstoße die Festlegung der Lieferfristen nicht nur gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter, sondern auch gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung.

95      Das gemeinsame Unternehmen tritt diesem Vorbringen entgegen.

96      Zunächst ist festzustellen, dass, wie das gemeinsame Unternehmen zu Recht geltend macht, die Argumente, mit denen die Klägerin die Rechtmäßigkeit der die Lieferfristen betreffenden Ausschreibungsbedingungen in Frage stellen will, nicht durchgreifen, da die Ablehnungsentscheidung darauf gestützt ist, dass ein mit Vorbehalten versehenes Angebots nicht zugelassen werden kann und die im Angebot geäußerten Vorbehalte nicht ausschließlich die Lieferfristen betrafen.

97      Wie nämlich oben in Randnr. 17 ausgeführt, war die geforderte Abweichung von den im Lieferplan vorgesehenen Fristen nur einer der vielen Vorbehalte, die im Angebot geäußert worden waren. Die Klägerin verlangte vom gemeinsamen Unternehmen außerdem, dass dieses u. a. akzeptiere, dass das Inkrafttreten des Vertrags von der Erlangung einer Baugenehmigung abhänge und bis zur Erlangung dieser Genehmigung aufgeschoben werde, weigerte sich, die Fixpreisklausel zu akzeptieren, und forderte die Abmilderung der Vertragsstrafen sowie eine Verringerung ihrer Haftung. Mit anderen Worten weigerte sich die Klägerin aus Gründen, die mit der Frage der Einhaltung der im Lieferplan vorgesehenen Fristen nichts zu tun hatten und von denen jeder eine Abweichung von den Bestimmungen des Mustervertrags darstellte, die Auftragsbedingungen so zu akzeptieren, wie sie vom gemeinsamen Unternehmen festgelegt worden waren.

98      Unter diesen Umständen hat sich jedoch die Klägerin, selbst wenn man annimmt, ihre gegen den Lieferplan gerichtete Kritik sei begründet, geweigert, den Mustervertrag zu akzeptieren, und bereits aufgrund dieser Weigerung allein musste das gemeinsame Unternehmen, wie sich aus den Randnrn. 71 bis 91 oben ergibt, das Angebot ablehnen. Daher kann die Einrede der Rechtswidrigkeit, die die Klägerin auf den diskriminierenden und unverhältnismäßigen Charakter des Lieferplans stützt, nicht dazu führen, dass sie mit ihrem Antrag auf Nichtigerklärung der Ablehnungsentscheidung durchdringt. Diese Rüge ist daher als ins Leere gehend zurückzuweisen.

99      Darüber hinaus ist diese Rüge jedenfalls unbegründet.

100    Nach der Rechtsprechung verfügen nämlich die öffentlichen Auftraggeber bei der Beurteilung der Gesichtspunkte, die bei einer Entscheidung über die Vergabe eines Auftrags im Wege der Ausschreibung zu berücksichtigen sind, über einen weiten Ermessensspielraum. Insoweit verfügen sie auch über einen weiten Ermessensspielraum bei der Beurteilung sowohl des Inhalts als auch der Anwendung der Vorschriften über die Vergabe eines Auftrags im Wege einer Ausschreibung (vgl. Urteil des Gerichts vom 25. Oktober 2012, Astrim und Elyo Italia/Kommission, T‑216/09, Randnr. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung).

101    Es ist auch darauf hinzuweisen, dass im Hinblick auf den weiten Ermessensspielraum, über den der öffentliche Auftraggeber verfügt, die Kontrolle durch das Gericht sich auf die Prüfung beschränken muss, ob die Verfahrensvorschriften und die Begründungspflicht beachtet wurden, der Sachverhalt richtig ermittelt wurde und kein offensichtlicher Beurteilungsfehler oder Ermessensmissbrauch vorliegt (vgl. in diesem Sinne Urteil Astrim und Elyo Italia/Kommission, oben in Randnr. 100 angeführt, Randnr. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).

102    Jedoch muss das gemeinsame Unternehmen, wie die Klägerin zu Recht geltend macht, die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung beachten. Nach Art. 79 seiner Finanzordnung ist es als öffentlicher Auftraggeber in jedem Abschnitt eines Ausschreibungsverfahrens zur Einhaltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung und damit der Chancengleichheit aller Bieter verpflichtet. Außerdem gebietet der Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter, der die Entwicklung eines gesunden und effektiven Wettbewerbs zwischen den sich um einen öffentlichen Auftrag bewerbenden Unternehmen fördern soll, dass alle Bieter bei der Abfassung ihrer Angebote die gleichen Chancen haben, was voraussetzt, dass die Angebote aller Bieter den gleichen Bedingungen unterworfen sind (Urteile des Gerichtshofs vom 18. Oktober 2001, SIAC Construction, C‑19/00, Slg. 2001, I‑7725, Randnr. 34, und Kommission/CAS Succhi di Frutta, oben in Randnr. 71 angeführt, Randnr. 108; Urteile des Gerichts vom 19. März 2010, Evropaïki Dynamiki/Kommission, T‑50/05, Slg. 2010, II‑1071, Randnrn. 55 und 56).

103    Im vorliegenden Fall behauptet die Klägerin nicht, dass nicht alle Bewerber den gleichen Bedingungen unterlagen, sondern sie macht geltend, die Bedingungen, die allen Bewerbern auferlegt wurden, seien so abgefasst worden, dass das ICAS-Konsortium begünstigt worden sei. Dieses Vorbringen stützt die Klägerin darauf, dass nur ein Unternehmen, das über eine passende Fertigungslinie verfügt habe, in der Lage gewesen sei, den Auftrag zu erhalten, und dass kein anderer Bewerber als das ICAS-Konsortium ein Angebot eingereicht habe, das den Fristen entsprochen habe, die in den technischen Spezifikationen der Ausschreibung vorgeschrieben worden seien.

104    Insoweit ist es erstens zwar richtig, dass kein anderes zulässiges Angebot als das des ICAS-Konsortiums eingereicht wurde, doch wurde das Vorbringen, wonach in Anbetracht der vorgeschriebenen Fristen nur ein Unternehmen mit einer passenden Fertigungslinie als Bewerber habe auftreten können, nicht nachgewiesen.

105    Zweitens trägt das gemeinsame Unternehmen vor, dass die Lieferfristen so festgelegt worden seien, dass es seinen Verpflichtungen nachkommen könne, die es gegenüber der Internationalen ITER-Organisation, Russland und Japan übernommen habe und die Gegenstand des im vorliegenden Fall in Rede stehenden Auftrags seien (siehe oben, Randnrn. 6 und 7). Dieses Vorbringen wird durch die Vorlage der drei betreffenden Verträge sowie durch den von der Internationalen ITER-Organisation vorgeschriebenen Plan erhärtet, die der Klagebeantwortung beigefügt sind (Anlagen B 7, B 8, B 10, B 31 bis B 35). Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass das gemeinsame Unternehmen nachgewiesen hat, dass die in den technischen Spezifikationen vorgeschriebenen Fristen objektiv gerechtfertigt waren und nicht die Begünstigung einer bestimmten Bewerbung bezweckten.

106    Hingegen tritt das gemeinsame Unternehmen dem Gegenvorbringen der Klägerin, wonach das gemeinsame Unternehmen, indem es den Vertragsschluss mit dem ICAS-Konsortium um neun Monate verschoben habe, durch sein Verhalten gezeigt habe, dass es an diese Fristen nicht, wie behauptet, gebunden gewesen sei, ernsthaft entgegen. Dieses hat nämlich bei der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, dass der Vertragsschluss nicht im Sommer 2010 habe erfolgen können, da die Mitglieder des ICAS-Konsortiums die für den Vertragsschluss erforderlichen Verwaltungs- und Finanzunterlagen nicht hätten übermitteln können. Außerdem setzte das gemeinsame Unternehmen auf den Vorwurf des Interessenkonflikts, den ihm gegenüber die Klägerin vor der Einreichung der vorliegenden Klage unmittelbar geäußert hatte und der auch Teil dieser Klage ist, unstreitig die Vergabeentscheidung aus und leitete eine Untersuchung zu diesen Vorwürfen ein. Der Vertragsschluss erfolgte dann tatsächlich unmittelbar nach dem Abschluss dieser Untersuchung (siehe oben, Randnrn. 37 und 39 bis 41).

107    Drittens besteht schließlich nach der Klägerin der behauptete Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung darin, dass sich das gemeinsame Unternehmen freiwillig um die Möglichkeit gebracht habe, vorteilhaftere Angebote zu erhalten, indem es entschieden habe, den Lieferplan so festzulegen, dass jede andere Bewerbung als die des ICAS-Konsortiums ausgeschlossen gewesen sei. Aus dem Vorherigen ergibt sich jedoch, dass die im Lieferplan vorgeschriebenen Fristen durch die internationalen Verpflichtungen des gemeinsamen Unternehmens gerechtfertigt waren. Dieses beging keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler, als es in Ausübung des ihm auf diesem Gebiet von der Rechtsprechung zuerkannten weiten Ermessensspielraums (siehe oben, Randnr. 100) davon ausging, dass seine Verpflichtung, seine internationalen Zusagen einzuhalten, Vorrang vor der Aussicht auf eine größere Zahl von Bewerbungen habe, wenn es weniger strenge Lieferfristen festgelegt hätte.

108    Nach alledem hat die Klägerin weder nachgewiesen, dass die vom Lieferplan vorgeschriebenen Fristen so abgefasst waren, dass die Bewerbung des ICAS-Konsortiums begünstigt wurde, noch dass sie unverhältnismäßig waren. Daher gehen die eine Rechtswidrigkeit des Lieferplans betreffenden Rügen der Klägerin ins Leere und sind jedenfalls auch unbegründet und daher zurückzuweisen.

–       Zum Vorliegen eines der Festlegung der den Bietern vorgeschriebenen Bedingungen anhaftenden Interessenkonflikts

109    Im Rahmen des zweiten Teils des zweiten Klagegrundes wirft die Klägerin dem gemeinsamen Unternehmen vor, der ENEA, die in verschiedenen Organen des gemeinsamen Unternehmens vertreten und auch ein Mitglied des ICAS-Konsortiums sei, gestattet zu haben, die Ausschreibungsbedingungen zu ihrem Vorteil zu beeinflussen, was zu einem Interessenkonflikt führe.

110    Die Herren M. und P., beide Mitarbeiter der ENEA und jeweils Mitglieder des Exekutivausschusses sowie des Vorstands des gemeinsamen Unternehmens, seien nämlich an der Vorbereitung der Ausschreibung beteiligt gewesen. Sie hätten so die Möglichkeit gehabt, die Festlegung der den Bewerbern auferlegten Bedingungen in einem für die Bewerbung der ENEA günstigen Sinne zu beeinflussen.

111    Außerdem sei die ENEA am Design der für das Projekt JT‑60SA bestimmten TF‑Leiter beteiligt gewesen, und die technischen Spezifikationen seien der ENEA vor Beginn der Ausschreibung zur Bestätigung übermittelt worden.

112    Schließlich habe ein Mitarbeiter der ENEA im Rahmen eines Besuchs der Anlagen von Nexans Korea Zugang zu vertraulichen Informationen über die Klägerin erhalten.

113    Das gemeinsame Unternehmen tritt diesem Vorbringen entgegen.

114    Nach der Rechtsprechung bewirkt die Möglichkeit eines Bieters, die Bedingungen für einen öffentlichen Auftrag, und sei es unbeabsichtigt, in einem für ihn günstigen Sinne zu beeinflussen, einen Interessenkonflikt. Der Interessenkonflikt stellt einen Verstoß gegen die Gleichbehandlung der Bewerber und die Chancengleichheit zwischen den Bietern dar (Urteil des Gerichtshofs vom 3. März 2005, Fabricom, C‑21/03 und C‑34/03, Slg. 2005, I‑1559, Randnrn. 29 und 30, sowie Urteil des Gerichts vom 17. März 2005, AFCon Management Consultants u. a./Kommission, T‑160/03, Slg. 2005, II‑981, Randnr. 74).

115    Erstens ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass der Begriff des Interessenkonflikts objektiven Charakter hat und dadurch gekennzeichnet ist, dass die Absichten der Betroffenen außer Betracht zu lassen sind, insbesondere ihre Gutgläubigkeit (Urteil des Gerichtshofs vom 10. Juli 2001, Ismeri Europa/Rechnungshof, C‑315/99 P, Slg. 2001, I‑5281, Randnrn. 44 bis 48).

116    Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass keine uneingeschränkte Verpflichtung der öffentlichen Auftraggeber besteht, Bieter, die sich in einem Interessenkonflikt befinden, systematisch auszuschließen, da ein solcher Ausschluss in den Fällen nicht gerechtfertigt ist, in denen nachgewiesen werden kann, dass sich der Interessenkonflikt nicht auf das Gebaren der Bieter im Rahmen des Ausschreibungsverfahrens ausgewirkt hat und keine tatsächliche Gefahr besteht, dass es zu einer Praxis gekommen ist, die geeignet ist, den Wettbewerb zwischen den Bietern zu verfälschen (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs Fabricom, oben in Randnr. 114 angeführt, Randnrn. 33 bis 36, vom 19. Mai 2009, Assitur, C‑538/07, Slg. 2009, I‑4219, Randnrn. 26 bis 30, sowie vom 23. Dezember 2009, Serrantoni und Consorzio stabile edili, C‑376/08, Slg. 2009, I‑12169, Randnrn. 39 und 40).

117    Drittens ist hingegen der Ausschluss eines Bieters, der sich in einem Interessenkonflikt befindet, unerlässlich, wenn es keine angemessenere Lösung gibt, um einen Verstoß gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung der Bieter und der Transparenz zu verhindern (Urteil des Gerichts vom 12. März 2008, Evropaïki Dynamiki/Kommission, T‑345/03, Slg. 2008, II‑341, Randnrn. 71 ff.; vgl. auch in diesem Sinne Urteile Assitur, oben in Randnr. 116 angeführt, Randnr. 21, sowie Serrantoni und Consorzio stabile edili, oben in Randnr. 116 angeführt, Randnrn. 39 und 40).

118    Daher ist im Licht dieser Erwägungen das Vorbringen zu prüfen, wonach die Beteiligung der ENEA, einem der Bieter im Rahmen des ICAS-Konsortiums, an der Erstellung der Ausschreibungsunterlagen und insbesondere an der Festlegung der technischen Spezifikationen einen Interessenkonflikt darstelle, der zur Rechtswidrigkeit der Bedingungen nach den Ausschreibungsunterlagen führe, da diese so abgefasst worden seien, dass die Bewerbung dieses Konsortiums begünstigt worden sei.

119    In dieser Hinsicht ist zunächst das Vorbringen des gemeinsamen Unternehmens, wonach die Vertreter der ENEA, die Mitglieder des Vorstands und des Exekutivausschusses seien, nicht als Vertreter der ENEA Mitglieder dieser Organe seien, nicht geeignet, das Vorliegen eines gegen den Grundsatz der Gleichheit der Bieter verstoßenden Interessenkonflikts auszuschließen. Das gemeinsame Unternehmen macht nämlich geltend, dass Herr P., Mitglied des Vorstands, die Italienische Republik und nicht die ENEA vertrete, und dass Herr M. nicht als Vertreter der ENEA, sondern als anerkannter Experte auf dem Gebiet der Kernfusion Mitglied des Exekutivausschusses sei. Die Tatsache allein, dass diese qualifizierten Personen nicht als Mitarbeiter der ENEA Mitglieder der Leitungsorgane des gemeinsamen Unternehmens sind, kann sie jedoch nicht daran hindern, ihre Stellung im gemeinsamen Unternehmen zu nützen, um den Interessen der italienischen nationalen Agentur zu dienen, was eben einen Interessenkonflikt darstellen würde.

120    Daher kann diese Rechtfertigung des gemeinsamen Unternehmens nicht durchgreifen, sondern es ist vielmehr die tatsächliche Rolle zu prüfen, die diese Mitarbeiter der ENEA sowie die ENEA selbst bei der Erstellung der Ausschreibungsunterlagen und insbesondere bei der Festlegung der technischen Spezifikationen spielen konnten.

121    Sodann weist das gemeinsame Unternehmen darauf hin, dass weder der Vorstand noch der Exekutivausschuss an der Erstellung der Ausschreibungsunterlagen beteiligt gewesen seien. In seiner Antwort auf die schriftlichen Fragen, die dem gemeinsamen Unternehmen vor der mündlichen Verhandlung gestellt worden sind, hat dieses die verschiedenen aufeinanderfolgenden Abschnitte der Ausarbeitung der fraglichen Unterlagen besonders genau dargelegt. Die Klägerin hat sich vor und in der mündlichen Verhandlung jeder Kritik in Bezug auf die Erklärungen des gemeinsamen Unternehmens enthalten. Diese Erklärungen erhärten das Vorbringen des gemeinsamen Unternehmens, wonach der Vorstand und der Exekutivausschuss nicht die geringste Rolle bei der Erstellung der Ausschreibungsunterlagen gespielt haben. Unter diesen Umständen ist die die Anwesenheit von Bediensteten der ENEA in diesen Organen des gemeinsamen Unternehmens betreffende Rüge der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen.

122    Ferner ist zum Vorbringen der Klägerin, wonach die technischen Spezifikationen zu den für das Projekt JT‑60SA bestimmten TF‑Leitern vor Beginn der Ausschreibung der ENEA zur Bestätigung übermittelt wurden, was vom gemeinsamen Unternehmen zugegeben wurde, darauf hinzuweisen, dass der Beitrag der Euratom zum Projekt JT‑60SA von der Italienischen Republik sowie der Französischen Republik für die Euratom zu liefern war, und dass daher die nationalen Agenturen dieser Mitgliedstaaten, nämlich die ENEA und der CEA, als solche zu Rate gezogen wurden, da das gemeinsame Unternehmen bei der Vergabe des in Rede stehenden Auftrags anstelle dieser Agenturen gehandelt hat.

123    Nach den Erläuterungen des gemeinsamen Unternehmens in der mündlichen Verhandlung, die die Klägerin nicht bestritten hat, konnte jedoch die ENEA weder einen Vorteil aus der Übermittlung der technischen Spezifikationen vor Beginn des Ausschreibungsverfahrens ziehen noch die Festlegung der technischen Spezifikationen in einem Sinne beeinflussen, der sich später als günstig für ihre Interessen erwiesen hätte. Das gemeinsame Unternehmen hat nämlich unwidersprochen darauf hingewiesen, dass die von der ENEA vorgeschlagenen technischen Spezifikationen schließlich nicht angenommen worden seien. Es hat außerdem geltend gemacht, insoweit ebenfalls unwidersprochen von der Klägerin, dass die mögliche Vorkenntnis der ENEA aufgrund ihrer Beteiligung zum einen an der Entwicklungsphase der Prototypen im Projekt JT‑60SA und zum anderen an der Festlegung der schließlich für dieses Projekt angenommenen technischen Spezifikationen ihr keinen komparativen Vorteil habe verschaffen können, da sich die fraglichen Spezifikationen nur auf die Kalibrierung und Parametrierung der für den Verkabelungs- und Ummantelungsvorgang verwendeten Anlagen und nicht auf die Art dieser Anlagen ausgewirkt habe, während sich die Prüfung der Angebote nur auf die Fähigkeit der Bewerber bezogen habe, über die fraglichen Anlagen zu verfügen und sie zu betreiben.

124    Schließlich kann das Vorbringen der Klägerin, ein Experte der ENEA habe bei einem Besuch der Anlagen von Nexans Korea vertrauliche Informationen erhalten, nicht für die Feststellung einer Rechtswidrigkeit der Ausschreibungsunterlagen ausreichen, da die Klägerin nicht näher erläutert hat, inwiefern sich diese Informationen auf die Erstellung dieser Unterlagen hätten auswirken können.

125    Nach alledem konnte die Klägerin nicht dartun, dass die Bedingungen nach den Ausschreibungsunterlagen unter dem Einfluss oder zum Vorteil der ENEA verfasst wurden und nicht rechtmäßig allen Bietern vorgeschrieben werden konnten.

126    Daraus folgt, dass das Vorbringen, die Bedingungen nach den Ausschreibungsunterlagen seien wegen eines Interessenkonflikts rechtswidrig gewesen, als unbegründet zurückzuweisen ist.

127    Daher kann die Klägerin nicht beanstanden, dass die Vereinbarkeit des Angebots mit diesen Bedingungen eine notwendige Voraussetzung dafür war, dass es vom gemeinsamen Unternehmen berücksichtigt werden konnte. Folglich ist nunmehr zu prüfen, ob das gemeinsame Unternehmen zu Recht annahm, dass das Angebot diesen Bedingungen nicht entsprochen habe.

 Zur Rechtmäßigkeit der Ablehnungsentscheidung im Hinblick auf die Bedingungen nach den Ausschreibungsunterlagen

128    Die Klägerin macht zur Anfechtung der Ablehnungsentscheidung im Hinblick auf die Bedingungen nach den Ausschreibungsunterlagen fünf zusätzliche Rügen geltend. Erstens vertritt sie im Rahmen des vierten Klagegrundes die Auffassung, dass die Verpflichtung zur Annahme des Mustervertrags und zur Einhaltung des Lieferplans keine „wesentliche Bedingung“ im Sinne von Art. 120 Abs. 4 der Durchführungsbestimmungen darstelle. Zweitens wirft die Klägerin dem gemeinsamen Unternehmen im Rahmen des ersten Klagegrundes vor, es habe sie vor dem Erlass der Ablehnungsentscheidung nicht über seine Auslegung informiert, wonach es sich als gehalten angesehen habe, ihr Angebot abzulehnen, da dieses nicht den Anforderungen entsprochen habe. Drittens vertritt sie im Rahmen des vierten Teils des zweiten Klagegrundes die Ansicht, die übermäßigen Anforderungen an die Bieter hätten sich negativ auf ihren Angebotspreis ausgewirkt. Viertens beanstandet die Klägerin im Rahmen des zweiten Teils des zweiten Klagegrundes die Teilnahme eines Mitarbeiters der ENEA am Verfahren der Angebotsprüfung. Fünftens meint die Klägerin schließlich, die ENEA habe vertrauliche Informationen besessen, die sie betroffen hätten.

–       Zur Anwendung von Art. 120 Abs. 4 der Durchführungsbestimmungen

129    Im Rahmen des vierten Klagegrundes vertritt die Klägerin die Auffassung, die von ihr geäußerten Vorbehalte hätten die „allgemeinen Bedingungen“ des Lastenhefts und nicht die „wesentlichen Bedingungen“ im Sinne von Art. 120 Abs. 4 der Durchführungsbestimmungen betroffen. Folglich habe das gemeinsame Unternehmen die Ablehnung ihres Angebots rechtsfehlerhaft auf diese Bestimmung gestützt. Nur die in den Ausschreibungsunterlagen als „wesentlich“ bezeichneten Bedingungen könnten zur Anwendung von Art. 120 Abs. 4 der Durchführungsbestimmungen führen. Außerdem hätte laut der Klägerin das gemeinsame Unternehmen in Anwendung von Punkt 4.1 des Lastenhefts die Vorbehalte unberücksichtigt lassen können, statt ihr Angebot abzulehnen.

130    Das gemeinsame Unternehmen tritt diesem Vorbringen entgegen.

131    Wie oben in Randnr. 89 ausgeführt, bestimmt Art. 120 Abs. 4 der Durchführungsbestimmungen:

„Angebote, die nicht allen in den Ausschreibungsunterlagen dargelegten wesentlichen Bedingungen oder den in diesen Unterlagen genannten besonderen Bedingungen entsprechen, werden abgelehnt.

Der Prüfungsausschuss oder [das gemeinsame Unternehmen] können von den Bietern verlangen, zusätzliche Informationen zu liefern oder die mit ihrem Angebot vorgelegten Unterlagen innerhalb der von ihnen gesetzten Frist zu verdeutlichen.“

132    Außerdem lautet Punkt 4.1 Unterabs. 1 und 2 des Lastenhefts, wie oben in den Randnrn. 73 und 81 ausgeführt, wie folgt:

„Die Einreichung eines Angebots impliziert die Annahme sämtlicher Bestimmungen des Mustervertrags und seiner Anhänge, einschließlich der [technischen Spezifikationen] und der [Verwaltungsspezifikationen] sowie den Verzicht des Bieters auf seine eigenen allgemeinen oder besonderen Geschäftsbedingungen.

[Das gemeinsame Unternehmen] kann insoweit jeden Vorbehalt und jede Haftungsausschlussklausel, die im Angebot enthalten sind, unberücksichtigt lassen und behält sich das Recht vor, solche Angebote abzulehnen, ohne die Gründe, die sie mit dem Lastenheft unvereinbar machen, im Einzelnen bewerten zu müssen.“

133    Der äußerst formalistischen Auslegung der Klägerin, wonach nur die in den Ausschreibungsunterlagen ausdrücklich als „wesentlich“ bezeichneten Bedingungen zur Anwendung von Art. 120 Abs. 4 der Durchführungsbestimmungen führen könnten, kann nicht gefolgt werden. Vielmehr sind diejenigen Bedingungen als „wesentlich“ im Sinne dieser Bestimmung anzusehen, aus denen sich bei der Lektüre der Ausschreibungsunterlagen in der Vorstellung eines durchschnittlich aufmerksamen und sorgfältigen Wirtschaftsteilnehmers klar ergibt, dass sie zwingenden Charakter haben und im Hinblick auf den Gegenstand des in Rede stehenden Auftrags und auf die Ziele, die von den für öffentliche Ausschreibungen geltenden Rechtsvorschriften verfolgt werden, nicht nur von geringfügiger Bedeutung sind.

134    Wie oben in den Randnrn. 72 bis 91 ausgeführt, ergibt sich aus den Ausschreibungsunterlagen klar, dass die Annahme des Mustervertrags und des Lieferplans zwingende Bedingungen darstellten, deren Einhaltung erforderlich war, damit die Angebote der Bieter geprüft werden konnten.

135    Außerdem steht fest, dass die von der Klägerin geäußerten Vorbehalte darauf abzielten, diese Bedingungen in Frage zu stellen, da sie sowohl zahlreiche Klauseln des Mustervertrags als auch den Lieferplan betrafen (siehe oben, Randnr. 17) und sich wesentlich auf den Inhalt des Auftrags selbst, wie auf das Datum des Inkrafttretens, den Lieferplan, die Grundsätze der Preisbestimmung und die Haftung des Vertragspartners, auswirkten.

136    Angesichts der Bedeutung dieser Bedingungen und der Tragweite der Folgen, die mit einem möglichen Verstoß gegen sie eindeutig verbunden waren, sind die Anforderungen, auf die sich die von der Klägerin geäußerten Vorbehalte bezogen, offensichtlich als „wesentliche Bedingungen“ im Sinne von Art. 120 Abs. 4 der Durchführungsbestimmungen anzusehen. Insoweit steht aus den oben in Randnr. 133 angeführten Gründen der Umstand, dass die fraglichen Anforderungen im Lastenheft als „allgemeine Bedingungen“ bezeichnet wurden, dieser rechtlichen Einstufung nicht entgegen.

137    Daher ist das Vorbringen der Klägerin, das gemeinsame Unternehmen habe das Angebot nicht rechtmäßig ablehnen können, da Art. 120 Abs. 4 der Durchführungsbestimmungen, der nur die Ablehnung der Angebote vorgesehen habe, die nicht allen wesentlichen Anforderungen nach den Ausschreibungsunterlagen entsprochen hätten, im vorliegenden Fall nicht anwendbar gewesen sei, unbegründet.

138    Die Klägerin trägt jedoch auch vor, dass selbst unter der Annahme, dass die Vorbehalte wesentliche Bedingungen im Sinne von Art. 120 Abs. 4 der Durchführungsbestimmungen betroffen hätten, das gemeinsame Unternehmen ihr Angebot nicht hätte ablehnen müssen, da es in Anwendung von Art. 4.1 des Lastenhefts hätte entscheiden können, diese Vorbehalte unberücksichtigt zu lassen.

139    Zunächst geht dieses Vorbringen ins Leere, da, wie oben in den Randnrn. 131 bis 137 festgestellt, das Angebot rechtmäßig abgelehnt werden konnte. So kann ein Bieter, der ein Angebot eingereicht hat, das den Anforderungen des Lastenhefts widerspricht, aus Punkt 4.1 des Lastenhefts keinen Anspruch ableiten, dass sein Angebot geprüft werde, und zwar selbst dann nicht, wenn das gemeinsame Unternehmen die vorgeschlagenen Änderungen auch rechtmäßig hätte unberücksichtigt lassen können. Nach Punkt 4.1 Unterabs. 2 des Lastenhefts „[kann das gemeinsame Unternehmen] … jeden Vorbehalt und jede Haftungsausschlussklausel, die im Angebot enthalten sind, unberücksichtigt lassen“, und außerdem „behält [es] sich das Recht vor, solche Angebote abzulehnen, ohne die Gründe, die sie mit dem Lastenheft unvereinbar machen, im Einzelnen bewerten zu müssen“. Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, wie oben in Randnr. 82 festgestellt, dass Punkt 4.1 Unterabs. 2 des Lastenhefts dem gemeinsamen Unternehmen keineswegs die Möglichkeit gibt, allfällige Änderungen des Mustervertrags und des Lieferplans zu berücksichtigen, sondern es nur ermächtigt, allfällige Vorschläge für eine Abweichung unberücksichtigt zu lassen, und ihm ermöglicht, rechtmäßig jedes den Anforderungen widersprechende Angebot abzulehnen.

140    Jedenfalls ist zur Begründetheit dieses Vorbringens darauf hinzuweisen, dass sich die Tragweite der Abweichungen aufgrund der Vorbehalte sowohl von den Bestimmungen des Mustervertrags als auch vom Lieferplan aus dem von der Klägerin eingereichten Angebot selbst ergab und dass die Klägerin selbst, in Beantwortung eines Ersuchens um Klarstellung, das das gemeinsame Unternehmen an sie gerichtet hatte (siehe oben, Randnr. 18), zumindest zweimal schriftlich bestätigte (siehe oben, Randnrn. 21 und 23), dass sie ihren Vorbehalten Vertragscharakter geben wolle. Unter Berücksichtigung dieser Klarstellungen konnte das gemeinsame Unternehmen nicht mehr entscheiden, die Vorbehalte unberücksichtigt zu lassen, ohne das Angebot zu verfälschen und ohne im Übrigen gegen den Grundsatz der Gleichheit der Bieter zu verstoßen, der in einem offenen Verfahren verlangt, dass die vorgelegten Angebote wörtlich genommen und vom öffentlichen Auftraggeber nicht frei uminterpretiert werden.

141    Daher konnte das gemeinsame Unternehmen die von der Klägerin geäußerten Vorbehalte nicht außer Betracht lassen und war gehalten, das Angebot auf der Grundlage von Punkt 4.1 des Lastenhefts in Verbindung mit Art. 120 Abs. 4 der Durchführungsbestimmungen abzulehnen, ohne seine Vorzüge zu prüfen.

142    Daraus folgt, dass die Rüge der Klägerin, das gemeinsame Unternehmen habe die Ablehnungsentscheidung nicht erlassen können, ohne gegen Art. 120 Abs. 4 der Durchführungsbestimmungen zu verstoßen, als teilweise ins Leere gehend und im Übrigen jedenfalls unbegründet zurückzuweisen ist.

–       Zur Rüge, das gemeinsame Unternehmen habe die Klägerin weder über seine Auslegung der Tragweite von Punkt 4.1 des Lastenhefts noch über seine Absicht informiert, das Angebot auf der Grundlage von Art. 120 Abs. 4 der Durchführungsbestimmungen abzulehnen

143    Im Rahmen des ersten Klagegrundes wirft die Klägerin dem gemeinsamen Unternehmen vor, sie vor dem Erlass der Ablehnungsentscheidung nicht über seine Auslegung informiert zu haben, wonach es sich als verpflichtet angesehen habe, ihr Angebot abzulehnen, da es nicht den Anforderungen entsprochen habe. Das Schweigen des gemeinsamen Unternehmens zu diesem Punkt habe sie daran gehindert, ihr Angebot anzupassen, den Inhalt des Lastenhefts anzufechten oder vor der Zustellung der Vergabeentscheidung eine Verwaltungsbeschwerde oder Klage einzureichen.

144    Das gemeinsame Unternehmen tritt diesem Vorbringen entgegen.

145    Zum einen ist festzustellen, dass dieses Vorbringen in tatsächlicher Hinsicht nicht zutrifft, da das gemeinsame Unternehmen die Klägerin in dem an sie gerichteten Ersuchen um Klarstellung (siehe oben, Randnr. 18) darauf hingewiesen hat, dass „[w]enn [s]ie nicht bestätig[t], dass [s]ie die Vertragsbestimmungen akzeptier[t], … [das Angebot] ohne weitere Prüfung abgelehnt [wird]“.

146    Zum anderen ist ergänzend festzustellen, dass dieses Argument ins Leere geht, da keine Bestimmung und kein allgemeiner Grundsatz dem öffentlichen Auftraggeber in einem offenen Verfahren vorschreibt, einen Bieter darauf hinzuweisen, dass sein Angebot nicht mit den Anforderungen des Lastenhefts vereinbar sei. Selbst wenn somit das gemeinsame Unternehmen die Klägerin nicht darauf hingewiesen hätte, dass seines Erachtens die Vorbehalte dazu führen, dass das Angebot den Bedingungen widerspreche, hätte das Schweigen zu diesem Punkt keine Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit der Ablehnungsentscheidung gehabt.

147    Daher ist die Rüge der Klägerin, das gemeinsame Unternehmen habe es unterlassen, sie darauf hinzuweisen, dass das Angebot aufgrund der Vorbehalte abgelehnt werden könne, als in tatsächlicher Hinsicht nicht zutreffend und im Übrigen ins Leere gehend zurückzuweisen.

–       Zur Rüge, unverhältnismäßige Ausschreibungsbedingungen hätten die Qualität des Angebots vermindert

148    Im Rahmen des vierten Teils des zweiten Klagegrundes vertritt die Klägerin die Auffassung, die übermäßigen Anforderungen an die Bieter hätten eine negative Auswirkung auf ihren Angebotspreis gehabt, da die Produktionskosten auf ungerechtfertigte Weise erhöht worden seien.

149    Das gemeinsame Unternehmen tritt diesem Vorbringen entgegen.

150    Da das Angebot ohne Prüfung abgelehnt wurde, greift das vorliegende Argument nicht durch und muss zurückgewiesen werden. Der Angebotspreis und seine anderen Merkmale hatten nämlich auf seine Ablehnung keine Auswirkung.

151    In Bezug auf die Begründetheit dieses Arguments wurde jedenfalls die Unverhältnismäßigkeit der den Bietern vom gemeinsamen Unternehmen vorgeschriebenen Anforderungen nicht nachgewiesen.

152    Zum einen konnte die Klägerin aus den oben in den Randnrn. 96 bis 108 dargelegten Gründen nicht nachweisen, dass der Lieferplan nicht objektiv gerechtfertigt war.

153    Zum anderen hat die Klägerin die Gründe nicht dargelegt, aus denen sie die anderen Anforderungen als den Lieferplan, auf die sich die von ihr geäußerten Vorbehalte beziehen, für unverhältnismäßig hält.

154    Daraus folgt, dass der behauptete Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht dargetan worden ist. Folglich kann die Klägerin nicht beanstanden, dass diese Anforderungen eine Auswirkung auf die Qualität des Angebots hatten.

155    Vor diesem Hintergrund ist die Rüge der Klägerin, unverhältnismäßige Ausschreibungsbedingungen hätten die Qualität des Angebots vermindert, als ins Leere gehend zurückzuweisen und im Übrigen jedenfalls unbegründet.

–       Zu den Folgen der Teilnahme von Bediensteten der ENEA am Angebotsprüfungsverfahren

156    Im Rahmen des zweiten Teils des zweiten Klagegrundes beanstandet die Klägerin die Teilnahme eines Bediensteten der ENEA am Angebotsprüfungsverfahren. Herr M. hätte nämlich somit als Mitglied des Exekutivausschusses beim Ausschluss des Angebots eine entscheidende Rolle spielen können.

157    Das gemeinsame Unternehmen tritt diesem Vorbringen entgegen.

158    Aus denselben Gründen wie den oben in den Randnrn. 120 und 121 angeführten hängt die Begründetheit des Vorbringens der Klägerin, die Bediensteten der ENEA hätten ihre Mitgliedschaft im Vorstand und im Exekutivausschuss des gemeinsamen Unternehmens nutzen können, um den Erlass der Ablehnungsentscheidung zu beeinflussen, von der Rolle ab, die diese Organe beim Erlass dieser Entscheidung tatsächlich spielten.

159    Aus den Erklärungen des gemeinsamen Unternehmens, die die Klägerin nicht bestritten hat, ergibt sich jedoch, dass die von der Klägerin und dem ICAS-Konsortium eingereichten Angebote von einem Prüfungsausschuss geprüft wurden, der vorschlug, das Angebot wegen seiner Unvereinbarkeit mit den wesentlichen Anforderungen nach den Ausschreibungsunterlagen abzulehnen. Außerdem steht fest, dass kein Bediensteter der ENEA diesem Ausschuss angehörte.

160    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedschaft eines Bediensteten der ENEA im Vorstand keine Auswirkung auf den Erlass der Ablehnungsentscheidung haben konnte, da die Klägerin nicht bestreitet, dass sich dieses Organ an keiner Phase des Verfahrens der Auswahl der Angebote beteiligte.

161    Gleiches gilt für die Mitgliedschaft von Herrn M. im Exekutivausschuss, obwohl dieses Organ vor dem Erlass der angefochtenen Entscheidungen zu Rate gezogen wurde.

162    Es ergibt sich nämlich aus Art. 124 Abs. 2 der Durchführungsbestimmungen, dass sich die Befugnisse des Exekutivausschusses auf die Billigung der Ergebnisse der Prüfung durch den Auswahlausschuss und insbesondere auf die Bestätigung des ordnungsgemäßen Ablaufs des Verfahrens beschränken. Außerdem ist zwischen den Parteien unstreitig, dass sich der Exekutivausschuss in Bezug auf das Angebot darauf beschränkt hat, die Erklärungen des Prüfungsausschusses zu billigen, wonach dieses nicht mit Anforderungen nach den Ausschreibungsunterlagen vereinbar war. Das gemeinsame Unternehmen war jedoch, wie oben in den Randnrn. 131 bis 141 festgestellt wurde, gehalten, das Angebot abzulehnen, da es nicht den Anforderungen entsprach. Daher hatte unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles die Tätigkeit des Exekutivausschusses keine Auswirkung auf den Inhalt der Entscheidung, die das gemeinsame Unternehmen in Bezug auf das Angebot zu treffen hatte. Unter diesen Umständen liegt der von der Klägerin behauptete Interessenkonflikt hinsichtlich der Teilnahme eines Mitglieds der ENEA an der Sitzung des Exekutivausschusses, in der der ordnungsgemäße Ablauf des Prüfungsverfahrens bestätigt wurde, nicht vor, ohne dass die Begründetheit der vom gemeinsamen Unternehmen vorgetragenen Rechtfertigungsgründe betreffend die Passivität dieses Mitglieds bei der in Rede stehenden Sitzung geprüft zu werden brauchte.

163    Daraus folgt, dass die Rüge der Klägerin betreffend das Vorliegen eines Interessenkonflikts aufgrund der Teilnahme eines Bediensteten der ENEA an der Sitzung, in der der Exekutivausschuss über den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens der Angebotsprüfung entschied, als unbegründet zurückzuweisen ist.

–       Zur Behauptung, die ENEA habe vertrauliche Informationen besessen, die die Klägerin betroffen hätten

164    Zum Vorbringen der Klägerin, ein Mitarbeiter der ENEA habe im Rahmen einer Dienstreise für die Internationale ITER-Organisation möglicherweise Zugang zu Informationen über eine Gesellschaft der Nexans Gruppe in Korea gehabt, genügt der Hinweis, dass dieser Umstand, sein Vorliegen einmal unterstellt, keine Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit der Gründe haben konnte, auf die die Ablehnungsentscheidung gestützt ist, und dass folglich diese Rüge als ins Leere gehend zurückzuweisen ist.

165    Nach alledem kann die Klägerin, vorbehaltlich der nun vorzunehmenden Prüfung des Vorbringens zu einem Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes, die Ablehnung ihres Angebots durch das gemeinsame Unternehmen nicht beanstanden.

 Zum Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes

166    Im Rahmen des zweiten Teils des ersten Klagegrundes macht die Klägerin einen Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes geltend. Das gemeinsame Unternehmen habe gegen diesen Grundsatz verstoßen, indem es ihr mehrmals zugesichert habe, dass es ihr Angebot nicht ablehnen werde.

167    Dazu beruft sich die Klägerin auf Punkt 4.1 des Lastenhefts, das Schreiben vom 19. November 2009 (siehe oben, Randnr. 18), auf Zusicherungen, die ihr während des Gesprächs vom 25. März 2010 gemacht worden seien (siehe oben, Randnr. 24), das Schreiben vom 13. April 2010 (siehe oben, Randnr. 25) sowie schließlich auf die Tatsache, dass das gemeinsame Unternehmen absichtlich „zwischen November 2009 und Mai 2010 eine unklare Situation geschaffen hat, indem es die Zulässigkeit ihres Angebots im Zweifel gelassen hat“.

168    Das gemeinsame Unternehmen tritt diesem Vorbringen entgegen.

169    Eine Berufung auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes ist möglich, wenn die Unionsverwaltung dem Betroffenen von zuständiger und zuverlässiger Seite präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Zusicherungen macht, diese Zusicherungen außerdem geeignet sind, bei dem Adressaten begründete Erwartungen zu wecken und sie den geltenden Vorschriften entsprechen (vgl. Urteile des Gerichts vom 8. Mai 2007, Citymo/Kommission, T‑271/04, Slg. 2007, II‑1375, Randnrn. 108 und 138, und vom 4. Februar 2009, Omya/Kommission, T‑145/06, Slg. 2009, II‑145, Randnr. 117 und die dort angeführte Rechtsprechung).

170    Keine der Stellungnahmen, die die Klägerin dem gemeinsamen Unternehmen zurechnet, erfüllt die oben angeführten Anforderungen.

171    Zunächst kann, wie festgestellt wurde, Punkt 4.1 des Lastenhefts das Vorbringen der Klägerin nicht stützen, da er klar darauf hinweist, dass die Einhaltung des Mustervertrags und des Lieferplans ohne Abweichung eine Bedingung für die Vereinbarkeit der Angebote mit dem Auftragsgegenstand darstellt. Derselbe Punkt verweist außerdem klar auf die Möglichkeit des gemeinsamen Unternehmens, jeden Vorbehalt unberücksichtigt zu lassen und Angebote, die nicht den Anforderungen entsprechen, abzulehnen. Daher entbehrt das Vorbringen der Klägerin, Punkt 4.1 des Lastenhefts stelle eine präzise Zusicherung dar, dass das Angebot trotz der Vorbehalte geprüft werde, der Grundlage.

172    Sodann wurde die Klägerin im Schreiben vom 19. November 2009 (siehe oben, Randnr. 18) klar darauf hingewiesen, dass das Angebot abgelehnt werden könnte, es sei denn die Vorbehalte hätten keinerlei Vertragscharakter. Ein solcher Hinweis stellt offensichtlich keine präzise Zusicherung dar, dass das Angebot trotz der Vorbehalte geprüft werde.

173    Ferner erbringt die Klägerin keinen Beweis dafür, dass ihr solche Zusicherungen während des Gesprächs vom 25. März 2010 gemacht wurden. Das gemeinsame Unternehmen bestreitet seinerseits die Behauptungen der Klägerin nachdrücklich, indem es umfassende Zeugenaussagen seiner Mitarbeiter vorlegt. Unter diesen Umständen hat die Klägerin die ihr im vorliegenden Fall obliegende Beweisführungspflicht nicht erfüllt.

174    Außerdem enthielt auch das Schreiben vom 13. April 2010 keine Zusicherung, aufgrund derer sich die Klägerin erhoffen konnte, dass ihr Angebot geprüft würde. In diesem Schreiben (siehe oben, Randnr. 25) wurde nämlich gegenüber der Klägerin nur klargestellt, dass das Prüfungsverfahren gerade im Gange sei, das gemeinsame Unternehmen bis zu seinem Abschluss keine Informationen zum Verfahren preisgeben könne und die Klägerin die von ihr verlangten Klarstellungen vorgenommen habe. Die Klarstellungen, auf die sich dieses Schreiben bezieht, sind nämlich die, die die Klägerin in Beantwortung des ihr übermittelten Klarstellungsersuchens abgegeben hatte und die die Frage betrafen, ob die im Angebot geäußerten Vorbehalte unberücksichtigt gelassen werden konnten oder nicht (siehe oben, Randnrn. 18 bis 21).

175    Schließlich erfüllte selbst unter der Annahme, dass, wie die Klägerin vorbringt, das gemeinsame Unternehmen „zwischen November 2009 und Mai 2010 eine unklare Situation geschaffen hat, indem es die Zulässigkeit ihres Angebots im Zweifel gelassen hat“, was im Übrigen nach allen vorangehenden Feststellungen widerlegt ist, dieser Umstand jedenfalls nicht die Anforderungen der oben in Randnr. 169 angeführten Rechtsprechung, nach der es erforderlich ist, dass präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Zusicherungen gemacht werden.

176    Daher entbehrt das Vorbringen der Klägerin, die Ablehnungsentscheidung sei unter Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes erlassen worden, der Grundlage.

177    Folglich ist nach alledem der Antrag der Klägerin auf Nichtigerklärung der Ablehnungsentscheidung als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum Antrag auf Nichtigerklärung der Vergabeentscheidung

178    Aus den oben in den Randnrn. 54 bis 58 dargelegten Erwägungen ergibt sich, dass die Zurückweisung des Antrags auf Nichtigerklärung der Ablehnungsentscheidung zur Folge hat, dass die Klägerin den Nachweis schuldig geblieben ist, dass sie von der Vergabeentscheidung unmittelbar betroffen ist. Daraus folgt, dass die Klägerin keine Klagebefugnis gegen diese Entscheidung hat und die Anträge auf Nichtigerklärung der Vergabeentscheidung als unzulässig zurückzuweisen sind.

2.     Zum Antrag auf Schadensersatz

179    Nach Art. 9 Abs. 2 der Entscheidung 2007/198 ersetzt das gemeinsame Unternehmen im Bereich der außervertraglichen Haftung die von seinen Bediensteten in Ausübung ihrer Tätigkeit verursachten Schäden nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind. Insoweit hängt die außervertragliche Haftung des gemeinsamen Unternehmens vom Vorliegen einer Reihe von Voraussetzungen ab, nämlich von der Rechtswidrigkeit des den Organen vorgeworfenen Verhaltens, dem tatsächlichen Bestehen des Schadens und der Existenz eines Kausalzusammenhangs zwischen dem behaupteten Verhalten und dem geltend gemachten Schaden (vgl. entsprechend, zur Haftung der Union und der Euratom, Urteile des Gerichtshofs vom 29. September 1982, Oleifici Mediterranei/EWG, 26/81, Slg. 1982, 3057, Randnr. 16, und vom 27. März 1990, Grifoni/Kommission, C‑308/87, Slg. 1990, I‑1203, Randnr. 6; Urteil des Gerichts vom 11. Juli 1996, International Procurement Services/Kommission, T‑175/94, Slg. 1996, II‑729, Randnr. 44).

180    Liegt eine dieser Voraussetzungen nicht vor, ist der Antrag auf Schadensersatz insgesamt zurückzuweisen, ohne dass die übrigen Voraussetzungen geprüft werden müssen (Urteil des Gerichtshofs vom 15. September 1994, KYDEP/Rat und Kommission, C‑146/91, Slg. 1994, I‑4199, Randnrn. 19 und 81, und Urteil des Gerichts vom 20. Februar 2002, Förde-Reederei/Rat und Kommission, T‑170/00, Slg. 2002, II‑515, Randnr. 37).

181    Hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der Pflichtverletzung stützt die Klägerin ihren Antrag auf Schadensersatz auf die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidungen.

182    Aus der Prüfung der Anträge der Klägerin auf Nichtigerklärung ergibt sich jedoch, dass ihr Vorbringen, die Ablehnungsentscheidung sei rechtswidrig, unbegründet ist. Der vorliegende Antrag auf Schadensersatz ist daher zurückzuweisen, soweit er sich auf die behaupteten Rechtsfehler in der Ablehnungsentscheidung stützt.

183    Zum Umfang der Haftung des gemeinsamen Unternehmens, die sich aus der Vergabeentscheidung ergeben könnte, deren Rechtmäßigkeit im Rahmen der Prüfung der Anträge der Klägerin auf Nichtigerklärung nicht beurteilt wurde, ist zunächst zu prüfen, ob ein Kausalzusammenhang zwischen der behaupteten Schädigung der Klägerin und dieser Entscheidung festgestellt werden kann, ob die Schädigung nachgewiesen wurde und ob der Schaden ersatzfähig ist.

184    Der erste Schaden, auf den sich die Klägerin beruft, besteht in den Kosten der Teilnahme am Ausschreibungsverfahren. Aus der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Ablehnungsentscheidung ergibt sich jedoch, dass die Klägerin keinen Anspruch darauf hatte, den Auftrag zu erhalten, da das Angebot ohne Prüfung abgelehnt werden musste. Die Ausgaben der Klägerin für die Teilnahme am Ausschreibungsverfahren haben daher unabhängig von der Rechtmäßigkeit der Vergabeentscheidung zu ihren Lasten zu gehen, da sie sich selbst in eine Lage brachte, in der ausgeschlossen war, dass sie den Auftrag erhalten konnte. Unter diesen Umständen ist der Kausalzusammenhang zwischen dem ersten behaupteten Schaden und der Vergabeentscheidung nicht nachgewiesen. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass dieser Schaden nicht ersatzfähig ist, da nach Punkt 4.1 des Lastenhefts „Ausgaben für die Vorbereitung und Einreichung des Angebots … [vom gemeinsamen Unternehmen] nicht erstattet [werden]“.

185    Der zweite behauptete Schaden besteht in den Kosten, die der Klägerin für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidungen entstanden sind. Insoweit kann dem Antrag auf Ersatz des zweiten Schadens nicht stattgegeben werden, ohne der Klägerin aus demselben Grund zweimal Schadensersatz zu gewähren, da die Klägerin die Verurteilung des gemeinsamen Unternehmens zu den Kosten beantragt. Selbst wenn man unterstellt, die Vergabeentscheidung sei rechtswidrig, ist jedenfalls darauf hinzuweisen, dass festgestellt wurde, dass der Antrag der Klägerin auf Nichtigerklärung unzulässig war und unter diesen Umständen die Kosten, die sie zu diesem Zweck aufgewendet haben soll, keinen ersatzfähigen Schaden darstellen können.

186    Der dritte und der vierte behauptete Schaden betreffen den Verlust der Chance, den Auftrag zu erhalten, und den Verlust des Wettbewerbsvorteils, den die Auftragserteilung der Klägerin verschafft hätte. Dazu ergibt sich aus der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Ablehnungsentscheidung, dass die Klägerin keine Chance hatte, den Auftrag zu erhalten. Es besteht daher kein Kausalzusammenhang zwischen der Vergabeentscheidung und dem behaupteten Verlust der Chance und des Wettbewerbsvorteils.

187    Daraus folgt, dass für jeden der von der Klägerin behaupteten Schäden zumindest eine der nach der Rechtsprechung erforderlichen Voraussetzungen fehlt, der Antrag auf Schadensersatz daher zurückzuweisen und folglich die Klage insgesamt abzuweisen ist.

3.     Zum Antrag auf prozessleitende Maßnahmen

188    Die Klägerin hat beantragt, dem gemeinsamen Unternehmen im Rahmen prozessleitender Maßnahmen die Vorlage des technischen und kaufmännischen Angebots des ICAS-Konsortiums und des mit diesem Konsortium am 9. Dezember 2010 geschlossenen Vertrags, allenfalls in nicht vertraulicher Fassung, aufzugeben.

189    Das gemeinsame Unternehmen hat eine nicht vertrauliche Fassung des Vertrags sowie den in Anhang B des Vertrags enthaltenen Lieferplan vorgelegt, tritt dem Antrag jedoch im Übrigen entgegen.

190    Da der vom ICAS-Konsortium geschlossene Vertrag vorgelegt wurde und die Klägerin den Umfang der vom gemeinsamen Unternehmen auferlegten Vertraulichkeit nicht gerügt hat, ist über den Antrag auf prozessleitende Maßnahmen betreffend dieses Dokument nicht mehr zu entscheiden.

191    Da das Angebot des ICAS-Konsortiums zur Lösung des vorliegenden Rechtsstreits nichts beitragen kann, da es keine Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit der Ablehnungsentscheidung hat, ist der auf seine Vorlage abzielende Antrag auf prozessleitende Maßnahmen zurückzuweisen.

 Kosten

192    Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des gemeinsamen Unternehmens die Kosten einschließlich der Kosten des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Nexans France trägt die Kosten einschließlich der durch das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entstandenen Kosten.

Azizi

Frimodt Nielsen

Kancheva

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 20. März 2013.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis


Vorgeschichte des Rechtsstreits

1.  Darstellung des gemeinsamen Unternehmens

2.  Vergabeverfahren

Verfahren und Anträge der Parteien

Rechtliche Würdigung

1.  Zu den Anträgen auf Nichtigerklärung

Zur Zulässigkeit der Anträge auf Nichtigerklärung

Zur Zulässigkeit des zweiten Antrags der Klägerin

Zur Klagebefugnis der Klägerin gegen die Vergabeentscheidung

Zur Begründetheit des Antrags auf Nichtigerklärung der Ablehnungsentscheidung

Vorbemerkungen

Zur Rechtmäßigkeit der Ausschreibungsunterlagen

–  Zur Bestimmtheit der für das Ausschreibungsverfahren geltenden Regeln

–  Zur Rechtfertigung der durch den Lieferplan vorgeschriebenen Fristen

–  Zum Vorliegen eines der Festlegung der den Bietern vorgeschriebenen Bedingungen anhaftenden Interessenkonflikts

Zur Rechtmäßigkeit der Ablehnungsentscheidung im Hinblick auf die Bedingungen nach den Ausschreibungsunterlagen

–  Zur Anwendung von Art. 120 Abs. 4 der Durchführungsbestimmungen

–  Zur Rüge, das gemeinsame Unternehmen habe die Klägerin weder über seine Auslegung der Tragweite von Punkt 4.1 des Lastenhefts noch über seine Absicht informiert, das Angebot auf der Grundlage von Art. 120 Abs. 4 der Durchführungsbestimmungen abzulehnen

–  Zur Rüge, unverhältnismäßige Ausschreibungsbedingungen hätten die Qualität des Angebots vermindert

–  Zu den Folgen der Teilnahme von Bediensteten der ENEA am Angebotsprüfungsverfahren

–  Zur Behauptung, die ENEA habe vertrauliche Informationen besessen, die die Klägerin betroffen hätten

Zum Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes

Zum Antrag auf Nichtigerklärung der Vergabeentscheidung

2.  Zum Antrag auf Schadensersatz

3.  Zum Antrag auf prozessleitende Maßnahmen

Kosten


* Verfahrenssprache: Französisch.